Mein Auslandssemester an der Cooper Union in New York City

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Mein Auslandssemester an der Cooper Union in New York City
Mein Auslandssemester an der Cooper Union in New York City
Ich bin Student des hochschulübergreifenden Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen
(HWI) an der HAW und der Universität Hamburg und verbrachte mein fünftes Semester von
September bis Dezember 2011 an der Cooper Union in New York City. In den folgenden
Abschnitten werde ich nach Themen geordnet aus meinem Studium und Leben dort
berichten. Am Ende sind abschließend noch ein paar Fotos aus meiner Zeit angefügt, um
den Eindruck abzurunden. Viel Spaß bei der Lektüre!
1. Beschreibung der Hochschule
An der Cooper Union studieren knapp 1000 Studenten an drei unterschiedlichen
Departments (sog. Schools) – Ingenieurswissenschaften, Architektur und Kunst. Die
Ingenieurswissenschaften stellen mit Abstand die größte Anzahl der Studenten. Ich habe
keine genauen Daten, schätze aber, dass zwei Drittel Ingenieure und jeweils ein Sechstel
Architekten und Künstler sind. An der „Albert Nerken School of Engineering“ (so der offizielle
Name) gibt es wiederum vier Studiengänge, Mechanical Engineering (Maschinenbau),
Electrical Engineering (E-Technik), Civil Engineering (Bauingenieurwesen) und Chemical
Engineering (Verfahrenstechnik). Das besondere an Cooper ist, dass Studenten dort keine
Studiengebühren bezahlen müssen. Die Uni wurde im 19. Jahrhundert von dem Industriellen
Peter Cooper gegründet, der das Ideal einer freien Bildung für Jedermann vertrat. Was für
uns der Regelfall ist, ist in den USA eine Ausnahme. So ist es nicht unüblich, dass selbst an
öffentlichen Hochschulen Semesterbeiträge von mehreren 1000 $ zu bezahlen sind, ganz zu
schweigen von privaten Elite-Universitäten, wie Harvard, Yale, Georgetown etc., die einiges
mehr verlangen. Zwar finanzieren sich die meisten Studenten auch über z.T. mehrere
Stipendien, allerdings muss ein großer Teil durch die Eltern oder ein Darlehen finanziert
werden. Aufgrund dieser Voraussetzungen ist die Anzahl der Bewerbungen auf einen
Studienplatz an der Cooper Union entsprechend hoch. Ein Kommilitone erzählte mir, dass
zwar jeder mit einem High-School-Diplom zu den Aufnahmetests zugelassen wird, allerdings
nur etwa 10% der Bewerber auch einen Studienplatz erhalten. Dies hat wiederum zur Folge,
dass das Niveau der Studenten überdurchschnittlich hoch ist, was folglich das Ansehen der
Hochschule weiter steigert. Nichtsdestotrotz muss natürlich auch eine gebührenfreie
Universität sich refinanzieren. Ich habe als Auslandsstudent zwar keinen Einblick in die
Bücher bekommen, hörte allerdings, dass Cooper über Grundbesitz und Immobilien in
Manhattan verfügt. Eine weitere Einnahmequelle stellen die Spenden dar. Hierbei ist zu
beachten, dass das Fundraising in den USA eine viel bedeutendere Rolle spielt, als bei uns.
So ist es quasi eine moralische Verpflichtung eines Alumnus nach dem Eintritt ins
Berufsleben sich dankbar gegenüber seiner Hochschule für eine gebührenfreie Ausbildung
zu erweisen. In dem neuen Gebäude, auf welches ich im nächsten Abschnitt näher eingehen
werde, sind zum Beispiel in jedem Unterrichtsraum Schilder angebracht mit Danksagungen
an diejenigen Förderer, welche die Einrichtung des jeweiligen Raumes gesponsert haben.
