Vollständiger Artikel - Max Planck Institute of Economics
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Vollständiger Artikel - Max Planck Institute of Economics
Spielend – tiefe Einsichten - gewinnen! - Vom Spiel (theoretischen) Modell zum Interaktionsexperiment Prof. Dr. Werner Güth Anhand des Ultimatumspiels und seiner Varianten und Erweiterungen wird illustriert, wie man spieltheoretische Analyse experimentell überprüfen kann und welche Forschungsfragen daraus resultieren. Als komplexeres (Bei) Spiel wird die Ausschreibung betrachtet, bevor allgemein diskutiert wird, mit welcher Methodik auf Abweichungen des beobachteten Verhaltens von der spieltheoretischen Vorhersage reagiert wird. 1. Ultimatumspiele und Experimente Werner G. war schon immer ein Kauz: Statt den Zwillingen Nina und Nino - Nino ist fiktional wie der fiktive Sohn „Karlchen“, der dem Autor geholfen hat, die weibliche Dominanz in seiner Familie zu beschränken - die insgesamt 100 EURO einfach zu schenken, hat er die Regeln des Ultimatumspiels angewandt. Nina muss vorschlagen, wie viel sie von den 100 EURO an Nino abgeben will, wobei davon ausgegangen wird, dass Nina Nino mindestens einen EURO und höchstens 99 EURO anbieten kann. Nino muss dann entscheiden, ob er diesen Vorschlag akzeptiert. Wenn ja, erhält Nino den Betrag, den Nina ihm angeboten hat, und Nina den Rest. Bietet zum Beispiel Nina Nino 30 EURO an und wird dies von Nino akzeptiert, so erhält Nina 70 EURO und Nino 30 EURO. Lehnt Nino aber ab, so erhalten beide nichts, d.h. Werner G. behält die 100 EURO. Spieltheoretische (Gleichgewichts) Lösungen sind vollständige Verhaltenspläne für die interagierenden Parteien – im Ultimatumspiel für Nina mit Vorschlagsrecht und Nino mit Vetorecht. So beschreibt eine Strategie von Nino, wie er auf alle theoretisch möglichen Vorschläge seitens Ninas reagieren würde. Ist Nino sehr auf Geld erpicht, so sollte er zum Beispiel alle möglichen Vorschläge von Nina annehmen – Ablehnen bedeutet, nichts zu gewinnen, während Annahme mindestens einen EURO einbringt. Für Nina beinhaltet eine Strategie ein konkretes Angebot an Nino. Ist Ninos „Geldgier“ Nina bewusst, so wird sie die generelle Annahme aller Angebote durch 1 Nino akzeptieren. Nina verdient daher am meisten, wenn sie Nino das Minimalangebot von einem EURO unterbreitet. Mit diesem (Bei) Spiel (vgl. Güth: Spieltheorie und ökonomische (Bei) Spiele, 1992) könnte man eine Spieltheorievorlesung beginnen. Die durch solche Analyse Bereicherten seien jedoch gewarnt. So geldgierig, wie für Nina und Nino unterstellt, sind die wenigsten Menschen. In einer Vielzahl von Experimenten, beginnend mit Güth/Schmittberger/Schwarze (1982), hat sich gezeigt, dass ein typischer Nino Angebote von weniger als 30 EURO eher ablehnt als annimmt und eine typische Nina das faire Angebot von 50 EURO unterbreitet. Zwingt man Nino dazu, eine vollständige Strategie zu wählen, und nicht nur auf das konkrete Angebot von Nina zu reagieren, so zeigt sich darüber hinaus noch ein weiterer interessanter Aspekt: ca. 5 % - 10 % der „Ninos“ lehnen nicht nur zu geringe Angebote (unter 30 EURO) ab, sondern auch zu großzügige Angebote (zum Beispiel über 80 EURO). Zumindest diese Nino-Teilnehmer sind nicht nur an einem hohen Geldgewinn, sondern auch an einer fairen Geldaufteilung interessiert. Man kann dieses Experiment mit Kindern (z.B. Murnighan/Pillutla, 1996) oder (nicht) eineiigen Zwillingspaaren (Wallace et al., 2007) durchführen, aber auch – zum Beispiel in Form von Zeitungsexperimenten (Güth/Schmidt/Sutter, 2003 und 2007) – von Angehörigen aller Altersgruppen spielen lassen. Es ist etwas aufwändiger, in den