Für Betroffene und Angehörige: Alkoholprobleme
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Für Betroffene und Angehörige: Alkoholprobleme
Für Betroffene und Angehörige: Alkoholprobleme, Alkoholabhängigkeit und Zusammenleben mit alkoholkranken Menschen Zwei Jahre lang habe ich auf der Akutstation einer Fachklinik für Suchtkrankheiten gearbeitet. Im Laufe dieser Zeit habe ich etwa 800 Patienten mit Alkoholproblemen kennengelernt. Dabei fiel mir auf, daß viele Alkoholkranke über ihre Krankheit nicht Bescheid wissen. Auch die Angehörigen der Alkoholabhängigen, sowie die Freunde, Arbeitskollegen oder Vorgesetzte am Arbeitsplatz wußten oftmals nicht, wie sie sich verhalten sollten. Mein Beitrag gliedert sich in die folgenden Punkte: 1. Wie sieht das Krankheitsbild "Alkoholismus" aus? 2. Die Ursachen des Alkoholismus 3. Die Behandlung des Alkoholismus / die Therapie 4. Was können die Angehörigen oder Freunde eines Alkoholkranken tun? Der Text ist sowohl für die von der Alkoholkrankheit betroffenen Menschen, als auch für deren Angehörigen, Freunde und Bekannten geschrieben. Die Angehörigen von Alkoholikern machen oft die Erfahrung, daß sie das Verhalten des Alkoholkranken und seine Einstellung zu der Alkoholproblematik nicht beeinflussen können. Die Angehörigen sind oft hilflos, denn der Alkoholkranke verleugnet seine Krankheit oder verbirgt sie mit viel Raffinesse. Die gut gemeinte Hilfe schlägt vielfach einfach in das Gegenteil um und die Situation spitzt sich weiter zu. Vielfach vermischen sich die Hilflosigkeitsgefühle auch noch mit Wutgefühlen. Oft leiden die Angehörigen sehr, vielleicht sogar stärker als die Abhängigen selbst. Von einem Experten erhoffen sich die Angehörigen dann "Patentrezepte", die es ermöglichen, auf den Alkoholabhängigen Einfluß auszuüben, ihn sozusagen "zur Vernunft zu bringen". Derartige Patentrezepte gibt es leider nicht. Der Alkoholabhängige, der fest entschlossen ist, sein Alkoholtrinken nicht zu verändern - um keinen Preis in der Welt zu verändern - der wird sich durch keinen Menschen beeinflussen lassen. Ich kann Ihnen keine Patentrezepte geben. Ich rate allen Angehörigen alkoholkranker Menschen, sich zunächst einmal sehr gründlich über die Krankheit "Alkoholismus" zu informieren. Es wird Ihnen helfen, wenn Sie genau über die Krankheit Bescheid wissen. Hier im Rahmen der Volkshochschule können wir keine Probleme lösen oder einen Alkoholismus therapieren. Hier können sie wichtige Informationen über die Alkoholkrankheit erhalten. Später werde ich auf die Frage zurückkommen, was Angehörige darüber hinaus sinnvollerweise unternehmen können und auch Tips geben. Wie gesagt, zunächst einmal ist es unverzichtbar, soviel wie möglich über die Krankheit zu wissen. Die Begriffe "Sucht", "Abhängigkeit", "Alkoholismus" Wie Sie im Folgenden bemerken werden, verwende ich die Begriffe "Alkoholismus", "Sucht" und "Abhängigkeit" um dasselbe zu bezeichnen. "Abhängigkeit" ist das im Krankenhaus und in den Lehrbüchern verwendete Wort für "Sucht". Es bezeichnet dasselbe. Der Begriff "alkoholabhängiger Mensch" heißt dasselbe wie der Alltagsbegriff "Alkoholiker". "Abhängig" ist, wenn sie so wollen, einfach ein vornehmeres Wort für süchtig. Das auch häufig von mir verwendete und Ihnen vielleicht nicht ganz so vertraute Wort "abstinent" heißt in diesem Zusammenhang dasselbe wie "trocken", also Leben ohne Alkohol zu trinken. Hinweise für die Medikamentenabhängige und deren Angehörige - Verweis auf die Gemeinsamkeiten Fast alles, was im Folgenden über Alkoholismus gesagt werden wird, gilt auch für die Krankheit "Medikamentenabhängigkeit", also für Menschen die tablettensüchtig sind. Dies können zum Beispiel Beruhigungstabletten oder Schmerztabletten sein. Die Informationen über die Alkoholkrankheit sind auch für die Medikamentenabhängigen und deren Angehörige wichtig. Die Behandlungsziele und Behandlungsmethoden für Alkohol- und die Medikamentenabhängigkeit sind gleich. In den Fachkliniken werden Patienten mit Alkoholabhängigkeit und Medikamentenabhängigkeit häufig zusammen behandelt. Alkoholismus als individuelles Problem und als Krankheitsmuster Im Weiteren werde ich ganz allgemein über die "Alkoholkrankheit" und über die "alkoholkranken Menschen" sprechen. Dies ist eine Vereinfachung, in diesem Rahmen ist nicht die Zeit gegeben, auf die Fülle der oftmals unterschiedlichen Erscheinungsformen der "Alkoholkrankheit" entsprechend detailliert einzugehen. Wichtig ist: Es gibt keinen Standard - Alkoholiker, immer liegen bei einem Menschen individuelle Alkoholprobleme Probleme vor. Beispielsweise können manche Alkoholiker durchaus einige Wochen - vielleicht sogar Monate - ohne einen Tropfen Alkohol leben, andere brauchen spätestens alle sechs Stunden eine Quantum Alkohol. Jeder Alkoholiker ist, wenn Sie so wollen anders. Dennoch gibt es ein "charakteristisches Muster der Alkoholkrankheit", das heißt, in vielen Fällen ähneln sich die Krankheitsbilder und Probleme der Alkoholabhängigkeit. Zunächst einmal möchte ich Ihnen etwas allgemeines über das Störungs- beziehungsweise Krankheitsbild "Alkoholismus" erzählen. Ausmaß des Problems und Unwissen über die Krankheit in der Öffentlichkeit In Deutschland leben nach offiziellen Schätzungen etwa 2,3 - 2,5 Mil. Alkoholiker. Wenn Sie sich die Zahl der Einwohner mit ca. 80 Mil. vor Augen führen, dann wird klar, wie viele Menschen davon betroffen sind. Grob gesprochen sind es etwa 3 Prozent, also etwa jeder dreißigste. Machen Sie sich klar: Einer von dreißig Menschen ist ein Alkoholiker! Dies zur Veranschaulichung des Ausmaßes des Problems. Das Alkoholproblem zählt zu den drei größten Problemen in Gesundheitssektor neben dem Krebs und den Herzkrankheiten. Etwa 80 Prozent der alkoholkranken Menschen sind Männer und etwa 20 Prozent sind Frauen, wobei sich der Prozentsatz der alkoholkranken Frauen gegenwärtig etwas erhöht. Hingegen tritt bei Frauen öfter die Medikamentenabhängigkeit auf als bei den Männern. Dem gewaltigen Ausmaß des Problems steht ein auffallendes Nicht-Wissen über das Problem in der Öffentlichkeit gegenüber. Nur wenige Menschen wissen über das Krankheitsbild "Alkoholismus" wirklich Bescheid, und sogar viele Alkoholiker interessieren sich leider mehr für die Bundesliga-Ergebnisse als für ihre Krankheit. Die Einstellung den Alkoholikern gegenüber, und sogar die Einstellung der betroffenen Alkoholkranken sich selbst gegenüber, wird vielmehr durch falsche und