Ein Besuch im sommerlichen Ottawa
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Ein Besuch im sommerlichen Ottawa
Ein Besuch im sommerlichen Ottawa Der Osten Kanadas mit seinen faszinierenden Metropolen Toronto und Montreal, aber auch mit seiner wunderschönen Natur wird von deutschen Touristen viel weniger besucht als der gebirgige weite Westen mit den Rocky Mountains. Dabei bieten die östlichen Provinzen viel Multikulti und abwechslungsreiche Naturparks laden zum Erholen ein. Der Sommer in Québec und Ontario ist warm und man kann ohne Weiteres in den unzähligen Seen Baden gehen. Sogar an den Stränden des St. LorenzStromes in Montreal oder unweit der Niagarafälle ist Schwimmen im Ontariosee möglich. Doch ich möchte hier mitten in dieser so weiten Kultur- und Naturlandschaft eine Unbekannte vorstellen, die von uns Deutschen noch selten besucht und gewürdigt wird. Es ist Ottawa, die Bundeshauptstadt Kanadas, des zweitgrößten Landes der Erde! Bei den üblichen organisierten Rundreisen durch die Ostprovinzen wird hier meistens nur einmal übernachtet, ein schneller Rundgang mit Besuch des Parliamenthills reicht und weiter geht es. Der ganze Charme dieser so britisch geprägten Stadt mit seinen einzigartigen Museen, dem sehenswerten Regierungsbezirk und dem überall gegenwärtigen patriotischen Kanadabild begeistert jeden Besucher! Bevor wir mit unserem Rundgang beginnen, kurz zur Geschichte der Stadt, die am Ottawa Fluss liegt, der Grenze von Ontario und Québec. Ganz bewusst wählte Queen Victoria 1857 den Sitz der neu gegründeten Hauptstadt von Upper- und Lower-Canada, weit weg gelegen von der USamerikanischen Grenze, als Gegenpol zu den schon größeren aber auch konkurrierenden Städten Kingston, Toronto und Montreal. Das ursprüngliche Bytown war nach jenem britischen Offizier John By benannt, der ab 1826 die Baumaßnahmen für den eigentlich militärisch wichtigen Rideau-Kanal leitete. Der neue Wasserweg verband Montreal mit dem Ontariosee und wurde dann ein bedeutender Handelsweg. 1857 benannte die junge Queen Victoria Bytown um, nach dem Stamm der dort lebenden Outaouac –Indianern in Ottawa. Ganz bewusst wählte sie das kleine Holzfäller- Camp zur Hauptstadt, genau an der Grenze der französisch- und englischsprachigen Siedlungsgebiete. Dies ist bis heute so geblieben - der Ottawa-Fluss trennt die Provinzen Québec im Norden von Ontario im Süden. Die Stadt am nördlichen Flussufer ist Gatineau in ihr dominieren die blauen Flaggen mit der weißen Lilie, der Fahne der Provinz Québec. Am anderen Flussufer, in Ottawa, überwiegt die kanadische Flagge mit dem Ahornblatt wir befinden uns hier ja auch in der Hauptstadt des Landes. Wir beginnen unseren Spaziergang in Gatineau mit dem fantastischen Blick auf Ottawa mit seinem Parliamenthill, hoch über dem gleichnamigen Fluss. Links die stählerne Alexander- Brücke, weiter rechts das fast weiße schlossähnliche Gebäude des Fairmont Hotels, Chateau Laurier, dann der grüne Hügel mit dem Parlament und vor uns der Ottawa - River - welch eine Kulisse! Hinter uns liegt gleich der erste Höhepunkt unserer Besichtigung - das “Canadian Museum of Civilization”. Es ist das Nationalmuseum für Geschichte und Gesellschaft in Kanada. Schon der riesige Bau bezieht sich mit seiner einzigartigen Architektur auf die vom Eis, Wasser und Wind geformten Landschaft des Landes. Interpretiert die Dachform wohl das kanadische Schild und seine Seen, könnte man in der Gestaltung des Einganges auch den Kopf eines indianischen Fabelwesens, dem Raben erkennen. Innen blickt man von oben in die gewaltige “Grand Hall“, fährt mit der Rolltreppe hinunter und steht vor den ca.4 Stockwerk hohen Totempfählen der First People der kanadischen Westküste. Hinter dieser beeindruckenden Eingangshalle führen abgedunkelte Wege sinnbildlich durch den Regenwald. Vorbei an den Langhäusern und Arbeitsstätten mit lebensgroßen Puppen, taucht man förmlich ein in das damalige Leben und die Kultur der Ureinwohner, den First People, wie die Indianer heute in Kanada genannt werden. Im 3.Stockwerk, über dem Post - und einem Kindermuseum setzt sich der Spaziergang durch die kanadische Geschichte fort. Wir schlendern in einer 17 Meter hohen, Fußballfeld großen, aufgeteilten Halle von Ost- nach Westkanada. Wie die Welle der aufeinander folgenden Einwanderungen laufen wir mitten