Waffen-SS 1 - deutschelobby

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Waffen-SS 1 - deutschelobby
Die Waffen-SS
Eine umstrittene Elitetruppe
b Günter Grass eigentlich weiß, was er mit der Selbstinszenierung seines „Geständnisses“, Soldat der Waffen-SS gewesen zu sein, angerichtet hat? Waffen-SS - das
Reizwort vermochte in den letzten Wochen Deutschlands
Medien in kühnste Alarmstimmung zu versetzen und auch
die älteste Filmrolle, die letzte Nazidokumentation wurde
aus den Archiven geholt, um jene Scheinaktualität zu ze­
lebrieren, die deutsche Medienmacher so lieben.
Kaum einem aber fiel dabei auf, daß da so mancher Bei­
trag in die alten Schablonen und Denkmuster zurückfiel,
d|e schon immer das Verhältnis der Deutschen zu der um­
Ü
strittensten Truppe ihrer Geschichte bestimmte. Der OKWVerteidiger Hans Laternser wußte schon, was er tat, als er
1946 während des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses
die Parole ausgab, die SS-Führer seien ohnehin des Todes,
daher möchten sie alles auf sich nehmen - der Schild der
Wehrmacht müsse rein bleiben. Sein Kalkül ging nahezu
auf: Die Soldaten der Waffen-SS sahen sich zu einen in­
tegralen Bestandteil der großen „Vernichtungsmaschine
SS“ stigmatisiert, gleichgestellt mit KZ-Schergen und den
Exekutoren des monströsen Judenmordes. „Waffen-SS“
wurde zu einem häßlichen Tabuthema, an das die ersten
In den Krisen des Rußlandkrieges
wurde die Waffen-SS aufgrund ihrer
Kampfkraft immer wieder zur
Feuerwehr des deutschen Ostheeres.
deutschen Nachkriegshistoriker nicht
gerne rührten. Keiner mochte das
Nürnberger Verdikt, das die gesamte
Truppe zur v erbrecherischen O rga­
nisatio n erk lä rt hatte, hinterfragen
- kaum verw underlich, daß es noch
immer keine deutsche Geschichte der
Waffen-SS gibt, von ein paar lesen­
werten Vorstudien abgesehen. Desto
bizarrer m ußte es wirken, daß vor al­
lem am erikanische Historiker längst
begonnen hatten, das Bild von der
„mordenden, berserkerhaften W af­
fen-SS“ zu revidieren.
oder Sonderkomm andos, die jeweils
über 100 bewaffnete M änner verfüg­
ten. Hatte ein Sonderkomm ando ei­
ne bestimmte Personalstärke erlangt,
nannte es sich „Politische Bereit­
schaft“. Meist erwachte dann in ihren
Führern - fast immer ehemalige Offi­
ziere - m ilitärischer Ehrgeiz. Folge:
Die Bereitschaften w urden wie Regi­
m enter aufgezogen.
Die wachsende Bedeutung der Be­
reitschaften, nicht zuletzt auch die
Erbeutung um fangreicher W affenla­
ger der SA nach dem sogenannten
„Röhm -Putsch“, inspirierte Himmler
D as w irkliche L eben
zu dem Plan, sich eine eigene be­
Der New Yorker Professor George
waffnete Eingreiftruppe zu schaffen,
H. Stein und der Zeitgeschichtler Ro­
Schlußstück eines von ihm erträum ­
ten Staatsschutzkorps, mit dem er
bert A rthur Gelwick m ochten nicht
länger die „akzeptierten M ythen
seine Organisationen zum eigent­
Über die W affen-SS“ hinnehm en, für
lichen M achtzentrum des NS-RegiGelwick „ein Bündel von höchst einmes m achen wollte.
seitig ausgew ählten Fakten, HalbA uf die neben der Wehrmacht wich­
Für General Paul H ausser bot
W ahrheiten, A uslassungen und ab­
tigsten
Exekutiv- und Repressionsor­
die neugeschaffene Verfügungstruppe
sichtlichen Verdrehungen“ Sie woll­
gane
hatte
Himmler bereits seine Hand
die Möglichkeit, neue militärische
ten das wirkliche Leben der W affengelegt:
Er
kontrollierte
Gestapo, Krimi­
Ideen umzusetzen.
SS erkunden - jenseits aller Recht­
nal- und Ordnungspolizei, er war al­
fertigungsversuche ihrer ehem aligen Angehörigen und
leiniger Herr der Konzentrationslager, er verfügte mit dem
der Legenden der alliierten Kriegspropaganda.
SD über einen eigenen Geheimdienst.
