Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles
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Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles
Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Introspektion zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles (1982 - 2012) *** „Ich bin das Projekt“ eine biografische Selbstbeschreibung Abschlussarbeit des Weiterbildungskurses der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“ vorgelegt von: Dipl.-Ing.(FH) Kuno Kübler Referent: FH-Prof. Dr. rer. silv. Bernhard Zimmer Koreferentin: Prof. Dr. phil. habil. Susanne Elsen eingereicht am: 24.02.2012 Kuno Kübler 1 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Kuno Kübler 2 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Inhaltsverzeichnis 1 Voraberklärung:............................................................................................................................ 4 2 Einführung.................................................................................................................................... 4 3 Fundamente................................................................................................................................. 6 3.1 Herkunft, Ausbildung und Motivation.....................................................................................6 3.2 Systemisch Denken lernen (Vorbild Frederic Vester)............................................................7 3.3 Systeme erleben - Systemisch Handeln lernen...................................................................17 3.3.1 Beispiel: Politik im Raum.............................................................................................17 4 Umsetzung in den einzelnen Lebensbereichen..........................................................................22 4.1 Bereich: Energie................................................................................................................. 23 4.2 Bereich: Mobilität................................................................................................................ 26 4.3 Bereich: Ernährung............................................................................................................. 28 4.4 Bereich: Ökonomie............................................................................................................. 29 4.4.1 Fehler im Geldsystem und Auswege...........................................................................29 4.4.2 Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten....................35 4.4.3 Auf dem Weg zur Solidarökonomie ............................................................................36 4.5 Bereich Genossenschaften (gemeinschaftlich Wohnen).....................................................37 4.6 Bereich: Vernetzung............................................................................................................ 43 4.7 Bereich: Bewusstsein.......................................................................................................... 43 5 Zusammenfassung..................................................................................................................... 45 6 Fazit:.......................................................................................................................................... 48 7 Literaturverzeichnis.................................................................................................................... 49 8 Anhang:...................................................................................................................................... 53 Kuno Kübler 3 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 1 Voraberklärung: Zur Abfassung der Abschlussarbeit wurde der Interview-Stil gewählt. Das Interview ist fiktiver Natur und als Interviewer diente keine andere Person. 2 Einführung Ziel der vorliegenden Arbeit ist nicht die abstrakte Aufbereitung wissenschaftlicher Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung. Im Folgenden möchte ich vielmehr den Versuch unternehmen, anhand eigener biographischer Stationen eine Art „persönliche Lernkurve“ zur Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles nach zu zeichnen. Sich mit ökologischen Fragen zu beschäftigen, war dies Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts für Sie ein „In“-Thema oder bedeutete es mehr für Sie, Herr Kübler? „Die Erde kann ohne uns leben, aber wir nicht ohne sie“, mit dieser Aussage konfrontierte Prof. Dr. Frederic Vester (1925-2003) das Auditorium in den Diskussionen nach seinen Vorträgen, sobald die Frage gestellt wurde, wie er das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten denn einschätze. Als junger Umweltschutzingenieur Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts musste ich mir also keine Sorgen um das Ökosystem „Erde“ machen. Ich sollte mir eher Sorgen machen um die Menschen und im Besonderen um mich. Damit war die Grundlage gelegt, um mich mit der Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles zu befassen. Haben Sie einfach angefangen oder sind Sie nach einem Plan vorgegangen? „Wo anfangen“, das hat mich schon intensiv beschäftigt. Und wie? Das Hauptinteresse lag im Bereich „Sonnenenergie“. Ich erinnere mich noch gut an die Katholische Sommerakademie 1984 in Gars am Inn. In dieser Zeit lernte ich, wie man einen einfachen Sonnenkollektor aus Altmaterialien bauen konnte. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht und im nächsten Sommer hatte ich meinen eigenen Selbstbaukollektor im Garten stehen. Hier entpuppte sich ein unbequemer Umstand als Ansporn. In dem Haus, in dem ich 1985 wohnte, gab es nur einen Kohlebadeofen. So konnte ich im Sommer mit solar erwärmtem Wasser duschen! Damals war ich ein Solarpionier und wurde selbst von guten Freunden belächelt. Wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich Sie in Ihrem Leben von 1982, als Sie kurz vor dem Abschluss des Studiums des Technischen Umweltschutzes standen, bis Anfang 2012 begleiten – also über 30 Jahre hinweg. Die Fragen zielen darauf ab, Ihren Weg nach zu zeichnen und Interessierten Anregungen zu geben, wie Sie Ihren umwelt- und ressourcenschonenden Lebensstil entwickelt und gelebt haben. Dass Sie auf einem guten Weg sind, zeigte die Auszeichnung, die Sie im Dezember 2011 von der Stadt München erhalten haben. Doch dazu kommen wir später. Neugierig und wissbegierig , wie ich bin, fing ich mit theoretische Vorarbeiten an, die die jeweiligen Einzelschritte erforderten. Die heutige „Plug-and-play“-Mentalität war mir vollkommen fremd. Die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse wurden gleich in die Praxis umgesetzt und die daraus abgeleiteten Erfahrungen und Erkenntnisse wurden in Vorträgen und Führungen an Interessierte Kuno Kübler 4 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften weitergegeben, um so andere zur Nachahmung an zu stiften, Mitstreiter zu finden und weitere gemeinsame Projekte zu starten. Zur Orientierung für die weitere Lesbarkeit im Text finden sich Stellen mit farbigen Markierungen, die die nächsten Schritte und Vorgehensweisen vorausblickend andeuten und Handlungsoptionen für Interessierte enthalten: Legende: nächste Schritte / Ziele / Wünsche Kontakte und weiterführende Informationen Kuno Kübler 5 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 3 Fundamente 3.1 Herkunft, Ausbildung und Motivation Ein Haus braucht ein gutes Fundament. Können Sie sagen, dass Ihnen das Thema „Nachhaltigkeit“ quasi in die Wiege gelegt wurde? Und wann ist Ihnen das so richtig bewusst geworden? Ja, an der Basis fängt es an. Ich bin 1959 in Addis Abeba geboren und lebte dort bis 1965. Bewusst wurde es mir, als ich den Spruch „Mein roter Faden im Leben ist grün…“, ergänzen sollte. Dies war im Herbst 2011 bei einer Aktion des Vereins Green City e.V*. in München [1]. Meine Ergänzung lautete:“… seit meiner ersten Stoffwindel vor 53 Jahren“. Und es ist ein Grundgefühl: Ich bin im äthiopischen Addis Abeba geboren. Meine Mutter hatte keine Waschmaschine, Pampers gab es 1959 schon zweimal nicht und so wurden meine Stoffwindeln von Hand gewaschen und sonnen getrocknet. Ich erlebte somit eine den Umständen geschuldete Nachhaltigkeit ab den ersten Lebenstagen. Dabei wusste meine Mutter instinktiv, wie sie ressourcenschonend wirtschaften konnte. Das Ende des Zweiten Weltkrieges war gerade erst vierzehn Jahre her. Oft hat sie mir oder haben meine Großtanten von den Entbehrungen erzählt (Hunger, Kälte, Zerstörung). Nur eines stand für sie damals im Fokus des Alltags, einfach den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) überleben. Jetzt leben Sie seit langem in einem der reichsten Industrienationen und beschäftigen sich mit Fragen wie: „Wie überlebe ich 65 Jahre später im 21. Jahrhundert in der Postwachstumsökonomie? Keiner der Vorträge in unserem Zertifikatskurs „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“ [2] hat mich so erschüttert, wie der von Niko Paech über „Peak Oil“, und „Peak Everything“ im April 2011 [3]. Jedenfalls hatte ich eine sehr unruhige Nacht. Ein innerer Dialog entspann sich: Was, wenn es kein Öl mehr gibt? [4]. Dann heizen wir eben mit Kohle. Die Kohle muss mit Schiffen aus China und Südamerika herbei transportiert werden. Das Schweröl für die Dieselmotoren gibt es aber nicht mehr. Wie viele Dampfschiffe mit Kohlefeuerung gibt es noch weltweit? Oder doch lieber wieder Segelschiffe bauen? Zuerst müssen sie gebaut werden: Wenn es aber keinen Diesel gibt für die Kettensägen und für die Traktoren, um die Bäume aus dem Wald zu holen. Dann brauchen wir Pferde, die uns die Arbeit erleichtern. Nur wie viele Arbeitspferde haben wir noch? Ein paar in Bayern, die jedes Jahr auf die Wies'n ausgeführt werden. Mehr aber auch nicht. Gedanken verwirrt erwachte ich. * Umweltverein in München, www.greencity.de Kuno Kübler 6 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 1: Die kurze Zeitspanne der intensiven Nutzung der fossilen Energieträger [4]. Ihre Schulzeit, insbesondere die Gymnasialzeit war von 1969 bis 1978. Was prägte Sie hier besonders? Wir hatten einige kritische LehrerInnen. Darüber bin ich sehr froh und, dass es Diskussionen über demokratische Grundwerte gab und wir angehalten wurden, nicht einfach nur alles zu glauben, sondern zu hinterfragen und uns selbst eine Meinung zu bilden, auch unabhängig von den gängigen Medien. 3.2 Systemisch Denken lernen (Vorbild Frederic Vester) Ihr Studium des technischen Umweltschutzes (1978-1983) an der damaligen Fachhochschule München war nicht nur ein Einstieg in die Laufbahn als Umweltschutzingenieur, sondern auch Berufung zugleich. Ja. Im zweiten Praxissemester holte ich mir den „Vester-Virus“ und war vom vernetzten Denken infiziert. Dies war für viele Jahre im Beruf hinderlich, aber ich fühlte mich wohl dabei. Kurz nach dem Studium erwischte mich der „Solar-Virus“ und brach nach Tschernobyl heftigst bei mir aus. Ich wollte in meiner Lebensführung „autark“ werden und analysierte, wie ich dies auf einem langen Weg nach und nach erreichen könnte. So begann die Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstiles in alle meine Lebensbereiche ein zu sickern. Dazu nahm ich mir immer wieder die Werke von Frederic Vester zur Hand, um sie zu studieren und Schritte für die persönliche Umsetzung zu finden. Schon früh begann ich, mich autodidaktisch weiter zu bilden. In meiner Neugier hielt ich immer Ausschau nach neuen Arbeitsinstrumenten und -methoden. Eines das es mir sehr früh angetan hat, war z.B. das Format der „Zukunftswerkstatt“ nach Robert Jungk. So entstand im geistigen Sinn schnell meine persönliche Zukunftswerkstatt. Kuno Kübler 7 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Wer wie ein „Rufer in der Wüste“ unterwegs ist, bei schönsten Wetter, anfängt ein Schiff zu bauen, wie Moses, das er Arche Noah nannte, der musste es sich gefallen lassen, als Exot angesehen zu werden. Die Arbeiten von Frederic Vester haben Sie sehr früh kennengelernt. Wir werden noch mehr darüber erfahren. Es ist schon ungewöhnlich, als Wissenschaftler, der sie sind, einen Selbstversuch zu wagen. Um Vorstellungen zu entwickeln, wie die Menschheit überleben könnte, brauchte ich ein „Testobjekt“, eben mich. Warum in die Ferne schweifen, wenn „es“ mir jeden Morgen im Badezimmerspiegel gegenüberstand. Also habe ich mich selbst in den Fokus genommen. In all den Jahren haben mich dann Vorbilder wie Vester oder Jungk u.a. und Sprüche auf meinem Weg