schädliche Vorurteile beeinflußt, als durch das wirkliche Wissen um die Krankheit. Das Bild des Alkoholikers in der Öffentlichkeit In der Öffentlichkeit herrscht ein völlig falsches Bild von alkoholkranken Menschen vor: Alkoholiker gelten als "willensschwach", "haltlos" oder als mit Charakterfehlern behaftete Menschen. Sie gelten als Menschen zweiter Klasse. Auf Alkoholkranke wird herabgeschaut, und sie werden isoliert. Eine andere Form des Umgangs mit der Alkoholkrankheit ist die Verleugnung des Problems. Dies zeigt sich in der Weigerung Betroffener und auch deren Angehöriger, die Existenz der Krankheit anzuerkennen. "Alkoholiker", so argumentieren viele Alkoholkranke, die sich nicht zu ihrer Krankheit bekennen, "das sind die, die morgens schon zittern" oder "die Penner und Wermutbrüder", die am Bahnhof herumstehen, aber ich (!!!) doch nicht!". Die Wirklichkeit ist so: Von der Krankheit sind etwa 2,5 Mil. Bundesbürger betroffen, und zwar Bürger in allen sozialen Schichten, allen Berufen und allen Altersgruppen - vom Direktor bis zum Tippelbruder. Nicht jeder Alkoholiker "zittert" morgens. Die sogenannten "Penner" am Bahnhof sind nur eine relativ kleine Gruppe von Alkoholkranken, zumeist von Alkoholkranken, die sich in der Vergangenheit geweigert haben, an einer Therapie teilzunehmen. Wichtig ist Folgendes und vergegenwärtigen Sie sich das: Alkoholismus ist eine Krankheit, die nichts mit "Willensschwäche", "Haltlosigkeit" oder gar "Charakterlosigkeit" zu tun hat. Alkoholiker sind oftmals sogar besonders willensstarke Menschen, nur beim Alkohol versagt die Willenskraft. Machen Sie sich als Betroffene und als Angehörige von den schäbigen und völlig falschen Vorurteilen gegenüber Alkoholkranken frei. Diese Vorurteile stammen von dummen Menschen, die nichts von der Krankheit verstehen. Im Folgenden möchte ich Ihnen etwas aus der wissenschaftlichen Perspektive über die Krankheit "Alkoholismus" erzählen. Die Symptome (Anzeichen) der Krankheit Wie äußert sich die Krankheit, wann ist ein Mensch ein "normaler Trinker" wann ist er "Alkoholiker"? Diese Frage läßt sich nicht in einem Satz beantworten. Ganz allgemein kann gesagt werden, daß der Übergang zwischen starkem nicht süchtigem Alkoholtrinken und abhängigem Alkoholtrinken fließend verläuft. Es gibt also keinen eindeutigen Punkt, oder ein einzelnes deutliches Anzeichen, daß das Urteil "dieser Mensch ist alkoholkrank" begründen kann. Kein Psychologe oder Arzt kann auf Grund eines einzelnen deutlichen Anzeichens so einfach sagen: "Hier liegt ein Alkoholismus vor". Vielmehr ist es ein Bündel von erkennbaren Anzeichen oder Symptomen, die darauf hinweisen, daß starkes Alkoholtrinken zum Alkoholismus geworden ist. Wenn ein "Alkoholismus" oder eine "Abhängigkeit", wie wir in der Klinik sagen, vorliegt, zeigt sich das in drei Bereichen oder auf drei Ebenen. Anders formuliert: Es zeigt sich auf dreierlei verschiedene Art und Weise. 1. SOZIAL, das betrifft das Zusammenleben mit anderen Menschen 2. KÖRPERLICH-PHYSIOLOGISCH, dies betrifft im wesentlichen die körperlichen Begleiterscheinungen und Schäden, die durch das Trinken großer Mengen Alkohol hervorgerufen werden 3. PSYCHOLOGISCH, das bezieht sich auf das typische Verhalten, Denken und Erleben Alkoholkranker Der Alkoholismus macht sich also auf ganz vielfältige Art und Weise in unterschiedlichen Bereichen bemerkbar. Typische Anzeichen der Alkoholkrankheit im Zusammenleben mit anderen Menschen Zunächst einmal zu den Anzeichen der Alkoholkrankheit im sozialen Bereich. Im Zusammenleben mit anderen Menschen führt starkes Alkoholtrinken und Alkoholismus häufig zu: * Schwierigkeiten, Streit oder Zerwürfnissen in der Familie oder mit befreundeten Personen wegen des exzessiven Alkoholkonsums * Es kommt zur Abwendung von vielen ehemaligen Freunden und Bekannten, wenn diese das exzessive Alkoholtrinken offen oder indirekt mißbilligen * In Gesprächen mit Alkoholabhängigen finden sich: ein Verleugnen oder Bagatellisieren des Alkoholproblems, Lügen, Verdrehungen und Täuschungen. Der Alkoholkranke sieht sich selbst als Normaltrinker an und die Kritik an seinem Trinkverhalten hält er für unberechtigt. Sein Trinken rechtfertigt er durch "gute Gründe". * Es stellen sich Schwierigkeiten am Arbeitsplatz wegen des Alkoholkonsums ein oder Schwierigkeiten wegen des häufigen alkoholbedingten Fehlens am Arbeitsplatz. Im Extremfall kommt es dann zum Verlust des Arbeitsplatzes * Der Abhängige leugnet, Alkohol getrunken zu haben, obwohl deutliche Anzeichen dafür vorhanden sind * Es stellt sich allmählich eine Abnahme der beruflichen bzw. der körperlichen Leistungsfähigkeit ein * Der Alkoholkranke sucht die Schuld für Schwierigkeiten bei den anderen Menschen und er schiebt Verantwortung ab, beispielsweise sieht er selbst sich als das Opfer unfairer Mitmenschen. Der Abhängige int unfähig, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. * Gelegentlich kommt es zu strafrechtlichen Schwierigkeiten infolge des Alkoholkonsums und damit verbundener Delikte wie beispielsweise Autofahren unter Alkoholeinfluß. Oft ist "der Führerschein weg". * Seltener, aber problematisch sind die Gewalttätigkeiten Abhängiger im Rausch * Im Extermfall vernachlässigt sich der Alkoholiker, oder zieht sich (sozial) zurück. Kurzum: man kann sagen, daß die Alkoholkrankheit zu vielerlei Komplikationen im Zusammenleben mit anderen Menschen führt. Symptome auf der körperlich/physiologischen Ebene Der zweite Bereich, in dem sich die Alkoholkrankheit bemerkbar macht, ist der körperliche Bereich. 