Der größte (und einzige) Hörsaal Coopers, das „Rose-Auditorium“ ist ebenfalls nach einem
Spender benannt. Obwohl die Gebührenfreiheit ein Bestandteil der DNA und des
Selbstverständnisses Coopers ist, schwelte während meines Aufenthaltes eine Debatte über
die erstmalige Einführung dieser Gebühren. Nachdem man sich beim Bau des neuen
Gebäudes offensichtlich verkalkuliert hatte und im Zuge der Finanzkrise wichtige Einnahmen
ausblieben, zog der neue Präsident
(seine Inauguration war im Oktober) Gebühren in
Erwägung. So kam es während des Semesters gerade von Seiten der Kunst- und
Architekturstudenten zu kleinen Aktionen in den Gebäuden um für die Gebührenfreiheit zu
werben.
2. Beschreibung des Departments/Campus/Facilities
Die Gebäude Coopers liegen an der Kreuzung 7. Straße und 3. Avenue in Manhattan.
Östlich davon liegt das East Village. Dieses Viertel ist zu vergleichen mit dem Hamburger
Schanzenviertel. So soll es bis zum Jahrtausendwechsel recht verrufen gewesen und mit
hohen Kriminalitätsraten in den Statistiken aufgetaucht sein. Nachdem Michael Bloomberg
zu Beginn des Jahrzehnts Bürgermeister in New York City wurde, verstärkte dieser die
Polizeipräsenz in ganz Manhattan und befriedigte die Gesamtsituation zusehends. Im Zuge
dessen zogen viele junge Menschen in dieses Viertel und gentrifizierten es. Heute gibt es
insbesondere entlang der 1. und 2. Avenue viele Kneipen und Boutiquen. Westlich von
Cooper liegt das Greenwich Village, durch welches der Broadway führt. Hier liegt die New
York University (NYU), die mit 50.000 Studenten mit Abstand größte New Yorker Universität.
Dadurch ist dieses Viertel stark studentisch geprägt. Zentraler gelegen als das East Village
war Greenwich immer schon eine begehrte und angesagte Gegend. Das Herz von
Greenwich Village ist der Washington Square, ein Park mit einem großen Tor und einem
Platz in der Mitte. Dieser dient quasi als Campus der NYU. Gerade zu Beginn des
Semesters, als das Wetter noch spätsommerlich warm war, hielten sich hier während und
am Ende des Tages viele Studenten auf, tranken Starbucks Kaffee, lasen oder relaxten in
der Sonne. Aufgrund der geringen Studentenzahl ist der Campus Coopers um einiges
überschaubarer. Neben einem Verwaltungsgebäude besteht er aus zwei Hauptgebäuden.
Zum einen dem historischen Haupthaus, welches zur Gründung gebaut wurde. Hier befinden
sich die Bücherei und die Ateliers der Architektur- und Kunststudenten. Im Untergeschoss
befindet sich die so genannte Great Hall, ähnlich einer Theaterbühne. Nicht nur einmal
während machte man mich darauf aufmerksam, dass Abraham Lincoln 1860 hier seine
Kandidatur für die Präsidentschaft bekannt gab. Außerdem hielt Barack Obama in seinem
Wahlkampf dort eine Rede. Dieser Raum dient ansonsten für Festveranstaltungen wie der
Zeugnisvergabe oder der bereits erwähnten Amtseinführung des Hochschulpräsidenten.
Direkt gegenüber auf der 3. Avenue befindet sich das neue Gebäude der Hochschule. Vor
ein paar Jahren von einem ehemaligen Architekturstudenten Coopers entworfen ist es vom
äußeren Erscheinungsbild ein Kontrast zum historischen Haupthaus. Ich verfüge nicht über
die nötigen Fachbegriffe zum Beschreiben, aber dass es in meinem Lonely Planet
Reiseführer unter den 10 architektonischen Highlights in NYC aufgeführt wurde, lässt auf die
Besonderheit des Gebäudes schließen (Bild im Anhang). Im Gebäude selbst gleicht keines
der 8. Stockwerke dem anderen, was aber die Orientierung nicht beeinträchtigt. In diesem
Neubau
sind
die
kompletten
Ingenieurswissenschaften
einschließlich
der
Labore
untergebracht. Die Ausstattung ist dementsprechend gut, die Möbel sind alle neu und die
Technik ist auf dem Stand der Zeit. So gut wie die Ausstattung auch war, merkte man
natürlich, dass dieses Gebäude auf eine viel geringere Studentenzahl ausgelegt ist, als die
HAW. So störte mich zum Beispiel die fehlende Mensa. Ob es sich ihr Bau nicht lohnte, weiß
ich nicht. Man war aber folglich gezwungen sich mittags in der Umgebung etwas zu kaufen.
