Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
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Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
Institutionen der Medienkontolle Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) von Viktoria Rimsha 1. Einleitung Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ist eine Institution zur Prüfung von Datenträgern der Filmbranche (vgl. SPIO). Die FSK befindet sich in der Rechts- und Verwaltungsträgerschaft der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO), die die Interessen der deutschen Filmwirtschaft vertritt. Dir FSK ist jedoch ökonomisch autonom und finanziert sich über die Prüfgebühren der Antragsteller. Einen inhaltlichen Einfluss auf die Arbeit und die Prüfentscheidungen der FSK übt die SPIO nicht aus. Im Lauf ihrer Geschichte von 1949 bis heute hat sich die FSK von einem reinen Kontrollgremium zu einer Institution gewandelt, die neben ihren Kernaufgaben auch medienpolitische und medienpädagogische Verantwortung übernimmt. Hierzu zählen neben Veröffentlichungen insbesondere die Mitarbeit und Diskussion auf Tagungen sowie in Ausschüssen und Kommissionen. Die FSK engagiert sich in einer Reihe von medienpolitischen und pädagogischen Feldern sowie in Projekten, die sich mit Medienwirkung befassen. Das sind z.B. Veranstaltungen in Schulen und Besuche von Schülern und Jugendlichen bei der FSK sowie die Kooperation mit europäischen Jugendmedienschutz-Institutionen. 2. Die Aufgaben der FSK Die Kernaufgabe der FSK ist jedoch immer noch die freiwillige Prüfung von Filmen, Videokassetten und vergleichbaren Bildträgern (DVD, CD-ROM, Laser-Disc u. ä.), die in der Bundesrepublik Deutschland für die öffentliche Vorführung und Verbreitung vorgesehen sind. Für die Jugendfreigabe ist eine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung erforderlich, die von der FSK im Auftrag der Obersten Landesjugendbehörden vorgenommen wird. Darüber hinaus prüft die FSK auch die Feiertagstauglichkeit eines Filmes, also, ob ein Film an einem stillen Feiertag (Karfreitag, Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag) gezeigt werden darf. Die FSK prüft Filme anhand eigener Grundsätze und erteilt nach einem standardisierten Prüfverfahren eine verbindliche Altersfreigabe für den vorgelegten Datenträger. Die FSK kann einem vorgelegten Datenträger mit einer der folgenden Freigaben versehen – oder aber die Freigabe auch gänzlich verweigern: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG Freigegeben ab 6 Jahren gemäß §14 JuSchG Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG Freigegeben ab 16 Jahren gemäß §14 JuSchG Keine Jugendfreigabe gemäß §14 JuSchG Die Verweigerung einer Freigabe durch die FSK ist jedoch nicht mit einem Vertriebsverbot gleichzusetzen. Aufgrund des im deutschen Grundgesetz verankerten Verbotes einer „Zensur“, dürfen Filme auch ohne Freigabe der FSK vertrieben werden. Die Filme, die der FSK nicht zur Prüfung vorgelegt wurden, dürfen jedoch im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nur Personen zugänglich gemacht werden, welche das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Solche Filme werden mit einem roten Sticker mit der Aufschrift Keine Vermietung oder Verkauf an Kinder und Jugendliche gekennzeichnet. Auf älteren Datenträgern ist zuweilen noch ein roter Sticker mit folgender Freigabe zu finden: Nicht freigegeben unter 18 Jahren gemäß §7 JöSchG. An dieser Stelle ist es wichtig, den Unterschied zwischen FSK und JK-Kennzeichen zu klären. Das Jugendschutzgesetz sieht vor, dass Bildträger nur an Kinder und Jugendliche abgegeben werden dürfen, wenn sie durch die FSK eine Freigabe erhalten haben. Anstelle der Prüfung durch die FSK oder bei Ablehnung kann die Juristenkommission (JK) der SPIO den Bildträger begutachten. Diese aus drei unabhängigen Juristen bestehende Kommission prüft, ob ein Film, Video oder sonstiger Bildträger gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt. Ein