Ihr seid nicht schuldig - Max-Born

Transcrição

Ihr seid nicht schuldig - Max-Born
„You are not guilty“ –
„Ihr seid nicht schuldig“
(Eva Mozes Kor zu unserer Gruppe bei der Begegnung in Birkenau)
Dokumentation einer Klassenfahrt der Maurer- und Isolierer-Oberstufe
des Max-Born-Berufskollegs Recklinghausen
nach Auschwitz und Krakau in Polen im Jahr 2014
Vorwort
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
Björn, Dominik und Robin
Arbeit Macht Frei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Jessica, Radoslaw und Patrik
Keine Rechte – Keine Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Bilal und Muharrem
Logistik der Unmenschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Arek und Jan
Das System der Gaskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Marcel und Mateusz
Kinder im KZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Carsten und Dustin
Ein freiwilliges soziales Jahr in Auschwitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Manuel
Ein Besuch im Salzbergwerk Wieliczka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Vom 28. August bis zum 2. September 2014 besuchten 21 Schüler, eine Schülerin und drei Begleiter
im Rahmen einer Fahrt zur historisch-politischen Bildung Auschwitz und Krakau. Seit 2011 war es
die vierte Fahrt, die die jeweiligen Oberstufen der Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, BrandschutzIsolierer und Maurer am Max-Born-Berufskolleg Recklinghausen unternahmen. Das Lernen vor
Ort sollte nicht nur einen vertieften Einblick in das mörderischste und dunkelste Kapitel deutscher
Geschichte ermöglichen, sondern auch sensibilisieren für aktuelle Erscheinungen wie Rassismus,
Rechtsextremismus und religiöse Intoleranz. Die Beiträge in dieser Dokumentation zeigen – das
ist unsere feste Überzeugung – dass dies gelungen ist, auch wenn man die Auseinandersetzung
mit demokratiefeindlichen Einstellungen nie als abgeschlossen betrachten kann. Der Satz des
amerikanischen Schriftstellers William Faulkner „Das Vergangene ist nie tot, es ist nicht einmal
vergangen“ zeigt auch dort seine Berechtigung, wo ein Schüler über seinen Urgroßvater berichtet,
der Häftling in Auschwitz gewesen ist. Höhepunkt unseres Aufenthalts war sicherlich die bewegende Begegnung unserer Gruppe mit Eva Mozes Kor im Vernichtungslager Birkenau. Sie, die als
zehnjähriges jüdisches Kind neun Monate lang in Auschwitz war, appellierte an uns:
„Ihr seid nicht schuldig, aber ihr müsst Verantwortung dafür übernehmen,
dass es nie wieder eine Diktatur wie unter Hitler gibt“
Dirk W.
Täter – Opfer – Schuld – Unschuld: Mein Großonkel Theo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Klaus, Roy und Uwe
Die Welthauptstadt Germania oder: Was wäre, wenn die Nazis gesiegt hätten? . . . . . 17
Armin und Emre
Die im Grundgesetz erkämpften und verbürgten Freiheiten und Rechte sind eben nicht einfach
selbstverständlich, sondern müssen täglich aufs Neue verteidigt werden. In diesem Sinne werden
wir uns im August 2015 erneut auf den Weg machen und die Tradition dieser Fahrten fortschreiben.
Die Befreiung von Auschwitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Arek
Die Geschichte der Häftlingsnummer 15.808, meines Urgroßvaters Tadeusz Widulinski . . . . 21
Dirk und Serdar
20 Jahre kein Platz für Nazis „Auf Schalke" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Berthold Sprenger
(Fachlehrer für Politik und Wirtschaft)
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
21
23
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum bezeichnete den Schriftzug als das
prägende Symbol des Holocausts. Er ist von größter historischer
Bedeutung für das jüdische Volk und die ganze Welt, er ist ein Grabstein für mehr als eine Million Juden. Der Schriftzug wird derzeitig
in der Gedenkstätte restauriert und demnächst im Museum vor Ort
ausgestellt.
Auch in anderen Konzentrationslagern wie z.B. in Dachau, Sachsenhausen und Flossenbürg waren die Torinschriften jeweils eine
zynische Umschreibung für den angeblichen Erziehungszweck der
Lager, deren tatsächliches Ziel die Vernichtung der Insassen u.a.
durch Arbeit war.
JEDEM DAS SEINE
(Lat. suum cuique)
Die Inschrift „JEDEM DAS SEINE“ befindet sich am Eingang des Konzentrationslagers in Buchenwald, dies war genauso eine Verhöhnung wie der Spruch „Arbeit Macht Frei“. „Jedem das Seine“ stand
ursprünglich für Freiheit, Toleranz, Selbst- und Fremdachtung.
ARBEIT MACHT FREI
Dieser zynische Schriftzug am Eingang des Konzentrationslagers
in Auschwitz fiel uns sofort auf und machte uns neugierig, mehr
darüber zu erfahren.
1940 hatte der Lagerkommandant Rudolf Höss den Spruch „ARBEIT
MACHT FREI“ von Jan Liwacs, einem Kunstschlosser, der als Häftling in Ausschwitz war, anfertigen und dann am Eingangstor des
Stammlagers von Auschwitz anbringen lassen. Diese blanke Verhöhnung diente dazu, den Insassen falsche Hoffnung auf Freiheit
und Gerechtigkeit zu geben. Ursprünglich verwendete Heinrich Beta
diesen Spruch 1845 in der Schrift „Geld und Geist“, dass nicht der
Glaube, sondern Arbeit selig und frei mache, denn „das ist das allgemein menschliche Gesetz und die Grundbedingung alles Lebens
und Strebens, alles Glückes und aller Seligkeit“ 1
3
Als Zeichen des heimlichen Protestes arbeitete
Jan Liwacs ein umgedrehtes „B“ ein.
Der Schriftzug des Konzentrationslagers in
Ausschwitz wurde am 18.12.2009 im Auftrag
des Schweden Anders Högström von fünf Personen im Alter zwischen 25 und 39 Jahren gestohlen. Am 21.12.2002 fand man ihn, in drei
Teile zerschnitten, auf. Obwohl er aus kriminellen und nicht rechtsradikalen Gründen gestohlen wurde, löste dieses Verbrechen internationale Empörung aus.
1
Beta, Heinrich: Geld und Geist (1845), Wikipedia.org/Wiki/
Arbeit_macht_frei (zuletzt aufgerufen am 09.12.2014)
Heutzutage findet man die lateinische Bezeichnung „suum cuique“
sowohl an den Decken in verschiedenen Gerichtsgebäuden als auch
bei der Bundeswehr, wo er von den Feldjägern als Motto verwendet
wird.
