„Emile Robin“
Transcrição
„Emile Robin“
FAHRMODELLE „Emile Robin“ Der Rettungskreuzer von Billing Boats im Test Im Herbst 2003 kam ein Schiffsmodell in den Handel, das zur raren Spezies der Rettungskreuzer gehört. Sind es doch die etwas betagte „Adolph Bermpohl“ und die auch nicht mehr so frische „Berlin“, die das hiesige Angebot über Jahre hinweg prägten. Mittlerweile kamen noch ein Boddenboot sowie ein englisches und ein französisches Baumuster von unterschiedlichen Herstellern in den Handel. Der dänische Modellhersteller „Billing Boats“ bringt mit der „Emile Robin“ das Modell eines der modernsten dänischen Rettungsboote auf den deutschen Markt. Das Vorbild wurde 1989 in Ringköping/ Dänemark gebaut. Beheimatet im Hafen Hvide Sande, ist das Boot für den Rettungsdienst in der rauen Nordsee wie geschaffen. Es ist relativ breit, hat gute Stabilitätswerte und ist als Doppelschale konstruiert. Alle Hohlräume sind ausgeschäumt. Das Dach des Aufbaus ist als Auftriebskörper konstruiert. Wer noch die alten MODELLWERFT-Hefte aufbewahrt hat, findet ein Porträt der „Emile Robin“ in der Ausgabe 2/97. Benannt wurde das Boot nach dem französischen Industriellen Emile Robin, der um die Jahrhundertwende größere Summen den Hinterbliebenen von Rettungsmännern, die im Einsatz ihr Leben verloren, spendete. Das Modell Bei dem einen oder anderen Schiffsmodelbauer schellen jetzt schon die Alarmglocken. Wieder ein Holzbaukasten von Billing!? Nein diese Klientel kann beruhigt aufatmen. Es liegt ein Fertigrumpf aus Polystyrol bei. Beim Nach- baumaßstab von 1:33 ergibt sich dabei eine Modelllänge von knapp 60,5 cm bei 16,9 cm Breite – ein wirklich handliches Modell, das durch die Rumpfform dennoch gute Fahreigenschaften vermuten lässt. Nun aber erst mal den Deckel auf und geschaut, was alles dabei ist! Die „Emile Robin“ von Billing Boats bereichert das Bild auf den Modellteichen erheblich. Andreas Stach 4 MODELLWERFT 4/2004 Der Rumpf ist lackiert. Geschliffen und gespachtelt Die Rotkreuzzeichen dürfen natürlich nicht fehlen. Auch die Schornsteine und der Antennenmast sitzen. Zum einen, wie schon erwähnt, der Fertigrumpf und sogar das Deck aus relativ starkem Polystyrol. In das Deck ist bereits der Süllrand für den Aufbau mit integriert. Weiter geht es mit den bei Billing Boats unvermeidlichen umfangreichen Holzplatten mit den Bauteilen für Jetzt kann es an den Teich gehen. Aufbau und Ausrüstung. Hier ist allerdings alles bereits sauber mit Laser vorgeschnitten. Die Teile werden nur noch durch winzige Stege in der Trägerplatte gehalten. Weiter liegt ein Spritzgussbaum mit Ausrüstungsteilen bei. Das Highlight ist wie immer in diesen Baukästen der beiliegende Beschlagsatz. Hier sind die Doppelruderanlage aus Messing, die Schiffswellen, Relingstützen sowie andere Kleinteile MODELLWERFT 4/2004 zu finden. Ein Decalbogen für die Modellbeschriftung rundet den Inhalt des Baukastens ab. Aber der einzige Rückschritt in die Vergangenheit soll auch nicht unerwähnt bleiben: Material für einen Modellständer, durch ständiges Nörgeln der Modellbauer mittlerweile fast immer Standard in allen Baukästen, fehlt völlig. Auch in der Bauanleitung und im Plan 5 FAHRMODELLE Fehlanzeige. Und gerade bei einem Fertigrumpf ist das Ermitteln der Rumpfform im Auflagebereich nicht so einfach. So, genug gemeckert und nun hinein in den Bau des Modells. Zum Thema Fertigrumpf und Deck beschneiden braucht nicht viel gesagt zu werden. Bei der weiteren Ausrüstung des Rumpfs sind aber einige Dinge zu beachten. Zum einen sind es die großen Schlingerkiele, zum anderen die Rumpfhacke. Diese Bauteile werden nämlich aus Holz gefertigt. Somit ist eine penible Imprägnierung gegen Wasser unbedingt notwendig. Nichts ist schlimmer als eine später aufgequollene Schlingerleiste. Also wurde alles in G4 getränkt und dann verschliffen. Positiv anzumerken sind die Markierungen für diese Leisten, die bereits am Rumpf vorhanden sind. Ebenso sind die Bohrpunkte für die Ruderkoker und die Wellendurchführungen kenntlich gemacht. Da die Wellen aber fast parallel zum Kiel den bauchigen Rumpf verlassen, müssen die Bohrungen beinahe zu Langlöchern ausgefeilt werden. Bei der Anlenkung der Doppelruderanlage besteht das