PraxisProbleme

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PraxisProbleme
DE_2015_17_014.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:16
PraxisProbleme
17.2015
PraxisProbleme
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NH-Sicherungen in 67-V-Gleichstromnetzen?
Gas-Kombitherme im Bereich 1
Erstprüfung von Küchengeräten in Sonderanfertigung
Prüfungen in italienischer Filiale
Elektrogeräte auf Arbeitsbühnen
Messung und Dokumentation einer RCD Typ B
Aderquerschnitt passt nicht zur Aderendhülse
Von Wechsel- auf Drehstrom umstellen
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14
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Sie müssen nicht in jedem Fall mit offiziellen Meinungen, z. B. des ZVEH oder der DKE, übereinstimmen.
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die bei der VDE-Verlag GmbH,
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Beuth Verlag GmbH, Burggrafenstr. 6,
10787 Berlin, erhältlich sind.
de 17.2015
DE_2015_17_015.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:20
PraxisProbleme
NH-Sicherungen in 67-V-Gleichstromnetzen?
DIN CLC/TR 60269-5 (VDE 0636-5):2012-06, DIN VDE 0100-430
Problem
Strom
Wir sind Dienstleister für ein großes deutsches
Telekommunikationsunternehmen,
das seine Technik größtenteils mit 67 V
Gleichstrom betreibt. Diese Batterie-gepufferten Gleichstromnetze sind in mehrere Hauptstrom-Verbraucherleitungen (HVL) aufgeteilt
und mit handelsüblichen NH-Sicherungen
gegen Überlast und Kurzschluss abgesichert.
Bei DC findet kein Nulldurchgang statt, der
im Fehlerfall den Lichtbogen löscht.
Sind solche NH-Sicherungen auch für
Gleichstrom (DC) zugelassen? Benötigen die
dort eingesetzten Sicherungen eine spezielle
DC-Zulassung?
R. S., Bayern
www.elektro.net
Quelle: DIN CLC/TR 60269-5 (VDE 0636-5):2012-06
a
2√2IK = 2√2IK"
Is
2√2IK"
0,01 s
0,1 s
0,2 s
Bild 1: Verlauf eines (generatorfernen) Kurzschlussstroms mit dem typischen abklingenden
Gleichstromglied, mit: IS – Stoß-Kurzschlussstrom; a – Anfangswert des abklingenden Gleichstromglieds; IK" – Anfangs-Kurzschlusswechselstrom
Strombegrenzende Schutzeinrichtungen begrenzen den Stoßkurzschlussstrom auf einen niedrigeren Wert:den so genannten Durchlassstrom iD.
Kurzschlussstromverlauf ohne
strombegrenzende ÜberstromSchutzeinrichtung
Kurzschluss-Schutz bei
Schmelzsicherungen
Beim Thema Kurzschluss können Überstrom-Schutzeinrichtungen (zu denen sowohl Schmelzsicherungen als auch Leitungsschutzschalter gehören) strombegrenzend
wirken. Strombegrenzung bei Sicherungen
bedeutet, dass der höchstmögliche Kurzschlussstrom erst gar nicht zustande kommt,
weil die Sicherung vor dem Erreichen dieses
Höchstwertes auslöst und damit den Stromfluss unterbricht.
Der Höchstwert eines Kurzschlussstroms
wird Stoß-Kurzschlussstrom genannt. Dies ist
der Augenblickswert (also kein Effektivwert)
des Kurzschlussstroms, der durch die Anhebung des Sinus-Verlaufs durch einen Gleichstrom, der den Sinus-Verlauf des Stroms
überlagert, auftritt (Bild 1). Wenn der Kurzschlussstrom hoch genug ausfällt, schafft es
die Sicherung, die Abschaltung innerhalb
der ersten Hälfte einer Netzperiode abzuschalten. Dadurch wird der hohe Wert
des Stoß-Kurzschlussstroms nicht erreicht
(Bild 2).
Zeit
Quelle: DIN CLC/TR 60269-5 (VDE 0636-5):2012-06
Zunächst muss man bei Schmelzsicherungen – wie übrigens auch bei Leitungsschutzschaltern – zwischen Kurzschlussschutz und
Überlastschutz unterscheiden.
abklingender Gleichstrom
IK‘
Bild 2: Darstellung
eines KurzschlussStromverlaufs mit
einer strombegrenzenden Sicherung.
Der Durchlass-Strom
iD kann in Normen
auch als iC bezeichnet
werden
Kurzschlussstromverlauf mit
strombegrenzende ÜberstromSchutzeinrichtung
IK
t/ms
10
20
Ip
Ip
ic
i(t)
tm
ta
Quelle: DIN CLC/TR 60269-5 (VDE 0636-5):2012-06
ANtwort
Stoßkurzschlussstrom
i(t)
ic
tm
ta
Bild 3: Strombegrenzende Abschaltung bei Gleichstrom (links) und bei Wechselstrom (rechts),
mit: IP – Kurzschluss-Stromverlauf ohne Strombegrenzung; iC – Maximalwert des Stroms bei
Auslösung durch die Sicherung (gleichbedeutend mit iD); tm Abschmelzzeit für den Schmelzfaden in der Sicherung; ta – Zeit, über die der Lichtbogen nach der Abschmelzung des
Schmelzfadens bis zur völligen Abschaltung ansteht
Bereits aus dieser Überlegung geht hervor,
dass das Unterbrechen des Kurzschlussstroms ohne einen Nulldurchgang durch die
Sicherung erzwungen wird. Von daher dürfte
auch klar sein, dass es für diese schnelle Abschaltung kaum einen Unterschied macht,
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DE_2015_17_016.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:23
PRAXISPROBLEME
Strom (A)
Quelle: H. Schmolke
tm
ta
If
ta
Überlaststrom
Strom (A)
tm
Überlaststrom
Zeit
If
Zeit
1 000
Schmelzzeit
Quelle: DIN CLC/TR 60269-5 (VDE 0636-5):2012-06
Bild 4: Abschaltung im Überlastfall bei Wechselstrom (links) und bei Gleichstrom (rechts),
mit: tm Abschmelzzeit für den Schmelzfaden in der Sicherung; ta Zeit, über die der Lichtbogen
nach der Abschmelzung des Schmelzfadens bis zur völligen Abschaltung ansteht
Fazit
100
10
1
0,1
1 ms
10 ms
30 ms
100 ms
0,01
Strom
ob es sich um einen Gleich- oder Wechselstrom handelt (Bild 3). Näheres hierzu ist
auch im VDE-Leitfaden DIN CLC/TR 60269-5
(VDE 0636-5):2012-06 nachzulesen. Dieser
Leitfaden trägt den Titel: »Niederspannungssicherungen – Teil 5: Leitfaden für die Anwendung von Niederspannungssicherungen«.
Ein Unterschied zwischen der Abschaltung eines Wechselstroms zur Abschaltung
eines Gleichstroms besteht allerdings doch:
Der maximale Strom, den die Sicherung
noch durchlässt (also der Durchlass-Strom
iD bzw. iC) ist in beiden Fällen nicht gleich.
Vielmehr hängt iC von der Zeitkonstante
(τ = L / R) ab, die sich aus den ohmschen
und induktiven Anteilen im Kurzschluss-
Bild 5: Darstellung,
wie sich die
Schmelzzeiten mit
zunehmender Zeitkonstante bei Sicherungen im Gleichstromkreis verändern
stromkreis ergibt. Dies kann man nur mit
Kenntnis der genauen Anlagenkonfiguration ermitteln.