ES GIBT NUR EINEN WEG ZUR FREIHEIT
Dieser Spruch stand in weißen Ziegeln auf dem Dach des Dachauer
Wirtschaftsgebäudes, welches direkt vor dem Appellplatz stand,
auf dem die tägliche Zählung stattfand. So mussten die Häftlinge
täglich mehrere Stunden darauf starren.
1939 ging eine Rede von Heinrich Himmler durch den Rundfunk:
„Ich weiß, wie verlogen und wie töricht gerade das Ausland über
diese Einrichtung schreibt, erzählt und lästert. […] Harte, neue
Werte schaffende Arbeit, ein geregelter Lebenslauf, eine unerhörte
Sauberkeit im Wohnen und in der Körperpflege, ein tadelloses Essen, eine strenge aber gerechte Behandlung, die Anleitung, Arbeit
wieder zu erlernen und Fähigkeiten handwerklicher Art dazu zu
gewinnen, sind die Methode der Erziehung. Die Devise, die über
diesen Lagern steht, lautet: ‚Es gibt einen Weg zur Freiheit.‘ “ 2
1937 bauten die Nationalsozialisten das Konzentrationslager in Buchenwald nahe Weimar. Dort gestaltete der inhaftierte Künstler Franz
Ehrlich den Schriftzug in dem von den Nazis verpönten Bauhaustil.
Björn Reckfort
2
Dominik Söberdt
Himmler, Heinrich 1939, Wikipedia.org/Wiki/Arbeit_
macht_frei (zuletzt aufgerufen am 09.12.2014)
Robin Bechmann
4
Keine Rechte – Keine Werte
Besonders erschreckend war für uns die Erkenntnis, wie extrem
niedrig bei den Nazis die Grenze der Gewaltbereitschaft war!
Manche Nazis hatten, wie wir aus den Erzählungen und der Dokumentation in Auschwitz erschließen konnten, Spaß an der Vernichtung der Häftlinge. Auch wenn es kaum vorstellbar ist! Die Nazis
mussten sich an gewisse Regeln halten. Bei Nichtbefolgen der Regeln wurden auch sie bestraft. Andererseits legten sie sich auch die
Regeln so aus, wie sie es wollten. Zum Beispiel provozierten sie regelrecht Häftlinge, dass es den Anschein macht, dass die Aufseher
die Häftlinge mit Absicht töteten.
Wenn man sich auch nur mal vor Augen hält, wie das beim Eintreffen
der Häftlinge in den Konzentrationslagern ablief. Da wurde von einer außenstehenden Person bei der Selektion einfach entschieden,
wer gleich stirbt und wer sich noch zum Arbeiten lohnt. Das heißt,
einer entscheidet einfach über Leben und Tod. In einem Bericht wird
von einem Überlebenden, der die Ankunft von neuen Häftlingen dokumentieren musste, erwähnt, dass die meisten genau wussten, wo
ihr Weg hinführte, und man das auch in den Augen der Personen
sah. Die Häftlinge konnten sich auch manchmal zwischen zwei Sachen entscheiden, entweder den sofortigen Tod durch zum Beispiel
Erschießung, oder sie stellten sich als Folterknabe für den Aufseher
zur Verfügung.
Die Brutalität und Unmenschlichkeit war beispiellos. Vom Kleinkind
bis zum Baby wurden auch Kranke und Gebrechliche entweder auf
die LKWs geworfen oder gleich an Ort und Stelle erschossen.
Es gab auch ein Bordell für die Aufseher, in dem sich angeblich freiwillig weibliche Häftlinge dem sexuellen Vergnügen zur Verfügung
stellten. Sie kamen auf drei verschiedenen Wegen in das Bordell:
Entweder wurden sie gleich in dem Bordellblock einquartiert oder dorthin degradiert, und
die letzte – auch „freiwillige“ Wahl – der weiblichen Häftlinge war, sich dafür zu melden, in
der Hoffnung auf mehr Essen oder ein längeres
Leben. Es wurden aber auch einfach mehrere
Frauen in ihren Blöcken vergewaltigt. Dadurch
entstanden auch Kinder im Konzentrationslager, die dann direkt getötet wurden, falls die
Mütter sie nicht verstecken konnten. Die Kinder
wurden vor den Augen ihrer Mütter meist einfach ertränkt oder auch erdrosselt. Es wurden
auch unzählige Versuche durchgeführt, die sie
auch in einer Art Gewalt ausübten, wenn man
zum Beispiel nur die Tatsache sieht, dass Männer, Frauen und auch Kinder einfach bei vollem
Bewusstsein aufgeschnitten oder ihnen Chemikalien verabreicht wurden, nur um herauszufinden, wie der Körper darauf reagiert!
Die Häftlinge, die im Lager bereits ansässig waren, mussten große Gruben für die Leichen ausheben. Als sich die neuen Häftlinge am Sammelplatz eingefunden hatten, wurden sie auch
schon weiter zu den Exekutionsorten transportiert. Dort mussten sie sich entkleiden und
ihre Wertgegenstände abgeben. Anschließend
führte man sie in die ausgehobenen Gräber und
legte sie in eine Reihe mit dem Gesicht nach
unten auf den Boden. Um die Häftlinge weiter
zu demütigen, mussten sie den Kopf zwischen
die Füße des bereits vor ihnen liegenden Er-
schossenen legen. Dann warteten sie bis ein Kapo (das ist ein von der Lagerleitung bestimmter
Funktionshäftling) sie erschoss. Als die Gruben anschließend geschlossen wurden, waren meist
noch nicht alle tot und sie mussten dann unter der Erde qualvoll ersticken. Viele Arbeiter, die
unter der Aufsicht der Aufseher das Lager morgens verließen, kamen oft abends nicht wieder,
denn wenn den Aufsehern langweilig war, prügelten sie einige Häftlinge zu Tode oder, auch
schlimm genug, nur bewegungsunfähig, so dass die Zurückgelassenen qualvoll verstarben. Einige konnten aber auch nicht der Arbeit standhalten und verstarben an Erschöpfung. Den Häftlingen wurde alles genommen, von Wertgegenständen bis hin zur Würde. Auch wenn es gefährlich war und schon eine einfache Sache wie der Besitz eines Bleistiftes zum Tod führen konnte,
waren Gedichte von Mithäftlingen mit das Einzige, was ihnen Hoffnung gab und Mut zusprach,
wie folgendes Zitat von Maria Zarembinska1 verdeutlicht:
„Je höher die Flammenzungen aus den Kaminen der Krematorien emporstiegen, je mehr der dichte Rauch den Himmel bedeckte, desto
öfter kamen die Gedichte. Und wir warteten auf diese Gedichte und
betrachteten sie als unseren Besitz. Wer nicht geschlagen worden ist,
nicht ‚eine Nummer‘ war, wer nicht zwölf Stunden am Tag gehört hat,
daß er eine ‚Polensau‘ und ein ‚Haufen Scheiße‘ ist, wird es vielleicht
nicht ganz verstehen, was für uns damals die Gedichte bedeuteten und
warum wir sie so liebten.“
1
Lair, Katina: Berichte vom Überleben. In: Lichtenstein, H./Romberg, R. (Hrsg.): Täter – Opfer – Folgen. Bonn 1995 (S. 85)
Jessica Frölich
5
Diese Urne ist symbolisch für die Asche
aller Opfer aufgestellt
Radoslaw Wilczarski
Patrik Juresic
6
Logistik der Unmenschlichkeit
Zugegeben: Als Moslems hatten wir Vorurteile gegenüber Juden,
nicht zuletzt wegen des Gaza-Konflikts. Der Aufenthalt in Auschwitz
war sehr lehrreich und uns wurde bewusst, dass man nicht alle Menschen über einen Kamm scheren kann. Nicht alle Juden sind Israelis
und für den Gaza-Krieg, so wie nicht alle Moslems islamistische
Extremisten sind.
