Aus der Geschichte tle« Telefon«

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Aus der Geschichte tle« Telefon«
SumtiB/Sonntag, 2S./26. lcbruar
WOCHENENDE
Nr. 47
1978
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Nachbildung des am
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patentierten TttiJOIU von Hell.
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Telefon«
Aus der Geschichte tle«
(Aufnahmen)
Von
Arthur Wyss(Tcxl)
cMister Watson, please comc hcre, I want yoii.» Diesen banalen Satz spricht am 10. März 1876 Alexander Graham Bell in
einem Dachzimmer in Boston, Massachusetts (USA), um damit
seinen Mitarbeiter, den Mechaniker Thomas Watson, aus einem
Nebenraum herbeizurufen. Sekunden später erfüllen Watsons Jubelrufe Bells enge Expcrimentierstube: der Gehilfe hat den
Wunsch seines Meisters nicht bloss durch die offene Türe, sondern ganz deutlich aus dem Sprechapparat vernommen, der durch
cino Drahtlcitung mit einem Mikrophon in Bells Zimmer verbunden ist. Zum erstenmal sind menschliche Worte mittels elektrischer Impulse über ein sogenanntes «Telephon» übermittelt und
klar verstündlich empfangen worden.
Neu Ist die Idee allerdings nicht mehr. Schon 1854 veröffent-
licht der französische Tclcgrafcningcnicur Charles Bourscul in der
Zeitschrift «^Illustration» eine Theorie unter dem Titel «Transmission electrique de la parole». Der deutsche Lehrer Johann Philipp Reis geht einige Jahre später einen Schritt weiter und baut
den ersten Apparat, den er 1861 mit einem Vortrag «Ueber Tclc-
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Knti Hofer
phonlo durch galvanischen Strom* dem Physikalischen Verein In
Prankfurt vorführt Es gelingt ihm Jedoch nicht, das gosprochcnc
Wort tu übertragen, und der Erlolg bleibt aus.
Eine Goldmedaille jür
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Telefon
Bell muss seine ersten Erfolge hart erkämpfen. Schon bei der
Patentanmeldung am 14. Februar 1876 wäre es beinahe schiefgegangen: zwei Stunden nach ihm legte ein Erfinder namens Elisha
lirny ebenfalls ein Patentbegehron für ein Telefon vor. Der knap-
Zeitvorsprung sicherte jedoch Bell die Priorität.
Noch Im gleichen Jahr gründet er die Bell Telephone Company, ein anfänglich sehr bescheidenes Kleinunternehmen, das jedoch im 20. Jahrhundert ZU einem der mächtigsten Industricgiganten der Welt anwachsen sollte. Seine ersten Geräte sind äusserst primitiv gebaut und für den praktischen Gebrauch vorerst
kaum geeignet. Immerhin: an der USA-Jahrhundcrtausstellung
von 1876 in Philadelphia bringt ihm seine Erfindung eine Goldpe
medaille ein.
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Halske, mit Annijpjcije.
s t e h e in den USA bereits
Zwei Jahre nach Bells Erfindung n
Telefone in Betrieb. Sie funktionieren zwar cingermasscn,
doch sind sie noch mit einem entscheidenden Mangel behaftet, der
die allgemeine Anwendung und Ausbreitung der Telefonie blokkiert: es handelt sich um blosse Punkt-Punkt-Verbindungcn, d. h.
je zwei Apparate sind durch eine Drahtleitung fest miteinander
verbunden, und Umschaltungen nach Wahl sind noch nicht möglich. Am 28. Januar 1878 wird in New Haven, Connecticut (USA),
erstmals eine Umschaltstation in Betrieb genommen. Diese erste
Telefonzentrale der Welt ist das Werk von George W. Coy. Erstaunlich rasch erwacht auch in der Schweiz, das Interesse für das
neue Kommunikationsmittel. Schon im Dezember 1877 unternimmt Michele Patocchi, der initiative Tclegrafcninspcktor von
Bellinzona, die ersten Sprcchvcrsuche über die Telegrafenleitung
und berichtet laufend tiber seine Erfolge nach Bern. 1880 erteilt
der Bundesrat einer Privatgesellschaft die Konzession, ein Stadtnetz in Zürich zu bauen und zu betreiben, was noch im gleichen
Jahr geschicht. In den folgenden Jahren errichtet die Telegrafenverwaltung eigene Ortsnetze in weiteren Städten des Landes, und
1887 nimmt sie das private Zürcher Telefonnetz in ihre Obhut.
14 000
Von der Lokalbattcrie (LB) zur Zentralhof ferie
Die ersten Umschaltstationen erwiesen sich als zuwenig leistungsfähig. Einen wesentlichen Fortschritt brachte erst rd e Stan-
1900: Lokalbalterle-Telilontlsclistätton Ericsson, Luxusmodell.
dardtyp der Western Union Telegraph in New York, wovon zwischen 1881 und 1896 eine grosse Zahl auch in der Schweiz gebaut
und eingerichtet wurden.