Überlastschutz bei
Schmelzsicherungen
Hierunter sollen auch die Kurzschlüsse verstanden werden, die aufgrund geringer Höhe nicht im zuvor beschriebenen Sinn
strombegrenzend sind. Bei solchen Überströmen sind die Verhältnisse anders. Gemeint sind also Ströme, die für die Sicherung für eine schnelle, strombegrenzende
Abschaltung nicht hoch ausfallen. Stattdessen schaltet die Sicherung bei Wechselstrom erst nach einigen Netzperioden ab
Herbert Schmolke
Studium der Energietechnik. Jahrelange Tätigkeit in einem größeren Planungsbüro für Großindustrieplanung und Sonderbau.
Er war auch einige Jahre als Berufsschullehrer bei einem privaten
Bildungsträger tätig. Seit über 15 Jahren im Einsatz bei VdS
Schadenverhütung, Köln. Dort zuständig für die Anerkennung
von Experten auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Mitarbeit in
zahlreichen Normungsgremien und DKE-Arbeitskreisen.
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und die sich dabei aufbauende Energie, die
die Sicherung aufnimmt, summiert sich mit
jeder Periode des Überstroms. Bei Gleichströmen gibt es selbstverständlich keinen
Sinus-Verlauf des Stroms. Es kommt daher
weniger auf einen Nulldurchgang an, als
vielmehr auf die sich entwickelnde Energie,
die letztlich zum Abschmelzen des
Schmelzfadens in der Sicherung und damit
zur Abschaltung führt (Bild 4). Auch hier
ist für eine genauere Betrachtung die Zeitkonstante τ = L / R von Bedeutung. Je größer die Zeitkonstante ist, umso langsamer
schaltet die Sicherung den Gleichstrom ab
(Bild 5).
Für hohe Kurzschlussströme kommt es also
nicht darauf an, ob ein Gleichstrom oder ein
Wechselstrom kurzgeschlossen wurde. Allerdings wird der maximal bei Kurzschluss
anfallende Strom im Gleichstrom-Stromkreis
anders ausfallen als im WechselstromStromkreis. Genauere Angaben hierzu sind
nur mit Herstellerangaben und der Kenntnis
der Zeitkonstante im zu schützenden Stromkreis möglich.
Bei kleineren Überströmen im Gleichstrom-Stromkreis sind die Verhältnisse noch
komplexer: Die Angaben für die Abschaltzeit
im Überlastbereich für übliche NH-Sicherungen bei Gleichstrom muss den Herstellerangaben entnommen werden. Auch hier
ist die Kenntnis der Zeitkonstante im zu
schützenden Stromkreis von Bedeutung. Eine generelle Aussage hierzu ist problematisch. Grundsätzlich ist aber eine Absicherung für DC-Stromkreise mit handelsüblichen NH-Sicherungen möglich.
Ob der Kurzschlussstrom, der im zu sichernden Stromkreis erwartet werden
kann, hoch genug ist, um eine schnelle Abschaltung zu bewirken, muss ermittelt werden. Bestehen Zweifel, muss der Hersteller
(bzw. die Herstellerangaben) befragt werden, in welcher Zeit eine Abschaltung beim
zu erwartenden Kurzschlussstrom mit der
gewählten Sicherung möglich ist. Die maximal mögliche Abschaltzeit kann dann mit
den üblichen Rechenverfahren ermittelt
werden. Die Prüfung muss ergeben, dass
der Schutz bei Überstrom nach DIN
VDE 0100-430, Abschnitte 433 und 434,
gegeben ist.
Herbert Schmolke
de 17.2015
DE_2015_17_017.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:36
PRAXISPROBLEME
Gas-Kombitherme im Bereich 1
DIN VDE 0100-701 und DIN EN 60335-2-21 (VDE 0700-21)
PROBLEM
Wir haben den Auftrag, im Badezimmer
(Schutzbereich 1) einen Gas-Wassererwärmer gegen eine Gas-Kombitherme auszutauschen. Hierfür benötigen wir eine Spannung
von 230 V sowie eine Leitung für einen Temperaturfühler. Unsere Fragen sind:
• Ist der Anschluss des Gerätes ohne Bedenken möglich?
• Welche Anforderungen werden an das Gerät und die Elektroinstallation gestellt?
V. S., Rheinland-Pfalz
ANTWORT
Keine normativen Festlegungen
Sie haben Recht, es gibt hierzu in DIN VDE
0100-701 keine genauen Festlegungen.
Zwar sind elektrische Wassererwärmer im
Bereich 1 von Räumen mit Badewanne oder
Dusche zulässig, es wird aber dabei vorausgesetzt, dass es sich um ein elektrisches Betriebsmittel nach DIN EN 60335-2-21 (VDE
0700-21) handelt.
Werner Hörmann
Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant
für Schaltanlagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE.
Seine Spezialgebiete sind u.a. die Errichtungsbestimmungen nach
DIN VDE 0100 (VDE 0100) – insbesondere Schutz gegen elektrischen Schlag –, die Niederspannungs-Schaltanlagen oder das Ausrüsten von elektrischen Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE
0113-1). Werner Hörmann ist Verfasser zahlreicher Beiträge in der
Fachzeitschrift »de« sowie Autor diverser Fachbücher.
Auch für »einfache« Gas-Durchlauferhitzer
(ohne elektrische Versorgung) gibt es bei der
Errichtung im Bereich 1 keine Einschränkungen. Bei Gasthermen, die formal nicht als
elektrischer Wassererwärmer betrachtet werden, wird jedoch, so wie Sie auch anführen,
eine »Stromversorgung« benötigt. In dem für
den Teil 701 zuständigen Unterkomitee war
man sich aber einig, dass alle Wassererwärmer (vollelektrisch bzw. teilelektrisch) im Bereich 1 errichtet werden dürfen. Hierfür wird
natürlich vorausgesetzt, dass der »elektrische
Bereich« der Gastherme, die im Bereich 1
geforderte Mindestschutzart von IPX4 erfüllt.
Obwohl für die Versorgung von elektrischen Wassererwärmern in Räumen mit Badewanne oder Dusche kein zusätzlicher
Schutz durch RCDs mit einem I∆N ≤ 30 mA
gefordert wird, würde ich empfehlen, diesen
Stromkreis mit einer solchen RCD zu schützen. Schließlich handelt es sich ja um einen
Stromkreis, der elektrische Betriebsmittel in
einem Raum mit Badewanne oder Dusche
versorgt.
Werner Hörmann
Erstprüfung von Küchengeräten in
Sonderanfertigung
Richtlinien 2006/95/EG und 2006/42/EG, DIN EN 60204-1 (VDE 113-1), DIN 60335-1
(VDE 0700-1)
PROBLEM
Wir sind Hersteller von Küchengeräten, welche in Großküchen eingesetzt werden. Es
handelt sich daher fast ausschließlich um
Geräte der Schutzklasse I, da diese Geräte
komplett aus Edelstahl gefertigt werden. Hinsichtlich der Erstprüfung unserer Küchengeräte haben wir folgende Fragen:
• Welche Prüfungen bzw. Messungen müssen zwingend durchgeführt werden?
• Da es sich in der Regel um Sonderanfertigungen handelt, stellt sich die Frage, ob
www.elektro.net
Prüfungen bzw. Messungen bei jedem Gerät durchzuführen sind
• Wie sind diese Prüfungen zu dokumentieren?
C. A., Nordrhein-Westfalen
ANTWORT
Der Hersteller konkretisiert in seiner Anfrage
leider nicht, um welche genaue Art von Geräten oder möglicherweise auch Maschinen es
sich handelt. Deshalb zunächst ein Wort vorweg zur grundsätzlichen Pflicht eines Her-
stellers ein entsprechendes KonformitätsBewertungsverfahren für hergestellte Geräte
oder Maschinen durchzuführen.
