Allergie gegen Rhodium?
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Allergie gegen Rhodium?
Allergie gegen Rhodium? BGFA entdeckt Soforttyp-Allergie gegen Rhodiumsalze Rolf Merget, Ingrid Sander, Thomas Brüning Rhodium ist ein silberfarbenes Metall, das vor allem als Katalysator- oder Beschichtungsmaterial eingesetzt wird. Beim Recycling entsprechender Produkte können Expositionen gegenüber Rhodium auch in Edelmetallscheidereien auftreten. Das Metall zählt zur Gruppe der Platinmetalle, von denen bereits einige als Auslöser für allergische Reaktionen bekannt sind. Rhodium gehörte bislang nicht dazu. Das BGFA hat jetzt den ersten Fall einer Soforttyp-Allergie gegen Rhodiumsalze bei einem 27-jährigen Galvaniseur beschrieben. Zwei Metalle der 6. Periode des Periodensystems der Elemente sind als Auslöser einer Soforttyp-Allergie bekannt: Platin und Iridium. Während die Platinsalzallergie häufig ist, wurde von einer Soforttyp-Allergie auf Iridiumsalze nur einmal berichtet (1). Es handelte sich um einen Arbeiter eines elektro-chemischen Betriebs, der Titan-Anoden herstellte. Der Pricktest mit Iridiumchlorid war positiv und Scratchtests mit einer Iridiumchloridlösung sowie mit Iridiumsalz enthaltenden Lösungen vom Arbeitsplatz produzierten systemische allergische Reaktionen. Platinsalzallergien treten bei Arbeitern in Edelmetallscheidereien (2) und der Katalysatorherstellung (3) häufig auf. In beiden Industrien besteht eine komplexe Exposition zu verschiedenen Metallen. Die Diagnose wird in der Regel durch arbeitsbezogene Beschwerden und einen positiven Pricktest mit Platinsalz gestellt, der hoch spezifisch ist. Expositionstests können arbeitsbezogen nach Mischen der Platinsalze mit Laktose (4) oder als bronchiale Provokationstests mit direkter Inhalation der Salzlösung mittels Vernebler erfolgen (5). Palladium, Rhodium and Ruthenium gehören der 5. Periode des Periodensystems der Elemente an. Es ist bekannt, dass Arbeiter 6 von Edelmetallscheidereien und Katalysatorproduktionen mit einer Platinsalzallergie positive Pricktests mit diesen Metallen aufweisen können (6-8). Da diese Personen primär gegenüber Platinsalzen exponiert waren, werden die Kutanreaktionen auf Palladium, Rhodium und Ruthenium als Kreuzreaktionen interpretiert (2). Es existiert nur eine Fallbeschreibung über ein berufliches Soforttyp-Asthma durch Palladiumsalze (9). Die Exposition erfolgte durch Emissionen aus einem Palladiumchlorid enthaltenden Galvanikbad. Dieser Arbeiter zeigte ausschließlich einen positiven Pricktest mit Tetrammin-Palladium(II)chlorid (1 µg/mL) sowie einen positiven bronchialen Provokationstest mit diesem Salz, das als Aerosol appliziert wurde. Eine RhodiumsalzSoforttyp-Allergie ist bislang nicht beschrieben. Fallbeschreibung Wir berichten die Kasuistik eines Versicherten, der sich zur Begutachtung hinsichtlich einer Berufskrankheit 4301 (Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) im BGFA vorstellte. Der 27-jährige atopische Nichtraucher begann seine Tätigkeit als Galvaniseur 1997, hatte aber bis 2002 nur selten Metallkontakt. Ab 2002 war er mit dem Ansetzen der BGFA-Info 03/08 ARBEITSMEDIZINISCHER FALL gussa (Hanau) als 