Jeder von ihnen erforschte einen Teil der Waffen-SS:
Es w ar faktisch die Geburtsstunde der Waffen-SS, da­
Gelwick die Personal- und Organisationsstruktur der
mals Verfügungstruppe (VT) genannt. Himmler vermied
T
ruppe, sein Kollege Jam es J. W eingartner die Einsätze
jedoch alles, was den Verdacht hätte erregen können, hier
der „Leibstandarte-SS Adolf Hitler“, Charles W. Sydnor die
entstehe eine zweite W ehrmacht. Sie w ar von ihm zu­
SS-Division „Totenkopf1, Basil Dymytryshin die ukraini­
nächst auch gar nicht gewollt: Jeder neue Himmler-Befehl
schen SS-Verbände.
unterstrich, daß die VT nur zur inneren Sicherung da sei.
Stück für Stück arbeiteten die Amerikaner heraus, daß die
Lediglich für den Kriegsfall sollte die VT auf einen mi­
Waffen-SS die einzige SS-Organisation gewesen war, deren
litärischen Einsatz vorbereitet sein. Dazu aber benötigte
Führung sich Himmler von Anfang an mit einer SS-fremHimmler erfahrene Berufssoldaten, wollte die Truppe mi­
r
den Institution, der Wehrmacht, teilen mußte. In allen Kern­
litärisch ernstgenom m en werden. Die VT besaß sie nicht,
fragen des Ersatzes und der Ausrüstung hing die Waffen-SS
Himmler m ußte sie anwerben.
1 von der Wehrmacht ab; allein Generale des Heeres entschieden über den Fronteinsatz der Truppe und zogen sie so stark
„ G a rd e d e s F ü h re rs “
an sich heran, daß die Waffen-SS am Ende wie ein vierter
Und viele kamen: Der pensionierte General Paul Haus­
Wehrmachtsteil erschien (ohne es jedoch de jure zu sein).
ser, der ehemalige M ajor Felix Steiner, der Fliegeroffizier
Auch das von Stein und Gelwick erarbeitete Zahlenm a­
Wilhelm Bittrich - jeder von ihnen wähnte, die „Garde des
terial belegte, daß sich die Waffen-SS von der übrigen SS
Führers“ böte ihm und seinen Ideen Entwicklungsmöglich­
unterschied: Von den 1,1 M illionen M ann, die im Zweikeiten wie keine andere Truppe.
ü? :
ten Weltkrieg die W affen-SS durchliefen, w aren nur
Hausser und vor allem Steiner schufen eine Truppe, wie
p
300.000 Mitglieder der Allgemeinen SS, der politischen
sie Deutschland noch nicht gesehen hatte: Das Vorrecht
ä
Stamm organisation von Himmlers SS-Imperium.
von Herkunft und Bildung fiel (auch Nichtabiturienten
konnten Offiziere werden), der m echanische Kasernen­
„ P o litis c h e B e re its c h a fte n “
hofdrill wurde abgeschafft, die Ausbildung au f kleine,
Begonnen hatte das alles kurz nach der M achtübernah­
mobile Stoßtrupps konzentriert, ausgestattet mit beweg­
me der Nationalsozialisten in Deutschland, im Frühjahr
licheren Handwaffen und neuen Kampfanzügen, die spä­
1933, als ein paar Unterführer von Himmlers Schutz-Staf­
ter alle Armeen einführten.
Das förderte ein Elitebewußtsein, das sich scharf von der
fel (SS) dazu übergingen, mit Handwaffen ausgerüstete
Kampfgruppen zur Terrorisierung des politischen Gegners
„reaktionären“ W ehrmacht abhob und eine neue Schicht
aufzustellen. In den Abschnitten und Oberabschnitten der
jun g er VT-Führer anzog: die in der Hitler-Jugend vorge­
Allgem einen SS entstanden sogenannte Stabswachen
form ten und au f den SS-Junkerschulen weltanschaulich
Deutsche Militärzeitschrift - Sonderausgabe Waffen-SS
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Reichsführer-SS Heinrich Himmler (links), hier auf Hitlers „Berghof ‘
mit Reinhard Heydrich und Karl Wolff, träumte von einer eigenen militärischen Formation.
getrimmten Jungnationalsozialisten, getrieben von einem
ziellos-dynamischen „politischen Soldatentum“, dem die
Ratio militärischer Profis vom Typ Haussers und Steiners
fremd war.