Problem, dass die Achsen nicht senkrecht stehen. Laut Plan sind die Ruderblätter nach außen geneigt zu installieren. Also wurde auf einem Servo ein Doppelruderhorn mit zwei Schubstangen montiert. So stimmt der Ruderausschlag und es kann sich nichts verklemmen. Die weitere technische Rumpfausrüstung besteht aus zwei 400er-E-Motoren mit den passenden Halterungen, einem Regler und dem Empfänger. Als Antriebsakku wird ein 5-zelliger NC-Akku in den Kielbereich zwischen die Lasercut-Holzteile Motorböcke gelegt. So bleibt der Schwerpunkt weit unten. Denn das Modell sollte im Fahrverhalten dem Vorbild nicht nachstehen. Die Decksmontage ist durch das tief gezogene Fertigteil schnell erledigt. Im Anschluss erfolgen schon die Lackierarbeiten am Rumpf, noch bevor die umlaufende Gummifenderleiste angebracht wird: Unterwasserschiff rotbraun, Wasserpass weiß, Rumpf rot. Die Beschriftungen liegen als Nassschiebebilder bei. Sogar das Bugstrahlruder wird so imitiert. Danach erfolgt die weitere Decksausrüstung. Die hintere Holzkiste verdeckt die Ruderöffnung. Davor ist ein stabiler Poller für Schleppmanöver zu finden. Außer diversen Pollern sind dann noch ein Notausstieg, eine Kiste und ein kleines Schanzkleid am Bug zu positionieren. Die rechteckigen Deckskisten werden mit einer Persenning abgedeckt. Stoffmaterial (leider etwas zu steif) liegt bei. Beim Vorbild verbergen sich unter Der Baukasteninhalt 6 den Planen jeweils eine Winde am Heck und eine kleinere am Bug. Das Erstellen der Reling muss durch die starke Deckskrümmung direkt auf dem Modell erfolgen. Hierzu sind im Beschlagsatz MS-Stützen und Draht vorhanden. Etwas mehr Geschick fordert allerdings die Heckreling, die beim Vorbild zusätzlich als Trossenführung für die Schleppwinde dient. Nach dem vorsichtigen Verlöten (auf Kühlung wegen des Kunststoffdecks achten) sollte die Angelegenheit dann abgenommen, verputzt und separat lackiert werden. Das Vorbild hat eine Niro-Reling. Entweder man vernickelt oder lackiert in Silber. Ich habe Felgensilber aus der Sprühdose und einen Klarlacküberzug gewählt. Die weitere Decksausrüstung mit Pollern und Ausstiegsluke ist schnell erledigt. Der Aufbau Wie bei Billing Boats üblich, besteht hier fast alles aus Holz. Mit Laser vorgeschnitten sind die Teile sofort fertig für den Zusammenbau. Aber wie bei diesem Hersteller auch leider immer noch üblich, ist es mit der Passgenauigkeit teilweise nicht weit her. Hier ist gehörige Anpassarbeit zu leisten. Wenn schon lasergeschnitten, warum dann nicht auch passend? Den Aufbau zusammenzuleimen und dabei nicht zu verziehen, ist also nicht immer einfach. Ich punktete die Teile erst komplett mit Sekundenkleber zusammen, bevor die Holzteile von innen mit Weißleim dauerhaft verklebt wurden. So waren eventuell anfallende Korrekturen noch möglich. Dann wurden der Aufbaugrundkörper verspachtelt und die Ecken rund geschliffen. Dies ist an diesem Modell eine Besonderheit. Fast sämtliche Kanten sind auch auf dem Vorbild zum Schutz vor Verletzungen abgerundet. Ein anderes Problem stellt das Anpassen des Aufbaus auf den Süllrand des Decks dar. Die Deckskrümmung ist sehr stark ausgeprägt und der Süllrand nicht hoch genug. Dieses Problem hatte wohl auch das MODELLWERFT 4/2004 Der Technikeinbau Aufbau in Holz Technische Daten des Vorbilds Baujahr ................................ 1989 Länge .............................. 19,99 m Breite ................................ 5,60 m Tiefgang ............................ 1,80 m Antrieb ........................ 2 × 365 PS Bugstrahlruder .................... 50 PS Höchstgeschwindigkeit ...... 