5.2.1 Tolleranzerhöhung und Entzugserscheinungen Auf der körperlichen - physiologischen Ebene tritt bei einem starken Alkoholtrinker zunächst einmal eine "Alkoholtolleranzerhöhung" auf. Alltagssprachlich könnte auch von erhöhter "Trinkfestigkeit" oder "Standfestigkeit" gesprochen werden. Diese erhöhte Alkoholtolleranz zeigt sich in dem Bedürfnis nach ständiger Einnahme großer und immer größerer Mengen Alkohol. Nur so kann der alkoholgewöhnte Trinker die erwünschte Wirkung erzielen. Trinkt er regelmäßig eine gleichbleibende Menge, tritt eine deutliche verminderte Wirkung ein. Der Alkoholiker benötigt immer mehr Alkohol und er trinkt immer mehr. Dabei wirkt er häufig trotz der großen Trinkmenge auf die Menschen in der Umgebung nicht einmal mehr betrunken, "man merkt ihm den Alkohol nicht an". Nach vielen Jahren starken Alkoholtrinkens kehrt sich dieser Effekt in relativ wenigen Fällen auch um: Der sogenannte "Tolleranzknick" tritt ein. Der Körper des Alkoholikers, genauer gesagt seine Leber, ist dann so stark geschädigt, daß der Alkohol nur noch langsam abgebaut werden kann. Der Alkohol bleibt länger im Körper und schon geringe Mengen Alkohol haben dann eine starke Wirkung. Der Abhängige fühlt sich schon nach wenigen Gläsern stark alkoholisiert. "Er verträgt nicht mehr so viel". Neben der Erhöhung der Alkoholtolleranz treten bei der körperlichen Abhängigkeit auch Alkohol - Entzugssymptome auf. Diese zeigen sich als körperliches Kranksein mit morgendlichem Zittern, starker Unruhe, erhöhten Pulsschlag und Blutdruckerhöhung - in der Alltagssprache auch "Flattern" genannt. Diese sehr ernsten und unangenehmen Störungen verschwinden sofort nach Einnahme einer geringen Menge Alkohol. Nach einem Kognak ist das Flattern weg. Verständlicherweise greift ein körperlich abhängiger Trinker, der Entzugserscheinungen verspürt, zumeist morgens schon zur Flasche und trinkt zunächst einmal einen sogenannten "Flatterschluck", damit es ihn besser geht. Dieser Vorgang wiederholt sich in der Folgezeit allzu leicht und Trinkpausen werden für den körperlich abhängigen Alkoholiker unmöglich. Der Grund für Entzugssymptome ist Alkoholmangel, da sich der Körper eines körperlich Abhängigen an die ständige Alkoholzufuhr gewöhnt hat. Er ist zum Spiegeltrinker geworden, also ein Trinker, der ständig einen bestimmten Alkoholspiegel im Blut aufrechterhält. Wenn der körperlich abhängige Trinker das Alkoholtrinken beendet, verspürt er Entzugssymptome. Trinkt er dann keinen Alkohol, verschwinden diese Störungen nach aber einigen Tagen "Abstinenz" von selbst. Der Körper hat sich wieder an ein normales Funktionieren ohne Alkohol gewöhnt. Jeder Rückfall wird über kurz oder lang wieder dazu führen, daß nach der Phase des Ständig-Mehr-Trinkens wiederum Entzugssymptome auftreten, wenn das Trinken reduziert oder beendet wird. Die Alkoholtolleranzerhöhung, also das Trinken immer größerer Mengen Alkohol und die Entzugssymptome sind die deutlichsten Anzeichen der Alkoholkrankheit. Zumeist ist die Krankheit schon ziemlich weit fortgeschritten, wenn sich Entzugserscheinungen bei einem Alkoholtrinker einstellen. Sind sie erst einmal im Leben eines Trinkers aufgetreten, so liegt mit Sicherheit auch die Abhängigkeit vor. Gleichzeitig wissen wir, daß nicht jeder Alkoholkranke auch einen körperlichen Entzug beim Beenden des Alkoholtrinkens verspürt. Nicht jeder Alkoholiker ist körperlich abhängig, und "zittert schon morgens" oder "braucht ständig den Alkohol". Das ist völlig falsch. Nur etwa 20 Prozent der Patienten in Fachkrankenhäusern sind körperlich alkoholabhängig (Delta - Typ / Süchtiger Trinker), etwa zwei Drittel der Patienten sind psychisch abhängig (Gamma - Typ / Gewohnheitstrinker). Mit Sicherheit liegt aber eine Alkohol Abhängigkeit vor, wenn bei einem Menschen Entzugserscheinungen auftreten. Umgekehrt folgt aus dem Fehlen der Entzugssymptome nicht, daß ein Alkoholtrinken ohne Alkoholabhängigkeit vorliegt. Auch wenn Entzugssymptome fehlen, kann eine Alkoholkrankheit vorliegen, nämlich eine psychische Abhängigkeit. Also nochmals: Auch wer morgens nicht "zittert" kann alkoholabhängig sein. Alkoholbedingte körperliche Schäden Durch das Trinken großer Mengen Alkohol werden die folgenden Körperschäden oder Krankheiten verursacht: * Magenschädigungen, wie Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüre (Vitamin B 12 Mangel); Exzessives Alkoholtrinken verursacht: * die oft erwähnten Leberschädigungen, wie Fettleber oder Leberzirrhose. Völlig zu unrecht werden die erwähnten Leberschäden oft als das Hauptproblem angesehen. Sie stellen nur einen Teilaspekt des Krankheitsgeschehens dar. Dank der guten Ernährung und medizinischen Versorgung gibt es eine beachtliche Anzahl von Alkoholikern, die eine intakte Leber haben, aber sonst durch den Alkohol alles im Leben verloren haben. Beispielsweise erhebliche Nervenschäden auftreten, ohne daß die Leber des Alkoholikers zerstört worden ist; Weitere alkoholbedingte Körperschäden sind: * Schädigungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis); * leichte und schwere Schädigungen des Gehirns, wie epileptische Entzugsanfälle oder im Extremfall das "Korsakow - Syndrom" (Neuropathien); * schwere Nervenschäden verschiedener Art (Polyneuropathien), die sich bei Männern beispielsweise als Impotenz äußern; Ganz allgemein kann man sagen, daß Alkohol ein Zellgift ist. Alkohol kann jede lebende Zelle schädigen, wenn auch nur ganz langsam. Die Körperschäden treten im Regelfall erst nach einer langen Zeit starken Alkoholtrinkens auf. Wie ausgeprägt körperliche Schäden bei einem Menschen auftreten werden, läßt sich nicht genau vorhersagen, da jeder Organismus individuell auf die Zufuhr des Zellgiftes Alkohol reagiert. Als grober Durchschnittswert läßt sich sagen, daß für einen Mann ca. 60 Gr. reiner Trinkalkohol pro Tag (Sarles 1976) und für eine Frau ca. 30 Gr. reiner Trinkalkohol (Sarles 1976) als Dosis gelten, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) verursacht. Das ist alles in allen eine recht geringe Menge. Als kritischer Grenzwert für einen Leberzirrhose gelten 60 Gr. reiner Alkohol pro Tag beim Mann und 20 Gr. reiner Trinkalkohol pro Tag bei der Frau. (nach: Pequinot 1975, Thaler 1976-77, Maier et al.). Dies ergibt in Bier umgerechnet: 1,5 Liter Bier entsprechen etwa 60 Gr. reinem Alkohol und 0,5 Liter Bier in etwa 20 Gr. reinem Alkohol. Das wären also die kritischen Grenzwerte. Im Hinblick auf die Frage, ob jemand alkoholabhängig ist oder nicht, kann man eins ganz sicher sagen: Jeder Mensch, der durch sein exzessives Alkoholtrinken Körperschäden erlitten hat, ist alkoholabhängig, wenn er trotz ärztlicher Ermahnungen weitertrinkt. Nochmals: Jeder, der weitertrinkt, obwohl er seinen Körper nachweislich damit schädigt, ist Alkoholiker. Nun möchte ich zur psychologischen Beschreibungsebene wechseln. Trinkwünsche und Abstinenzvorsätze Aus psychologischer Sicht - oder auf der psychologischen Beschreibungsebene - ist das herausragende Merkmal der Alkoholabhängigkeit das Verspüren des Wunsches oder des unwiderstehlichen Verlangens, Alkohol zu trinken. Dabei ist der Wusch stärker als der feste Vorsatz oder Entschluß, nicht zu trinken. Dies wird alltagssprachlich auch als "Wille" bzw. "Willensschwäche" beim Scheitern genannt. Im Grunde ist das die Krankheit, die "Willensschwäche" ist das "Wesen" der