JK-Votum hat den Status eines privatrechtlichen Gutachtens, das die strafrechtliche Unbedenklichkeit, jedoch nicht eine Übereinstimmung mit den Prüfgrundsätzen der FSK zum Ausdruck bringt. Die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der FSK sind das Jugendschutzgesetz (JuSchG), die FSK-Grundsätze sowie die Feiertagsvorschriften der Länder. Die Bundesländer haben in einer Ländervereinbarung geregelt, die FSK-Entscheidungen bundesweit zu übernehmen, sie bedienen sich der FSK als gutachterliche Stelle. Die Länder sind an den Entscheidungen der FSK beteiligt: zum einen durch die Entsendung eines Ständigen Vertreters der Obersten Landesjugendbehörden zur FSK, zum anderen durch die Mitwirkung von Jugendschutzsachverständigen an den Prüfungen. Die Arbeit der FSK basiert auf der pluralistischen Zusammensetzung verschiedener Gremien, die seit der ihrer Gründung zusammenarbeiten: das sind fachkundige Vertreterinnen und Vertreter der Filmwirtschaft und der Öffentlichen Hand, d.h. der Länder und des Bundes, der beiden christlichen Kirchen und der jüdischen Kultusgemeinde sowie des Bundesjugendrings. Die Vorraussetzungen der Zusammenarbeit liegen in der Geschichte der FSK-Entstehung. 3. Die Geschichte der FSK Bereits 1946 hatte die Stadt Wiesbaden den renommierten Dokumentar- und Kulturfilmregisseur Curt Oertel eingeladen, hier „eine geistige Heimstatt des deutschen und einen Schnittpunkt des internationalen Films“ (SPIO. FSK - Über uns. Geschichte) zu schaffen. Oertel, damals Sprecher der Filmproduzenten der amerikanischen Zone, und Erich Pommer, einst verdienstvoller Produzent der UFA (Der letzte Mann, Metropolis), jetzt als oberster Film-Offizier der amerikanischen Besatzungsmacht mit Wiederaufbau und Neuordnung der deutschen Filmindustrie betraut, konzipierten gemeinsam nach dem Vorbild des amerikanischen Production Code von 1930/34 die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Horst von Hartlieb, seit 1948 Geschäftsführer des neu gegründeten Verbandes der Filmverleiher e.V. in Wiesbaden, war daran maßgeblich beteiligt. Das erklärte Ziel der filmwirtschaftlichen Verbände war behördliches Eingreifen und staatliche Reglementierung ohne Zersplitterung in regionale Einzelverfahren überflüssig zu machen. Die Kultusminister und der Arbeitsausschuss der Filmwirtschaft (ADF), die Vereinigung der Filmwirtschaftsverbände der Produzenten, der Filmtheater und der Verleiher in den drei westlichen Zonen, einigten sich nach komplizierten Verhandlungen auf eine gemeinsame Selbstkontrolleinrichtung. Auch die Kirchen nahmen ihre Verantwortung gegenüber dem Medium Film wahr und Mitwirkungsmöglichkeiten in einer künftigen freiwilligen Selbstkontrolle. suchten nach So bestand das Gremium, das im Sommer 1949 zum ersten Mal zusammentrat, aus Vertretern und Vertreterinnen der Filmwirtschaft, der Länder, der Katholischen Jugend Bayerns und der Kirchen. Am 28. September 1949 übertrugen die Alliierten Militärbehörden in einem offiziellen Festakt im Biebricher Schloß vor Vertretern des Bundes, der Länder, der Kirchen und der Filmwirtschaft offiziell ihre Kontrollbefugnis auf die nunmehr auch formell etablierte Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. (vgl. SPIO) 4. Die Arbeitsweise der FSK Um die Arbeitsweise der Organisation der FSK zu verstehen ist es wichtig die Grundsätze der Institution zu kennen. Mit der Übertragung der Kontrollbefugnis zur Selbstkontrolle des Mediums Film seitens der Alliierten an die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, traten die Grundsätze der FSK in Kraft. Diese Grundsätze, bestehend aus 33 Paragraphen, bilden das Fundament dieser Institution. In dieser Satzung verpflichten sich die in der SPIO zusammengeschlossenen film- und videowirtschaftlichen Verbände freiwillig nur solche Filme und Bildträger anzubieten, die nach der vorliegenden FSKEntscheidung öffentlich vorgeführt werden können (vgl. Grundsätze der FSK §1 Abs. 