Tätigkeitsbericht 2010 - Weiße Rose Stiftung eV
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Tätigkeitsbericht 2010 - Weiße Rose Stiftung eV
Tätigkeitsbericht 2010 Weiße Rose Stiftung e.V. Inhaltsübersicht 1 Vorwort 5 2 Chronik 2010 7 3 Symposion „Eine Mauer um uns baue… – Lektüre als Widerstand“ 9 4 Neuerscheinung: Barbara Beuys „Sophie Scholl“ 11 5 Neue Glasvitrine für die Weiße Rose Stiftung e.V. in München-Schwabing 12 6 Jubiläum des Geschwister-SchollStudentenheims 13 7 Einzelausstellung zu Alexander Schmorell 15 8 Bericht des Ehrenvorsitzenden Franz J. Müller 18 9 Die Weiße Rose in Russland und Polen 20 10 Die Weiße Rose erstmals in Spanien 23 11 Die Weiße Rose in den USA 25 12 Die Weiße Rose in Dresden und Görlitz26 13 DenkStätte Weiße Rose München 28 14 DenkStätte Ulm 33 15 Erinnerungsstätte Martin-Luther-Kirche Ulm 35 16 Kooperationen mit Schulen zum „Vergessenen Widerstand“ Markt Schwaben 36 Ergoldsbach 38 Zillisheim / Sulzbach-Rosenberg 39 17 Hamburg und die Weiße Rose 40 18 Netzwerk Weiße Rose 42 19 Gedenken im München der Nachkriegszeit 45 20 Personalia 47 21 Kurznachrichten um die Weiße Rose 48 22 Die Weiße Rose Stiftung e.V., ihre Organe und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 49 Impressum Weiße Rose Stiftung e.V. Ludwig-Maximilians-Universität Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Tel. 089 / 2180-5678 / -5359 Fax 089 / 2180-5346 E-Mail: [email protected] Redaktion Tätigkeitsbericht 2010: Ursula Kaufmann, Dr. Hildegard Kronawitter, Katja Sebald Bildnachweis: Lothar Bierling, DenkStätte Weiße Rose Ulm, Franz-Marc-Gymnasium Markt Schwaben, Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Hauptschule Ergoldsbach, Patrick Keller, Kulturwerkstatt Sulzbach-Rosenberg, Jaiman McMillan, Meetingpoint Music Messiaen e.V., Reformationsgemeinde Ulm, A. Schellnegger / SZ-Photo, Stiftung Literaturhaus München, Winfrid Vogel, Weiße Rose Stiftung e.V, George J. Wittenstein Layout und Satz: AS-Texte, München Druck und Herstellung: OrtmannTe@m GmbH, Ainring © 2011 Weiße Rose Stiftung e.V. 1 Vorwort Liebe Freundinnen und Freunde der Weiße Rose Stiftung e. V., geschätzte Partner, jedem Tätigkeitsbericht geht eine intensive Rückschau auf das Berichtsjahr voraus – so auch diesem. Was bestimmte unseren Arbeitsalltag 2010? Was wurde fortgeführt, was an Neuem auf den Weg gebracht? Welche Impulse führten zu Aktivitäten, die weiter in die Zukunft reichen? Wer stand uns als hilfreicher Partner zur Seite, half ideell, organisatorisch und materiell, unsere Erinnerungsarbeit wirkungsvoller zu machen? Rasch ließ der Rückblick Gefühle der Dankbarkeit und des Respekts für einen großen Kreis von Freunden und Förderern aufkommen, denn unser Handeln ist in vielfältiger Weise auf Unterstützung von dritter Seite angewiesen. Namentlich und herzlich danke ich für Rat und Förderung dem Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (BLZ) Dr. Peter März sowie seinem Stellvertreter Werner Karg. Der Städtegemeinschaft im Zeichen der Weißen Rose sind wir in gleicher Weise verbunden. Ihre Zuschüsse halfen, im Berichtsjahr erneut unsere finanzielle Basis abzusichern. Stellvertretend für sieben Städte danke ich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der die Gemeinschaft vertritt, sowie dem Leiter des Hamburger Staatsamtes Stefan Herms. Gerne und besonders will ich auch die Mitglieder im Kreis der Freunde und Förderer der Weiße Rose Stiftung e. V. würdigen. Mit ihren Beiträgen und Spenden signalisieren sie uns Wertschätzung für unsere Erinnerungsarbeit und verhelfen uns zugleich zu einem weiteren materiellen Standbein. Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) gab der DenkStätte und unserem Büro auch 2010 Obdach und so manche praktische Hilfestellung. Unseren großen Dank richte ich an den Präsidenten Prof. Dr. Bernd Huber. Aus dem Kreis unserer hoch geschätzten Beiräte erfuhren wir erneut vielfältige Anregung und Unterstützung. Deshalb sage ich ein herzliches Dankeschön den Damen und Herren des Beirates, namentlich dem Beiratsvorsitzenden Dr. Klaus Hahnzog. Gewiss, die kalendarische Abgrenzung des Berichtsjahres hat ihren Sinn, und doch belegen die Arbeitsabläufe auch 2010, wie willkürlich sie gezogen ist. So erhielt die organisatorisch aufwändige Veranstaltungsreihe „Hamburg und die Weiße Rose“ viel Aufmerksamkeit, doch erst nach ihrer Realisierung 2011 wird darüber zu berichten sein. Ähnlich verhält es sich mit Bemühungen und Verhandlungen um Ausstellungstermine für das jeweilige Folgejahr. Noch gegen Jahresende konnten u.a. Weichen gestellt werden, damit unsere Wanderausstellung künftig verstärkt wieder an Schulen und Colleges in den USA gezeigt wird. Hier – wie so oft – führten persönliche Kontakte und die Fürsprache eines Förderers schließlich zu einer Veröffentlichung im Newsletter von AATG (Zusammenschluss von Deutschlehrern in den USA), die zahlreiche Nachfragen für die Wanderausstellung für 2011 initiierte. 5 Gerne verweise ich Sie auf die nachfolgenden Berichte zu thematischen Veranstaltungen. Den Fokus auf den studentischen Widerstand wollten wir insbesondere mit dem Symposion „Eine Mauer um uns baue… – Lektüre als Widerstand“ erweitern. Nähere Informationen finden Sie nachstehend auch über unsere pädagogischen Projekte „Vergessener Widerstand“ und „Netzwerk“. In Partnerschaft mit Schulen wenden wir uns damit an die nachwachsende Generation, um über die Auseinandersetzung mit örtlichen historischen Vorgängen zu Engagement und Verantwortung für unsere Zivilgesellschaft anzuregen. Ungeachtet dieser und anderer Facetten unseres Tuns ist und bleibt die DenkStätte am Lichthof der LMU in München mit der Dauerausstellung, den Hör- und Sehstationen, der Präsenzbibliothek, den Führungen und Zeitzeugengesprächen unseres Ehrenvorsitzenden Franz J. Müller für unsere Erinnerungsarbeit zentral. Die Wanderausstellung, präsentiert an vielen Orten Deutschlands sowie im Ausland, dient weiterhin als wichtiges Medium, um die Botschaft der Weißen Rose über die Stadt- und Landesgrenzen zu tragen. Hier verweise ich auf die Chronik sowie die Berichte über einzelne Präsentationen, unter anderem erstmals in Spanien. Die nachfolgenden Berichte, zu deren Lektüre ich Sie herzlich einlade, können Ihnen die Bandbreite unserer Aktivitäten im Zeichen der Weißen Rose veranschaulichen. Wir Vorstandsmitglieder, zu denen sich Herr Prof. Dr. Wolfgang Huber neu gesellte, sowie unsere Mitarbeiterinnen schätzen Ihre Anregungen und Ihre kritische, wohlwollende Begleitung. Abschließend danke ich dem Team unserer Mitarbeiterinnen sehr herzlich für ihren hoch motivierten Einsatz. Namentlich danke ich Frau Ruth Drolshagen. Sie ist nach vielen Jahren hoch engagierter, kompetenter Tätigkeit, zuletzt in geschäftsführender Funktion, im September ausgeschieden. Dr. Hildegard Kronawitter Vorsitzende 6 2 Chronik 2010 18.1. – 30.1.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose – Der Widerstand von Studenten gegen Hitler, München 1942/43“ wird in der Geschwister-Scholl-Schule in Melsungen in Hessen gezeigt. 21.1.2010 „Zivilcourage und Formen des Widerstands“: Kardinal Prof. Dr. Karl Lehmann hält die Weiße Rose Gedächtnisvorlesung in der Großen Aula der LMU. 12. – 19.3.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Geschwister-SchollSchule in Brakel in Nordrhein-Westfalen gezeigt. 12.3.2010 Eröffnung der fünften Ausstellung des Projekts „Vergessener Widerstand“ der Weiße Rose Stiftung e.V. in Kooperation mit dem Franz-Marc-Gymnasium Markt-Schwaben, gefördert von der BLZ. → mehr S. 36 Unter dem Titel „Weiße Rose“ zeigt das Gospel Art Studio München anschließend in der DenkStätte Weiße Rose eine szenische Kurzfassung des Theaterstücks „Sophie Scholl – Widerstand des Gewissens“. 15.3.2010 Prof. Wolfgang Huber stellt anlässlich der Sonderausstellung „Kurt Huber und die Weiße Rose“ sein Buch „Kurt Huber vor dem Volksgerichtshof – Zum zweiten Prozess gegen die Weiße Rose“ im Kurt-Huber-Gymnasium Gräfelfing vor. 27.1. – 4.3.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird mit Begleitprogramm im Haus der Kirche in der Dreikönigskirche in Dresden gezeigt. → mehr S. 26 16.3.2010 Die Weiße Rose Stiftung e.V. schickt zur Namensgebung der neuen Sophie-Scholl-Schule in Oberjoch im Allgäu ein Grußwort. → mehr S. 48 10.2.2010 Barbara Beuys liest im Audimax der LMU aus ihrer neuen Biographie „Sophie Scholl“. Die Veranstaltung der LMU („LMU im Dialog“) findet in Kooperation mit der Weiße Rose Stiftung e.V., der Buchhandlung Lehmkuhl und dem Carl Hanser Verlag statt. → mehr S. 11 April 2010 Die Evangelische Kirchengemeinde in Wrocław (Breslau) zeigt die polnischsprachige Ausstellung „Die Weiße Rose“. 23.2. – 24.4.2010 Das Goethe-Institut in Madrid zeigt die spanischsprachige Ausstellung „Die Weiße Rose“ mit einem umfangreichen Begleitprogramm. → mehr S. 23 24.2.2010 Unter dem Titel „Weiße Rose“ führt das Gospel Art Studio München in der DenkStätte Weiße Rose eine szenische Kurzfassung des Theaterstücks „Sophie Scholl – Widerstand des Gewissens“ auf. 25.2. – 31.3.2010 Eröffnung der polnischsprachigen Ausstellung „Die Weiße Rose“ im LehrerAus- und Fortbildungsinstitut in Opole (Oppeln) in Schlesien. 1.3. – 12.3.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Sophie-Scholl-Schule in Leutkirch im Allgäu gezeigt. 8.3. – 26.3.2010 Das Kurt-Huber-Gymnasium Gräfelfing zeigt die Einzelausstellung „Kurt Huber und die Weiße Rose“. 13.4. – 31.5. 2010 Die russischsprachige Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Gebietsbibliothek von Petropawlowsk in Ostsibirien gezeigt. → mehr S. 20 12. – 23.4.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Geschwister-SchollSchule in Alsfeld in Hessen gezeigt. 23.4.-6.6. 2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle in Thüringen gezeigt. Zur Eröffnung spricht Prof. Dr. Wolfgang Huber. 1. – 31.5.2010 Die Geschwister-Scholl-Schule in Crailsheim/Ingersheim in BadenWürttemberg zeigt die Einzelausstellung „Willi Graf und die Weiße Rose“. 10.5. – 31.8.2010 Die englischsprachige Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird im Arts Center on the Hudson in Mechanicville, NY, unter der Schirmherrschaft des Deutschen Botschafters Klaus Scharioth gezeigt. Die Deutsche Botschaft berichtet auf ihrer Homepage ausführlich über die Veranstaltung. Dr. Hildegard Kronawitter schickt ein Grußwort zur Eröffnung. → mehr S. 25 7 2.6. – 20.7.2010 Die russischsprachige Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird im Museum für Landeskunde in Chabarowsk in Ostsibirien gezeigt. → mehr S. 20 Annika Länger moderiert Dr. Hildegard Kronawitter. Gefördert von der BLZ. → mehr S. 13 8.6.2010 Prof. Dr. Wolfgang Huber präsentiert sein Buch „Kurt Huber vor dem Volksgerichtshof – Zum zweiten Prozess gegen die Weiße Rose“ im Bürgerhaus Gräfelfing bei München. 12.11. – 30.11.2010 Zum 50-jährigen Bestehen des Geschwister-Scholl-Studentenheims in München eröffnet Dr. Hans-Jochen Vogel auf dem traditionellen „Schollheimtag“ die Einzelausstellung „Hans Scholl und die Weiße Rose“. Gefördert von der BLZ. → mehr S. 13 26.7. – 9.8.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird im Conny-WessmannHaus in Großenhain bei Dresden gezeigt. → mehr S. 26 4.11. – 18.11.2010 Die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird im Geschwister-SchollGymnasium in Nossen in Sachsen gezeigt. 12.7. – 29.10.2010 Die deutschsprachige und die polnischsprachige Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ wird in Görlitz in Sachsen vom Verein „Meetingpoint Music Messiaen“ gezeigt. → mehr S. 26 17.11. – 26.11.2010 Im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Martinsried bei München wird die Einzelausstellung „Christoph Probst und die Weiße Rose“ gezeigt. 16.9. – 23.9.2010 Die neugestaltete russischsprachige Dauerausstellung der DenkStätte Weiße Rose „Die Weiße Rose“ wird in der Pädagogischen Universität Orenburg durch den Deutschen Botschafter Dr. Ulrich Brandenburg im Rahmen der Russisch-Deutschen Kulturwoche eröffnet. Die AlexanderSchmorell-Stipendien werden von Dr. Werner Rechmann an vier Studenten der beiden Orenburger Universitäten verliehen. → mehr S. 20 1. – 11.10.2010 Die Willi-Graf-Schule in Sankt Ingbert im Saarland zeigt die Einzelausstellung „Willi Graf und die Weiße Rose“. 21.10.2010 Lehrerfortbildungstag, gefördert von der BLZ, zum Thema „Literatur und Widerstand der Weißen Rose“. → mehr S. 42 26.10.2010 Bei einem „Sophie-Scholl-Abend“ zum 50jährigen Bestehen des Geschwister-Scholl-Studentenheims in München liest die Schauspielerin Miriam Albrecht aus „Sophie Scholl“ von Barbara Beuys. Das anschließende Gespräch zwischen der Zeitzeugin Dr. Hildegard Hamm-Brücher und der Studentin und Heimratsvorsitzenden 8 29.11.2010 Die neue Einzelausstellung „Alexander Schmorell und die Weiße Rose“, gefördert von der BLZ, wird durch seinen Neffen Markus Schmorell in der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der LMU eröffnet. → mehr S. 15 Joachim Gauck erhält den Geschwister-Scholl-Preis für seine Autobiographie „Sommer im Winter, Frühling im Herbst“. 14.12.2010 Das Literatursymposion „Eine Mauer um uns baue… – Literatur als Widerstand“ findet mit Vortrag, Lesung und Gesprächsrunde im Literaturhaus München in Zusammenarbeit mit der Stiftung Literaturhaus und gefördert von der BLZ statt. → mehr S. 9 24.11. – 8.12.2010 Zur Eröffnung des neuen Bürgerzentrums von Las Palmas de Gran Canaria wird die spanischsprachige Ausstellung „Die Weiße Rose“ gezeigt. die Eröffnungsreden halten Konsul Peter Christian Haucke und der Bürgermeister von Las Palmas Jerónimo Saavedra. → mehr S. 23 15.12.2010 – 7.1.2011 Die spanischsprachige Ausstellung „Die Weiße Rose“ wird in der Casa Municipal de Cultura in Pedreguer in Alicante gezeigt. → mehr S. 23 3 Symposion „Eine Mauer um uns baue… – Lektüre als Widerstand“ In der Zeit der NS-Diktatur war Literatur ein Mittel der Gegenwehr, eine „feste Burg“. „Eine Mauer um uns baue…“ stand deshalb über einem Literatursymposion, das die Weiße Rose Stiftung e.V. am 14. Dezember 2010 zusammen mit der Stiftung Literaturhaus und der BLZ im Münchner Literaturhaus veranstaltete. Die Flugblätter der Weißen Rose bezeugen den Einfluss von Literatur auf Denken und Handeln des studentischen Widerstandskreises um Hans Scholl und Alexander Schmorell. Wolfgang Frühwald, em. Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte, zeigte auf, welche Werke den Studenten wichtig waren, und warum. Ernst Wiechert (1887-1950) übernahm das Zitat „Eine Mauer um uns baue…“ aus dem Gedicht von Clemens von Brentano „Die Gottesmauer“ als Bild für eine Gegenwelt zum Nationalsozialismus in einem Aufsatz, der 1937 erstmals in der Frankfurter Rundschau erschien. Sabine Kastius und Gert Heidenreich lasen aus diesem und anderen ausgewählten Texten. In einer von Dr. Dieter Heß moderierten Podiumsdiskussion ging Prof. Wolfgang Frühwald mit der Psychoanalytikerin Dr. Gudrun Brockhaus, dem Sprachwissenschaftler Prof. Wolfgang Huber und dem Schriftsteller Gert Heidenreich der Frage nach, was Literatur in einer Diktatur vermag, und welche Wirkung die damals im Kreis der Weißen Rose gelesenen Texte auch heute noch haben können. Der Leiter des Literaturhauses Dr. Reinhard Wittmann begrüßte die überaus zahlreich erschienenen Gäste, anschließend sprach der Bayerische Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle ein Grußwort. Wolfgang Frühwald zeichnete zunächst in seinem Vortrag für die Studenten der Weißen Rose ein Lektüreprofil, das sich aus den von ihnen bevorzugten Schriftstellern ergibt. Er erläuterte vor allem aber ihr existentielles, nicht nur rein ästhetisches Verhältnis zur Literatur: „Die jungen Menschen, die sich im Widerstandskreis der Weißen Rose trafen, kannten noch die intensive Lektüre. Sie haben, mit unbestechlichem Sinn für Substanz, die Schriften, die sie alleine oder in Gesellschaft lasen, in solche geteilt, die ihnen zu leben halfen, und solche, die ihnen nichts zu sagen hatten. Für Menschen, deren Lektüre unter der Drohung von Kerker Prof. Dr. Wolfgang Frühwald und Tod steht, ist das, was sie lesen, und die Weise, wie sie lesen, von anderem Gewicht, als für Menschen, die solchen Gefahren nicht ausgesetzt sind. (…) Wer im Bannkreis des Widerstands liest, dessen Sinne sind geschärft für die subversive Kraft von Literatur, die sich selbst dort einstellt, wo sie von Autoren nicht gewollt ist, aber durch die Herstellung einer Gegenwelt zur herrschenden Realität wie von selbst entsteht.“ Weiter führte er aus: „Das wir Raskolnikov, dem von seinem Gewissen gejagten Mörder aus Dostojewskis Roman ,Schuld und Sühne’, dass wir der radikalen Ethik Kierkegaards in den Briefen und Tagebüchern der Geschwister Scholl, ihrer Freundinnen und Freunde immer wieder begegnen, ist demnach kein Zufall, sondern Ausdruck einer ,literarischen Richtungsethik’, welche die Zeit bis tief in die Restaurations-Phase nach dem Zweiten Weltkrieg faszinierte.“ Sicher sei, so Frühwald, dass ihr Leben von Literatur, von deutscher wie französischer und russischer „begleitet und geleitet“ gewesen sei: „Sie hat ihnen Trost und Mut gespendet, sie war lange lebenskräftig und lebenserhaltend, sie wussten aber, dass belletristische Literatur überfordert war, als es nicht mehr um Lebensbegleitung, sondern um die Wirklichkeit eines gewaltsamen und frühen Todes ging.“ „Sind das heute noch Texte von politischer Sprengkraft, von humanistischem Aufbegehren, von moralischpolitischem Veränderungswillen?“ Mit der Frage nach der „heutigen Wirkung“ eröffnete Dieter Heß, Leiter der Redaktion Kulturkritik und Literatur beim Bayerischen Rundfunk, nach der Lesung von Sabine Kastius und Gert Heidenreich die Diskussion. Die von Wolfgang Frühwald vorgenommene Auswahl von Texten reichte von Reinhold Schneider über Ernst Wiechert und Søren Kierkegaard bis hin zum Korintherbrief. Der Bedeutung von Literatur als Widerstand im spezifischen historischen Kontext wurde auf dem Podium 9 ebenso Rechnung getragen wie der Tatsache, dass theologische Fragen im Kreis der Weißen Rose eine wichtige Rolle spielten. Die damalige Zeit sei „sehr religionssensitiv“ gewesen, betonte Wolfgang Huber. Das titelgebende Zitat „Eine Mauer um uns baue…“ symbolisiere sehr genau die Schutzfunktion, die Literatur für den Widerstandkreis gehabt habe, erläuterte Gudrun Brockhaus. Darüber hinaus eröffne sie bis zu einem gewissen Grad eine Möglichkeit der Realitätsflucht, um das Leben überhaupt aushalten zu können. Gert Heidenreich sprach in diesem Zusammenhang von „Literatur als Kunst der Aufmerksamkeit“, aus der die Fähigkeit zum Widerstand resultiere. Heidenreich wies auch auf die Wirkkraft der Weißen Rose bis in die Gegenwart hin: Sie habe eine „symbolische Bedeutung für das menschliche und politische Verhalten in diesem Land und über das Land hinaus.“ Die Beschäftigung mit der Weißen Rose ist seiner Meinung nach „unendlich wichtig“, damit auch in Zukunft sich Menschen die Frage stellen, was sie selbst getan hätten, und sich wenigstens wünschen, „einen ähnlichen Mut“ gehabt zu haben. Die Bedeutung der Literatur für die Weiße Rose ist eine von der historischen Forschung bislang wenig beachtete Fragestellung. Ein „menschlicher Zugang“ und nicht ein „idealisierender Umgang“ seien aber gerade für Jugendliche von heute wichtig, betonte Gudrun Brockhaus. Es gehe heute nicht mehr allein um „Betroffenheit als Lernziel“, sondern um eine Auseinandersetzung mit den Schwächen, den Widersprüchen und auch dem Leichtsinn im Handeln der studentischen Widerstandsgruppe. Wolfgang Frühwald betonte, es seien doch „fröhliche junge Menschen“ gewesen. Die Einzigartigkeit ihrer Stimme sei so unglaublich, das Singuläre ihres Widerstands könne gar nicht genug betont werden. Der vollständige Text der Rede von Professor Wolfgang Frühwald ist nachzulesen unter http://www.weisse-rose-stiftung.de. Literaturhaus München, Foyer 10 4 Neuerscheinung: Barbara Beuys „Sophie Scholl“ Am 10. Februar 2010 las Barbara Beuys aus ihrer neuen Biographie „Sophie Scholl“ im Audimax der LMU in München. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der LMU München, der Weiße Rose Stiftung e.V., der Buchhandlung Lehmkuhl und dem Carl Hanser Verlag statt. Das Buch hatte Anfang des Jahres viel Aufmerksamkeit erregt: Die Historikerin Barbara Beuys hat dafür den Nachlass von Inge Aicher-Scholl im Institut für Zeitgeschichte München erstmals umfassend im Hinblick auf Sophie Scholl und ihre Familie ausgewertet. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Sophie Scholls Weg von einer engagierten Führerin in der Hitlerjugend zur mutigen Gegnerin des Nationalsozialismus länger, widersprüchlicher und differenzierter war, als bisher bekannt. Pressestimmen zum Buch: „An manchem Mythos kratzt Dr. Barbara Beuys in der redlich und aufrecht geschriebenen Biographie, an der Legende eines Wendepunkts, an dem die wie die meisten Jugendlichen ihrer Zeit für das NSRegime begeisterten Kinder der Familie Scholl sich vom Regime abwandten und zu dessen Gegnern wurden. Einen solchen Wendepunkt habe es nicht gegeben, die Abwendung geschah wohl im Gegenteil als eine allmähliche Entwicklung, die 1937 oder 1938 einsetzte.“ Augsburger Allgemeine, 25.2.2010 „Indem die Historikerin aus bislang unerschlossenen Quellen schöpft und Bekanntes anders gewichtet, modelliert sie ein bis in die feinsten Seelenverästelungen plastisches Charakterportrait. Ihr Buch zeigt, wie allen Gefahren, Zweifeln und Verzagtheiten zum Trotz in Sophie Scholl der Mut heranreift, das eigene Dasein zu riskieren für ein Fanal wider schreiendes Unrecht.“ Süddeutsche Zeitung, 8.2.2010 „Diese einfühlsame, jede heroisierende Tendenz vermeidende Biografie nimmt Sophie Scholl nichts von ihrer Größe, im Gegenteil: Wir lernen sie hier kennen mit allen, auch den widersprüchlichen Facetten ihrer reichen Persönlichkeit. Eine junge Frau, die gern zeichnete und musizierte, viel las und schrieb, wild tanzte und für jeden Spaß zu haben war, die aber bei aller Empfindsamkeit auch hart und schroff sein konnte, hin- und hergerissen zwischen Gefühl und Verstand und verzweifelt um die Sicherheit im Glauben ringend. Die mit allen Fasern am Leben hing und doch am Ende bereit war, es für ein besseres Deutschland herzugeben. »Freiheit« war das letzte Wort, das sie im Gefängnis, den Tod vor Augen, auf die Rückseite ihrer Akte schrieb.“ Die Zeit, 11.2.2010 11 5 Neue Glasvitrine für die Weiße Rose Stiftung e.V. in München-Schwabing Die Weiße Rose Stiftung e.V. kann seit Anfang Oktober eine zwei Meter hohe Glasvitrine in der Veterinärstraße nutzen. Auf Anregung von Klaus Bäumler vom Bezirksausschuss Maxvorstadt stellte uns die LMU die früher von einer Buchhandlung genutzte Vitrine zur Verfügung. Durch die Media Forces Network GmbH München wurde sie sehr öffentlichkeitswirksam mit Motiven der Weißen Rose gestaltet, so dass die Vitrine jetzt als Wegweiser zur DenkStätte Weiße Rose dient sowie für Veranstaltungshinweise und Informationen über die Arbeit der Weiße Rose Stiftung e.V. genutzt werden kann. Großer Dank geht an das Grafikbüro für sein finanzielles Entgegenkommen. Glasvitrine in der Veterinärstraße 12 6 Jubiläum des GeschwisterScholl-Studentenheims Das Geschwister-Scholl-Studentenheim in München feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Nach der großen Festveranstaltung wandte sich das Heim – in Partnerschaft mit der Weiße Rose Stiftung e. V. und unterstützt von der BLZ – seinen Namensgebern zu. Bericht der Heimratsvorsitzenden Annika Länger: Im Jahr 2010 fanden im Studentenwohnheim Geschwister Scholl zwei Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Weiße Rose Stiftung statt. Bei der ersten Veranstaltung am 24. Oktober 2010 handelte es sich um eine Lesung aus der neuen Sophie-SchollBiographie von Barbara Beuys mit der Schauspielerin Miriam Albrecht. Im Anschluss folgte ein Gespräch zwischen der Zeitzeugin Dr. Hildegard Hamm-Brücher und mir, Heimratsvorsitzende des Studentenwohnheims Geschwister Scholl, moderiert von Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung. Das Gespräch drehte sich um Fragen wie „Was können wir von Sophie Scholl lernen?“ „War es klug so zu handeln, wie Sophie Scholl es tat?“ oder „Wie engagiert ist die Jugend heute?“. Auch das Publikum durfte sich zu Wort melden und wurde so mitbeteiligt. Besonders eindrucksvoll war die Schilderung der gefährlichen Lage, in der sich die Chemiestudentin Hildegard Brücher, die von den NS-Rassegesetzen betroffen war, damals befand. Gleichzeitig erzählte sie, wie sie zu dem Widerstand stand. Der Abend wurde durch Musiker aus unserem Haus untermalt. So schafften die Studenten mit ihrer Selbstbeteiligung eine angenehme Stimmung und einen angemessenen Rahmen. Die Resonanz der Heimbewohner an dem Abend war gut. Meine Mitbewohner zeigten sich von den Erzählungen der Zeitzeugin sehr beeindruckt. Die Lesung hat ihnen Freude gemacht und unser Wohnheimleben bereichert. Während der Vorbereitung auf die Diskussion habe ich persönlich viel gelernt. Ich beschäftige mich in meinem Studiengang (Maschinenbau) naturgemäß wenig mit politischen und gesellschaftlichen Themen und war von der zur Vorbereitung herangezogenen Literatur sehr beeindruckt Die zweite Veranstaltung fand im 12. November 2010 statt. An diesem Abend präsentierte Dr. Hans-Jochen Vogel anlässlich unseres Schollheimtages 2010 die Hans-SchollAusstellung der Weiße Rose Stiftung. In anschaulicher und eindringlicher Weise führte er der Zuhörerschaft vor Augen, wie sich Hans Scholl von einem überzeugten Anhänger des NSRegimes zu einem entschlossenen Gegner wandelte. Meine Mitbewohner zeigten sich sehr angetan und begeistert, sowohl von der Themenwahl als auch vom Redner selber. Der Zulauf an diesem Abend war unerwartet groß. Spät kommende Studenten fanden nur noch auf den Treppen oder in den Eingängen zum Saal einen Platz. Mir persönlich hat die Ansprache gezeigt, wie sehr Hans und Sophie Scholl als Team gearbeitet haben. Meiner Meinung nach war der Abend zum Thema Hans Scholl eine gelungene Ergänzung zu der Lesung am 24. Oktober 2010. Alles in allem war an beiden Abenden die Stimmung angenehm und die teilnehmenden Studenten begeistert. Die jeweilige Thematik war ein ausgewogenes kulturelles Angebot für interessierte Studenten und eine hervorragende Möglichkeit, sich mit dem Thema Widerstand im Nationalsozialismus auseinander zu setzen. Die Themen haben sich gut ergänzt und sind seit Jahren die ersten Veranstaltungen zum Thema Widerstand in der NS-Zeit gewesen. Die Zusammenarbeit zwischen der Weiße Rose Stiftung und unserem Studentenwohnheim funktionierte hervorragend. Im Einvernehmen mit dem Wohnheimträger erkläre ich, dass wir gerne bereit sind, gemeinsam weitere ähnliche Veranstaltungen in unserem Studentenwohnheim durchzuführen. 13 Miriam Albrecht Dr. Hans-Jochen Vogel, Beiratsmitglied und damals Mitbegründer des Studentenheimes, hatte als damaliger Jurastudent der LMU von der Verhaftung der Studenten der Weißen Rose und ihrer Verurteilung gehört. Seine Worte zur Eröffnung der Einzelausstellung zu Hans Scholl waren daher eine sehr persönliche Aussage. So betonte er, dass die Ausstellung „die Entwicklung und Persönlichkeit eines Menschen“ (…) „in all ihren Facetten“ sichtbar mache, „der zu den Ausnahmeerscheinungen seiner Generation gehörte.“ (…) Sie verdeutliche, „welche Einsichten ihn prägten, welche Kontakte ihm wichtig waren und wie sehr er die Selbständigkeit seines Urteils bewahrte und über den Tag hinaus sah. Wer die Texte und Briefe sorgfältig liest, erkennt auch, warum er es nicht bei einer schweigenden Ablehnung des Gewaltregimes beließ, sondern handelte. (…) Und was folgt daraus nun für unsere Gegenwart? Nach meiner Überzeugung (…), dass wir uns an das, was damals geschah, immer wieder erinnern müssen. Nicht, um kollektive Schuldkomplexe zu konservieren. Schuld ist ohnehin ein individueller Begriff (…). Wir sollten uns und die Nachfolgenden (…) erinnern, weil diejenigen, die nicht wissen, wie leicht Menschen sich verführen oder zumindest zur Passivität bringen lassen; die nicht wissen, wessen Menschen in ihrem Fanatismus und ihrer Mordlust fähig sind, diejenigen, die auch die Warnzeichen nicht erkennen, die auf drohendes Unheil hinweisen, neuerlichen Gefahren gegenüber weniger wachsam und weniger widerstandsfähig sind als diejenigen, denen die Verbrechen der Vergangenheit und die Katastrophen unserer jüngeren Geschichte vor Augen stehen. Erinnern in diesem Sinn heißt also (…) nicht das Gedächtnis zu belasten, sondern den Verstand zu erleuchten!