Andrea Sawatzki
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Andrea Sawatzki
RD Wort für Wort 42 Andrea Sawatzki Im Tatort spielt Andrea Sawatzki ihre bislang bekannteste Rolle – in der Familie ihre wichtigste ? NEIN, DANKE. Hollywood VON MICHAEL KALLINGER as erfrischende lachen passt so gar nicht zu ihrer kühlen Rolle: Andrea Sawatzki, 41, groß, schlank und sommersprossig, hat im Gespräch wenig mit der spröden Frankfurter Kommissarin Charlotte Sänger gemein, die drei Tatort-Folgen lang nicht von ihren dominanten Eltern loskommt. Und sie in der vierten zu Grabe trägt, ermordet. Das wirkliche Familienleben der Wahlberlinerin mit ihrem Kollegen Christian Berkel und zwei kleinen Söhnen verläuft glücklicherweise weit weniger dramatisch. D FOTO: © DPA 43 RD I JULI 2004 RD: Wie viel Andrea Sawatzki steckt in der Figur der Tatort-Kommissarin Charlotte Sänger? Sawatzki: Das lässt sich ganz schwer sagen. Ich glaube alles, sonst würde ich sie ja nicht spielen. RD: Wie reagieren die Menschen denn, wenn sie Sie erkennen? Sawatzki: Oft tuscheln sie nur, manche kommen auch auf mich zu und sagen, dass sie schön finden, was ich mache. Das ist natürlich toll, das gefällt mir. RD: Inwieweit konnten Sie diese Figur mitentwickeln? Sawatzki: Ich wollte auf keinen Fall eine Kommissarin spielen, die geschieden ist und zwei Kinder allein aufziehen muss. Ich wollte eine Figur mit einem ganz eigenartigen Privatleben. Dass die Frau etwas haben muss, was für das deutsche Fernsehen ungewöhnlich ist, das war schon mein Wunsch. Die präzise Charakterisierung haben dann aber beim Hessischen Rundfunk die Chefin des Fernsehspiels und der Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein vorgenommen. RD: Sie haben ja auch schon andere Erfahrungen gemacht, wurden zu Beginn Ihrer Karriere in Wilhelmshaven mit Hagebutten beworfen. Sawatzki: (lacht) Stimmt. Wo haben Sie das denn her, das war doch vor 100 Jahren! Wir spielten Theater in einer Schule für schwer erziehbare Kinder, und die fanden unser Stück wohl ziemlich doof. Und haben uns deshalb beworfen. Kindertheater ist die härteste Schule, die man in diesem Beruf durchlaufen kann. RD: Wie würden Sie denn das Wesen der Charlotte beschreiben? Sawatzki: Die Charlotte wirkt manchmal fast sphärisch, kann aber im richtigen Moment zupacken. Sie zeigt immer wieder dieses Überraschende, das liebe ich so an ihr. RD: Frauen mit kantigem Charakter haben Sie bereits früher gespielt: In Thrillern wie Die Mutter des Killers oder Das Experiment. Und in zahlreichen Fernsehkrimis. Sawatzki: Stimmt, aber ich habe genauso viele Komödien gespielt. Seit ich den Tatort drehe, neigt der Großteil der Zuschauer dazu, mich ins Krimifach zu stecken. 44 RD: War es denn weniger anstrengend, als Sie vor kurzem mit Ihrem Mann Christian Berkel auf der Bühne des Berliner Renaissance-Theaters standen, um Edward Albees Die Ziege zu geben? Sawatzki: Wenn man ein provokantes Stück spielt, in dem der Ehemann eine Affäre mit einer Ziege hat, stößt man bei einem Publikum, das sein Theater eher besucht, um nette Komödien zu sehen, erst einmal auf harsche Ablehnung. Es war sehr schwer, die Zuschauer jeden Abend aufs Neue in unseren Bann zu ziehen, 32-mal „en suite“. Morgens aufzustehen und zu wissen: Heute Abend muss ich kämpfen. RD: Warum haben Sie sich auf dieses Engagement eingelassen? FOTO: © DPA Mit Jörg Schüttauf alias „Hauptkommissar Fritz Dellwo“ bildet Sawatzki seit 2002 das Frankfurter Ermittlergespann in der TV-Erfolgsreihe „Tatort“ Sawatzki: Christian und ich hatten schon immer den Wunsch, zusammen Theater zu spielen. Wir haben ja schon etliche Filme gemeinsam gedreht, und da wir beide von der Bühne kommen, haben wir stets gesagt: Die Krönung wäre es eigentlich, miteinander Theater zu spielen. Was man ja immer so denkt als Schauspieler: Das einzig Wahre, das ist das Theater (lacht)! Ich bin dann wohl doch eher der Filmtyp. Dieses ständige Wiederholen liegt mir nicht – ich mache lieber jeden Tag etwas