Hersteller muss Produktnormen
angeben
Grundsätzlich muss ein Hersteller die Produktnormen angeben, wonach er sein Produkt (Gerät oder Maschine) gefertigt hat und
welche EU-Richtlinie(n) er für sein hergestelltes Produkt berücksichtigt hat. In der daraus
resultierenden gesetzlich geforderten EG-
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DE_2015_17_018.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:43
PraxisProbleme
Konformitätserklärung des Herstellers sind
die genauen Produktnormen auszuweisen,
die wiederum für die Beantwortung der Fragestellung herangezogen werden müssen.
Ohne die Kenntnis der durch den Hersteller zugrunde gelegten Produktnorm(en)
kann die Anfrage nur mittels übergeordneter
Betrachtungen beantwortet werden.
Unterscheidung entsprechend
zugehöriger Produktnormen
Der Gesetzgeber verlangt zunächst im Rahmen der entsprechenden EU-Richtlinien eine Unterscheidung nach welchen harmonisierten Produktnormen das Herstellerprodukt (hier: Geräte oder elektrische Maschine)
gefertigt wurde.
Der vom Hersteller in der Anfrage gewählte
Begriff Küchengeräte lässt einen großen
Spielraum zu, den es im Folgenden zu konkretisieren gilt. Dabei kann ein Küchengerät
z. B. unter eine Produktnorm der Normenreihe DIN EN 60355 (Gruppe VDE 0700) oder
aber auch unter die Normenreihe der DIN
EN 60204 (Gruppe VDE 0113) fallen.
Die grundsätzliche Pflicht der Dokumentation, also auch von Prüfungen, ergibt sich
übergeordnet
• sowohl aus der Niederspannungsrichtlinie
2006/95/EG, Anhang IV, Punkt 3: »Die
technischen Unterlagen müssen eine Bewertung der Übereinstimmung der elektrischen Betriebsmittel mit den Anforderungen der Richtlinie ermöglichen. Sie müssen in dem für diese Bewertung erforderlichen Maße Entwurf, Fertigung und
Funktionsweise der elektrischen Betriebsmittel abdecken. Sie enthalten: (…) – die
Ergebnisse der Konstruktionsberechnungen, Prüfungen usw., – die Prüfberichte.«
• als auch aus der Maschinenrichtlinie
2006/42/EG, Anhang VII: »Die technischen Unterlagen umfassen: a) eine technische Dokumentation mit folgenden Angaben bzw. Unterlagen: (…) – alle technischen Berichte mit den Ergebnissen der
Prüfungen, die vom Hersteller selbst oder
von einer Stelle nach Wahl des Herstellers
oder seines Bevollmächtigten durchgeführt wurden, (…)«
Elektrische Geräte gemäß DIN
EN 60335 (Gruppe VDE 0700)
Gehen wir zunächst davon aus, dass es sich
bei dem Küchengerät gemäß DIN EN 60335-1
18
(VDE 0700-1):2010-11, Abschnitt 1, Anmerkungen Z2 und Z3, um ein Gerät der Produktnormenreihe DIN EN 60355 (Gruppe VDE
0700) handelt. In diesem Fall sind die normativen Anforderungen für die durchzuführenden Prüfungen und auch Messungen der DIN
EN 60335-1 (VDE 0700-1) sowie der zugehörigen weiteren Produktnormen der Gruppe
VDE 0700 dezidiert zu entnehmen.
Eine komplette Erläuterung der Normengruppe bzw. relevanter Normen ist an dieser
Stelle nicht möglich. Deshalb bleibt hier nur
der Tipp für den Anfragenden, sich zunächst
DIN EN 60335-1 (VDE 0700-1) und insbesondere auch die informativen Anhänge mit
den aussagekräftigen Schaubildern anzuschauen, aus denen sich für jedes gefertigte
Sondergerät die notwendigen und relevanten
Prüfverfahren – egal ob Sichtprüfung oder
Messung – entnehmen lassen.
In der Tabelle ZF.1 der Norm finden sich
dann auch relevante weitere Produktnormen
in einer Auflistung, die für das hergestellte
Gerät gelten könnten – so z. B. DIN EN
60335-2-5 »Besondere Anforderungen für
Geschirrspülmaschinen« oder DIN EN
60335-2-9 »Besondere Anforderungen für
Grillgeräte, Brotröster und ähnliche ortsveränderliche Kochgeräte«.
Des Weiteren trifft DIN EN 50106 (VDE
0700-500) eindeutige Aussagen über die
durchzuführenden Stückprüfungen an Geräten, die in den Anwendungsbereich der DIN
EN 60335 fallen. Dabei sind die dort ausgewiesenen Prüfungen dazu bestimmt, eine
Abweichung während der Herstellung der
Geräte aufzudecken, die insbesondere die
Sicherheit beeinträchtigen könnte.
Die in DIN EN 50106 (VDE 0700-500) beschriebenen Prüfungen sind in diesem Zusammenhang an jedem Gerät vorzunehmen.
Allerdings kann der Hersteller die Prüfungen
auch in einem geeigneten Stadium während
der Herstellung vornehmen, sofern er sicherstellt, dass spätere Produktionsvorgänge die
Prüfergebnisse nicht mehr beeinflussen oder
verändern können.
Außerdem darf der Hersteller ein Prüfverfahren anwenden, das besser zu seiner Produktionsstruktur passt. Dies gilt unter der
Voraussetzung, dass Geräte, die diese vom
Hersteller gewählten Prüfverfahren bestehen, mindestens denselben Sicherheitsgrad
aufweisen, welchen Geräte aufweisen würden, wenn sie die in der DIN EN 50106
(VDE0700-500) festgelegten Prüfungen bestehen.
Abschließend wäre noch zu erwähnen, dass
die in der DIN EN 50106 (VDE 0700-500) festgelegten Stückprüfungen normativ als notwendiges Minimum erachtet werden, um die wesentlichen Sicherheitsaspekte abzudecken.
Die Norm weist ausdrücklich darauf hin, dass
es grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Herstellers fällt zu entscheiden, ob
• zusätzliche Stückprüfungen notwendig
sind
• einige der in der DIN EN 50106 (VDE
0700-500) geforderten Prüfungen aus ingenieurtechnischen Überlegungen heraus
unausführbar oder unpassend und deshalb möglicherweise unnötig sind.
Sollte jedoch ein Gerät irgendeine Prüfung
nicht bestehen, so ist es nach der Nachbesserung allen relevanten Prüfungen neu zu
unterziehen.
Elektrische Maschine gemäß DIN
EN 60204 (Gruppe VDE 0113)
Wie bereits eingangs erwähnt, könnte das
Küchengerät der Anfrage auch als Maschine
gemäß DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) gelten, wie z. B. die gemäß Anhang C der Norm
aufgezählten Maschinenbeispiele, die zur
Gruppe der Lebensmittelmaschinen gehören. Hierzu zählen u.a. Teigteilmaschinen,
Misch- und Rührmaschinen, Torten- und
Tortelettmaschinen oder Fleischverarbeitungsmaschinen.
In diesem Fall sind Prüfungen vom Hersteller gemäß DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):
2007-06 Abschn. 18 ff. durchzuführen. Dabei wird der Umfang der Prüfungen für eine
bestimmte Maschine zunächst grundsätzlich
der zugehörigen Produktnorm entnommen.
