Die Päpstin, die es nie gab

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Die Päpstin, die es nie gab
Zum aktuellen Kinofilm
Goldener Herbst
Die Päpstin, die es nie gab
E
s ist unübersehbar: Der Herbst
ist da. Noch vor vierzehn Tagen
hätte man meinen können, der
Sommer würde sich länger hinziehen als gewöhnlich. Doch jetzt
sind die Tage kürzer und die Bäume farbiger geworden. Überall
wird die Ernte eingebracht. Die
Eine Frau als Papst mag eine
reizvolle Vorstellung sein
und ist zugleich kontrovers.
Die Figur des aktuellen Kinofilms hat aber nie existiert.
GEDANKEN
ZUM
SONNTAG
V O N J O S E F I M B AC H ( B I L D ) *
Che c’è sotto? –
Was ist dran? Die
Frage stellt sich in
Rom stets, wenn etwas undurchsichtig
erscheint. Qualcosa
dev’esserci sotto. –
Irgendetwas
wird
dran sein, sagen sich
daher manche, wenn sie in der Basilika
Santa Maria in Trastevere in der Kapelle
Altemps jenes Fresko betrachten, das
von einer Frau in päpstlichen Gewändern
beherrscht wird. Und denken dabei an
die berühmtberüchtigte Päpstin Johanna. Die Figur hält in der Rechten einen
Stab mit einem Doppelkreuz, während
sie mit der Linken auf eine Art Globus
verweist. Weiblich sind auch die Gestalten, welche die Päpstin umgeben.
Die Päpstin? Dies wird noch heute
kolportiert von Leuten, die Internetsuchmaschinen der Fachliteratur vorziehen. Sie wissen zu erzählen, dass die
Frau identisch sei mit der Päpstin
Johanna, deren Existenz von den Kirchenoberen aus fundamentalistischen
Gründen vehement bestritten werde.
Dabei handelt es sich beim Werk des
Michelangelo-Schülers Pasquale Cati
um ein kirchenpolitisches Propagandabild, das die Romtreuen an den wahren
Glauben erinnern und die Reformatoren
das Fürchten lehren sollte. Die Frau mit
der dreifach gereiften Papstkrone symbolisiert die Ecclesia, und die ist weiblich: die Kirche. Das Doppelkreuz steht
für den römischen Herrschaftsanspruch
über die ganze Christenheit. Mit der
anderen Hand berührt die Ecclesia nicht,
wie unerleuchtete Reiseleiter behaupten,
einen Globus, sondern die eben vollendete Peterskuppel. Und die missgestaltete Figur, die sich mit verzerrtem Antlitz
unter den Füssen der Ecclesia am Boden
windet? Sie verkörpert die vom Konzil
von Trient bekämpfte Reformation.
Verführt und geschwängert
Aber was ist nun dran an der Story
von der Päpstin Johanna? Tatsächlich
erwähnen Chroniken aus dem 14. Jahrhundert eine Schreiberin am päpstlichen Hof, die angeblich den Sprung
zum Papstamt schaffte. Laut Legende
verkleidete sich die Skribentin schon in
jungen Jahren als Mann. Später in Rom
habe man ihr nahegelegt, die heiligen
NACHRICHTEN
Zentralrat der
Juden kritisiert
Berlin – Der 63-jährige Publizist
Henryk M. Broder kandidiert
für das Amt des Präsidenten
des Zentralrats der Juden in
Deutschland. Er bewerbe sich
auch deshalb um die Nachfolge
von Charlotte Knobloch bei der
Wahl im kommenden Jahr, weil
sich der Verband in «einem
erbärmlichen Zustand» befinde. (ap)
Heiratsparadies für
alle Konfessionen
Nikosia – Standesamtliche
Hochzeiten gibt es im Nahen
Osten nicht, und kein Geistlicher traut Angehörige verschiedener Konfessionen. Der Libanon und Israel erkennen wenigstens im Ausland geschlossene Ziviltrauungen an. Aus
dem Dilemma Liebender verschiedenen Glaubens ist in Nikosia inzwischen ein Geschäftszweig entstanden. Auf dem Amt
kostet die Trauung umgerechnet rund 200 Franken. Reiseveranstalter bieten Pauschalpakete
an. Vergangenes Jahr schlossen
523 Paare aus dem Libanon
und 1533 aus Israel auf der
Mittelmeerinsel den Bund fürs
Leben. (ap)
von
Hansruedi Kleiber
Winzer freuen sich auf den besonders guten Tropfen, den das Jahr
verspricht, und an manchen Orten
werden Erntedankfeste gefeiert.
Der goldene Herbst hat seinen
Namen wohl von der milden
Herbstsonne, die alles in besonderem Licht erscheinen lässt. Auch
wenn oft viel Arbeit dahintersteckt,
die reifen Früchte werden als Geschenk erfahren. Denn manches
muss zusammenwirken, bis geerntet werden kann, und Gefahren wie
Trockenheit oder Hagel sind nie
auszuschliessen.