begleitet: Willst du das Land in Ordnung bringen, musst du erst die Provinzen in Ordnung bringen. Willst du die Provinzen in Ordnung bringen, musst du erst die Städte in Ordnung bringen. Willst du die Städte in Ordnung bringen, musst du erst die Familien in Ordnung bringen. Willst du die Familien in Ordnung bringen, musst du erst die eigene Familie in Ordnung bringen. Willst du die eigene Familie in Ordnung bringen, musst du erst dich in Ordnung bringen. Orientalische Weisheit Text: Vom Anfang, die Welt zu verändern [5] In Ihrem Leben gab es wohl eine Vielzahl von Zufällen und Fügungen, die Sie zu dem werden ließen, der Sie jetzt sind. Die Begegnung mit Frederic Vester markiert einen Meilenstein, Sie selbst sprachen von einer „Infektion“ mit dem „Vester-Virus“ (1981). Beschreiben Sie doch Ihre Entwicklung des Systembewusstseins näher. An dieser Stelle gehe ich gerne auf das „vernetzte Denken“ ein, ohne das die Komplexität meines Versuchsprojektes nicht zu bewältigen (gewesen) wäre. Jeder Mensch (und auch ich) bin ein Bestandteil des ihn umgebenen ökologischen Systems, in dem er lebt. Dies ist die erste Dimension der Nachhaltigkeit, die es zu betrachten gilt (s. Abb.2). Kuno Kübler 8 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Nachhaltig leben in den drei Bereichen: Abb. 2: aus dem Flyer des Zertifikatskurses 2012 [6] Prof. Dr. Dr. h.c. Frederic Vester (1925-2003) Bis kurz vor seinem Tod im November 2003 arbeitete Frederic Vester an der CD „Zeitbombe Klimawandel“ [7]. Daraus sind die Grafiken (auf S. 10-13) entnommen. Abb. 3 Frederic Vester (1925-2003) [8] Auf die umfassenden, wissenschaftlichen Arbeiten zur Bewahrung des Planeten Erde mit dem Menschen kann ich an dieser Stelle nur in einem winzigen Blitzlicht eingehen. Nach dem Tode Vester's sind alle Unterlagen an das Malik Managementzentrum St.Gallen gebracht worden. Dort arbeitet Gabriele Harrer, die langjährige Mitarbeiterin von Frederic Vester, weiter. Frederic Vester hat sich über 30 Jahre mit vernetztem Denken befasst und aus den Vorgängen in der Natur die Regeln zur Steuerung in komplexen Systemen herausgearbeitet. Er hat die Regeln als biokybernetische Grundregeln bezeichnet. Siehe Tab. 1. Zunächst noch eine Definition für Biokybernetik nach Vester: Das Wort „kybernetes“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Steuermann“. Biokybernetik ist die Lehre „von den Gesetzmäßigkeiten der Steuerung und Regelung lebender Systeme bei minimalem Energieaufwand“. Zu den ausgewählten Grafiken der CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ sind Erläuterungen erforderlich: Kuno Kübler 9 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften In einem System kann die Wirkung einer Variablen auf eine andere verstärkend (gleichgerichtet sein) oder abschwächend sein. Es werden zwei Symbole verwendet: Sind die Wirkungen selbst verstärkend, dann steht das Zeichen + für positive Rückkopplung (sich selbst verstärkend; d.h. aufschaukelnd oder abschaukelnd). Um ein stabiles System zu erreichen, braucht es eine Wirkung, die entgegen gerichtet ist. Das Zeichen steht für negative Rückkopplung. Grundregel Nr. 1 nach Vester ist das Vorhandensein von negativen Rückkopplungen, damit das System überlebensfähig ist. Tab. 1: Die acht biokybernetischen Grundregeln nach Vester [9] „DIE ACHT GRUNDREGELN DER BIOKYBERNETIK • Negative Rückkopplung Negative Rückkopplung muss über positive Rückkopplung dominieren. Positive Rückkopplung bringt die Dinge durch Selbstverstärkung zum Laufen. Negative Rückkopplung sorgt dann für Stabilität gegen Störungen und Grenzüberschreitungen. • Unabhängigkeit vom Wachstum Die Systemfunktion muss unabhängig vom Wachstum sein. Der Durchfluss an Energie und Materie ist langfristig konstant. Das verringert den Einfluss von Irreversibilitäten und das unkontrollierbare Überschreiten von Grenzwerten. • Funktionsorientierung Das System muss funktionsorientiert und nicht produktorientiert arbeiten. Entsprechende Austauschbarkeit erhöht Flexibilität und Anpassung. Das System überlebt auch bei veränderten Angeboten. • Jiu-Jitsu-Prinzip Nutzung vorhandener Kräfte nach dem Jiu-Jitsu-Prinzip statt Bekämpfung nach der Boxermethode. Fremdenergie wird länger ausgenutzt (Energiekaskaden, Energieketten), während eigene Energie vorwiegend als Steuerenergie dient. Profitiert von vorliegenden Konstellationen, fördert die Selbstregulation. • Mehrfachnutzung Mehrfachnutzung von Produkten, Funktionen und Organisationsstrukturen. Reduziert den Durchsatz. Erhöht den Vernetzungsgrad, verringert den Energie-, Material- und Informationsaufwand. Kuno Kübler 10 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften • Recycling: Nutzung von Kreisprozessen zur Abfall-, Abwasser- und Abwärmeverwertung. Ausgangs- und Endprodukte verschmelzen. Materielle Flüsse laufen kreisförmig. Irreversibilitäten und Abhängigkeiten werden gemildert. • Symbiose. Gegenseitige Nutzung von Verschiedenartigkeit durch Kopplung und Austausch. Begünstigt kleinräumige Abläufe und kurze Transportwege. Verringert Durchsatz und externe Dependenz, erhöht interne Dependenz. Verringert den Energieverbrauch. • Biologisches Design Biologisches Design von Produkten, Verfahren und Organisationsformen durch Feedback-Planung mit der Umwelt. Berücksichtigt endogene und exogene Rhythmen. Nutzt Resonanz und funktionelle Passformen. Harmonisiert die Systemdynamik. Ermöglicht organische Integration neuer Elemente nach den acht Grundregeln.“[9] Abb. 4: Beispiel für biologisches und unbiologisches Design: Art gerecht wohnen (Antti Lovag, Frankreich) Oder Käfighaltung ? [10] [11] Beides hat seine Auswirkungen auf die Psyche Sich die acht Grundregeln immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und bei Projekten anzuwenden, ist der erste Schritt, um sich im vernetzten Denken zu üben. Kuno Kübler 11 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ Aus der CD „ Zeitbombe Klimawandel“, die unter Einsatz des Sensitivitätsmodells Prof. Vester® erstellt worden ist, sind nachfolgende Teilszenarien entnommen, um die Komplexität anzudeuten, die in dem Thema Klimawandel steckt. Eine nähere Beschreibung der CD-ROM-Inhalte findet hier nicht statt. Unter www.frederic-vester.de kann tiefer in die Materie eingestiegen werden. „Der Ablauf dieser CD-ROM zeigt den Versuch, das Klimageschehen in seinen vielfältigen, teils selbstregulierenden, teils selbstverstärkenden Wirkungen darzustellen und die Folgen und Rückwirkungen menschlicher Aktivitäten zu simulieren. Das geschah mit Hilfe eines von uns (F.Vester u.a., Anm. d. V.V.) entwickelten und bereits mit Erfolg auf die Lösung vieler komplexer Probleme angewandten computergestützten Instrumentariums, den System-Tools des "Sensitivitätsmodells Prof. Vester®, München 2005“. Die Schlüsselvariable „Verhaltensänderung“ trifft jeden und damit alle. Bei mir kann ich anfangen und nach und nach andere dafür gewinnen. Wie schnell sich andere finden können, z.B. zum Thema Energie, zeigen die großen Ereignisse wie die Ölkrise 1973, der Atomunfall in Harrrisburg, die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986, Fukushima 2011 etc. Abb. 5,6,7,8,9: Teilszenario: Verhaltensänderung aus CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ „Die kybernetische Analyse zeigt, dass 21 sich selbst verstärkenden, also gefährlichen Rückkopplungen insgesamt 78 regulierende Regelkreise gegenüberstehen – genug, um das riskante Geschehen noch einmal in normale Bahnen zu lenken“. Kuno Kübler 12 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 6 Abb. 7 Dass 78 stabilisierende Regelkreise über eine zentrale Schlüsselvariable d.h. die „Verhaltensänderung“ laufen, ist markant und zeigt, wo man mit viel Aufklärungsarbeit und Kuno Kübler 13 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Änderungen ansetzen kann. Sowohl die 2011 entstandene Occupy-Bewegung als auch das an anderer Stelle beschriebene Biosphärenbewusstsein (s.S. 15, 19) vieler Menschen kann hier zunächst sehr viel ohne die Politik und ohne die Wirtschaftskonzerne verändern. Auch die Nutzung der neuen Medieninfrastruktur können dies begünstigen (Entstehung des „Arabischen Frühlings“). Was passiert, wenn die Systemkomponente „Verhaltensänderung“ herausgenommen wird: Abb. 8 Vester formuliert unter der Fragestellung „Was wäre, wenn die Industriestaaten so weitermachten wie bisher?“, d.h. nach Wegfall der 78 stabilisierenden Regelkreise so: „Das System wird dann nur noch von acht selbstverstärkenden Rückkopplungen gesteuert und schaukelt sich über die davon ausgehenden Wirkungen bis zum Umkippen ungehindert weiter auf“. Kuno Kübler 14 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb.9 Das klingt höchst alarmierend. Wenn bei der Konferenz „Rio 20+“ in 2012 als Ergebnis „ein weitermachen wie bisher“ herauskommt, dann wird die Variable Verhaltensänderung in der Tat ausgehebelt. Wenn stabilisierende Regelkreise wegfallen, dann können die sich selbst verstärkenden Rückkopplungen voll durchschlagen und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Der „kritische Punkt“, siehe Abb. 10, dürfte in vielen Bereichen schon längst überschritten sein [12]. Abb. 10: Wachstum ohne Übergang auf eine neue Systemstruktur führt zum Systemkollaps Kuno Kübler 15 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Kontakt, um mehr zu erfahren: Bei BenE e.V. (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung) fand Anfang Dezember 2011 eine Multiplikatorenschulung „Zukunft gestalten lernen - Systemisches Denken“ statt [13]. Wer spielerisch in das Thema „vernetztes Denken“ einsteigen möchte, findet im Internet zur jährlichen Ecopolicyade den Einstieg [14]. Sie haben jetzt über das ökologische System gesprochen, in dem jeder ein Bestandteil ist. Im nächsten Abschnitt will ich mit Ihnen einen Schritt zurückgehen und mir mit Ihnen ein hochkomplexes, biologisches Subsystem ein bisschen näher anschauen. Haben Sie alles verstanden? Nein, mit Nichten. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken. Der menschliche Organismus ist wahrlich hochkomplex und alle Prozesse laufen selbstregulierend ab. Ohne Computer. Dieses biologische System als Subsystem des Ökosystems wird von vielen Ärzten jedoch immer noch „mechanistisch“ betrachtet. An dieser Stelle zeigt sich, wie das alte mechanistische Weltbild aussieht, wie agiert wird: Ärzte operieren, Organe werden entfernt, Körperteile werden gegen Mechanik (Implantate etc.) ausgetauscht und die Pharmaindustrie hat jede Menge an Medikamenten parat. Ein gigantischer Apparat und ein unbezahlbares Reparaturdienstverhalten bestimmt das Gesundheitswesen. Weitere Betrachtungen zu diesem Thema finden sich in den Büchern von Frederic Vester. Warum werden die Selbstheilungskräfte des Körpers so negiert? Unter der Bezeichnung Humanopoly®, beschreibt Vester [15] seine Vision für ein Simulationsspiel, in dem der einzelne Mensch in seinen Wechselwirkungen mit sich selbst und mit seiner unmittelbaren Umwelt betrachtet wird. Eine Realisierung dieses Projektes kam bisher nicht zustande. Zum Thema Ernährung werde ich nochmals auf das biologische System zu sprechen kommen. (siehe Abschnitt: Die Weisheit des Bauches, S.26). Der Mensch lebt nicht isoliert, so wie es uns die Medien und die Pharmaindustrie vorgaukeln und einreden wollen. Er ist inständigem Austausch mit der Umwelt. Die reine, biologische Erbsubstanz eines Menschen ist ohne die Symbionten in ihm und auf seiner Oberfläche nicht lebensfähig. Kuno Kübler 16 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 3.3 Systeme erleben - Systemisch Handeln lernen 3.3.1 Beispiel: Politik im Raum „Systemisch Denken und Handeln lernen“ – Ihre Pionierarbeit ging weiter und Sie fanden 1996 noch einen zweiten Zugang zum systemischen Arbeiten. Berichten Sie, was Sie entdeckten: Von der „Familienaufstellung“ zur systemischen Strukturaufstellung [16] Ein weiteres Rüstzeug im Umgang mit komplexen Systemen kam für mich Mitte der 90er Jahre dazu. Jeder Mensch ist in soziale Systeme eingewoben (2. Dimension der Nachhaltigkeit in der Betrachtung, s.S.7, 18, 34). Die „Visualisierung im Raum“ in der Gruppe von Dr. Ruth Sander [17] zeigt, dass wir dieses Arbeitsinstrument nutzen können, neue Dimensionen erfassen können und dem Ziel der methodischen Möglichkeiten zur Entwicklung nachhaltiger Planungs- und Handlungsansätze näher kommen können. Sehr einfach und verständlich zeigt dies auch Sepp Holzer, der Agrarrebell in den Salzburger Alpen mit seinen Arbeiten [18]. Ohne Systemkunde und systemische Methoden werden wir mit einem mechanistischen Weltbild im 21.Jahrhundert endgültig scheitern. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass Jeremy Rifkin von einem „Biosphärenbewusstsein“ spricht, das sich weltweit entwickelt [19]. Mein Leitmotiv fand ich 2002 in der Zeitschrift “Praxis der Systemaufstellung”, Heft 1/2002 [20]: “Lebende Systeme funktionieren nicht, wie wir wollen, sondern wir funktionieren, wie sie wollen. Wenn das stimmt, wird nicht nur der seit der Aufklärung postulierte ‘freie Wille des Menschen’ in Frage gestellt, sondern dieses Prinzip muss dann wohl auch für alle sozialen Organisationsformen gelten. Für den vernunftbegabten Menschen ist das starker Tobak.” Die Methode der Aufstellung von (Teil)systemen mit Repräsentanten im Raum kann in Worten nur sehr dürftig beschrieben werden. Das Erleben ist das Entscheidende. Daher wird hier auf die Beschreibung eines Ablaufes verzichtet. Als Stichwort seien nur noch genannt „repräsentierende Wahrnehmung“ und „morphologisches Feld“. Die klassische Wissenschaft kann sich die Phänomene in Aufstellungen nicht erklären. Es bleibt jedem selbst überlassen, „Neuland zu betreten“. Auf dem alten Terrain kommen wir sowieso nicht mehr weiter. "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. Albert Einstein [21] Bei der Gruppe „Politik im Raum“ sind Sie aktiv tätig. Beschreiben Sie ein wenig, was Sie erlebt haben und was Sie an Erkenntnissen mitnehmen. In der Gruppe „Politik im Raum“, initiiert und geleitet von Dr. Ruth Sander, werden aktuelle Themen aufgegriffen und Vorschläge von TeilnehmerInnen in Aufstellungsabenden umgesetzt. Die Abende sind öffentlich und finden in München statt: Zwei Aufstellungsabende will ich hier kurz ansprechen. Kuno Kübler 17 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Aufstellung Nr. 1 „Die Erde kann ohne uns leben – wir nicht ohne sie“, Ankündigung vom 03.12.2008 in München. Bei diesem Aufstellungsabend wurde die Eingangsfrage von den TeilnehmerInnen so formuliert: „Wie kommen wir zu einer Beziehung, die der Erde und uns Menschen im Prozess des Wandels gut tut?" Es wurden dann folgende Elemente gewählt und von Repräsentanten übernommen: zeigt sich als wird ergänzt um: Frauen • die Erde, • die Menschen, Männer • die Vision, wandelt sich zu „Kinder 1“ (nächste Generation) • die Beziehung, • der Wandel, • die Hindernisse, • die Ressourcen. „Natur“ Bäume Kosmos Kinder 2 (übernächste Generation) Das Protokoll dieser Aufstellung kann im Internet (oder im Anhang) nachgelesen werden [22]: Link: http://www.netzwerk-gemeinsinn.net/content/view/446/43/ [23]. Nach der Aufstellung gibt es noch eine Reflexionsrunde. Abb. 11: Beispielbild aus einer Aufstellung [22] Ob der Wandel gelingt und die Menschen weiterhin ein Bestandteil im Ökosystem sind, hängt sehr von ihnen selbst ab. Die „Erde“ äußerte sich mehrfach, dass sie auch anders könne (Vulkanausbrüche, Erdbeben etc.), wenn die Menschen nicht umdenken und anders handeln. Es gilt die Werte wieder zu erkennen, die unsere Lebensbasis ausmachen. Ansonsten kann uns dies in Naturkatastrophen gespiegelt werden. Kuno Kübler 18 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Z.B. war Neuseeland mit seiner herrlichen Natur in den beiden letzten Jahren (2010/2011) Schauplatz zweier schwerer Erdbeben und wenigstens einer Ölpest mit mehreren hundert Tonnen Schweröl, die die neuseeländische Küstenregion verseucht hat. Diese Zeichen sollten erkannt und in „Handeln“ umgesetzt werden. Aufstellung Nr.2 „Welche Bedeutung geben wir dem Begriff „Nachhaltigkeit“? Ankündigung vom 26.03.2010 Bei diesem Aufstellungsabend wurde die Eingangsfrage von den TeilnehmerInnen so formuliert: „Wie wirken folgende Elemente in Bezug auf Nachhaltigkeit zusammen ?“ Als Elemente wurden gewählt: Menschen 1 Menschen 2 Politik Wirtschaft Luxus Nachhaltigkeit Bremse Zukunft Eine zentrale Stelle aus dem Protokoll der Aufstellung möchte ich zitieren: „Da hat der im Hintergrund am Boden liegende Luxus einen Geistesblitz: „Nachhaltigkeit ist Luxus!“ – Er steht auf und stellt sich wertschätzend, liebevoll und leise nahe zur Nachhaltigkeit. Während die Anderen weiter verhandeln (Menschen 1 wollen Menschen 2 Richtung Nachhaltigkeit und Wirtschaft orientieren, während Menschen 2 nur Nähe und Verbundenheit suchen), blüht die Nachhaltigkeit durch die Nähe zum stillen Luxus immer mehr auf. Schließlich machen sich Nachhaltigkeit und Luxus langsam und beschwingt, untergehakt auf den Weg, ziehen große Kreise im Raum: „Es ist wunderschön, einfach nur spazieren zu gehen, zu schauen, zusammen zu sein. Das ist ein Genuss, ein Luxus!“ Fazit des Abends: „Gelebte Nachhaltigkeit ist Luxus pur“, wie ein Teilnehmer zusammenfasste, aber nur wenn die Transformation gelingt. Dazu bedarf es offenbar eines „Geistesblitzes“ und das alte Bild von Nachhaltigkeit=Verzicht muss erst aufgelöst werden. Der materielle Luxus hat sich in eine neue Qualität verwandelt, die eher einen geistigen oder spirituellen Charakter hat. Zu diesem Abend gibt es ebenso ein Protokoll von Dr. Ruth Sander (siehe Anhang). Im Zusammenhang mit Aufstellungen beschäftigen mich weitere Themen: Zeithorizont: Bei einer Betrachtung unter dem Fokus „Nachhaltigkeit“ ändert sich der Zeithorizont. Er dehnt sich aus auf über 100 Jahre und mehr. Kuno Kübler 19 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Das „7 Generationen-Modell“ Wie können wir die Auswirkungen eines geplanten Projektes über 7 Generationen bzw. einen Zeitraum von z.B. 150 Jahren in seinem Ökosystem abschätzen. Die Herleitung für das „7Generationen-Modell“ unterbleibt an dieser Stelle. Vielmehr will ich versuchen dies in einer Fragestellung zur ökologischen Langzeitauswirkung eines regenerativen Energieprojektes an zu reißen: Es stand an, diese Fragestellung beim Bau des Praterkraftwerkes an der Isar im Stadtbereich München zu beurteilen. Wenn dafür heute ein paar Bäume gefällt werden müssen, um eine optimale Größe des Kraftwerkes zu erreichen, wie sieht die Bilanz über 150 Jahre aus? Die etwas höhere, erzeugte Strommenge pro Jahr ist mit „150“ zu multiplizieren. Zudem haben die Bäume für die Ersatzpflanzung über einen langen Zeitraum die Chance den Schaden durch die Baumfällungen auszugleichen. Mit Hilfe der systemischen Strukturaufstellung oder der „Systemic Enquiry“ (Weiterentwicklung von Dr. Gerolf Bender) kann auch eine Abfrage auf dem Zeitstrahl zum ökologischen Nutzfaktor eines Projektes gemacht werden. Es macht mir auf jeden Fall großen Spaß, systemische Zusammenhänge zu erleben, mich immer wieder einmal in der Zeitqualität bestätigt zu sehen, die ich spüre und wahrnehme. Für einige Monate tragen mich diese Bestätigungen in meinem Alltag. Zudem habe ich jede Menge an Ideen für neue Aufstellungsthemen und Formate. Nur ein nächster Arbeitsschritt sei noch genannt: Systemische Spielregeln für den Alltag An diesem Punkt ist noch nicht viel für die Alltagsanwendung beschrieben. Das bleibt einem meiner, nachfolgenden Projekte vorbehalten. Je weiter Sie vordringen, desto mehr des Bestehenden stellen Sie in Frage. Finden Sie immer wieder Gleichgesinnte mit denen Sie sich verständigen und austauschen können? Ja. Erst im Dezember hatte ich einen visionären Gesprächspartner, da hat es mir glatt „die Schuhe ausgezogen“. Ich bin nicht der einzige Vordenker und Vorreiter, um mich für eine lebendige Nachhaltigkeit einzubringen. Hans-Peter Dürr beschreibt den Begriff „Nachhaltigkeit“ so: „Das Lebendige lebendiger werden lassen“[25]. Nachhaltig leben, soll Spaß machen und mich nicht mit tausenderlei Bedenken blockieren. Nachhaltig leben in den drei Bereichen: Abb. 12: aus Kursflyer der Hochschule München (2012) [6] Neben Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit (aktuell: Arabischer Frühling, Occupy Everywhere-Bewegung) spielt für mich noch die geistig / spirituelle Dimension eine Rolle. Kuno Kübler 20 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Seminare mit dem Titel „Spiritualität und Wirtschaft“ lassen aufhorchen und zeigen den Bedarf an Wandel in allen Bereichen der Gesellschaft. Jeremy Rifkin schreibt in der taz [19]: „Nunmehr würde sich die Menschheit in Einheit mit der Natur als Großfamilie begreifen.“ (Stichwort Biosphärenbewusstsein). Wenn dies nur schneller vor sich ginge ! Im Mai 2007 hat sich das EUParlament in einer Erklärung für Rifkins Idee ausgesprochen, die EU-Kommission will Europa bis 2050 ökologisch umbauen. Bei dem „Be the Change“-Seminar 2011 in Gronsdorf [26] wurden Übungen gezeigt, die einem schnell auf die Sprünge helfen können, sich aktiv und spielerisch mit dem schweren Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Sich mehr auf die eigene Intuition zu verlassen, kann helfen die sonst „Kopf gesteuerten“ Fehlentscheidungen zu umgehen. Auf der Gedenkveranstaltung der E. F. Schumachergesellschaft am 17.09.2011 zum 100.Geburtstag von E.F.Schumacher wurde erwähnt, dass es bislang keinen Lehrstuhl für „Intuition“ gebe. [27] Mehr erfahren: “Fühlen ist klüger als denken! Mit Intuition die richtigen Entscheidungen treffen” von Kurt Zyprian Hörmann [28]. Mit Sicherheit haben Sie sich mit weiteren Methoden und Arbeitsinstrumenten beschäftigt, die Sie hier nicht vorstellen werden. Die Vielzahl der Themen, mit denen Sie sich beschäftigt haben, aber auch der Tiefe, mit der Sie in ein Thema eindringen ist erstaunlich. Über das „Wie“ zur Erfassung der komplexen Umwelt Bescheid zu wissen, erleichtert es mir, die angedachten Lebensbereiche näher unter die Lupe zu nehmen. Einen nachhaltigen Lebensstil kann ich nicht von heute auf morgen entwickeln. Dem Ziel kann ich Tag für Tag näher kommen, aber auch Rückschläge müssen verkraftet werden können. Es ist einer von vielen möglichen Lebensstilen. Es wäre an der Zeit, dass mein privates Forschungsprojekt wissenschaftlich näher betrachtet wird und Vergleichsuntersuchungen angestellt werden. Kuno Kübler 21 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 4 Umsetzung in den einzelnen Lebensbereichen Doch was wurde aus Ihren Zielen? Beschrieben Sie die erreichten Schritte. Als nächstes stand ich vor der Aufgabe, das angeeignete, theoretische Wissen in die Praxis umzusetzen, Erfahrungen zu machen und Erkenntnisse zu sammeln : Im folgenden sind die Verhaltensänderungen in den einzelnen Lebensbereichen näher beschrieben. • • • • • • • Energie Mobilität Ernährung Wirtschaft / Arbeit: • Fehler im Geldsystem und Auswege • Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten • Solidarökonomie gemeinschaftlich Wohnen Vernetzung Bewusstsein Abb. 13: Schematische Darstellung der Vernetzung zwischen den Lebensbereichen für ein einzelnes Individuum Visionen ohne Taten werden zu Träumereien, Taten ohne Visionen zu Alpträumen. Japanisches Sprichwort Kuno Kübler 22 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 4.1 Bereich: Energie Autark werden mit regenerativen Energien Jeremy Rifkin FOET schreibt in dem erwähnten taz - Artikel [19] „Ihr habt ein richtig großes Problem“ über die dritte industrielle Revolution, die die Bereiche Erneuerbare Energien und Internet betrifft: In wenigen Stichworten zusammengefasst, sehe ich weiterhin viel Arbeit vor mir und den vielen MitstreiterInnen liegen: „Die fünf Säulen: • Umstieg auf Erneuerbare Energien • dezentrale KWK • Ausbau von Energiespeichern • Elektrofahrzeuge (?)* als Speicherstationen (!)* • Verbindung von Internet und Energienetz, um Energie zu managen und wie Informationen zu verteilen.“[19] Abb. 14: Entwicklung des Ölpreises 1960 – 2011 [29] Auf der CD-ROM „Zeitbombe Klimawandel“ gibt es ein Teilszenario „Energie“. Der Umstieg von den fossilen Energieträgern auf Regenerative Energiequellen ist dort anschaulich dargestellt. An dieser Stelle der Ausführungen steht die Umsetzung meiner Vorstellungen und die praktische Erfahrung im Vordergrund: Über 20 Jahre beschäftigte ich mich theoretisch und praktisch damit [30]. Am liebsten führe ich dann den Sonnen-Motor nach Kolin vor. Er arbeitet nach dem Stirlingprinzip (www.stirlingmotor.org). Gleichzeitig befasste ich mich mit Energiesparen und Energieeffizienz. Wer weiß, dass in amerikanischen Kühlschränken das Butterfach elektrisch beheizt wird, damit die Butter streichzart bleibt? * „?“ und „!“ Anm. d. Verf. Kuno Kübler 23 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Es gibt auch deutsche Kühlschränke, da brennt das Licht, selbst wenn die Türe geschlossen ist. Nur so werden wir die Energiewende zu 100 % regenerative Energien nicht schaffen. Das ist klar. Höhepunkt meiner Forschungsarbeiten war die Einbindung eines Mikro-Heizkraftwerkes in ein virtuelles Kraftwerk (2009) [31]. Das Heizsystem war zwar schon fast 20 Jahre alt, aber immer noch das energiesparendste (Niedertemperaturheizung der Böden und Wände, LeitwerkSchichtspeicher nach Sandler). 