Das war auch kein Problem, da gleich eine Straße weiter (St. Marks Place) Pizzabuden,
Falafelstände und Suppenläden sich aneinander reihten. Jeder mag ab und an Fast Food
(wieder zurück in Hamburg habe ich mir noch am ersten Tag einen Döner gekauft), wenn
man sich aber vier Monate lang täglich davon ernährt, ist es weder gesund noch bezahlbar.
In der Uni selbst gab es zwar einen Kiosk, bei dem man sich mittags für 5$ ein Lunch Paket
holen konnte, welches in der Mikrowelle aufgewärmt wurde, eine richtige Mensa ersetzte
dies allerdings nicht.
3. Beschreibung der Kurse
Während meiner Bewerbung für das Auslandssemester musste ich mich bereits mit dem
Vorlesungsplan
der
Hochschule
auseinander
setzen.
Hierbei
stand
ich
als
Wirtschaftsingenieur vor dem Problem, dass Cooper als Partner-Hochschule der HAW keine
betriebswissenschaftlichen Vorlesungen anbot, welche mir an der Uni Hamburg hätten
angerechnet werden könne. So war von vornherein klar, dass ich, was die Anrechenbarkeit
in Deutschland angeht, nur ein „halbes“ Semester belegen könnte. Dies war für mich
allerdings kein Hinderungsgrund. Nachdem ich mit meinen deutschen Professoren
gesprochen hatte, war mein ursprünglicher Plan die Vorlesungen Elektrotechnik und
Thermodynamik/Strömungslehre in den USA zu belegen. Da dort die einzelnen Vorlesungen
in kleineren Einheiten mit weniger Semesterwochenstunden gehalten werden, einigte ich
mich hier, pro deutsches Modul jeweils zwei Vorlesungen in den Staaten zu besuchen. Für
die Elektrotechnik waren dies „Circuit Analysis“ und „Electromagnetic Phenomena“, für
Thermodynamik/Strömungslehre „Thermodynamic I“ und „Fluid Mechanics“. Jedoch stelle
sich schon am ersten Tag an der Uni heraus, dass diese Pläne nicht in die Tat umzusetzen
waren.
Während
die
E-Technik-Vorlesungen
für
Drittsemester
waren,
wurde
die
Thermodynamik Vorlesungen für Fünftsemester angeboten. Dies hatte zur Folge, dass diese
sich zeitlich überschnitten. Also musste ich mich entscheiden und verzichtete auf
„Thermodynamic I“ – und damit auf die Aussicht auf meinen Schein in Deutschland. Neben
meinen drei Ingenieurwissenschaften gab es sowohl von der Kunst- als auch von der
Architekturfakultät einen freien Wahlbereich. Da ich ja nun eine Vorlesung weniger als
geplant belegte, entschied ich mich dem Kurs „Town Planning“ zu belegen.
Ich war bereits in der 11 Klasse ein Jahr als Austauschschüler in den USA und hatte im
Anschluss in der Oberstufe Englisch Leistungskurs. Bereits vor meinem Aufenthalt waren
meine Sprachkenntnisse fundiert. In meinem Studiengang gehöre ich zum guten Mittelfeld
und schreibe im Schnitt gute Noten. Trotzdem wurden mir während des Aufenthaltes
Grenzen aufgezeigt. Ich werde dies in den Beschreibungen der einzelnen Kurse nun ein
wenig erläutern. Zuvor ein paar grundsätzliche Sachen: Bis auf eine Vorlesung
(Eletromagnetic Phenomena) wurden die Veranstaltungen ausschließlich als Seminare
abgehalten. Die Kursgrößen lagen dabei ähnlich wie in der Schule zwischen 20 und 30
Studenten. Anders als bei uns wird man quasi zu kontinuierlichem Lernen gezwungen. So
gibt es nicht eine Klausur am Ende des Semesters, sondern drei währenddessen. Diese
alleine machen aber noch nicht die Gesamtnote aus, darüber hinaus kriegt man wöchentlich
Hausaufgabe, die eingesammelt und benotet werden und dann prozentual in die
Gesamtnote eingehen. Auch hat man als Student quasi keine Wahlmöglichkeit, mit der
Einschreibung in einem bestimmten Studiengang ist der Vorlesungsplan für die nächsten vier
Jahre definiert. Dies war eine Umstellung. Aufgrund der Größe und dieser Art des Lernens
hatte ich des Öfteren das Gefühl an einer Schule anstatt einer Hochschule zu sein.