“, so Dr. Hans-Jochen Vogel. Annika Länger, Dr. Hildegard Hamm-Brücher und Dr. Hildegard Kronawitter 14 7 Einzelausstellung zu Alexander Schmorell Gefördert von der BLZ ist 2010 die sechste Einzelausstellung zu einem zentralen Mitglied der Widerstandsgruppe entstanden: Bei der Eröffnung am 29.11.2010 konnte Dr. Hildegard Kronawitter weit über 100 Besucher begrüßen. Sie wies auf die entscheidende Rolle hin, die Alexander Schmorell bei den Widerstandsaktionen der Weißen Rose spielte. Die Historikerin Ursula Kaufmann von der Weiße Rose Stiftung e.V. erstellte die Ausstellung zusammen mit Markus Schmorell. Der Neffe von Alexander Schmorell hielt eine sehr persönliche Ansprache aus der Sicht eines engen Familienangehörigen und eröffnete die Ausstellung. Besonderer Dank geht an ihn für die zahlreichen Gespräche sowie für Briefe, Fotos und Zeichnungen aus dem Familiennachlass, die er für die Ausstellung zur Verfügung stellte. Als Alexander Schmorell im Juni 1942 zusammen mit Hans Scholl die ersten Flugblätter schrieb, wusste er genau, worauf er sich eingelassen hatte. „Was ich getan habe, habe ich nicht unbewusst getan, sondern ich habe sogar damit gerechnet, dass ich im Ermittlungsfalle mein Leben verlieren könnte“, erklärte er später beim Verhör. Alexander Schmorell wäre gerne Bildhauer geworden. Neben seinem Medizinstudium besuchte er Zeichenkurse in der Schwabinger Kunstschule „Die Form“. Dort lernte er Lilo Berndl (spätere Fürst-Ramdohr) kennen. In der DenkStätte Weiße Rose sind zum ersten Mal zwei von ihm angefertigte Aktzeichnungen zu sehen. Auch der ausgelegte Brief, den Schmorell im August 1942 an seine Zeichenfreundin Lilo Berndl schrieb, vermittelt viel von seiner Poesie und Lebensfreude. Nachdem Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 beim Verteilen von Flugblättern in der Universität verhaftet worden waren, floh Schmorell nach Elmau. Weil er hoffte, in der Stadt München leichter untertauchen zu können, kehrte er jedoch einige Tage später zurück. Als er sich während eines Fliegerangriffes in einem Luftschutzkeller aufhielt, wurde er verraten und an die Polizei ausgeliefert. Nikolaj Hamazaspian, ein enger Freund Schmorells, und Lilo Berndl hatten ihm bei der Flucht geholfen. Vergeblich versuchte Hamazaspian später, ihn aus dem Gefängnis zu befreien. „Ich gehe hinüber in dem Bewusstsein, meiner tiefen Überzeugung und der Wahrheit gedient zu haben. Dies alles lässt mich mit ruhigem Gewissen der nahen Todesstunde entgegensehen“, schrieb Alexander Schmorell in seinem Abschiedsbrief. Die Einzelausstellung „Alexander Schmorell und die Weiße Rose“ wird bis Mitte November 2011 in der DenkStätte Weiße Rose gezeigt, online unter http://www.weisse-rose-stiftung. de. Danach kann sie ausgeliehen werden. Die Süddeutsche Zeitung, die Augsburger Allgemeine und der Evangelische Pressedienst berichteten ausführlich über die Ausstellungseröffnung. Ursula Kaufmann Aus der Rede zur Eröffnung von Markus Schmorell am 29. November 2010 „Immer mal wieder, in verschiedenen Stadien der eigenen Entwicklung, habe ich mich mit Alexander beschäftigt, die Erzählungen in der Familie aufgenommen, die Briefe wieder gelesen, nachgefragt in den vielfältigen Abhandlungen zur Weißen Rose und dann wieder auch vergessen und neu erinnert. Eine Zeit lang, das vorweg und damit es dann auch erledigt ist, standen die Rezeptionsgeschichte im Mittelpunkt der Überlegungen, die grundsätzlich unterschiedliche Haltung der Familien, die so stark im Kontrast stand zur ungetrübten Freundschaft aller aus dem Kreis der Münchner Studenten. (…) Es gibt ja nicht viele Zeugnisse von Alexander, nur vergleichsweise wenige Fotos, einige Briefe, bezeichnenderweise kein Tagebuch; was als Zeugnis oder Beweis hätte benutzt werden können, hat er zum Schutz seiner Familie, seiner Freunde und zu seinem eigenen Schutz rechtzeitig verbrannt, im klaren Bewusstsein möglicher Folgen der Entdeckung seiner Gedanken und Taten. Und obwohl es wenige Fotos sind, haben Frau Kaufmann und ich bei der Auswahl doch lange hin und her überlegt; mir ist aufgefallen, wie viel Geschichte, wie viel Erinnerung sich hier versammelt haben. – Wenn ich anfange zum Beispiel über das Foto mit unserer Nanja zu sprechen, dann rede ich noch, wenn oben schon längst Preisverleihung ist… Aber keine Sorge: ich will nur die zwei Fotos erwähnen, die in der Auswahl dann nicht auf den Ausstellungstafeln sondern im Flyer gelandet sind: Alexander und Christl (Christoph Probst) mit Klassenkameraden, als sie sich 1935 im gemeinsamen Schuljahr am Neuen Realgymnasium eng und 15 wie Christl später sagen sollte „unzerreißbar“ befreundet hatten. Alexanders Lachen, sein Strahlen, seine Feierlaune, seine Begeisterungsfähigkeit, sein Übermut – später wird sich Traute Lafrenz erinnern: „es war ein großer junger Mann, mit großem Mund voller Schwärmerei und wenn er lachte, da ging die Sonne auf.“ Alexander in Lederhose, mag er auch in Orenburg geboren sein, er ist der Münchner unter dem sogenannten „Münchner Studentenkreis“, er hat das Isartal, das Oberland und mit Christl die Chiemgauer Berge als Heimathintergrund und er nimmt später seine Freunde mit zum Lombardi oder zum Walterspiel oder zu Treffen mit Münchner Originalen und Außenseitern… Das andere Photo (…) sieben Jahre später mit dem Kopftuch zum Schutz in der kontinentalen Sommerhitze. Er vom Helm befreit in „seinem“ Russland. Und zwischen diesen beiden Photos liegt sein Weg in den Widerstand, den sechs Ausstellungstafeln nicht annähernd nachzeichnen können, aber vielleicht geben sie den Besuchern doch einen kleinen Hinweis auf die Atmosphäre des Elternhauses in der Menterschwaige, auf die Freundschaften der Gleichgesinnten, ihre gegenseitige Unterstützung, auf die Entwicklung ihrer geistigen Resistenz, auf ihre alltäglichen Zeichen des kulturellen Widerspruchs im intensiven Austausch über Literatur, Musik und Kunst, auf ihre Aktionen und auf ihre Haltung am Ende. Markus Schmorell 16 Vom Arbeitsdienst, aus dem Erleben der gescheiterten Existenzen, die dort Führungspositionen erlangt haben, und der Beobachtung der KdF-Veranstaltungen, schreibt Alexander: „Wenn das das zukünftige Deutschland sein soll, dann sehe ich für dieses Land sehr, sehr dunkel. Mir persönlich ist es ja ganz gleich, wie es kommt, ich habe kein bisschen Mitleid mit diesem Volk und Land.“ Und im II. Flugblatt wird es heißen: „Und wieder schläft das deutsche Volk in seinem stumpfen, blöden Schlaf weiter und gibt diesen faschistischen Verbrechern Mut und Gelegenheit weiterzuwüten…“ „Weiterzuwüten“ so dicht zusammengeschrieben. Wir haben in die Ausstellung auch den ersten Hinweis, der sich in Alexanders Briefen zu Hans Scholl findet, aufgenommen als ein Beispiel, wie sich die Freunde gesucht haben, wie wichtig man einander geworden ist: Alexan der schreibt im Brief vom 3. Juli 1941: „ein Kamerad von mir ein zurückgezogener, einsamer Mensch (…)“ und dann am 20. Dezember 1941: „Gestern war Weihnachtsfeier in unserer Kompanie. Ich ging aber nicht hin – was sollte ich auch dort? Hans war dann noch bei mir, wir rauchten einige Pfeifen bei der Kerze, sprachen sehr wenig. Nur kurze „Gespräche über Verantwortungsgefühl“. Ich liebe solche „Skizzengespräche“ am meisten. Wenn man durch Worte doch nicht restlos alles sagen kann – und das ist doch meistens so, außer bei wissenschaftlichen Unterhaltungen, – dann sollte man sich lieber mit solch skizzenhaft hingeworfenen Gesprächen begnügen. Wenn dann der andere das, was Du sagen willst, verstehen soll, dann wird er es auch verstehen. Es müssen eben in gewissem Maße verwandt fühlende Menschen sein. Noch schöner ist es ja bei Liebenden – bei ihnen sagt Schweigen am meisten. Das ist ja das schönste „Der innere Mensch hat keine Zunge“. Übrigens, das stete, intensive Briefeschreiben, dieses aneinander Anteil nehmen, mitzuteilen, miteinander weiterdenken, sich Ideen geben, sich beschenken als eine der wunderbaren Grundlagen des respektvollen Einverständnisses aller aus dem Freundeskreis. Wie selbstverständlich der Wunsch, sich zu entwickeln, sich zu hinterfragen, sich in den Spiegel schauen zu können. (…) Manchen war das Erlebnis Gžatsk vielleicht noch notwendiger Anstoß, für Alexander war es die Bestätigung seines Weges; längst hatte er eine radikale Kritik am nationalsozialistischen System formuliert, hat sie Alexander Schmorell an der Ostfront, 1942 © George J. Wittenstein im Austausch mit den Freunden, in literarischen Studien und in seiner Beantwortung der Fragen nach Menschlichkeit, nach Rechtsstaatlichkeit und eben auch nach seiner persönlichen Verantwortung erarbeitet und die Bereitschaft zur Konsequenz erlangt. Die Atmosphäre seines zweisprachigen Elternhauses, die vielfach erzählte Erfahrung des Verlusts der Heimat und Alexanders Fähigkeit, sich eine andere – für ihn war es eine erträumt „russische“ – Gegenwelt zur nationalsozialistischen Realität vorzustellen, haben ihm den Weg vorbestimmt. Beruhigend berichtet Alexander seinen Eltern am 5. August 1942: „Ich spreche oft und viel mit der russischen Bevölkerung, mit einfachem Volk und mit Intelligenz, besonders mit Ärzten. Ich habe nur den allerbesten Eindruck gewonnen (…)“. Zwei Tage später schreibt er beschwörend im Brief an Lilo Ramdohr, der im Schaukasten liegt, gegen das Feindbild des minderwertigen russischen Untermenschen der nationalistischen Propaganda an: „Lilo, glaub' nicht, was man Dir von der Stumpfheit, Dumpfheit der Russen sagt und schreibt.“ Sehr geehrte Damen und Herren, was können sechs Tafeln sagen, noch dazu im vorgegebenen Schema vorangegangener Ausstellungen über ein dichtes Leben in bewegtester Zeit? Sie können nur ein wenig Einführung geben zur Entscheidung, die jeder Ausstellungsbesucher dann treffen muss: Will ich näher kommen und erinnern? Erfahren, bewerten, vergessen, erinnern und vielleicht ein andermal in andrer Form, in einer anderen Schleife wieder erinnern, das ist mein Zugang zu so einer Veranstaltung wie heute Abend. War wohl recht „skizzenhaft“, ich hoff', Sie wollen es verstehen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.“ 17 8 Bericht des Ehrenvorsitzenden Franz J. Müller Zufrieden resümiere ich, dass es mir 2010 ein weiteres Jahr möglich war, als Zeitzeuge für die Weiße Rose zu arbeiten. Als einer der wenigen noch Lebenden fühle ich mich um so mehr verpflichtet, so lange ich kann, aktiv Zeugnis für die Weiße Rose zu sprechen. Dabei freut mich immer wieder, dass die von mir initiierte DenkStätte der ideale Raum ist, Jugendlichen, Studenten, Menschen aus aller Welt zu begegnen, die von der Weiße Rose hören wollen; ideal auch geprägt durch die engagierten ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, die mich stets freundlich und geduldig unterstützen; und so ideal gelegen, dass ich meistens per Fahrrad komme. Dank sage ich Ursula Kaufmann: speziell, weil sie meine Zeitzeugengespräche betreut, zuverlässig meinen Terminkalender führt und in guter Zusammenarbeit mit der Universität bei Bedarf auch Hörsäle organisiert; besonders, weil sie so kenntnisreich und anschaulich unterschiedlichste Gruppen führt und zahlreiche Projekte in der DenkStätte betreut; allgemein, weil ihre kompetente Arbeit als Historikerin mit ihren Recherchen zu den Sonderausstellungen für die Weiße Rose Stiftung mit jedem Jahr wichtiger wird. Ich begrüße auch ausdrücklich die Beteiligung der Stiftung am Nachdenken und Planen von Veranstaltungen zu „Erinnerungskultur ohne Zeitzeugen“. Dank allen, die unsere Arbeit unterstützen und fördern. Zuversichtlich denke ich an die weitere Arbeit der Stiftung. Mit ihrer Erfahrung und Kompetenz hat sich Hildegard Kronawitter intensiv auf die vielseitigen Anforderungen, die nicht immer einfachen Aufgaben der Stiftung eingelassen und leitet engagiert und zugewandt das Team der MitarbeiterInnen. Mit Wolfgang Huber hat sich ein Mitglied der „Familien“ zur Mitarbeit im Vorstand bereit erklärt, dem im Sinne seines Vaters die Erinnerungsarbeit für die Weiße Rose wichtig ist. Mit Werner Rechmann bleibt uns der erfahrene, konsequente und mittlerweile unersetzliche Schatzmeister. Besonders freut mich, dass nach der erfolgreichen, vielen unvergessenen Konferenz vor zwanzig Jahren die Weiße Rose Stiftung in Hamburg 2011wieder mit namhaften Partnern Mitveranstalter der umfangreichen Veranstaltungsreihe „Weiße Rose Hamburg“ sein wird. Zuversichtlich hoffe ich auf viele weitere Zeitzeugengespräche, habe ich doch zum Glück mit Britta Müller-Baltschun meine Frau als persönliche Referentin zur Seite, ohne deren Begleitung und engagierte Moderation ich Termine außerhalb der DenkStätte nicht mehr wahrnehmen könnte. Wir sind ein gutes Team. Sie weiß auch, dass ich unruhig werde, wenn es länger keine Termine gibt. Es waren dann aber auch 2010 in der DenkStätte doch wieder so viele, dass ich sie nicht einzeln auflisten will. Erwähnen will ich aber: die Schüler-Gruppen aus allen Bundesländern, die viel zahlreicher als die Hiesigen anlässlich von Projekttagen, Klassen- und Abiturfahrten 18 nach München kommen und die DenkStätte Weiße Rose im Programm haben, möglichst mit Zeitzeugen; die erfreulichen Besuche von Betreuungslehrern bayerischer Gymnasien mit internationalen GastschülerInnen; die wiederholten Besuche von Münchner Berufsschullehrern mit Klassen der verschiedenen Fachbereiche und oft interessanten Schülerberichten; das große Interesse von Gruppen aus Norditalien, besonders die regelmäßigen Besuche von Stefania Zuber mit sehr interessierten Gruppen verschiedenen Alters meistens aus Bergamo; das Einbezogensein in das in den USA weit verbreitete Programm „oral history“ mit vielen, teilweise regelmäßigen Besuchen von Studentengruppen engagierter Dozenten, z.B. mit Elisabeth Reichert und Judy Graunke; die mittlerweile zum Programm des Max-KolbeWerks Freiburg gehörenden Besuche von Holocaust-Überlebenden, vor allem aus der Ukraine und Tschechien; das Miterleben der manchmal fast befreienden, erlösenden Wirkung der Tatsache, dass es im Volk der Peiniger auch Widerstand gab, bewegt mich stark und bestätigt mir jedes Mal wieder die Wichtigkeit, Zeugnis für die Weiße Rose zu sprechen, so lange wie ich kann; das Interesse aus Fernost (Japan, Kambodscha, Korea) und auch Moskau mit Studentengruppen und Interviews mit Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern; die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk München, dem Goethe-Institut München und der VHS München vor allem bei der Betreuung ausländischer Studenten. Besonders intensiv war 2010 die „Lange Nacht der Museen“ im Oktober: dreimal voller Hörsaal, überraschend viele junge Menschen, interessierte Fragen und Diskussionen lange über die Zeit hinaus; danach schon Anfragen von Lehrern zu Zeitzeugengesprächen. Reisen für die Weiße Rose Stiftung werden selten. Eine der wenigen Ausnahmen war Heidelberg: Wie jedes Jahre hatte ich auch im Juni 2010 Zeitzeugengespräche in der Reichspräsident-FriedrichEbert-Gedenkstätte: volles Auditorium mit mehreren Schulklassen und auch Erwachsenen, viele Fragen, anschließend interessante Einzelgespräche. Intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der Erinnerung bedeuten die langen Gespräche zu Schüler-Facharbeiten (wiederholt aus der Schweiz), auch die Interviews für Printmedien, Radio- und Fernsehaufnahmen. Franz J. Müller Aus dem Gästebuch der Münchner DenkStätte 19 9 Die Weiße Rose in Russland und Polen Ungebrochen ist das Interesse an der Ausstellung über den Widerstand der Weißen Rose auch im elften Jahr seit der Eröffnung der DenkStättte Weiße Rose im russischen Orenburg, der Geburtsstadt von Alexander Schmorell. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die Bayerische Staatskanzlei konnte die Dauerausstellung in Orenburg überarbeitet sowie eine erste zusätzliche Wanderausstellung für Russland geschaffen werden. In Polen ging die Ausstellung der DenkStätte Weiße Rose in Wrocław (Breslau) zum ersten Mal nach zwei Jahren auf Wanderschaft. Russische Föderation Mit Finanzierung durch den Deutschen Bundeswehrverband und die Weiße Rose Stiftung e.V. konnte die Wanderausstellung in zwei ostsibirischen Städten gezeigt werden: in Petropawlowsk-Kamtschatski und in Chabarowsk. Die Weiße Rose in Petropawlowsk Petropawlowsk ist eine durch Kosaken im 17. Jahrhundert gegründete und heute 270 000 Einwohner zählende Stadt in Ostsibirien, neun Zeitstunden von Moskau entfernt. Sie liegt auf der gleichnamigen Halbinsel in einer gewaltigen, von Vulkankegeln geprägten Landschaft. Ihr großartiger Naturhafen bietet Schutz gegen Stürme und ist neben Wladiwostok wichtiger Stützpunkt der russischen Pazifikflotte. Hauptwirtschaftsfaktor ist neben beginnendem Tourismus die Fischindustrie und hier vor allem der Kaviar. Die Universitätsstadt war bis 1900 eine für Ausländer und Sowjetbürger „geschlossene“ Stadt. Daraus und aus ihrer exponierten Lage resultiert eine große Neugier auf westliches Gedanken- und Kulturgut. In Petropawlowsk wurde die Ausstellung vom 13. April bis Ende Mai in der Gebietsbibliothek gezeigt. Die Direktorin Bella Ivanova und die Vizedirektorin Ludmila Sadownikova organisierten mit viel Engagement die Eröffnung der Ausstellung: Es sprachen Bella Ivanova, Dr. Evgeniy Vereshchaga, Repräsentant des Außenministeriums der Russischen Föderation im Gebiet Kamtschatka, Winfrid Vogel von der Weiße Rose Stiftung e.V. und Dr. Igor Chramow von der Stiftung Eurasia. Außergewöhnlich beeindruckend war die anschließende szenische Darbietung von sechs Studenten unter der Leitung von Ludmila Sadownikova. Sie bestand aus Texten zu Personen, Zitaten aus Flugblättern und aus den Vernehmungsprotokollen der Gestapo, unterlegt mit Fotos der Dr. Igor Chramow, Dr. Evgeniy Vereshchaga und Winfrid Vogel im Gespräch 20 Münchner Studenten. Zum Abschluss wurde der Film „Die Weiße Rose“ von Sava Kulisch gezeigt. Presse, Rundfunk und zwei Fernsehsender berichteten ausführlich. Eintrittskarte zur Ausstellungs eröffnung in Petropawlowsk Die Weiße Rose in Chabarowsk Chabarowsk ist mit 750 000 Einwohnern die größte Stadt im fernen Osten der Russischen Föderation. Sie liegt am Fluss Amur an der Grenze zur Volksrepublik China. Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen 1967 herrscht heute ein friedlicher Handelsund Tourismusverkehr. Das Museum für Landeskunde in Chabarowsk Die dortige Organisation der Veteranen spielt wie überall eine bedeutende Rolle und nahm auch an der Eröffnung der Weiße Rose Ausstellung teil, die im Museum für Landeskunde vom 2. Juni bis 20. Juli gezeigt wurde. 1903 durch den deutschstämmigen Gouverneur Baron Korf gegründet, erwies sich das Museum als ein idealer Ausstellungsort. Es hat, wie auch das benachbarte Kunst- und Militärmuseum, regen Besucherverkehr. Zur gut besuchten Eröffnung am 2. Juni sprachen die Vizedirektorin Anna Alexandrowna Ponomarewa sowie Winfrid Vogel und Dr. Igor Chramow. Im Anschluss wurde der Film „Die Weiße Rose“ von Sava Kulisch gezeigt. Das Interesse an der Widerstandsgruppe Weiße Rose und ihrer Verbindung zur Roten Kapelle über Falk Harnack war groß. Diskutiert und nachgefragt wurde auch, wie die Bundesrepublik den kommunistischen Widerstand heute bewertet. Besucherinnen beim Eintrag ins Gästebuch 21 Die Russisch-Deutsche Kulturwoche in Orenburg Im Rahmen der alljährlichen DeutschRussischen Kulturtage in Orenburg eröffnete der Botschafter der Bundesrepublik Dr. Ulrich Brandenburg am 16. September 2010 die neugestaltete Dauerausstellung in der Pädagogischen Universität. Für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgte die Tatsache, dass dies bereits der zweite Besuch eines Deutschen Botschafters innerhalb von zwei Jahren auf Einladung der Weißen Rose Stiftung e.V. und der Stiftung Eurasia in Orenburg war. Da auch die Oblast-Regierung neu gewählt worden war, wurde dieser Besuch als große Ehre empfunden und entsprechend gestaltet. An der Eröffnung nahm auch Grigori Iwliew, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur der Staatsduma Moskau, teil. Der Deutsche Botschafter und der Gouverneur überreichten Dr. Igor Chramow, dem Präsidenten von Eurasia, und Winfrid Vogel als Vertreter der Weiße Rose Stiftung e.V. eine Dankesurkunde für ihre langjährige Arbeit „für die Entwicklung der deutschrussischen Beziehungen“. Der Deutsche Botschafter und Dr. Werner Rechmann von der Weiße Rose Stiftung e.V. hatten bereits am Vormittag im Großkino „Kosmos“ vor ca. 600 Dozenten und Studenten die alljährlichen Alexander-SchmorellStipendien an Studenten der Pädagogischen und der Staatlichen Universität verliehen. Anschließend fand die Premiere des Films „Die russische Seele der Weißen Rose“ des Staatlichen Fernsehens Orenburg statt. Danach wurde der Film „Die Edelweißpiraten“ von Niko von Glasow (2001) gezeigt. Polen Im Februar und März wurde die Weiße Rose Ausstellung der DenkStätte Weiße Rose im Edith-Stein-Haus in Wrocław (Breslau) in Opole (Oppeln) in Schlesien gezeigt. Opole ist die Hauptstadt der gleichnamigen Wojewodschaft mit ca. 150 000 Einwohnern und einer Universität. Eine starke deutsche Minderheit, gut organisiert und inzwischen auch in guter Nachbarschaft mit der polnischen Bevölkerung, ein Deutsches Konsulat sowie deutschsprachige Medien boten gute Bedingungen. Zur Ausstellungseröffnung am 25. Februar im Lehrer-Aus- und Fortbildungsinstitut erschienen prominente Gäste aus der Wojewodschaft, der Stadt, anderen Instituten, außerdem der Deutsche Konsul und Norbert Rasch, der Vorsitzende der Deutschen Minderheit. Prof. Dr. Bernadeta Szyska von der Universität Wrocław hielt einen Festvortrag mit dem Thema „Widerstand im NS-Deutschland“. Mitte April zeigte die Evangelische Kirchengemeinde von Wrocław die Ausstellung im Rahmen einer Kulturwoche in ihrer Kirche. Anschließend wanderte die Ausstellung nach Görlitz. Winfrid Vogel Studenten auf dem Weg zur Stipendienverleihung Preisverleihung durch Dr. Ulrich Brandenburg 22 Dr. Ulrich Brandenburg bedankt sich bei Winfrid Vogel 10 Die Weiße Rose erstmals in Spanien Viel Aufmerksamkeit fand die Ausstellung über die Weiße Rose, die 2010 erstmals in Spanien gezeigt wurde. Der studentische Widerstand gegen das Nazi-Regime sei ein in Spanien kaum bekanntes Phänomen, schrieb EL PAÌS, die größte Tageszeitung des Landes, nach der Eröffnung im Goethe-Institut in Madrid. Die Ausstellungseröffnung fand am 23. Februar 2010 unter der Schirmherrschaft des Deutschen Botschafters Reinhard Silberberg statt. Es sprachen der Gesandte der Deutschen Botschaft in Madrid Thomas Neisinger sowie Margareta Hauschild als Leiterin des Goethe-Instituts und Hildegard Kronawitter als Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung e.V. Angesichts der Standhaftigkeit der Verhafteten und ihrer mutigen Zurückweisung der nationalsozialistischen Ideologie stellten insbesondere die ausgestellten Verhörprotokolle bewegende Dokumente dar, hieß es in dem EL PAÌS-Artikel weiter. Das Goethe-Institut hob die Ausstellung und ihr umfängliches Rahmenprogramm als „Premiere in Spanien“ hervor. Hildegard Kronawitter erläuterte in ihrer Eröffnungsrede die Arbeit der Weiße Rose Stiftung e.V., ihre Entstehungsgeschichte und ihre Ziele: Die Erinnerung an die Weiße Rose soll wach gehalten und ihr Vermächtnis weitergetragen werden, aus dieser Erinnerung heraus sollen aber auch neue Impulse entstehen, „um heute ziviles Engagement und demokratisches Verhalten zu stärken, insbesondere bei der jungen Generation.“ Senta Berger, Dr. Hildegard Kronawitter und Margareta Hauschild In der von José M. García Pelegrín, Autor des Buches „La Rosa Blanca“, moderierten Diskussion am Eröffnungsabend nahm der Regisseur Dr. Michael Verhoeven teil und berichtete von seiner Recherche arbeit für seinen Film „Die Weiße Rose“ aus dem Jahr 1982. Der Professor für spanische Geschichte und Gegenwart Eduardo Gonzàlez Calleja zeigte Parallelen zwischen der Weißen Rose und dem Widerstand der studentischen Jugend gegen das Franco-Regime auf. Zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehörte ein Abend, an dem Michael Verhoeven seinen Film präsentierte, sowie weitere Veranstaltungen mit den spanischen Filmen „Tod eines Radfahrers“ aus dem Jahr 1955 und „Salvador“ aus dem Jahr 2006 mit dem deutschen Hauptdarsteller Daniel Brühl. 23 Die nächste Station der Ausstellung war Las Palmas de Gran Canaria. Hier wurde sie am 24. November zusammen mit dem neuen Bürgerzentrum eröffnet. Der Deutsche Konsul für die Kanarischen Inseln Peter Christian Haucke, der sich persönlich für den Ausstellungsort eingesetzt hatte, sowie der Bürgermeister von Las Palmas Jerónimo Saavedra hielten die Eröffnungsreden. Auch hier gab es ein beachtliches Medienecho von den lokalen Zeitungen. Im Anschluss konnte die Ausstellung vom 15. Dezember 2010 bis zum 7. Januar 2011 im Kulturhaus von Pedreguer bei Alicante gezeigt werden. Dr. Christof Schmid, der frühere Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung e.V., betonte bei der Eröffnung, es sei wichtig, dass die Ausstellung nicht nur in den europäischen Metropolen gezeigt werde, sondern auch in kleineren Städten, in denen das Angebot oft geringer, das Interesse aber groß sei. Er sprach in seiner Rede über die Ideale und Motive der Mitglieder der Weißen Rose, wies aber auch auf die „vielen Beispiele mutigen Widerstands im spanischen Bürgerkrieg“ hin. Auch in Deutschland habe es viele Formen des alltäglichen Widerstands gegen den Nationalsozialismus gegeben. Die Zahl derer aber, die ins Bewusstsein gedrungen und in Erinnerung geblieben seien, sei dagegen überschaubar. Miguel Serra, im Stadtrat zuständig für Kultur und Erziehung, versprach in seiner Eröffnungsrede, er wolle dafür sorgen, dass möglichst viele Schulklassen die Ausstellung besuchten. Es sei wichtig, betonte er, dass die zusammenwachsenden europäischen Länder mehr von der eigenen Geschichte und der der Partnerländer wüssten. Viele Spanier kennen seiner Einschätzung nach nur Stauffenberg als deutschen Akteur gegen Hitler. Katja Sebald Dr. Michael Verhoeven, José M. García Pelegrín und Eduardo Gonzàlez Calleja Goethe-Institut in Madrid 24 11 Die Weiße Rose in den USA Vor allem persönlichen Kontakten war es zu verdanken, dass die englischsprachige Ausstellung im Jahr 2010 an zwei Orten in den USA gezeigt werden konnte, wo sie viel Aufmerksamkeit erregte. Auf Empfehlung und Fürsprache von Marc Hubert Schwizler, einem Freiburger Lehrer, präsentierte das private Arts Center on the Hudson in Mechanicville, New York, die Ausstellung. Es sei eine große Freude und Ehre für die Weiße Rose Stiftung e.V., dass die Ausstellung zur Eröffnung des Kunstzentrums mit einem speziellen kunstpädagogischen Programm für Jugendliche gezeigt werde, schrieb Dr. Hildegard Kronawitter in ihrem Grußwort am 9. Mai 2010. Sie bedankte sich ausdrücklich bei Jaimen und Dorothea McMillan, den Inhabern des Kunstzentrums. Wie die örtliche Zeitung „Gazette“ in Mechanicville berichtete, hatte Jaimen McMillan jahrzehntelang beruflich mit Deutschland zu tun, seine Frau ist Deutsche. Für ihn stehe die Weiße Rose für den „wahren Geist Deutschlands“ während der Nazi-Herrschaft, betonte er gegenüber der Zeitung. Die Schirmherrschaft für dieses Ausstellungsprojekt hatte der Deutsche Botschafter in Washington Klaus Scharioth übernommen. Die Deutsche Botschaft in Washington nahm die Ausstellung zum Anlass, um auf ihrer Homepage ausführlich über die Weiße Rose und den Spielfilm von Michael Verhoeven zu berichten. Im November präsentierte das Goethe-Institut in Washington die Ausstellung auf der National Conference of the Social Studies in Denver. Auf dieser Konferenz trafen sich vier Tage lang rund 5000 Lehrer des Fachs „Social Studies“ aus allen amerikanischen Bundesstaaten. „Es gibt wohl kaum einen Ort in den USA, der bezüglich der multiplikatorischen Ausstrahlung in die hiesigen Schulen geeigneter wäre“, teilte der Leiter des Goethe-Instituts in Washington Ulrich Braeß erfreut mit. Über die Ausstellung schrieb er: „Meine Kollegen berichteten mir, dass sie ständiges und vor allem intensives Interesse der Besucher an den Informationstafeln festgestellt haben. Allem Anschein nach ist die Ausstellung pädagogisch und didaktisch gut gestaltet und lässt sich wohl auch problemlos auf- und abbauen.“ Katja Sebald Dorothea McMillan Ausstellungsbesucher in Denver 25 12 Die Weiße Rose in Dresden und Görlitz Anfang des Jahres wurde in der Dreikönigskirche in Dresden der Weißen Rose gedacht. Die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung e.V. Dr. Hildegard Kronawitter eröffnete die Ausstellung am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Sie erinnerte in ihrer Rede daran, dass auf den Tag genau 65 Jahre zuvor die sowjetischen Truppen das NS-Vernichtungslager Auschwitz befreit hatten und verwies auf das zweite Flugblatt der Weißen Rose, das den Mord an den polnischen Juden als „fürchterlichstes Verbrechen an der Würde des Menschen“ verurteilte. Die Ausstellung war Teil eines „Weiße Rose Projekts“ unter der Schirmherrschaft von Prof. Udo Zimmermann, Komponist der Oper „Die Weiße Rose“. Die Ausstellung wurde im „Haus der Kirche“ präsentiert. Die sächsische Staatsministerin a.D. Dr. Eva-Maria Stange eröffnete ihren Festvortrag mit der Frage: „Warum ist es 65 Jahre nach dem Ende des verheerenden Vernichtungskrieges, der von deutschem Boden ausging und Millionen Menschenleben kostete, immer noch notwendig, ein Projekt wie die Ausstellung ,Weiße Rose’ nach Dresden zu tragen? Haben die Deutschen, die Sachsen, die Dresdner nichts gelernt?“ Sie verwies darauf, dass allein in Sachsen rund „100 000 Bürgerinnen und Bürger 2009 ihre Stimme den Nazis gegeben“ hätten, dass die NPD seit 2004 im Sächsischen Landtag säße und Steuergelder für ihre politische Arbeit bekäme. Die Mitglieder der Weißen Rose seien von „Mut, Klarheit im Denken“, vor allem aber durch „eine tiefe, gewachsene Überzeugung von Freiheit, Demokratie und Toleranz“ zum Handeln getrieben worden. Trotz ihrer „mahnenden und aufrüttelnden Worte (…) tobte der Vernichtungs krieg bis zum bitteren Ende weiter.“ Auch die Bombardierung Dresdens jährte sich 2010 zum 65. Mal: Als am 13. und 14. Februar 1945 das historische Dresden durch die Bomben der Alliierten zerstört wurde, sollte auf diese Weise der Krieg gestoppt werden. Die Nazis hätten jedoch diese Angriffe zum Anlass genommen, ihren verbrecherischen Krieg zu rechtfertigen. „Heute knüpfen die NPD und ihre rechtsextreme Anhängerschaft an diese wahrheitsverfälschende Tradition an und benutzen den 13. Februar erneut, um die Verbrechen der deutschen Nazis zu verharmlosen, ja zu rechtfertigen“, mahnte Stange in ihrer Rede. Der Satz „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit“ aus dem fünften Flugblatt könnte den Dresdnern auch heute noch Mahnung sein, wenn sie sich am Die Weiße Rose-Ausstellung in Görlitz in deutscher und polnischer Sprache 26 Jahrestag der Bombardierung zu Protestmärschen versammeln, um zu verhindern, „dass die Nazis erneut die Straßen der Stadt erobern“. Die Dresdner tragen bei diesen Demonstrationen ebenfalls eine weiße Rose, die von der überlebenden Dresdnerin Nora Lang 2005 als Symbol zum Gedenken an die Opfer von Terror und Gewalt eingeführt wurde. Eine weiße Rose war „das letzte Überbleibsel eines im Inferno verbrannten Tellers, ein persönliches Zeichen der Hoffnung und der Zukunft“, erläuterte Stange: „Die Dresdner, die es am 13. Februar erneut tragen werden, sind sich ihrer Verantwortung vor der Menschheitsgeschichte bewusst.“ Auch in der deutsch-polnischen Grenzstadt GörlitzZgorzelec wurde in diesem Jahr die Weiße Rose Ausstellung gezeigt: Auf Initiative des Komponisten Dr. Albrecht Goetze, der 2006 den Verein Meeting point Music Messiaen gründete, wurde die Ausstellung vom 10. Juli bis zum 10. Oktober 2010 in deutscher und in polnischer Sprache bewusst über den 7. Oktober hinaus gezeigt. An diesem „Tag der Republik“, habe es in der DDR Aufmärsche der „Jungen Pioniere“ gegeben, ähnlich den Aufmärschen der Nationalsozialisten, erläuterte Goetze: „Da wir die Ausstellung verknüpfen mit einer Ausstellung des Leipziger Schulmuseums ,Jugend in Uniform’, wollen wir sie nicht nur vielen Jugendlichen der trinationalen Region (also Jugendliche aus Liberec einbeziehend) zugänglich machen, sondern den Jugendlichen eben über einen längeren Zeitraum die Chance geben, sich mit dem Gezeigten auf verschiedenste Weise zu befassen, in einem Bundesland mit zwei Nachbarn, die im Zweiten Weltkrieg als Feinde zu leiden hatten, auch klar werden lassen, dass es noch immer des Widerstands bedarf.