1991 kam die erste Solarstromanlage auf das Dach des „ÖkoSolar-Hauses“ in München-Perlach und wurde mit 7,5 Ct/kWh der Stadtwerke München vergütet. Dafür war ich im Haus mit meiner Beleuchtung autark vom öffentlichen Stromnetz. Leider fiel zu selten das öffentliche Netz aus, um dann bei mir auf „Festbeleuchtung“ schalten zu können. Die Benzin- und Ottomotoren werden so schnell nicht ersetzt werden, aber man kann das Auto als mobiles Mikroheizkraftwerk in der Garage betreiben und an die Heizung anschließen. Über Zwischenschritte lassen sich Erfahrungen sammeln und eine Monostruktur mit Elektroautos ist sicher nicht erstrebenswert. Seit 1985 zeichne ich jeden Monat meinen Strom, Gas und Wasserverbrauch auf. Kein elektrisches Gerät wird bei mir angesteckt, ohne dass ich es auf Standby-Stromverbrauch getestet habe. Jedes Watt bedeutet, dass ich den Gegenwert von einer Pizza im Jahr weniger genießen kann. Diese einmalige Mühe lohnt sich, denn nächstes Jahr ist wieder eine Pizza fällig. Nachdem der Platz auf dem Hausdach mit Sonnenkollektoren und Solarzellen belegt war, habe ich mich dann an weiteren Photovoltaikprojekten beteiligt. 2005 entstand eine Bürgerbeteiligungsanlage der Agenda 21 Gruppe Hadern in Oberschleißheim [32]. Die jährlichen Die Erträge an Sonnenstrom sind in Kilowattstunden dargestellt. Abb. 15: Erträge des 1. Oberschleißheimer Bürger-Solarkraftwerkes (2005-2009) So kann ich Stück für Stück meinen CO2-Rucksack „leeren“ bzw. meinen ökologischen Fußabdruck auf der Erde verringern. Eine Beteiligung an einer Solarstromanlage mit 1 kW Leistung bedeutet, dass dadurch ca. 800 kg CO2 vermieden werden. Kuno Kübler 24 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 16: Der ökologischen Fußabdruck in Kombination mit dem Human Development Index (HDI), Fachgebiet Nachhaltige Ernährung, TUM [33] Mehr erfahren: Der Ökologische Fußabdruck ist auch als Flyer der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) erhältlich [33] Es gibt das Klimasparbuch München (Ausgabe 2010), das wertvolle Anregungen enthält [34]. Zudem finden sich mehrere CO2-Rechner im Internet, um die persönliche Bilanz zu bestimmen. Abb. 17: Karikatur zum Ökologischen Fußabdruck [33] Dem ersten, solaren Zeitalter folgt(e) für eine kurze Zeitspanne das fossile Zeitalter. Doch dieses neigt sich dem Ende zu und wir treten ein in das zweite solare Zeitalter. Siehe Abb.1 auf Seite 5. Kuno Kübler 25 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Die Insel El Hierro hat ihre Energieversorgung im Rahmen der „Blue Economy“ (Gunter Pauli) auf erneuerbare Energien umgestellt und somit entsteht eine Wertschöpfung auf der Insel. Müssten fossile Energieträger eingekauft werden, so würde dies Ausgaben von acht Millionen Euro pro Jahr verlangen [35]. Mein persönliches Ziel: Prof. Hans-Peter Dürr, Träger des Alternativen Nobelpreises, beschreibt in einem Aufsatz die 1,5 kW Gesellschaft (Belastungsgrenze des Ökosystems Erde bei 7 Mrd. Menschen) [36]. Bildlich gesprochen sind dann immer noch 15 Fitnessprofis, Dürr nennt sie „Energiesklaven“, rund um die Uhr im Einsatz, um mit je 100 W Dauerleistung meinen Energieverbrauch abzudecken. Über Beteiligungen an regenerativen Energieprojekten will ich (siehe S. 33f) meinen CO2Rucksack von 10-11 Mg reduzieren und auch die benötigte Energiemenge bereitstellen können. Meine nächsten Wünsche: • Elektrofahrradanhänger von Willi Kirchensteiner • Mit anderen ein NEGAWATT-Kraftwerk bauen. • Getreidemühlenfahrrad (s. Abb. 18) Abb. 18: Getreidemühlenfahrrad beim Hoffest auf Gut Riem 4.2 Bereich: Mobilität Die meisten Wege lege ich seit meiner Kindheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und das Glück gehabt, hier ansatzweise das „Sensitivitätsmodell“ von Prof. Dr. F.Vester einsetzen zu können. Erst jetzt kann ich sagen, dass ich mich mit dem Thema „Nachhaltige Mobilität“ beschäftigt habe, ohne dass dieser Begriff schon geprägt war (Brundtland 1987). Außerdem ist mit der Straßenbahn und U-Bahn in vielen Städten der Welt seit Jahrzehnten die „Elektromobilität“ Realität . Aus meiner Diplomarbeit [37] habe ich zwei Seiten ausgewählt (siehe Anhang [38]), die eine Darstellung der Situation (1982) bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht biokybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit einer möglichen anderweitigen Nutzung der Straßenbahn wiedergeben. Kuno Kübler 26 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Natürlich besitze ich (seit 1978) einen Führerschein, bin Auto gefahren und kenne auch das Gefühl, wie schnell man vom Auto abhängig werden kann. Darum lohnt es sich beim „Autofasten“ mitzumachen, um entdecken zu können, dass es ohne Auto in der Stadt auch geht. Die neuesten Untersuchungen zeigen, dass das Auto bei den jungen Städtern an Bedeutung verliert [39]. Jetzt wohne ich in einem neuen Stadtteil Münchens, der Messestadt Riem, wo dem Autofahrer Grenzen gesetzt werden. Aber autofrei ist das Viertel noch nicht. Und die „einfallenden“, auswärtigen Vielfahrer sind eine Plage. In der Tiefgarage der Wohnanlage bei „wagnis 3“ (s.S.36) stehen zwei STATTAUTO-Fahrzeuge und so wurde mein PKW im Herbst 2011 verkauft. Im Dezember 2011 wurde das 10.000 Mitglied bei STATTAUTO München aufgenommen. Ich träume immer noch von dem Elektrofahrradanhänger von Willi Kirchensteiner und habe die Hoffnung nicht aufgegeben Mitstreiter zu finden, um mein Fahrrad zu elektrifizieren. Noch mehr Spaß würde es mir machen, wieder einmal selbst eine Straßenbahn durch München zu fahren. Seit 115 Jahren ist die Straßenbahn Paradebeispiel für innerstädtische Elektromobilität und die UBahn seit 40 Jahren in München. Elektromobil „Laubfrosch“ und Öko-Solar-Haus in München Ramersdorf (1994) (s. Abb. 19) Abb. 19 Elektromobil „Laubfrosch“ und Öko-Solar-Haus Die Erinnerungen an die Bayern Solar von 1994 lösen noch heute ein Glücksgefühl bei mir aus. Es war eine große Freude, den Sieg mit dem grünen „Laubfrosch“ (Fa. Horlacher Schweiz) errungen zu haben. Mein „Spritverbrauch“ lag umgerechnet bei 0,7 l Benzin auf 100 km (7 kWh Strom). Elektroautos für den heutigen Verkehrsstandard zu entwickeln, heißt für die Vergangenheit zu entwickeln. Vielmehr sollten die Aussagen von F.Vester in dem Buch „Ausfahrt Zukunft“ den Neuentwicklungen zugrunde gelegt werden [40]. Kuno Kübler 27 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 4.3 Bereich: Ernährung Bei diesem Thema fällt mir auf, dass die Umstellung auf gesunde und klimaschonende Ernährungsweise bei mir am längsten dauert. Obwohl ich in den 1980ern Volkshochschulkurse zu Vollwerternährung und Biolebensmitteln besuchte, war dies am schwierigsten für mich. Bis heute gibt es in unserer städtischen Kantine kein Bioessen. Gerade einmal ein vegetarisches Gericht, das aber immer noch tierisches Fett enthalten kann. Die meisten Lebensmittel kaufe ich inzwischen im Bioladen ein. Es war ein Erkenntnisprozess, zu begreifen, dass ich durch den Kauf der Produkte von der Biogärtnerei Obergrashof bei Dachau [41] mit dazu beitrage, dass ein seltener Schmetterling eine Überlebenschance hat. „Manchmal fällt das Zehnerl, pfennigweise“. Mich gesund, vollwertig, mit regionalen und saisonalen Produkten, weniger Fleisch und Biolebensmitteln zu ernähren [42], kann meinen CO2-Rucksach stark entlasten. 20% der CO2Emissionen sind dem Bereich Ernährung zuzuordnen. Abb. 20: Anteile der Treibhausgas-Emissionen nach Bereichen – in Deutschland [42] Die Bekanntschaft von Dr. Karl von Koerber, der das Büro für Ernährungsökologie leitet und an der TUM das Aufgabengebiet „Nachhaltige Ernährung“ mit einer eigenen Arbeitsgruppe führt, hilft mir, auch in diesem Bereich Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Der Besuch der Weltleitmesse „Biofach 2011“ in Nürnberg hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Viele Menschen bringen sich für den Erhalt der Biodiversität, gesunder Böden, sozialer Arbeitsbedingungen, fairen Handel, energie- und ressourcenschonenden Handelns etc. ein. Und das Ganze mit viel, viel GENUSS. Nachzulesen auch in dem neuesten Werk meines jetzigen Nachbarn Dr. Karl von Koerber „Nachhaltig geniessen – Rezeptbuch für unsere Zukunft“ (Trias Verlag, Februar 2012) [43]. Die Weisheit des Bauches In dem Geo-Magazinartikel 11/2000 war von dem Bauchhirn die Rede. Eine Vielzahl an Informationen fließen vom Bauchhirn zum Kopfhirn. „Das Kopfhirn denkt, es würde autonom entscheiden, weil es nicht merkt, wie es vom Bauchhirn gesteuert wird“ [44]. In 75 Jahren verdauen wir: 30.000 kg Lebensmittel und 50.000 l Flüssigkeit. D.h. für mich: die Qualität der Lebensmittel mit ihrer Vielzahl an Informationen entscheidet auch darüber, was ich denke. Wenn ich eine holländische Wassertomate esse, nehme ich andere Informationen auf, als wenn ich eine sonnen gereifte Biotomate esse. Das Mehr kann ich nur über den Geschmack erahnen. Mit klassischen, physikalischen und chemischen Messmethoden wird dies nicht erfasst. Kuno Kübler 28 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Dies war nochmals ein kurzer Blick in das Innere des biologischen Systems. Die Systemgrenzen sind auf der materiellen Ebene klar. Die Kontaktflächen zur Umwelt können trotzdem gewaltig sein. Die Oberfläche der Haut beträgt z.B. 2 m². Die Innenoberfläche des Darmes beträgt ein Vielfaches davon. Die schematische Darstellung der Vernetzung zwischen den Lebensbereichen deutet komplexe Strukturen an. Die Bereiche berühren sich und überschneiden sich. Behalten Sie dabei den Überblick? Ja. Hier kann ich gleich ein Beispiel geben: Nach dem Blick ins Körperinnere wende ich mich nun wieder dem außen zu und habe mein Handeln so ausgerichtet. Um z.B. mit meinen Möglichkeiten aktiv die Biohandels-Szene zu unterstützen, habe ich eine Beteiligung am Biosupermarkt Grüner Markt mit einem Genussrecht in 2010 getätigt. [45] Damit komme ich zum nächsten Thema, das zentral im Vernetzungsschema steht und das seit ein paar Jahren ein Dauerbrenner ist, die Finanzkrise, eher Finanzdauerkrise. 4.4 Bereich: Ökonomie Die 3.Dimension der Nachhaltigkeit betrifft den Bereich Wirtschaft. Aus diesem Themenkomplex möchte ich nur den Ausschnitt „Geldsystem“ heraus greifen. Meine Hauptrolle im Wirtschaftssystem ist die des Verbrauchers, daneben die des Arbeitnehmers und nebenberuflich als Selbständiger. Auf der persönlichen Ebene des Einkommenserwerbes habe ich vor mehr als 15 Jahren experimentiert. Z.B. habe ich eine Arbeitspause über längere Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung eingelegt. Seit dem Jahr 2000 arbeite ich Teilzeit mit 50 bis 60 % (sog. „Brotjob“). Weniger Arbeit, bedeutet weniger Geld und Konsum, dafür mehr Zeit und Lebensqualität. Antizyklisch am Montag einen freien Tag zu haben und Ausflüge machen zu können, ist wunderbar. Kein Stau, kein Gedränge, Sonderpreise etc. Neben dem weniger an Arbeiten, kam das Standbein freiberufliche Nebentätigkeit dazu. Diese wird in den Interessensgebieten ausgeführt und ist mit dem Lustfaktor gekoppelt. Darüber hinaus gibt es ein jahrzehntelanges, ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement [46]. Ohne Geld zu leben, diesen Weg sind nur wenige Menschen gegangen, siehe z.B. „Das Sterntalerexperiment“ [47]. Da mein Alltag nicht ohne Geld funktioniert habe ich hier aus der Analyse des Finanzsystems meine Wege gefunden und begonnen aktiv an Alternativen mitzuarbeiten. 