Circuit Analysis: Dieser Kurs war für Drittsemester des Studiengangs Electrical Engineering
und behandelt elektrische Schaltkreise. Wir begannen zu definieren, was Spannung,
Stromstärke
und
Widerstände
sind,
führten
dann
Plattenkondensatoren
und
Induktionsspulen ein und beschäftigten und erst mit linearen und später mit nicht-linearen
Entladungsvorgängen. Die Vorlesung bestand daraus, dass der Professor auf einem
Notebook den Stoff vortrug, dieser wurde an die Wand projiziert und man schrieb mit. Es gab
kein Skript zur Vorlesung. Trotzdessen und des Frontalunterrichtes kam ich mit diesem Kurs
am besten zurecht. Die Hausaufgaben waren zwar schwer, bereiteten aber gut auf die
Klausur vor. Obwohl Rechenaufgaben dabei waren, durfte man weder eine Formelsammlung
noch einen Taschenrechner zur Hilfe nehmen. Die Zahlen waren dementsprechend dankbar
gewählt, man musste allerdings alle notwendigen Formeln auswendig lernen. Ich hatte keine
Schwierigkeiten diesen Kurs zu bestehen.
Electromagnetic Phenomena: Anders als Circuit Analysis war diese Veranstaltung
verpflichtend für alle Ingenieursstudenten im dritten Semester und die einzige wirkliche
Vorlesung. Dazu gab es einmal die Woche eine Übung. Inhaltlich behandelten wir zuerst
Wellen und Schwingungen, danach die Maxwell-Gleichungen. Auch hier durften wir in den
Klausuren keine Hilfsmittel verwenden. Allerdings lag hier anders als bei Circuit Analysis das
Hauptaugenmerk nicht auf der Anwendung von Formeln sondern auf deren Herleiten. Diese
Herangehensweise war mir neu, bestehen doch in Deutschland die Klausuren ausschließlich
aus Anwendungsaufgaben. Die erste Klausur hatte einen Schnitt von 33 erreichten Prozent,
ich hatte dabei 23 Prozent. Die Schnitte wurden bei den nächsten beiden zwar höher,
allerdings blieb ich immer darunter. Neben den Klausuren gab es in der Übung
allwöchentlich ein Testat, in dem man das Erlernte aus der Vorwoche anwenden musste.
Auch wenn dies eher dem entsprach, was ich gewohnt war, blieb meine Leistung auch dort
unterdurchschnittlich.
Fluid Mechanics: Dieser Kurs war für Chemical-Engineers im fünften Semester. Ich habe
diesen Kurs nach der Mitte des Semesters abgebrochen. Da ich das Pendant
Thermodynamik nicht belegen konnte und somit keine Chance auf eine Anrechnung des
Scheins hier in Hamburg mehr hatte, legte ich mein Hauptaugenmerk auf die beiden oberen
Veranstaltungen und investierte hierfür die meiste Zeit, sodass für diesen Kurs von vorn
herein wenig Zeit blieb.
Town
Planning:
Dieser
Kurs
war
meine
„Fun-Class“.
Er
war
konzipiert
für
Architekturstudenten im vierten Jahr, hatte allerdings für diese auch keine große Relevanz.