“ Der französische Komponist Olivier Messiaen war 1940/41 als französischer Kriegsgefangener neun Monate lang in Görlitz interniert und komponierte dort mit „Quatuor pour la fin du temps“ ein Werk, das über Krieg und Diktatur hinweg auf eine hoffnungsvolle Zukunft wies. Das „Quartett für das Ende der Zeit“ wurde im Januar 1941 von seinen Mitgefangenen im Lager uraufgeführt. Im „Meetingpoint Music Messiaen“ treffen sich heute Jugendliche aus ganz Europa zu Kompositionswettbewerben und Workshops mit Konzerten. In dem Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien geschehe Europa „ganz unmittelbar“, erläutert Albrecht Goetze. Gleichwohl sei Görlitz auch ein Ort, der viele Rechtsradikale anziehe, die NDP platziere direkt an der Brücke, die Görlitz mit Zgorzelec verbindet, Wahlplakate mit dem Slogan „Poleninvasion stoppen“. Katja Sebald Besuchergruppe in Görlitz 27 13 DenkStätte Weiße Rose München Die DenkStätte Weiße Rose erlebte 2010 einen Besucherrekord: Insgesamt besuchten knapp 25 000 Personen den Ausstellungsraum am Lichthof der LMU, rund tausend mehr als in den Jahren zuvor. Diese Steigerung ist nicht zuletzt auf die zusätzlichen Samstagsöffnungen zurückzuführen. Franz J. Müller führte insgesamt 43 Zeitzeugengespräche und Interviews. 75 Führungen, Fachberatungen für Schüler und Studenten sowie Interviews erfolgten durch Ursula Kaufmann und Ulrich Müller. Die Einzelausstellung „Hans Scholl und die Weiße Rose“, die bis November gezeigt wurde, weckte großes Interesse. Am 29. November wurde vor weit über hundert Besuchern die Einzelausstellung „Alexander Schmorell und die Weiße Rose“ eröffnet. Die gut besuchte DenkStätte während einer Veranstaltung Insgesamt besuchten 199 Gruppen aus Deutschland und 150 aus dem Ausland, vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene, die DenkStätte. Die meisten ausländischen Schulklassen und Jugendgruppen kamen wieder aus Italien (20), gefolgt von Gruppen aus Frankreich (15), Großbritannien (13) und den USA (12). An dieser Stelle sei Stefania Zuber für ihr Engagement gedankt: Als Gästeführerin der Landeshauptstadt München organisiert und betreut sie schon seit Jahren im Auftrag für ANED, der Vereinigung der ehemaligen italienischen KZ-Häftlinge, Zeitzeugengespräche mit Franz J. Müller. Französische Schulklassen kommen meist über das französische Reiseunternehmen „Club Languages et Civilisations“. Viele ausländische Studenten besuchten auch in diesem Jahr die DenkStätte auf Anregung des GoetheInstituts, von InWent (Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH) oder des Sprachen- und Dolmetscher-Instituts München. Erwachsenengruppen kamen u.a. über das Max-Kolbe-Werk, das Münchner Bildungswerk, die Volkshochschule sowie über das Auslandsamt und die Interne Weiterbildung der LMU. Die Münchner Stadtrundfahrten boten in den Sommermonaten eine Erkundungstour zum Thema „München, das Dritte Reich und der Widerstand“ an und führten ihre Gruppen auch in die Universität und die DenkStätte. Eine besondere Erfahrung war die Begegnung mit 15 Jurastudenten aus Usbekistan. Sie kamen auf Vermittlung der Juristischen Fakultät der LMU und 28 zeigten großes Interesse am Widerstand der Weißen Rose gegen das menschenrechtsverletzende System des Nationalsozialismus. Wie seit Jahren besuchten auch heuer in den ersten Monaten des Jahres das Ernst-Mach-Gymnasium Haar und das Michaeli-Gymnasium aus München die DenkStätte Weiße Rose mit französischen Austauschschülern. Der Film „Die Weiße Rose“ von Michael Verhoeven in der Fassung mit französischen Untertiteln ist bei ihnen besonders beliebt. Im Anschluss an die Weiße Rose-Gedächtnisvorlesung, die Kardinal Lehmann über „Zivilcourage und Formen des Widerstands“ im Audimax der LMU hielt, zeigte das Gospel Art Studio in der DenkStätte eine szenische Kurzfassung des Theaterstücks „Sophie Scholl – Widerstand des Gewissens“. Das Stück konzentriert sich auf Auszüge aus den Gestapoprotokollen von Sophie Scholl (Miriam Albrecht) und Gesprächen, die sie mit ihrer Zellengenossin Else Gebel (Mirjana Angelina) führte. In ihrem Programmbereich „Deutsch, Migration und Integration“ ist es der Münchner Volkshochschule besonders wichtig, auch den Widerstand der Weißen Rose zu vermitteln. Ein geführter, auf das Sprachniveau der Kursteilnehmer eingestellter Besuch in der DenkStätte Weiße Rose ist darin fester Bestandteil. Für die Teilnehmer des „Global Discovery Program: Reconciliation with the Past“ der Regierung Südkoreas war der Vormittag in der DenkStätte Weiße Rose mit Führung und Zeitzeugengespräch mit Franz J. Müller eine besondere Erfahrung. Sie kamen im Rahmen eines vom Goethe-Institut zusammengestellten Besucherprogramms deutscher Gedenkstätten und Sehenswürdigkeiten. Und immer wieder ist es eine besondere Bestätigung für unsere Arbeit, wenn das Maximilian-KolbeWerk für Holocaust-Überlebende aus Osteuropa eine Führung durch die Ausstellung und eine „Begegnung“ mit Franz J. Müller anmeldet. Im Auftrag der Moskauer Hochschule für Fremdsprachen kam die Leiterin des Lehrstuhls für Deutsch mit einem Kameramann, um einen Dokumentarfilm zum deutschen Widerstand zu drehen. Besonders interessiert waren sie an Alexander Schmorell und seiner Bedeutung für den Widerstand der Weißen Rose. Aus dem Gästebuch der Münchner DenkStätte Mitte Oktober beteiligte sich die DenkStätte Weiße Rose erneut am Programm der Langen Nacht der Münchner Museen. Wieder gab es einen Besucheransturm von 750 Personen innerhalb weniger Stunden. Viele von ihnen wurden erstmals mit der Thematik konfrontiert. Bis 2.00 Uhr morgens fanden Zeitzeugengespräche, Führungen und Lesungen mit Michael Stacheder (Junges Schauspiel Ensemble München) aus einem unveröffentlichten Roman über Alexander Schmorell statt. Anlässlich des 21. Münchner Lehrertages unter dem Motto „Aufhorchen, Hinschauen, Handeln – zeige Courage“ auf Initiative des Lehrerverbands MLLV e.V. regte der Besuch in der DenkStätte zur intensiven Diskussion über die pädagogische Vermittlung in Grund- und Hauptschulen an. Der Besuch von Referendaren für Geschichte und Sozialkunde der Realschule Krumbach hatte ein konkretes Ziel: Die Entwicklung eines Leitfadens, der das bisherige pädagogische Angebot der Weiße Rose Stiftung e.V. optimieren soll. Besonders die Nachbereitung eines Ausstellungsbesuchs solle einen aktuellen Bezug zu verstecktem oder offenem Rassismus in unserer Zeit thematisieren. Kurz vor 29 Jahresende fand erstmals der Besuch einer kleinen Schülergruppe der Japanischen Internationalen Schule München statt. In das nächste Jahr wies bereits die Fortbildung für die KEB, Katholische Erwachsenenbildung im Bistum Regensburg. Die Wanderausstellung im Schloss Spindelhof bei Regenstauf wird im Januar und Februar 2011 gezeigt; die Mitarbeiter informierten sich im Vorfeld für ihre eigene pädagogische Arbeit vor Ort. Fachlich beraten wurden u.a. Anna Jansing aus Berlin für die Darstellung der Weißen Rose im Film, Dr. Stephani Richards-Wilson aus USA über Willi Graf, Dr. David Hall vom King's College London, die Realschule Maising für ein Sophie-Scholl-Projekt und die Autorin Dr. Maren Gottschalk für eine Buchpublikation bei Beltz&Gelberg. Bei größerer Besucherzahl konnten Zeitzeugengespräche und Filmvorführungen wieder in Hörsäle der LMU verlegt werden. Dies war durch das Entgegenkommen der LMU möglich, wir danken dafür herzlich Petra Eixenberger und Thomas Müller von der Hörsaalvergabe. Großer Dank geht auch an Tilmann Piwon von der Hausverwaltung der LMU für seine Unterstützung in zahlreichen Belangen und die Lösung praktischer Probleme sowie an Andreas Hofmann und seine Mitarbeiter von der Hörsaaltechnik. Besonderer Dank gilt Peter Petrich von Referat IV.1 Raumplanung Bau der LMU, denn aufgrund seiner Initiative ist die DenkStätte Weiße Rose auf den Raumplänen der LMU nun deutlicher gekennzeichnet und nun hoffentlich schneller zu finden. Ursula Kaufmann Aus dem Gästebuch der Münchner DenkStätte 30 Auszüge aus dem Gästebuch der DenkStätte Weiße Rose: Wie tröstlich, dass es diesen Widerstand gegeben hat, Anna Bäckermann Je viens de place Tiannanmen (Besucher aus Peking) Solidarity from a member of NPP, South Korea We treasure the memories of your life found in the museum, Familie Scholl, USA May their idea inspire many people in many countries to hear what their conscience says, Annabel Seidler, Scottland Wonderful story. Visiting on a school exchange from Boston area and Weilheim, Nashoba Students Veramente molto emozionata! Danke für die aufschlussreiche Führung. Merci encore, c´était remarquable, Lycée privé notre Dame de Verneuil, Partnerschule vom St. AnnaGymnasium München Thank you! Words can´t describe the effect of these texts and images – thank you for keeping their memory alive, Sandra, St. Louis Bravo pour cette très belle et très utile exposition. Très émouvant! Tolérance et liberté individuelle dans le respect de l´autre, et le monde ira mieux…, Claude Villerey, Strasbourg Long live the essence of the White Rose, India As a Cambodian psychologist I´m glad to experience new ideas regarding reconciliation. It is a very great opportunity being able to talk to a Nazi regime survivor about German history. Our country suffered so many atrocities. Please, help to establish peace in our world. I hope this university keeps producing students as honorable and brave as those remembered here. Thank you, Sarah Dixon, South Africa Since I was ten years old, I have hoped to make this visit, Nicholas Welsh, Eton College, England Very moving and interesting exhibit. It never ceases to amaze me how these ordinary young people decided to stand out from the crowd to stand against tyranny. They were no different than any of us, but look what they accomplished with their bravery!, Annie Piske, Canada Es sollte mehr Orte geben, an denen Geschichte so nah ist, Caroline aus Potsdam Aus dem Gästebuch der Münchner DenkStätte 31 Danksagung an unsere Ehrenamtlichen Ein engagiertes Team aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht die werktägliche Öffnung der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der LMU. Regelmäßig und sehr verlässlich übernehmen die Damen und Herren jeweils einen halben Tag Dienst pro Woche, manche sogar zwei halbe Tage. Sie geben den Besucherinnen und Besuchern bereitwillig Auskunft, beaufsichtigen diskret den Raum und kümmern sich um die Präsenzbibliothek. Selbst im Wirrwarr von munteren Schülergruppen behalten sie stets den Überblick und einen kühlen Kopf. Ihren Einsatz organisiert Christa Nickisch flexibel und unbürokratisch. Es ist eine Freude wahrzunehmen, wie sich unsere Ehrenamtlichen mit der Erinnerungs- und Vermittlungsaufgabe der Weiße Rose Stiftung e.V. identifizieren und wie sie selbst zu kundigen, einsatzbereiten Mitstreitern geworden sind. Im Namen meiner Vorstandskollegen und der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen, vor allem aber persönlich danke ich sehr herzlich dem freiwillig und unentgeltlich arbeitenden DenkStätten-Team Alfons Balthesen, Susanne Bergmann, Irene von Denffer, Bernhard Eble, Gerda Eierstock, Barbara Keim, Dr. Maren Killmann, Marie Lohmeyer, Christa Nickisch, Horst Plotzki, Ingeborg Rubner, Brigitte Schmid. Dr. Hildegard Kronawitter Ehrenamtliche MitarbeiterInnen der DenkStätte in München 32 14 DenkStätte Ulm Führungen und Einzelbesucher Die DenkStätte Weiße Rose in Ulm geht in diesem Jahr von einer Gesamtbesucherzahl von über 4000 Personen aus. Das EinsteinHaus, in dem die DenkStätte untergebracht ist, wurde in diesem Jahr umgebaut, in den Monaten Juni bis September 2010 konnten deshalb keine Führungen stattfinden. Trotzdem gab es insgesamt 15 Führungen für 410 Personen. Die verschiedenen Besuchergruppen, zumeist Schulklassen von Real-, Berufsschulen und Gymnasien, kamen nicht nur aus Ulm/Neu-Ulm und der Schwäbischen Alb, sondern auch aus Bad Urach, Ravensburg und Tübingen. Insbesondere nahmen dieses Jahr auch Integrationsschüler das Angebot der Ulmer DenkStätte wahr. Das Wohlfahrtswerk Stuttgart bucht regelmäßig Führungen für Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten. Erfreulicherweise gab es auch in diesem Jahr wieder viele Schüler, die im Rahmen ihrer Projektarbeiten und anderer Leistungsnachweise selbst Referate und Führungen über die Weiße Rose hielten. Die Ulmer DenkStätte Weiße Rose leistete bei mehr als vierzig solcher Gruppenbesuche mit insgesamt 1300 Schülern intensive Beratungs- und Unterstützungsarbeit. 2700 weitere Besucher haben außerdem im Foyer der Ulmer Volkshochschule unsere Ausstellung gesehen. Mit zahlreichen Einzelbesuchern entwickelten sich dabei Gespräche über Ulm während der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit sowie über die Opposition von Jugendlichen in Ulm. Unterstützung für Schüler Schüler/-innen wurden bei Haus- und Facharbeiten bzw. Schulreferaten unterstützt. Themen waren hier v.a. Ulmer Lokalgeschichte im Dritten Reich und die Weiße Rose. Darüber hinaus führten wir gemeinsam mit dem Künstler Michael Döhmann drei Projektseminare mit Schülergruppen aus Ulm zum Thema „Flugblätter unserer Zeit“ durch. Bei den drei Projekten waren 99 Schüler beteiligt. Veranstaltungen 2010 Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag Die Ulmer DenkStätte Weiße Rose veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Ulmer Arbeitskreis 27. Januar zum Holocaust-Gedenktag im Ulmer Stadthaus einen Vortrag über die NS-Euthanasie mit 170 Besuchern. In Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg (DZOK) wurde am 18. Februar ein Vortrag von Dr. Silvester Lechner zum Thema „20 Jahre Aufarbeitung Weiße Rose“ veranstaltet. Es kamen an diesem Abend 34 Besucher. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem DZOK wurde am 25. Februar der Verhoeven-Film „Die Weisse Rose“ im Kino „Obscura“ gezeigt. Mit den 37 Besuchern wurde anschließend diskutiert und es wurden Plakate mit Gedanken zum Film beschriftet. Am 23. und 24. Februar veranstaltete die DenkStätte zwei Lesungen der Autorin Barbara Beuys aus ihrer Biografie über Sophie Scholl. In Ulm kamen 120, in Langenau 55 Besucher zur Lesung. 