Das Bild in der Kapelle der Basilika Santa Maria in Trastevere. Es soll angeblich die Päpstin zeigen.
Weihen zu empfangen. Nach dem Tod
Leos IV. (847–855) sei sie zum Papst
gewählt worden. Als solcher habe sie
eine üppige Lebensweise gepflegt, womit der Versucher, der ihr in der Gestalt
eines Vertrauten nahegekommen sei,
leichtes Spiel gehabt habe. Johanna sei
schwanger und während einer Prozession von den Geburtswehen überrascht
worden. Die empörte Menge soll sie mit
ihrem Kind sofort umgebracht haben.
Die Legende von der Päpstin verbreitete sich vor allem so schnell, weil der
Dominikaner Martin von Troppau sie
im 13. Jahrhundert in seine berühmte
Chronik der Päpste und Kaiser aufnahm. Bis ins 16. Jahrhundert war man
sogar in kirchlichen Kreisen von ihrer
Wahrheit überzeugt. Längst hat die
Forschung aber herausgefunden, dass
die Amtsvakanz nach dem Tod Leos IV.
am 17. Juli 855 nur ein paar Wochen
dauerte. Schon am 29. September fand
er in Benedikt III. einen Nachfolger.
Eine Frau namens «Päpstin»
Literarisch gesehen handelt es sich
um eine Wanderlegende. In Konstantinopel kursierte im 10. Jahrhundert eine
ähnliche Erzählung, eine als Mann
verkleidete Frau habe es bis zum Patriarchen gebracht. Wie aber kam es zur
Übertragung auf Rom? Durch eine unscheinbare Ädikula (etwas zwischen
Bildstock und kleiner Kapelle) mit einem
verwitterten Muttergottesbild und eine
früher schon oft begangene Strasse.
Die Ädikula befindet sich in der Via
dei Querceti 2, nahe der Kirche San
Clemente. In der Spätantike stand hier
eine Statue. Laut den meisten Forschern stellte sie einen Mithraspriester
mit einem dienenden Knaben dar. Die
Inschrift P. P. P. ist die Abkürzung für
«Parce Pater Patrum» – «Vater der Väter,
verschone uns!» Die Statue war arg
lädiert; die weiten Gewänder des Priesters und die Figur des Knaben erinnerten das Volk an eine Mutter mit Kind.
Dass daraus die Päpstin mit Säugling
wurde, liegt daran, dass in der Gegend
ein Vicus Papissæ, eine Päpstinstrasse,
existierte. Sie leitete ihren Namen von
einer dort wohnenden Bürgerin her, die
Päpstin hiess, weil sie mit einem Mann
namens Papa verheiratet war. Für die
Humanisten des 15. Jahrhunderts bestand indes kein Zweifel, dass die drei P
bedeuteten: «Papissa peperit papellum» –
«Die Päpstin gebar (hier) ein Päpstlein».
Maria mit Kind
Als Papst Sixtus V. das Bildwerk entfernen liess, wurde an dessen Stelle eine
BILD JOSEF IMBACH
EXPRESS
Gestern ist der Kinofilm
«Die Päpstin» angelaufen
(siehe Mittwoch-Ausgabe).
Der Theologe Josef Imbach
erläutert, warum die ganze
Geschichte nicht stimmt.
Ädikula mit dem Fresko einer Madonna
mit Kind errichtet. Uneinsichtige behaupten weiterhin, das Bild, das immer
wieder übermalt und dadurch bis zur
Unkenntlichkeit entstellt wurde, zeige
die Päpstin Johanna mit ihrem Kind.
Dagegen spricht eindeutig die verwitterte Inschrift auf einer Marmortafel.
Denn sie verspricht den Vorübergehenden ein Lächeln der Madonna, wenn sie
ihr Bildnis mit einem «Salve o Maria»
grüssen. Auch hier bleibt die angebliche
Päpstin also nur eine Legende.
HINWEIS
* Josef Imbach lehrt an der Theologischen
Fakultät der Uni Basel. Er lebte lange in der
Innerschweiz und ist Autor zahlreicher Bücher.
Der Kinofilm «Die Päpstin» läuft seit dieser Woche
in den Kinos Moderne (Luzern), MaxX (Emmen),
Leuzinger (Altdorf) und Seehof (Zug). So ist der Herbst ein Symbol für
unser Leben. Nach dem Aufbruch
in der Jugendzeit, in der die Welt
entdeckt werden will, kommt die
aktive Phase der Berufstätigkeit,
der Partnerschaft, des Engagements für Familie und Gesellschaft. Darauf folgt die Zeit der
Reife, der «Herbst des Lebens». Wir
ernten die Früchte unserer Arbeit,
blicken dankbar zurück auf das
Erreichte und wissen zugleich um
die Gefährdung unserer Existenz,
darum, dass nach dem Herbst der
Winter kommt, in dem alles Leben
stirbt. Nur so kann es im Frühjahr
wieder erwachen. Der Herbst aber
erfüllt uns mit Dankbarkeit. Er
lehrt uns, dass es nicht so sehr
auf Leistung ankommt, die wir uns
selber zuschreiben, sondern auf
Wachstum und Fruchtbarkeit, die
uns letztlich geschenkt wird.