22 mmol/L Lösungen zur Verfügung gestellt. Diese Stammlösungen wurden am Tag vor der Untersuchung zehnfach mit Phosphatpuffer verdünnt. Um Verunreinigungen zu erkennen, wurden die 2,2 mmol/L-Lösungen von Platin- und Rhodiumchlorid auf weitere Edelmetalle (Rh, Pt, Pd, Ru, Ir, Au) mit ICP-OES (Inductively Coupled Plasma Optical Emission Spectrometry) untersucht. Dabei konnten keine Verunreinigungen festgestellt werden: 440 mg/L Platin und 220 mg/L Rhodium wurden in den entsprechenden Lösungen gemessen; alle anderen Metalle lagen unter 0,2 mg/L. Für Metalle, die im Pricktest eine Reaktion hervorriefen, wurde eine Dosis-Wirkungskurve in vierfachen Verdünnungsschritten bis 0,13 µmol/L (ingesamt sieben Verdünnungsschritte) erstellt. Außerdem wurden quantitative bronchiale Provokationstests durchgeführt. Diese erfolgten mit den gleichen Salzen von Platin und Rhodium in vierfachen Dosierungsschritten mit einem APSpro Dosimeter (Cardinal Health, Würzburg) und einem DeVilbiss 646 Vernebler (DeVilbiss, Malsch) an zwei aufeinander folAbb. 1: Quaddeldurchmesser im Pricktest mit Na2PtCl6 und Na3RhCl6. Angegeben sind jeweils arithmetische Mittelwerte von Doppelbestimmungen. Der Konzentrationsbereich lag zwischen 0,1 µmol/L und 2,2 mmol/L. Galvanikbäder, insbesondere der Rhodiumbäder beschäftigt. Hierbei bestand Exposition zu verschiedenen Rhodiumsalzen und in geringerem Umfang zu Goldsalzen. Während er täglich gegenüber Rhodiumsalzen exponiert war, kam es zusätzlich etwa einmal im Monat zu einer Exposition gegenüber Platinsalzen. Drei Jahre später entwickelte er arbeitsbezogenen Fließschnupfen und Atembeschwerden. Diese Beschwerden konnte er der Exposition zu Rhodiumsalzen zuordnen. Zu Platinsalzen bestand kein Bezug. Eine erste auswärtige Untersuchung im Januar 2007 zeigte einen positiven Expositionstest mit erhitztem Rhodiumsulfat, das der Patient von der Arbeit mitgebracht hatte. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er Ende 2007 innerhalb des Betriebs versetzt. Danach kam es noch zu gelegentlichem arbeitsbezogenen Fließschnupfen und Atembeschwerden beim Ansetzen von Rhodiumbädern – trotz Abzug und dem Benutzen von Atemschutz. Außerhalb des Arbeitsplatzes war er beschwerdefrei. Untersuchungen am BGFA Im Mai 2007 wurde der Patient erstmals am BGFA untersucht. Er war ohne Medikation und in den letzten Tagen vor der Untersuchung beschwerdefrei. Es wurden Pricktests mit verschiedenen Metallsalzen durchgeführt: Natriumchloridsalze von Platin (Na2PtCl6), Rhodium (Na3RhCl6), Palladium (Na2PdCl4), Iridium (Na3IrCl6) und Gold (NaAuCl4). Die Metallsalze wurden von DeBGFA-Info 03/08 Abb. 2: Zeit-Wirkungskurve der bronchialen Provokationstests mit Na3RhCl6 (A) und Na2PtCl6 (B). Die Inhalationen begannen mit einer Konzentration von 0,13 nmol/L (eine Dosis von 5,9 fmol) mit beiden Metallsalzen. Bei Platinsalz betrug die höchste Konzentration 34,4 µmol/L oder 6.7 mg Metall/L (eine Dosis von 1,55 nmol oder 293 ng Metall), bei Rhodiumsalz betrug die höchste Konzentration 2,1 µmol/L oder 216 µg Metall/L (eine Dosis von 97 pmol oder 10 ng Metall). Blau: spezifischer Atemwegswiderstand (sRt); rot: FEV1. Die Messungen erfolgten jeweils zehn Minuten nach jeder Inhalation. 