Urwald zu gehen, um das Spielverhalten noch existierender Ureinwohner zu untersuchen (Henrich, 2005), und noch viel schwieriger, das Ultimatumspiel von Schimpansen zu beobachten (Jensen/Call/Tomasello, 2007). Auch lässt sich untersuchen, wie sich durch Nasenspray verabreichtes Oxytocin (Kosfeld et al. 2005) oder individuelle Unterschiede im körpereigenen Testosteronspiegel auf das Spielverhalten (Neue Züricher Zeitung, 2007, S. 61) auswirken und wie sich Entscheidungsüberlegungen im Ultimatumexperiment über brain sanning gemessene Effekte in der Gehirnaktivität widerspiegeln (Sanfrey et al., 2003). Dies illustriert, wie das Ultimatumspiel als so genanntes experimental workhorse benutzt werden kann, um tiefere Einsichten darüber zu gewinnen, wie man – sei es Mann oder Frau, Mensch oder Tier – sich in sozialen Konfliktsituationen verhält. 2 Ursula G., die Frau von Werner G., hat schon immer viel mehr Geld ausgegeben. Sie erlaubt den Zwillingen Nina und Nino, 500 EURO statt nur 100 EURO untereinander aufzuteilen, wobei sie jedoch auf folgender Regeländerung besteht: Nino weiß nicht, wie viel von den 500 EURO Nina ihm angeboten hat, wenn er über Annahme oder Ablehnung ihres Angebotes entscheidet. Wir sprechen hier von einem Ja oder NeinSpiel. Ist das geringste (höchste) mögliche Angebot ein (499) EURO, so ist für einen geldgierigen Nino die Entscheidung einfach: Er sollte annehmen. Andererseits wissen wir, dass ein typischer Nino an einer fairen Aufteilung interessiert ist. Ein solcher Nino-Teilnehmer eines Ja oder Nein-Experiments wird mit Recht befürchten, dass Nina ihm – verglichen zum Ultimatumspiel – wenig anbietet. Umgekehrt gibt es auch im Ja oder Nein-Experiment einige Nina-Teilnehmer, die faire Angebote (zum Beispiel von 250 EURO) unterbreiten. Ninos „Nein“ könnte dann den falschen bestrafen (er kauft quasi die Katze im Sack). Die letztere Befürchtung hält die meisten Nino-Teilnehmer davon ab, „Nein“ zu sagen, obwohl sie in der Regel nur magere Angebote erwarten (Gehrig et al. 2007). Man kann das Ultimatumspiel auch als Spezialfall in einer viel größeren Klasse von Spielen betrachten, was sich mittels der – in der Spieltheorie vorherrschenden – mathematischen Darstellungsweise leicht bewerkstelligen lässt. Sei p (> 0) der Geldbetrag, der von Nina und Nino untereinander aufgeteilt wird, und o mit 0 < o < p das Angebot, das Nina Nino unterbreitet. Bezeichnet λ = 1 Ninos Annahme und λ = 0 Ninos Ablehnung, so verdient im Ultimatumspiel Nina λ( p − o) und Nino λo . Geht man nun für λ = 0 davon aus, dass Nina α( p − o) und Nino βo verdient, so erhält man eine ganze Klasse von (α, β) -Spielen mit 0 ≤ α, β ≤ 1 , von denen das Ultimatumspiel den Spezialfall α = 0 = β beschreibt. Gilt α = 1 , so kann Nino Nina nicht bestrafen (impunity games); für β = 1 kostet es Nino nichts, Nina zu bestrafen. Im Fall α = 1 = β kann Nina die Aufteilung diktieren. Generell führt α → 1 zu geringeren und β → 1 zu großzügigeren Angeboten o von Nina an Nino (Bolton/Katok/Zwick, 1988; Güth/Huck, 1997; Suleiman, 1996, hat verschiedene Punkte auf der α = β -Hauptdiagonalen und Fellner/Güth, 2003, verschiedene Punkte auf der α + β = 1 -Nebendiagonalen im α, β -Einheitsquadrat untersucht). Dies illustriert eine typische Vorgehensweise in der experimentellen Forschung. Man beginnt mit 3 der Untersuchung spezieller Spiele und verallgemeinert das experimentelle Design, um zwischen konkurrierenden Verhaltenserklärungen unterscheiden zu können. So lassen sich zum Beispiel für α = 0 , nicht aber für α = 1 großzügige Angebote o im Bereich o nahe p 2 durch Furcht vor Ablehnung erklären. Natürlich kann man die Spielklasse noch