Besonders schockiert hat uns die Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Nazis, die unschuldige Personen verfolgten, deportierten, quälten, folterten
und sogar töteten, nur weil sie Juden waren.
Mit der deutschen Besetzung Polens begann
sofort die Verfolgung der Juden. SS-Einsatzkommandos, unterstützt von einheimischen "volksdeutschen Einheiten", drangsalierten jüdische Bürger und plünderten
ihr Eigentum. Zwangsarbeit und Ausgangssperren waren erste offizielle Maßnahmen gegen Juden in Polen. Es folgten der
Ausschluss aus dem Wirtschaftsleben, die
Sperrung der Bankkonten sowie willkürliche
Verhaftungen. Die Synagogen der Städte wurden zerstört. Am 12. Dezember 1939
wurden für alle jüdischen Männer in Polen,
die zwischen 14 und 60 Jahre alt waren, Zwangsarbeiten eingeführt.
In den neu eingerichteten Arbeitslagern starben viele Juden wegen
brutaler Behandlung oder aus Erschöpfung.
Die Nazis haben die Juden für ihre eigenen Zwecke benutzt. Es war
grausam, wie die SS-Soldaten mit den Juden umgegangen sind,
als wären sie nutzlose Spielzeuge. Die enteigneten Deportierten
mussten sogar den Transport ins Konzentrationslager komplett aus
eigener Tasche bezahlen und wurden in einen Viehwaggon (ca. 70 90 Juden, manchmal noch mehr) gequetscht, so dass etliche die
Fahrt nicht überlebten. Die Juden hatten keine Ahnung, was auf sie
zukommt, sie wussten nicht, dass sie in den Tod fahren!
Bei der Ankunft wurden die Häftlinge von SS-Ärzten nach deren
Willkür getrennt: arbeitsfähig oder arbeitsunfähig! Also wurden
alte und kranke Menschen, aber auch Kinder, direkt in die Gaskammer geschickt. Andere kamen für medizinische Experimente in se-
parate Baracken. Die anderen mussten viel arbeiten und bekamen
wenig zu essen, bis sie verhungerten. Sie wurden erst ausgebeutet
und ausgenutzt, dann vergast. Dabei haben sich nur wenige Nazis
selbst die Finger schmutzig gemacht, denn in den Lagern waren
gesellschaftlich Geächtete die Aufseher, bei den Frauen zum Beispiel Prostituierte und bei den Männern verurteilte Kriminelle wie
Mörder oder Schwerverbrecher. Die Häftlinge überlebten meistens
nur ca. zwei Monate. Es gab sogar manche, die nur einen Tag überlebten.
Selbst vor Leichenschändung schreckte man nicht zurück: Andere
Häftlinge mussten den Toten alle verbliebenen Haare abrasieren,
die dann zu Dämmmaterial oder Teppichen verarbeitet wurden. Und
bevor man die Toten verbrannte oder in Massengräbern verscharrte,
wurden ihnen auch die Goldzähne gezogen, um damit das grausame
System zu finanzieren.
Bilal Demirkaya
7
Muharrem Coskun
8
Das System der Gaskammern
Das Thema „Gaskammern“ hat uns auf der Klassenfahrt zur historisch-politischen Bildung
nach Polen sehr interessiert; daher haben wir uns entschieden, einen kurzen Bericht zu
verfassen.
Viele Menschen fragen sich bis heute, wie eine Gaskammer in Auschwitz-Birkenau und anderen Vernichtungslagern funktioniert haben soll; dabei war es ganz einfach:
Das (blausäurehaltige) Zyklon B, welches ursprünglich zur Ungezieferbekämpfung eingesetzt wurde, wurde von einem Mitglied der SS, geschützt durch eine Gasmaske, vom Dach
aus in die Gaskammern geschüttet. In dieser verdunsteten die Kristalle und ließen die
Menschen in den Gaskammern einen schlimmen Tod sterben: ersticken von innen, da Blausäure die Atmung lähmt. Im Kellergeschoss befanden sich ein Auskleiderraum sowie eine
beheiz- und belüftbare Gaskammer. Der Tod trat
nach Zeugenaussagen binnen 5-15 Minuten
ein. Nach 30 bis 40 Minuten Lüftungszeit
mussten Häftlinge des sogenannten Sonderkommandos die ermordeten Menschen
herauszerren, Leibesvisitationen durchführen, ihnen Goldzähne rausbrechen und anschließend die Leichen in die Krematorien
schaffen. Die Asche von den verbrannten
Leichen wurde als Baumaterial oder Zusätze
in Tierfutter verkauft oder in extra auf dem
Gelände angelegte Ascheteiche geschüttet.
Wenn die Teiche voll waren, wurde die Asche
mit LKWs abtransportiert.
Die Firma Hochtief AG bekam nach einer
öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag
für den Bau von zwei weiteren großen Gaskammern und baute diese mit Hilfe von
95 Zwangsarbeitern, die im Konzentrationslager einsaßen.
Die Gaskammern waren von 1941 bis 1944
in Betrieb. In dieser Zeit gab es nach offiziellen Angaben 1 – 1,5 Mio. Todesopfer,
die in den Gaskammern umgekommen sind.