4.4.1 Fehler im Geldsystem und Auswege Unter dem Titel „Welt Macht Geld“ hat Georg Zoche ein Buch verfasst [48]. Die Systemfehler des globalen Finanzsystems werden von den Insidern nicht gesehen. Vielmehr erfindet man schöne neue Bezeichnungen wie „Lehmann-Moment“, um den Glauben an ein ewiges Wachstum aufrecht erhalten zu können. Der Zinseszins ist als exponentielle Funktion in der Mathematik bekannt und beschrieben. Kuno Kübler 29 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Exponentielles Wachstum (Zinseszins-Wachstum) "Jeder der glaubt, dass exponentielles Wachstum in einer endlichen Welt für immer weitergehen kann, ist entweder verrückt oder ein Wirtschaftswissenschaftler." Kenneth Boulding, anerkannter US-Professor und Wirtschaftswissenschaftlicher britischer Herkunft Zu dem Thema Geldsysteme gibt es Bücher über Bücher. An dieser Stelle seien ein paar anschauliche Beispiele genannt. Im Grunde ist es auch eine Glaubens- und Vertrauensfrage. Geld ist bedrucktes Papier, mehr nicht. Wir glauben an den Wert eines „50-Euro-Scheines“, der mit nichts hinterlegt ist. In einer Hyperinflation und Währungsreform können hierzu die Erfahrungen gemacht werden. Abb. 21: Geldschein der Bank von Zimbabwe (2008) [49] Gerade einmal drei Eier konnten mit 100.000.000.000 Zimbabwe Dollar gekauft werden (2008). Ich will Ihnen weitere Beispiele zur Verdeutlichung der Zinseszins-Thematik nennen: Sie haben die Wahl für ein Jahr (52 Wochen) a) ein Gehalt von 10.000 Euro pro Woche oder b) ein Gehalt, das sich von 1 Cent in der ersten Woche, auf 2 Cent in der 2.Wochen, 4 Cent in der dritten Woche etc. verdoppelt, zu wählen. Was wählen Sie ? Was schätzen Sie verdienen Sie nach 20 Wochen im Fall b) und was in der 52. Woche? (Lösung im Anhang). Das genannte Gehaltsbeispiel stammt aus dem Vortrag von Margrit Kennedy, die mehrere Bücher zum Thema Geld geschrieben hat. Eine Kernaussage sei hier wiedergegeben: Wir haben ein undemokratisches Finanzsystem, das zu Lasten von über 90 % der Bevölkerung geht. Dies gilt weltweit: „Eine Hauptursache für Inflation, regelmäßige Krisen und Zusammenbrüche liegt in der fehlerhaften Konstruktion unseres Geldsystems. Davon profitiert eine kleine Minderheit von etwa 10 Prozent der Menschen. Die große Mehrheit zahlt drauf. Über die in allen Preisen und Steuern versteckten Zinsen beträgt diese Umverteilung von Arm zu Reich in Deutschland etwa 600 Millionen Euro pro Tag“ [50]. Doch unser Geldsystem ist nicht gottgegeben. Wir können es neu gestalten! Also „Occupy Money“, so lautet der Titel des neuesten Buches von M.Kennedy (2011). Kuno Kübler 30 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Alexander Czerny beschreibt in dem Aufsatz „Kurzbeschreibung der aktuellen Finanzkrise (2009)“ [51] dass den Billionen an öffentlichen Schulden Billionen an privaten Guthaben gegenüberstehen. Abb. 22: Geldschulden und Geldvermögen [52] Die Frage bleibt offen, „Wer hat die Billionen?“. Es sind nur ein paar Dutzend Familien weltweit. Dafür haben fast 7 Milliarden Menschen die Schulden und werden zum „Schuldendienst“ gezwungen. Es ist möglich, das System zu durchschauen. Es wird immer wieder argumentiert, dass es den Zins braucht, um das Geld im Umlauf zu halten. Bei der Regionalwährung Chiemgauer zeigt sich, dass sich der Negativzins auf eine höhere Umlaufgeschwindigkeit auswirkt: Abb. 23: Umlaufgeschwindigkeit der Regionalwährung Chiemgauer [53] Kuno Kübler 31 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften F.Malik vom Managementzentrum St.Gallen hat eine Systemstudie nach Vester erstellt und hier zeigen sich viele positive Rückkopplungen [54]. Das weltweite Finanzsystem wird sich weiter aufschaukeln bis es kollabiert. Ob dann ein neues System geschaffen wird, ist unklar, denn die Systemfehler im bisherigen System werden bisher kaum benannt und Änderungen gefordert. Abb. 24: Teilszenario aus einer Systemstudie nach Vester [54] Ich möchte noch eine Auswahl an Aufklärern und einige kurze Anmerkungen hinzufügen: • Georg Zoche, Welt Macht Geld [48], • Margrit Kennedy, Occupy Money [50], • Bernd Senf, Der Nebel um das Geld, (Lösung von Blockaden, fließendes Geld) [55] • Jean Ziegler, Imperium der Schande [56] Anmerkungen: Eine letzte Rate aus einem Kriegsdarlehen vom 1.Weltkrieg 1914 wurde 2011 von Deutschland an einen privaten Geldgeber zurückgezahlt [57]. Frage: Welche Darlehen laufen noch aus dem 2.Weltkrieg für den die Enkel und Urenkel noch zu arbeiten und Zahlungen zu leisten haben? Vor 40 Jahren am 15.08.1971 hat der amerikanische Präsident Nixon die Golddeckung des US $ aufgehoben. Seitdem sind es bedruckte, grüne Scheine. Die Staatsschulden der U.S.A. liegen derzeit bei mehr als 14.000.000.000.000 US $. Jean Ziegler beschreibt in seinem Buch „Imperium der Schande“ sehr gut das weltweite Finanzsystem und weshalb täglich eine Milliarde (!) Menschen hungern müssen, davon 25.000 bis 30.000 täglich sterben. In der 1.Welt werden etwa 20 bis 50 % der erzeugten Lebensmittel weggeworfen statt verzehrt. Zudem gibt es einen makaberen Wettlauf der Vorstandsvorsitzenden von Lebensmittelkonzernen, um sich gegenseitig im Wachstum und Gewinn zu überbieten. Ethik und Moral müssen da auf der Strecke bleiben. Eine neue Studie von foodwatch zeigt auf, dass „Hunger durch Spekulation“ gemacht wird. Die Finanzprodukte hierzu werden offen in den Banken beworben. Sie sind allerdings gut verpackt, so dass der unbedarfte Anleger dies nicht erkennen kann. Kuno Kübler 32 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 25: Zahl der Hungernden weltweit (in Mio.) [58] Meine Konsequenzen und meine Handlungsalternativen: Seit der Lektüre des Buches „ Der Nebel um das Geld“ von Bernd Senf [55] im Jahr 1996 befasse ich mich damit, einen anderen Weg im Umgang mit den täglichen Geldgeschäften aber auch der Altersvorsorge zu entwickeln und zu gehen: Abb. 26: Cartoon von Waldah [59]: Die wundersame Geldvermehrung Kuno Kübler 33 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Mitbegründer der Regio-Geld-Initiative in München Bei der Gründung der Münchner-Regiogeld-Initiative 2005 habe ich mitgewirkt. Seitdem bin ich im Regioteam aktiv. In einer reichen Großstadt wie München ist dies ein sehr schwieriges Pflaster. In 2012 wird die Regiocard eingeführt, mit der man/frau bargeldlos bezahlen kann. Abb. 27: Folie aus dem Vortrag von C.Gelleri (Chiemgauer) [60]. Abb. 28: Titelseite des ersten Flyer zum Regio (2006) [61] Alle Informationen zum Regionalgeld im Großraum München finden sich unter www.der-regio.de Sie geben zu, dass die Bemühungen des Regio-Teams München bisher wenig an Erfolg gebracht haben. Machen Sie weiter? An dem Punkt muss ich sagen. Hier ist die Luft für mich raus. Es ist für viele noch ein weiter Weg, Kuno Kübler 34 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften sich darüber zu informieren, wie unser Geldsystem funktioniert, die eigene Trägheit und die Gewohnheit zu überwinden und zu alternativen Handlungen zu kommen. Die Weiterentwicklung des „Regio München“ in 2012 kann ich schwer einschätzen. Vielleicht kommen ja tatkräftige Interessierte zu unseren Treffen dazu. Wenn ich einen Artikel lese: „In den U.S.A: schießen die Lokalwährungen wie Pilze aus dem Boden“ [62] dann bestätigt mich dies und ich finde wieder Kraft für die nächste Wegstrecke. Die Lage wird von Tag zu Tag dramatischer (z.B. erhalten 45 Mio. Amerikaner Lebensmittelmarken [63]). In der Abschlussarbeit „Global Currency – Geld ist Zeit“ des Zertifikatskurses 2011/2012 beschreibt Christian Gruber eine global verwendbare elektronische Währung mit einer entfernungsabhängiger Abgabe/Steuer, die lokales Wirtschaften fördert [64]: „Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit ist eine elektronische, regionale Währung, die auch globales Wirtschaften ermöglicht. Mit der konstanten Einheit Zeit wird eine international bekannte Größe und ein leicht verständliches Rechensystem verwendet. Durch eine in den Zahlungsvorgang integrierte abstandsabhängige Abgabe können Ausgaben für das Gemeinwohl gedeckt werden“ [64]. Die einzelnen Themen schauen Sie sich immer wieder von einer anderen Seite an. Wie geht es mit dem Euro weiter? Wahrlich eine spannende Frage. Eine Antwort kann ich nicht geben, aber einen Hinweis: „Wie viel Sturm verträgt der Euro-Rettungsschirm?“ unter dieser Ankündigung fand am 13.2.12 von Politik im Raum ein Aufstellungsabend mit anschließender Reflexion statt: „Die EU schnürt ein Rettungspaket nach dem anderen und verkündet, dass nun endlich die Banken „bluten“ müssen. In mehreren südeuropäischen Ländern herrschen unübersichtliche Verhältnisse, zudem äußern Finanzexperten Zweifel, ob der Staatsbankrott Griechenlands durch Umschuldungen überhaupt noch zu verhindern ist. Pessimisten verkünden das baldige Ende des Euro als Währung, schlaue Geschäftemacher bieten für den Währungszusammenbruch im Internet Überlebenspakete (Trocken-Lebensmittel, Batterien, Pfefferspray…) für zwei Monate an. Was sollen wir davon halten? Welche Möglichkeiten haben wir, bleiben uns?“ Leider können die Erkenntnisse dieses Abends nicht mehr in die Arbeit einfließen. Vielmehr möchte ich mich dem Thema Altersvorsorge und meinen Beteiligungen an verschiedenen Projekten im Bereich Erneuerbare Energien zuwenden: 4.4.2 Altersvorsorge durch Beteiligungen an Erneuerbaren-Energie-Projekten Da die Rente nicht sicher ist und ich über den Umgang mit meinem Geld zentral Entscheidungen treffen kann, kann ich fürs Alter vorsorgen und gleichzeitig zügig die Energiewende mit voranbringen. Meine Beteiligungen liegen gestreut in mehreren Bereichen: • Wind, weht für mich in der Uckermark mit Förderung des ländlichen Raumes • Sonne, scheint für mich auf das Maximilianeum (Bay.Landtag) • Wasser, fließt durch das Praterkraftwerk unter der Isar • Biomasse, erzeugt Wärme und Strom in Seckach Kuno Kübler 35 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften In der Uckermark ist eine hofangepasste Biogasanlage im Entstehen (Frühjahr 2012). Der „Bioenergie Beatenhof“ mit Biogasanlage und Fischzucht wird den ländlichen Raum aufwerten. Der Projektplaner Gerd Hampel von der Clusterinitiative Energie Nord-Ost-Brandenburg [65], informiert mich regelmäßig über die Entwicklung des Projektes. Die Beteiligungen an erneuerbaren Energieanlagen dienen dazu, meinen CO2-Rucksack zu verkleinern, helfen mit, dezentrale Energieversorgungsstrukturen aufzubauen, lassen neue Arbeitsplätze entstehen, bedingen demokratische Kontrolle über Sinn und Größe von Anlagen. Es beinhaltet die Rückkehr zum menschlichen Maß (nach Leopold Kohr und E. F. Schumacher) [66,67] und fördert eine angepasste Energietechnologie („small is beautiful“), die überschaubar und beherrschbar bleibt. Kohr hat eine fussläufige Entfernung von ca. 21 km als „1 Kohr“ bezeichnet. Es gilt, verloren Gegangenes, Vergessenes wieder zu entdecken. Eine Beteiligung an BENG eG (Bürgerenergiegenossenschaft) [68] in München ist als einer der nächsten Schritte geplant. Ein Einstieg ist auch mit schmalem Geldbeutel möglich. Der „Lauf der Dinge“ lässt sich oft nur mit kleinen Schritten verändern und die Veränderung bedeutet eigene Gewohnheiten und Muster zu brechen [69]. Viele Ihrer Schritte sind Sie in den letzten zwei Jahrzehnten mehr oder weniger alleine gegangen und auch die Projekte waren Einzelprojekte. Jetzt werden es größere Schritte, die Sie zu einer Gemeinschaft geführt haben und größere Projekte, in denen Sie mit Ihrer Beteiligung einer von „vielen“ sind. Haben Sie als Pionier Gleichgesinnte gefunden? Ja, das „Öko-Solar-Haus“ entstand unter meiner Federführung. Jetzt haben sich schon viele auf den Weg gemacht und so treffen wir uns und können wir neue, größere Projekte starten. 4.4.3 Auf dem Weg zur Solidarökonomie Während meine Etappen mehr Einzelaktionen und persönliche Einzelakte waren, so sind größere Veränderungen nur mit größeren Organisationseinheiten und ihren zugehörigen Strukturen möglich. In der Veröffentlichung „Solidarökonomischer Aufbruch der Region Berchtesgadener Land – Ein alternatives kleinräumiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell stellt sich vor“ [70] beschreiben Franz Galler und Norbert Rost wie Einzelthemen, z.B. Regionalwährung Sterntaler, verknüpft und zu einem regionalen Wirtschaftskonzept wie der RegioSTAR Genossenschaft mit ihrem 3-Schalen-Modell ausgebaut werden können [71]. Meine Beteiligung mit den Pflichtanteilen und weiteren Geschäftsanteilen an der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG dient neben meiner Altersvorsorge, den Unwägbarkeiten eines ausreichenden Einkommens im Alter (Slogan von Norbert Blüm „Die Rente ist sicher“) auch weiteren Aspekten eines Lebens in der Postwachstumsökonomie. Damit wären wir beim nächsten Themenfeld den „Genossenschaften“. Greifen Sie die 2. Dimension der Nachhaltigkeit, den Bereich „Soziales“ nochmals auf, und betrachten Sie ihn unter einer anderen Handlungsoption doch einmal näher! Das tue ich gerne. Kuno Kübler 36 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 4.5 Bereich Genossenschaften (gemeinschaftlich Wohnen) In der Bayerischen Verfassung findet sich der Artikel 153, der genossenschaftlich organisierten Klein- und Mittelstandsbetrieben staatlichen Beistand zusichert [72]: „Artikel 153 Die selbständigen Kleinbetriebe und Mittelstandsbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie sind in der Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen. Sie sind in ihren Bestrebungen, ihre wirtschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit sowie ihre Entwicklung durch genossenschaftliche Selbsthilfe zu sichern, vom Staat zu unterstützen. Der Aufstieg tüchtiger Kräfte aus nicht selbständiger Arbeit zu selbständigen Existenzen ist zu fördern.