China im Marina-Fieber
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China im Marina-Fieber
Technik China im Marina-Fieber Panorama der Xiamen Marina vor dem geplanten Ausbau. Regierungsstellen, Staatsunternehmen und private Entwickler treiben den Ausbau der Yachtindustrie Chinas voran. Milliarden Yuan fliessen in neue Marina-Projekte – eine neue Boombranche entsteht. Doch noch sind Schiffskäufer relativ rar und die bürokratischen Hürden für Freizeitskipper hoch. Luanhan LI Chinesen – die neuen Russen? Azimut Yachts Chapman Taylor Text : Gerd 48 F. Michelis In China lassen sich Immobilien mit angeschlossenem Yachthafen zwei- bis dreimal so teurer verkaufen wie solche ohne. Wohl deshalb verfügt das Riesenreich bereits über rund hundert Marinas. Obwohl nur eine Yacht auf eine Million Einwohner kommt, macht dies 1300 Yachten insgesamt. Denn sind Büros, Wohnungen und Läden am Yachthafen erst einmal verkauft, «werden die Häfen meistens nicht weiter bewirtschaftet, die Pontons verrotten und bald dümpeln die wenigen Yachten unbeaufsichtigt vor sich hin», erklärt Xavier Maurey, Marketing direktor der Sanya Serenity Marina, einer luxuriösen Anlage, die noch dieses Jahr er öffnen soll. «Wir haben hier fast jede Nacht einen sternenklaren Himmel», schwärmt Maurey. Das ist in der Smog geplagten Volksrepublik ein starkes Verkaufsargument. Maurey: «Und der Regenwald zieht sich bis in die Stadt hinein.» Sanya liegt auf der marina.ch oktober 11 e inzigen Tropeninsel Chinas – auf Hainan, etwa 700 Kilometer südwestlich von Hongkong. «In Hongkong selber habe ich neun Jahre lang gelebt, aber an Segeln war im Winter nicht zu denken, mit fünf Grad ist es zu kalt und oft auch zu nebelig», erinnert sich Maurey. In Sanya hingegen sinkt selbst im Januar die Lufttemperatur selten unter 20 Grad Celsius. Ein idealer Ort für eine Nobel-Marina möchte man meinen. 340 moderne, erstklassig ausgestattete Liegeplätze, darunter ein Dutzend für Superyachten mit mehr als 30 Meter Länge, 24-Stunden-Service, Yacht-Club, Fünf-Sterne-Hotel, Swimmingpools, Tennisplätze, Restaurants und ein 100-TonnenTravellift gehören zur Infrastruktur. Die Zielgruppe: Fast ausschliesslich Chinesen – reiche Einheimische, Privatleute zumeist, die nach Immobilien und Autos jetzt Yachten als neue Statussymbole entdeckt haben. Die Marina liegt gut: Knapp zehn Autominuten vom Stadtzentrum Sanyas entfernt, dreissig Minuten vom Phoenix International Airport. oktober 11 marina.ch Einzig eine Kleinigkeit will nicht so recht ins Bild passen: die Marine der Volksbefreiungsarmee. Hier, im Südchinesischen Meer, Luftlinie keine zwanzig Kilometer östlich der Sanya Serenity Marina, betreibt die People’s Liberation Army Navy laut der britischen Militärfachzeitschrift «Jane‘s Intelligence Review» einen unterirdischen Atom-U-BootStützpunkt. Oberirdisch, an den Piers in der Yalong Bay, machen regelmässig Zerstörer der Luyang-Klasse fest. Nicht weit davon entfernt plantschen Kinder in den türkisfarbenen Fluten. Letzteres beeindruckt die Kommandierenden der Südflotte wohl kaum, dass aber Yachten aus dem Ausland in chinesischen Küstengewässern aufkreuzen, das stört sie – und zwar gewaltig. Weswegen die Militär-Marine-Bürokratie gerne ausländische Eigner und Skipper mit so vielen Auflagen, Beschränkungen und Verboten belegt, dass jede wassersportliche Bewegung verunmöglicht wird. «Das wird sich bald ändern», ist Maurey überzeugt. Die Situation lässt sich mit der in Russland vor fünf Jahren vergleichen, als dort die Nachfrage nach Superyachten explodierte und europäische Werften begannen, ihre Broschüren und Websites auf Russisch zu übersetzen. Ein ungleich grösseres Potenzial scheint in China vorhanden zu sein: Denn glaubt man dem «Hurun Wealth Report» – Chinas Version der «Forbes»-Liste der Reichsten – so besitzen im Reich der Mitte 875 000 Menschen ein Vermögen von mehr als 10 Millionen Yuan (etwa 1,4 Millionen Franken) und 55 000 sogar mehr als 100 Millionen Yuan, darunter rund 140 Franken-Milliardäre. Dianfang Liu, Generalsekretär der Yacht Industry Association von Xiamen, einer Millionenstadt an der Küste, schätzt, dass letztes Jahr in China Yachten für bis zu 20 Milliarden Yuan verkauft worden sind: «Wir rechnen mit jährlichen Zuwachsraten von zwanzig Prozent.» Vor wenigen Wochen erst schloss der italienische Bootsbauer Azimut Yachts auf der Messe «Hainan Rendezvous» Lieferverträge für fünf Boote ab, darunter die Azimut 120 SL mit fast 36 Metern. «Es ist die grösste Yacht, die wir bisher in Asien verkauft haben», sagt Tim Bai, Chef des China-Geschäfts in