Störung. Anders formuliert, die sogenannte "Willensschwäche" ist das Problem des Alkoholkranken beziehungsweise seine die Krankheit. Die Willensschwäche ist aber nicht die Ursache der Alkoholproblematik! Das "Nicht-Willentlich-Aufhören-Können" mit dem Alkoholtrinken zeichnet den Alkoholkranken aus, es unterscheidet ihn von "Normaltrinker" der in wichtigen Situationen aus dem eigenen Entschluß oder vermittels seiner Willenskraft das Alkoholtrinken beendet oder kontrolliert einzuschränken vermag. Und genau dieser Punkt ist auch der Hauptgrund für Mißverständnisse in den Gesprächen zwischen "Normaltrinkern" und abhängigen Alkoholtrinkern und führt häufig zu Streitereien. Das rührt daher, daß ein Nicht Abhängiger sich in die Situation des Alkoholkranken nicht hineinversetzen kann, da er über die Erfahrung nicht verfügt, daß sein Trinkwunsch stärker ist als sein fester Vorsatz oder Wille, nicht zu trinken. Wenn über ein Problem geredet wird, tendieren Menschen dazu, von Ihren eigenen Erfahrungen auf die Erfahrungen anderer zu schließen und genau das funktioniert bei der Alkoholabhängigkeit häufig nicht. Der "Normaltrinker" verfügt ja nicht über die Erfahrung, daß er sein Alkoholtrinken nicht mehr kontrollieren kann. Er kann es kontrollieren oder einschränken, wenn er will, und schlägt natürlich als Lösung des Problems vor, daß der alkoholkranke Gesprächspartner das auch so tun soll. Dann jedoch verlangt er etwas schlicht Unmögliches von ihm und eine Lösung des Problems wird unerreichbar. So kann es also nicht funktionieren. Darüber hinaus bergen die sich immer wiederholenden Diskussionen die Gefahr in sich, daß bei den Angehörigen oder Freunden des Alkoholkranken Enttäuschungen und Ärger aufkommen, da die guten Ratschläge nicht angenommen werden. Für den Alkoholkranken wird die Situation immer schwieriger, und zurecht hat er nach einiger Zeit das Gefühl, daß niemand ihn so recht versteht oder, daß die anderen Menschen nur darauf abzielen, ihm Schwierigkeiten zu machen. Die Anzeichen (Symptome) der Alkoholkrankheit aus psychologischer Sicht Neben dem unkontrollierbaren Wunsch oder Verlangen nach Alkohol sind aus psychologischer Sicht (weisen auf der psychologischen Ebene) noch die folgenden (Symptome) typisch für die Abhängigkeit (auf das Vorhandensein einer Abhängigkeit) hin: * Er spürt Schuldgefühle und "Gewissensbisse" wegen des Trinkens * Er denkt häufig an Alkohol. Er lebt sozusagen in einer "Alkohol- bzw. Suchtstoffwelt" * Nach dem Genuß weniger Gläser Alkohol wird das unwiderstehliche Verlangen, weiterzutrinken verspürt. Ein psychisch abhängiger Alkoholtrinker trinkt vielleicht zwei Gläser und trinkt dann plötzlich weiter, bis er umfällt - obwohl er das anfangs garnicht geplant hatte. Dann wird nach dem zweiten oder dritten Glas sozusagen "die andere Person in ihm wach". Dieses wird auch als Kontrollverlust bezeichnet. * Es gab in der Vergangenheit erfolglose Versuche des Nicht-Trinkens oder der Selbstkontrolle durch ein Trinksystem, also gescheiterte Abstinenzversuche * der Alkoholabhängige ist unfähig, Probleme zu lösen und Spannungen nüchtern zu ertragen * im Denken des Alkoholabhängigen findet sich oft eine Verwechslung von Ursachen und Wirkungen, Beispielsweise, aus "Meine Frau verläßt mich wegen meines Alkoholtrinkens" wird: "Ich trinke, weil mich meine Frau verlassen hat". * Der Alkoholabhängige kann sich oft nur schwer konzentrieren, er leidet unter Konzentrationsstörungen. * Es kommt zum ständigen heimlichen Trinken. * Er verspürt Angst davor (mit Entzugserscheinungen), in eine Situation ohne verfügbaren Alkohol zu geraten. Deshalb hortet er ein Vorrat an Alkohol - oft heimlich in Verstecken * Er hat einen Verlust des Appetits und einen Rückgang seines sexuellen Verlangens * Er leidet unter Antriegslosigkeit und hat - falls überhaupt - nur an wenigen Dingen Interesse. * Er leidet unter Stimmungsschwankungen, die sich oft in Form schwerer Niedergeschlagenheit äußern. Er verspürt starke Unzufriedenheit oder gar Verbitterung wegen der vielen alkoholbedingten Probleme. Gelegentlich treten auch Selbstmordgedanken auf . * Sein Selbstwertgefühl sinkt oder verschwindet ganz, er sieht sich im Extremfall umgangssprachlich formuliert als "der letzte Dreck." Bei manchen Abhängigen schlägt dieser Vorgang auch ins Gegenteil um. Diese erleben und schildern sich als die Stärksten, Größten, Besten, Ehrlichsten u. a. * Der Alkoholiker findet sein Leben im betrunkenen Zustand schön, das Nüchternsein findet er nicht so schön. Möglicherweise hat er sogar Angst vor dem Leben ohne Alkohol. Aus psychologischer Sicht sind also die typischen Erlebens- Denk und Verhaltensweisen Alkoholkranker wichtig. Dabei wurde deutlich, daß das Wesen der Krankheit darin besteht, daß es dem Abhängigen nicht möglich ist, das Alkoholtrinken vermittels seiner Willenskraft oder dem festen Vorsatz, nicht mehr zu trinken, einzuschränken, oder gar ganz abzustellen. Wenn jemand mehrere dieser psychologischen Phänomene aus eigener Erfahrung kennt, dann gehört er wahrscheinlich zur Gruppe der alkoholabhängigen Menschen. Es gibt aber auch Ausnahmen, zum, Beispiel das Quartalstrinken, um das es im Folgenden gehen wird. (Lange Fassung): Doch bevor ich dazu komme, möchte ich noch einmal die offiziellen Diagnosekriterien aufzählen. Die offiziellen Diagnosekriterien Die meiner Meinung nach sehr guten Diagnosekriterien des amerikanischen Diagnosehandbuches «DSM-III-R» lauten: 1. Der Alkohol-Konsum erfolgt in größeren Mengen oder über längere Zeit. 2. Es besteht der anhaltende Wunsch, den Alkoholkonsum zu kontrollieren. 3. Viel Zeit wird dazu verwendet, Alkohol zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von der Wirkung zu erholen. 4. Der Alkoholkonsument zeigt Symptome des Rausches oder Entzugserscheinungen zu Zeiten, in denen er wichtigen Verpflichtungen nachkommen soll (Arbeit, Schule, Haushalt). 5. Wichtige soziale, berufliche oder der Erholung dienende Aktivitäten werden aufgegeben oder eingeschränkt. 6. Es kommt zu einer ausgeprägten Toleranzentwicklung, d. h. ein deutlich herabgesetzter Effekt bei gleicher Trinkmenge. 