Also muss der Hersteller auch in diesem Fall
– wie bereits eingangs erwähnt – die Produktnormen angegeben haben, wonach seine
Maschine gebaut wurde.
Für den Fall, dass tatsächlich keine Produktnorm der Maschine zuzuordnen ist oder
existiert, müssen immer mindestens die folgenden Prüfungen 1), 2) und 6) durchgeführt werden und können einen oder mehrere der Punkte 3) bis 5) einschließen:
1) Überprüfung, dass die elektrische Ausrüstung mit der technischen Dokumentation
exakt übereinstimmt;
2) falls zum Schutz bei indirektem Berühren
der Schutz durch automatische Abschaltung angewendet wird, müssen die Bedingungen für den Schutz durch automatische Abschaltung nach DIN EN 60204-1
de 17.2015
DE_2015_17_019.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:39
PRAXISPROBLEME
(VDE 0113-1):2007-06 Abschn. 18.2
überprüft und auch messtechnisch nachgewiesen werden;
3) Isolationswiderstandsprüfung gemäß DIN
EN 60204-1 (VDE 0113-1):2007-06 Abschn. 18.3;
4) Spannungsprüfung gemäß DIN EN
60204-1 (VDE 0113-1):2007-06 Abschn.
18.4;
5) Schutz gegen Restspannung gemäß DIN
EN 60204-1 (VDE 0113-1):2007-06 Abschn. 18.5;
6) Funktionsprüfungen gemäß DIN EN
60204-1 (VDE 0113-1):2007-06 Abschn.
18.6.
Grundsätzlich gilt auch hier, dass sämtliche
Prüfergebnisse dokumentiert werden müssen.
Fazit
ein intensives Beschäftigen mit Normen und
Regelwerken voraussetzt. Insbesondere bei
der Planung und Konstruktion von Geräten
und Maschinen müssen bereits relevante
Normen Berücksichtigung finden, die später
dann beim gefertigten Produkt u.a. auch die
Basis für die notwendigen, normativ geforderten Prüfungen darstellen.
Es wird deutlich, dass die Prüfung – insbesondere von Sonderbaumaschinen – nicht
schnell abgearbeitet werden kann, sondern
Holger Bluhm
Prüfungen in italienischer Filiale
DGUV-Vorschrift 3 (früher BGV-A3), BetrSichV und deren italienisches Äquivalent
PROBLEM
Ich bin als Elektriker in einer Textilfirma tätig.
Wir haben auch Filialen im Ausland, z. B. in
Italien. Ist die BGV-A3-Prüfung auch in Italien erforderlich oder gibt es dort etwas Ähnliches?
P. C., Baden-Württemberg
ANTWORT
Deutsches Personal im Ausland
Die BGV-A3 (jetzt DGUV-Vorschrift 3) entstammt dem auf §15 SGB VII basierenden
autonomen Recht eines Trägers der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Die
genannte Basisvorschrift ist Bestandteil des
deutschen Sozialversicherungsrechts. Grundsätzlich endet die Rechtssetzungsbefugnis
des deutschen Gesetzgebers an den Grenzen
der Bundesrepublik Deutschland und ist somit auf deren Staatsgebiet begrenzt. Im öffentlichen Unfallversicherungsrecht gibt es
die Besonderheit, dass aufgrund von Sozialversicherungsabkommen und insbesondere
aufgrund von EU-Recht deutsches Recht
auch im Ausland wirken kann, wenn deutsche Arbeitnehmer dorthin vorübergehend
(i. d. R. bis zu 24 Monate) entsandt werden.
So kann es sein, dass bei entsandtem deutschen Personal deshalb auch deutsches Unfallversicherungsrecht, zu dem die BGV A3
gehört, im Ausland anzuwenden wäre.
Die Materie ist ansonsten recht komplex
und mit zahlreichen Ausnahmeregelungen
www.elektro.net
gesegnet, so dass sie hier nicht in epischer
Breite und Tiefe dargestellt werden kann. Die
DGUV hält für den Interessierten aber Merkblätter zum Abruf bereit.
Arbeitsschutz im Ausland
Bei Ortspersonal, d.h. im Ausland eingestellten und auch dort eingesetzten Mitarbeitern,
gilt dies nicht. Die in Deutschland bekannte
Dualität von berufsgenossenschaftlichem
und staatlichem Arbeitsschutzrecht ist ansonsten einzigartig. Im Ausland findet sich im
Allgemeinen kein Pendant zur BG. Deren
Aufgaben werden meist von staatlichen Arbeitsschutzbehörden wahrgenommen. In Italien ist dies die INAIL (Istituto nazionale per
l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro
– Gesamtstaatliche Versicherungsanstalt gegen Arbeitsunfälle). Diese orientiert sich am
staatlichen italienischen Arbeitsschutzrecht.
Für den speziellen Fall der Prüfungen von
Arbeitsmitteln kommt es aber auf eine Geltung von berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften gar nicht an. Hier
könnten nämlich staatliche Arbeitsschutzvor-
schriften einschlägig sein. Nun ist das (national-)staatliche Arbeitsschutzrecht stark von
der europäischen Rechtssetzung geprägt.
Auf europäischer Ebene gibt es als rechtliche
Gestaltungsmittel Verordnungen und Richtlinien. Verordnungen entsprechen den nationalstaatlichen Gesetzen und entfalten unmittelbare Rechtswirkungen in jedem Mitgliedsstaat der EU, ohne dass es einer Umsetzung
in nationale Gesetze bedarf (diese ist sogar
ausdrücklich verboten). Richtlinien dagegen
geben den Mitgliedsstaaten Ziele vor, die diese mittels nationaler Gesetzgebung umsetzen müssen. Tun sie dieses nicht, so können
bei hinreichender Konkretheit der Richtlinie
Staatshaftungsansprüche der Bürger gegen
den umsetzungssäumigen Staat entstehen.
Diese Materie ist ebenfalls recht komplex.
BetrSichV In Deutschland
bedeutsam
Im deutschen staatlichen Arbeitsschutzrecht
spielt die Betriebssicherheitsverordnung eine
bedeutende Rolle. Diese regelt auch die Prüfverpflichtungen für Arbeitsmittel. Nun diente
Markus Klar
Nach einer Berufsausbildung bei der Deutschen Post erfolgten eine
Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker, ein
Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH), eine Ausbildung
zum REFA-Arbeitssystemorganisator sowie diverse Zertifizierungen
im IT-Bereich. Postgradual studierte Herr Klar Wirtschaftsrecht mit
dem Abschluss Bachelor of Laws. Er ist langjährig ehrenamtlicher
Richter am Landesarbeitsgericht des Freistaats Thüringen.
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DE_2015_17_020.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:08
PraxisProbleme
die BetrSichV u.a. der Umsetzung der EU(damals noch EG-) Richtlinie 89/655/EWG
vom 30.11.1989, in deren Artikel 3 es auszugsweise heißt: »Der Arbeitgeber trifft die
erforderlichen Vorkehrungen, (…) so dass bei
der Benutzung [von Arbeitsmitteln] die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet sind.« Dieses
Schutzziel wird der Arbeitgeber regelmäßig
nur durch Prüfungen sicherstellen können.
Mit einer weiteren Richtlinie 95/63/EG vom
5.12.1995 wird die erstgenannte Richtlinie
um weitere Artikel ergänzt. So findet man
dort einen Artikel 4a, Abs. 2, nach dem dem
Arbeitgeber aufgegeben werden soll, »(…)
Arbeitsmittel, die Schäden verursachenden
Einflüssen unterliegen, welche zu gefährlichen Situationen führen können, von einer
hierzu befähigten Person überprüfen und
ggf. erproben zu lassen.« Dies hat in der
deutschen Umsetzung seinen Niederschlag
in §10 Abs. 2 der BetrSichV-2002 (künftig
§14 Abs. 2 BetrSichV-2015) gefunden. Diese
Richtlinie war in jedem Mitgliedsstaat der EU
bis zum 5.12.1998 umzusetzen, so dass
nunmehr davon auszugehen ist, dass sinngemäß gleiche Regelungen überall vorliegen.
