TAXI 31 GzD.p65

Transcrição

TAXI 31 GzD.p65
Die Happy:
Bitter To Better
Gun/SonyBMG
ds. Auf hohem internationalem
Niveau
macht der deutsche
Vierer seit über fünf
Jahren mit kräftigem,
frischem Poprock von
sich reden. So auch
auf dem neusten Werk, wo Sängerin Jandová einmal mehr ihr Rockherz weit öffnet. Auch auf den
zurückhaltenderen Nummern gleitet ihre Performance nie in den Kitsch ab, wohin ihr auch die Band
nie folgen würde.
Die Hellen Barden:
Sinn
muve/MV
ds. Berner Mundartrock in der textlichen
Tradition eines Mani
Matter, Endo Anakonda oder auch Büne Hubers, aber musikalisch
irgendwie spannender.
Minimal instrumentiert, mit Kuriositäten wie Glokkenspiel, Biosampler und Ghüdderdrums durchsetzt
- und dennoch rockt’s. Für mich eine hochinteressante Entdeckung in der CH-Szene. Zu sehen an
den Liedermachertagen in Pieterlen, 27. - 29.
Oktober.
Revolverheld
SonyBMG
ds. Jugendlich geht bei
den Deutschrockern
die Post ab. Es brettern
die Gitarren, satt knallen die Drums. Die
Texte sind simpel, aber
niemals dümmlich.
Alle Songs wurden von
der Band selbst geschrieben. Hoffentlich bewahren
die Jungs ihr Ungestüm, behalten trotz Majordeal
die Zügel in der Hand und bleiben auf dem Teppich.
The Dead 60s
Deltasonic
ds. Die 60er sind tot,
ok. Aber brauchen die
Nuller den Clashsound
der Frühachtziger?
Und wie! Wer sich dieses Album anhört fragt
sich viel mehr, wie
konnte die Welt über
20 Jahre lang ohne auskommen? Die jungen
Liverpooler haben sich ihm verschrieben und bringen ihn authentisch und aktualisiert mit politischen
Lyrics in unser Jahrhundert. Kids of today hört Euch
das an!
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TAXI Nr. 31
Soulfly: Dark Ages
Roadrunner/MV
ds. Max Cavalera, vormaliger Sepultura
Frontmann, und seine
Jungs haben ein druckvolles, rhythmisch anspruchsvolles, zeitweise gar episches Werk
aufgenommen. Vor allem gegen Ende der CD überraschen lange, psychedelisch anmutende, ruhige Passagen. Rückbesinnung auf brasilianische Roots mit tribalen Trommeln und Indiogesängen kennen wir schon von früheren Aufnahmen, sie werden auch hier Sinn stiftend eingesetzt. Abgerundet wird das Ganze durch
ein schönes akkustisches Stück mit spanischer
Gitarrenklassik. Lohnt sich!
Bonnie Raitt:
Souls Alike
Capitol/EMI
ds. Eine erfreulich geschmackvolle Produktion auf der Höhe der
Zeit hat die amerikanische Sängerin und
Slidegitarristin da eingespielt. Ausgewählte
Sounds, eine stilsichere Band, gitarristische Meisterleistungen von ihr selbst und ihrem Gitarristen
George Marinelli, sinnige Texte, mit reifer Stimme
vorgetragen: Hier stimmt alles! Das Album groovt
ohne Ende und lässt bei jedem Durchgang Neues
entdecken.
John Cale:
Black Acetate
EMI
ds. Irgendwie eigenartig einem sechzigjährigen Mann beim teeniemässigen Falsettgesang zuzuhören.
Aber irgendwie passt
es recht gut. Zum
Song, zu Cales Geschichte und seiner momentanen
Befindlichkeit. Der Velvet Underground Mitbegründer will sich von seinem Image als Hyperintellektueller lösen. Dazu wendet er sich den tanzorientierten Beats und Grooves der modernen afroamerikanischen Musik zu: Dem Funk und dem
HipHop. Das klingt dann ungewöhnlich roh und frisch,
zumal er seine experimentelle Seite nicht völlig verleugnet, oder seinen Drang allzu wohlklingendes mit
megaschrägen Gitarreneinlagen zu zersägen. So
entsteht der funkig schillernde Soundtrack zu einem
Roadmovie quer durch die heutigen USA.
Paul McCartney:
Chaos And
Creation...
Parlophone/EMI
ds. Die Produktion
klingt über weite
Strecken raffiniert
hemdsärmlig. McCartney spielt mit seinen
Trademarks, mit Beatles- und Wingszitaten, versucht sich erfolgreich an
Gitarre und Drums, fühlt sich eigenartig nah an. Es
gibt es auf der CD nicht wenige melancholische, ja
bittere Momente, so dass die Frage aufkommt: Ist
das jetzt sein rückblickendes Alterswerk - und
Tschüss? Hoffentlich nicht, dazu ist er immer noch
viel zu gut!