Laut Stundenplan angesetzt dienstags von 9:00 bis 12:00 Uhr entschied der Professor (ein
britischer Städteplaner, hier würde man ihn als Alt-68er bezeichnen) beim ersten Termin die
Vorlesung immer erst um 10:00 beginnen zu lassen. Die Vorlesung bestand zur Hälfte aus
Vorträgen des Professors, zur anderen aus Gruppenpräsentationen, wobei jede Gruppe
einen Teil des Buches des Professors vorstellte. Wenn man selbst nicht gerade an der Reihe
war, kam es durchaus vor, dass Kommilitonen eine Viertelstunde vor Ende den Hörsaal
betraten, sich in die Liste eintrugen, den Rest noch interessiert verfolgten und dann wieder
zurück in ihre Werkstatt gingen um an ihrem aktuellen Modell weiterzuarbeiten. Dies war
auch die einzige Vorlesung, wo es einen Dialog zwischen Lehrkörper und Studenten gab und
dieser auch extrem forciert wurde. Als Leistungsnachweis diente die Note des Vortrages, es
gab keine Klausur.
Neben dem hohen akademischen Niveau ist für mich des Weiteren die hohe
Leistungsbereitschaft der amerikanischen Studenten in bleibender Erinnerung geblieben. So
traf ich zwei Studenten, die sich darüber unterhielten, dass sie beide die letzte Nacht nicht
geschlafen hatten, weil sie so viel lernten. Während bei uns in Deutschland während der
Klausurenphase das Arbeitspensum in die Höhe geht und während des Semesters
normalerweise noch Zeit für Nebenjobs etc. vorhanden ist, wird dort konstant viel gelernt.
Man muss allerdings auch beachten, dass ein amerikanischer Student, sobald das
Frühlingssemester Mitte Mai vorbei ist, drei Monate keine Vorlesungen und Klausuren mehr
hat. Insofern ist das Studium dort komprimierter als bei uns. Ich habe auch immer Klausuren
am Ende der Semesterferien, sodass man nicht viele Wochen im Jahr „richtig“ frei hat.
4. Informationen zu Betreuung, spezielle Angebote für Gaststudierende
Mein Auslandsaufenthalt fing insofern problematisch an, als dass ich wegen eines Hurricans
vier Tage später als geplant in NYC eintraf. So kam ich erst am letzten Tag der
Orientierungseinheit an. Betreuung war anfangs kaum vorhanden. Das Haus des Professors,
der mein Ansprechpartner war, wurde während des Hurricans beschädigt, sodass er erst
eine Woche nach Semesterbeginn an der Cooper Union erschien. Beratung für meine
Fächerwahl erhielt ich nicht. Ich bekam am ersten Tag kommentarlos den Vorlesungsplan.
Glücklicherweise hatte ich mir schon in Deutschland ein wenig Gedanken gemacht, sodass
ich wusste, was ich belegen wollte. Ich musste mit den einzelnen Dozenten abklären, ob ich
für den jeweiligen Kurs genug Vorkenntnisse mitbrachte und ob in den Kursen noch
Kapazitäten zur Verfügung standen. Kurzum, man war mehr oder weniger auf sich alleine
gestellt, was aber nicht weiter schlimm war, da man Selbstständigkeit durch den deutschen
Uni-Alltag ja bereits gewohnt ist. Spezielle Angebote für die wenigen Gaststudierenden gab
es nicht. Es gab noch einen weiteren Austauschstudenten aus Spanien, ich hab ihn
allerdings recht selten gesehen, da ich keine Vorlesungen mit ihm zusammen hatte. Darüber
hinaus sagte man mir in der Verwaltung in der ersten Woche, dass es noch eine weitere
Austauschstudentin aus Berlin an der Kunstfakultät gäbe. Ich hab sie allerdings nie gesehen.