durch nachgestellte Szenen der Eroberung, Erschließung und Besiedelung des Landes, chronologisch und geographisch installiert. So stehen wir anfangs z.B. mitten auf einem Pelzumschlagplatz und können die unterschiedlichen Pelzfelle fühlen und erraten. Später sitzen wir auf Holzpfählen und lauschen fasziniert den Erläuterungen über die Entwicklung des Holzhandels in einem uralten Schwarzweißfilm. Oder wir blicken durch Fenster in die Wohnverhältnisse des vorletzten Jahrhunderts auf dem Land, als auch in den Städten. Ein Klassenzimmer ist zu sehen, das Geschäft ukrainischer Einwanderer oder auch eine chinesische Wäscherei. Es gibt viele Möglichkeiten hier visuell, per Kopfhörer oder aktiv die kanadische Geschichte und Entwicklung zu begreifen, für Erwachsene und Kinder. Schließlich erreichen wir mit der Canadian Pacifique Bahn den Westen und somit das 20.Jhrt. Ein Kapitel zum kanadischen Norden beschließt die Zeitreise, die im Osten mit den Wikingern begann. Spannender und lehrreicher kann man eine Landesgeschichte wohl nicht darstellen. Begeistert von den vielen neuen Erkenntnissen genießen wir, draußen beim Spaziergang entlang des Ottawa Rivers, die Skyline der Hauptstadt hoch über dem gegenüberliegenden Ufer. Sportliche Besucher könnten nun ihren Weg per Kanu oder Ruderboot auf dem Fluss fortsetzen, oder mit dem Leihrad bzw. joggend entlang der Grünanlagen am Ufer. Und gleich wieder Natur pur, ob graue Eichhörnchen, Murmeltiere oder Graugänse auf der Victoria-Insel mitten im Ottawa River - Tierbeobachtungen gibt es hier inklusive. Über die Portage Brücke betreten wir nun Ottawa, das uns mit einer Fahnenstaffel empfängt, zuerst die kanadische und dahinter die Flaggen aller Provinzen. Nur ein Stück weiter rechts dann wieder ein architektonisches Glanzstück der Bau des “Canadian War Museum”. Ein energieeffizienter Betonbau mit einem Gras bewachsenem Dach, das auf der Flussseite bis zur Erde reicht. Für die Kühlsysteme und die Wasseraufbereitung im Gebäude nutzt man ebenfalls den Fluss. Hinter der zur Stadt hingerichteten Glasfassade blickt man von außen schon auf ausgestellte Flugzeuge und Panzer. Der Bau auf einem ehemaligen Industriegebiet wurde am 08.05.2005 eröffnet, 60 Jahre nach dem Ende des 2.Weltkrieges. Mit neuster Museumsdidaktik zeigt Kanada kritisch seine Militärgeschichte. Das Engagement, das im Burenkrieg begann und bis in die heutige Zeit reicht, mit dem Einsatz kanadischer Friedenstruppen bei weltweiten Kriegskonflikten. Keine leichte Kost, wird hier doch viel Wert gelegt auf die Darstellung des Soldatenlebens mit all seinem Leid und Schrecken. Zurück im Freien entzückt uns der rote Abendhimmel über der Stadt und kein allzu weiter Weg führt uns nun in die Somerset Street, im Süden des Business District. Hier in der ehemaligen Chinatown reiht sich ein asiatisches Restaurant an das Nächste, kein kulinarischer Wunsch bleibt offen, denn hinter dem wunderschönen chinesischen Torbogen über der Straße, geht die Gastronomie italienisch weiter. Hier war die Welt schon immer global. Gut gestärkt, vorbei an herrlichen Holzvillen der vorletzten Jahrhundertwende wenden wir uns nun nach links Richtung Parliamenthill und erreichen noch rechtzeitig die allabendliche Multimediashow “Mosaika” vor dem Friedensturm des Parlamentes. Die ganze neugotische Front des Regierungsgebäudes ist in die Show integriert und wird in den verschiedensten Farben bestrahlt. Als Zuschauer sitzt man auf dem Rasen davor und lauscht andächtig den zweisprachigen Erklärungen zur Darstellung der kanadischen Geschichte. Bewegte Bilder rauschen über die Gemäuer, Musik und Text zelebrieren das kanadische Zugehörigkeitsgefühl der vielen Einwanderer. Patriotismus pur, aber hier präsentiert sich dieses fantastische Land besonders perfekt und in jedem Fall unvergesslich für seine Besucher! Jeden Morgen im Sommer ist die nächste “Show” angesagt, wieder ein Spektakel auf dem Rasenplatz vor dem Parlamentsgebäude. Der königliche Wachwechsel - Changing of the Guard. Zu Dudelsack Klängen und Militärkapellen Musik marschieren rot uniformierte Soldaten mit schwarzen Bärenfellmützen hin und her. 30 Minuten britische Tradition im Land, dessen Staatsoberhaupt bis heute Queen Elisabeth II. ist. Im Übrigen ist die Queen überall präsent - auf jeder kanadischen Münze! Nach einem Foto - Shooting von