Italien ist Mitgliedsstaat der EU und war daher gehalten, eine den Zielen der Richtlinie
entsprechende Gesetzgebung vorzunehmen.
Fazit
Soweit also die deutsche Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) den Vorgaben der
Richtlinie 89/655/EWG mit folgenden Änderungen entspricht, muss es in Italien und jedem Mitgliedsstaat der EU ein Äquivalent
geben. Somit sind in der italienischen Filiale
basierend auf der italienischen Version der
BetrSichV (wie diese auch immer dort heißen
mag) Prüfungen an Arbeitsmitteln durchzuführen.
Markus Klar
Elektrogeräte auf Arbeitsbühnen
DIN EN 60204-31 (VDE 0113-32), DIN VDE 0682-742, BGR 500 und BGR A3
ProblEm
In »de« 7.2014 beantworteten Sie auf den
Seiten 20…22 eine Leseranfrage zur Erdung
bei hydraulischen Arbeitsbühnen. Sie schreiben hier in Ihrem Fazit: »Es dürfte also normenkonform sein, dass an der Plattform keine Verbindung zu geerdeten Teilen besteht / bestehen darf, wenn die Hebebühne
für das Arbeiten an oder in der Nähe von
spannungsführenden aktiven Teilen zum
Einsatz kommt. Daher muss auch bei der
Versorgung der elektrischen Betriebsmittel
(Steuereinrichtungen) auf der Plattform besonders darauf geachtet werden, dass entweder SELV-Stromkreise oder nur Betriebsmittel der Schutzklasse II verwendet werden,
um eine Verbindung mit Schutzleitern auszuschließen. Das beinhaltet auch die unabdingbare Voraussetzung, dass die Kabel / Leitungen entsprechend sorgfältig verlegt sind
– was auch regelmäßig zu überprüfen ist.«
Hierzu habe ich mehrere zusätzliche Fragen bezüglich der notwendigen oder unzulässigen Erdung der Plattform einer hydraulischen Arbeitsbühne:
• Wo finde ich die Anforderung, dass nur SELVStromkreise oder nur Betriebsmittel der
Schutzklasse II verwendet werden dürfen?
• Wie ist dies mit der gängigen Praxis zu vereinbaren, in der ja auf Arbeitsbühnen auch
geschweißt, gebohrt oder mit einem Trennschleifer gearbeitet wird?
20
• Ich arbeite in einem amerikanischen Konzern mit Werken in ganz Europa. Könnten
Sie mir eine für die EU geltende Referenz
nennen?
A. B., Nordrhein-Westfalen
Antwort
Einsatzzweck der Arbeitsbühne
Wie schon in der von Ihnen angeführten Antwort und auch in einer weiteren Antwort zu
diesem Thema, in »de« 19.2014, Seite 16,
beschrieben, kommt es auf den Zweck bzw.
Ihren vorgesehenen Einsatz dieser Einrichtungen (Hubarbeitsbühnen, Hubgeräte, Arbeitsbühnen) an.
Für eine Arbeitsbühne, die nicht für das
Arbeiten an und in der Nähe spannungsführender aktiver Teile zum Einsatz kommen
soll, gibt es keine besonderen Anforderungen. Allenfalls könnte hierfür die DIN EN
60204-31 (VDE 0113-32) zutreffend sein.
Diese Norm beinhaltet z. B. auch Anforderung für die elektrische Ausrüstung von Hubgeräten und relevantes Zubehör sowie LKWLadekräne.
Dreht es sich um eine Hubarbeitsbühne
nach DIN VDE 0682-742 »Hubarbeitsbühnen zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen bis AC 1000 V und DC 1500 V«,
sieht es anders aus. Für solche Hubarbeitsbühnen müssen neben den normativen An-
forderungen bei der Herstellung auch die
Vorgaben aus den Unfallverhütungsvorschriften für die Benutzung beachtet werden. Vorgaben für die Benutzung sind in
erster Linie z. B. in der BGR 500 und in der
BGR A3 enthalten.
Antwort zur ersten Frage
Sie möchten wissen, welcher Quelle Sie entnehmen können, dass Sie nur Betriebsmittel
– gespeist aus SELV-Stromkreisen – oder nur
Betriebsmittel der Schutzklasse II auf Arbeitsbühnen verwenden dürfen. Dies ist so
nicht direkt ausgedrückt in einer Norm enthalten. Nur durch die Vorgaben, die sowohl
in DIN VDE 0682-742 als auch in den Unfallverhütungsvorschriften enthalten sind, lässt
sich das ableiten. Formal hätten von mir bei
der von Ihnen zitierten Beantwortung auch
noch Betriebsmittel/Verbrauchsmittel mit angeführt werden müssen, die mit »Schutz
durch Schutztrennung« mit nur einem Verbrauchsmittel an einer Stromquelle betrieben werden. Da Schutz durch Schutztrennung mit einem Verbrauchsmittel sehr häufig
umgangen wird, habe ich auf die Nennung
verzichtet.
Alle drei Schutzmaßnahem haben gemeinsam, dass kein geerdeter Schutzleiter an den
Betriebsmitteln angeschlossen sein darf. Somit kann die Anforderung von Abschnitt
2.5.1 von BGR 500, z. B. auf diese Weise erde 17.2015
DE_2015_17_021.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:27
PraxisProbleme
füllt werden. Im Abschnitt 2.5.1 von BGR
500 ist u. a. festgelegt, dass »Personen durch
ihren Standort auf der Arbeitsbühne gegen
Erde und gegen die im unmittelbaren Arbeitsbereich befindlichen mit Erde oder einem anderen Potential in Verbindung stehenden Teile isoliert sind (Standortisolierung)«.
Wenn also ein geerdeter Schutzleiter, z. B.
an leitfähigen Teilen von elektrischen Betriebsmitteln/Verbrauchsmitteln, die auf der
Hubarbeitsbühne/Arbeitsbühne
errichtet
sind, nicht angeschlossen sein darf, kann
sich auch kein Erdpotential im Handbereich
befinden. Somit kann beim Berühren eines
aktiven Teiles auch keine gefährliche Spannung überbrückt werden.
Antwort zur zweiten Frage
Unfallverhütungsvorschriften beinhalten immer, dass die jeweiligen Personen entsprechend befähigt und unterwiesen sind bzw.
regelmäßig unterwiesen werden. Dabei kann
man leider nicht ausschließen, dass sich
manche Personen nicht daran halten. Man
nimmt »eben irgendein Werkzeug oder Arbeitsmittel« – welches schnell zur Verfügung
steht – ohne sich Gedanken zu machen, was
damit verursacht werden kann.
Wenn ich allerdings Ihren Hinweis richtig
interpretiere, dass »auf Arbeitsbühnen geschweißt, gebohrt oder mit einem Trennschleifer gearbeitet wird«, dann muss ich
davon ausgehen, dass Sie hierbei nicht an
oder in der Nähe gefährlicher aktiver Teile
arbeiten. In solchen Fällen sind die diesbezüglichen Vorgaben der BGR 500 nicht zutreffend.