Tatsächlich kamen wahrscheinlich 2,2 Mio.
Menschen in Ausschwitz ums Leben. Im
November 1944 wurden die Gaskammern
in Ausschwitz von den Nazis gesprengt, um
Beweise zu vernichten, dass diese existiert
haben.
Arek Widulinski
9
Jan Masling
10
Kinder im KZ:
Eva Mozes Kor und ihre Zwillingsschwester Miriam
Am 30. August 2014 haben wir die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht
und tatsächlich eine Zeitzeugin getroffen. Ihr Name ist Eva Mozes Kor und
wir konnten uns kurz mit ihr unterhalten. Sie erzählte uns ein wenig von ihrer
Geschichte, aber am beeindruckendsten fanden wir ihren letzten Satz:
„You are not guilty“ – „Ihr seid nicht schuldig“
Eva Mozes Kor und Miriam Mozes waren als Kleinkinder in Auschwitz, und unsere Begegnung mit Eva brachte uns auf das Thema Kinder im KZ. Die Zwillinge
Eva und Miriam Mozes, geboren 1934 in Porcz in
Transsylvanien, wurden im Mai 1944 mit ihrer
gesamten Familie ins KZ Auschwitz deportiert.
Eva und Miriam wurden bei der Selektion ins Lager eingewiesen, anders als der Rest der Familie, die getötet wurde. Die Schwestern durften
nur leben, weil der SS-Arzt Dr. Josef Mengele
seine verbrecherischen Experimente an ihnen durchführen wollte. Eva und Miriam Mozes
lebten mit anderen Zwillingen in einer getrennten Baracke auf dem Gelände des Frauenlagers
B I a, bis sie am 27.01.1945 durch sowjetische
Truppen aus Auschwitz befreit wurden.
Schwangere Frauen kamen zu Beginn in die
Gaskammern. Es kam aber auch zu geheimen
Entbindungen, jedoch gingen diese meistens
tödlich aus. Meist starben die Frauen an den
Folgen einer Blutvergiftung, verursacht durch
die schlechten Hygienezustände. Überlebten
Säuglinge, hatten diese kaum eine Überlebenschance.
Die Ärzte der SS und ihre Helfer nahmen den
Müttern direkt nach der Geburt die Säuglinge
weg und töteten sie. Im Jahr 1943 wurden
„arische“ Neugeborene nicht mehr getötet,
sondern wie die erwachsenen Häftlinge mit
einer Nummer tätowiert und kamen in die Lagerkartei. (Die „arischen“ Kinder waren die, die
blond und blauäugig waren. Aufgrund dieser
Merkmale sollten sie „germanisiert“ werden.)
gleiche Arbeit erledigen wie Häftlinge, viele starben dabei qualvoll. Außerdem
wurden immer wieder Kinder als Versuchspersonen selektiert, was sie vor dem
sofortigem Tod schützte. KZ-Ärzte wie Dr. Josef Mengele, auch „Todesengel“
genannt, oder SS-Arzt Kurt Heißmeier führten schreckliche medizinische Versuche an den Kindern durch, wie sie mit Tuberkulose zu infizieren und danach
die Lymphdrüsen ohne erwiesenen wissenschaftlichen Grund zu entfernen. Die
meisten Kinder im KZ hatten oft eine Vorahnung, was auf sie zukommen würde,
wenn sie nicht zum Arbeiten ausgewählt wurden. Deshalb gaben sie ein höheres Alter an, um arbeiten zu können und so den Tod kurzfristig zu umgehen.
Die Kinder mussten sich ausziehen und ihre
Haare wurden abgeschnitten, anschließend
wurden sie zum Duschen geschickt. Mit der Zeit
wurden sie von Läusen und Flöhen befallen. Sie
litten alle an Durchfall und viele starben auch
daran. Nachdem die Kinder als Häftlinge registriert worden waren, begann die Selektion.
Man kann sagen, dass in der Regel Kinder unter
12 zu schwach zum Arbeiten waren und deswegen so schnell wie möglich vergast, erschossen
oder erschlagen worden sind. Die Kinder, die
stark genug zum Arbeiten waren, mussten die
Buchtipp:
Eva Mozes Kor: Ich habe den Todesengel überlebt:
Ein Mengele-Opfer erzählt
Mateusz Bytomski
11
Marcel Strock
12
Ein freiwilliges soziales Jahr in Auschwitz
Daniel M. (19)
hingegen verbrachte die letzten Tage seines
freiwilligen sozialen Jahrs in Auschwitz. Er
möchte gerne Physik studieren, wollte aber
nicht direkt nach der Schule mit dem Studium
anfangen. Polen war ein recht ausgefallenes
Ziel, besonders weil er noch nicht viel über Polen wusste. Er hatte lediglich ein Jahr zuvor mal
einen Ausflug dorthin gemacht und er dachte,
Polen sei mal was nicht Klassisches, mal was
ganz anderes. Seine Familie fragte ihn auch:
„Haste es dir gut überlegt? Polen! Nicht doch
lieber woanders?“ Aber er wollte nach Polen
und seine Familie hat ihn dann auch sehr unterstützt, worüber er sich natürlich sehr freute.
Ein Sprach- und Kennenlernkurs bereitete ihn
etwas auf die neue Herausforderung vor.
In Auschwitz haben wir im „Zentrum für Dialog und Gebet“ übernachtet. Dort haben wir
zwei gleichaltrige Deutsche kennengelernt:
Claudia und Daniel arbeiten in Auschwitz und
absolvieren dort ihr freiwilliges soziales Jahr.
Wir fragten uns, wieso sie gerade in Polen und
in Auschwitz (Oswiecim) ihre Arbeit machen.
Deshalb haben wir mit den beiden ein Interview geführt.
Claudia S. (18) aus Halle (Sachsen-Anhalt)
war schon lange klar, dass sie ins Ausland
möchte. Sie wog genau ab, was in Betracht
kommt und was nicht. Da sie Polen schon immer attraktiv fand und es sie ebenso reizte,
sich näher mit dem „Holocaust“ auseinanderzusetzen, bewarb sie sich bei der Organisation „paxchristi“ – und wurde angenommen. Zum Zeitpunkt unseres Interviews war
sie gerade einmal ein paar Tage vor Ort. Ihre
Erwartungen waren nicht besonders hoch.
Sie lasse lieber alles auf sich zukommen.