2.1). Die Kinobesitzer gewährleisten nur solche Filme öffentlich vorzuführen, für die ihnen die Freigabebescheinigung der FSK ausgehändigt worden ist. (vgl. Grundsätze der FSK §1 Abs. 2.2) Die Grundsätze werden von der Grundsatzkommission erlassen, welche mit 20 Mitgliedern besetzt ist. Diese sind paritätisch mit Vertretern der Film-/Videobranche, der öffentlichen Hand, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der Landesmedienanstalten, sowie des Jugendschutzes besetzt. Reformen können nur mit einer ¾-Mehrheit entschieden werden, vorausgesetzt, bei der Abstimmung sind mindestens über die Hälfte der Stimmberechtigten anwesend. Abwesende Mitglieder können ihr Votum an ein anderes Mitglied übertragen. Die Prüfkriterien sind ein wichtiger Bestandteil der Grundsätze. Der amerikanische Production Code diente der FSK als Vorbild. Doch bei den Prüfgesichtspunkten gab es einen entscheidenden Unterschied. Die Amerikaner hatten für diesen Zweck einen Katalog mit einzelnen Details erstellt, nach dem sie alle Filme prüfen. Die FSK dagegen hat in ihren Grundsätzen Rahmenbedingungen eingesetzt, welche natürlich etwas mehr Raum für eine spätere Bewertung der einzelnen Filme zulassen. Die Umsetzung der Grundsätze wird von der persönlichen Meinung des Prüfers geprägt. Diese Prüfer werden zum einen Teil durch Verbände der Film- und Videowirtschaft, zum anderen Teil durch die öffentliche Hand für jeweils drei Jahre benannt. Sie kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Berufsfeldern. Unter ihnen sind Journalisten, Lehrer, Psychologen, Medienwissenschaftler, Filmhistoriker, Studenten, Sozialarbeiter, Hausfrauen, Richter und Staatsanwälte. Die Prüferinnen und Prüfer der einzelnen Ausschüsse sind an die bereits erwähnten Rahmenbedingungen gebunden. Diese richten sich nach Inhalten des Grundgesetzes der BRD und bedeuten die Grundlage der FSK (vgl. Grundsätze der FSK §2 Abs. 1). Ausdrücklich sind dabei die grundgesetzlich geschützten Werte und Freiheiten als Maßstäbe zu beachten, aber ebenso müssen auch deren gesetzlich vorgegebene Einschränkungen berücksichtigt werden. Diese liegen jedoch in den Prüfverfahren deutlich unter der Schwelle des Strafrechts. In diesem Rahmen darf kein Film oder Bildträger: 1. das sittliche und religiöse Empfinden oder die Würde des Menschen verletzen, entsittlichend oder verrohend wirken oder gegen den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie verstoßen, im Besonderen brutale und sexuelle Vorgänge in übersteigerter, anreißerischer oder aufdringlich selbstzweckhafter Form schildern. 2. die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden oder die Menschenrechte oder Grundrechte missachten, im Besonderen durch totalitäre oder rassenhetzerische Tendenzen. 3. das friedliche Zusammenleben der Völker stören und dadurch die Beziehung der BRD zu anderen Staaten gefährden, imperialistische oder militaristische Tendenzen fördern oder das Kriegsgeschehen verherrlichen oder verharmlosen. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses stellen hier den Vergleich zwischen Meinungsund Pressefreiheit gegenüber anderen Grundrechten an, und müssen für sich zu einer Abwägung kommen, was bedeutender ist. Dies ist mit Sicherheit nicht immer leicht, da sich die Gesellschaft immer in Bewegung befindet, was sich in einem steten Wertewandel reflektiert. Bei der so genannten Jugendprüfung der Filme und Bildträger kooperiert die FSK mit den Obersten Landesjugendbehörden, welche nach dem JuSchG (siehe: Jugendschutzgesetz vom 01.04.2003, §14) für die Entscheidung über die Freigabe und Kennzeichnung von Filmen zur öffentlichen Vorführung vor Kindern und Jugendlichen sowie von Bildträgern, die Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen (vgl. Grundsätze der FSK §21), zuständig sind. Hier wird in den Ausschüssen die Gesamtwirkung des Filmes auf diese Zielgruppe diskutiert. Quantitativ spielen Gewalt und Sexualität im Film die größte Rolle bei den