7. Bei fortgesetztem Mißbrauch kommt es zu charakteristischen Symptomen, wenn die Dosis reduziert wird. 8. Wenn unangenehme Entzugserscheinungen auftreten, fängt der Betroffene an, Alkohol zu konsumieren, um diese Entzugserscheinungen zu bekämpfen oder zu vermeiden. Für die Diagnose der Abhängigkeit reicht es, wenn drei Symptome erfüllt sind. Das heißt, wenn drei der typischen Anzeichen oder «Symptome» vorliegen, dann liegt eine Alkoholkrankheit vor, und der Psychologe oder Arzt stellt diese Diagnose. Soviel zu den offiziellen Diagnosekriterien. Im Folgenden möchte ich das umgangssprachlich «Quartalstrinken» genannte episodenhafte schwere Trinken ansprechen. Ausnahme Epsilon-Alkoholismus Der umgangssprachlich "Quartalstrinken" genannte Epsilon - Alkoholismus stellt in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmephänomen dar. Ein typischer Quartalstrinker lebt ohne Schwierigkeiten ein, zwei Monate oder sogar ein halbes Jahr abstinent und verspürt dann ein heftiges Trinkverlangen. Wenn er dann zur Flasche greift, erlebt er den typischen Kontrollverlust und trinkt einige Tage lang durch, maximal etwas 8 - 10 Tage. Dabei trinkt er große Mengen Alkohol, oft sogar Tag und Nacht. Gelegentlich verlassen Quartalstrunker (Epsilon-Trinker) dabei ihre gewohnte Umgebung und verbringen ein paar Tage und Nächte im Freien oder in ungewöhnlicher Gesellschaft. Vereinzelt kommt es vor, daß sich ein Quartalstrinker zusammen mit einem großen Alkoholvorrat - in seinem Zimmer einschließt und einige Tage exzessiv durchtrinkt, bis zu drei Flaschen Schnaps täglich. An einem bestimmten Punkt hört der Quartalstrinker mit dem Alkoholtrinken auf. Dabei verspürt er zumeist keine Entzugssymptome (!), die bei derart großen Trinkmengen üblicherweise auftreten. Ein Quartalstrinker verglich sich einmal mit einem Schwamm, der sich nach Phasen der Trockenheit danach sehnt, sich wieder vollzusaugen, um sich dann, nach der Phase der völligen Durchnässung, wieder nach Trockenheit zu sehnen. Wenn man so will, der psychisch abhängige Quartalstrinker das Gegenteil vom körperlich abhängigen "Spiegeltrinker", der ständig einen bestimmten Alkoholspiegel im Blut aufrechterhält. Viele der von mir beschriebenen Anzeichen der Alkoholkrankheit treffen auf das Quartalstrinken nicht zu. Epsilon - Alkoholismus stellt trotzdem ein ernstzunehmendes Problem für den Betroffenen dar, erstens, wenn durch die großen Trinkmengen körperliche Schäden davontragen werden, zweitens, wenn seine Mitmenschen die Trinkexzesse mißbilligen, oder drittens, wenn er ist in diesen Trinkphasen handlungsunfähig ist, was beispielsweise mit den Erfordernissen am Arbeitsplatz nicht vereinbar ist. Epsilon Trinker sind oftmals nicht an einer Behandlung ihres Alkoholproblems interessiert. Sie sind einerseits zur Alkoholabstinenz fähig andererseits tragen sie im ständigen Wechsel von Trink- und Trockenphasen häufig nur geringe körperliche Folgeschäden davon. Nur etwa 5 Prozent der Patienten in Fachkrankenhäusern sind diesem Alkoholiker - Typ zuzurechnen. Auch birgt das Quartalstrinken die Gefahr mit sich, daß nach einiger Zeit die Trockenphasen immer kürzer werden und das in einem ständigen Alkoholtrinken mündet, das heißt das Quartalstrinken zum schweren chronischen Alkoholismus wird. Im Folgenden Teil möchte ich Sie kurz über die Ursachen der Alkoholkrankheit, so wie wir als beruflich damit befaßte Experten sie sehen, informieren. Die Ursachen des Alkoholismus beziehungsweise der Abhängigkeit: Die Fragen Außenstehender Von der Alkoholkrankheit betroffene Menschen und deren Freunde oder Angehörige stellen zurecht viele Fragen, wenn sie mit den unverständlichen Krankheitsanzeichen konfrontiert werden: * Wie kommt es dazu, daß ein Mensch zu einem Alkoholiker wird? * Wie kommt es, daß manche Menschen anscheinend nicht in der Lage sind, aus eigenen Entschluß heraus oder vermittels ihrer Willenskraft, das Alkoholtrinken einzustellen? * Warum reduziert der Alkoholkranke das Trinken auf ein akzeptables Maß, "lassen sozusagen die Kirche im Dorf"? * Wissen die professionellen Helfer etwas über die wirklichen Ursachen der Alkoholkrankheit? Ganz allgemein kann gesagt werden, daß wir in einem streng wissenschaftlichen Sinn über gesichertes Wissen um die Ursachen der Alkoholkrankheit nicht verfügen. Dennoch haben die in der Suchttherapie Tätigen über eine Menge Erfahrungswissen und bewährte Therapiekonzepte, um den von der Krankheit Betroffenen wirksam zu helfen. Das psychoanalytische Erklärungsmodell Bei fast allen Therapien in Einrichtungen für Suchtkranke wird davon ausgegangen, daß besonders ungünstige Vorgänge in den ersten Lebensjahren der Abhängigen zu einer Persönlichkeitsentwicklung geführt haben, die sie im späteren Alter anfällig für die Entwicklung einer Abhängigkeit macht. Das heißt, ein Abhängiger reagiert in seinem späteren Leben auf das Trinken von Alkohol mit dem nicht mehr abzustellenden oder unterdrückbaren Wunsch, noch mehr zu trinken oder immer wieder große, sich ständig steigernde Mengen Alkohol zu trinken. Dies bleibt dann ein Leben lang so und verlagert sich leicht auf andere Suchtstoffe, wie zum Beispiel Beruhigungs- oder Schmerztabletten. Dieses Erklärungsmodell wird die "psychoanalytische Theorie des Alkoholismus" genannt. Sie wurde ursprünglich von Siegmund Freud entwickelt. Freud hielt die ersten fünf bis sechs Lebensjahre für die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen für entscheidend. Demnach wird Alkoholismus durch eine Entgleisung der Entwicklung in den ersten Lebensmonaten begünstigt. Man darf die psychoanalytische Theorie nicht so verstehen, daß die Eltern des Kleinkindes etwas "falsch gemacht haben". Vielmehr vollzieht sich die Entwicklung des Kleinkindes in dieser Zeit im heikelen Spannungsfeld zwischen seinen Bedürfnissen und den Reaktionen der Menschen in der Umwelt. Das Kleinkind muß sich beispielsweise mit Versagungen und Enttäuschungen auseinandersetzen. Dabei kann es, ohne daß es zu bewußten Fehlreaktionen der Erwachsenen kommt, leicht zu Komplikationen kommen. Also nochmals: Eltern von alkoholabhängigen Kindern brauchen sich keine Vorwürfe zu machen. Sicherlich haben sie nichts bewußt falsch gemacht, sie sind keine Rabeneltern. Der verhaltenstherapeutische Ansatz In der Schulpsychologie spielen verhaltenstheoretisch orientierte Erklärungen eine wichtige Rolle. Entsprechend der Verhaltenstheorie ist das gesamte Verhalten eines Menschen "gelerntes Verhalten". Das heißt, auch das Verhalten "süchtiges Alkoholtrinken" wird gelernt. Stellen Sie sich beispielsweise einen Menschen vor, der es sich angewöhnt hat, immer wenn er Probleme hat, sich zurückzuziehen und seine Unzufriedenheit mit Alkohol zu betäuben. Dann wird er nicht in der Lage sein, ohne Weiteres plötzlich