Handout zum Vortrag Internet- un Spielesucht am
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Handout zum Vortrag Internet- un Spielesucht am
INTERNET- UND COMPUTERSPIELSUCHT Fortbildungsveranstaltung Medienzentrum Wiesbaden 22. Juni 2016 Dr. Kai W. Müller | Diplompsychologe kontakt: [email protected] AMBULANZ FÜR SPIELSUCHT UNSERE ARBEITSFELDER Forschung Epidemiologie Neurowissenschaften Therapie Risikofaktoren Therapieeffektivität ambulantes Setting Diagnostik kognitiv-behavioral Gruppen- und Einzelintervention AMBULANZ FÜR SPIELSUCHT UNSERE ARBEITSFELDER 0180 - 1529529 Wölfling, K., Jo, C., Bengesser, I., Beutel, M.E. & Müller, K.W. (2013). Computerspiel- und Internetsucht – Ein kognitivbehaviorales Behandlungsmanual. Stuttgart: Kohlhammer. AMBULANZ FÜR SPIELSUCHT TYPISCHE BESCHWERDEN UND BEEINTRÄCHTIGUNGEN DURCH INTERNETSUCHT Konzentrationsdefizite Schulabbrüche Antriebslosigkeit Schlafstörungen Depressive Verstimmung Soziale Vereinsamung InteressenverlustSchulverweigerung Soziale Unsicherheit Motivationsverlust ? WAS MACHEN COMPUTERSPIELE MIT UNS NUTZUNGSEFFEKTE BEISPIELE: EFFEKTE VON COMPUTERSPIELEN Nachgewiesene positive Effekte im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit in komplexen Reizsituationen Verdrängung alternativer Aktivitäten und Einschränkung des natürlichen Explorationsverhaltens Gefahr des Kontrollverlusts und der exzessiven / suchtartigen Nutzung Rundenbasiertes Strategiespiel Aufbaustrategiespiel Competitive Online Side Scrolling Beat ´em up Denkspiele Skill Games Tanzspiel Simulationen Social Games Jump ´n Runs Action Adventure Hack & Slay Action Rollenspiel Echtzeitstrategiespiel Wimmelspiel Digital Novel Sportspiele Taktik-Shooter Action-Shooter Strategiespiele Maze Rollenspiele Adventures Textadventure Beat ´em up Massive Multiplayer Online Role-Playing Games Point-and-Click Third Person Shooter Serious Games Wirtschaftssimulation Shoot ´em up Survival Horror NUTZUNGSEFFEKTE INTENSITÄT DER NUTZUNG gelegentlich oder regelmäßig, aber kontrolliert keine / kaum Effekte intensiv bis exzessiv positive und negative Effekte suchtartig klinische Effekte NUTZUNGSEFFEKTE COMPURTERSPIEL- UND INTERNETSUCHT Seit etwa 10 Jahren zunehmend Fälle von Internetsucht Cover: Spielwiese Internet – Sucht ohne Suchtmittel; Springer Spektrum Verlag Wölfling & Müller (2009); APA (2013); BMG (2014) PHÄNOMENOLOGIE: WAS SIND VERHALTENSSÜCHTE? VERHALTENSSUCHT Verhaltenssucht Exzessiv ausgeführte belohnende Verhaltensweisen, die die Kriterien einer Abhängigkeit erfüllen können Unkontrolliert ausgeführte Verhaltensweisen, wie z.B. ungezügeltes Kaufverhalten oder Glücksspielen sind verhältnismäßig alte Phänomene, die im historischen und psychiatrischen Kontext schon früh dokumentiert wurden (bspw. Tacitus; Ferenczi, 1919) VERHALTENSSUCHT WANN WIRD EIN NORMALES VERHALTEN ZU EINEM SUCHTARTIGEN VERHALTEN ? wenn das Verhalten wird in übermäßigem Umfang ausgeführt wird wenn es das Leben des Betroffenen dominiert wenn der Betroffene durch das Verhalten keinen direkten Nutzen mehr hat wenn das Verhalten nicht mehr bewusst gesteuert werden kann