“ In ihrer Veröffentlichung „Genossenschaften als Organisationen der sozialen Innovation und nachhaltigen Entwicklung“ schreibt Frau Prof. Dr. Susanne Elsen u.a. „genossenschaftliche Lösungen sind Teil der neuen Bewegungen zur Wiederaneignung und Erschließung von dezentralisierten und demokratischen Steuerungsformen sowie eigenständigen Handlungsmöglichkeiten, die als Teil der Suche nach tragfähigen Lösungen in der Postwachstumsgesellschaft zu verstehen sind“ [73]. Sozialgenossenschaften lassen sich nach Elsen mit folgenden Merkmalen kurz beschreiben: • Identitätsprinzip • Demokratieprinzip • Förderprinzip • Zweck und Nutzer bezogene Gewinnverwendung (keine dysfunktionalen Finanzmittelabflüsse) • Neutralisierung des Kapitals • Schule der Demokratie • Akt der Selbstbemächtigung • Stabilität durch Kooperation • Empowerment und Aneignung von Handlungsoptionen Internationales Jahr der Genossenschaften 2012 „Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. In der Begründung wird betont, dass Genossenschaften in vielen Ländern einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung leisten. Kreditgenossenschaften, ländliche und gewerbliche Genossenschaften stabilisieren regionale Wirtschaftskreisläufe und sorgen für lokale Beschäftigung.“[74]. Das Motto lautet „Ein Gewinn für alle“. Beispiel der Wohnungsbaugenossenschaft „wagnis eG“ Wohnen in München ist sehr teuer und so beschreibe ich den Ansatz der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG aus meiner Sicht als junges Mitglied (Eintritt 2008). Dabei kann ein ganzes Themenfeld betrachtet werden, da es nicht nur primär um die Schaffung günstigen Wohnraumes geht. Viele der vorweg besprochenen Themen, die ich in den letzten 30 Jahren für mich persönlich für einen nachhaltigen Lebensstil „abgearbeitet“ habe, finden sich hier wieder, nur mit dem Unterschied, dass es jetzt Themen für die Gemeinschaft sind. Auch „angesichts der veränderten demografischen Situation sind neue Formen des intergenerativen Zusammenlebens, sowie der Unterstützung auf Gegenseitigkeit von großer Bedeutung. Genossenschaften als gewachsene oder neue Unternehmen der sozial orientierten Kuno Kübler 37 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Wohnraumversorgung sind Partner für die Gestaltung des Wohnumfeldes sowie die Entwicklung und Stärkung lebendiger Nachbarschaften (z.B. Wagnis eG, München)“ [73], betont Frau Prof. Elsen. Am Beispiel eben der Wohnungsbaugenossenschaft wagnis eG, in der ich 2009 eine Wohnung im Projekt „wagnis 3“ in der Messestadt Riem bezogen habe, will ich beschreiben, was diese Wohnform für Vorteile bietet und welche Aufgaben für den Einzelnen damit verbunden sein können [75 ]: wagnis eG steht für [76]: wohnen und arbeiten gemeinschaftlich nachbarschaftlich innovativ selbstbestimmt © Wohnbaugenossenschaft wagnis eG Abb. 29: Motto der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG und Logo Wie es begann: 2008 hat mich das Schicksal nach vorne geschubst Ein Artikel im SZ-Immobilienteil (Juli 2008) [77] zog mich in den Bann: Kristine Alex schrieb über systemische Aufstellungen zu Wohnungen und Häuser. Im Artikel darunter wurde ein Wohnprojektetag angekündigt, den ich zusammen mit einem Freund besuchte und es gab bald kein zurück mehr. Unbeachtet ließ ich einen weiteren Artikel auf dieser Seite mit einem Bild vom Wagnis-Projekt, denn in einer „Ritter-Sport-Werksiedlung – quadratisch, praktisch, gut“ wollte ich nicht wohnen. Die Systemregel Nummer acht nach Vester (s.S. 9)vor Augen, kam dies für mich nicht in Frage. Nun, aber sehe ich aus einem dieser vielen Rechteckwohnblöcke der Messestadt aus dem Fenster… In den letzten Jahrzehnten habe ich mich immer wieder einmal mit dem Thema Lebensgemeinschaften beschäftigt. Ich weiß, dass ich vor langer Zeit mehrmals bei den Treffen einer Gruppe war. Ich bin insgesamt froh, dass mir das „wagnis-Projekt“ erst begegnet ist, als der Zeitpunkt war, um „wie auf einen fahrenden Zug auf zuspringen“ und passgenau dabei zu sein. Damit musste ich Kompromisse schließen, konnte nicht alles hinterfragen, musste Abstriche an meine Idealvorstellungen machen etc. Seit 15 Jahren kenne und verfolge ich z.B. ein ähnliches Wohnprojekt in Wien, die „Sargfabrik“. Seit ein paar Jahren war und bin ich noch Mitglied bei Wogeno München eG, ebenfalls einer Wohnungsbaugenossenschaft. Im August 2008 wurde ich Genossenschaftsmitglied bei wagnis eG, im September suchte ich mir meine Wohnung aus. In dieser Zeit besuchte ich die Informationsveranstaltungen von wagnis, die Plenen und lernte ich die GenossInnen in den aktuellen Projektgruppen des Projektes kennen. Als ich im Herbst 2009 im Haus Süd einzog, kannte ich schon fast alle meine NachbarInnen im Haus. Ein wohlig angenehmes Gefühl. Die Beschreibung des Projektes erfolgt stichpunktartig. Kuno Kübler 38 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Eckdaten des Projektes (aus den Informationsmaterialien, Stand 2008) [78]: • • • • • • Mehrgenerationen-Wohnen: Fünf Häuser mit 99 Wohnungen (7562 m² Nutzfläche) Café und Restaurant (verpachtet) Entfaltungsraum (Vortrags- und Veranstaltungsraum) drei Gästeappartements Tiefgarage mit sehr wenig Autos, zwei "Stattautos", dafür zwei große Areale für Fahrräder und Fahrradanhänger Gemeinschaftsräume: • Kinderraum, • Jugendraum • Bibliothek und Medienraum • Meditationsraum • Fitnessraum • Werkstatt (Metall und Holz) • Nachbarschaftstreff der Stadt München Weitere Treffpunkte: • drei Dachterrassen mit Kräuterbeeten • zwei Innenhöfe mit Tischen und Bänken • Naturkinderspielplatz (im Entstehen) • „Landeier“, Kleingartenparzellen zum Gärtnern (Mini-Urban Gardening, Basis für Transition Town Aktivitäten ist vorhanden). Weitere Merkmale: • Solarenergie (Sonnenkollektoren in einer Grundausstattung, erweiterungsfähig) • vier Niedrigenergiehäuser / ein Passivhaus • Mechanische Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung in allen Wohnungen Heizung: Drei Wärmepumpen mit Grundwasserwärme. Das System ist noch in der Einregulierungsphase. Die Arbeitszahl der Wärmepumpen ist für 2010 noch „suboptimal“. Im Bereich des Energiekonzeptes habe ich mich 2008 eingebracht und werde dies weiterhin machen. Somit fließt von vielen Seiten fachliches und berufliches Know-How auch anderer GenossInnen in die Gemeinschaft ein. Für eine Bauleitung, die solche Strukturen nicht kennt, war dies eine große Herausforderung. Auszeichnungen: • Gütesiegel der Stadt München 2006 im Wettbewerb "München - offen für Kinder“ • „jung, schön und noch zu haben“ (Immobilienpreis von muenchenarchitektur.de 2008) • Preis Soziale Stadt 2008 (vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.) • Genossenschaftspreis Wohnen" 2010, (GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.) • Ehrenpreis "guter Wohnungsbau" 2010 der Stadt München Dorfcharakter Für den Weg zum Müllraum oder die letzten Meter für den Nachhauseweg sollte man/frau Zeit einplanen, denn bei den zufälligen Begegnungen mit den NachbarInnen werden Fragen geklärt, Informationen ausgetauscht, an Termine erinnert usw. Kuno Kübler 39 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Es entstehen neue Beziehungsstrukturen: Die BewohnerInnen in jedem Haus treffen sich zu Hausgruppentreffen und klären die Anliegen. Die Regelungen z.B. für den Hausputz, die Infotafel über den Briefkästen etc. sind von Haus zu Haus verschieden. Generell wird versucht, einen Konsens mit möglichst wenig Einschränkungen zu erreichen. Jede Altersgruppe soll die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse finden (Bewegungsdrang der Kinder, Ruhebedürfnis der Freiberufler und SeniorInnen etc). Frühzeitig Rückmeldung zu geben ist wichtig, damit keine/r einen „dicken Hals“ bekommt und missmutig wird. Andererseits soll das Lachen und Fröhlich sein an lauen Sommerabenden nicht unterdrückt werden. Es gab schon Rundmails, in denen um erhöhte Rücksicht gebeten wurde, wenn jemand schwer krank war. Es ist große Bereitschaft da, aktiv zu zuhören, dazu zu lernen. Bei Konflikten gibt es auch GenossInnen mit dem beruflichen Hintergrund für „gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg“ etc. [79 ] .Das Potential an Ressourcen zur Realisierung von Visionen scheint mir schier unerschöpflich in dem wagnis-3-Projekt. Abb. 30: wagnis 3 BewohnerInnen auf den Laubengängen von Haus West/Süd (2011) [80] „Leben und leben lassen“, wobei die Grenzen nicht strikt gesetzt sind, aber immer wieder diskutiert werden und es auch Änderungen gibt. Jeden gilt es da „abzuholen“, wo er gerade steht und mit welchem individuellen “Rucksack“ er in wagnis 3 angekommen ist. Das intensivere, persönliche Kennenlernen hat erst begonnen. Es gilt viel Neues und Spannendes zu entdecken. Heute und morgen Viele Anforderungen sind für mich in dem Projekt erfüllt (z.B. behinderten- und altersgerechte Wohnungen), um dem Wandel in den nächsten drei Jahrzehnten begegnen zu können. 2008 hörte ich einen Radiobeitrag, dass Pflegeroboter in der Entwicklung sind für die Pflegeheime [81]. Ich bin erschrocken und dachte mir nur, bin ich froh, dass ich Mitglied bei wagnis geworden bin. Dann wird mir dieses Schicksal hoffentlich erspart bleiben, wenn ich in unserer Gemeinschaft im Alter Unterstützung und Pflege brauchen sollte. Durch den demografischen Wandel wird es eine große Herausforderung an die Gesellschaft werden, wie dies bewältigt werden kann. Mit oder ohne „Robby“? Kuno Kübler 40 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Die Satzung der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG vom 26.11.2007 [82] ist für alle GenossInnen bindend. Neben den Organen, Vorstand und Aufsichtsrat gibt es weitere, Themen bezogene Projektgruppen, das Nachbarschaftswerk wagnis e.V. und Kooperationen mit Vereinen und Gruppen in der Nachbarschaft. Das wagnis 3 Projekt ist keine Insel, wagnis will eingebunden sein, vernetzt sein mit der Nachbarschaft in diesen nach ökologischen Gesichtspunkten ausgerichteten Stadtteil [83]. Als Herzstück wächst das Café und Restaurant heran. GenossInnen und NachbarInnen treffen sich, besprechen sich und feiern, wenn wieder etwas gelungen ist. Wunsch und Wirklichkeit Das ursprünglich geplante Bio-Café und Restaurant eröffnete als konventionelles Lokal. Bei so manchem der GenossInnen war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Der Kreis mit Vorstellungen von gesunden, fair gehandelten, regionalen und saisonalen Produkten hätte sich so leicht schließen lassen. Die Nachbarschaft hatte sich im Vorfeld schon auf einen Bio-Backshop, Regale mit Biolebensmitteln etc. gefreut [83]. Vielleicht besinnt man sich bei einem der nächsten Skandale der konventionellen Lebensmittelindustrie eines besseren. Den Aspekt einer nachhaltigen Ernährung kann ich mir derzeit nur in meiner Wohnung oder bei meinen Nachbar-Innen oder der „Biobäuerin“ in Gronsdorf erfüllen. Prinzipien sind mir wichtig aber nicht um jeden Preis, denn eine Medaille hat mindestens drei Seiten (Vorder-, Rückseite, Rand). Die Strukturen, Gremien und Spielregeln innerhalb wagnis 3 sind teilweise noch im Aufbau, erfahren Korrekturen und wollen gelebt und umgesetzt werden. Es sind viele kleine und auch große Prozesse im Gange, um das Wachsen und Gedeihen in eine lebendige und nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Wie wenig oder wie viel „Partizipation“ kann, will und darf gelebt werden? Eine Frage, die durchaus einmal an einem Wochenendseminar gestellt werden sollte. Und z.B. für die Belegung von frei werdenden Wohnungen in einem Haus offen diskutiert werden sollte. Gerade ist eine Datenschutzrichtlinie für unsere geschlossenen und offenen Mailinglisten entstanden und in der Diskussion. In den Recherchen über die Größe von Gemeinschaften stieß ich auf die Dunbar-Zahl: Demnach ist ein Kontakt zu „150 Personen“ im sozialen Umfeld möglich [84]. Die Wohnanlage mit 99 Wohnungen und ca. 250 Erwachsenen dürfte an ihrer oberen Grenze für einen intensiven, sozialen Austausch liegen. Die Interessengruppen für Einzelaktivitäten sind wesentlich kleiner. Über Email läuft die Kommunikation sehr gut, denn es gibt einen Gesamtverteiler für wagnis 3 und Unterverteiler für die einzelnen Projektgruppen. Eine Diskussion von kontroversen Themen via Email erwies sich als nicht so glücklich und führte schon zu erheblichen Irritationen, insbesondere, wenn gruppeninterne Debatten plötzlich an andere GenossInnen oder gar Externe gelangten. Die direkte Aussprache scheint hier sinnvoller, um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen oder schneller durch direkte, sprachliche Rückmeldungen zu klären. Insgesamt kann ich sagen, dass ein aktives Mitgestalten des Gemeinschaftslebens und das organisatorische Mitwirken einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand bedeutet. Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich in einer weiteren „Firma“ tätig. Als GenossInnen sind wir in einer Doppelrolle: als Nutzer (quasi Mieter) und als Miteigentümer. In wagnis 3 besteht der Wunsch der „Selbstverwaltung“. Dies ehrenamtlich umzusetzen stößt an Kapazitätsgrenzen der bereits Aktiven. Mein Wunsch für 2012 Über einen „Markt der Möglichkeiten“ mit dem Motto: „gemeinsam sind wir stärker“ und mit möglichst vielen GenossInnen würde ich mich freuen, um zu erfahren wer welches Know-How hat, wer welche Schwächen hat und an diesem Punkt Unterstützung gut täte. Um noch einmal Bezug zu nehmen auf die Aussagen von Niko Paech: „Wir werden froh sein, wenn wir eine starke Gemeinschaft sind, um den Stürmen der Zeit zu trotzen“. Kuno Kübler 41 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Ausblick: wagnis 4 ist in der Planung, wagnis-Art in Vorbereitung In den bestehenden Projekten finden regelmäßig Führungen statt, denn wagnis eG ist als Zukunftswohnmodell der Stadt München [85] bereits mit mehreren nationalen Preisen ausgezeichnet worden. Anfragen sind an das wagnis-Büro zu richten. Ganze Stadtratsdelegationen reisen an, um sich zu informieren. In Ihrem Zertifikatskurs haben Sie sehr viel über das Genossenschaftswesen erfahren. Sie haben schon gesagt, dass Sie sich an weiteren Energiegenossenschaften beteiligen wollen. Welche anderen Genossenschaften sind für Sie noch von Interesse? Ich will mich in weiteren Genossenschaften vernetzen. Neben der Mitgliedschaft bei Wagnis eG beschäftige ich mich mit dem Beitritt in weitere Genossenschaften: Rewig: Regionales Wirtschaften im Rahmen meiner freiberuflichen Tätigkeit Tagwerk eG: (Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft, Dorfen) Bezug von ökologisch produzierten Lebensmitteln. Die Ökokiste wird jede Woche an die Haustüre geliefert. Mehr als 20 wagnis 3 GenossInnen sind Bezieher der Ökokiste. Bahngeno: Im Herbst 2011 wurde die Bahngenossenschaft gegründet, die zum Ziel hat, den Weg der Bahn AG an die Börse zu stoppen und in eine Genossenschaft zu überführen [86]. RegioSTAR eG: Diese Genossenschaft ist im Berchtesgadener Land beheimatet. Ein Erfahrungsaustausch ist erstrebenswert. Hess Natur i.G.: Mein Konsumverhalten im Bereich Kleidung ist geprägt von „Auftragen“, Second Hand, Abgreifen auf dem „Umsonsttisch“ bei wagnis 3, Einkauf auf dem Hofflohmarkt, minimalem „Shoppen“ etc. Ein noch offenes Arbeitsfeld, das sich vor mir ausbreitet. In einer der Projektgruppen von wagnis 3 wurde schon die Gründung einer Sekundärgenossenschaft erwogen. Es war dabei an eine Produktivgenossenschaft gedacht. Der Weg ist offen und aufgrund des Zertifikatskurses (Modul 4) stehen die Informationen jetzt allgemein verfügbar in unserer Bibliothek zur Verfügung [87]. Die ersten Ideen sind Hausmeisterdienst in der Messestadt Riem, Bio-Lebensmittel-Einkaufsgemeinschaft usw. BenG eG: Wie im Abschnitt Beteiligungen beschrieben, steht dies mit auf meiner Agenda 2012. TAZ eG: Um unabhängige Informationen zu erhalten, bin ich sporadischer Mitleser der taz bei meinem Nachbarn. Eine eigene Mitgliedschaft steht noch aus. Im Jahr 2011 entstand im städtischen Nachbarschaftstreff Heinrich-Böll-Str. 69 die Projektgruppe „Nachhaltige Messestadt“. Je nach Aktivitäten, die die Mitglieder entwickeln, liegt die Gründung einer „Stadtteilgenossenschaft“ im Bereich des Möglichen [88] (Community Development). Kuno Kübler 42 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Dadurch werden es noch mehr Kontakte, die Sie haben werden. „Netzwerken“ ist heute wichtig. Beschreiben Sie eine Qualität, die Sie erlebt haben. 4.6 Bereich: Vernetzung Damit entsteht ein Mehrwert. Denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. In dem genossenschaftlichen Wohnmodell wagnis 3 erlebe ich, dass bei einem gemeinsamen Vorhaben für die Realisierung viel mehr Know-How und Erfahrung zusammenkommt, als wenn ich etwas alleine mache. Wenn dann noch Kreativität und Gruppenprozesse dazu kommen, dann entsteht wahrlich Neues und Schönes. Mein Netzwerk Hinter meinen Aktivitäten verbirgt sich ein großes Netzwerk (siehe z.B. Netzwerk Gemeinsinn e.V.) an Kontakten. Aus ersten Kontakten sind Beziehungen und Freundschaften geworden. Durch die Beteiligung an der ersten Occupy-Demonstration in München am 15.10.11 auf dem Karlsplatz ergaben sich neue Kontakte. Direkt und real. In der virtuellen Welt der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, Skypen (mit Freunden in Japan) etc. oder der beruflichen wie Xing bin ich nicht zuhause. Das Internet, iPhone und iPad mit allen ihren Möglichkeiten werden bestehende Strukturen in Frage stellen, auflösen und neue Strukturen werden entstehen. Aber auch ohne diese Möglichkeiten haben sich vor 70 Jahren Menschen verabreden und treffen können. Die dritte industrielle Revolution nach J.Rifkin betrifft neben dem Bereich der Energiegewinnung das Internet. Facebook hatte am 03.02.2012 weltweit 825 Millionen Anmeldungen. Wenn die ersten anfangen würden sich als Weltbürger zu sehen (www.transnationalrepublic.org), dann könnte schnell eine Lawine ins Rollen kommen. Wenn die ersten dann noch zwei Freunde ebenso dazu überreden könnten und jeder der beiden am nächsten Tag wieder zwei Freunde... Dann hätte für Sie die Funktion des exponentiellen Wachstums etwas Positives? Aber ja. Wir müssen nicht warten, bis es die perfekte Lösung für etwas gibt. Der Weg ist fast schon das Ziel. Der Wandel wird sich noch verstärken. Mit meinem inneren Wandel beschäftige ich mich ebenfalls schon sehr lange. “Before we had the knowledge, the earth was already orbiting the sun. The earth did not wait to make its orbits till mankind knew exactly what was going on and why.” 4.7 Bereich: Bewusstsein Einer Ihrer Leitsprüche ist: „Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst!“ von Mahatma Gandhi. Lassen Sie mich ein wenig hinter die Kulissen blicken? Ja, alles wandelt sich, in mir und um mich herum. Die letzten Jahre waren einem starken Wandel unterzogen. Kuno Kübler 43 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Der Wandel im Inneren Im außen kann ich viel verändern, mein Verhalten der Umwelt und den Mitmenschen gegenüber. Wie sieht es mit dem inneren Wandel aus? Erkenne ich die Muster, nach denen ich lebe? Kann ich die Muster brechen? Prof. Wüthrich, Universität der Bundeswehr München, gab den Zuhörern in einer Veranstaltung für die MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung die kurze Frage für die tägliche Arbeit mit auf den Weg: „Muss das so sein ?“ Ohne weiter in den Bereich der Psychologie oder der Tiefenökologie einzusteigen hat mich folgendes Bild wieder einmal beschäftigt und dann gab es ein „AHA“. Mann fühlt sich klein, wie ein Moskito und sucht andere Moskitos, um einen Schwarm bilden zu können, der dann das feindliche Rhinozeros (Synonym für Umweltzerstörung) in eine andere Richtung glaubt, lenken zu können. Vielleicht gibt es dieses Rhinozeros gar nicht. Vielleicht ist es vielmehr ein Schattenwurf des Moskitoschwarms auf eine Wand in Aussehen/Gestalt eines „Rhinozeros“ und damit eine Projektion. Wir sind die Summe der Teile und projizieren ein Rhinozeros. Dieses Trugbild wird allzu gerne von den Medien und den Mächtigen aufrecht erhalten, damit wir schön brav und abhängig bleiben. Denn SIE wissen ja, wie das Rhinozeros zu dirigieren wäre. Es ist eine sensationelle Entdeckung, wenn ich aus dem KonsumEnten-Schwarm auf das Schattenbild sehe und feststelle, dass ich meine Wege (z.B. anders einkaufen) verändern kann. Im Großen fällt es überhaupt nicht auf, aber ich habe autonom gehandelt und bin teilautark. Das Seminar „Welt im Wandel“ oder „Be the change“ in Gronsdorf 2011 hat Sie stark berührt. Was haben Sie dort Bedeutendes für sich mitnehmen können? Seit vielen Jahren sind sich immer mehr Menschen dem Raubbau an der Natur und der Zerstörungen auf diesem Planeten bewusst. Die Konzeption dieses Seminars ist darauf ausgerichtet, ins eigene Handeln zu kommen und das aus tiefstem Herzen heraus. Sobald ich aus der Trance aufwache, mein Hamsterrad-Handeln reflektiere, kann ich anfangen etwas zu ändern. Die letzte Übung, die einem dort mit auf den Weg gegeben wurde, war [26]: Unterteile ein Blatt (DIN A 4 quer) in drei Spalten. Schreibe in die erste Spalte: Was macht mich lebendig ? Die zweite Spalte bleibt zunächst leer. Schreibe in die dritte Spalte: Was braucht die Welt / Weltgemeinschaft ? Wenn du das, was dir einfällt, eingetragen hast in die linke und rechte Spalte, dann folgt noch ein Schritt: Ziehe Verbindungen zwischen Spalte 1 (deinen Bedürfnissen und Aktivitäten) und denen der Welt (Spalte 3). Du wirst sehen, es gibt Entsprechungen. Was passt zusammen, was ist sich ähnlich? Ich kann mit meinen Gaben und Fähigkeiten etwas für die Welt tun. Gleichzeitig nährt es mich und die anderen, weil ich es ja gerne und aus mir heraus mache. Viel Spaß beim aktiv werden! Mehr erfahren: www.pachamama.org, www.awakeningthedreamer.org, www.be-the-change.de, www.oneearth.org Kuno Kübler 44 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 5 Zusammenfassung Wie überprüfen Sie Ihre Erfolge und die selbst gesteckten Ziele ? Nun, ich mache mir Listen und ziehe die Vorlesungsmanuskripte hinzu: Um z.B. die „soziale Fallhöhe“ nach Peach nach dem Peak Oil zu verringern wurden bereits viele persönliche Umstellungen in einzelnen Lebensbereichen vorgenommen. Vom globalisierten Konsummodell habe ich mich schon weit Richtung Regionalökonomie bewegt. Weitere Schritte sind noch möglich und werde ich anstreben. Abb. 32: Soziale Fallhöhe in Abhängigkeit von Fremdversorgung und Versorgungsniveau (Niko Paech) [3] In der folgenden Aufstellung kann ich zusammen fassen: Maßnahmen zum Übergang zur Postwachstumsökonomie (nach Niko Paech) [3]: - „Den eigenen Lebensstil entschleunigen und entrümpeln: • Mobilität, √ • Ernährung, √ • Konsumgüter, √ • Gebäude √ – Das unmittelbare Umfeld gestalten im Sinne einer neuen Balance zwischen Selbst und Fremdversorgung: • Transition Towns, • Gemeinschaftsgärten, √ • Tauschringe und • Nachbarschaftshilfe, √ • Regionalwährungen, √ • 100%-Regionen, • Reaktivierung handwerklicher Fähigkeiten etc. (Werkstatt bei wagnis 3 vorhanden) Kuno Kübler 45 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften – Industrie: Stoffliche Nullsummenspiele – Politik und Planung • Arbeitszeitumverteilung • Subventionsabbau • Flächenversiegelungsmoratorium • Geld- und Bodenreform, Finanztransaktionssteuer (Tobin Tax) • Rückbauprogramme: Autobahnen, Flughäfen, Parkplätze, industrielle Areale entsiegeln, begrünen oder für Erneuerbare Energieanlagen um nutzen – Welches Messkonzept (Zielvariable) schafft Orientierung? Alternative Wohlfahrtsmaße haben ihre Grenzen. Weitaus wichtiger ist die Blickwende von Objekt- zur Subjektorientierung: CO2-Kennzeichnung von Produkten und individuelle CO 2-Bilanzen“ Die persönlichen Bereiche wurden weitgehend darauf ausgerichtet und mit „√“ markiert. Abb. 33: Selbsteinschätzung zu persönlichen CO2 Emissionen [90] In dieser Darstellung [90, modifiziert] ist der Beitrag durch vermiedene Treibhausgasemissionen durch die Produktion von Strom aus regenerativen Energien nicht berücksichtigt. Durch die auf S.33 und S.45 genannten Beteiligungen werden Jahr für Jahr mehrere Megagramm CO2 Emissionen vermieden. In einer dreidimensionalen Anordnung könnten die CO2-Profile weiterer Testpersonen, auch sog. Randgruppen, aufgenommen werden (Obdachloser, Hartz IV Empfänger, etc.) Kuno Kübler 46 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Im Rahmen der Beteiligung an dem Münchner Klimaschutzbündnis entstand diese Auflistung. Sie gibt zusammenfassend einen Überblick über meine Aktivitäten der letzten 20 Jahre wieder: Tab. 2: Klimaschutzleistungen (durchgeführt bis 31.12.2010) von Dipl.-Ing.(FH) Kuno Kübler [91] Nr. 1. 2. 3. 3. 4. 