Antwort zur dritten Frage
Die Betriebsmittelnorm DIN VDE 0682-742
ist eine rein nationale Norm und hat keine
regionale bzw. internationale Entsprechungen. Auch die Unfallverhütungsvorschriften
sind eine rein nationale, aber gesetzliche Vorgabe. In den europäischen Ländern dürften
aber ähnliche nationale Vorgaben existieren,
dir mir allerdings nicht bekannt sind.
Werner Hörmann
Messung und Dokumentation einer
RCD Typ B
DIN EN 61557-6 (VDE 0413-6), VDE 0413-6:2008-05, DIN VDE 0100-600:06-2008
PRoBleM
In unserem Unternehmen herrschen verschiedene Meinungen bezüglich der Messung und Dokumentation von RCDs des Typs
B. Wir verwenden zur Messung dieser RCD
das Messgerät »Telaris ProInstall 200D« von
Beha-Amprobe.
Meiner Meinung nach sind bei diesem
Messgerät mehrere Messungen für eine RCD
Typ B zu tätigen. Zunächst sind die Messungen für eine RCD Typs A durchzuführen
(Auslösestrom, Auslösezeit, Berührungsspannung). Im Anschluss folgen die Messungen für eine RCD Typ B (Auslösestrom
bei 0 ° und 180 °, Auslösezeit bei 0 ° und
180 °, Berührungsspannung). Nach beendeter Messung stelle ich mir die Frage, welche
Messwerte in dem Prüfprotokoll dokumentiert werden müssen und wo. In dem uns
bekannten Formular des ZVEH kann man die
Messungen unter Typ-A-Bedingungen eintragen. Wo werden die Ergebnisse unter TypB-Bedingungen dokumentiert?
Einer unserer Industriekunden benutzt ein
Messgerät von Gossen Metrawatt für den Typ
B, welches ihm – nach seiner Aussage – alle
Messungen in einem Messdurchgang erlewww.elektro.net
digt und ihm dann zum Schluss ein Wertepaar ausgibt, welches er dann in den Spalten
des Messprotokolls der ZVEH-Vorlage dokumentiert. Ich bin jedoch nach dem Lesen der
Bedienungsanleitung des Messgerätes von
Gossen Metrawatt der Meinung, dass der besagte Kunde damit nur eine Messung unter
Typ-B-Bedingungen durchführt.
J. M., Nordrhein-Westfalen
AnTwoRT
Drei Teilaspekte
Um diese Frage ausführlich beantworten zu
können, müssen wir sie in drei Ansätzen bearbeiten:
• Was muss bei einer RCD Typ B gemessen
werden? Die DIN EN 61557-6 (VDE
0413-6) bestimmt, dass zusätzlich zur
Überprüfung des Auslösefehlerstroms mit
sinusförmigem oder halbwellenförmigem
Prüfstrom beim RCD Typ B nachgewiesen
werden muss, dass bei glattem Gleichstrom der Auslösefehlerstrom höchstens
den zweifachen Wert des Bemessungsfehlerstroms IΔN annimmt. Zur Ermittlung
des Auslösefehlerstromes muss ein konti-
nuierlich ansteigender, glatter Gleichstrom
angelegt werden, der bei dem 0,2-fachen
des Bemessungsfehlerstromes IΔN anfängt
(vgl. VDE 0413-6:2008-05 Anhang A).
• Welches der beiden von Ihnen erwähnten
Prüfgeräte welche Messungen auf welche
Art und in welcher Reihenfolge durchführt,
kann ich hier leider nicht in der erforderlichen Detaillierung aufzählen, da dies einer
vergleichenden Werbung gleich käme. Ich
möchte jedoch einen solchen Verdacht
nicht auf mich lenken. Sie können aber
einen solchen Vergleich problemlos verfassen, um selbst besser informiert zu sein.
Sie können aber auch etwas ganz anderes
tun: Schreiben Sie oder kontaktieren Sie
doch die Produkt-Support-Abteilungen
beider Firmen mit der Bitte, Ihnen z. B.
entsprechende Übersichten oder Tabellen
zur Verfügung zu stellen. Fragen Sie auf
jeden Fall auch nach, ob intelligente Funktionen enthalten sind, mit denen mehrere
oder alle fraglichen Prüfungen in einem,
evtl. auch etwas längeren Messdurchgang
vorgenommen werden können.
• Als dritten Aspekt möchte ich noch die
Angelegenheit der kompletten Dokumentation klären. Sie haben natürlich Recht
21
DE_2015_17_022.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:33
PraxisProbleme
mit der Feststellung, dass in dem gewissen Protokollformular nicht für alle Messergebnisse Felder vorgesehen sind. Ehrlich gesagt ist mir auch keines bekannt.
Ich habe für Sie daher zwei Vorschläge
bzw. Empfehlungen: Sie können – wie
unter Punkt 2 – bei den Herstellern
nachfragen, ob die Ihnen vielleicht etwas
anbieten können. Meistens gibt es relativ
einfache Softwareprogramme, mit denen
die Werte aus dem Prüfgerät in den PC
übertragen werden können, um sie dann
dort kreativ zu einem Protokoll zu gestalten. Sollte sich eine derartige Möglichkeit
nicht bieten und Sie in nur einem Einzelfall die Werte benötigen, können Sie auch
mit einem von Ihnen selbst gestaltetem
Protokoll arbeiten und dieses mit den
Werten Ihres Prüfgerätes manuell ausfüllen. Wir empfehlen Ihnen dazu das Prüfprotokoll aus der DIN VDE 0100-600 (062008), Anhang H. Dieses Prüfprotokoll
sollten Sie als Vorlage verwenden und
nach Ihren Bedürfnissen oder den Kundenwünschen an die vorhandenen Gegebenheiten anpassen. Die praktische Erfahrung lehrt uns nämlich, dass es bei einem
Prüfprotokoll weniger darauf ankommt,
wie breit die Spalten oder Striche sind,
sondern darauf, ob die von Ihnen ermittelten Werte nachvollziehbar und somit
glaubhaft sind.
Fazit
Egal mit welchem Prüfgerät die Schutzmaßnahmen – in dieser Anfrage RCDs des Typs B
– in elektrischen Anlagen geprüft werden,
wenn die Prüfung im Einklang mit den relevanten VDE-Vorschriften geschieht, kommt
es nur noch auf die Glaubwürdigkeit der Dokumentation an. Für Sie als kompetente
Elektrofachkraft wird es sicher problemlos
möglich sein, diese Bedingungen und Anforderungen zu erfüllen.
Wolfgang Kühnel
Aderquerschnitt passt nicht zur
Aderendhülse
DIN 46228, DIN VDE 0100-520:2013-06
Problem
Ich habe eine Leitung des Typs H07V-K mit
35 mm² Querschnitt und die dazugehörige
Aderendhülse eines namhaften Herstellers.
Bei Verwendung der Aderendhülse mit
35mm² bekomme ich mit dem entsprechenden Werkzeug die Hülse nicht fest auf die
Ader, da diese zu »dünn« ist. Eine Hülse mit
25 mm² würde genau passen und bei
25-mm²-Crimpung fest auf der Ader sitzen.
Verhalte ich mich richtig, wenn ich die Hülse
mit 25mm2 verwende?
R. G., Baden-Württemberg
Antwort
Kennbuchstaben der leiter­
bezeichnungen
Trotz der normativ möglichen Maßtoleranzen
bei Aderendhülsen für fein- und feinstdrähtige Leiterarten und auch bei feindrähtigen
Kupferleitungen, ist die von ihnen geschilderte Situation sehr unwahrscheinlich. Auch
wenn Ihnen meine Frage jetzt etwas seltsam
erscheint, aber stimmen die genannten Leiterarten? Haben Sie außerdem auch die entsprechenden Angaben der jeweiligen Her-
22
steller zu den Pressungen und Werkzeugen
beachtet?