wenn das Verhalten negative Konsequenzen zur Folge hat und es dennoch fortgeführt wird WAS IST INTERNET- UND COMPUTERSPIELSUCHT ? Internetsucht: Eine Sammelbezeichnung für die suchtartige Nutzung von … …ONLINECOMPUTERSPIELEN Exzessives Spielen, insbesondere von sog. MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games) …ONLINEGLÜCKSSPIELEN Exzessive Nutzung von Glücksspielangeboten (Poker und andere Kartenspiele, Online-Casinos, Sportwetten) … INFORMATIONSPORTALEN Ausuferndes Suchen und Sammeln von irrelevanten Informationen ONLINE COMMUNITIES / SOCIAL NETWORKS Exzessive Pflege von Profilen auf Sozialen Netzwerken / Unkontrolliertes Durchstöbern fremder Profile ONLINE PORNOGRAPHIE Exzessive Nutzung pornographischer Seiten, Beteiligung an Erotik-Chats und Sammeln pornographischen Materials ONLINE EINKAUFSPORTALEN Kaufexzesse auf Interneteinkaufsportalen INTERNETSUCHT MERKMALE DER INTERNETSUCHT Bevorzugte Beschäftigung mit Internetanwendungen Die Nutzungsintensität (z.B. Nutzungszeiten) nimmt mit der Zeit zu und erreicht ein exzessives Ausmaß Andere Lebensbereiche werden dauerhaft vernachlässigt Auftreten von neurobiologischen Ungleichgewichten Auftreten von psychischen Problemlagen & Symptomen Grüsser et al. (2006); Rumpf et al. (2011); Müller et al., (2013) WORAN ERKENNT MAN DAS SUCHTVERHALTEN ? INTERNETNUTZUNGSVERHALTEN DAS INTERNET IST AUS DEM LEBEN HEUTIGER JUGENDLICHER NICHT MEHR WEGZUDENKEN INTERNETNUTZUNGSVERHALTEN EINIGE ZAHLEN ZUR INTERNETNUTZUNG JUGENDLICHER 80% sind täglich online 208 Minuten beträgt die tägliche Onlinezeit 156 Minuten 18 – 19-Jährige: 260 Minuten 12 – 13-Jährige: INTERNETNUTZUNGSVERHALTEN EINIGE ZAHLEN ZUR INTERNETNUTZUNG JUGENDLICHER INTERNETNUTZUNGSVERHALTEN INFORMIERT SEIN Diese Studie empfiehlt sich in jedem Fall als Lektüre ! DIGITALER STRESS: URSACHEN & FOLGEN ALTERSGRUPPE 14 – 34 JAHRE [sozialer Druck & Angst, außen vor zu sein als Katalysator für erhöhte (soziale) Stressbelastung und Folgesymptome ] Reinecke et al., 2015 EINE SICH ANDEUTENDE TRENDWENDE ? Jugendliche wünschen sich mehr Unterstützung bei der Exploration der digitalen Welt Jugendliche haben eine kritischere Haltung gegenüber der globalen Vernetzung als noch vor 5 Jahren Neue soziale Normen in Sicht: Die parallele Beschäftigung mit Onlinekommunikation während „klassischer“ Kommunikation wird immer mehr sozial geächtet Quelle: Wie ticken Jugendliche 2016 INTERNETNUTZUNGSVERHALTEN WICHTIG ! Die reinen Nutzungszeiten sagen nicht unbedingt etwas darüber aus, ob das Computerspielverhalten suchtartig ist. Sie sind bestenfalls ein Hinweis auf einen exzessiven Konsum DIAGNOSTIK DIAGNOSTISCHE KRITERIEN IM DSM-5 Computerspielnutzung als dominierende Beschäftigung Entzugssymptome bei Konsumverhinderung Toleranzentwicklung Kontrollverlust Interessenverlust Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen Verheimlichung des Nutzungsausmaßes Emotionsregulation durch die Computerspielnutzung Gefährdung wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT EINGENOMMENHEIT & „CRAVING“ „Ich muss immerzu an das Spiel denken“ „Manchmal schießen mir plötzlich ganz