größere Konflikte oder Spannungen nüchtern zu ertragen. Darüber hinaus kommt es im Verlauf einer Alkoholabhängigkeit zu einer Art von Verselbstständigung des Trinkverhaltens. Das süchtige Alkoholtrinken ist dann zu einem alles andere beherrschenden Verhaltensbereich eines Menschen geworden, er kann aus einer Art von "Teufelskreis" nicht mehr aus eigener Kraft ausbrechen. Süchtiges Alkoholtrinken ist also aus verhaltenstheoretischer Sicht ein gelerntes Verhalten, das im Rahmen einer Behandlung mühsam umgelernt, beziehungsweise gelöscht werden muß. Soziale Aspekte der Alkoholabhängigkeit Neben den in der frühkindlichen Entwicklung liegenden Faktoren spielen sicherlich auch die aktuellen Lebensbedingungen eines Alkoholkranken eine wichtige Rolle bei der Verfestigung einer "Alkoholabhängigkeit". Wenn in der Umgebung eines Menschen gewohnheitsmäßig stark getrunken wird, ist die Gefahr, daß sich ein süchtiges Alkoholtrinken verfestigt sicherlich größer als in einer Umgebung, in der das Alkoholtrinken auf Ablehnung stößt. Beispielsweise gibt es besondere Risikogruppen, wie zum Beispiel die Mitarbeiter von Brauereien, Arbeiter im Baugewerbe oder in Transportberufen . Aus der Geschichte Europas weiß man auch, daß in Phasen wirtschaftlicher Not der Alkoholismus verstärkt auftritt: Es kommt zum "Elendsalkoholismus". Ein anderes Beispiel für soziale Einflüsse auf den individuellen Drogenkonsum ist der Vietnamkrieg, in dessen Verlauf etwa eine halbe Millionen amerikanischer Soldaten drogenabhängig wurde. Auch heute gibt es Länder, in denen der Alkoholgenuß verboten ist, zum Beispiel in islamischen oder hinduistischen Ländern. Dort gibt es nur wenige Alkoholiker . Aus soziologischer Sicht ist der Alkoholismus ein Versuch der Menschen, die mit schwierigen Lebensbedingungen einhergehende Angst zu reduzieren. Alkoholtrinken dient der Angst- und Spannungsminderung. Die Voraussetzung dabei ist, daß das Alkoholtrinken und die Alkoholexzesse in der umgebenden sozialen Gruppe gebilligt werden. Familientherapeutische Überlegungen Ich halte auch Überlegungen über die Rolle der Familie bei der Bewältigung einer Alkoholabhängigkeit für sehr wichtig: Ein ganz wichtiger Faktor ist beispielsweise, inwieweit die Menschen in der Umgebung des Alkoholkranken über die Krankheit Bescheid wissen und ihn bei seiner Therapie unterstützen. Zu oft habe ich gehört, daß am Anfang des Rückfalls nach einer Langzeittherapie, Angehörige den abstinenten Alkoholiker aufforderten, doch ein Gläschen Alkohol mit ihnen zu trinken. Im Extremfall wurde dabei aus Unwissenheit auf das Ende der Behandlung im Krankenhaus und die vermeintliche Genesung angestoßen. Eine vollständige Gesundung von der Krankheit kann es nicht geben, ein Alkoholiker oder Abhängiger wird stets in dem Sinne "krank" bleiben, daß er Alkohol nicht kontrolliert trinken kann. Diese Unfähigkeit des Abhängigen, Alkohol kontrolliert zu trinken ist nicht heilbar, sie bleibt ein Leben lang. Alkoholismus als multikausales Geschehen Die allermeisten Alkoholismusforscher neigen gegenwärtig zu der Ansicht, daß die Alkoholkrankheit nicht durch eine einzelne Ursache hervorgerufen wird, sondern daß bei der Entstehung dieser Krankheit mehrere Ursachen beteiligt sind. Mit anderen Worten: Man vermutet gegenwärtig, daß der Alkoholismus eine multikausal oder multifaktoriell bedingte Krankheit ist. Genetische d. h. erbbedingte, sozialisationsbedingte und soziale Faktoren (=Umweltbedingungen) lösen in einem komplizierten Zusammenspiel die Krankheit aus, die sich dann in ihrem Verlauf verselbständigt. Nur durch eine intensive Behandlung kann sie dann noch gestoppt werden. Alkoholismus als lebenslange Krankheit - Erläuterung der Begriffe "Abhängiger bzw. Alkoholiker" Nun wird auch deutlich, warum ich immer von "Alkoholikern" (bzw. Abhängigen) spreche, auch wenn ich mich dabei auf Menschen beziehe, die zwar einmal süchtig Alkohol getrunken haben hatten, es aber dann schaffen, ganz ohne Alkohol zu leben. Das kommt daher, daß das Augenmerk auf der folgenden Tatsache liegt: Abhängige sind Menschen, die nicht fähig sind Alkohol kontrolliert zu trinken. Kurze Zeit nach Beginn des Trinkens werden sie wieder alltagssprachlich formuliert "voll drauf sein". Der Begriff "Alkoholismus" ist also nicht gleichbedeutend mit "naß sein" oder in einer akuten Trinkphase stecken, denn auch ein ehemaliger Trinker ist ein Abhängiger, wenn er "trocken" oder besser: abstinent lebt. Dies gilt auch nach 20 -25 Jahren der Trockenheit, bzw. der Abstinenz. Ich habe schon mehrmals mit rückfälligen Alkoholikern gesprochen, des einen ganz schweren Rückfall nach 25 Jahren Trockenheit gebaut hatten. Das massive Alkoholtrinken hatte wieder mit einem vermeintlich harmlosen Glas angefangen. In dem Sinne gibt es keinerlei "Heilung" der Krankheit "Alkoholismus". Hier liegt auch ein großer Nachteil des Begriffs "Krankheit". Viele Alkoholiker sind eben nicht bereit, dies zu akzeptieren, und glauben fälschlicherweise, daß sie nach einiger Zeit der Trockenheit und es ihnen gut geht, sich doch wieder ein Gläschen genehmigen können und werden voll rückfällig.a Das Ziel der Alkoholismustherapie Die Chance des Alkoholkranken und das Ziel jeder Suchttherapie liegt also darin, den Alkoholkranken zu befähigen, ganz ohne Alkohol zu leben. Wie kann nun dieses Ziel, also ein zufriedenes Leben ohne Alkoholkonsum erreicht werden? Um die Erreichung dieses Zieles soll es im Folgenden gehen. Wie sieht der übliche Behandlungsweg bei Alkoholproblemen aus? Der Hausarzt Erfahrungsgemäß wenden sich die meisten Menschen zunächst einmal an ihren Hausarzt, wenn sie gesundheitliche Probleme wie beispielsweise Alkoholprobleme haben. Ein Hausarzt, der mit einem alkoholkranken Patienten spricht, ermahnt ihn zumeist, keinen Alkohol mehr zu trinken. Wenn sich die Situation zugespitzt hat, und seine Ermahnungen nichts bewirkt haben, weist der Hausarzt seine Patienten mit Alkoholproblemen in eine Klinik ein. Die sog. "Entgiftung" Im Krankenhaus wird zunächst einmal "entgiftet". Diese Behandlung dauert in einer Fachklinik zumeist 14 Tage. Im Mittelpunkt stehen die körperlichen Probleme, insbesondere wird medizinische Hilfe bei körperlichen Entzugssymptomen geleistet werden. Zugleich werden weitere Therapiemaßnahmen geplant und festgelegt. In den meisten Fällen reicht eine Entgiftung allein nicht aus, um ein Leben ohne Alkohol zu erreichen. Man kann grob geschätzt davon ausgehen, daß etwa 