Sie nennen als Leiter H07V-K. Das »K«
steht für »Leiter feindrähtig«, bei Leitungen
für feste Verlegung. Dazu ein Blick auf den
Auszug der Typenkennbuchstaben für die
Leiterkennzeichnung der harmonisierten
Leitungen wie die benannte H07V-K
35 mm²:
• D - feindrähtig, für Schweißleitungen
• E - feinstdrähtig, für Schweißleitungen
• F - feindrähtig, Leitungen flexibel
• H - feinstdrähtig
• K - feindrähtig, bei Leitungen für feste Verlegung
• R - mehrdrähtig, rund
• U - eindrähtig, rund.
Übliche leiterdurchmesser
Ist eine Aderendhülse nach DIN 46228, Teil
1 und 2, für fein- und feinstdrähtige Leiter
aus Kupfer, für den Nennquerschnitt 35 mm²
»feindrähtig« definiert, kann die genannte
Leitung H07V-K 35 mm² nicht zu »dünn«
sein, für eine Aderendhülse mit 35 mm². Erst
recht, wenn diese für fein- und feinstdrähtige
Leiter mit 35mm² definiert ist. Wie groß sind
die Unterschiede der Durchmesser?
Der Nenndurchmesser des Kupferleiters
liegt laut Herstellerangabe für H07V-K
35 mm² bei ca. 8,30 mm und bei H07V-K
25 mm² sind es ca. 7,30 mm. Wobei die tatsächlichen Durchmesser gering abweichen
können aufgrund unterschiedlicher Einflüsse und Parameter. Eine Aderendhülse für
den Nennquerschnitt 35 mm² »feindrähtig«
hat je nach Typ und Hersteller einen Innendurchmesser von ca. 8,3 … 8,4 mm und für
den Nennquerschnitt 25mm² »feindrähtig«
einen
Innendurchmesser
von
ca.
7,3 … 7,4 mm. Folglich kann diese Variante
nicht funktionieren!
Es gibt verschiedene Arten von Aderhülsen, so dass Sie ggf. prüfen sollten, ob Sie
die Aderendhülsen vertauscht haben, denn
der umgekehrte Fall einer zu kleinen Aderendhülse ist in der Praxis wahrscheinlicher! Ein Beispiel hierfür wäre, dass Sie
eventuell die genannten Aderendhülsen
nach DIN, Cu, für fein- und feinstdrähtige
Leiter mit Aderendhülsen z.B. für verdichtete Leiter vertauscht haben. Eine Aderendhülse für den Nennquerschnitt 35 mm² bei
verdichtetem Leiter, hat je nach Typ und
Hersteller einen Innendurchmesser von ca.
7,7…7,8 mm, für den Nennquerschnitt
25 mm² sind es ca. 6,3…6,4 mm, um an
de 17.2015
DE_2015_17_023.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:12
PRAXISPROBLEME
diesen Beispielen die Unterschiede umgekehrt deutlich zu machen.
Gerhard Budde
Ausbildung als Elektroinstallateur und Elektromeister sowie späteres berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaft. Er war
in der Papierindustrie und viele Jahre in der Elektroindustrie in
Planung, Projektierung, Produktmarketing und Produktmanagement von Niederspannungsschaltanlagen tätig. Gerhard Budde ist
Verfasser zahlreicher Fachbeiträge in der Fachzeitschrift »de« sowie Mitautor diverser Fachpublikationen. Auch die Verbandsarbeit
gehörte zu seinen Aktivitäten, z. B. im ZVEI, ZVEH, E-Check,
ETIM oder EDIFACT. Heute arbeitet Gerhard Budde als freier
Fachautor und Referent für Elektrotechnik.
Produktionsfehler sehr
unwahrscheinlich
Leiter, Klemmen und auch z. B. Aderendhülsen werden in der Normung bis zur Herstellung vom Maß her sehr genau aufeinander
abgestimmt, um die Toleranzen zwischen
den unterschiedlichen Betriebsmitteln für die
entsprechenden Anwendungen sicherzustellen. Durchmesser und Formen von Leitern
und auch Aderendhülsen, sind in den entsprechenden Normen bis hin zu den Prüfmitteln festgelegt und werden mit Hilfe von
sogenannten genormten »Lehrdornen/Prüfdornen« laufend überwacht.
In der Regel kann eine auf den jeweiligen
Leiter abgestimmte Aderendhülse auf das
z. B. vorbereitete und verdrillte Leiterende locker, passgenau oder mit etwas Kraftaufwand aufgeschoben werden, so dass bei
Verwendung der durch den Systemhersteller
vorgegebenen Pressung, einschließlich der
genormten Toleranzen, eine sichere und
dauerhafte Verbindung hergestellt ist. Ich
möchte ihnen empfehlen die genannten
Stichworte aufzugreifen und sich ggf. mit ihrem Elektro-Fachgroßhandel oder dem Hersteller in Verbindung zu setzen, um die technischen Details zu klären.
Immerhin gilt es, eine der wichtigsten Sicherheitsanforderungen in der Elektrotechnik zu beachten. Zu finden u.a. im Abschnitt
526 der DIN VDE 0100-520:2013-06: »Verbindungen zwischen Leitern untereinander
sowie zwischen Leiter und Anschlussstellen
an Betriebsmitteln müssen für eine dauerhafte Stromübertragung, eine angemessene
Festigkeit und einen Schutz bemessen sein.«
Beantwortung der Frage
Ihre Frage, ob sie sich richtig verhalten wenn
sie eine Hülse mit 25mm² verwenden, lässt
sich ohne genaue Kenntnis nicht beantworten.
Ihre Anmerkung »würde genau passen« und
mit der »25-mm²-Crimpung fest auf der Ader
sitzen«, ist eine subjektive Feststellung, die sich
so keinesfalls bestätigen lässt, da diese Verbindung in dieser Form nicht geprüft wurde.
Exakte Festlegungen erfolgen in den einzelnen Betriebsmittelnormen, wie der oben
genannten DIN 46228 mit speziellen Prüfverfahren, in erster Linie gerichtet an die Hersteller der Betriebsmittel. Diese geben in ih-
ren Dokumentationen und über Kennzeichnungen am Produkt, z. B. die zugelassenen
Leiterarten an bis hin zu bestimmten Werkzeugen mit Presseinsätzen zu den unterschiedlichen Kerb- und Pressformen. Die
Hersteller sind in der Produktverantwortung
und müssen für die Anwendungen durch reproduzierbare und kontinuierliche Prüfverfahren die sicheren Verbindungen nach
Norm nachweisen.
Eine wichtige Hilfe bieten die Dokumentationen der verschiedenen Hersteller. Diese haben durch die Produktverantwortung ein großes Interesse daran, dass alle notwendigen
Informationen für die Anwendung und Verarbeitung bekannt sind und beachtet werden,
um die »zugesicherten Eigenschaften eines
Produktes«, oder wie in ihrem Fall »einer Systemverbindung« zu gewährleisten. Wie immer
steckt aber der »Teufel« im Detail. Bei der Sicherheit gibt es eben keine Kompromisse!
Gerhard Budde
Von Wechsel- auf Drehstrom umstellen
Niederspannungsanschlussverordnung (NAV), DIN VDE 0105 Teil 100, Technische Anschlussbedingungen (TAB) des Netzbetreibers, DIN VDE 1000 Teil10
PROBLEM
Ein Kunde wünscht einen Drehstromanschluss in seiner Garage. Das Mehrfamilienhaus besitzt leider nur einen schon in die
Jahre gekommenen Verteiler, mit einem Zähler- und einem Verteilerfeld (ca. 16 TE auf
zwei Reihen).