Nichtsdestotrotz wollte ich neue Leute kennen lernen, auch abseits der Vorlesungen. Ich bin
daher in die Uni-Fußball-Mannschaft gegangen. Der Unisport dort ist anders als bei uns. In
jeder Sportart spielt die Uni-Mannschaft in einer Liga gegen andere Universitäten. Training
fand zwei Mal in der Woche statt. Am Wochenende hatte man ein Pflichtspiel. Da Fußball in
den USA keinen hohen Stellenwert genießt, wurde unsere Mannschaft auch nicht großartig
von der Universität gefördert. So hatten wir keinen eigenen Trainingsplatz, sondern mussten
auf einem öffentlichen Feld trainieren. Da die Studenten in der Uni sehr eingespannt waren,
fand das Training morgens um 6 Uhr statt. Meine Anfahrtszeit mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln betrug ca. eine Stunde, sodass ich in der ersten Hälfte des Semesters zwei
Mal wöchentlich um 4:30 aufstehen musste. Dies war für mich definitiv ein großes Opfer, da
mir normalerweise Vorlesungen vor 10 Uhr schon zu früh sind. Das Niveau des Fußballs war
jedoch besser als erwartet. Ich spiele in Hamburg nur freizeitmäßig und nicht in einem
Verein, aber viele meiner Mitspieler dort hätten in der Kreisliga mithalten können. Die Saison
war von Verletzungspech geprägt, teilweise sind wir nur mit elf Spielern zu Auswärtsspielen
gefahren. In den Play-Offs trafen wir im ersten Spiel gleich auf den Vorjahressieger und
verloren 5:0. Trotz der Umstände habe ich es auch genossen morgens beim Training die
Sonne über Manhattan aufgehen zu sehen und vor allen Dingen meine Mitspieler abseits der
Vorlesungen besser kennenzulernen.
Darüber hinaus gibt es an der Uni eine Vielzahl von Clubs und Vereinen, in denen man sich
als Student engagieren kann. Dies ist nicht zwangsläufig akademischer Natur, so gab es
zum Beispiel auch einen „Food-Club“, bei dem die Mitglieder sich in regelmäßigen
Abständen einfach zum Essen getroffen haben. Da ich die Orientierungseinheit der ersten
Tage verpasste, wurde ich mir erst nach und nach während des Semesters über die ganze
Bandbreite an Aktivitäten bewusst
5. Informationen zu Unterkunft, Leben in der Stadt
Während meines Aufenthaltes in New York wohnte ich zur Untermiete bei einem
alleinstehenden, afro-amerikanischen, homosexuellen Mann in Harlem. Grundsätzlich
besteht für Studenten im ersten Studienjahr (sog. Freshmen) und Austauschstudenten die
Möglichkeit in einem Wohnheim in unmittelbarer Nähe der Hochschule zu wohnen. Als ich
meine endgültige Zusage hatte, kam ich allerdings nur noch auf eine Warteliste, da diese
Unterkunft bereits an neue Studenten vergeben war. Ich empfand dies im Nachhinein
allerdings nicht als nachteilig. Auf Nachfrage erzählten mir einige Erstsemester, dass es in
dem Wohnheim ausschließlich Mehrbettzimmer gab. Die Kosten von ca. 1000 $ pro Monat
für ein „halbes“ Zimmer wären auch höher gewesen, als das, was ich in Harlem bezahlt habe
(siehe nächsten Abschnitt). An diese Unterkunft bin ich über eine Makler-Agentur
gekommen, auf welche mich eine ehemalige Austauschstudentin der HAW aufmerksam
gemacht hatte. Diese hatte in ihrem Portfolio mehrere möblierte Zimmer für unterschiedliche
Zeiträume. Meine Hauptkriterien waren der Preis und die Lage. Da Cooper sich in Manhattan
befindet, wollte ich auch gerne dort wohnen, der preiswerteste Fleck hier ist aber ganz im
Norden in Harlem. Im Nachhinein kann ich nur jedem empfehlen sich eine Bleibe in Brooklyn
zu suchen. Nicht, dass Harlem mir schlecht gefallen hätte, jedoch war die Fahrtzeit mit einer
Stunde auch für New Yorker Verhältnisse relativ lang.
Mein Vermieter bezeichnete sich als „Künstler“ - im Grunde saß er aber den ganzen Tag zu
Hause vor dem Computer und bereitete seine Gigs vor. Während meiner vier Monate hatte
er derer drei. Er hatte sich die Wohnung vor 17 Jahren für 30.000 Dollar gekauft. Damals
gehörte Harlem zu den schlimmsten Gebieten New Yorks. Laut seinen Angaben habe die
Wohnung heute den zehnfachen Wert, was realistisch ist. Seinen Unterhalt verdient Fred, so
sein Name, indem er zwei seiner vier Zimmer an Austauschstudenten/Praktikanten etc.
untervermietet. Ich teilte mir mit ihm und Elisa, einer italienischen Austauschstudentin aus
Paris, welche am New York City College studierte, Küche und Bad und hatte mein eigenes
ca. 18 qm großes Zimmer. Harlem als Stadtteil erinnerte mich stark an Berlin-Neukölln. Was
dort Türken, waren hier neben den Schwarzen vor allen Dingen die Hispanics. In manchen
Geschäften wurde ausschließlich Spanisch gesprochen und mein Englisch war teilweise
besser als das der Einheimischen. Auch die Art der Geschäfte war ähnlich wie in Neukölln.