FSK-Freigaben (vgl. Hönge 1998). In den FSK-Grundsätzen wird bewusst auf eine vermutete Wirkung auf Kinder und Jugendliche abgestellt, wobei mit der Altersfreigabe keine pädagogische Empfehlung oder ästhetische Bewertung verbunden ist. Viele der einberufenen Prüfer haben in ihrem Alltag Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen, welche natürlich in der Bewertung eines Filmes oder Bildträgers zur Geltung kommen. Schließlich entscheiden Erwachsene, was sie Kindern und Jugendlichen vorsetzten können. Was sie ihnen jedoch nicht präsentieren dürfen, gibt das JuSchG §14 vor: Filme, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen, dürfen nicht zur Vorführung vor ihnen freigegeben werden. Nach Artikel 150 des Grundgesetzes sind die Sonn- und Feiertage gesetzlich geschützt. Besonderen Rechtsschutz genießen die stillen Feiertage wie z.B. Karfreitag oder der Totensonntag. Nicht freigegeben werden Filme, bei denen bezüglich dieser Feiertage eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens zu befürchten ist. Auch die Titel der Filme und Bildträger werden in Verbindung mit dem Film, dem Werbevorspann, oder dem Werbematerial geprüft. Hier wird das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften berücksichtigt. Die Aufgaben der FSK verdichten sich in den einzelnen Ausschüssen. Hier werden nach Sichtung des zu prüfenden Films die verpflichtenden Urteile gefällt. Bei der FSK wird täglich in drei parallel arbeitenden Ausschüssen geprüft. Der Arbeitssausschuss besteht aus sieben Prüfern: drei der Film- und Videowirtschaft und vier von der öffentlichen Hand benannten Prüfern (Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden, Jugendsachverständige, zwei Vertreter der öffentlichen Hand). Den Vorsitz führt der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden. Im Hauptausschuss hat der Antragsteller oder die überstimmte Minderheit des Arbeitsausschusses die Möglichkeit eine erneute Prüfung zu erwirken. Die Berufung und ihre Begründung müssen schriftlich eingereicht werden. Der Hauptausschuss ist mit neun Prüfern besetzt. Der Appellationsausschuss bietet jedem Bundesland sowie SPIO die Möglichkeit das Recht der Appellation auszuüben. Er setzt sich aus einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst hat, zwei Sachverständigen für Jugendschutz und vier von den Obersten Landesjugendbehörden berufenen Vertretern zusammen. Die Entscheidungen des Appellationsausschusses im FSK-Prüfverfahren haben abschließende Geltung. Es gibt noch gesonderte Prüfverfahren für Filme und Trägermedien, die nicht den Spielfilmen zuzurechnen sind oder für die eine erneute Prüfung beantragt wird. Diese prüft ein verkleinerter Arbeitsausschuss. Er besteht aus je einem Delegierten der öffentlichen Hand, der Film- und Videowirtschaft sowie dem Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden. Über die Freigabe kann hier nur einstimmig entschieden werden. Für Zeichentrickfilme unter 60 Min., Beiprogrammen zu Spielfilmen, Unterhaltungsprogrammen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Serien gilt ein vereinfachtes Prüfverfahren. Es wird vom Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden durchgeführt. Abb.1: Prüfverfahren der FSK. Hier wird die Struktur der FSK deutlich (Quelle: Medienzensur.de) Die FSK-Freigaben finden in der Regel gesellschaftliche Akzeptanz. Hin und wider jedoch stehen einzelne Freigabeentscheidungen im Zentrum kontroverser Diskussionen. Aus historischer Sicht gesehen waren die einzelne Entscheidungen der FSK fehlerhaft, andere dagegen wurden im Laufe der Jahre bestätigt. Zwei solcher Skandalgeschichten, die mit Entscheidung der FSK verbunden waren, werden auf der Internetseite der FSK besonders betont. Das sind Filme, die große gesellschaftliche Proteste auslösten: Die Sünderin (1950) und Das Schweigen (1963). Beide Filme wurden von der FSK ab 18 Jahren freigegeben: Die Sünderin 1951 zunächst ab 16 Jahren, 1957 dann ab 18 