unvermittelt Spielszenen durch den Kopf“ „Ich kann nachts oft nicht schlafen, weil ich dauernd an mein Profil denken muss“ = Das unwiderstehlich und oft als unkontrollierbar wahrgenommene Verlangen nach der Nutzung ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT TOLERANZENTWICKLUNG „Am Anfang waren es nur ein paar Stunden, dann explodierten die Spielzeiten“ „Irgendwann habe ich buchstäblich alle fünf Minuten mein Profil abgerufen“ „Vor einem Jahr hatte ich noch „Platz“ für andere Sachen. Das ließ sich dann aber nicht mehr alles unter einen Hut bringen“ = Steigerung der Nutzungszeiten bzw. Nutzungshäufigkeit über einen längeren Zeitraum ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT Adaptierte Suchtkriterien SYMPTOME ENTZUGSÄHNLICHE „Ich werde unruhig, wenn ich nicht spielen kann“ „Oft bin ich dann gereizt, wenn sich das Spiel nicht gleich starten lässt“ „Ich war mal mitten in einer Diskussion und musste dann aber weg … das ging gar nicht, ich bin halb verrückt geworden dabei“ = Emotionale und psychophysiologische aversive Zustände bei verhindertem Konsum ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT FORTFÜHRUNG DER NUTZUNG TROTZ NEGATIVER KONSEQUENZEN „Ich wurde in der Schule immer schlechter“ „Wegen ständiger Fehlzeiten wurde ich abgemahnt“ „Ich verlor völlig das Gefühl für die Tageszeit“ „Es gab deswegen ständig Streit“ „Ich hab dauernd vergessen, etwas zu essen = Probleme im sozialen, leistungsbezogenen und gesundheitlichen Bereich ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT KONTROLLVERLUST „Ich hab es oft mit Zeitbeschränkungen versucht – jedesmal ohne Erfolg“ „Ich verlor völlig des Gefühl dafür, wie viel Zeit ich online war “ „Jedesmal wenn ich das Spiel gelöscht hatte, war es nach kurzer Zeit wieder re-installiert“ = Unfähigkeit die Nutzung bewusst zu steuern bzw. einzuschränken ERKENNUNGSMERKMALE SUCHT INTERESSENVERLUST „Außer spielen macht mir nichts mehr Spaß“ „Hobbies und so haben irgendwann völlig an Reiz verloren“ „Das Spiel ist erstmal wichtiger als sich mit Freunden zu verabreden“ = Verlust von Interessen und Aufgeben von vormals beliebten Hobbies; sozialer Rückzug WIE VERBREITET IST INTERNETSUCHT ? EPIDEMIOLOGIE PRÄVALENZ DER INTERNETSUCHT In Deutschland ca. 2 – 4% der Jugendlichen erfüllen die Kriterien für Internetsucht; weitere 4 – 6% weisen ein auffälliges Nutzungsverhalten auf In der Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz zwischen 1 – 2% SYMPTOMBELASTUNG ASSOZIIERTE PROBLEMLAGEN Abnehmende Konzentration & Aufmerksamkeit Vereinsamung & Entwicklung sozialer Ängste Erhöhte Belastung durch Schmerzsymptome Schlechterer allgemeiner Gesundheitszustand Abnehmendes Funktionsniveau / Explorationsverhalten Schlafstörungen Risiko der Entwicklung weiterer psychischer Erkrankungen Wie entsteht Internetsucht ? ENTSTEHUNG STÖRUNGSGENESE Neurobiologische Determinanten PERSON UMWELT Persönlichkeit Mediensozialisation Marketingfaktoren ANGEBOT Designfaktoren WAS KANN MAN TUN – PRÄVENTION UND INTERVENTION ? GEGENSTEUERN 1. DIE LAGE RICHTIG EINSCHÄTZEN Sind Risikofaktoren für eine Internetsucht erfüllt