So reihten sich am Broadway, in dessen Nähe ich wohnte, viele Imbissbuden, kleinere
Supermärkte und Kioske, Friseure und Gemüsehändler aneinander. Trotz des vielleicht eher
schlechteren Rufes fühlte ich mich dort immer sicher, auch nicht wenn ich am Wochenende
nachts nach Hause kam.
Über New York als Stadt brauche ich nur wenige Worte zu verlieren. Es ist wahrscheinlich
nicht eine Weltstadt, sondern die Weltstadt. Während ich in meine Austauschjahr an der
Highschool in Kansas mit meinem Akzent noch auffiel, passierte mir dies in NYC nicht. In der
U-Bahn hörte man alle möglichen Sprachen, unter anderem auch deutsch. Allerdings
erkennt man seine Landsleute oft schon an ihren Jack-Wolfskin Jacken und randlosen
Brillen. Die Vielzahl an Sehenswürdigkeiten ist den meisten Personen ebenfalls bekannt. Zu
meinen Lieblingsplätzen gehörte der Central Park, in dem ich regelmäßig joggen war und am
Ende einmal Schlittschuh lief, sowie der Strand auf Rockaway Island. Trotz der vielen
Vorzüge hat eine Stadt der Größe von New York auch Nachteile wie den hohen
Geräuschpegel. So sind z.B. die U-Bahnen viel lauter als bei uns, der Verkehr auf den
Straßen ist viel intensiver, es wird mehr gehupt, auch die Leute sprechen lauter. Irgendwo
hört man immer eine Sirene oder Musik. Sicherlich – man sehnt sich immer nach dem, was
man gerade nicht hat. Es reicht schon nach Brooklyn zu fahren und durch einen
unbelebteren Stadtteil zu laufen um einen großen Unterschied zu bemerken. Nicht nur
deswegen genoss ich meinen Wochenendausflug zu den Niagara Fällen im November.
Obwohl sie sich ebenfalls im US-Bundesstaat New York befinden (genauer gesagt an der
Grenze zu Kanada), dauerte die Bus-Fahrt acht Stunden. Ich hätte auch einen Zug nehmen
können, allerdings hätte dieser die gut 600 km nicht schneller bewerkstelligt und wäre teurer
gewesen. Ich verbrachte das Wochenende in dem gleichnamigen Ort Niagara Falls auf der
kanadischen Seite, da man von dort einen besseren Blick auf die Fälle hat. Der Ort besteht
aus einer Vielzahl an Hotels und Restaurants und einigen Casinos, welche der Unterhaltung
der Touristen dienen. Die Wasserfälle sind beeindruckend und imposant, allerdings hatte ich
mir die Umgebung urwüchsiger vorgestellt. Auch die Assoziation eines dicht bewaldeten
Kanadas entsprach nicht der Realität, landschaftlich erinnerte die Gegend mehr an die
norddeutsche Tiefebene. Da Ende November nicht mehr viele Touristen in der Gegend sind,
fand ich ein günstiges Hostel und hatte ein schönes Wochenende.
6. Übersicht über die Kosten
New York ist teuer. Ich habe für mein Zimmer pro Monat 850 US-Dollar bezahlt. Darin
eingeschlossen waren sämtliche Nebenkosten und der Internetzugang. Ich kannte keinen
Kommilitonen, welcher günstiger wohnte als ich. Dafür musste ich aber auch pro Fahrt zur
Cooper Union eine Stunde in Kauf nehmen. Ein U-Bahn-Ticket kostete für 30 Tage 104 USDollar, eine Ermäßigung für Studenten oder ähnliche Gruppen gab es nicht. Man muss
allerdings beachten, dass das New Yorker U-Bahn-System eine unvorstellbare Größe und
Dichte hat. In manchen Linien kann man zwei Stunden verbringen ohne einmal umsteigen zu
müssen. Ebenso verfügt NYC über ein dichtes Busliniennetz, welches man mit einem
Monatsticket ebenfalls nutzen kann.