33 Am 12. April hielt Prof. Wolfram Wette einen Vortrag mit dem Titel „Stauffenbergs langer Weg in den Widerstand“. Hierzu konnte die Ulmer DenkStätte 34 Besucher begrüßen. Im April 2010 wurden zwei öffentliche Zeitzeugengespräche mit Roman Sobkowiak geführt: Am 19. April kamen 14 Besucher ins EinsteinHaus, am 28. April fand das Gespräch in der Listschule mit 150 Schülern statt. Projekt „Hans Scholl und das Graffiti“ Von Februar bis Mai 2010 wurde ein Street Art Projekt „Hans Scholl und das Graffiti“ durchgeführt. In Anlehnung an die Graffiti-Aktion der Weißen Rose gegen den NS-Staat in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1943 in München wurde bis zur Renovierung des EinsteinHauses im Juni mit Jugendlichen zusammen die Fassade des Gebäudes mit Street Art gestaltet. Das Angebot wurde ganz bewusst offen für alle Jugendlichen gestaltet. Beteiligt haben sich auch Sprayer, einige von ihnen mit Migrationshintergrund. Unterstützung gab es dabei von dem Ulmer Streetworker Achim Spannagel und der Firma Thanner. Des Weiteren haben sich 22 Schüler des Ulmer Keplergymnasiums dafür entschieden, sich in dem Projekt zu engagieren. Für die am Projekt Beteiligten gab es zum Anfang eine Themenführung durch die Ulmer DenkStätte Weiße Rose mit dem Schwerpunkt auf der GraffitiAktion der Widerstandsgruppe. Zum Ende der Aktion gab es am 10. und 11. Juni eine Finissage für alle am Street Art Projekt Beteiligten und Interessierten. So hielt am 10. Juni Prof. Johannes Stahl einen Vortrag zum Thema mit dem Titel „De l'Academie des Inscriptions et Belles Lettres. Von den Graffiti lernen“, am 11. Juni gab es eine große Abschlussfeier mit 180 Besuchern und Livemusik der Band Fura Soul. Dr. Andreas Lörcher Impressionen vom Street ArtProjekt in Ulm 34 15 Erinnerungsstätte MartinLuther-Kirche Ulm Die Reformationsgemeinde Ulm richtete mit Konfirmanden unter der Leitung von Pfarrer Volker Bleil eine Erinnerungsstätte für die Ulmer Schülergruppe der Weißen Rose in der Martin-Luther-Kirche in Ulm ein. Sie wurde am 27. März 2010 mit einem Orgelkonzert eingeweiht. Eine Stele vor der Kirche nahe des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Ulm weist auf die Erinnerungsstätte hin. Bei der Ausstellungseröffnung waren Franz J. Müller und Susanne Zeller-Hirzel als Ehrengäste geladen. Susanne Zeller-Hirzel, die 1943 das 5. Flugblatt hauptsächlich in Stuttgart verteilt hatte, erinnerte sich an ihre Gefühle beim ersten Lesen des Flugblattes: „Ich war hingerissen, völlig außer mir: Die sind wahnsinnig, alle werden geschnappt werden, wir sind tot, tot! Aber das Flugblatt ist großartig.“ Ihr Bruder Hans Hirzel und Franz J. Müller, heute Ehrenvorsitzender der Weiße Rose Stiftung e.V., wählten damals die große Orgel in der MartinLuther-Kirche in Ulm als Versteck, um das fünfte Flugblatt „Aufruf an alle Deutsche!“ postfertig zu machen. Hans Hirzel, der im Januar 1943 von Sophie Scholl einen Koffer mit rund 2500 Flugblättern erhalten hatte, spielte regelmäßig auf der großen Walckerorgel. Dadurch hatte er von seinem Vater, Pfarrer Ernst Hirzel, einen Schlüssel zur Orgelempore. Franz J. Müller übernahm die Aufgabe, Geld für Porto und Umschläge aufzutreiben. In der Martin-Luther-Kirche wurden nächtelang die Flugblätter kuvertiert, an einem kleinen Holztisch in der Pfeifenkammer wurden auf einer Schreibmaschine die Briefumschläge adressiert, zwischendurch wurde zur Tarnung Orgel gespielt. Vom Orgelversteck aus fand das fünfte Flugblatt mit seinem „Aufruf an alle Deutschen“ seinen Weg in viele Stuttgarter, Ulmer und Heilbronner Briefkästen. Ursula Kaufmann Die Orgel der Martin-Luther-Kirche in Ulm Pfarrer Volker Bleil und Susanne Zeller-Hirzel 35 16 Kooperationen mit Schulen zum „Vergessenen Widerstand“ Das Projekt „Vergessener Widerstand“ wird gefördert von der BLZ. Markt Schwaben Christian Mader, Schüler am FranzMarc-Gymnasium Markt Schwaben über das Wissenschafts-Seminar „Vergessener Widerstand in Markt Schwaben und Umgebung“: In der ersten Arbeitssitzung erhalte ich mit Maximilian Seidl den Auftrag, Hinweisen, wonach eine jüdische Familie in Markt Schwaben versteckt wurde, nachzugehen. Nach Aussagen einer Zeitzeugin soll das Ehepaar Goldammer das jüdische Ehepaar Lasser damals versteckt haben. Unser Kursleiter Heinrich Mayer gibt uns bei der ersten Arbeitssitzung eine Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und erläutert den Aufbau eines Zeitzeugeninterviews. Eine Woche später fahren die Seminarteilnehmer ins Bayerische Staatsarchiv nach München. Dort führt uns Archivoberinspektor Robert Bierschneider in die Archivarbeit ein. Es gibt verschiedene Findbücher, in denen die Bestände vermerkt sind. Uns betrifft das Findbuch „Bayern im Nationalsozialismus.“ Anschließend gibt uns Herr Bierschneider Hinweise, wie wir bei den einzelnen Fällen vorgehen können. Unser „Fall“ ist diffizil, da keine Akten existieren, weil er nicht angezeigt worden war. Er rät uns, zunächst im Einwohnermeldeamt der Gemeinde und in lokalen Zeitungen zu suchen. Möglicherweise fänden wir auch etwas in sogenannten Opferdatenbanken. Die nächsten Tage wird Herr Blasi, ehemaliger 3. Bürgermeister von Markt Schwaben, kontaktiert. Er wird im Einwohnermeldeamt nach den Namen suchen. Am 22.10. nehmen wir teil am Symposion zum 70-jährigen Gedenken an das Attentat von Georg Elser. Zudem besuchen wir den historischen Ort des Attentats, wo heute am Gasteig eine Gedenktafel an die dramatischen Ereignisse am 9. November 1939 erinnert. In den folgenden Tagen können wir mit Frau Marianne Lamprecht, geborene Speckmaier, die wir als Zeitzeugin ausfindig gemacht haben, für den 2. November ein Gespräch vereinbaren. Inzwischen hat Herr Blasi mitgeteilt, dass er im Einwohnermeldeamt keine Daten gefunden habe. Auch das 36 Gespräch mit Frau Lamprecht bringt keine wirklich neuen Erkenntnisse. Nach den Ferien besuchen wir das Hauptstaatsarchiv. Dort erhalten wir ebenfalls eine Einführung. Ergebnislos suchen wir sowohl im Hauptstaatsarchiv als auch im Staatsarchiv nach Akten. Wir finden auch keine weiteren Zeitzeugen. Aus diesen Gründen stellen wir in Absprache mit Herrn Mayer die Recherchen zunächst ein. Herr Mayer empfiehlt uns einen anderen Vorgang, in dem es um die Rettung von KZ-Häftlingen geht. Wir beabsichtigen ein Interview mit einer ehemaligen Schülerin unserer Schule. Katrin Hupfer hatte ihre Großmutter vor 15 Jahren nach Überlebenden des Todestransports und des Massakers in Poing befragt. In ihren handschriftlichen Notizen finden wir den Hinweis auf das Versteck von flüchtigen KZ-Häftlingen im Hof der Großmutter. Neben den zwei Zeitzeugeninterviews suchen wir weiterhin intensiv nach Akten bzw. Dokumenten. Tatsächlich finden wir das damalige Versteck und dokumentieren es. Auch eine weitere Zeitzeugin können wir befragen. Aus den Ergebnissen unserer Recherchen verfassen wir den Text für die Ausstellungstafel und redigieren ihn gemeinsam mit Ursula Kaufmann von der Weiße Rose Stiftung e.V. Dann bereiten wir die Ausstellung „Vergessener Widerstand Teil IV“ vor, die in Zusammenarbeit mit der Weiße Rose Stiftung e.V. verwirklicht wird. Nach zahlreichen Vorbereitungen, wie die Erstellung eines Ausstellungsheftes und Proben für eine szenische Lesung, kann die Ausstellung am 12. März 2010 eröffnet werden. Die Eröffnung ist gut besucht und findet großen Anklang in der Presse. Szenische Lesung bei der Ausstellungseröffnung Die SZ widmet jeder Tafel eine Sonderveröffentlichung. Der „Hartl-Fall“ ist der erste, über den berichtet wird. Für Schulklassen und Besucher aus den umliegenden Gemeinden stehen wir in den folgenden Wochen bei Fragen zur Ausstellung immer zur Verfügung. Ende Juli 2010 machen wir eine Exkursion nach Weimar und besichtigen auch das nahe gelegene Konzentrationslager Buchenwald. Von dort kamen die KZ-Häftlinge, die Elisabeth Hartl versteckte. Am 27. April 2010 besuche ich mit anderen Seminar teilnehmern die Gedenkfeier zur Einweihung des Mahnmals für die Toten des Todestransports in Poing. Mahnmal in Poing Anlässlich des Landesgeschichtsforums Bayern 2010 präsentieren wir die Ausstellung am 22. Juli 2010 im Wilhelms-Gymnasium in München. Bei der Oberstufenfahrt zeigen wir am 21. September 2010 die Ausstellung in der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Berlin. Christian Mader in Berlin vor der Ausstellungstafel, die er mit Maximilan Seidl erarbeitet hat. 37 Ergoldsbach Die Ergoldsbacher Ausstellung „Das hätte doch jeder getan!“ wird erweitert In den Jahren 2005 und 2006 erarbeitete die Hauptschule Ergoldsbach in Kooperation mit der Weiße Rose Stiftung e.V., dem Geschichtsarbeitskreis Ergoldsbach und unter der Schirmherrschaft der Gemeinde Ergoldsbach eine umfangreiche, sehr aussagekräftige Dokumentation und Ausstellung. Hauptinhalt ist die Rettung von 13 Juden durch die Polizisten Josef Kimmerling und Max Maurer sowie die Bäuerin Anna Gnadl. Nachdem ein Gedenken in Form einer Schulbenennung 2001 am Widerstand des Elternbeirats der Grundschule und 2004 am Widerstand des Marktgemeinderats – der 2001 noch mehrheitlich dafür gestimmt hatte – gescheitert war, wurde im Eingangsbereich des Rathauses eine Bronzetafel mit folgendem Text angebracht: „Zur Ehrung von Max Maurer und Anna Gnadl für die Menschlichkeit, die sie am 28. April 1945 13 jüdischen Häftlingen erwiesen haben.“ Diese knappe Aussage veranlasste die Beteiligten am Projekt weiter zu forschen, um ein abgerundetes, wissenschaftlich fundiertes Bild von den Vorgängen in und um Ergoldsbach in den letzten Kriegstagen zu erhalten. Nach der Auswertung zahlreicher Quellen (Staatsarchiv, lokale Presse, Gemeindearchiv, Ermittlungsakten des Gerichts) und der Befragung von Zeitzeugen (John Weiner als einer der 13 überlebenden Juden, Angehörige der Retter und vor allem dem Schwiegersohn von Max Maurer, Josef Wimbürger u.a.) konnte die Ausstellung im Januar 2006 unter großer öffentlicher Anteilnahme eröffnet werden. Seit dieser Zeit hängt sie – quasi stellvertretend für den Schulnamen – als Dauerausstellung im Eingangsbereich der Hauptschule Ergoldsbach. Aktuell ist ihr Platz in Landshut in der Aula der Wirtschaftsschule und des Gymnasiums Seligenthal. 38 Viele Schulen, aber auch Gemeinden wie z.B. Neufahrn und Städte wie Landshut haben die Ausstellung ausgeliehen und gezeigt. Sogar an der Penn State University in Pennsylvania war sie – natürlich ins Englische übertragen – ein halbes Jahr zu sehen. John Weiner, der unermüdliche Kämpfer für eine angemessene Ehrung seiner Retter, wird es von seiner Lage im Himmel mit Wohlwollen betrachten. Mit Wohlwollen wird er sicherlich auch die aktuellen Bemühungen um eine Erweiterung der Ausstellung absegnen, die unter dem Arbeitstitel „Geschichten und Gesichter der Geretteten“ steht. Dabei geht es darum, dass die engagierten Forscher – die gleichen wie 2005/2006 – herausbekommen wollen, wie das Leben der geretteten 13 Juden von Ergoldsbach weiterging. Gesichter und Geschichten sollen sie bekommen, die 13 geretteten jüdischen KZ-Häftlinge, Häftlinge ohne Vergehen oder gar Verbrechen. Die Quellenlage ist sehr unterschiedlich. Während das Team um Heinz Mayer, Franz Gervasoni, Josef Wargitsch, Prof. Dr. Strasser, Heimatpfleger Sigl bei einem Teil der Geretteten umfangreiche Informationen erhielt, war die Recherche beim anderen Teil relativ schwierig und die Ergebnisse dürr. Insgesamt aber erwartet den Besucher der erweiterten Ausstellung eine doch sehr umfangreiche Dokumentation mit überraschenden Entdeckungen: Jan Hauenstein, ein amerikanischer Songwriter, hat in dem Lied „The Dead Heroes of Ergoldsbach!“ die Ergoldsbacher Geschichte auf seine Weise aufgearbeitet, sicherlich eine Bereicherung für die Ausstellung, die Anfang Mai 2011 eröffnet werden soll. Josef Wargitsch SchülerInnen der Hauptschule Ergoldsbach mit Rektor Josef Wargitsch bei der Recherche für die erweiterte Ausstellung Zillisheim / Sulzbach-Rosenberg Auf Anregung der Weiße Rose Stiftung e.V. trugen die Partnerschulen, das Herzog-Christian-August-Gymnasium Sulzbach-Rosenberg und das Lycée Episcopal in Zillisheim / Elsass die Ergebnisse ihrer Recherchen zum Thema Widerstand / Résistance auf ihrem deutschfranzösischen Schülertreffen im Frühjahr 2010 zusammen. Durch das Modellprojekt in Zusammenarbeit mit der BLZ soll Lokalgeschichte in verschiedenen Ländern am konkreten Beispiel aus der NS-Zeit erfahrbar werden. Die Schüler in Sulzbach-Rosenberg führten Interviews mit ehemaligen Pfadfindern und rekonstruieren damit ein Stück Geschichte der fortwirkenden katholischen Jugendbewegung in der NS-Zeit. Die erstellten Tondokumente sollen in die Gesamtpräsentation des Projektes eingefügt werden. Die Schüler in Zillisheim suchten in ihrem Schularchiv nach Zeugnissen aus der Besatzungszeit und entdeckten schließlich Spuren der „Main Noire“, einer kleinen Widerstandsgruppe aus dem lokalen Arbeitermilieu. Die Weiße Rose-Ausstellung im Lycée Episcopal in Zillisheim Auszug aus dem Recherchebericht des Lycée Episcopal von Patrick Keller, Projektleiter: Wir hörten, dass im Archiv der Schule fast alle Papiere seit 1900 noch vorhanden sind: Ob wir noch etwas finden würden über die Zeit von 1940 bis 1945, als die Schule von NS-Behörden beschlagnahmt war? Wir haben von pensionierten Priestern erfahren, es sei alles verschleppt worden, als die Alliierten das Elsass befreiten. Dennoch haben wir einen Nachmittag mit einigen Schülern im Archiv verbracht und schließlich doch einige Spuren der Vergangenheit gefunden: In einem vergessenen Karton lagerten Klassenhefte und Zeugnisse aus den Jahren 1941-44. (…) Die Schüler freuten sich riesig über ihren Fund, gerieten aber sehr schnell in Schwierigkeiten, da sie die Sütterlinschrift nicht entziffern konnten bzw. einige Abkürzungen und ihre Bedeutungen nicht verstanden. Außerdem fiel es ihnen schwer zu entscheiden, welche Dokumente ihnen wirklich nützen konnten. In der Tat merkten wir bald, dass uns wichtige Informationen fehlten, um einen klaren Zusammenhang zu finden. Manches schien mit der Idee des Widerstands nicht verbunden zu sein, anderes ließ sich nicht eindeutig interpretieren. (…) Schließlich entschlossen wir uns, auch Zeitzeugen zu befragen. Außerdem wollten wir uns über die „Main Noire“ informieren, eine kleine elsässische Widerstandsgruppe. Sie wurde von Marcel Weinum gegründet und bestand aus 25 Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu. So entstand eine Tonbildschau, aber nicht ohne Mühe, denn die Glaubwürdigkeit der Zeitzeugen musste überprüft und die Konzentration auf das Wesentliche erhalten bleiben. Und viel Zeit hatten wir auch nicht: Die Schüler bereiteten sich auf ein naturwissenschaftliches Abitur und zusätzlich auf ihr Baccalauréat francais vor. Sulzbach-Rosenberg: Blick auf Schloss und Annaberg Trotzdem war es für alle ein sehr bereicherndes Projekt mit spannenden Ergebnissen. 39 17 Hamburg und die Weiße Rose Zur Vorbereitung einer Veranstaltungsreihe im Jahr 2011 erhielt dieser Themenbereich das Jahr über viel Aufmerksamkeit: Die Weiße Rose Stiftung e. V. gewann die KörberStiftung als hoch motivierten Partner, der seinerseits sechs weitere Hamburger Institutionen für die Realisierung einer umfangreichen Veranstaltungsreihe mit Ausstellungsterminen einbeziehen konnte. Ausschnitt aus dem Flyer zu den Hamburger Veranstaltungen Seit Gründung der Weiße Rose Stiftung e. V. im Jahr 1987 ist Hamburg Mitglied in der „Städtegemeinschaft im Zeichen der Weißen Rose“ und stützt bis heute die Arbeit ideell und materiell. Bereits 1986 begründete Prof. Dr. Peter Fischer-Appelt, der sich ab 1971 als Universitätspräsident für die Erinnerung an den Widerstand in Hamburg und die Vergangenheit seiner Universität im Nationalsozialismus eingesetzt hatte, in einem Schreiben an unseren jetzigen Ehrenvorsitzenden Franz J. Müller, seine Mitwirkung an der Erinnerungsarbeit der Weiße Rose Stiftung e.V.: „Die Münchner und die Hamburger Universität sind in einem besonderen Maße dem Gedenken an die Weisse Rose verpflichtet.