90 Prozent der Patienten nach einer Entgiftung ohne weitere intensive Suchttherapie wieder rückfällig werden. Suchtberatungsstellen Für alle von der Alkoholkrankheit direkt oder indirekt (als Angehörige) betroffenen Menschen besteht die Möglichkeit der regelmäßigen Besuche in einer Suchtberatungsstelle. Beratungsstellen gibt es in allen größeren Orten. Die Beratungsstellen werden aus öffentlichen Geldern bezahlt, es arbeiteten dort speziell ausgebildete Suchtberater, zumeist Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Die Beratung ist kostenlos. In einer Beratungsstelle können regelmäßige Beratungsgespräche geführt werden, in denen über aktuelle Probleme gesprochen wird oder Ratschläge für die Bewältigung und Gestaltung des Lebens in Nüchternheit erteilt werden. Auch in einer Krise oder bei einem Rückfall helfen die Berater weiter. Selbstverständlich können auch die Angehörigen eines Alkoholkranken in einer Beratungsstelle Einzelgespräche mit einem Suchtberater führen und seinen Rat einholen. Selbsthilfegruppen Ganz wichtig, und für jeden Abhängigen geradezu lebensnotwendig, ist der regelmäßige Besuch einer oder mehrerer Selbsthilfegruppen. Eine Selbsthilfegruppe ist ein Zusammenschluß von Menschen, die von der Krankheit "Abhängigkeit" betroffen sind. Alle Gruppenmitglieder teilen dasselbe Schicksal. Jeder hat in der Vergangenheit akute Probleme mit dem Alkohol gehabt, hat erfolgreich mit dem Trinken aufgehört und beabsichtigt, in Zukunft "trocken" zu leben. Die nunmehr "trockenen" Alkoholiker treffen sich zumeist einmal wöchentlich, sprechen über ihre Probleme und Erfolge, tauschen Erfahrungen aus, und erteilen bei Bedarf Ratschläge. (Zwecke der Selbsthilfegruppen mit Angehörigen: Stärkere Kontrolle des Realitätsbezuges, beziehungsweise realistische Bestandsaufnahme, keine "GeschichtenErzählen".) Erfahrungsgemäß geht es in den verschiedenen Selbsthilfegruppen recht unterschiedlich zu, das "Klima" oder der Ton in den Gruppen ist unterschiedlich. Allzu oft geht ein Abhängiger in eine Gruppe, nimmt an einer Sitzung teil und stellt fest, daß es ihm in der Gruppe nicht gefällt. Dann ist er enttäuscht, und nimmt an keiner Gruppe mehr teil. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, an vielen Gruppen teilzunehmen, und jeweils zu sehen, wie es einem in der Gruppe gefällt. Für die Angehörigen ist in diesem Zusammenhang wichtig: Sie können und sollten auch an den Gruppentreffen teilnehmen. Die meisten Gruppen sind für die Betroffenen und Angehörige offen, sie können als Angehörige also an den Treffen teilnehmen und sich an dem Erfahrungsaustausch beteiligen. Die Namen der Gruppen sind: Blaukreuz, Kreunbund, Blaues Kreuz, Guttempler und die Freundeskreise. Die Adressen erfährt man in den Beratungsstellen oder beim Gesundheitsamt u. ä. Bei der bekanntesten Gruppe den A. A. ist es etwas anders geregelt, denn es gibt Gruppen speziell für die Angehörigen. Diese Al. Anon. Gruppen setzen sich also nur aus den Familienmitgliedern der Alkoholiker zusammen. Für die Kinder von Alkoholikern gibt es entsprechend die Al. Ateen Gruppen. Die Langzeitentwöhnungsbehandlung Eine Langzeittherapie ist angezeigt, wenn alle ambulanten Versuche eine (abstinente) trockene Lebensweise zu erreichen, also regelmäßige Gespräche in einer Beratungsstelle, der Besuch von Selbsthilfegruppen, eine ambulante Langzeitentwöhnungsbehandlung, gescheitert sind. Sie ist ebenfalls angezeigt, wenn zu erwarten ist, daß diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen werden. In der Bundesrepublik dauern die Langzeitherapien zwischen zwei und vier Monaten. Kontakte und Besuche der Familienangehörigen in der Klinik sind nach einer kurzen Anfangsphase möglich. Die Langzeitentwöhnungsbehandlung vollzieht sich in dem beschützenden Rahmen der Fachklinik. In der Gruppe werden unter der Anleitung speziell ausgebildeter Suchttherapeuten gemeinsam von den Patienten erforderliches Wissen über die Krankheit erworben, der individuelle Hintergrund der Abhängigkeit wird erarbeitet, das Zusammenleben in der Gruppe wird erfahren, und veränderte Verhaltensweisen, um mit den Sucht- und Alltagsproblemen besser fertig zu werden, werden gelernt (Suchthintergrund: Minderwertigkeitskomplexe, die Bekämpfung von sozialen Ängsten, wie die Angst allein zu sein, mit Menschen in Kontakt treten, Angst bei Lampenfieber, sich selbst akzeptieren und mögen, Frustrationsintolleranz, Unfähigkeit Enttäuschungen und Trauer zu ertragen / Konflikte anzusprechen und auszutragen / sondern all dies mit Alkohol zu verdrängen, Selbstbestrafungstendenzen). Die Langzeittherapie ist das intensivste Mittel der Suchttherapie, das uns zur Verfügung steht. Auch ihr Erfolg ist ganz entscheidend davon abhängig, ob nach der Langzeittherapie der trockene Alkoholiker nach dem Aufenthalt in der Fachklinik weiterhin aktiv etwas unternimmt, um trocken ("abstinent") zu bleiben. Das umfaßt den Besuch von Selbsthilfegruppen oder regelmäßige Gespräche mit einem Suchtberater. Auch für die Langzeittherapie in einem Fachkrankenhaus gilt: Kein Suchtkranker kann aus einem Krankenhaus "als geheilt entlassen" werden. Sollte der Entschluß, an einer Langzeittherapie teilzunehmen gefaßt werden, kann man einen Antrag in einer Beratungsstelle, in einer dazu ermächtigten Suchtklinik oder bei Gesundheitsämtern etc. gestellt werden. Für die Angehörigen ist wichtig: Erkennen Sie die Notwendigkeit einer Langzeittherapie an, wenn es anders nicht geht. Unterstützen Sie ihr alkoholkrankes Familienmitglied, indem Sie konsequent auf die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme hinweisen. Lassen Sie sich nicht von dem vermeintlich langen Zeitraum abschrecken, den eine solche Therapie dauert, die maximal sechs Monate gehen schnell vorbei, und Sie werden ihren Angehörigen in der Zeit oft sehen. Nutzen auch Sie die Zeit der Langzeittherapie, indem sie schon einmal eine Selbsthilfegruppe, oder eine spezielle Angehörigengruppe besuchen, oder sich mit den Angehörigen anderer Patienten treffen und Erfahrungen über das Zusammenleben mit alkoholkranken Menschen austauschen. Was können Angehörige tun? Ich komme nun zu der für viele wichtigen Frage, was die Angehörigen tun können. Dafür gibt es - wie ich schon betont habe - keine Patentrezepte, auch wenn das viele Angehörige erhoffen. Ich würde aber zu dem Thema Folgendes sagen: Empfehlungen für die Angehörigen: 1. Eine direkte Einflußnahme auf das Verhalten eines Alkoholabhängigen in der Trinkphase ist zumeist unmöglich. Diskussionen erübrigen sich also. Ermunterungen, Appelle an die Willenskraft, Vorwürfe wegen des Trinkens, leere Drohungen oder gutes Zureden bewirkt nichts. Ständige Streitereien verschlimmern erfahrungsgemäß die Situation nur noch, wenn der Trinker aus Protest zur Flasche greift. Dadurch wird das Problem dann nur noch größer. Angehörige tun gut daran, diese Tatsache uneingeschränkt zu akzeptieren. 