anderes. RD: Wie ist es, mit dem eigenen Mann zu spielen? Sawatzki: Auf keinen Fall einfacher, weil dabei ein Mensch, von dem ich denke, dass ich ihn kenne, sich plötzlich in einen ganz anderen verwandelt. Das ist schon sehr befremdlich, aber es macht auch einen irren Spaß. RD: Wenn Sie nach der gemeinsamen Arbeit nach Hause kommen – können Sie Ihre Rollen spontan abstreifen? Sawatzki: Vielleicht nicht abstreifen, eher von einer Rolle in die andere schlüpfen. Wobei die als Eltern unsere wichtigste Rolle ist. RD: Ihre Kinder sind noch recht jung ... Sawatzki: Bruno ist 20 Monate, Moritz ist fünf Jahre alt. RD: Sie und Ihr Mann sind viel beschäftigt. Zum Teil drehen Sie zu45 RD I JULI 2004 sammen oder treten Abend für Abend gemeinsam auf. Wie klappt das mit der Kinderbetreuung? Sawatzki: Wir haben viele Freunde, die sich kümmern. Und wenn es ganz hart kommt, hilft meine Mutter. Die war jetzt drei Monate bei uns und hat auf die Kinder aufgepasst. Ohne meine Mutter könnten wir nicht arbeiten. RD: Sie sind größtenteils allein mit Ihrer berufstätigen Mutter aufgewachsen, haben Ihren inzwischen verstorbenen Vater erst spät kennen gelernt. Wer hat Sie als Kind betreut? Sawatzki: Meine Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet, sie musste halt das Geld verdienen. So war ich eben auch bei Pflegefamilien, bei Freunden meiner Mutter. Es war ein sehr lustiges Leben. Sawatzki: Ja. Ich denke mal, wenn man so aufgewachsen ist wie ich, dann ist es einem das Fremdeste überhaupt zu klammern. RD: Wie hat sich Ihre Partnerschaft durch die Kinder verändert? Sawatzki: Christian und ich kennen uns ja erst seit sechs Jahren, und ich wurde seinerzeit rasch schwanger. Es war unser größter Wunsch, schnell eine große Familie zu gründen. Insofern haben uns die Kinder nur sehr glücklich gemacht. Unsere Zweisamkeit hat das kaum verändert, weil wir auch davor selten allein waren. Wir sind nur ein einziges Mal zu zweit verreist, für ein Wochenende nach Paris. R D : Wi e s i e h t ein normaler Familiensonntag bei Ihnen aus? Sawatzki: Wenn wir beide zu Hause sind, beginnt mein Tag etwa um halb sieben, wenn Bruno FOTO: © VISION PHOTOS RD: Was ist der größte Luxus, den Sie sich in Ihrer Freizeit gönnen? Sawatzki: Mit den Kindern und meiRD: Macht es Ihnen diese Erfahrung nem Mann zusammen zu sein. Das ist leichter, Ihre eigenen Kinder bei der das Größte. Oder Freunde einladen, Essen gehen, schöne Reisen – selten Oma oder Freunden zu lassen? und daher umso Auch beruflich ein gutes Team: Mit ihrem Ehemann Christian kostbarer. Ab und Berkel stand Sawatzki schon oft vor der Kamera – und nun auch zu was Schönes auf der Bühne des Berliner Renaissance-Theaters zum Anziehen kaufen ... H O L LY W O O D ? N E I N , D A N K E . aufwacht; Christian übernimmt meistens die Nächte. Ich gehe dann erst einmal mit Bruno in die Küche, mache eine doppelte Latte macchiato. Dann spiele ich mit Bruno, bis Moritz um acht aufwacht. Ich ziehe die beiden an, und irgendwann geht einer von uns mit den Kindern zum Bäcker. Wir wohnen ja auf dem Land, also hinlaufen, frühstücken. Und dann gehen wir entweder in den Zoo oder zu Freunden oder haben Besuch, oder wir spielen zu Hause und im Garten; versuchen abwechselnd zu joggen. Völlig unspektakulär. RD: Bevor Sie selbst Mutter geworden sind, hatten Sie schon Patenkinder. Sawatzki: Wir haben drei Kinder über das CCF Kinderhilfswerk. Das ist eine weltweite Organisation, die darum bittet, dass man für ein paar Euro im Monat die Patenschaft für ein Kind übernimmt – Kinder in Ländern wie Brasilien oder Boliven. Kinder aus ärmsten Verhältnissen, die durch dieses Geld in die Schule gehen und medizinisch versorgt werden können. Ich habe zum Beispiel einen Patensohn im Senegal, der ist jetzt 17, den habe ich bekommen, da war er acht. Ich habe seinen ganzen Werdegang verfolgt, und das ist ein sehr glückliches Kind. RD: Haben Sie Ihren Patensohn schon mal getroffen? Sawatzki: Nein, ich hatte irgendwie nie die Gelegenheit