Doch nicht immer ist der Herbst
«golden». Er kann auch garstig und
grau daherkommen. Feuchtigkeit
und Kälte können die Ernte verderben. Schicksal oder Fügung?
Wir lernen, die Dinge zu nehmen,
wie sie sind, und zugleich darauf
zu hoffen, dass alles seinen Sinn
hat und zum Guten geführt wird.
Pater Hansruedi Kleiber ist verantwortlich für
die Jesuitenkirche und Leiter des Pastoralraumes Luzern.
Minarett-Initiative
Kirchen und Muslime kämpfen vereint
Die Minarett-Initiative
entzweit die Gemüter.
In Luzern führt sie zum
politischen Schulterschluss
der Glaubensgruppen.
In der Zentralschweiz formiert sich in
ungewohnter Zusammensetzung aktiver
Widerstand gegen die Minarett-Initiative: Die christlichen Landeskirchen des
Kantons Luzern steigen erstmals Seite
an Seite mit der Islamischen Gemeinde
in einen politischen Abstimmungskampf. «Das hat es in dieser Form noch
nie gegeben», sagt David A. Weiss, Synodalratspräsident der evangelisch-reformierten Kirche. Das christlich-muslimische Komitee «Gleiches Recht für alle»
tritt mit eigenen Plakaten gegen die
Minarett-Gegner von SVP und EDU an.
Gegen Sonderrecht in Verfassung
Dem Komitee gehören die römischkatholische, die reformierte und die
christkatholische Landeskirche sowie
die Islamische Gemeinde Luzern an. Mit
dem Zusammenschluss wollen die
Glaubensgruppen gegen religiöse Sonderrechte in der Verfassung kämpfen.
Ein Bauverbot von Minaretten würde
die Freiheit und die Gleichbehandlung
der Glaubensgruppen verletzen, erklärte
das Komitee an einer Medienkonferenz.
Symbol für die Ungleichheit
Die Gegner der Minarett-Initiative
im Kanton Luzern haben ein eigenes
Plakat (siehe Bild) entworfen. Dieses
dürfte für weitaus weniger Polemik
sorgen als die Anti-Minarett-Plakate
der SVP. Die Gabel mit abgebrochener Spitze symbolisiere anhand eines
Alltagsgegenstands die Ungleichheit
in der Behandlung verschiedener Religionsgemeinschaften, sagt David A.
Weiss, Synodalratspräsident der reformierten Kirche Luzern und Mitglied des christlich-islamischen Komitees «Gleiches Recht für alle».
«Mehr sagt es nicht aus, man darf
nicht zu viel hineininterpretieren.»
Aus finanziellen Gründen sei es unmöglich, das Plakat grossflächig auszuhängen.
Es soll durch Kirchgemeinden,
Pfarreien und Muslim-Vereine angeschlagen werden.
tos
«Die Annahme der Initiative würde den
Muslimen verunmöglichen, sichtbar zu
machen, wo ihr Gotteshaus steht –
etwas, was allen christlichen Kirchen
selbstverständlich zugestanden wird»,
sagte Jörg Trottmann, Synodalrat der
römisch-katholischen Landeskirche.
Die Gegner der Minarett-Initiative
werben mit diesem Plakat. BILD ZVG
Religionsfrieden gefährdet
Ein Bauverbot für Minarette in der
Verfassung würde den Religionsfrieden
in der Schweiz gefährden, sagte das
Komitee. Die langjährigen Integrationsbemühungen und der Dialog zwischen
Christen und Muslimen würden da-
durch hintertrieben. Das Komitee verwies dazu auf zahlreiche Projekte:
● So würden sich die Landeskirchen,
unterstützt von den kirchlichen Werken
Caritas und Heks, seit Jahren für die
Integration von Migrantinnen und Migranten einsetzen.
● Die Landeskirchen begleiteten das Pilotprojekt des muslimischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen.
● Bei der Schaffung eines muslimischen
Friedhofteils in Luzern haben Mitarbeiter der Landeskirchen vermittelt.
● In diesem Jahr finden im Rahmen der
«Woche der Religionen» vom 1. bis
7. November interreligiöse Veranstaltungen statt. Im Vorjahr gingen in
60 Städten und Gemeinden rund
170 Anlässe über die Bühne.
Die Gegner der Minarett-Initiative
warnen vor einem Rückschritt in die
Zeiten des Kulturkampfs: Dass die
Religionsfreiheit in der Bundesverfassung verankert sei, habe vor allem mit
Konflikten zwischen Christen zu tun,
die noch im 19. Jahrhundert das friedliche Zusammenleben der Schweizer
gefährdet hatten, sagte Anna Chudozilov, Delegierte des Kirchenrats der
Christkatholischen Kirchgemeinde Luzern. «Dank der Verankerung der Religionsfreiheit in unserem Rechtssystem
gehören diese Konflikte heute der Vergangenheit an.»
T H O M A S O S WA L D