2. Es hat überhaupt keinen Wert, sich auf die ("schönen") Versprechungen eines Trinkers zu verlassen, denn der kann seine Versprechungen nicht einhalten. Sind die Versprechungen mehrmals gebrochen worden, dann ist nicht zu erwarten, daß zukünftige Versprechen eingehalten werden. 3. Angehörige oder Freunde können sich gut über die Krankheit informieren, und beispielsweise abklären, ob tatsächlich eine Alkoholabhängigkeit vorliegt. Dann besteht die Möglichkeit, das Problem offen anzusprechen. Vertuschen und «Nicht - Wahrhaben - Wollen» hilft nichts. Wenn Sie dem Trinker dabei helfen, das Problem zu verleugnen und vertuschen, dann tragen Sie Ihren Teil dazu bei, daß der alkoholkranke Mensch sich weiterhin zerstört. Dies wird auch als «Co - Alkoholismus» bezeichnet. 4. Stecken Sie einmal unmißverständlich Grenzen ab, legen Sie fest, was Sie akzeptieren und was nicht. Teilen Sie das Ihrem alkoholkranken Angehörigen mit. Falls die Grenzen überschritten werden, zögern Sie keinen Moment die angekündigten Konsequenzen zu ziehen. Inkonsequenz ist im Umgang mit Alkoholkranken völlig falsch. 5. Wenn die Situation zu belastend wird, «retten Sie Ihre eigene Haut». Zerstören Sie sich nicht selbst im Kampf gegen die Flasche! Wenn Sie in einer Familie mit Kindern zusammen leben, ist es wichtig, auch an die Kinder zu denken. Diese benötigen Eltern, die für Sie da sind und keinen Elternteil, für den die Flasche das Wichtigste im Leben ist. 6. Sie können sich jederzeit Hilfe in einer Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe holen, vorausgesetzt Sie tun selbst den wichtigen ersten Schritt und nehmen Kontakt zu Menschen auf, die Ihnen wirksam helfen können. Hilfe können Sie sich insbesondere dann holen, wenn Ihnen die anderen Schritte mißlingen, beziehungsweise wenn Sie das andere nicht können. 7. Im Übrigen hat es sich für Angehörige und Freunde eines Alkoholkranken bewährt, das Suchtproblem nicht zu ihrem Hauptproblem oder Lebensinhalt zu machen. Es ist besser, wenn Sie Ihr Leben so gestalten, wie es ihnen gefällt. Eine Möglichkeit besteht darin, beispielsweise etwas zu unternehmen, was Ihnen selbst Freude macht, und dabei das Alkoholproblem zu vergessen. Dies nennt man auch «Hilfe durch Nicht-Hilfe». Dieses bewußte Zurückhalten ist besonders dann anzuraten, wenn Sie sich nicht in der Lage fühlen Grenzen zu setzen und festzulegen, was Sie tolerieren und was nicht. 8. Der Ausgangspunkt für eine Veränderung im Leben eines Alkoholikers ist sein Eingeständnis, Alkoholiker zu sein und seine Bitte an andere Menschen, Ihm zu helfen. Das kann nur der Betroffene selbst tun. Tut er das nicht, will er weitertrinken und sich zerstören. Lassen Sie sich in dem Fall nicht mit in den Abgrund herunterziehen. Manches von dem, was ich eben sagte, mag sich hart anhören. Bedenken Sie dabei bitte Folgendes: Tätiges Mitleid oder Hilfe für Alkoholiker in der Trinkphase ist deshalb fehl am Platz, weil dadurch das Trinken zumeist nicht beendet wird. Vielmehr führt Mitleid oft dazu, daß das süchtige Alkoholtrinken und damit die Selbstzerstörung des Abhängigen weitergeht. Oft habe ich mit abstinenten Alkoholikern gesprochen, die berichteten, daß ihr Ausstieg aus der Alkoholkarriere in dem Moment erfolgte, als sie merkten, daß sie sonst sehr Viel verlieren würden. Der vielleicht beste Ratschlag ist der, in eine Suchtberatungsstelle zu gehen und sich individiell in einem längeren Gespräch vom Spezialisten beraten zu lassen. Dies ist insbesondere für diejenigen wichtig, die sich aus eigener Kraft nicht in der Lage sehen, sich abzugrenzen und entsprechend konsequent zu handeln. Abschließend: Vorurteile und Fakten Mein Hauptanliegen ist es, schäbige Vorurteile gegenüber alkoholkranken Mitmenschen abzubauen und einen sachlichen, ruhigen Dialog über Suchtprobleme den Weg zu bahnen. Ich persönliche halte die Suchtkrankheit für eine Krankheit wie viele andere auch, beispielsweise Herzkrankheiten oder die Zuckerkrankheit. Deshalb hege ich keinerlei Vorurteile gegenüber Alkoholkranken. Vielmehr noch: Unter den abstinenten Alkoholikern, beispielsweise den Mitgliedern von Selbsthilfegruppen, habe ich viele hoch - respektable Menschen Kennengelernt. Menschen, die durch die Auseinandersetzung mit ihrer Krankheit "Alkoholismus" menschlich geworden sind und vieles gelernt haben. Die Alkoholkrankheit ist eine Herausforderung, durch die man die Chance erhält, vieles über seine Persönlichkeit zu lernen und persönlich zu "wachsen". Ein beliebter Spruch lautet: "Es ist keine Schande Alkoholiker zu sein, es ist eine Schande, nichts dagegen zu tuen!" Allgemeine Grundsätze für den Umgang mit der Krankheit Abschließend habe ich einige Regeln für den Umgang mit der Alkoholkrankheit zusammengestellt. Diese Regeln gelten sowohl für die von der Alkoholkrankheit betroffenen Menschen, als auch für dere Angehörige. 1. Machen Sie sich als Abhängige und als deren Angehörige von den geläufigen Vorurteilen gegenüber Abhängigen frei. Alkoholismus ("Abhängigkeit") ist eine Krankheit, deren Ursachen wir nicht genau kennen, es ist keine Willens- oder Charakterschwäche, Haltlosigkeit und Alkoholiker (Abhängige) sind nicht minderwertige Säufer. Es sind Kranke und Vorwürfe, Streitereien bewirken keine Heilung. 2. Erkennen Sie die Existenz der Abhängigkeit und die Notwendigkeit der Behandlung oder Therapie so wie ich sie vorhin beschrieben habe uneingeschränkt und bedingungslos an. 3. Oberstes Gebot für die Bewältigung der Abhängigkeit und auch den Umgang mit alkoholkranken Menschen ist KONSEQUENZ Das heißt Tun Sie stets das, was erforderlich ist, machen Sie keine Ausnahme, lassen Sie keine Ausnahme zu. Die erste Ausnahme ist oft schon das Ende, sowie der erste Schluck das Ende der Trockenheit ("Abstinenzphase") ist. 4. Die Krankheit Abhängigkeit bleibt und ist nicht heilbar, ein trockenes Leben ist durchaus erreichbar. Erforderlich sind spezielle therapeutische Maßnahmen, sowie ständige Aktivität zur Sicherung des Trockenheit ("Abstinenz").