Jahren, ebenso wie Das Schweigen, der 1963 keine Jugendfreigabe erhielt. Es kam 1951 bei der Prüfung des Filmes Die Sünderin zu einem ersten großen Konflikt, in dem die Interessen der Filmwirtschaft und der öffentlichen Hand aneinander gerieten. Besonders die kirchlichen Institutionen sahen in der Freigabe des Filmes ein großes Problem. Sie waren der Meinung, der Film hätte eine entsittlichende Wirkung auf die Zuschauer, überwiegend auf die Frauen. In diesem Film geht eine Frau auf den Strich, um das Geld für eine Operation aufzubringen, welche ihr kranker Freund dringend benötigt. Für die Kirche war der Aspekt, dass eine Frau aus Liebe ihren Körper an jemanden verkauft absurd. Doch viel schlimmer war der Gedanke des Freitods. Als in dem Film die Operation des Freundes zu spät durchgeführt wird, entscheidet sich das Liebespaar für den Freitod. Dies war für die Kirchen nicht tragbar. Sie zogen sich aus der Institution FSK zurück und riefen zum Boykott des Filmes auf. Der Film kam durch die Appellation und erschien in den Kinos. Doch in einigen Bundesländern und Städten wurde er von der örtlichen Polizei konfisziert. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine für die Zeit sehr freiheitliche Entscheidung gefällt und erklärte, dass eine Polizeizensur gegenüber Filmen nicht statthaft ist. Dies war für die Filmwirtschaft ein sehr wichtiger Erfolg, da die Polizeizensur durch die Gerichte ausgeschlossen wurde. (Tsiatsios 2001, S. 19) In beiden Fällen entschieden höchstrichterliche Instanzen (das Bundesverwaltungsgericht 1954 und das Bundesverfassungsgericht 1965) gemäß Artikel 5 Abs. 3 GG zugunsten einer weitgehenden Freiheit filmischer Kunstwerke. Die Entscheidungen der FSK lieferten, wie die Rechtsprechung und die spätere Entwicklung bestätigen, einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zur Wahrung der Filmfreiheit. Einige Entscheidungen der FSK sind aus heutiger Sicht nicht sinnvoll gewesen. Dem Film Rom – Offene Stadt (Italien 1945, Regie: Roberto Rossellini) wurde 1950 von der FSK eine Freigabe mit der Begründung verweigert, er gefährde die Beziehungen Deutschlands zu Italien. 1960 wurde der Film der FSK erneut zur Prüfung vorgelegt und erhielt eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Der Film ist jedoch längst ein anerkannter Klassiker des Neorealismus, der auch eine „jüngere“ Freigabe verdient hat. Am augenfälligsten haben sich die Beurteilungskriterien der FSK im Hinblick auf die Thematisierung und Darstellung von Sexualität gewandelt, was sich an ungezählten Revisionen früherer Alterseinstufungen aus heutiger Sicht „harmloser“ Filme dieser Provenienz zeigt. (vgl. SPIO) Die Besonderheit der FSK ist die Freiwilligkeit der Vorlage. Auf der anderen Seite steht dem der wirtschaftliche Druck gegenüber Filme an Jugendliche zu verkaufen. Eine falsche Jugendfreigabe kann den Produzenten ruinieren. Gleichzeitig kann eine jüngere Jugendfreigabe einen wesentlich höheren Umsatz garantieren. Beispiel hierfür sind in der Videobranche die Filme mit der Freigabe ab 16 Jahren, die als umsatzstärkstes Segment gelten. Eine Jugendfreigabe kann auch mit Auflagen erteilt werden. Die antragstellenden Filmemacher haben die Wahl, die Auflagen d.h. Schnitte, durchzuführen oder die nächsthöhere Altersfreigabe zu akzeptieren. Um den Film einem größeren Publikum präsentieren zu können, entscheiden sich die Filmemacher häufig für die Schnitte. Meist gibt es jedoch auch eine ungeschnittene Version, die dann die nächsthöhere Altersfreigabe erhalten hat. Somit sind mehrere Versionen des Filmes auf dem Markt. Bei Filmen, die nach nochmaliger Prüfung in veränderter Fassung eine andere Freigabe erhalten haben, ist es verbindlich, dass diese Freigabe nur mit einem Titelzusatz wie z.B. bearbeitete Fassung oder gekürzte Fassung veröffentlicht wird. Da die Prüfung auch Geld kostet legen die Filmverleiher der FSK ihre Filme oft schon in einer gekürzten Fassung vor, damit sie nach Möglichkeit eine jüngere Freigabe erhalten. Bei der Freigabe ab 12 Jahren handelt es sich um die kommerziell einträglichste Freigabe für die Filmwirtschaft. 