Die Mathematik des Grauens
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Die Mathematik des Grauens
A 4 der Standard FORSCHNUG SPEZIAL Montag, 20. Februar 2006 Wenn das Blut fließt so wie hier auf dem Plakat von „Saw II“: Mathematiker versuchen die Theorie des Schreckens zu finden. Die Mathematik des Grauens Derzeit laufen in den Kinos wieder einige Horrorfilme. Den ultimativen Schauer wird man da vielleicht nicht erleben – aber den kann man ja mit nicht ganz ernst gemeinten mathematischen Theorien finden. Karin Krichmayr Die ureigene Lust des Menschen am Grauen dürfte dafür verantwortlich sein, dass Zombie-, Horror- und Splattermovies nicht nur hartgesottene Kinobesucher anziehen und oft zu beträchtlichen Pu- blikumserfolgen werden. Dennoch gibt es nur wenige Filme, die als Meisterwerke ins cinematografische Gedächtnis eingehen – so wie Hitchcocks „Psycho“, Romeros „Night of the Living Dead“, Carpenters „The Fog – Nebel des Grauens“ (dessen Neuverfilmung gera- de in den Kinos läuft) oder Kubricks „The Shining“. Doch was macht einen idealen Nervenkitzel aus, wie wird der optimale Schauer über den Rücken erzeugt, wie viel Blut ist notwendig, um gerade so weit abstoßend zu wirken, dass es wieder anziehend ist? Das fragte sich ein Team von Mathematikern am King’s College in London, das eine Formel für den ultimativen Schocker entwickelte. Die Ingredienzen liegen auf der Hand: Spannungsaufbau, Schreckeffekte, eine möglichst un- heimliche Umgebung und die richtige Mischung aus Realismus und Fantasie gehören zu den Parametern, welche die Wissenschafter in eine Formel gossen. Das Ergebnis: „The Shining“ kommt dem Ideal am nächsten. „Es gibt Versuche mannigfaltiger Art, in der Kunst wie in der Politik, mit mathematischen Formeln etwas zu beschreiben. Das sind aber nur Hypothesen“, kann der Mathematiker und Spieltheoretiker Alexander Mehlmann der Formel wenig wissenschaftlichen TERMINE Q Worte wechseln „Sind Grundlagenforschung und angewandte Forschung noch relevante Begriffe, um innovative Systeme zu erklären?“ Diese Frage stellt Helga Nowotny, Vizepräsidentin des European Research Council, in einem Referat am ersten ClubResearch-Abend. An einer Diskussion nehmen Andrea Barta (Institut für Medizinische Biochemie), Markus Kommenda (Forschungszentrums Telekommunikation ftw.), Luise Ungerboeck (der Standard), Thomas Kramar (Die Presse) und Martin Haidinger (ORF) teil. 21. 2., 19.00, Stiegl’s Ambulanz, Altes AKH, Hof 1, Alser Straße 4, 1090 Wien Q Web weiterentwickeln „Web 2.0 – Ihr nächster Webauftritt“ lautet die nächste Veranstaltung der UsabilityBerater von Usecon. Anhand von Fallbeispielen zeigt man, in welche Richtung sich das Web in Bezug auf Erlebnis oder User-Einbindung weiterentwickeln wird. 22. 2., 17–19, Usecon, Hauffgasse 3–5, 1110 Wien. Anmeldung bis 20. 2. unter club@ usecon.com Q Wald wählen Bereits zum achten Mal wird der Josef-Umdasch-Forschungspreis (30.000 Euro) an der Boku ausgeschrieben. Verliehen wird der Preis für Leistungen auf dem Gebiet der Holz- und Forstwissenschaften. Die Einreichungen sind bis 15. Mai an die Universität für Bodenkultur, Rektor Hubert Dürrstein, Peter-JordanStraße 70, A-1190 Wien, zu richten. Gehalt abgewinnen. „Man kann alles mit Zahlen belegen“, meint auch Rudolf Taschner, Professor am Institut für Analysis und Scientific Computing an der Technischen Universität Wien, „ob das rational ist, ist eine andere Frage.“ Ebenso sieht der Physiker Heinz Oberhummer, der Schülern mithilfe von Clips aus Blockbustern die Naturwissenschaften näher bringen will, im Filmbusiness kein Betätigungsfeld für ernsthafte Mathematiker. Für empirische Untersuchungen darüber, was den Zuschauer am meisten fesselt, seien eher die Sozialwissenschaften oder die Psychologie zuständig. Der rationale Vampir Einen anderen, nämlich bewusst satirischen Zugang hat Alexander Mehlmann, der am Institut für Wirtschaftsmathematik der TU lehrt, für die Auflockerung abstrakter Zahlengebilde gewählt. In seinem „Einmaleins der Vampire“, das in (seriösen) Fachzeitschriften erschien, hat er eine mathematische Theorie entwickelt, die enthüllt, nach welcher Strategie Vampire ihre Opfer wählen und warum heutzutage keine Vampirerscheinungen mehr auftreten. Mehlmanns „transsylvanisches Dilemma“ besagt, dass sich mit jedem Biss der Vorrat an Menschen verringert und sich die Zahl der Vampire entsprechend erhöht. Und weil auch ein Vampir rational an morgen denken muss, wie Mehlmann sagt, wurde vor einem halben Jahrhundert der Schwellenwert erreicht, an dem die Regeneration der Menschenbestände Vorrang hat. Die mathematisch fundierte Theorie basiert auf einem klassischen Modell zur optimalen Ausbeutung von Ressourcen. Und wann schlagen die Vampire wieder zu? „In Bälde“, schmunzelt Mehlmann geheimnisvoll. NAMEN Modell der Fruchtfliege Neuzugang am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA): Die 39-jährige Britin Leonie Ringrose (Foto) ist seit Anfang Februar Gruppenleiterin und wird die Mechanismen des zellulären Gedächtnisses und die daran beteiligten Proteine am Modell der Fruchtfliege Drosophila beobachten. Ringrose studierte von 1985 bis 1989 Molekularbiologie an der University of East Anglia in Norwich und an der Universite d’Aix-Marseille. 1990 bis 1992 arbeitete sie am Europäischen Patentamt in München und wickelte hier Patentevaluationen im Bereich Biotechnologie ab. Es folgten Postdocs in Heidelberg und in Montpellier. Ihre wissenschaftlichen Interessen liegen in der experimentellen Molekularbiologie und in mathematischen Modellen und ihrer Anwendung auf experimentellen Daten. Sie kombiniert also Mathematik mit Bioinformatik und mit quantitativer experimenteller Biologie. (red) der Standard Webtipp: www.imba.oeaw.ac.at Neuer Beirat bei Intercell Das in Wien ansässige Biotech-Unternehmen Intercell AG bestellte einen neuen wissenschaftlichen Beirat. Er soll die „nächste Wachstumsphase mit umfassenden Wissen und fachlicher Kompetenz auf den Gebieten der Infektionskrankheiten, Mikrobiologie, Immunologie und Molekularbiologie“ begleiten. Mitglieder des Beirats sind Rafi Ahmed (Foto) von der Emory University School of Medicine, Hubert Blum (Universität Freiburg), Stanley N. Cohen (Stanford University), der Virologe Franz Xaver Heinz von der Universität Wien, Stefan H. E. Kaufmann (MaxPlanck-Institut für Infektionsbiologie), Staffan Normark (Karolinska Institut) und Hans Wigzell (Karolinska Institut). (red) der Standard Webtipp: www.intercell.com