Colafluid:
Southern Death
Swing
muve/MV
ds. Einen kruden Mix
aus Stonerrock, Punk,
Blues, Psychedelic und
weiteren schwer zu
definierenden Zutaten
servieren uns die charismatischen vier Berner Oberländer. Überzeugend
rocken sie sich die Seele aus dem Leib. Mögen auch
sie den momentanen Hype überleben und ihrem
straighten SDS treu bleiben. Schön jedenfalls, was
für eine Bandbreite die Schweizer Musikszene
mittlerweilen aufweist.
The Dandy
Warhols:
Odditorium
Capitol/EMI
ds. Wer hat Angst vor
der Industrie? DW jedenfalls schrecken
nicht vor überlangen
Songs zurück. Vier der
elf Tracks sind über
sieben Minuten lang. Die Truppe aus Oregon bedient sich auch unverfroren im Fundus der Rockgeschichte. Sie rockt schräg, dreckig und wild, weiss
aber auch die feinere Psychedelik einzusetzen - und
natürlich wird nicht nur geklaut. Eher werden oft
die Stimmungen bestimmter Genres übernommen
und mit eigenen Ideen gefüllt. Ein abwechslungsreiches Hörerlebnis also, live zu erfahren am 19.10.
im X-tra/Zürich.
Most Precious
Blood: Merciless
Roadrunner
ds. Unkommerzieller
New York Hardcore in
der Tradition von Life
Of Agony oder Sick Of
It All. Die vier Männer
und die Frau leben ihre
Überzeugungen, für
sie ist und hat Hardcore eine Message: Leben ohne
anderen Lebewesen Gewalt und Ausbeutung anzutun. Diese Einstellung steht für Uneingeweihte oft
in totalem Gegensatz zur rohen, oft aggressiven
Musik solcher Bands. Nachvollziehbar allemal die
Wut über die unhaltbaren Zustände auf dieser Welt,
welche sich in Text und Musik spiegelt und den Widerstand gegen die allgemeine Gleichgültigkeit der
Kosumwelt ausdrückt.
Stereo MCs:
Paradise
Graffiti
ds. Gepitchte Stimmen
à la Crazy Frog scheinen zur Zeit mächtig
IN zu sein. Sogar die
sonst stilsicheren Londoner liessen sich verleiten. Ansonsten aber
ist ihnen ein grooviges Album voller Soul und Reggae im relaxten HipHop gelungen. Mal sind fette
Bläsersätze zu hören, mal Anklänge an 80er Elektro. Die Sängerinnen säuseln und schwelgen aufs
genüsslichste, der Rapper croont, die Backingtracks
swingen und shaken: Für verregnete Herbsttage ein
willkommener musikalischer Aufheller.
Bratz: Rock Angelz
Universal
mn. Zuerst werden
Puppen vermarktet
und dann das PC-Game und die passende
Musik. Es bitzeli rockig, es bitzeli poppig
und es grosses bitzeli
beliebig.
El Tattoo Del Tigre:
Chico Max
RecRec/Bang
mn. Es ist eiskalt, bei
mir funktioniert die
Heizung wieder mal
nicht. Da ist die Mambo Big Band mit ihrem
kubanischen Beat gerade richtig. Die Belgier heizen mit ihren Bläsersätzen und ihrem swingenden Salsa/Mambo kräftig ein, im Gegensatz zu
meinem Vermieter…
Shaggy:
Clothesdrop
Geffen/Universal
mn. Grosse Lippe und
das Hirn in der Hose.
Tönt wie immer, tanzflächentauglicher Reggae mit Hip Hop Anleihen.
Gamma Ray:
Majestic
Sanctuary/MV
ds. Ein Merkmal der
Band um Ex-Helloween Gitarrist Kai
Hansen ist es, immer
haarscharf am Kitsch
vorbei zu schrammen.
Ihre Riffs zitieren hier
etliche Bände Metalgeschichte, pompös wurde arrangiert und gebuttert, die Tracks wirken wie aus
zahlreichen Bruchstücken zusammengepappt. Ein
ständiges Stop and Go, Tempowechsel alle zehn Sekunden: Einiges zuviel des Guten. Textlich wird das
Gut-gegen-Böse-Klischee weit ausgewalzt. Hölle als
Heimat oder ewige Qual? Satan als Gott oder als
Peiniger, oder was oder wie? Wen’s interessiert...
Itchy Poopzkid:
Heart To Believe
SonyBMG
ds. Eingängiger Punkrock der Marke Greenday, Offspring und Co.
aus deutschen Landen.
Die fünf Jahre Liveerfahrung sind dem
Songwriting des Trios
anzuhören. Tight auf den Punkt gespielte energetische Speednummern wechseln sich mit rockenden
Mitgröhlstampfern ab. Gesungen wird in Englisch.
An den zeitweilig etwas nölenden Leadvocals liesse
sich bestimmt noch arbeiten, ansonsten: Ein weiterer (würdiger) Vertreter des Punkrockgenres harrt
seiner europaweiten Entdeckung.