Die Aufladung der Truppe mit nazistischem oder „SS-eigenem“ Ideengut konnte nicht darüber hinwegtäuschen,
daß in der VT zwei grundverschiedene Führungsgruppen
entstanden waren: hier die älteren, höheren Führer, aus
dem oberen Mittelstand stammend, soziologisch mit der
Generalität der Wehrmacht nahezu identisch, dort die jün­
geren, rangniederen Führer, Angehörige eines Kleinbür­
gertums, dem erst die vom Nationalsozialismus betriebe­
ne „Modernisierung“ der Gesellschaft den Zugang zum
Offiziersberuf geöffnet hatte.
Es gab allerdings einen Minimalkonsens, der die beiden
Gruppen oberflächlich einte: der ehrgeizige Wille, aus der
VT eine unübertreffliche Garde- und Elitetruppe zu ma­
chen. Keiner von ihnen begnügte sich mit den Vorstel­
lungen Himmlers, der noch immer an dem Konzept einer
Staatstruppenpolizei festhielt. Sie verlangten mehr:
Gleichstellung mit der Wehrmacht, Anerkennung als ei­
genständiges Militär.
Annährung an das Heer
Die VT führte 1938 anstelle der schwarzen Dienstuni­
form der Allgemeinen SS die feldgraue des Heeres ein und
legte sich auch die in der Wehrmacht üblichen Schulter­
stücke und Tressen an. Schon zuvor hatten die Führer der
Truppe durchgesetzt, daß VT-Dienst als Wehrdienst zu
gelten habe.
Der Versuch indes, auch gleich noch die SS-eigenen
Formationsbegriffe und Dienstränge loszuwerden, schei­
terte am Veto Himmlers. Für den SS-Chef war es ein
Alarmzeichen. Führende Männer der Verfügungstruppe
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spielten offenkundig mit dem Gedanken, jenseits der übri­
gen „politischen“ SS ein größeres Eigenleben zu führen.
Der Zweite Weltkrieg ruinierte das Himmler-Konzept
endgültig, die VT war jetzt nur noch als militärische Trup­
pe gefragt. Gleich beim Angriff auf Polen war die Verfü­
gungstruppe, inzwischen auf vier Regimenter mit 18.000
Mann angewachsen, mit dabei: in der Bzura-Schlacht, bei
den Vorstößen auf Modlin und Lemberg.
Ihre Aktivitäten vermochten das Heer freilich nicht recht zu
überzeugen. Die VT hatte schwerere Verluste als vergleichba­
re Einheiten des Heeres, ihre Führer waren den Anforderun­
gen komplizierter Truppenführung nicht gewachsen.
Die VT-Führer sahen nur einen Ausweg: Die Truppe
mußte sich zur Division formieren, mußte schwere Waffen
und noch mehr Truppen haben. Das aber konterkarierte
die Wehrmacht, die die Freiwilligenwerbung der VT noch
immer behinderte und nur so viele Wehrpflichtige freigab,
wie für die 18.000-Mann-Truppe notwendig schienen.
Woher aber neue Leute nehmen?
Zweifelhafte Verbände
Da hatte ein Schwabe namens Gottlob Berger, Chef des
SS-Hauptamtes, eine scheinbar glänzende Idee. Wenn Hit­
ler, so rechnete Berger vor, der bereits früher erwogenen
Versetzung von Totenkopfverbänden und Einheiten der
Ordnungspolizei zur VT zustimme, dann könne Himmler
in kürzester Zeit über vier Divisionen verfügen. Begeistert
stimmten die VT-Führer zu.
Es war der fatale Schritt, der die VT mit der Welt des po­
litischen Verbrechens verband. Denn: „Totenkopfverbände“
waren die Wachmannschaften der Konzentrationslager, in
denen das NS-Regime seine politischen Gegner und Objek­
te seines Hasses unter unmenschlichen Umständen inhaf­
tierte und drangsalierte. 6.500 Angehörige dieser VerbänDeutsche Militärzeitschrift - Sonderausgabe Waffen-SS
de bildeten die Stammannschaft, als der Chef der (KZ-)Totenkopfverbände, SS-Gruppenführer Theodor Eicke, im
Herbst 1939 den Auftrag bekam, eine Waffen-SS-Division
mit dem Namen „Totenkopf" aufzustellen. Inhumanität und
Gefangenenmißhandlungen waren für sie keine Fremd­
worte, dieses Gift schleppten sie in die Truppe ein.
Prompt kam es im Westfeldzug zum ersten großen
Kriegsverbrechen der Waffen-SS, ausgeführt von Män­
nern der „Totenkopf", die bei den Kämpfen in NordwestFrankreich hundert britische Kriegsgefangene erschossen.
