Das Randecker Maar: Fossilien aus einem miozänen Kratersee

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Das Randecker Maar: Fossilien aus einem miozänen Kratersee
Fossilien Heft 2/2012 März/April
Das Randecker Maar: Fossilien aus
einem miozänen Kratersee
Michael W. Rasser
Das Randecker Maar ist eine weltberühmte Fossilfundstelle auf der mittleren
Schwäbischen Alb nahe Kirchheim unter Teck. Es handelt sich dabei um einen
Maarsee aus der Zeit des späten Untermiozäns (ca. 16 Millionen Jahre vor heute), der durch eine vulkanische Explosion im Urach-Kirchheimer Vulkanfeld entstand. Bekannt ist das Randecker Maar vor allem wegen seiner perfekt erhaltenen
Fossilien, allen voran Pflanzenreste und Insekten, sowie Kleinsäuger, Amphibien
und Schnecken. Das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart hat bei zwei
Grabungskampagnen (2009 und 2011) in Zusammenarbeit mit der Universität
Tübingen zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen, von denen dieser Beitrag erste
Ergebnisse vorstellt.
Was ist ein Maar?
Ein Maar ist eine durch vulkanische Explosionen entstandene Kraterstruktur, in der sich
ein See bilden kann. In der Eifel befinden
sich noch heute eine ganze Reihe von wassergefüllten Maaren, wie das Meerfelder Maar,
das Weinfelder Maar oder das Schalkenmehrener Maar, die für den Namen solcher
Strukturen Pate gestanden haben. Die Aussprengung erfolgt dabei durch
den Kontakt des an Gesteinsklüften aufsteigenden heißen
Magmas mit dem Grundwasser im Deckgebirge. Eine Besonderheit ist, dass Maarseen oft kleinräumig und tief sind, mit sehr
steilen, schmalen Rändern. Die Vielfalt der
darin abgelagerten Gesteine ist in der Regel
gering, deren Schichtung hingegen meistens
sehr ausgeprägt (Cohen 2003). Dies triff t
ganz besonders auch auf das Randecker Maar
zu. Es gehört zum insgesamt 1500 km 2 großen Urach-Kirchheimer Vulkanfeld und liegt
etwa 9 Kilometer südöstlich der Stadt Kirchheim unter Teck. Durch Wasserdampfexplo-
Abb. 1: Das Panoramafoto zeigt die Beckenform des Randecker Maars. Im Hintergrund ist das Becken erodiert und daher zum Albvorland hin offen. Ganz hinten ist
der Bergkegel der Limburg bei Weilheim an der Teck zu erkennen, ein von der Erosion
herauspräparierter Schlot (Diatrem) des Urach-Kirchheimer Vulkanfelds.
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sionen entstand hier ein mindestens 150 Meter tiefer Krater mit einem Durchmesser von
1200 Metern, in dem sich ein See bildete, der
offensichtlich keine nennenswerten Zu- oder
Abflüsse hatte (Jankowski 1981). Die fossilreichen Maarsee-Ablagerungen bestehen
vorwiegend aus eingeschwemmten Tuffiten
sowie Karbonaten und bituminösen Blätterkohlen, dem so genannten Dysodil (Abb. 2).
Abb. 2: Die fossilreiche Blätterkohle (Dysodil)
ähnelt einer flexiblen Dachpappe. Beim Trocknen
zerfällt sie allerdings rasch.
Rohstoffknappheit
Entdeckt wurde das Randecker Maar im
Zuge intensiver Suche nach brennbaren Rohstoffen Mitte des 19. Jahrhunderts, und für
kurze Zeit wurde dort der Dysodil (Blätterkohle) sogar versuchsweise abgebaut. Dabei
wurde man schnell auf den ungewöhnlich
gut erhaltenen Fossilbestand aufmerksam.
Die Gewinnung von Steinöl aus dem Dysodil war schon damals unrentabel und wurde
rasch wieder aufgegeben. Seitdem gab es eine
Vielzahl an kleineren Grabungen und zahl-
reiche wissenschaftliche Untersuchungen am
Fossilmaterial (Schweigert 1998; Schweigert & Bechly 2001). Das Randecker Maar
wird heute nicht ohne Grund zu den bedeutendsten Geotopen in Deutschland gezählt
(Schweigert 2007).
Neue Grabungskampagnen
Grabungen in einem Naturschutzgebiet sind
von vornherein problematisch, da dort jeglicher Eingriff in die Natur möglichst gering
sein muss. Ein weiterer Aspekt war natürlich,
ein möglichst langes, durchgehendes, fossilreiches Profil zu finden. Wir entschieden uns
daher, nahe einer Stelle zu graben, an der bereits der Tübinger Paläontologe Frank Westphal (1963) ein ungestörtes Profil nachgewiesen hatte und die Grabung auf einem recht
flachen, offenen Gelände durchgeführt werden konnte. Eine geeignete, nur wenig durch
Rutschungen gestörte Stelle konnte schnell
ausfindig gemacht werden. Begonnen wurde
Abb. 3: Die extrem dünnlagigen Laminite aus der vorderen
Grube.