Sind erste Anzeichen einer suchtartigen Nutzung erkennbar GEGENSTEUERN 2. KEINE UNEINGESCHRÄNKTE MEDIENNUTZUNG Internetsucht ist bei denjenigen häufiger, die schon als Kind einen frühen und wenig reglementierten Umgang mit Computerspielen (PC / Konsolen) hatten Jugendliche unter 10 Jahren müssen weder zwingend einen PC im Zimmer haben, noch ein internetfähiges Handy besitzen GEGENSTEUERN 3. IMPULSKONTROLLE Die Impulskontrolle ist in der Kindheit und dem Jugendalter noch in der Reifung; sie muss erst erlernt werden. Eine geringe Impulskontrolle in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter ist ein Risikofaktor für verschiedene psychische Störungen (v.a. Suchterkrankungen aller Art) Impulskontrolle kann – und sollte – schon in Kindheit und Jugendalter trainiert werden Nutzungsverträge können dabei helfen, schon frühzeitig Kompetenzen im geregelten Umgang mit dem PC zu verinnerlichen GEGENSTEUERN MEDIENKOMPETENZ Auch in der Schule sollte die Förderung von Medienkompetenz angestrebt werden GEGENSTEUERN MEDIENKOMPETENZ & SENSIBILISIERUNG Eine Sensibilisierung der Schülerschaft für das Thema kann schon durch kleine Schritte erreicht werden z.B. Behandlung des Themas im Kunstunterricht oder im Deutschunterricht GEGENSTEUERN MEDIENKOMPETENZ Medienscouts als selbstregulierendes System GEGENSTEUERN 4. MEDIENKOMPETENZ Soziale Unsicherheit bzw. Ängstlichkeit erhöht das Risiko für die Entwicklung einer Computerspielsucht Eine Förderung der Sozialkompetenzen nimmt der Computerspielsucht eine zentrale Grundlage GEGENSTEUERN PRÄVENTION DigiMED – Der Digitale Methodenkoffer Präventionskonzept der Ambulanz für Spielsucht Ansprechpartner: Michael Dreier, Dipl.-Soz. [email protected] Kai Müller, Dr. Dipl.-Psych. [email protected] GEGENSTEUERN PRÄVENTION: DigiMED Modularer Aufbau Workshops für LehrerInnen Informationsveranstaltungen für Eltern Workshops für SchülerInnen GEGENSTEUERN PRÄVENTION: DigiMED – Beispiel (Schülerworkshops) Der Digitale Methodenkoffer: Modul: Spielentwicklung BALAN C E Ein psychologisches Trainingsprogramm für Jugendliche zur gezielten Förderung von Ressourcen Ansprechpartner: Kai Müller, Dr. Dipl.-Psych. [email protected] Kristina Papp, Dipl.-Psych.; Psychologische Psychotherapeutin i.A. [email protected] © Kai W. Müller GEGENSTEUERN 5. IM GESPRÄCH BLEIBEN Eltern (Digital Immigrants) wissen oft nicht, was ihre Kinder im Internet machen; das führt oft zu einer Atmosphäre der Verständnislosigkeit und Ablehnung, was das Verhalten des Kindes nur noch verstärken kann Grundkenntnisse über Computerspiele und soziale Netzwerke helfen dabei, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben GEGENSTEUERN 5. IM GESPRÄCH BLEIBEN Schlagwort: „Elternguides“ GEGENSTEUERN 6. IM GESPRÄCH BLEIBEN GEGENSTEUERN 6. INFORMIERT BLEIBEN GEGENSTEUERN 6. INFORMIERT BLEIBEN Fortbildungsseminare von Herr Günter Steppich: http://www.wiesbaden.de/microsite/medienzentrum/veranstaltungen/content/fort bildung.php?details_id=86911 HILFE FINDEN WEITERFÜHRENDE SCHRITTE „und wenn es für Prävention zu spät ist“ ?? ? HILFE FINDEN WEITERFÜHRENDE SCHRITTE 0180 - 1529529