weitgehender verallgemeinern. Zum Beispiel könnte man analog (Berg/Dickhaut/McCabe, 1995) zum Investitions- zulassen, dass oder mit dem Vertrauensspiel Angebot o die Auszahlungssumme im Fall λ = 1 verändert wird. Während Nina sich durch ihr akzeptiertes Angebot o mit p − o begnügen muss, würde Nino mo mit m > 0 verdienen. Für m > 1 bzw. m < 1 würde durch höhere Angebote o im Bereich 0 < o < p die Auszahlungssumme p − o + mo an Nina und Nino steigen bzw. sinken. Darüber hinaus ließe sich untersuchen, wie sich private Information nur einer Partei über die (Spiel)Parameter p, α , β und m auf das Verhalten auswirkt (vgl. zum Beispiel Güth/Huck/Ockenfels, 1996). 2. Sinnvoll ausschreiben Gehen wir von einer anderen Situation aus. Der Max-Planck-Präsident habe seinem Jenaer Institut für Ökonomik in Anerkennung seiner hervorragenden Arbeit in der Grundlagenforschung ein neues Laborgebäude in genau spezifizierter Bauausführung zugesagt. Um die Bereitstellung bewerben sich genau n(≥ 2) Baufirmen. Die Frage ist, zu welchen Bedingungen welcher dieser n Baufirmen der (Bau)Auftrag erteilt werden soll. Eine Anforderung an die Auftragsvergabe, zumindest dann, wenn das Projekt steuerfinanziert ist, sollte die Willkürfreiheit der Verfahrensregeln sein. Konkret könnte man fordern (Güth, 1986), dass keine der Baufirmen gemäß ihrem abgegebenen Gebot den Nettotauschvektor einer anderen Baufirma ihrem eigenen vorzieht. Was würde dieses Postulat implizieren? Falls man nicht den Zuschlag erhält, so erhält und verausgabt man nichts, d.h. der Nettotauschvektor wird mit Null bewertet. Umgekehrt erhält die erfolgreiche Firma w den Preis p als Erlös, von dem die Kosten in Höhe ihres Gebots bw abzuziehen sind. Da die tatsächlichen Kosten der 4 Firma w nur dieser selbst bekannt sind – wäre das nicht der Fall brauchte man keine Ausschreibung – werden ihre Kosten in Höhe ihres Gebots bw angesetzt. Die erfolgreiche Firma w bewertet also gemäß ihrem Gebot bw ihren eigenen Nettotauschvektor mit p − bw und wird dann eine andere Firma nicht beneiden, wenn p − bw ≥ 0 gilt. Offenbar kann ein Nichtgewinner nicht einen anderen Nichtgewinner beneiden, da beide einen mit Null bewerteten Nettotauschvektor erhalten. Es ist damit nur noch auszuschließen, dass ein Nichtgewinner den Gewinner w beneidet. Würde ein Nichtgewinner i ≠ w den Auftrag zum Preis p bekommen, so wären davon sein (Kosten)Gebot bi abzuziehen. Die Bedingung für fehlenden Neid eines i bezüglich w ist daher 0 ≥ p − bi , da dann ein Nichtgewinner gemäß seinem (Kosten)Gebot nicht den Nettotauschvektor des Gewinners w seinem eigenen vorzieht. Insgesamt folgt daraus bi ≥ p ≥ bw für alle i ≠ w , d.h. • der Zuschlag sollte an die Baufirma w mit dem niedrigsten Gebot erfolgen und • der Preis p für die erfolgte Bauleistung sollte das Niedrigstgebot nicht unterschreiten und das zweitniedrigste Gebot nicht überschreiten. Diese Beschränkungen der Verfahrensregeln wurden schon seit Jahrhunderten (Gandenberger, 1961) befolgt (vgl. zum Beispiel die Verdingungsordnungen für Bauleistungen/VOB). Allenfalls neu ist ihre einfache axiomatische Rechtfertigung. Allerdings hat man fast durchgängig die besondere Preisregel p = bw angewandt, d.h. der Gewinner w erhält sein eigenes Gebot als Preis, was man durch die geringere Kollusionsanfälligkeit dieser Preisregel rechtfertigen kann (vgl. Fehl/Güth, 1987, Güth/Peleg, 1996). Bieterkartelle bei Ausschreibungen sind so häufig, dass sich hierfür im englischen Sprachgebrauch sogar eine eigene Terminologie – zum Beispiel mit ring formation für Kartellbildung und knockout für Auswahl des Gewinners – etabliert hat. Was wäre wenn? Wenn zum Beispiel das