Ein böses Mentekel für eine Truppe, die als besonders fa­
natisch galt. Jetzt kam voll zur Wirkung, was sie auf den
SS-Junkerschulen gelernt hatten: Den Tod zu geben und
den Tod zu nehmen, sei oberstes Gebot im Kampf. Schau­
dernd sahen konservative Militärs diesen radikalen „Ab­
bau emotionaler und rationaler Handlungshemmnisse“ (so
der Zeitgeschichtler Bernd Wegner).
Größte Vielvölkerarmee
Aus der Waffen-SS wurde am Ende „die größte Vielvöl­
kerarmee, die jemals unter einer Flagge kämpfte“, wie Stein
formuliert. Es war das erste deutsche Heer, in dem auslän­
dische Staatsbürger eine erdrückende Mehrheit bildeten:
400.000 Reichsdeutsche standen 410.000 Ausländern und
310.000 Volksdeutschen (Angehörigen der deutschen Min­
derheiten in Polen, Ungarn, Rumänien usw.) gegenüber.
Als die Waffen-SS in den Krisen des Rußlandkrieges
zur Feuerwehr des deutschen Ostheeres wurde und immer
enger an die hartbedrängte Wehrmacht heranrückte, ge­
wannen ihre älteren Führer größeren Abstand zur Allge­
meinen SS, zumal ihre militärischen Bravourtaten nun
selbst die Bewunderung von Heeresgeneralen erweckte.
General Otto Wohler etwa geriet ins Schwärmen: „Wie ein
Fels im Heer“ trotze die Waffen-SS mit „unerschütter­
licher Kampfkraft“ dem Gegner.
Wie tapfer aber auch die Truppe war, wie selbstbewußt
ihre Generale - die barbarische Art, in der „eine Minder­
heit der Waffen-SS“ (so Stein) mit Kriegsgefangenen und
Zivilpersonen umging, prägte - im Gegensatz zur Wehr­
macht - ein Bild, das verhinderte, für die Nachwelt als
Soldaten „wie andere auch“ zu gelten.
HEINZ HÖHNE
Der Autor war 36 Jahre lang Redakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel,
davon die meiste Zeit als Ressortleiter für Zeitgeschichte.
Militärische Eliteeinheit
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Der israelische Sicherheitsexperte Mirza David im DMZ-Gespräch
DM Z: Herr David, Günter Grass
wählte für die Nachricht, er sei in
seiner Jugend Angehöriger der
Waffen-SS gewesen, die Form ei­
nes „Geständnisses“. Ist es tatsäch­
lich eine Schande, Soldat in dieser
Truppe gewesen zu sein?
David: Nein, es ist natürlich keine
Schande, Angehöriger einer militä­
rischen Eliteeinheit gewesen zu
sein. Für jede Einheit gilt übrigens:
Der einzelne Soldat kann nicht be­
einflussen, was er zu tun hat. Sei­
ne soldatische Pflicht besteht dar­
in, Befehlen Folge zu leisten. Viel­
leicht ist es eines der größten Ver­
säumnisse, daß viel zu wenig öf­
fentlich darauf hingewiesen wird,
daß die Waffen-SS eine militäri­
sche Eliteeinheit und nicht für Bewachungs- oder gar Mordaufga­
ben in den Konzentrationslagern
eingesetzt war. Die Divisionen der
Waffen-SS waren nicht zuletzt in den blutigen
und harten Kämpfen an der Ostfront gegen ei­
ne zahlenmäßig weit überlegene Rote Armee er­
folgreich eingesetzt.
DMZ: Wie erklären Sie sich die heftigen Di­
skussionen?
Ein Grund wird sein, daß der Blick auf
die Geschichte immer ein subjektiver ist, wobei
die unterschiedlichen Einstellungen der Be­
trachter eine große Rolle spielen. Wir kennen
ähnliche Debatten um die Einsätze der US-ArMirza David ist Leiter der re­ mee während des Pazifikkrieges gegen Japan
nommierten privaten „Interna­ oder während des Vietnamkrieges. Die Spann­
tionalen Sicherheitsakademie“ weite der Beurteilung der US-Soldaten reichte
von „Kriegsverbrechern“ bis zu „unsterblichen
in Herzeliya/Israel und der
Helden“.
Internationalen Sicherheits­
schule „Iberica“ in Spanien. Er DMZ: Herr David, wir danken für das Gespräch.
sei über fünfzig, in Israel gebo­
ren und war in leitender Posi­
tion im israelischen Sicher­
heitswesen tätig - mehr ist er
„aus Sicherheitsgründen“
nicht bereit mitzuteilen.
DMZ Deutsche Militärzeitschrift - Sonderausgabe Waffen-SS
International Security Academy/
Counter Terrorism Training Centers
Postfach 5833 • Herzeliya 46000, Israel
Weltnetz: www.SecurityAcademy.com
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