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dort im Jahr 2009 mit einer zweiwöchigen
Grabungskampagne. Dabei wurde ein 2,20
Meter mächtiges Profi l aus feinstgeschichteten kalkigen Seesedimenten (Laminiten) aufgedeckt (Abb. 3). In einer etwa zwei mal zwei
Meter großen Grube wurden, ausgehend von
einem definierten Nullpunkt, Schichtpakete
mit fünf bis zehn Zentimetern Stärke abgetragen und dann neben der Grube aufgespaltet. Dadurch konnte eine Vielzahl von Fossilien schichtgenau aufgesammelt werden. Das
Profi l selbst wurde im Detail beprobt und
vermessen (Abb. 4).
Aufgrund des unerwarteten Erfolgs, auf Anhieb ein 2,20 Meter mächtiges und ungestörAbb. 4: Für physikalische Messungen im Labor wurden
Sedimentsäulen geborgen, die das Profil vollständig dokumentieren. Im Bild der Präparator Achim Lehmkuhl.
Abb. 6: Studenten und Volontäre spalten die
Laminite auf der Suche nach Fossilien auf.
Diese werden sofort verpackt und beschriftet. Im
Vordergrund Professor James Nebelsick von der
Universität Tübingen.
Abb. 5: Das acht Meter mächtige Gesteinsprofil erstreckt
sich über mehrere Gruben.
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tes Profil mit Laminiten gefunden zu haben,
war das Ziel für die folgende Grabung klar:
die Erweiterung der Grabungsstelle und die
Erfassung eines möglichst langen Profilabschnitts, um die Seegeschichte rekonstruieren
zu können. Ausgehend von der Grabungsstelle
von 2009 wurde daher im Jahr 2011 unmittelbar oberhalb davon weitergegraben (Abb. 5).
Da die diesmal dreiwöchige Grabung als eine
Lehrgrabung der Universität Tübingen angelegt war, konnte auf ein größeres Team zurückgegriffen werden, sodass täglich immer
rund zehn Personen anwesend waren. Dies
war umso wichtiger, als auf den Einsatz eines Baggers aufgrund naturschutztechnischer Erwägungen und der Schwierigkeiten,
die es mit sich bringt, einen solchen Bagger
gefahrlos an die Grabungsstelle zu bringen,
verzichtet wurde. Außerdem konnte der Um-
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satz an potenziell Fossilien führendem Material deutlich erhöht werden. Wie schon im
Jahr 2009 wurden spaltbare Gesteinspakete
Schicht für Schicht entnommen und neben
der Grube aufgespaltet (Abb. 6).
Knochen, Zähne und Skelette
Die Laminite sind vorwiegend hellgrau bis
beige gefärbt; teilweise sind dickere Lagen
mit braunen Tonen eingeschaltet. In der Mitte des etwa acht Meter mächtigen Profi lausschnitts wird die Laminit-Abfolge von einem mächtigen, tonig-erdigen Bereich mit
Schuttbrekzien aus kalkigem
Jura-Gestein unterbrochen. An dessen Basis
fanden wir überraschenderweise eine Anreicherung von Wirbeltier-Resten mit den Knochen eines Krokodils und von Großsäugern.
Unter den Säugetieren der neuen Grabungen
stechen zwei Neufunde besonders hervor:
eine fast vollständige Bulldog-Fledermaus
(Abb. 7) aus den fein geschichteten Sedimenten, von der bislang nur zwei Exemplare bekannt waren, sowie der fragmentierte Kiefer
eines Paarhufers (Abb. 8), möglicherweise eines Hirschs, der gemeinsam mit den Langknochen anderer Säugetiere in der erwähnten
Knochenlage gefunden wurde. Dieser Kiefer
weist noch einige Rätsel auf und kann voraussichtlich erst nach einer gründlichen Präparation genauer bestimmt werden.
An Amphibien-Funden sind vor allem ein
vollständiger, juveniler Salamander (Abb. 9)
sowie diverse Knochenreste zu erwähnen.
Reptilien sind in den Seesedimenten
Abb. 7, links: Bulldoggfledermaus,
ca. 7 cm breit. Inv.-Nr. SMNS 47440.
Abb. 8, Mitte: Linker Kieferast eines
noch unbestimmten Paarhufers,
ca. 13 cm lang. Inv.-Nr. SMNS 47721.
Abb. 9, unten: Juveniler Salamander, ca. 5 cm lang. Inv.-Nr. SMNS
95461.
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Abb. 10, oben: Kieferast des Krokodils Diplocynodon.
Länge ca. 16 cm. Inv.-Nr. SMNS 95856.
Abb. 11, links: Knöcherne Hautplatten
(Osteoderme) eines Krokodils, gefunden in der Nähe des Krokodilkiefers
aus Abb. 10 und offensichtlich zum
selben Tier gehörend. Bildbreite 10 cm.
Inv.-Nr. SMNS 95856.
Abb. 12, unten: Vogelbein, Länge ca. 32 mm.
Inv.-Nr. SMNS 95855. Alle Fotos: M. Rasser.
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des Randecker Maars insgesamt nicht häufig.