“ In partnerschaftlichem Zusammenwirken von Weiße Rose Stiftung e.V. und Hamburger Universität fand im Mai 1990 eine große Konferenz zum Widerstand der Weißen Rose in Hamburg statt. Im Jahr darauf folgte in bewährter Kooperation eine weitere Konferenz, ergänzt von einer den Hamburger Zweig der Weißen Rose thematisierenden Ausstellung „Enge Zeit“. Nach nahezu zwei Jahrzehnten lag es daher nahe, wieder Impulse für neuerliches, koordiniertes Nachdenken zum Hamburger Widerstand mit Veranstaltungen und Ausstellungspräsentationen zu setzen. 40 Dr. Magnus Koch, freier Historiker und von uns beauftragt, erarbeitete eine Forschungssynopse „Hamburg und die Weiße Rose“, die sowohl für die Vorbereitung der Veranstaltungen als auch für die mediale Berichterstattung eine wertvolle Grundlage bildet. Einen Einblick in diese Synopse lesen Sie nachstehend: Einblick in die Forschungssynopse „Hamburg und die Weiße Rose“ Zwischen Juli 1943 und Januar 1944 verhaftete die Gestapo ca. 40 Personen, die sie einer in Hamburg aktiven „losen Vereinigung von Staatsfeinden“ zurechnete. Acht von ihnen fielen der Verfolgung zum Opfer. In der Hansestadt Hamburg hatten sich nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Bürgertum informelle Kreise gebildet, in denen über Kunst und Literatur diskutiert, kritisch das Zeitgeschehen reflektiert sowie tagespolitische Ereignisse und Entwicklungen kommentiert wurden. Einige dieser Kreise blieben nach außen abgeschlossen, aus manchen entwickelten sich Netzwerke, innerhalb derer wiederum nur einzelne den Schritt von der gemeinsamen Diskussion zu aktiven Widerstandshandlungen gegen das NS-Regime gingen. Erst nach 1945 wurden diese informellen Kreise unter dem Begriff „Hamburger Weiße Rose“ zusammengefasst. Ein solcher fester Gruppenname ist jedoch problematisch, da er eine Geschlossenheit und Einheitlichkeit impliziert, die der heterogenen Hamburger Szene mit ihren vielen Zirkeln aus einander zum Teil kaum bekannten Akteuren nicht gerecht wird. Fest steht, dass sich vor und während des Krieges in Hamburg mindestens 70, möglicherweise über 100 Personen in unterschiedlichen Zusammenhängen, Gruppen und Kreisen trafen. Das Spektrum der Handlungen reichte von gemeinsamer Hausmusik oder dem gemeinsamen Lesen von Gedichten bis hin zur Diskussion von Anschlagsplänen. Man traf sich privat, in einigen Hamburger Buchhandlungen, gelegentlich auch in Cafés. Je nach Teilnehmern, Interessen und politischen Überzeugungen wurden verbotene Bücher gelesen, weitergegeben und diskutiert. Von einigen Akteuren ist bekannt, dass sie illegal ausländische Radiosender abhörten und sich zum Teil auch an der Verbreitung der gesendeten Inhalte beteiligten. Manche riefen sogar öffentlich dazu auf, verbotene Sender zu hören, indem sie die entsprechenden Frequenzen öffentlich anschrieben. Insbesondere die Verhafteten der Hambur- ger Kreise einte die Ablehnung eines Regimes, das sie aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen als repressiv und verbrecherisch erlebt hatten. Die aufgeführten unterschiedlichen Formen offener oder versteckter oppositioneller Handlungen haben die Angehörigen der Hamburger Kreise in große Gefahr gebracht. Aus Sicht des Regimes war etwa der Besitz und das Diskutieren verbotener Literatur und vielmehr noch deren Weitergabe ein schweres Verbrechen. All dies konnte als „Wehrkraftzersetzung“ gewertet werden, worauf die Todesstrafe stand. In der Zeit des Nationalsozialismus geistige und soziale Freiräume zu reklamieren war riskant. Wer, wie zum Beispiel eine Gruppe Eppendorfer Mediziner, englisch sprach, um sich abzugrenzen, wer als „entartet“ definierte Musik hörte, wer sich auffällig kleidete oder das Haar anders trug als die Mehrheit der „Volksgenossen“, fiel auf und spürte bereits bevor staatliche Verfolgung einsetzte, den Ausgrenzungsdruck der Mehrheit. Es bleibt jedoch, festzuhalten: Eine offen operierende und nach außen wie in München unter dem Namen „Weiße Rose“ auftretende Widerstandsgruppe hat es im hanseatischen Bürgertum nicht gegeben. Die Verbindung zur Weißen Rose in München stellten die beiden in Hamburg aufgewachsenen und später in München lebenden Studenten Traute Lafrenz und Hans Konrad Leipelt her. Leipelt war aufgrund rassistischer Verfolgung als sogenannter Halbjude von Hamburg nach München an das Chemische Institut der LMU von Prof. Dr. Heinrich Wieland ausgewichen. Beide hielten von München aus weiterhin Kontakt nach Hamburg und trafen sich mit alten Freunden und Mitschülern. Sie erzählten von der Münchner Widerstandsgruppe, später von den dortigen Verhaftungen und brachten die Flugblätter der Weißen Rose in ihre Heimatstadt. Lafrenz selbst gehörte zum engeren Freundeskreis um Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und anderen. Hans Konrad Leipelt kannte diese Akteure wohl nicht persönlich, ungeachtet dessen sammelte er in Hamburg und München Geld für die Witwe des von den Nationalsozialisten ermordeten Prof. Kurt Huber. Leipelt war gut über die Aktivitäten der Weißen Rose informiert und hatte selbst in München einen oppositionellen Freundeskreis um sich gebildet, zu dem auch seine Freundin MarieLuise Jahn gehörte, mit der Leipelt gemeinsam nach Hamburg reiste. Nach der Ermordung der Geschwister Scholl und Christoph Probsts im Februar 1943 fahndete die Gestapo in München und später auch in Hamburg nach weiteren Angehörigen von Kreisen, die ihrer Ansicht nach „jüdisch-bolschewistische“ oder „demokratisch-liberalistische“ Ideen oder „Schriften mit sonst staatsfeindlicher Tendenz verbreitet“ oder sich „durch persönliche Unterhaltung in diesem Sinne“ betätigt hatten. Die Gestapo sah also sehr wohl einen Zusammenhang zwischen den Münchner und den Hamburger Kreisen. In beiden Städten gab es Menschen aus dem Bürgertum, die sich dem NS-Regime aus ähnlichen Gründen entzogen. Doch es gibt auch Unterschiede: Die Flugblätter der Weißen Rose wiesen klar und öffentlich auf den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes hin, sie riefen zunächst die Bevölkerung im Münchner Raum, später alle Deutschen zum Widerstand auf. Aus Hamburg sind solche eigenen Schriften nicht überliefert. Weiterhin werden in der Literatur zwei Unterschiede genannt: In der Weißen Rose München war das christliche Fundament von großer Bedeutung im Gegensatz zu auch sozialistischen Ideen und Entwürfen der Hamburger Akteure; in München wurde stärker auf aktive Handlung gedrängt als in Hamburg. In Hamburg begann die Auseinandersetzung mit dem Thema – sieht man von einer kurzen Phase publizistischer Aktivität direkt nach Kriegsende ab – erst Ende der 1960er Jahre. Im restaurativen, vom Kalten Krieg geprägten politischen Klima der 1950er und 1960er Jahre fanden die Überlebenden lange Zeit weder Raum noch Interesse für ihre Erfahrungen; in der Stadtchronik von 1965 etwa fand der Widerstand und die Verfolgung der Hamburger Kreise keine Erwähnung. Heute tragen Straßen, Gebäude und Schulen in Hamburg den Namen der Opfer. Weiterhin erinnern Gedenktafeln und Mahnmale an sie. Die Hamburger Universität brachte 1971 eine Bronzetafel zu Ehren ihrer zu Tode gekommenen widerständigen Studenten an: Hans Leipelt, Reinhold Meyer, Margaretha Rothe und Friedrich Geussenhainer. Jährlich findet dort eine kleine Gedenkfeier statt. Meine Forschungssynopse ist in Vorbereitung. Sie wird voraussichtlich im Frühjahr 2011 in einer Schriftenreihe der Hamburger Universität erscheinen. Dr. Magnus Koch 41 18 Netzwerk Weiße Rose Im Rahmen des Netzwerks Weiße Rose, gefördert von der BLZ, stand das Thema „Literatur und Widerstand der Weißen Rose“ im Mittelpunkt. Mit der Themenstellung „Die Bedeutung von Literatur für den Widerstand am Beispiel der Weißen Rose“ wurden Lehrkräfte aus Bayern zu einer Fortbildung in die DenkStätte eingeladen. Das Thema wurde mit Bezug auf die Wissenschaftsseminare der gymnasialen Oberstufe bearbeitet. Der zu diesem Anlass von Prof. Dr. Wolfgang Huber gehaltene Vortrag wurde in der Schriftenreihe der BLZ „Einsichten und Perspektiven“, Heft 4/10, veröffentlicht und ist auch unter http://www.weisserose-stiftung.de nachzulesen. Außerdem wurden Namensträgerschulen der Weißen Rose angeregt, sich in eigenen Projekten mit dem Thema „Literatur und Widerstand“ zu beschäftigen. Am 21. Oktober wurde das Thema „Literatur und Widerstand der Weißen Rose“ bei einer von der Weißen Rose Stiftung e.V. veranstalteten Lehrerfortbildung aufgenommen. Die Fortbildung war auf die Umsetzung dieser Themenstellung in Praxis- und Wissenschaftsseminaren der gymnasialen Oberstufe in Bayern ausgerichtet. Teilgenommen haben 15 Gymnasiallehrer und Schulleiter aus Bayern. Einen großen Teil der Tagung verwandten die Teilnehmer zur Konzipierung von Themen im Kontext von „Literatur und Widerstand der Weißen Rose“ für Wissenschaftsseminare. Die Studentin Judith Guckenbiehl berichtete über ihre gymnasiale Facharbeit zum Thema. Dr. Robert Sigel, Leiter des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau, moderierte die anschließende Diskussion und übernahm es, die erarbeiteten Inhalte auszuwerten. Lehrertreffen in der DenkStätte in München Prof. Dr. Wolfgang Huber 42 Dr. Gregor Pelger, Kurt-Huber-Gymnasium Gräfelfing, berichtet dazu: „Nach einem ersten Kennenlernen und der Begrüßung durch Frau Dr. Kronawitter hielt Herr Professor Wolfgang Huber zum Einstieg in das Thema einen Vortrag über ,Die Bedeutung von Literatur für den Widerstand der Weißen Rose’. Dabei ging Herr Huber auf den bisher in der Forschung kaum systematisch betrachteten Einfluss der Literatur auf die Geisteshaltung der Mitglieder der Weißen Rose ein. Verschiedene Themenkreise leiteten ihn bei seiner Spurensuche, die er auch als ,Erkennungsspiel’ bezeichnete: Tyrannenmord, Theodizee, Katholizismus und Konversion, Lyrik, Jugendgruppen und deren ideelle Ausrichtung, Krieg. Darüber hinaus wies der Vortragende auf die Darstellung der Weißen Rose in der Literatur nach 1945 als ein weiteres, interessantes Themenfeld hin. Für Herrn Huber stand vor allem die vielseitige und verschiedenartige Rezeption von Literatur im Kreis der Weißen Rose im Mittelpunkt. Anhand von Briefen und Aufzeichnungen der einzelnen Mitglieder wurde der literarische Hintergrund der Weißen Rose und sein Einwirken in den verschiedenen Flugblättern umfassend ausgeleuchtet. Damit zeigte der Vortragende einen intellektuellen Diskurs auf, innerhalb dessen sich die Weiße Rose bewegte und der ihr Verständnis von Bildung als Gegenwehr prägte, wie es schließlich in den Flugblättern zum Ausdruck kam. Der Vortrag von Prof. Wolfgang Huber wurde von den Anwesenden hochinteressiert aufgenommen und regte gleich zu ergänzenden Bemerkungen an, die wiederum auf die Möglichkeiten genauerer Rezeptionsrecherchen im schulischen Alltag und damit auf den folgenden Erfahrungsbericht einer Schülerin verwiesen. Nachdem Judith Guckenbiehl ausführlich über ihre vorbildliche Facharbeit ,Analyse und Stellenwert der Literatur im Leben von Willi Graf’ berichtet hatte, zeigte sich in der anschließenden Aussprache, dass es bei der Betreuung solcher Arbeiten oftmals am fachlichen Hintergrund der betreuenden LehrerInnen mangelt. Zum anderen wurde in der Diskussion deutlich, dass die Umsetzung einer detaillierten Auflistung literarischer Einflüsse (Autoren und Texte) und deren anschließende historischkritische Analyse in einer schulischen Facharbeit vom Zeitaufwand sowie vom Umfang schwer zu bewerkstelligen seien.“ 43 Judith Guckenbiehl: „Als ich mich auf das Lehrerseminar im Oktober 2010 vorbereitet habe, bin ich die Inhalte meiner Facharbeit nochmals für mich selbst durchgegangen und habe mir vor Augen geführt, weshalb ich mich damals für das Thema entschieden hatte und wie die Arbeit letztlich entstanden ist. In München habe ich die Themenfindung und die Entstehung meiner Facharbeit für die anwesenden Lehrer erklärt und versucht, die Umstände, die mir Themenfindung und Schreiben der Facharbeit erschwert hatten, zu beschreiben. Nach meiner Präsentation beantwortete ich die Fragen der Teilnehmer des Lehrerseminars zu meiner Facharbeit. Insgesamt erhielt ich für meine Facharbeit sehr positives Feedback, wofür ich mich hiermit nochmals bedanke. Ich selbst bin froh, dieses Thema gewählt zu haben, da ich es nach wie vor für sehr spannend halte und beim Schreiben meiner Facharbeit viel gelernt habe.“ Im Juli schrieb die Weiße Rose Stiftung e.V. viele Namensträgerschulen in den neuen Bundesländern an und bot inhaltliche Unterstützung beim Gedenken an ihre Namensgeber an. Als erstes Ergebnis der brieflichen und späteren telefonischen Kontaktaufnahme kamen drei Termine für die Wanderausstellung „Die Weiße Rose“ im Jahr 2011 zustande. In einem Schreiben an die Willi-GrafNamensträgerschulen stellte die Weiße Rose Stiftung e.V. Joachim Baez, den Neffen von Willi Graf, als Familienbeauftragten für die Erinnerung an Willi Graf vor und regte zu einem literarischen Projekt zu Willi Graf an: „Es würde uns freuen“ – so formulierte die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung e.V., „wenn sich auch in Ihrer Schule im Fachbereich Deutsch eine Befassung mit der Literatur von Willi Graf sowie der anderer Mitglieder der Weißen Rose ergeben würde“. Dabei verwies sie auch auf die Facharbeit „Analyse und Stellenwert der Literatur im Leben von Willi Graf zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland“ von Judith Maria Guckenbiehl: „Diese Arbeit beschreibt das umfängliche literarische Interesse von Willi Graf und listet dessen Literaturkanon auf. Sie macht augenfällig – und das könnte auch an Ihrer Schule weiterverfolgt werden – wie spannend und lehrreich es sein kann, der Frage nachzugehen, wie Denken und Handeln von Willi Graf von der rezipierten Literatur beeinflusst wurde.“ Prof. Dr. Wolfgang Huber, Judith Guckenbiehl und Dr. Hildegard Kronawitter 44 19 Gedenken im München der Nachkriegszeit „Ihr Name wird mit diesem Kampf verbunden bleiben“ Weiße Rose: Gedenken im Nachkriegs-München Zuerst als „halbes Gerücht, dann mit zuverlässiger Bestätigung“ habe man bereits 1943 in Deutschland von dem „kühnen Versuch“ erfahren können, „womit die Geschwister Scholl und ihr Freundeskreis das Gewissen der studierenden Jugend zu erreichen suchten.