Wenn es ihr nicht gefalle oder nicht ihren
Vorstellungen entspreche, dann werde sie
aufhören und wieder nach Hause fahren, denn
es ist ein freiwilliges Jahr und das muss man
nicht beenden. Aber für sie sei es umso besser
durchzuhalten und am Ende stolz darauf sein
zu können. Da Polen nicht allzu weit weg von
ihrem Heimatort ist, war ihre Familie froh und
unterstützte sie von vornherein. Ihre Freunde
fanden es eher nicht so toll, sich ein ganzes
13
Stadtansicht heute
dass er das soziale Jahr auf jeden Fall
durchziehen würde. Er hat seitdem sehr
viele verschiedene, interessante Menschen getroffen: Holocaust-Überlebende, russische Wissenschaftler, die sich
mit der Thematik beschäftigen, Juden
und Christen. Er hatte sogar das Glück, den damaligen deutschen Konsul von Krakau zu
sprechen. Das Beste, was ihm hätte geschehen können, verriet er uns!
Es gibt eine Art Übergabe-Phase, die wir miterlebten. Dort zeigen „die Alten“ wie Daniel
„den Neuen“ wie Claudia, wo sich was befindet, welche wichtigen Sachen zu beachten und welche Aufgaben zu erledigen sind. Grundsätzlich machen die sozialen Helfer
die Ablaufplanung für die Besuchergruppen, eine davon waren ja wir: Sie vereinbaren
Termine mit den verschiedenen Guides sowie Veranstaltungsorten (Gedenkstätten,
jüdisches Zentrum etc.) und erledigen den ganzen Schreibkram. Zudem sind sie Ansprechpartner für die Gruppen, beantworten Fragen, helfen bei Problemlösungen oder
geben selbst (Stadt-) Führungen, sie organisieren Medien, helfen an der Rezeption der
Begegnungsstätte aus…
Das Wichtigste aber ist Daniels Meinung nach das Lernen: über das Leben in Polen, das
Miteinander, das Judentum und das religiöse (jüdische, muslimische, christliche) Leben, über den damaligen Krieg, den Holocaust und vieles mehr!
Daniel, Claudia mit
Dustin und Carsten
Jahr mit
dem Holocaust zu beschäftigen.
Trotz alledem stehen ihre Freunde hinter ihr.
Bereits am zweiten Tag in Auschwitz traf er eine
Gruppe Japaner. Ein Hiroshima-Überlebender
war auch dabei. Dies hat ihn so gefesselt, dass
er seine letzte Skepsis verlor. Er sagte sich,
Carsten Hettmann
Dustin Katona
14
Ein Besuch im Salzbergwerk Wieliczka
Die Geschichte meines Großonkels Theo
Am 1. September besuchten wir mit unseren Klassen das
Salzbergwerk in Wieliczka (Kopalnia Soli „Wieliczka“).
Dies befindet sich fünfzehn Kilometer nordöstlich von
Krakau und ist eines der größten und ältesten Salzbergwerke der Welt. Ein unterirdisches Labyrinth, in dem seit
700 Jahren Salz abgebaut wird. Die Stollen wurden bis zu
einer Tiefe von 330 m in die Erde getrieben und haben
eine Gesamtlänge von ca. 350 km. Insgesamt gibt es 2040
Kammern, von denen einige auch für Touristen zugänglich sind. Ein Teil des Bergwerkes wird heute auch als Kurstätte für Asthmakranke genutzt, die täglich für mehrere
Stunden hinunter gefahren werden, um die salzhaltige
Luft zu inhalieren. Bei unserem ca. dreistündigen
Aufenthalt unter der Erde
war am atemberaubendsten die Kinga Kapelle,
die in 100 Meter Tiefe mit
einer Größe von 560 x 20
Meter liegt. In einem Zeitraum von knapp 70 Jahren
haben fromme Bergleute
aus Salz gehauene Skulpturen – z.B. vom verstorbenen
polnischen Papst Johannes Paul II Karol Wojtyla – und
Altäre erschaffen. Obwohl sie nur „Amateurbildhauer“
waren, werden ihre Werke von namhaften Künstlern und
Bildhauern bewundert. Es ist unglaublich, wie sie aus
Salz Kunstwerke erschaffen konnten, an denen man jede
Feinheit erkennen kann.
Für mich war es in diesem Jahr die vierte Fahrt nach Auschwitz. Die
Fragen, Eindrücke und Gedanken zur NS-Zeit und den Konzentrationslagern haben sich im Laufe der Zeit geändert.
Betroffenheit stand beim ersten Besuch im Vordergrund. Täter und
Opfer waren durch klare Linien getrennt. Versuche, die Zusammenhänge zu verstehen, waren vom Grauen der Taten überschattet. Folgend standen Fragen zur Verantwortung im Vordergrund. Haben wir als
nachfolgende Generation Verantwortung zu tragen für die Verbrechen
unserer Väter und Großväter? Was haben wir damit zu tun?
Jetzt waren wir wieder in Oswiecim. Mir ist bei diesem Besuch
deutlicher geworden, wie umfassend und gut das System aus Vernichtungs-, Konzentrations- und Arbeitslagern mit Sklaven- und
Zwangsarbeit organisiert und strukturiert war. Ich glaube, das Leid
der 10 Millionen Menschen in Zwangsarbeit und Lagern war für niemanden zu übersehen.
Mein früheres Bild von sadistischen SS-Männern, heimatliebenden
Wehrmachtssoldaten, den Opfern des NS–Systems in den Konzentrationslagern und nichtwissenden Bürgern passt nicht. Die Grenzen verlaufen nicht gradlinig.
Für mich ist er ein tragischer Patriot, kein Held. Täter
und Opfer zugleich. Die Vaterlandsliebe hat ihn die
Grenzen der Menschlichkeit, die Grenzen der Menschenrechte überschreiten lassen. Das durch ihn gestützte System hat ihm sein Leben genommen.
Ich kann mich in diesem Zusammenhang an ein Foto auf dem Fernsehgerät meiner Großmutter erinnern. Es zeigte Theodor, den
ältesten Bruder meiner Großmutter,
in militärischer
Uniform.
Manuel Lohrbeer
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Theodor Breuing hatte als junger Mann bereits im
ersten Weltkrieg gekämpft. So wie man erzählte,
liebte er sein Vaterland, war aber kein Nationalist. Es
wurde Volksschullehrer und war für sein Engagement
und seine Hilfsbereitschaft in der Recklinghäuser
Nachbarschaft hoch angesehen. Zur Wehrmacht eingezogen, dann zur SS abkommandiert, leitete er als
Lagerkommandant eine Außenstelle des KZs Neuengamme. Bei Heimatbesuchen sprach er von den
unhaltbaren Zuständen in den Lagern und seinem
dringenden Wunsch dort wegzukommen. Nach zunehmenden Zerwürfnissen mit Vorgesetzten wurde
er für eine geringfügige Verfehlung verurteilt und
umgehend erschossen.