The Rasmus:
Hide From The Sun
Playground/Universal
mn. Ein Hit, wenn es
nach den Teeniegirls in
meinem Umfeld geht.
Die Finnen habens
drauf zwischen Tanzfläche und Headbanger zu komponieren.
Bon Jovi:
Have A Nice Day
Mercury/Universal
mn. Tönt ebenfalls wie
immer. MainstreamRock, Balladen, Autowie auch tanzflächentauglich. Es bitzeli anregend, wenn auch
nicht aufregend.
Swiss Rocks
SonyBMG
ds. Ein weiterer CHRock Sampler. Die
Musikindustrie scheint
sich wieder mal auf die
einheimischen Werte
zurück zu besinnen.
Wobei zu sagen ist,
dass die Qualität des
Gebotenen den Ansatz durchwegs rechtfertigt. Was
zur Zeit in der CH-Rock-Szene geschieht, verdient
durchaus Aufmerksamkeit und kann sich hören lassen. Hier wurden zudem vermehrt ungesignte
(=vertragslose) junge Bands berücksichtigt, ebenso wurde auf geografische Weite Wert gelegt. Als
Zückerchen ein unveröffentlichtes Zep-Cover von
Gotthard, das es in sich hat. Krokus und Favez sind
feste Grössen, die stets überzeugen. Shakra siehe
unten. Interessant Meyer, Highfish und Wake aus
der Innerschweiz mit frischen, rotzigen Ideen. Der
Rockabilly der Peacocks knallt wie eh und je. Von
Backwash und Hukedicht gäbe es bessere Tracks,
aber die wurden schon auf andere Sampler gepackt.
(Ab ins Studio zu neuen Taten, Jungs!) Insgesamt
ein lohnender Einblick in eine erfreulich aktive Musiklandschaft fernab von Castingshows und MTV-Rotation.
Shakra: Fall
AFM
ds. Tja - wie soll ich
sagen? Mich stört bei
vielen sogenannten
„Hardrockbands“, dass
die guten Ansätze, die
in hart rockenden
Strophen aufgebaut
werden, durch gefühlsduselnde, schwülstige Refrains zunichte gemacht werden. Geht das nicht auch anders? Ah, die
Fans? Die wollen das so? Und drum wird das so gemacht, auch wenn’s einem als Musiker das Rockerherz schier brechen will? Irgendwie schon traurig,
nicht? Aber wahrscheinlich ist eh alles ganz anders
und es gefällt diesen Rockern wirklich, was sie machen. Mir nicht so.
Äl Jawala: Live At
Jazzhouse Freiburg
Foca
mn. Eine mitreissende
deutsche Band zwischen Klezmer und
Bauchtanz, dazu viel
(Jazz-)Funk, Perkussion, Didgeridoo und
Saxophon bis die Beine erlahmen. Weltmusik für einmal bei den Leuten
und nicht im Esohimmel.
Susheela Raman:
Music For
Crocodiles
Virgin/EMI
mn. Einschmeichelndintensive Stimme, Tabla, Cello, Gitarre und
Geige, nie schwülstig,
immer rhythmisch. Es
groovt angenehm und
dürfte nie aufhören. Es lohnt ich die Endlostaste zu
drücken und entspannt zu geniessen.
Freak Guitar:
The Road Less
Travelled
FN
ds. Eine weitere verrückte Achterbahnfahrt mit Saiten als
Gleisen, einen Ritt auf
dem Gitarrenstiel bietet uns Matthias IA
Eklund auf seinem Zweitling bei Steve Vais Favored
Nations Label. Diesem selbst nicht unähnlich versucht er stets, die Grenzen der Gitarre als Instrument zu erkunden und wenn möglich zu durchbrechen. Dabei dienen ihm die unterschiedlichsten
Musikstile von Country bis Metal als Vehikel. Zappaeske Klangcollagen wechseln sich ab mit überdrehten Volkstänzen und sägenden Rockriffs. Speziell - aber genial.
Subway To Sally:
Nord Nord Ost
Nucear Blast/MV
ds. Wer hat’s erfunden?! Schon im letzten
TAXI wurden mehrere
Bands der „Mittelaltermetal“-Branche vorgestellt. Hier nun eine der
dienstältesten. Mit gehöriger Wucht donnern uns die Ostdeutschen ihre
epischen, symbolgeschwängerten Dichtungen um
die Ohren. Rockende tiefergelegte Gitarren werden
von Dudelsäcken und Flöten umsäuselt, meisterhafter Gesang, auch die Chöre, die Soundqualität
ist erstklassig, es geht ab - und dennoch ward ich
all dessen nicht richtig frohe... Ein gwüsz Masz an
Misztrouwen blübe in minem Hertzen...
Für meinen Geschmack viel zu pathetisch, das Ganze.
TAXI Nr. 31
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