5. Fazit: Eigene Bewertung „Im Kern geht es meist um die Balance zwischen Regulierung und Selbstregulierung in sensiblen Bereichen von Medien und Kommunikation. Sensibel deshalb, weil demokratisch verfasste Staaten einerseits Medien- und Meinungsfreiheit wie die Luft zum Atmen brauchen, zugleich aber andere Grundrechte wie Jugendschutz, Unversehrtheit der Persönlichkeit gewahrt werden müssen. Doch wer wacht darüber? Der Staat vorbeugend, dann wäre es im Fall von Presse und Rundfunk eine Art Zensur. Die Medienbesitzer und -macher selbst, dann könnten sie der Versuchung erliegen, den wirtschaftlichen Gewinn in den Vordergrund zu stellen.“ (Verdi.de 2006) Diese Meinung, die auf der Seite der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi veröffentlicht ist, akzentuiert die Doppeldeutigkeit der Institution. Die Grundidee der FSK ist eine sehr gute Initiative. Die Filmwirtschaft lässt so den Staat keine direkte Zensur ausüben, gleichzeitig werden z.B. die Grundrechte und Jugendschutz bei den Entscheidungen der FSK berücksichtig. Die Praxis zeigt aber, dass die Entscheidungen der FSK nicht so ganz objektiv sein können. Manche Filmverleiher spekulieren sogar darauf, wer gerade in den Ausschüssen sitzt, wenn sie ihre Filme zur Prüfung geben. Außerdem ist die Freiwilligkeit des Antrages sehr fragwürdig, da es kaum Publisher gibt, denen die Einnahmen gleichgültig sind. Der wirtschaftliche Druck ist so hoch, dass manche Regisseure bereit sind auf künstlerische Freiheit zu verzichten, um eine bessere Jugendfreigabe zu bekommen. Die Entscheidungen der FSK sollen nach den FSK Grundsätzen den Wertewandel der Gesellschaft berücksichtigen. Diese Möglichkeit ist durch die Rahmenbedingung der FSK-Grundsätze prinzipiell besser zu erreichen als durch den festgeschriebenen amerikanischen Production Code. Doch die Rahmenbedingungen in Wandel der Zeit zu nutzen ist nicht immer gelungen. Das zeigen sowohl frühere strittige Entscheidungen, als auch heute noch diskutierte Freigaben (z.B. Harry Potter). Besonders fragwürdig erscheint, dass nur sieben Personen darüber entscheiden sollen, was für Millionen das Richtige ist. 6. Quellenhinweise Internet: 1. Bayerisches Landesjugendamt: Bekanntmachung vom 23. Juli 2002. Jugendschutzgesetz (JuSchG) vom 01.04.2003. Online unter: http://www.blja.bayern.de/Aufgaben/Jugendschutz/Jugendschutzgesetze/TextOfficeJuSchG.htm (Zugriff 07.03.2007) 2. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (2006): Grundsätze der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH. 18. Fassung vom 01.11.2006. Online unter: http://www.spio.de/media_content/422.pdf (Zugriff 07.03.2007) 3. Hönge, Folker (1998): Hypothesen mit konkreten Folgen. In: tv diskurs. Verantwortung in audiovisuellen Medien, Nr. 6, 1998, S. 58ff. Online unter: http://www.fsf.de/php_lit_down/pdf/gottberg58_tvd06.pdf (Zugriff 07.03.2007) 4. Medienzensur.de. Homepage. Online unter: http://www.medienzensur.de (Zugriff 07.03.2007) 5. Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) e.V.: Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Über uns. Geschichte. Online unter: http://www.spio.de/index.asp?SeitID=16 (Zugriff 07.03.2007) 6. Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) e.V. Homepage. Online unter: http://www.spio.de/index.asp?SeitID=1 (Zugriff 07.03.2007) 7. Tsiatsios, Ioannis (2001): Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft e.V. Spagat zwischen wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen. Siegen. (Studienarbeit). Online unter: http://www.medienstudent.de/studi/HausarbeitFSK.pdf (Zugriff 07.03.2007) 8. Verdi.de. Titelthema Nr. 10, 2006. Medienselbstkontrolle. Keine konfliktfreie Zone. Online unter: http://mmm.verdi.de/archiv/2006/10/titelthema_medienselbstkontrolle/keine_konfliktfreie_zone (Zugriff 07.03.2007)