Müsste der Verteiler nun komplett demontiert und vollständig ausgetauscht werden,
um einen selektiven Hauptleitungsschutzschalter (SH-Schalter) nachzurüsten oder
www.elektro.net
gibt es einen Bestandsschutz, der es ermöglicht, einen Zählertausch von Wechsel- auf
Drehstromzähler vorzunehmen und eine
RCD nachzurüsten?
T. K., Nordrhein-Westfalen
ANTWORT
Sicheren Betrieb feststellen
Ihre Anfrage bezieht sich auf ein Mehrfamilienhaus mit mehreren Zählern mit Dreipunkt-
befestigung. Ich nehme an, dass es sich um
eine über 40 Jahre alte Elektrozähleranlage
handelt. Hier müssten Sie prüfen, ob die
elektrische Anlage gemäß der NAV noch sicher betrieben werden kann. Aus der praktischen Erfahrung würde eine Wiederholungsprüfung der elektrischen Anlage nach DIN
VDE 0105 Teil 100 der richtige Weg sein:
• Besichtigung
• Funktionsprüfung
• Messen und dokumentieren der Ergebnisse
• abschließende Beurteilung.
23
DE_2015_17_024.pdf;S: 1;Format:(210.00 x 297.00 mm);19. Aug 2015 09:34:02
PRAXISPROBLEME
Hans-Josef Tonnelier
Dozent für TREI-Schulung und Vorsitzender der TREI-Prüfung
im Saarland. Außerdem Dozent an der Meisterschule im Fach
Elektro-Sicherheitstechnik. Mitarbeit in zahlreichen Gremien des
Lanedesinnungsverbands Saarland, des ZVEH und der BG ETEM.
Sprecher der ERFA-Meisterprüfungsausschüsse Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland.
Danach müssten Sie den Ist-Zustand festund anschließend einen Soll-Zustand mit Risikobewertung erstellen. Abschließend könnten Sie dann Ihrem Kunden ein Angebot
überreichen. Hierfür sind die vom ZVEH erstellten Prüfprotokolle ein guter Entlastungsnachweis.
Alter der Anlage
Grundsätzlich müssten Sie feststellen, vor
wie viel Jahren die Zähleranlage errichtet
wurde. Sind alle Bauteile der elektrischen
Anlage im Zählerschrank im Gerätefeld/Unterverteiler fachtechnisch in Ordnung und
wurden keine Veränderungen, Erweiterungen an der elektrischen Anlage durchgeführt,
dann sollten Sie nachfolgende Punkte überprüfen:
• ein ausreichendes Isolationsvermögen
und ein ausreichender Isolationswiderstand der Leitungen
• ausreichende Querschnitte der Leitungen
• den Spannungsfall mit max. 4 %
• die Selektivität der Leitungs- und Geräteabsicherungen
• die Schleifenwiderstände der Leitungen
(Rschl)
• die Netzinnenwiderstände der Leitungen
(Ri)
• den Kurzschlussstrom zum Abschalten
der Leitungsschutzschalter (Ik)
• den Brandschutz nach MLAR und DIN
4102
• die sonstigen behördlichen Vorschriften
z. B. der UBA/LBO
• die Schutzmaßnahmen je nach Netzform
(TN-C oder TT-Netz)
• ob eine Haupterdungsschiene (HES) und
ein Schutzpotentialausgleich vorhanden
sind.
Stichwort: Bestandsschutz
Sind die oben genannten Punkte aus Ihrer
Sicht alle fachlich in Ordnung, können wir
uns dem Begriff »Bestandsschutz« widmen.
24
In den Regelwerken gibt es den Begriff »Bestandsschutz« nicht. Er kommt ursprünglich
aus dem Baurecht. Bestandsschutz besteht
für elektrische Anlagen oder elektrische Betriebsmittel dann, wenn
• diese den zum Zeitpunkt ihres Errichtens
oder Herstellens gültigen DIN-VDE-Bestimmungen entsprochen haben und
noch entsprechen
• Folgenormen oder Regelwerke keine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik fordern
• Anlagen unter dem zum Zeitpunkt der Errichtung bestehenden Betriebs- und Umgebungsbedingungen, für die sie ausgelegt waren, weiterhin betrieben werden
• keine Mängel bestehen, die Gefahr für
Leib und Leben sowie für Sachen bedeuten.
Für eine elektrische Anlage oder Betriebsmittel, die am Ende ihrer Lebensdauer angekommen sind (Betriebszeit üblicherweise
40 Jahre), kann der Bestandsschutz grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden.
Anschlussbedingungen des VNB
beachten
Wichtig wäre auch zu wissen, welcher Verteilungsnetzbetreiber (VNB) und welcher Messstellenbetreiber für das Mehrfamilienhaus
zuständig sind. Maßgebend sind dann die
regionalen Technischen Anschlussbedingungen (TAB). Ich möchte Ihnen daher empfehlen, einen gemeinsamen Ortstermin mit dem
Verteilungsnetzbetreiber (VNB) zu organisieren. Mit dabei sein sollten
• der Kunde,
• die verantwortliche Elektrofachkraft des
Elektrounternehmens und
• der zuständige Revisionsmeister des VNB.
Danach sollten Sie in einem gemeinsamen
Fachgespräch, die Möglichkeiten einer Teilsanierung, Anpassungsmöglichkeiten, die
die Normen und Regelwerke zulassen, in Bezug auf den sicheren elektrischen Betrieb
der Anlage besprechen. Das Ergebnis sollten
Sie für alle Beteiligten protokollieren.
Zusätzliche Angaben fehlen
Sie schreiben leider nicht, wie groß der Drehstromanschluss in der Garage für den Kunden sein soll (z.B. 16 A, 32 A, 63 A oder größer). Demnach müssten Sie auch die Absicherung und ggf. den Drehstromzähler mit
dem Gesamtstrom und dem Gleichzeitigkeitsfaktor (»g«) projektieren und auslegen.
Die verantwortliche Elektrofachkraft (DIN
VDE 1000 Teil 10), die im Installateurverzeichnis eingetragen ist, muss dann beim
VNB/Messstellenbetreiber die Zählersetzung
beantragen.
Außerdem fehlen mir auch Informationen,
warum Sie einen SH-Schalter und eine RCD
nachrüsten wollen und die technischen Angaben über die Module, die Sie einbauen
möchten. Eine verantwortliche Elektrofachkraft könnte mit den vorhandenen Angaben
keine abschließende Bewertung abgeben.
Ein Foto des Zähler- und Verteilerfelds sowie
der Örtlichkeit wären für die Bewertung von
großer Bedeutung und Wichtigkeit.
Fazit
Sie sind gut beraten, die elektrische Anlage
zu überprüfen, mit dem Kunden und dem
Verteilungsnetzbetreiber einen Ortstermin zu
organisieren und die oben aufgeführten
Punkte zu berücksichtigen. Der beste Weg
zum sicheren Betrieb wäre, dem Kunden eine neue Zähleranlage bzw. eine neue Elektroinstallation in mehreren Schritten anzubieten. In Fachkreisen geht man davon aus,
dass nach üblicherweise 40 Jahren Betriebszeit einer Elektroanlage oder eines Betriebsmittels der »Bestandsschutz« nicht mehr
geltend gemacht werden kann.
Hans-Josef Tonnellier
de 17.2015