Shanghai, «am meisten gefragt sind derzeit aber Boote zwischen 15 und 24 Metern Länge.» Der typische Kunde sei männlich, 35-50 Jahre alt, oft ein Unternehmer, der die Yacht als eine Art Business-Tool mit Statuswirkung nutze. Bai geht davon aus, dass der chinesische Yachtmarkt sehr dynamisch wachsen wird. Ähnlich sieht das der schwedische Motorenhersteller Volvo Penta, Sponsor der 16. China International Boat Show in Shanghai. «Wir haben damit Präsenz gezeigt und deutlich gemacht, welche Bedeutung wir dem chinesischen Sportbootmarkt bei messen», erklärt Senior Vice President Mats Edenborg. Umgerechnet rund 55 Millionen Euro wollen die Schweden in den nächsten drei Jahren ins für China neue Freizeitsegment investieren. 49 Marinas, weitere sind geplant. Allgegenwärtige Bürokratie Edenborg meint, bevor in China eine Yachtkultur wie im Westen aufblühen könne, müssen einige Hindernisse – auch mentaler Art – beseitigt werden. «Einfach nur Zeit draussen auf dem Meer in der Sonne zu verbringen, halten die meisten Asiaten nicht für eine sinnvolle Beschäftigung.» Chinesen gilt nämlich gemäss dem Konzept von Yin und Yang das Meer als Yin, die dunkle Seite, ein obskures Element, das man bestenfalls benutzt, um darauf Menschen und Waren zu transportieren oder Fische zu fangen, aber doch nicht zum Vergnügen. Dennoch dürfte sich dieses Verständnis schneller wandeln als andere Hürden, die in 50 Chinas grösster Superyachthafen Weil die Yachtindustrie in China neu sei, so Cai weiter, wisse die Regierung nicht so recht, wie sie mit allen offenen Fragen umgehen solle. Cai bietet den politischen Instanzen dabei Hilfe an. Ist er doch gleichzeitig Generaldirektor eines Staatsunternehmen, das ein ehrgeiziges Bauprojekte vorantriebt: Die Xiamen Marina an der Wuyuan Bay. Auf dem 100 000 Quadratmeter grossen Areal entstehen für mehr als 100 Millionen Euro 600 Liegeplätze und auch ein Zoll freilager, eine riesige Ausstellungshalle und die einzige Werft Chinas, die öffentlich und von jedermann genutzt werden kann. Fast 30 Firmen – Händler, Hersteller und Serviceunternehmen – hätten sich bereits in der Marina angesiedelt und letztes Jahr einen Umsatz von 45 Millionen Euro erzielt. Die Region wird sich wahrscheinlich zum Zentrum des chinesischen Yachtexports entwickeln. «Ohne die massive Unter stützung durch die Stadtregierung hätte sich marina.ch oktober 11 die Bootsbranche hier niemals so schnell entwickelt», erklärt Dianfang Liu. Insofern könne Xiamen als Beispiel für ganz China dienen. Was allerdings nicht für das Klima gilt: Der Sommer im Südosten dauert sieben Monate, im Nordosten sind es maximal drei. Im Winter treiben nicht selten dicke Eisbrocken auf dem Ostchinesischen Meer. Wen wunderts, ist die Marina in Qingdao, wo die Olympischen Spiele stattgefunden haben, nicht wirklich ausgelastet. Von den 700 Liegeplätzen sind nur deren 300 belegt. Doch das hält die politische Führung und die Superreichen von Beijing nicht davon ab, den Marina-Wahn weiter zu treiben. Für die Hafenstadt Tianjin, 150 Kilometer südöstlich der Hauptstadt und somit nördlich von Qingdao (!), wird die ultimative chinesische Supermarina geplant: Auf einer Fläche von 900 000 Quadrat metern sollen 750 Liegeplätze für Luxus yachten von bis zu 90 Metern Länge ent stehen. Investitionsvolumen: umgerechnet fast eine Milliarde Euro! oktober 11 marina.ch Guan Erpi Tropeninsel, gibts bereits China mit dem Yachtsport verbunden sind. «Wir leiden unter einer enormen Abgabenlast», klagt Dianfang Liu vom Verband der Xiamen Yachtindustrie. Steuern und Ab gaben erhöhen den Preis eines importieren Bootes um rund vierzig Prozent. Nicht nur der Fiskus, auch die allgegenwärtige Bürokratie macht allen Freizeitskippern zu schaffen. Sie müssen sich vor dem Auslaufen an eine der 97 Niederlassungen der «Chinese Maritime Safety Administration» wenden. Wenn deren Einverständnis vorliegt, be deutet das nicht, dass man damit sehr weit kommt, wie Zhibin Cai, Vizepräsident des Verbandes der Yachtindustrie von Xiamen, erläutert: «Falls ich mit dem Boot von Xiamen nach Shanghai fahren will, benötige ich nebst verschiedenen Dokumenten natürlich auch einen Bootsführerschein, der jedoch nur regional gültig ist.» Tatsächlich stellen die südlichen Provinzen Chinas ihre eigenen Führerscheine aus, die in Shanghai nicht anerkannt sind. marina.ch Ralligweg 10 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 [email protected] Guan Erpi Auf Hainan, Chinas einziger Guan Erpi Chapman Taylor (links und rechts) Chapman Taylor Technik www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 62 56