Kartellamt seine Pflichten arg vernachlässigt und zugelassen hat, dass alle n Baufirmen eine (Mutter-) Gesellschaft gegründet haben, die dafür sorgt, dass der Preis gleich auf alle n Baufirmen verteilt wird (was sich axiomatisch aus Neidfreiheit innerhalb der Bietergruppe herleiten lässt, vgl. Güth, 1986)? Wir sprechen in diesem 5 Zusammenhang, da der Preis gleich auf alle n Bieterfirmen aufgeteilt wird, von einem fairen Aufteilungsspiel, für das sich wiederum ableiten lässt, dass der niedrigste Bieter gewinnt und der Preis p von unten (oben) durch das (Zweit) Niedrigstgebot begrenzt wird. Um für solche Situationen eine spieltheoretische (benchmark) Lösung ableiten zu können, muss man festlegen, wie hoch die eigenen Kosten sind und welche Kosten man für seine Mitbieter erwartet. Hierbei wird in der Regel von stochastischen Kostenerwartungen ausgegangen, die häufig die private Information über die eigene Kostensituation erfassen soll. In den einfachen Fällen symmetrischer Gebotswettbewerbe lässt sich recht elegant ableiten (vgl. Güth/van Damme, 1986), dass man • in der Ausschreibungssituation mit der p = bw -Preisregel seine Kosten überbietet, während • in der Ausschreibungssituation mit p in Höhe des zweitniedrigsten Gebots genau die Kosten geboten werden sollten (Gandenberger, 1961; Vickrey, 1961), • im fairen Aufteilungsspiel mit Preis p in Höhe des (zweit) niedrigsten Gebots seine Kosten unter (über)bieten sollte. Man sieht, in solchen Wettbewerbssituationen ist die spieltheoretische Analyse anspruchsvoller, so dass ihre experimentelle Bestätigung kaum wahrscheinlich ist. Der Anspruch vieler Auktionstheoretiker – eine Ausschreibung basiert gegenüber einer Auktion nur auf vertauschten Marktseiten - dass sich die Auktionstheorie und damit die Konzepte der Spieltheorie als praktisch anwendbar und erfolgreich, z.B. in den verschiedenen Frequenzauktionen, erwiesen haben, erscheint daher überaus fraglich bzw. allenfalls auf einige qualitative Aspekte des Gebotverhaltens beschränkt (vgl. Börgers/Dustmann, 2003). Allerdings sind auch verhaltenstheoretische Erklärungen nicht ohne weiteres möglich, da sich die Teilnehmer der strukturellen Aspekte (wie private Kosteninformation) durchaus bewusst sind, aber Schwierigkeiten damit haben dürften, diese in geeigneter Weise (durch kontrafaktische Entscheidungsüberlegungen) zu berücksichtigen. Man wird daher in erster Linie 6 prüfen, ob und wie Lernen das Gebotsverhalten beeinflusst (Güth et al., 2003) und welche qualitativen Ergebnisse, zum Beispiel im Vergleich zu (benchmark) Lösung, sich bestätigen lassen (Güth et al., 2002). Kontrafaktische Überlegungen ergeben sich insbesondere, wenn man die stochastischen Kostenerwartungen nicht im Sinne tatsächlicher Zufallsbestimmtheit interpretiert, sondern als Ausdruck der eigenen Unkenntnis darüber, wie hoch die Kosten der Mitbieter sind, die selbst über ihre Kostensituation genau informiert sind. Analog müsste Nina teilweise kontrafaktisch für beide Beträge – 100 EURO bzw. 500 EURO – eine Aufteilung auswählen, wenn nur sie, aber nicht Nino erfährt, ob nun konkret der kleine oder große EURO-Betrag aufgeteilt werden kann. Teilnehmer im Experiment lehnen solche kontrafaktischen Entscheidungen oft ab – „Warum soll ich etwas entscheiden, von dem ich weiß, dass es unmöglich ist?“ – und müssen dazu gezwungen werden. Dies illustriert, dass Spieltheorie schon allein auf Grund ihres Strategiebegriffs – „Spieler entscheiden zwischen Strategien“ – als Vorhersagetheorie versagen muss. Eine Strategie ist ein vollständiger Verhaltensplan, der uns zwingt, für alle Situationen, mögen sie noch so unwahrscheinlich oder unmöglich sein, eine Entscheidung zu treffen. Die Vorstellung, dass wir in komplexen Spielen zwischen Strategien auswählen, ist schlicht und einfach „unmenschlich“. 