7 Abb.: Ausschnitt aus der Kristallstruktur des Natriumchloridsalzes von Rhodium (Na3RhCl6) genden Tagen. Aus Sicherheitsgründen wurde mit 1000fach verdünnteren Lösungen als im Pricktest begonnen. Die niedrigste Metallsalz-Konzentration war 0,13 nmol/L entsprechend einer Dosis von 5,9 fmol. Bodyplethysmographie und Spirometrie wurden durchgeführt. Der spezifische Atemwegswiderstand und FEV1 wurden zehn Minuten nach jeder Inhalation registriert. Ein Test wurde bei einem FEV1-Abfall von mehr als 20 Prozent abgebrochen. Ein Methacholintest erfolgte am Tag vor und nach den spezifischen Provokationen (10). Ergebnisse unwahrscheinlich war. Auch die Zunahme der bronchialen Hyperreaktivität nach den beiden spezifischen Testungen spricht für einen immunologischen Mechanismus. Frühere Untersuchungen konnten zeigen, dass Provokationstests mit Platinsalzen bei wesentlich höhreren Dosen hochspezifisch sind (5). Die Reaktivität des Patienten im Prick- und Provokationstest auf Rhodiumsalz war in der gleichen Größenordnung wie die Reaktivität von Edelmetallscheidereiarbeitern auf Platinsalz (5). Interessanterweise zeigten sich positive Reaktionen im Pricktest mit Rhodiumsalz mit den gleichen Konzentrationen wie im bronchialen Provokationstest. Retrospektiv wurde die Startdosis Die Lungenfunktion war normal (FEV1 109%Soll), es zeigte sich aber eine bronchiale Hyperreaktivität (Provokationsdosis für einen Abfall der Einsekundenkapazität um mehr als 20 Prozent (PD20FEV1): 161 µg Methacholin). Im Pricktest mit Rhodiumsalz zeigte der Patient Quaddelreaktionen ab Konzentrationen von 2,1 µmol/L (0,216 mg Metall/L), mit Platinsalz ab 550 µmol/L (107 mg Metall/L). Die Empfindlichkeit auf Rhodiumsalz war somit ca 250fach höher als auf Platinsalz. Die Dosis-Wirkungskurve mit beiden Metallsalzen war annähernd linear (Abbildung 1). Pricktests mit Palladium-, Iridium- und Goldsalz waren negativ. In den bronchialen Provokationstests zeigten sich Sofortreaktionen bei 0,097 nmol Rhodiumsalz (10 ng Metall) und 1,55 nmol Platinsalz (293 ng Metall) (Abbildung 2). Die Empfindlichkeit auf Rhodiumsalz war somit um den Faktor 16 höher als auf Platinsalz. Der Methacholintest 24 Stunden nach der letzten spezifischen Provokationstestung zeigte eine PD20FEV1 von 73 µg Methacholin. Diskussion Die Diagnose einer Rhodiumsalz-Allergie basiert auf typischen arbeitsbezogenen asthmatischen und rhinitischen Beschwerden sowie auf positiven Prick- und Provokationstests mit Rhodiumchlorid. Die Spezifität des Pricktests mit Rhodiumsalzen wurde bereits früher gezeigt (6-8, 11), deshalb wurde auf entsprechende Tests bei nichtexponierten Kontrollpersonen verzichtet. Aus ethischen Gründen und in Anbetracht der sehr geringen Rhodiumdosis für eine bronchiale Reaktion des Patienten wurde ebenfalls von bronchialen Provokationstests bei nichtexponierten Kontrollpersonen abgesehen, da eine irritative Reaktion sehr 8 Rhodiumdraht und Rhodiumfolie BGFA-Info 03/08 ARBEITSMEDIZINISCHER FALL Da positive Pricktests mit Rhodiumsalzen bei Platinsalz-allergischen Arbeitern in Edelmetallscheidereien (6-7) und Katalysatorproduktionen (8) beobachtet wurden, könnte die