“ Bereits damals habe er gewusst, dass „dieser Aufschrei der deutschen Seele durch die Geschichte weiterhallen“ würde, schrieb 1953 Bundespräsident Theodor Heuss in einem Grußwort an die Berliner und Münchner Studenten. Tatsächlich ist die Erinnerung an die Weiße Rose zu keinem Zeitpunkt abgerissen: Schon wenige Monate nach Kriegsende gedachte man in München der Studenten und ihres Professors, die von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Am 4. November 1945 fand in den Münchner Kammerspielen die erste Gedenkfeier für die Mitglieder der Weißen Rose statt. Das Universitätsgebäude lag noch in Schutt und Asche, als der wenige Wochen zuvor vom Bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner als Staatsminister für Unterricht und Kultus berufene Franz Fendt bei der Feier bereits die Errichtung eines Denkmals für die Widerstandsgruppe um Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf sowie Kurt Huber forderte. „Ihr Name wird mit diesem Kampf verbunden bleiben“, so damals die Einschätzung von Romano Guardini. Der Religionsphilosoph hob in seiner Rede hervor, dass die Mitglieder der Weißen Rose „Christen aus Überzeugung“ gewesen seien, „hineingezogen in das Opfer Christi, das keine Begründung aus dem unmittelbaren Dasein mehr annimmt, sondern weiß, die letzten Entscheidungen fallen nur vor Gott und der letzte Sieg gehört Ihm allein.“ „Es ist eine Tatsache, dass ein großer Teil des deutschen Volkes in diesen furchtbaren Jahren nichts sehen wollte“, mahnte in dieser ersten Feierstunde Josef Furtmeier im Namen des studentischen Freundeskreises. Die Flugblätter „sollten der Auftakt sein für eine an allen Universitäten einsetzende gemeinsame und plötzliche Erhebung, die auch andere Bewegungen mitreißen sollte“. Furtmeier, der insbesondere den Geschwistern Scholl nahegestanden hatte, äußerte in seiner Rede aber auch die Vermutung, dass Hans und Sophie Scholl ihre Verhaftung am 18. Februar 1943 absichtlich herbeigeführt haben könnten: „Es ist nicht unmöglich, dass die Idee des Selbstopfers Besitz von ihnen ergriff und dass sie glaubten, dass nur ihr Tod das leisten könne, was das beispiellos abgenutzte Wort nicht mehr vermochte.“ Auch die Zeitung „Münchner Rundschau“ berichtete über diese erste Gedenkfeier: Der damalige Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl habe in seiner Ansprache hervorgehoben, dass die Stadt stolz sei auf die „todesmutigen jungen Menschen“, die versucht hatten, „das deutsche Volk aus seiner Lethargie zu wecken“. Ein Jahr später wurde im Universitätsgebäude selbst die Gedenktafel für die Opfer des studentischen Widerstands enthüllt. Sie trägt in Stein gemeißelt, wie von Fendt angeregt, ein Zitat aus Senecas 45 moralischen Briefen. Die lateinische Inschrift bedeutet: „Die Menschlichkeit im Herzen gingen sie durch einen unmenschlichen Tod. Willi Graf, Kurt Huber, Hans Leipelt, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Hans Scholl, Sophie Scholl. In den Jahren 1943 und 1945. So wird auch jene wahrhaftige Gesinnung, die in eine gesinnungsfremde Macht gerät, auf die Probe gestellt.“ Die Steintafel war ursprünglich am Eingang zur großen Aula angebracht und befindet sich heute im zweiten Stock des Lichthofs, wo Hans und Sophie Scholl vermutlich am 18. Februar 1943 die Flugblätter abwarfen. Im Zusammenhang mit der Wiederherstellung und dem Umbau des Universitätsgebäudes wurde in den 1950er Jahren ein Künstlerwettbewerb für ein Mahnmal zum Gedenken an die studentische Widerstandsbewegung Weiße Rose ausgeschrieben, aus dem der Künstler Lothar Dietz als Sieger hervorging. Das von ihm gestaltete Relief wurde 1958 an der Westseite des Lichthofs angebracht. Es zeigt die Verurteilten bei ihrem Opfergang und ihre Namen. In einen Steinkubus ist die Jahreszahl MCMXLIII sowie als Symbol der Widerstandsgruppe eine weiße Rose eingraviert. Dieses Denkmal wurde am 13. Juli 1958, dem 15. Todestag von Professor Kurt Huber, enthüllt. Romano Guardinis Rede bei der Einweihungsfeier stand unter dem Leitspruch der letzten Worte von Hans Scholl: „Es lebe die Freiheit.“ Beinahe in Vergessenheit geraten wären jedoch zwei Porträtdarstellungen von Sophie und Hans Scholl, die sich im Archiv der LMU befinden. Laut Inventarverzeichnis wurden sie im Jahr 1949 von der Industrie- und Handelskammer angekauft und der Universität gestiftet. Die beiden Ölgemälde waren von dem Maler Ludwig Fahrenkrog als Auftragsarbeiten nach Fotografien angefertigt worden. Die UniGalerie zeigte das Porträt von Sophie Scholl im Februar 2010 als Kunstwerk des Monats und erinnerte damit nicht zuletzt an eine frühe Würdigung der Weißen Rose im München der Nachkriegszeit. Katja Sebald Bronzerelief in der LMU von Lothar Dietz aus dem Jahr 1958 46 20 Personalia Heiner Guter wurde 85 Jahre alt Am 11. Januar 2010 wurde Heiner Guter, Zeitzeuge und Gründungsmitglied der Weiße Rose Stiftung e.V., 85 Jahre alt. Im zweiten Prozess gegen die Weiße Rose am 19. April 1943 wurde er vom Volksgerichtshof zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, warf ihm vor, von der Flugblattaktion gewusst, diese aber nicht angezeigt zu haben. Heiner Guter war Schulfreund von Franz J. Müller und Hans Hirzel am Ulmer Gymnasium. Beide verteilten 1943 das fünfte Flugblatt der Weißen Rose. Mit seiner Haltung steht Heiner Guter für die humane und demokratische Botschaft der Weißen Rose. Wir sind stolz und dankbar, ihn in unseren Reihen zu haben. Prof. Dr. Wolfgang Huber wird zweiter Vorsitzender Auf der Mitgliederversammlung am 19. März 2010 wurde Prof. Dr. Wolfgang Huber zum zweiten Vorsitzenden der Weiße Rose Stiftung e.V. gewählt. Damit übernimmt er die Aufgaben von Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf, die im August 2009 verstorben ist. Wolfgang Huber, Sohn von Prof. Dr. Kurt Huber, war als Sprachwissenschaftler an der Universität Eichstätt tätig und hatte Gastprofessuren in Barcelona, Istanbul und Mailand. Er legte 2009 eine vollständige und textkritische Edition der Verteidigungsrede seines Vaters vor. „Kurt Huber vor dem Volksgerichtshof. Zum zweiten Prozess gegen die Weiße Rose“. Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn ist verstorben Am 22. Juni 2010 ist eine der engagiertesten Zeitzeuginnen der Weißen Rose im Alter von 92 Jahren verstorben. Die Beerdigung fand auf dem Friedhof am Perlacher Forst in München statt. Die Weiße Rose Stiftung e.V. hat einen Kranz niedergelegt. Lehren daraus für unsere heutige Zeit eingefordert. Mit ihrem Freund Hans Leipelt verteilte Marie-Luise Schultze-Jahn das sechste Flugblatt der Weißen Rose mit dem zusätzlichen Titel „Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“ in München und Hamburg. Nach der Verhaftung von Prof. Huber sammelten Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn Geld, das sie der Witwe von Prof. Kurt Huber und ihren beiden kleinen Kindern in Gräfelfing anonym zukommen ließen. Die Geldsammlung wurde denunziert. Daraufhin wurden beide im Oktober 1943 verhaftet. Der Volksgerichtshof verurteilte Hans Leipelt im fünften Prozess gegen die Weiße Rose in Donauwörth am 13. Oktober 1944 zum Tode, Marie-Luise Jahn zu 12 Jahren Zuchthaus. Am 29. Januar 1945 wurde Hans Leipelt in MünchenStadelheim hingerichtet. Prof. Hans Mommsen wurde 80 Jahre alt Die Weiße Rose Stiftung e.V. gratulierte ihrem hochgeschätzten Beirat und Mitglied des Trägervereins. Sie ist dankbar, einen der bedeutendsten Zeithistoriker Deutschlands als wichtigen Unterstützer zu haben. Hans Mommsen hat nicht nur grundlegende wissenschaftliche Werke zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert verfasst, sondern zudem mit engagierten Beiträgen die öffentliche und politische Debatte maßgeblich bereichert. Er war von 1968 bis zu seiner Emeritierung 1996 Professor für Neuere Geschichte in Bochum. Forschungsaufenthalte führten ihn nach Princeton, Harvard, Berkeley, Jerusalem und Washington D.C. Hans Mommsen ist Mitglied der British Academy und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und wurde 1998 mit dem Carl-vonOssietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik ausgezeichnet. Zusammen mit dem internationalen Jugendbegegnungszentrum Dachau und anderen Organisationen würdigen wir Frau Dr. Schultze-Jahn für ihr unermüdliches Engagement, die Erinnerung an die Widerstandsgruppe Weiße Rose für die Gegenwart wachgehalten zu haben. In vielen Zeitzeugengesprächen, insbesondere an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, hat sie den Widerstand der Weißen Rose ins Bewusstsein gebracht und 47 21 Kurznachrichten um die Weiße Rose Die Stadt Riesa setzt ein Zeichen Am 2. Oktober 2010 setzte die sächsische Stadt Riesa mit der Umbenen nung einer Straße ein besonderes Zeichen gegen Rechtsextremismus. Der Stadtrat entschied mit großer Mehrheit, dass die Mannheimer Straße künftig Geschwister-Scholl-Straße heißt. Sie zwingt damit den NPD-Verlag „Deutsche Stimme“, der seit zehn Jahren in der Mannheimer Straße seinen Sitz hatte, zu einer Änderung seiner Adresse, die für sich allein schon eine Botschaft für Demokratie und Toleranz ist. Diese Adressänderung gilt auch für mehrere Kader der Rechtsextremisten, auf deren Briefkopf nun ebenfalls Geschwister-Scholl-Straße steht. Dr. Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung e.V., gratulierte der Stadt Riesa zu diesem besonderen Engagement. Gerti Töpfer, Oberbürgermeisterin von Riesa, hatte sie um ein Grußwort zur Straßenumbenennung gebeten. Die Stadt gebe „über das Erinnern an den Widerstand in der NS-Zeit Anstöße für mehr Menschlichkeit und Demokratie in der Gegenwart“, schrieb Hildegard Kronawitter. So bestünde die Hoffnung, dass „junge, naive Anhänger der NPD durch den neuen Straßennamen anfangen, darüber nachzudenken, warum junge, so lebenslustige Menschen damals Widerstand leisteten, warum sie die NS-Propaganda nicht vereinnahmen konnte, warum sie den Aufstand des Gewissens wagten und mit dem Tode dafür bezahlten.“ Neue Namensträgerschule Die Private Schule für kranke Kinder und Jugendliche an der Alpenklinik Santa Maria wurde am 16. März 2010 in „Sophie-Scholl-Schule Santa Maria in Oberjoch“ umbenannt. Diese besondere pädagogische Institution machte deutschlandweit von sich reden, als Bundeskanzlerin Angela Merkel der Schule am 10. Juni 2010 den Deutschen Schulpreis verlieh. Dr. Hildegard Kronawitter gratulierte zu dieser hohen Auszeichnung: Die Namensträgerschule zeichne sich durch erfolgreiche reformpädagogische Ansätze aus, die bei Entscheidungsträgern im deutschen Bildungssystem für Nachdenklichkeit sorgen sollten. 48 Zivilcourage zeigen – ein Jugendprojekt in Ergoldsbach In Zusammenarbeit mit der Dominik Brunner Stiftung und der Weiße Rose Stiftung e.V. schrieben die Schulen und Jugendgruppen der Gemeinde Ergoldsbach im April 2010 ein Quiz zu Max Maurer und Anna Gnadel aus, die im April 1945 13 jüdischen Häftlingen das Leben gerettet hatten. Zu gewinnen gab es einen Buchpreis, 18 Kurse zum Thema Zivilcourage und Selbstverteidigung und einen Besuch in der DenkStätte Weiße Rose unter dem Motto „Auf den Spuren von Hans und Sophie Scholl“. Den DenkStättenbesuch gewann die 9. Klasse der Nardini Realschule der Armen Franziskanerinnen von Mallersdorf. Die Weiße Rose in Forchtenberg Renate S. Deck, Initiatorin des Hansund-Sophie-Scholl-Pfades in Forchtenberg und Leiterin des dortigen Weiße Rose i-Punkt konzipierte eine Ausstellung zu 20 Jahre Gedenkarbeit der Weiße Rose Gedenkstätte Forchtenberg: „Als im Jahre 1990 bei einem Rosenfest der Lesekreis ‚Weiße Rose‘ entstand, und wir begannen, an ihren Geburtsorten an Hans und Sophie Scholl zu erinnern, dachte keiner an einen Zeitraum von 20 Jahren Gedenkerinnerung.“ Die vergangenen zwei Jahrzehnte seien „angefüllt von Begegnungen mit Zeitzeugen und einer vielgestaltigen Gedenkarbeit“ gewesen, so Renate Deck. Die Ausstellung, die auch über die Familie Scholl in Forchtenberg informiert, wurde im November im katholischen Bildungshaus im Kloster Schöntal gezeigt. „Die Widerständigen – Zeugen der Weißen Rose“ – DVDs für Schulen Das Bayerische Kultusministerium ermöglichte der Weiße Rose Stiftung e.V. den Ankauf von 20 DVDs „Die Widerständigen – Zeugen der Weißen Rose“ inklusive nichtkommerzieller Vorführrechte. Da die Einladung von Zeitzeugen an Schulen immer weniger möglich ist, kann die Vorführung eines Dokumentarfilms mit Aussagen und Erläuterungen von Zeitzeugen der Weißen Rose ansatzweise den Schülern eine gewisse Authentizität des Geschehens vermitteln. Auf Anfrage stellt die Weiße Rose Stiftung e.V. Schulen eine DVD und das Recht zur Vorführung zur Verfügung. 22 Die Weiße Rose Stiftung e.V., ihre Organe und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Der Vorstand Dr. Hildegard Kronawitter, 1. Vorsitzende (ehrenamtliche Geschäftsführung) Prof. Dr. Wolfgang Huber, 2. Vorsitzender Dr. Werner Rechmann, 3. Vorsitzender (Schatzmeister) Franz J. Müller, Ehrenvorsitzender Die Mitglieder Joachim Baez, Heinz Beumer; Jörg Busenbender; Dr. Igor Chramow; Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin; Karin Friedrich; Thomas Guckenbiehl; Heiner Guter; Dr. Klaus Hahnzog; Dr. Hildegard Hamm-Brücher; Dr. Thomas Kiepe; Dr. Hildegard Kronawitter; Dr. Traute Lafrenz-Page; Dr. Silvester Lechner; Prof. Dr. Hans Mommsen; Franz J. Müller; Jula Müller; Dr. David Müller; Britta Müller-Baltschun; Johannes Nebmaier; Christa Nickisch; Christian Petry; Dr. Werner Rechmann; Dr. Rachel Salamander; Dieter Sasse; Prof. Dr. h.c. Klaus Saur; Heino Seeger; Dr. Christof Schmid; Frank Trümper; Winfrid Vogel; Christian Vorländer; Prof. Dr. Michael Wyschogrod Der Beirat Karin Friedrich; Dr. Klaus Hahnzog (Vorsitzender); Dr. Hildegard Hamm-Brücher; Paul Hansel; Dr. h.c. Charlotte Knobloch; Prof. Dr. Hans Mommsen; Dr. Rachel Salamander (stellv. Vorsitzende); Prof. Dr. h.c. Klaus Saur (stellv. Vorsitzender); Dr. Christof Schmid; Dr. Rudolf Sussmann; Erwin Teufel; Christian Ude; Dr. Michael Verhoeven; Winfrid Vogel; Dr. HansJochen Vogel; Dr. Beatrice von Weizsäcker MitarbeiterInnen Ruth Drolshagen: Geschäftsführung (bis 30.9.2010) Christine Fiala-Köfer, Finanzen und Verwaltung (ab 1.10.2010) Ursula Kaufmann: Einzelausstellungen, pädagogische Projekte, Besucherbetreuung, Kommunikation Sandra Knösel: Ausstellungsverleih, Netzwerk Weiße Rose Ulrich Müller: Archiv, Führungen Markus Kirchner: studentische Aushilfe Ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der DenkStätte Weiße Rose: Alfons Balthesen, Susanne Bergmann, Irene von Denffer, Bernhard Eble, Gerda Eierstock, Barbara Keim, Dr. Maren Killmann, Marie Lohmeyer; Christa Nickisch, Horst Plotzki, Ingeborg Rubner, Brigitte Schmid Vereinsregister Amtsgericht München VR 12214 Finanzamt München Steuer-Nr. 143/224/40546 Die Weiße Rose Stiftung e. V. ist zur Entgegennahme von Spenden und Bußgeldern gemäß Körperschaftssteuerbescheid vom 12.12.2008 berechtigt. Spenden werden für die satzungsgemäßen Aufgaben verwendet. Spendenkonto und Bankverbindung: Stadtsparkasse München Kto 885, BLZ 701 500 00 49 Beitrittserklärung Weiße Rose Stiftung Ludwig-Maximilians-Universität Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Telefon 0 89 / 2180-5359, 2180-5678 Telefax 0 89 / 2180--5346 E-Mail [email protected] www.weisse-rose-stiftung.de www.facebook.com/WeisseRoseStiftung Stadtsparkasse München IBAN: DE68 7015 0000 0000 0008 85 BIC: SSKMDEMM Ich möchte die Arbeit der Weiße Rose Stiftung e.V. über den Kreis der Freunde und Förderer unterstützen. Mein Jahresbeitrag (€ 65,– oder mehr) € (€ 35,– Studierende) Meine Spende € (jährlich) Meine Spende € (einmalig) Die Beiträge sollen per Lastschrift eingezogen werden. Spendenquittung wird zugesandt. 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