3. Zur Erklärung experimenteller Befunde Wie wird allgemein reagiert, wenn das im Experiment beobachtete Verhalten fundamental von der spieltheoretischen (benchmark) Lösung abweicht? Es gibt Ökonomen, die zäh die Annahme der (unter den Interaktionsparteien allgemein bekannten) Entscheidungsrationalität verteidigen. Diese würden zum Beispiel Nino unterstellen, dass er im Ultimatumexperiment nicht nur am eigenen Gewinn, sondern an gerechter Aufteilung interessiert ist. In der Ausschreibungssituation könnte man versuchen, ob nicht durch Risikoaversion das Gebotsverhalten erklärt werden kann (vgl. den Überblicksaufsatz von Kagel, 1995). Hier wird also das Spiel(theoretische)Modell so angepasst, dass seine Lösung besser mit den Beobachtungen im Interaktionsexperiment übereinstimmt. Man kann das als 7 (neoklassischen) Reparaturbetrieb (repair shop) oder Spielanpassung (game fitting) beschreiben. Andere Ökonomen reagieren radikaler, indem sie nicht lediglich die Rationalität beschränken (Simon, 1955), sondern vorausschauendes Überlegen – wie traditionell in der Evolutionsbiologie – überhaupt leugnen bzw. – wie in der psychologischen Lerntheorie – allenfalls nur in sehr rudimentärer Form zulassen (vgl. den einschlägigen Überblick in Camerer, 2003). Es lassen sich dann die verschiedenen Adaptionsprozesse daraufhin untersuchen, ob sie zum beobachteten Spielverhalten konvergieren. Ohne zu leugnen, dass die durch Reparaturen und Spielanpassung gewonnenen Einsichten sich als sehr hilfreich erweisen können und dass (kulturelle) Evolutions – und Lernprozesse stattfinden, Interaktionsexperiment kann man auch Spielmodell und deutlicher voneinander unterscheiden. So kann man zugestehen, dass die Lösung eines Spielmodells die philosophische Frage aufwirft „Wie sollten sich rationale Spieler im Bewusstsein ihrer Entscheidungsinterdependenz verhalten?“ und die Erklärung des Verhaltens im Interaktionsexperiment die psychologische Frage „Wie haben die interagierenden Parteien die Spielsituation mental erfasst und durch welche Kalküle haben sie ihre Entscheidungen generiert?“ Eine klare Trennung in der Beantwortung dieser Fragen könnte vermeiden, dass man Annahmen des so genannten rational choice approach, wie zum Beispiel die Unabhängigkeit von Präferenzen und Handlungsoptionen, in Verhaltenserklärungen verwendet, ohne die psychologische Validität einer solchen Unabhängigkeitshypothese geprüft zu haben. Auch sind manche mechanistischen (kulturellen) Evolutions- und Lerndynamiken psychologisch wenig valide oder nur für sehr spezielle Situationen geeignet. Aus diesen Gründen propagiert der Autor für einen truly behavioral economics approach (Güth, 2007) und haben verschiedene Max-Planck-Institute in Zusammenarbeit mit den Universitäten Jena, Jerusalem und Bloomington / Indiana ihre gemeinsame International Max Planck Research School „On Adapting Behaviour in a Fundamentally Uncertain World“ beantragt. Es geht nicht darum, (spiel) theoretische Modellanalysen zu ersetzen, die unsere Neugier hinsichtlich der Frage „Wie würden sich unbeschränkt rationale Entscheider verhalten?“ befriedigen, sondern diese durch empirisch gestützte Verhaltenstheorien 8 zu ergänzen, die unsere beschränkten kognitiven Fähigkeiten, aber auch unsere emotionalen Beweggründe berücksichtigen. Literatur Berg, J., Dickhaut, J., McCabe, K., Trust, Reciprocity, and Social History, in: Games and Economic Behavior, 10 (1995), S. 122-142. Bolton, G. 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