Dirk Wienken (Fachlehrer für Bautechnik)
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Die Welthauptstadt Germania oder:
Was wäre, wenn die Nazis gesiegt hätten?
Die Zukunftsvision von Hitler war, ganz Europa und mehr zu Deutschland zu machen; selbst
auf russischem Boden plante er neu gegründete Städte, bevölkert von Germanen und
mit einem Gouverneurspalast in jeder neu gegründeten Stadt. Berlin selbst sollte
der Mittelpunkt werden und den Namen Reichshauptstadt oder „Germania“
bekommen. Die geplanten Umbauten für Berlin waren so umfangreich, dass
Spuren bis heute zu sehen sind. In Nürnberg plante er z. B. das „Deutsche
Stadion“ mit Platz für 400.000 Menschen, in Berlin die Ruhmeshalle
oder aber auch den Hitler-Triumphbogen, um nur ein paar Gebäude zu
nennen.
Weiterhin hatte er die Vision, dass es schon in der Zukunft 150-200
Millionen Germanen geben würde. Stellen wir uns mal so eine Zukunft
vor: Wie würde es wohl aussehen in einer Welt zu leben, in der nur
ein Mann oder eine Gruppe das Sagen hätte. Hitlers eigene und die
Vorstellung der Nationalsozialisten von der Welt. Wir würden z.B.
kranken Menschen nicht mehr helfen gesund zu werden (Wir würden
sie ermorden). Wir würden behinderten Menschen kein Leben mehr
ermöglichen (Wir würden sie ermorden). Einfach alles, was in ihre
kranke Zukunftsvision nicht rein passte, wäre ausgelöscht und ausgerottet worden.
Eine kleine Gruppe von uns hat es selbst erlebt, als wir mit
dem Max-Born-Berufskolleg auf politischer Bildungsreise in Polen waren. Wir wurden eigentlich überall freundlich begrüßt und gerne gesehen, doch eines Abend sind
wir in einem Lokal in Krakau gelandet, in dem wohl nicht
viele Touristen gesehen werden. Kaum saßen wir am Tisch,
wurden wir auch schon von einem älteren Herrn angesprochen. Er fragte zuerst, ob wir aus England wären. Daraufhin
sagten wir: „Nein, aus Deutschland“. Plötzlich sprang er
auf, machte den Hitlergruß und rief: „Jawoll, Herr Kommandante“ und sah uns dabei ganz komisch an, als würde er uns
sagen wollen: „Geht weg hier, ihr seid hier unerwünscht“.
Wir haben daraufhin auch sofort das Lokal verlassen. Das
soll nicht heißen, dass es überall so in Polen ist oder dass
sie dort alle so denken; ganz im Gegenteil. Bis auf diese
eine Begegnung , die überall auf der Welt hätte passieren
können, haben wir uns dort sehr wohl gefühlt.
So stelle man sich selbst die Frage: Wäre ich heute hier? Wie viele von
uns haben Vorfahren aus anderen Kulturen oder Freunde, Nachbarn,
Mitschüler, aber auch Mitglieder innerhalb der Familie. Sie alle wären
evtl. heute nicht hier. Was würde wohl der Rest der Welt von uns halten und denken, wenn diese Zukunft eingetroffen wäre? Denn selbst
heute noch, obwohl diese Zukunft nicht eingetroffen ist, begegnen
wir Menschen, die immer noch denken, jeder Deutsche wäre ein Nazi.
Klaus Hardman
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Roy Kleist
Uwe Schmitt
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Die Befreiung von Auschwitz
Vom 28. August bis zum 2. September 2014 waren wir mit unseren
Klassen (Maurer- und Isolierer-Oberstufe) in Auschwitz und Krakau.
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der
Roten Armee befreit. Unser Text handelt sowohl von der direkten
Befreiung des Lagers als auch vom Umgang mit den Überlebenden.
Außerdem fassen wir zusammen, was die Befreier alles im Lager
vorgefunden haben. Wir haben das Stammlager Auschwitz I und das
Vernichtungslager Auschwitz II (Birkenau) gesehen. Als Quelle haben wir uns zusätzlich den Film „Die Befreiung von Auschwitz“ von
Irmgard von zum Mühlen angeschaut.
Bevor die Sowjetunion die Stadt Auschwitz am 27. Januar 1945 erreicht
hat, begannen die Nazis mit der Spurenbeseitigung. Ab Oktober 1944
wurden die Krematorien II und III auf Befehl zurückgebaut. Das Krematorium IV wurde bereits zuvor bei einem Aufstand zerstört. Das
fünfte wurde bis einen Tag vor der Befreiung weiter genutzt und erst
dann gesprengt. Der Strom wurde bereits am 19.1. im Lager abgeschaltet, sodass in den Baracken kein Licht mehr vorhanden war. Am
gleichen Tag wurden so viel wie möglich Beweise und Dokumente verbrannt und ebenfalls einige Baracken. Am 18. Januar begann die Evakuierung des Konzentrationslagers Auschwitz. Bei dem sogenannten
„Todesmarsch“ wurden 58.000 Häftlinge Richtung Westen getrieben.
Die Meisten jedoch starben auf dem Weg in die anderen Lager.
Am 27. Januar 1945 erreichte die 322. Infanteriedivision der 60. Armee der I. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Pawel Alexejewitsch Kurotschkin das Lager Auschwitz. Der russische Kameramann Alexander Woronzow filmte das Lager und die Menschen bei
der Ankunft der Roten Armee. Er beschreibt das von ihm Gefilmte
als das Schrecklichste, was er während des großen Vaterländischen
Krieges je gesehen hat. Es standen über hundert Gefangene an den
Zäunen. Sie hatten Angst, weil sie nicht wussten, dass die Soldaten ihre Befreier waren, sondern rechneten mit dem Tod. „Unseren
Augen bot sich ein schreckliches Bild. Eine riesige Anzahl von Baracken, von denen viele nahezu ohne Dach waren.
In vielen Baracken lagen auf den Pritschen Menschen. Das waren
schon Skelette mit Haut überzogen und abwesendem Blick“ beschreibt Alexander Woronzow weiter die Situation dort.
Insgesamt konnten die Befreier nur noch an die 7000 Menschen
befreien. Mehrere hundert Leichen lagen im Lager verteilt `rum.