außen möchten wir nun auch das Regierungsgebäude von innen besichtigen. Kein Problem, im Besucher - Pavillon nebenan gibt es kostenlose Karten, für Führungen in Englisch oder Französisch alle 20 Minuten. Nach einer Sicherheitskontrolle wie am Flughafen betreten wir ehrfurchtsvoll den zentralen Bau mit dem “Peace Tower” in seiner Mitte. Alle ursprünglichen Regierungsgebäude sind 1916 bis auf den Bau der Bibliothek durch ein Feuer zerstört worden. Die wieder errichteten Gebäude im Stil der Neugotik ähneln sehr dem Westminster Palast und der Friedensturm grüßt als kleiner Bruder von Big Ben. Natürlich wirkt auch das Innere der “heiligen Hallen” Kanadas sehr britisch! Ob in der Confederation Hall oder der Hall of Honour, ob im House of Commons (Abgeordnetenkammer) oder im Senatssaal, überall wird uns die Verbindung zu den kanadischen Provinzen gezeigt. Sowohl durch das Holz, dem Marmor, den Steinarbeiten, den Fenstermalereien und den Gemälden, die Geschichte und die Entstehung der kanadischen Provinzen ist allgegenwärtig. Alles im altehrwürdigen Stil und britischer Tradition. Der Höhepunkt der Besichtigung ist jedoch die Parlamentsbibliothek, die 1876 fertig gestellt worden war. Dieser originelle Rundbau aus grauem Sandstein beeindruckt schon rein äußerlich. Architektonisch gestaltet wie ein gotischer Kirchenbau lehnt sich die Bibliothek an die Rückseite des Zentralbaus. Der Zugang gleicht einem gotischen Kirchenportal. Die innere Gestaltung aus Rundbögen, Regalen und Galerien, aber auch das Bodenmosaik bestehen aus EichenWalnuss - und Kirschbaumholz. Der Geruch von Papier, Leder und Holz durchströmt den fast sakralen Raum, in dessen Mitte eine weiße Marmorstatue der jungen Queen Victoria steht. Die einzigartige Sammlung von Büchern, Zeitschriften und Regierungsdokumenten, sowie CDs und Videos stehen nicht nur Regierungsangehörigen zum Studium zur Verfügung. Gerne wären wir länger geblieben, hier spürt man förmlich Geschichte. Nur kurz darf man mit der Gruppe staunen. Schließlich besteigen wir den Peace Tower und bewundern die Hauptstadt aus fast 90m Höhe. Der Blick schweift weit über die Stadt und den Ottawa-Fluss hinaus bis hin zu den Wäldern des Gatineau Parks. Schließlich spazieren wir einmal um den Zentralbau herum, vorbei an den Skulpturen bedeutender kanadischer Politiker. Wir blicken von der Terrasse hoch über dem Ottawa Fluss hinüber zum Museum of Civilisation, wo gestern unser Spaziergang begann. Natürlich ist unser Besuch in Ottawa noch nicht zu Ende. Es wartet noch der berühmte Byward Market mit seiner Markthalle. Alle möglichen Spezialitäten der Region werden hier angeboten. Drumherum liegen zahlreiche Restaurants, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Zum Einkaufen lädt das RideauCenter ein, die angesagte Shopping Mall mitten in der Stadt. Wie in allen großen Malls in Kanada findet man im Basement Stände mit internationalem Fastfood, ob griechischer Zaziki, türkische Döner, indischer Curry oder mexikanische Tacos. Leckeres Essen zu günstigen Preisen. Direkt gegenüber können wir dann das ehrwürdige schon 1912 eingeweihte Chateau Laurier Hotel der Fairmont - Kette bewundern. Wie ein riesiges französisches Schloss erhebt sich das 5 Sterne Hotel über dem Fluss und den Schleusen des Rideaukanals. Noble Herberge für Könige und andere Berühmtheiten ist es weiterhin die erste Hoteladresse der Stadt. Nur 500m entfernt, auf der anderen Seite des Rideau Centers liegt die Jugendherberge. Auch sie kann man, wenn man möchte, nur besichtigen, denn bei diesem Gebäude handelt es sich um das historische Gefängnis der Hauptstadt. Es bieten sich noch weitere interessante Museen zur Besichtigung an, so z.B. die National Gallery of Canada. Das Kunstmuseum besitzt eine umfangreiche Sammlung kanadischer Kunstwerke, zeigt aber auch die größte europäische Gemäldesammlung des Landes. Der gläserne Bau ist ein architektonisches Glanzstück. Nach anstrengenden Besichtigungstagen kann man sich an den Stränden des Ottawa Rivers erholen und Baden gehen. Oder man fährt mit der Familie in den nahe gelegenen “Calypso Waterparc” dem größten Wellenbad Kanadas, mit über 100 verschiedenen Wasserspielen und sogar zwei Wasserrutschen Loopings. So abwechslungsreich ist der Urlaub, auch mit Familie im hoffentlich bald nicht mehr so unbekannten Ottawa, im Osten Kanadas.