Während der ersten Jahrzehnte war jede Abonnentensprechstation mit einer lokalen Batterie, die den Strom für die Sprechverbindung lieferte, und mit einem Kurbclinduktor zur Erzeugung
des Rufstroms ausgerüstet. Bereits 1S82 liess George Lee Anders in
London ein neuartiges Telefonsystem patentieren, das dank einer
gemeinsamen Batterie in der Zentrale den Anrufinduktor und die
lokale Batterie im Apparat des Abonnenten überflüssig machen
sollte. Bis zum Bau der ersten Unischaltschränke nach dem neuen
Zcntralbatterieprinzip (ZB) vergingen allerdings noch mehr als
zehn Jahre.
In rd e Schweiz begann die schrittweise Umstellung zur ZBZciilralc im Jahre 1908 in Bern. Bis zur Automatisierung standen
noch während Jahrzehnten beide Systeme nebeneinander in Betrieb, wobei sich freilich das LB-Prinzip nur noch in kleinen
Netzen halten konnte.
Kabel, geschützt und unsichtbar
Nachdem es seine Anfangsschwierigkeiten überwunden hatte,
verbreitete sich das Telefon derart rasch, tiass vielerorts der Bau
der notwendigen oberirdischen Leitungen sehr problematisch wurde. Deshalb begann man bald, die Freileitungen durch Erdkabel
zu ersetzen.
1900: Lokalbalierie-Tclejoiitisclutation Hasler.
Die Erdkabel benötigen aber einen besonderen Schutz, vor
allem gegen mechanische Einwirkungen sowie gegen Mäuse- und
Rattenfrass. Am häufigsten verwendete man die Zores-Eisen
(nach dem französischen Erfinder Ferdinand Zores benannt), eine
Neue Zürcher Zeitung vom 25.02.1978
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WOCHENENDE
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Art lüngs geteilte Halbroiirc mit beidseitigen Flanschen,
sie, nachdem das Kabel hineingelegt war,
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Samstag/Sonntag.
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25-/26. Februar 1978
Nr. 47
an donen
mit Schrauben oder Bri-
den fest miteinander verbunden wurden.
Als nach dem Ersten Weltkrieg mit der rasch zunehmenden
Elektrifizierung in der Schweiz immer mehr Hochspannungsleitungen und Eisenbahnfahrdrähte zusammen ein dichtes Netz bildeten und dadurch die Induktionsstörungen auf die nahen und oft
parallel dazu laufenden Telefonleitungen schlechterdings unerträglich wurden, forcierte man notgedrungen den Bau von Erdkabeln für die Fernverbindungen. Um 1930 begann man mit der
Verkabelung der Bezirksleitungen. Seit Ende 1970 sind in der
Schweiz sämtliche Verbindungen unter den rund 1000 Telefonzentralen verkabelt.
Verstärken ecluiik überwindet die Distanzen
Die Sprachditmpfung als Folge der Stromverluste in den Leitungen beeinträchtigte und begrenzte anfänglich den Telefonfernverkehr in hohem Mass. Im Jahre 1906 erfanden zwei Physiker,
der Amerikaner Lee de Forest und der Oesterrcieher Robert von
Lieben, fast gleichzeitig und unabhängig voneinander die elektronische Verstärkerröhre mit Steuergitter. Je nach Durchmesser der
Adern baute man diese Geräte in Abständen von 75 oder 150
Kilometern in die Kabelleitungen ein. womit das bisher so schwerwiegende Problem der Sprachdämpfimg auf grossen kontinentalen
Entfernungen endgültig gelöst war.
Mehrf neuübertragung spart Leitungen
In den ersten sechs Jahrzehnten bestand das Telefonnetz aus
von niederfrequenten Strömen durchflossenen Leitungen. Die
grossen Fortschritte der Elektronik ermöglichten nach dem Zweiten Weltkrieg die Mehrfachausnutzung rd e Kabeladern durch die
Trägerstromtclefonie. Diese Technik gestattet die gleichzeitige
Uebermittlung von 48 Gesprächen mittels hochfrequenter Ströme
über je ein Aderpaar in jeder Richtung, wobei für jedes Gespräch
ein Frequenzband von 4000 Hertz benötigt wird.
1946 wurde in der Schweiz mit dem Bau eines paarsymmetrischen Trägerkabelnetzes begonnen. 1951 folgten die ersten Koaxialkabel von 9,4 Millimetern Durchmesser, deren Netz seit 1965
durch Kleinkoaxialkabel von 4.4 Millimetern Durchmesser ergänzt wird. Die Koaxialkabel stellen heute das Rückgrat
unseres
Fernmeldenetzes dar. Ein Typ modernster Bauart vermag gleichzeitig rund 10 000 Gespräche zu übermitteln.