Darunter an die 300, die noch kurz vorher erschossen wurden. 200
weitere starben an den folgenden Tagen noch an Krankheit oder
Schwäche. Am 28.02.1945 fand eine öffentliche Beerdigung von 470
Toten statt. Die rote Armee fand in den Magazinen 843.000 Her-
renanzüge und 837.000 Damenmäntel. Die Stapel wurden mit Pyramiden verglichen, da sie so riesig waren. Außerdem wurden noch
44.000 Paar Schuhe, 14.000 Teppiche und 7,7 Tonnen menschliches
Haar gefunden. Unter den Überresten wurden ebenfalls noch einige
Dokumente sichergestellt, darunter auch die Baupläne der Krematorien. Zwei Tage nach der Befreiung wurde eine Sonderkommission
ins Lager geschickt, die sich mit Hilfe der Soldaten und Freiwilligen
um die kranken und schwachen Menschen kümmerte und um festzustellen und zu dokumentieren, was in den Konzentrationslagern
Auschwitz I und II passiert ist.
Armin Bredereck
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Emre Demirci
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Die Geschichte der Häftlingsnummer 15.808,
meines Urgroßvaters Tadeusz Widulinski
Als wir mit der Schule im August 2014 in Auschwitz waren, erinnerte ich mich daran,
dass ich in der Grundschule schon einmal dort gewesen bin. Aber damals habe ich
eigentlich noch nichts verstanden. Jetzt wurde mir klar, dass meine Familie eine
ganz besondere Beziehung zu Auschwitz hat. Ich wusste, dass mein Urgroßvater,
Tadeusz Widulinski, dort im KZ eingesperrt worden ist.
In meiner Familie ist über diese Zeit wenig gesprochen worden, aber als wir von
der Klassenfahrt wieder zuhause waren, habe ich nachgefragt, und mein Vater hat
mir über meine polnische Oma, die Tochter meines Urgroßvaters, Dokumente und
Zeitungsberichte besorgt. Daraus geht hervor, dass mein Uropa von den Nazis verhaftet worden ist, weil er Direktor bei der polnischen Caritas gewesen ist. Er wurde
am 20.02.1944 in das KZ Radom gesteckt und kam am 23.5.1941 in das KZ Oswiecim
(Auschwitz I). Dort hat man medizinische Experimente an ihm vorgenommen. Unter
anderem hat man ihm Spritzen mit Bakterien gegeben, um zu sehen, wie sein Körper darauf reagiert. Er bekam starke Kopfschmerzen und Übelkeit und hatte dauernd Angst, dass er daran sterben würde. In dem Krankenbericht aus dem Jahr 1973,
den meine Oma für mich kopiert hat, steht das Wort „K.Z. Syndrom“. Das bedeutet,
dass er unter Schlaflosigkeit litt, häufig Todesängste hatte und nur schwer wieder
Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen konnte. Er hat aber wohl einmal erzählt,
dass ihm jemand vom Aufsichtspersonal geholfen hat. Für diese Person musste er
das Büro aufräumen, und dieser Mensch hat ihm dann versteckt immer wieder Obst
oder Brot zukommen lassen. Das hat für meinen Uropa die Chance zu überleben
erhöht.
15.04.1945 von den Engländern befreit
wurde. Nach der Befreiung wollte mein Uropa erst gar nicht aus dem KZ herauskommen, weil er es nicht glauben konnte. Als
er dann doch herausgekommen ist, hat er
einen englischen Panzer gestreichelt. Die
englischen Soldaten haben sich gewundert
und ihm dann Essen und Kleidung gegeben.
Heute, wo ich ungefähr weiß, was mein
Uropa erlebt hat, habe ich ganz andere
Gefühle als nach meinem ersten Besuch in
Auschwitz. Ich denke viel darüber nach und
spreche auch mit meinem Vater und meiner
Oma darüber, aber ich habe große Probleme, mir vorzustellen, welche Gefühle
mein Uropa damals und später nach der Befreiung hatte.
In der Zeitschrift „Mysl społeczna“ (Nr. 17, 1981), der Zeitung des polnischen Caritasverbandes, hat mein Uropa sein Schicksal beschrieben. Aus einer amtlichen
Bestätigung geht auch hervor, dass mein Uropa nach fast zwei Jahren in Auschwitz
in das KZ Buchenwald bei Weimar kam. Von dort wurde er in das Außenlager Dora
des KZ Buchenwald verlegt, wo er Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion machen
musste. Am 01.04.1945 wurde er noch in das KZ Bergen-Belsen verlegt, das am
Arek Widulinski
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Schalker Fan-­‐Initiative e.V. 20 Jahre kein Platz für Nazis „Auf Schalke"
gegen Rassismus und Diskriminierung „Schalker Fan- Initiative gegen Rassismus und Diskriminierung“
Wir haben im Herbst 2014 die KZ-Gedenkstätte in Auschwitz besucht. Dort wurden die Menschen
entweder als Sklaven gehalten oder ermordet. Das war das größte Verbrechen überhaupt. Auch
heute noch gibt es Rassismus und Antisemitismus, auch bei uns in Deutschland, auch bei Fußballfans.
Wir hatten ein Gespräch mit Frau Susanne Biederbick, der 2. Vorsitzenden der Schalker FanInitiative gegen Rassismus und Diskriminierung, die auch Lehrerin an unserer Schule, dem
Max-Born-Berufskolleg Recklinghausen, ist.
Die Schalker Faninitiative gegen Rassismus und Diskriminierung wurde 1992 von einigen Fans
des FC Gelsenkirchen-Schalke 04 gegründet. Anfang der neunziger Jahre gab es in Deutschland
rechtsextreme Gewalt, bei der auch Menschen getötet wurden. In den deutschen Fußballstadien
und eben auch im alten Schalker Parkstadion war Ausländerfeindlichkeit deutlich zu spüren. In
den deutschen Stadien wurden zum Beispiel schwarze Spieler beleidigt oder Neonazis grölten
rechtsradikale Parolen.
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Die Ultras Gelsenkirchen zeigen ein Banner in der
Nordkurve und gratulieren damit der Schalker Fan
Initiative zum 20-jährigen Geburtstag
Deshalb verbündeten sich einige Fans und
arbeiteten zusammen gegen die Rassisten.
Diese Schalke Fans wollten, dass Ausländer willkommen sind und Rassisten nicht in
ihrem Stadion geduldet werden.