Umso bemerkenswerter sind die Funde eines
Krokodilkiefers und einiger Krokodil-Hautknochenplatten (Abb. 10-11). Ein kompletter
Kiefer war aus dem Randecker Maar bisher
noch nicht bekannt. Er gehört zu Diplocynodon, einer Krokodilgattung, die zur Zeit des
Untermiozäns in Süddeutschland recht häufig war. Vogelreste waren aus dem Randecker
Maar ebenfalls kaum bekannt. Im Jahr 2009
konnten ein isoliertes, aber ansonsten gut erhaltenes Vogelbein (Abb. 12) sowie eine nicht
näher bestimmbare Vogelfeder geborgen
werden.
Unter den Wirbellosen wurden zahlreiche
Insekten und gut erhaltene Schneckengehäuse gefunden. Letztere weisen vor allem auf
eine sehr artenreiche Landschneckenfauna
hin, während die Wasserschnecken im Vergleich dazu äußerst artenarm waren. Die Insekten wurden erst vor Kurzem von Joachim
(2010) neu bearbeitet. Am häufigsten unter
allen Funden waren erwartungsgemäß Pflanzenreste, vor allem Blätter. Diese liegen vorwiegend in Form von Abdrücken vor, während die Erhaltung mit organischer Substanz
in den ergrabenen Schichten selten war.
Ausblick
Viele Fossilien und andere erdwissenschaftliche Daten warten noch auf ihre Auswertung,
und die Erforschung des Randecker Maars
wird sicher noch einige Jahre weitergehen.
Zukünftige Grabungen haben das Ziel, auch
noch andere Lebensräume des Maarsees zu
erfassen, um ein möglichst umfassendes Bild
von Klima und Vegetation in der Umgebung
dieses miozänzeitlichen Kratersees zu erhalten.
Dank: Die Grabung wurde vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart finanziert. Wir danken
dem Pächter Heinz Schempp und dem Naturschutzzentrum Schopfloch, dessen Leiter Dr. Wolfgang
Wohnhas sowie Frau Sonja Strobel für ihre Kooperation. Sowohl die Gemeinde Bissingen mit Bürgermeister Marcel Musolf als auch die zuständigen Behörden
unterstützten unser Vorhaben mit einem Minimum
an Bürokratie. Die technische Grabungsleitung hatte
Martina Battenstein. Herzlichen Dank an die beteiligten Präparatoren, allen voran Marit Kamenz, Martin
Kapitzke, Achim Lehmkuhl und Markus Rieter sowie
an eine Vielzahl Studenten, Ehrenamtliche, Praktikanten und Volontäre, die die Grabung erleichterten
und hier leider nicht alle aufgeführt werden können.
Die wissenschaftliche Leitung wurde maßgeblich mitgetragen von Prof. James Nebelsick und Dr. Anita
Roth-Nebelsick.
Literatur
Cohen, A. S. (2003): Paleolimnology. Oxford University
Press, Oxford.
Jankowski, B. (1981): Die Geschichte der Sedimentation
im Nördlinger Ries und Randecker Maar. Bochumer
geol. geotechn. Abh. 6: 1-315.
Joachim, C. (2010): Biodiversität und Palökologie fossiler Insekten des Randecker Maar (Unter-Miozän,
SW-Deutschland). Documenta naturae 179: 1-109.
Schweigert, G. (1998): Das Randecker Maar. Stuttgarter
Beitr. Naturk. C43: 1-66.
Schweigert, G. (2007): Explosionsartiger Ausbruch eines
Vulkans – Das Randecker Maar auf der Schwäbischen
Alb. In: Look, E.-R. & H. Quade (Hrsg.): Faszination
Geologie – Die bedeutendsten Geotope Deutschlands.
S. 118-119. Schweizerbart-Verlag, Stuttgart.
Schweigert, G. & G. Bechly (2001): Bibliographie zur
Geologie und Paläontologie des Randecker Maars
(Unter-Miozän, Südwestdeutschland) von 1825-2000.
Stuttgarter Beitr. Naturk., B302: 1-12.
Westphal, F. (1963): Ein fossilführendes JungtertiärProfil aus dem Ober-Miozän des Randecker Maars
(Schwäbische Alb). Jber. Mitt. Oberrhein. geol. Ver., n.
F. 45: 27-43.
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itglieder der Paläontologischen Gesellschaft berichten aus Forschung
und Wissenschaft. Der 1912 in Greifswald gegründeten Paläontologischen Gesellschaft gehören heute mehr als 1000 Paläontologen, Geologen,
Biologen, Ur- und Frühgeschichtler, aber auch zahlreiche Hobbypaläontologen an. Seit 1984 wurde bereits 23mal die Karl-Alfred-von-Zittel-Medaille der Gesellschaft an verdiente Hobbypaläontologen verliehen.
www.palaeontologische-gesellschaft.de • www.palges.de
Spezielle Fragen zu Fossilien, regionaler Geologie und Paläontologie werden von kompetenten Ansprechpartnern
aus der Paläontologischen Gesellschaft beantwortet unter:
www.palges.de/kontakt.html
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