Radiotelefonie eröffnet neue Dimensionen
1917 gelang in den USA die erste drahtlose Telefonverbindung
zwischen Arlington und San Francisco. Grössere Bedeutung erlangte die Radiotelefonie dank der Entwicklung der
Uebertragungstechnik mit Kurzwellen und Ultrakurzwellen. 1940
eröffnete
die Schweiz ihre erste internationale Radiotelefonverbindung mit
Nordamerika über den Kurzwellensender Schwarzenburg und die
Empfangsanlage Chätonnayc FR.
Im nationalen Bereich erweisen sich die Richtstrahlen in zunehmendem Mass als wichtige Ergänzung zum Kabelnetz. Die erste Telefonrichtstrahlverbindung unseres Landes wurde 1947 zwi-
Uni 1910: Automatische Telefonttschstatton Siemens & Halske.
das erste ganzautomatische Netz in Beirieb genommen wurde, D.is
Publikum machte sich, nach einer kurzen Gcwöhnüngszeit und
zum Teil recht herben Kritiken in der Presse gegen diese (Zumutung an die Telefonkunden») rasch mit der Wählscheibe vertraut.
1927 begann man in der Schweiz mit der Automatisierung des
Fernverkehrs. Die über 9oo Ortsnetze wurden in 52 Netzgruppen
zusammengefasst, wovon jede eine dreistellige
Fernkennzahl erhielt. Im Dezember 1959 hatte die Schweiz als se r s t e Land der
Welt den gesamten inländischen Orts- und Fernverkehr automatisiert, nachdem in Schuls/Scüol GR die Iet/tc handbediente ZBZentrale ersetzt worden war.
Vor zehn Jahren wurde mit der Automatisierung des internationalen Verkehrs begonnen. Im Rahmen der Internationalen
Fernmeldeunion UIT hatte jedes Land zuvor eine Kennzahl erhalten. In der Zwischenzeit hat sich die internationale Selbstwahl bei
der Kundschaft ebenso selbstverständlich durchgesetzt wie früher
im nationalen Bereich. Von der Schweiz aus besteht heute automatischer Verkehr mit über 50 Ländern in Europa und Ucbersec.
Damit sind weit über 90 Prozent aller Telefone der Welt von
unserem Land aus mit Selbstwahl erreichbar. Mit 63 Sprechapparaten pro 100 Einwohner ist die Schweiz heute an die dritte Stelle
in der Rangfolge der Telefondichte
nach den USA und Schwevorgerückt.
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Die Bilder sind im PTT-Muscnm in Pcrn aufgenommen worden.
1910: Zeniralbalierie-Telefonllschstatlon Adei, Luxusmodell.
1920: Zcniralbatierie-Telelontischstation Protos.
schen Zürich und Genf via Chasseral in Betrieb genommen. Aber
auch im interkontinentalen Bereich hat die Richtstrahltechnik
durch die Fernmeldesatelliten, die zur Hauptsache Telefongespräche übermitteln, wachsende Bedeutung erlangt.
die ersten Computer
Almon Brown Strowger seinen von
Automatische Telefonzentralen
1889 liess der Amerikaner
ihm erfundenen automatischen Telefonwähler patentieren. Den
Anstoss zu seiner Idee hatte ihm, so wird berichtet, ein fürchterlicher Aerger geliefert. Als Leichenbestatter und Sarghändler in
Kansas City h-itte er eines Tages feststellen mUssen, dass ihm ein
Konkurrent den Auftrag zur Bestattung eines guten Freundes vor
der Nase weggeschnappt hatte. Den Grund für das verlorene Geschaft glaubte er bald herausgefunden zu haben: die Telefonistin
so behauptete er
habe den Anruf rd e Trauerfamilie statt an
ihn unrechtmässig an seinen Widersacher weitergeleitet. Mister
Strowger schwor, einen unbestechlichen Automaten
zu bauen, rd e
die Arbeit der pflichtvergessenen Telefonfrauen verrichten sollte...
Strowger
(Indiana),
1892 eröffnete
in La Porte
einem Vorort
von Chicago, das erste automatische Telefonnetz rd e Welt. Allerdings vergingen noch Jahrzehnte, bis die sich ständig
weiterentwickelnde Wähltechnik sich durchsetzen konnte und die letzten
Zweifler vom Nutzen der Automatisierung überzeugt waren.
Die schweizerische Telefonverwaltung begann damit relativ
spät. 1917 wurde in Zürich Hottingen die erste halbautomatische
Zentrale unseres Landes eröffnet. Die Teilnehmer bestellten ihre
Verbindung wie bisher mündlich bei der Telefonistin, worauf diese die Wählscheibe betätigte. Bereits fünf Jahre später war der
erste Schritt zur Vollautomatik vollzogen, als ebenfalls in Zürich
1925 Ehemalige Zentralbatteric-Telejontischstation
Bell, Kerzenstockform, umgebaut für automatischen netrieb.
Neue Zürcher Zeitung vom 25.02.1978
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