Das Erste, was sie zum Beispiel machten, war
Flugblätter zu verteilen, zusammen mit damals aktiven Spielern. Die ersten Aktionen
funktionierten und immer mehr Schalker
zeigten Zivilcourage, indem sie sich aktiv
gegen die Rassisten wehrten. Die Schalker Faninitiative wirkte daran mit, dass ein
Antirassismus-Paragraph in die Vereinssatzung des FC Schalke 04 aufgenommen wurde. Seitdem ist es im Stadion der Schalker
verboten, Nazi-Klamotten zu tragen, NaziSymbole zu zeigen oder Nazi-Lieder zu
singen.
Seit über zwanzig Jahren setzt sich die
Schalker Faninitiative gegen Rassismus und
Diskriminierung ein. Unter anderem organisieren sie Fußballturniere, zeigen Filme,
machen Projekte für Integration, nehmen
an Demonstrationen und antirassistischen
Fußballturnieren teil. Sie betreiben einen
Fanladen und geben ein Fan-Magazin, das
„Schalke Unser“, heraus. Für ihre ehrenamtliche Arbeit hat die Schalker Faninitiative zahlreiche Preise erhalten.
Im letzten Jahr übernahm die Schalker Faninitiative die Patenschaft für einen Gedenkstein in Gelsenkirchen. Dieser Stein erinnert an
einen jüdischen Mitbürger aus Gelsenkirchen, der
1944 von den Nazis ermordet wurde. Diese sogenannten
Stolpersteine erinnern an Menschen, die dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer
gefallen sind.
Heute hat man in der „Arena auf Schalke“ keine Probleme mit Rassismus mehr.
Damit das so bleibt, müssen die Schalke Fans aber weiter aufmerksam sein. Das
gelingt auf Schalke auch deshalb, weil andere Fan-Organisationen mitmachen
und auch der FC Schalke 04 sich klar gegen Rassismus ausspricht. In anderen
Fußballvereinen, gerade hier in Nordrhein Westfalen, kann man Probleme mit
Rechtsradikalen beobachten. Diese nutzen die Beliebtheit des Fußballs für
ihre Zwecke. Bei Fußball geht es auch um Rivalität und ein Freund-Feind-Denken; diese Atmosphäre nutzen die Neonazis um Einfluss zu gewinnen. Bei den
Neonazis gibt es nur die eigene Ideologie. Alle anderen sind Feinde und nicht
Gegner im Spiel.
Fußball gehört aber allen, und weil der Fußball so beliebt ist, kann er den
sozialen Zusammenhalt, Fairness und Toleranz bei uns allen fördern.
Dirk Hibner
Serdar Kürekci
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Studienreise nach Oswiecim und Krakau
28.08.2014
Anreise
Nachwort
Am Abend:
unde
Film „Der Pianist“, anschließend Gesprächsr
29.08.2014
Vormittags:
nkstätte Auschwitz I
„Im Angesicht des Todes“ – Besuch der Gede
(ca. 3 h)
ng
Führu
er
achig
(Stammlager) mit deutschspr
Anschläge auf jüdische Einrichtungen und antisemitische Hasstiraden, Islamisierung und
Anti-Islam-Bewegungen: Leider ist das Realität in Europa, in Deutschland im Jahr 2014.
Obwohl in allen Medien darüber berichtet, diskutiert und kommentiert wird, ist das doch
irgendwie weit weg.
Nachmittags:
ng durch das einstige
„Oshpitzin – das meint Heimat“ – Stadtführu
oge
Synag
der
jüdische Oswiecim, Besuch
Persönlich betroffen macht allerdings, wenn nach einem mehrtägigen Aufenthalt in
Auschwitz und intensiver Auseinandersetzung mit den Gräueltaten der Nazis gegenüber
jüdischen Mitbürgern von einem Auszubildenden geäußert wird: „Ich habe nichts gegen
Juden, aber ich gehe nicht in eine Synagoge […] ich esse kein jüdisches Essen.“
30.08.2014
Vormittags:
Fahrt nach Birkenau
nkstätte Birkenau
„Im Angesicht des Todes“ – Besuch der Gede
ng (ca. 3 h)
(Auschwitz II) mit deutschsprachiger Führu
Wenn es sich hier auch nur um eine Ausnahme handelt und die politische Bildungsfahrt
insgesamt eindeutig als eine erfolgreiche Exkursion bezeichnet werden kann, hat es
uns Pädagogen dazu bewogen, im Rahmen der jährlich an unserer Schule stattfindenden
Projektwoche die Teilnehmer der politischen Bildungsfahrt nach Auschwitz im August
2015 auf die Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen aufmerksam zu machen.
Dabei besuchten wir die evangelische Paulus-Kirche und die Fatih-Moschee in Marl und
anschließend die Neue Synagoge in Recklinghausen; viele engagierte Gespräche trugen
mit dazu bei Vorurteile abzubauen.
Gesprächsrunde
Weiterfahrt nach Krakau,
31.08.2014
Vormittags:
„Krakau – Kirchen, Katheder, Könige“
dt, dem alten UniversiStadtrundgang in der mittelalterlichen Altsta
drale und KönigsKathe
mit
el
l-Hüg
Wawe
tätsviertel und auf dem
schloss (Führung ca. 2,5 h)
Nachmittags:
ehemalige jüdische
„Auf den Spuren von Oskar Schindler“, Das
Rundgang zum jüdischen
Stadtviertel Kazimierz: deutschsprachiger
o in Podgorze (ca. 3 h)
Ghett
n
Remuh-Friedhof, und dem ehemalige
01.09.2014
Vormittags:
ergwerks in Wieliczka
„Salz und Reichtum“ – Besuch des Salzb
(UNESCO Weltkulturerbe)
Das zeigt, wie wichtig es ist, auch weiterhin Aufklärung zu betreiben und in den Dialog
zu treten.
Andrea Blanc
Layoutkonzeption: Ulrich Broeske
Abends:
mit Klezmer-Konzert und
„Klezmer Quartet Trio“ – Abschlussabend
l Kazimierz
Vierte
hen
jüdisc
n
Abendessen im ehemalige
Porträt- und Gruppenfotos: Nils Aders
02.09.2014
Rückfahrt nach Deutschland
Weiterhin danken wir für die Unterstützung bei diesem Projekt dem Förderverein am
Max-Born-Berufskolleg, der Max und Gustav Born-Stiftung, dem DGB und der GEW.
(Fachlehrerin für Bautechnik und Deutsch)
Ohne die finanzielle Unterstützung der Stiftung „Erinnern Ermöglichen" und der IG Bauen,
Agrar, Umwelt hätte diese Fahrt nicht durchgeführt werden können.
Die Stiftung
Erinnern ermöglichen
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26
Max-Born-Berufskolleg
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Campus Vest 3
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45665 Recklinghausen