11,5 kn Handmuster auf dem Deckelbild des Kartons. Auch hier sieht man größere Spalten im vorderen und achteren Bereich des Aufbaus. Die weitere Ausrüstung schreitet mit dem Anbringen der Fensterrahmen voran. Sie bestehen aus dünnem Sperrholz und sind mit Laser vorgeschnitten. Beim Lösen aus der Trägerplatte sollte man mit einem Skalpell sehr vorsichtig zu Werke gehen. Dann müssen diese filigranen Teile noch gegen Feuchtigkeit geschützt, verschliffen und angeklebt werden. Der optische Eindruck ist sehr gut, obwohl das Vorbild nicht über solche ausgeprägten Rahmen verfügt. Die Schornsteine und der mittlere Mastgrundkörper werden aus Sperr- und Balsaholz verleimt und auf Form geschliffen. Auch hier sollte gut gegen Feuchtigkeit geschützt werden. Viel Schleiferei fällt auch bei dem Unterbau der Radarplattform an. Montiert werden diese Teile erst nach der separaten Lackierung. Der Aufbau wird zuerst grundiert und dann weiß lackiert. Dann erfolgt das umfangreiche Abkleben für die rote Signallackierung. Selbst für die markanten roten Kreuze liegen keine Aufkleber oder Decals bei. Die weitere Ausrüstung erfolgt dann nach Bauplan. Die kleinen Kunststoffdetails, die aus Spritzguss beiliegen, sind für die Detaillierung eine große Erleichterung. Auch die Messingbeschläge wie Scheinwerfer und Positionslampen sind bis auf die Lackierung anbaubereit. Die Positionslampen sind allerdings völlig falsch geformt und dazu aus Messing-Vollmaterial, so dass es nur schwer möglich ist, die Lampenkörper funktionsfähig zu gestalten. Und nur das MODELLWERFT 4/2004 farbige Anmalen kann es bei solch einem Schiffsmodell doch nun wirklich nicht sein. Hier sollte man beim Bau direkt auf Zubehörteile anderer Hersteller ausweichen. Weiter ist das Rundmaterial für die Handläufe am Aufbau etwas knapp bemessen. Materialknappheit kommt aber bei fast allen Baukastenherstellern ja immer wieder vor. Da nun die erste Fahrt kurz bevorstand, musste das Problem der Aufbaubefestigung gelöst werden. Denn der nur knapp 5 mm hohe Rand auf dem Deck reicht bei weitem nicht aus, um das Deckshaus zuverlässig zu halten. Gegen Wassereinbruch bei Schwerwetterfahrten sollte der Rand also erhöht werden. Die Arretierung des Aufbaus ist ansonsten leicht mit einem einfachen Magnetschloss aus dem Baumarkt zu lösen. Der Hauptschalter befindet sich unter der Persenning der vorderen Windenabdeckung. Erste Einsatzfahrt Die abschließenden Trimmarbeiten waren mit dem Einsetzten des 4-Ah-NC-Akkus sofort erledigt. Der Stromspender wurde mit Klettband fixiert und die Wasserlage stimmte perfekt. Also eine Winterregenpause abgewartet, und ab zum Fototeich. Nach den ersten Testrunden auf dem Wasser fiel es mir schon schwer, den Sender an meinen Sohn weiterzureichen, um dann die Kamera zu bedienen. Denn das Fahrbild, das dieses Modell auf dem Gewässer bot, war wirklich bemerkenswert. Die maximale Geschwindigkeit mit den beiden 400er-Motoren war natürlich viel zu hoch, aber nachdem der Sender auf 70 % der Volllast umprogrammiert worden war, stimmte dann alles. Das Wellenbild bei maßstäblicher Geschwindigkeit war Spitzenklasse. Die Doppelruderanlage ergibt eine gute Wendigkeit, wobei die Steuerfähigkeit bei Rückwärtsfahrt durch den ausgeprägten Kiel eher mäßig ist. Weiterhin sollte die Trimmlage etwas nach achtern gelegt werden; die doch recht großen Propeller ziehen sonst schon mal Luft. Mit dem eingebauten Akku sind bei gemütlicher Fahrweise sicher Einsätze von über 50 Minuten oder mehr drin. Zum Ausdauertest war es kurz vor dem Jahreswechsel aber deutlich zu kalt. Fazit Die „Emile Robin“ von Billing Boats im Vertrieb von Simprop bereichert das Bild auf den Modellteichen erheblich. Endlich ist etwas Abwechselung auch in den Bereich der Rettungsboote und Kreuzer gekommen, zumal gerade Dänemark bei deutschen Touristen doch zu den gerne besuchten Urlaubsländern zählt. Der Rettungskreuzer hat ein überaus handliches Format und ist durch den Doppelschraubenantrieb extrem betriebssicher. Der versierte Modellbauer hat mit der Montage mit Sicherheit keine großen Probleme. Es sind bei mir ca. 70 Baustunden in dreieinhalb Monaten angefallen. Unerfahrene sollten hier aber wirklich Vorsicht in der Einschätzung ihrer Fähigkeiten walten lassen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis geht sicherlich in Ordnung, wobei das eine oder andere besser zu lösen wäre. Dafür ist die serienmäßige Detaillierung überdurchschnittlich. Die Ausrüstung mit einer funktionsfähigen Beleuchtung und der Einbau eines Bugstrahlers, damit der hässliche Aufkleber unter der Wasserlinie verschwindet, sind gute Möglichkeiten, das Modell weiter aufzuwerten. Blaulicht, Sirene und eine funktionsfähige Winde achtern sind dann noch etwas für die Multifunktionsfreaks. Abschließend ist nur noch zu sagen: Billing Boats, bitte weiter so! 7