RhodiumsalzSensibilisierung des Patienten als Kreuzreaktivität bei primärer Platinsalzallergie interpretiert werden. Dies ist aber aus mehreren Gründen im vorliegenden Fall wenig wahrscheinlich: Zum einen war der Patient ein Galvaniseur mit wesentlich häufigerem Kontakt zu Rhodium als zu Platin. Das Gegenteil trifft für Arbeiter in Scheidereien und Katalysatorproduktionen zu: Hier ist die Exposition gegenüber Platinsalzen dominant. Zweitens waren die Beschwerden mit Rhodium-, nicht aber mit Platinsalzexposition assoziiert. Drittens war der Patient sowohl im Prick- als auch im bronchialen Provokationstest im Vergleich zu Platin wesentlich empfindlicher gegenüber Rhodium. Verunreinigungen der Testsubstanzen konnten jeweils durch Metallanalysen ausgeschlossen werden. Die Reaktionen auf Platinsalze können als Kreuz- oder Kosensibilisierung interpretiert warden, eine Unterscheidung ist nicht möglich, da der Patient gegenüber beiden Metallen exponiert war. Die Untersuchungen am BGFA konnten bei dem Patienten keine spezifischen IgE-Antikörper gegen Rhodiumsalz nachweisen. Dies spricht aber nicht gegen einen IgE-vermittelten Mechanismus, denn auch bei Platinsalzen gelingt der In-vitro-IgE-Nachweis nur mit geringer Sensitivität (2). Der Patient berichtet über Beschwerden nach Einwirkung mehrerer Rhodiumsalze. Am BGFA wurde nur mit Rhodiumchlorid getestet, man kann aber davon ausgehen, dass Tests mit anderen Rhodiumsalzen ähnliche Reaktionen gezeigt hätten, wie für Platinsalze bekannt (12). Diese Annahme wird gestützt durch die Beschwerden des Patienten nach Kontakt mit verschiedenen Rhodiumsalzen und dem früher positiv beschriebenen Expositionstest mit Rhodiumsulfat. Luftmesswerte oder ein Biomonitoring lagen im vorliegenden Fall nicht vor. In Anbetracht der zuletzt seltenen arbeitsbezogenen Beschwerden erscheint dies für die Diagnose und Prävention letzlich auch entbehrlich. Nach Aussagen des Patienten benutzte er zuletzt grundsätzlich einen Abzug und Atemschutz. Eine Anerkennung als Berufskrankheit 4301 war nicht möglich, da die gefährdende Tätigkeit noch nicht aufgegeben wurde. Da gelegentliche Symptome trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen persistierten und eine bronchiale Hyperreaktivität gemessen werden konnte, wurde komplette Expositionskarenz gegenüber Rhodium- und Platinsalzen empfohlen. Eine innerbetriebliche Versetzung aus dem exponierten Bereich heraus wird angestrebt. BGFA-Info 03/08 Literatur 1. Bergman A, Svedberg U, Nilsson E. Contact urticaria with anaphylactic reactions caused by occupational exposure to iridium salt. Contact Dermatitis 1995;32:14-17 2. Bernstein IL, Merget R. Metals. In: Asthma in the workplace, 3rd edition. Bernstein, Chan-Yeung, Malo, Bernstein, eds. Marcel Dekker Inc. New York 2006, 525-554 3. Merget R, Kulzer R, Dierkes-Globisch A, Breitstadt R, Gebler A, Kniffka A, Artelt S, Koenig HP, Alt F, Vormberg R, Baur X, Schultze-Werninghaus G. Exposure-effect relationship of platinum salt allergy in a catalyst production plant - Conclusions from a five-year prospective cohort study. J Allergy Clin Immunol 2000;105:364-370 4. 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