Relativ günstig ist es, wenn man sich mit Fast Food von der Straße ernährt. Sobald man die
richtigen Läden kennt, kann man einen Falafel für zwei Dollar, ein Stück Käse-Pizza für
einen Dollar oder ein 10er Pack Sushi aus dem Supermarkt für fünf Dollar erwerben. Recht
teuer waren Lebensmittel im Supermarkt. Wahrscheinlich sind wir von Discountern wie Aldi,
Penny etc. verwöhnt. Trotzdem waren frische Lebensmittel, insbesondere Milchprodukte
sehr teuer. Eine normale gelbe Paprika kostete z.B. zwei Dollar, genauso wie vier
mittelgroße Kartoffeln. Vernünftiger Käse war ein Luxus-Gut für mich als Studenten, 150
Gramm Schafskäse kosteten an die fünf Dollar. Fleisch wiederum war recht günstig – sehr
zu meiner Freude. Gerade Rindfleisch war dort erheblich billiger als in Deutschland.
Shoppen ist trotz der exklusiven Umsatzsteuer immer noch günstiger als hier. Gerade bei
Jeans, Sneakern oder solch Sachen wie Unterwäsche oder Socken kann man ein paar
lohnenswerte Schnäppchen machen. Trotz alledem bleibt das alltägliche Leben deutlich
teurer als in Hamburg, grob geschätzt habe ich doppelt so viel Geld gebraucht wie hier.
7. At the end of the day…
Abschließend bleibt zu sagen, dass ich meine Zeit in dieser großartigen Stadt unter keinen
Umständen missen möchte. Man fühlt sich in vielerlei Hinsicht am Puls der Zeit. Während
der Monate in NYC begann die Occupy-Bewegung sich zu formieren, ich erlebte den 10.
Jahrestag der Anschläge vom 11. September mit und wer einmal abends im Zentrum der
westlichen Welt am Times Square mit Menschen aus allen Ländern stand, spürt die
besondere Atmosphäre dieser Stadt. Man muss allerdings auch wissen, auf was man sich
einlässt. Ein Auslandsstudium an der Cooper Union ist schwer mit einem Erasmus-Semester
an einer großen europäischen Universität zu vergleichen. Der Aufenthalt in Kneipen und der
Alkohol-Konsum sind erst ab 21 Jahren erlaubt, dieses Alter erreichen amerikanische
Studenten im 3. Studienjahr. Aufgrund der geringen Größe der Hochschule gibt es keine
Mensa, kein Semesterticket und keine große Community an Austauschstudenten. Ich denke
insgesamt ist man stark auf sich selbst angewiesen. Darin liegt aber wiederum auch die
besondere Herausforderung sich auch Kontakte außerhalb der Uni zu verschaffen und zur
Not auch mal alleine etwas zu unternehmen. Zu bedenken sind zudem das hohe
akademische Niveau und die intensive Arbeitsmoral an der Cooper Union. Wenn man sich
für diesen Auslandsaufenthalt entscheidet, muss einem die Schwierigkeit des Scheinerwerbs
bewusst sein. Das Studium verlängert sich somit wahrscheinlich. Ich behaupte, dass es sich
trotzdem lohnt und eine Verlängerung des Studiums gegenüber dem Erfahrungsgewinn
kaum ins Gewicht fällt. Falls noch Fragen bestehen, beantworte ich diese gern, meine E-Mail
lautet [email protected].
Hamburg im Februar 2012
Bernd Kleihauer
Einige Eindrücke:
Blick in den Flur meiner Wohnung
Die Skyline von der Fähre aus gesehen
Occupy-Wall-Street
Blick vom Empire State Building
Coopers historisches Gebäude 1
Cooperes neues Gebäude
Washington Square
Blick auf die Skyline von Brooklyn aus