dazu. Aber er schickt mir immer Fotos, und er schreibt. Dem geht es richtig gut. Er macht jetzt irgendwann seinen Schulabschluss. RD: Weiß er, dass Sie hier eine sehr prominente Persönlichkeit sind? Sawatzki: Er hat mal gefragt, was ich so mache. Ich habe ihm geschrieben: Schauspielerin, und ihm ein paar Fotos geschickt. Aber ich glaube, es verunsichert ihn eher, dass ich als Frau einen solchen Beruf ausübe. RD: Vermutlich würde er auch nicht verstehen, warum Sie sich für den Playboy nackt fotografieren haben lassen, zwei Monate nach der Geburt von Bruno. Was hat Sie dazu bewegt? Sawatzki: Also, man hatte mich ja gefragt, als ich gerade schwanger war – da war das für mich natürlich völlig undenkbar. Andererseits sind Frauen in der Schwangerschaft ein bisschen im Ausnahmezustand. Man nimmt nicht mehr so richtig teil am Leben, sieht, wie der Bauch wächst, und man wartet auf den Tag, an dem das Kind endlich geboren wird. Und man hat so einen wahnsinnigen Tatendrang, zumindest ging es mir so. Ich habe entbunden und bin dann sofort nach Hause. Dort haben wir erst einmal Champagner getrunken und gefeiert, dass das Kind da war. Dann wollte ich auch wieder zurückfinden zu meinem Körper und zur Erotik – obwohl schwangere Frauen ja auch erotisch sind. Und ich wollte das einfach auch mal ausprobieren. Da habe ich mir einfach gedacht: Ich mache das nicht als Andrea Sawatzki, sondern ich spiele eine Frau, die ich gar nicht bin. Da47 RD I JULI 2004 durch waren mir die Bilder dann schon fremd, aber ich fand sie sehr interessant, sehr ungewöhnlich. funktionieren wie eine Maschine – wofür? Ich kann auch hier schöne Filme drehen. RD: Es waren nicht Ihre ersten Nacktaufnahmen. Für die Tierschutzorganisation Peta haben Sie sich sogar schwanger ablichten lassen. Sawatzki: Ich muss sagen, dass ich mich inzwischen von Peta distanziere, weil ich den Vergleich von Tieren hinter Gittern mit Juden im Konzentrationslager geschmacklos finde. Da dreht sich bei mir alles um. Man kann nicht Menschen, die im Konzentrationslager umgekommen sind, mit Hühnern in der Legebatterie vergleichen. Ich kann nur hoffen, dass die Peta-Leute sich eines Besseren besinnen. RD: Warum ist eine US-Karriere für viele Schaupieler so erstrebenswert? Sawatzki: Ich weiß es nicht. Es macht einen natürlich noch prominenter. Ob man es aber so weit bringt wie Franka Potente oder ob man immer nur die kleine Deutsche spielen muss ... Ich habe mir manchmal Gedanken gemacht, wieso ich es nie versucht habe. Es ist wohl nicht mein Weg. RD: Viele Ihrer Kollegen haben es versucht, einige wie Armin Mueller-Stahl oder Franka Potente mit großem Erfolg: Ist der Sprung nach Hollywood ein Thema für Sie? Sawatzki: Nein, das will ich nicht. Weil meine Kinder hier ihr Umfeld haben. Ich hätte mich auch viel früher bemühen, Kontakte knüpfen müssen. Nach Hollywood zu gelangen erfordert so viel Ehrgeiz, da muss man RD: Ist größere Prominenz in Ihren Augen erstrebenswert? Sawatzki: Nein. Ich glaube, je größer die Prominenz, umso einsamer wird man. Ich merke das an mir selbst. Ich wünsche mir manchmal, mit gewissen Regisseuren zu arbeiten, dann gelingt mir das, und dann denke ich: Jetzt müsste ich doch glücklich sein. Aber es reicht immer noch nicht. Je höher man kommt, umso weiter nach oben möchte man. Und ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens zu versuchen, nach Hollywood zu kommen. Es gibt einfach viel schönere Dinge. Da fahre ich lieber in Urlaub. WA S D I E K AT Z E N I C H T K E N N T . . . Meine Tochter und ich gehen hin und wieder angeln. Einmal fingen wir nur einen kleinen Fisch, der nicht einmal für ein bescheidenes Abendessen reichte. Deshalb gaben wir ihn unseren Katzen. Die beiden beschnupperten den Fisch, wollten ihn aber partout nicht fressen. Da stellte meine Tochter den Futternapf neben den elektrischen Dosenöffner, ließ ihn einige Sekunden laufen, stellte den Napf wieder auf den Boden – und sofort fielen die Katzen über den Fisch her. S. W. 48