5. Maßnahme Energieeinsparung / Energieeffizienz Ökologische Sanierung eines Reihenhauses • Wärmedämmung Dach • Fensteraustausch Niedertemperaturheizung, Pufferspeicher • Gasbrennwertkessel • 8 m² Sonnenkollektoren • Photovoltaikanlage I (Hausbeleuchtung) • Mikro-Heizkraftwerk mit Stirlingmotor Nutzen Ja 12 / 1991 Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Regenerative Energien Ja • Photovoltaikanlage II Netzeinspeisung • Mikro-Heizkraftwerk auf Stirlingmotorbasis ja mit Biobrennstoffen 2008/2009 01 / 1999 04 / 2007 Ernährung Biologisch, vegetarisch, vollwertig, Ja 1996 Mobilität MVV-Jobticket Fahrrad Mitglied bei Stattauto Ja ja ja 07 / 1985 Ja 2004 - heute Beteiligungen an Regenerativen-EnergieProjekten von Green City Energie GmbH (Photovoltaik auf dem Bay. Landtag, Biogas, Praterkraftwerk etc.) Weitere Beteiligungen an PV-Anlagen in Bayern, Windkraft in Norddeutschland 1998 Ja 6. Nachhaltige Bildung, Mitglied bei BenE e.V. 7. Genossenschaftliches Wohnen in einem Niedrigenergiehaus (www.wagnis.org) Ja ab 09/09 8. Mitarbeit bei der Münchner Regionalwährung Ja 2006 Kuno Kübler 2008 47 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 6 Fazit: Ihre Bemühungen über drei Jahrzehnte achtsam mit der Umwelt und den Ressourcen umzugehen, hat im Dezember 2011 zu einer Auszeichnung geführt. Welcher? Am 1. Dez. 2011 habe ich den Münchner Umweltpreis 2011 von Bürgermeister Hep Monatzeder überreicht bekommen. In seiner Laudatio hob er hervor, „ein Pionier bei der Entwicklung und Vermarktung des Stirlingmotors“ zu sein und „einen frühzeitigen Protagonisten der Solarenergie in Lehre und Ausbildung“, zu ehren. „Mehr als 20 Jahre lang hat er sein Wissen in Veröffentlichungen, Vorträgen und mit der Betreuung unzähliger Diplomanden weitergeben und dadurch eine immense Aufklärungsarbeit geleistet“ [92]. Den Titel meiner Abschlussarbeit kann ich auch umformulieren in „Ich bin das Projekt - eine biografische Selbstbeschreibung“ und getrost hinzufügen: „Träger des Münchner Umweltpreises 2011“. Ich gratuliere Ihnen zu dieser Auszeichnung und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre nächsten Schritte. Ausblick: Mein Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Einige Wege wollen noch beschritten werden [93]: Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und niemand ginge, um zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge. Kurt Marti Abb. 31: Löwenzahnsamen [89] Mögen sich all die Erkenntnisse der letzten Jahre verbreiten wie die Samen dieses Löwenzahns. Kuno Kübler 48 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 7 Literaturverzeichnis 1. Aktion von Green City e.V. „Mein roter Faden im Leben ist grün...“ http://www.klimaherbst.de/kunos-gruner-faden 2. Berufsbegleitende Weiterbildung an der Hochschule München, „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften http://www.hm.edu/allgemein/studienangebote/wissenschaftliche_weiterbildung/master_2/n achhaltige_entwicklung_laendlicher_raeume.de.html 3. apl. Prof. Dr. Niko Paech, Universität Oldenburg, Lehrstuhl für Produktion und Umwelt (PUM), Vortrag Postwachstumsökonomie - ein neues Modell für die Zukunftsfähigkeit, 8.4.2011, Teisendorf, www.postwachstumsoekonomie.org, www.voevoe.de 4. Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen, Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik, TUM 5. Orientalische Weisheit, Quelle unbekannt 6. Flyer zu Nr. 2, Abbildung „Dimensionen der Nachhaltigkeit“ 7. Frederic Vester, Zeitbombe – Klimawandel, CD-ROM, Herausgeber: Malik Management Zentrum St. Gallen AG 8. Portrait von Frederic Vester, www.frederic-vester.de 9. Frederic Vester, Ballungsgebiete in der Krise ,dtv Sachbuch, 1994, S.84 10. Wohngebäude von Antti Lovag, Frankreich, Foto K.Kübler 11. Süddeutsche Zeitung, G.Matzig, Leben in Megacitys - Wie die Hühner im Massenkäfig, 29.10.2011, http://www.sueddeutsche.de/leben/leben-in-megacitys-wie-die-huehner-immassenkaefig-1.1175931 12. TUM Ringvorlesung Umweltschutz 2010 (Klimaherbst), Gabbriele Harrer, Mit wenig viel erreichen – Vernetztes Denken und Handeln, 20.10.2010 13. BenE e.V. (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung), www.bene-muenchen.de 14. Ecopolicyade, www.ecopolicyade.info/ 15. Frederic Vester, Die Kunst vernetzt zu denken, dtv Verlag, 2011 16. SySt®-Institut, Institut für systemische Ausbildung, Fortbildung und Forschung, Dipl. Psych. Insa Sparrer & Prof. Dr. Matthias Varga von Kibéd, www.syst.info 17. Politik im Raum, Dr. Ruth Sander, www.politik-im-raum.org 18. Sepp Holzer, Der Agrarrebell – Permakultur in den Salzburger Alpen, www.krameterhof.at 19. taz 15./16.2011, S.30 20. Praxis der Systemaufstellung, Heft 1/2002 21. Zitat zu Albert Einstein, http://zitate.net/albert%20einstein.html 22. Netzwerkgemeinsinn, http://www.netzwerk-gemeinsinn.net 23. PIR Protokoll 1, 03.12.2008, http://www.netzwerk-gemeinsinn.net/content/view/446/43/ 24. PIR Protokoll 2, 26.03.2010 (im Anhang) 25. Hans-Peter Dürr, Das Lebendige lebendiger werden lassen, oekom verlag, 2011 26. Seminar-Handzettel „Welt im Wandel / Be the Change“, Gronsdorf 2011 27. EFSG Ernst Friedrich Schumacher Gesellschaft für politische Ökologie e:V., Festakt und Symposium zum 100.Geburtstag von Ernst Friedrich Schumacher, 16./17.9.2011, München, www.e-f-schumacher-gesellschaft.de 28. Kurt Zyprian Hörmann, Fühlen ist klüger als denken! Mit Intuition die richtigen Entscheidungen treffen, J.Kamphausen, 2011 29. Entwicklung des Ölpreise 1960 bis 2011, Abb. von www.tecson.de 30. Hochschule München Fakultät 06, Seite der Lehrbeauftragten (im Wintersemester) http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/vita?staffid=426LB und Kuno Kübler 49 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/uebersicht/archiv/327-2011-muenchnerumweltpreis-2011.html 31. Hochschule München Fakultät 06, Download der Datei „WEEL“ unter http://www.fb06.fh-muenchen.de/fb/index.php/de/vita?staffid=426&furtherid=13 32. Bürgerbeteiligungsanlage der Agenda 21 Gruppe Hadern in Oberschleißheim 33. Dr. Karl von Koerber, Ringvorlesung Leitbild Nachhaltigkeit, 10.1.12, Ökol.Fussabdruck, s.a. www.footprintnetwork.org/de und www.hdr.undp.org/hd, siehe auch Flyer der GIZ, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, http://www.giz.de/ 34. Klimasparbuch, München 2010, Hrsg. LH München, oekom verlag, 2010. 35. Gunter Pauli, Blue Economy, www.factory-x.info 36. Prof.Dr.Dr.h.c.Hans-Peter Dürr, 1,5-kW – Gesellschaft, www.gcn.de/download/D15KW.pdf 37. Kuno Kübler, Gegenüberstellung von technokratischer Planung und biokybernetischem Systemansatz für die öffentlichen Nahverkehrsmittel Straßenbahn und U-Bahn am Beispiel München - Studie zur Entwicklung einer Sensitivitätsanalyse nach F.Vester, Diplomarbeit, Fachhochschule München Fakultät 06, 1983 38. Abb. Nr. 79 aus der Diplomarbeit von K.Kübler (Nr. 37) 39. Umweltbriefe 07 14.4.2011, S.14 40. Frederic Vester, Ausfahrt Zukunft, Heyne Verlag 1990 41. Rathausumschau Nr. 21/2012, Förderpreis Ökologischer Landbau für Biogärtnerei Obergrashof, Grüne Woche 2012 42. Beratungsbüro für Ernährungsökologie, Dr. Karl von Koerber, München 43. Dr.K.v.Koerber, Nachhaltig geniessen - Rezeptbuch für unsere Zukunft, Trias Verlag, 2012 44. Hania Luczak,Neurologie - Wie der Bauch den Kopf bestimmt, Geo-Magazin 11/2000, http://www.geo.de/GEO/mensch/medizin/686.html 45. Grüner Markt, http://www.gruener-markt.de/, sowie http://www.genussrechte.org/seite/beispiele-referenzen 46. G.Hilscher, Stirlingmotor im Fokus einer praxisorientierten Aufklärung über nachhaltige Energieversorgung,NET-Journal, Jahrgang Nr. 14, Juli 2009, Sonderdruck 47. Heidemarie Schwermer, Das Sterntalerexperiment: Mein Leben ohne Geld, Goldmann Verlag, 2003 48. Georg Zoche, Welt Macht Geld, Blumenbar Verlag, 2009 49. Mitarbeiterzeitung Abfallwirtschaftsbetrieb München, Dez. 2009 50. M.Kennedy, Occupy Money, J.Kamphausen, 2011 51. Alexander Czerny, Kurzbeschreibung der aktuellen Finanzkrise, 2009 52. Franz Galler, RegioSTAR eG, Vortrag am 21.10.2011 53. Christain Gelleri, Vortrag Prien am Chiemsee, 22.10.2011 54. Gabriele Harrer, Managementzentrum St.Gallen, Ringvorlesung Umweltschutz/Klimaherbst 2010, München 55. Bernf Senf, Der Nebel um das Geld, Aufklarungsbuch, Gauke, 2005 56. Jean Ziegler, Imperium der Schande, Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung, Goldmann Verlag, 2008 57. Radio B5 aktuell, 2011 58. Dr. Karl von Koerber, Ringvorlesung Leitbild Nachhaltigkeit, 10.1.12, 59. Walter Wesinger, Cartoon, Die wundersame Geldvermehrung, www.waldah.de 60. Christian Gelleri, Chiemgauer...das bessere Geld für die Region, Vortrag, 22.10.11 61. Flyer von Regio e.V., 2006, www.der-regio.de 62. US-Lokalwährungen schießen wie Pilze aus dem Boden (U.S.A.), 23.01.2012, http://www.wirtschaftsfacts.de/?p=14128 63. Radio B5 aktuell, 29.1.12 Kuno Kübler 50 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 64. Christian Gruber, Global Currency - Geld ist Zeit, Februar 2012, www.global-currency.org 65. Gerd Hampel, Clusterinitiative E-Nob, (Nord-Ost-Brandenburg), persönliche Mitteilung 66. Leopold Kohr, The Breakdown of Nations“, (Hauptwerk), deutsch: „Das Ende des Großen – zurück zum menschlichen Maß“ 1986 67. Ernst Friedrich Schumacher „Small is Beautiful“ (Englisch 1973), (Deutsch 1977), Untertitel „Zurück zum menschlichen Maß“ 68. Beng eG, Bürgerenergiegenossenschaft, http://www.beng-eg.de/ 69. Prof.Dr.Hans A. Wüthrich, Universität der Bundeswehr München, "Vorsicht Management Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", Veranstaltung der LH München am 14.10.11 70. Franz Galler, Norbert Rost, Solidarökonomischer Aufbruch der Region Berchtesgadener Land – Ein alternatives kleinräumiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell stellt sich vor, 71. Franz Galler, Vortrag RegioSTAR eG, 21.10.2011 72. Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 73. Prof.Dr.Susanne Elsen, Genossenschaften als Organisationen der sozialen Innovation und nachhaltigen Entwicklung, Der Artikel ist erschienen in „Münchner Hochschulschriften für Angewandte Sozialwissenschaften“ - Susanne Elsen (Hrsg.) Ökosoziale Transformation Solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens - Perspektiven und Ansätze von unten, 2011 74. Internationales Jahr der Genossenschaften 2012: http://www.dgrv.de/de/genossenschaftswesen/jahrdergenossenschaften.html 75. tz München, Serie Wohnen, Mehrgenerationenhaus in der Messestadt Riem, „Die größte Wohnfamilie der Stadt“, 23.1.12, S.6 76. Logo der wagnis eG, www.wagnis.org 77. Süddeutsche Zeitung , SZ Immobilienteil „Wenn Häuser zu sprechen beginnen“, „Die neue Solidarität“, „Patente Partner – Drei gleichwertige Preisträger bei „Jung, schön und noch zu haben““, 11.7.2008 78. Informationsmaterialien der wagnis eG, Stand 2008 79. Flyer von Günter Herold, Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg in München, 2012, www.dialog-herold.de 80. Bild, Hermann Wittekopf, 2011 81. Forschungsprojekt „Pflegeroboter“, Pressemitteilung der TUM, Juni 2008 82. Satzung der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG vom 26.11.2007 83. Süddeutsche Zeitung, Grüne Dächer, Radlanhänger und Krötenteiche, 18.5.2009, S.50 84. Dunbarzahl http://de.wikipedia.org/wiki/Dunbar-Zahl 85. Zukunft findet Stadt: München Zukunftswohnmodelle, Ideen, Planungen, Projekte, LH München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Flyer zur Ausstellung 2009 86. Deutsche Bahn und ÖPNV als Genossenschaft betreiben, in Bay. Staatszeitung, 03.02.12 87. Genossenschaften gründen, Genossenschaften nutzen – Hilfen zur Gründung von Genossenschaften, Hrsg. innova eG, Dez. 2007, www.innova-eg.de 88. Initiative „Nachhaltige Messestadt“, Ideenskizze nach dem 2. Initiativkreis am 09.08.2011, Kuno Kübler, Wolfgang Fänderl 89. Bild, Carmen Hübner, 2011 90. Prof. Heissenhuber, TUM, Grafik, Aktivitäten mit vergleichbaren Treibhausgasemissionen (modifiziert) 91. Kuno Kübler, Klimaschutzleistungen, Auflistung für das Klimaschutzbündnis München 2010 92. Pressemitteilung der LH München, 02.12.2011, http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtinfos/Presse-Service/Pressemitteilungen2011/1202M-nchner-Umweltpreis-2011—B-rgermeister-Monatzeder--berreicht-vierAuszeichnungen.html 93. Kuno Kübler, Vision 2025, in Mitarbeiterzeitung des Kommunalreferates, 2006 Kuno Kübler 51 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Links: Weiterbildungszertifikatskurs „Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume“: http://www.hm.edu/allgemein/studienangebote/wissenschaftliche_weiterbildung/master_2/ nachhaltige_entwicklung_laendlicher_raeume.de.html oder http://www.nachhaltige-region.de/zertifikatskurs Nachhaltigkeit an der Hochschule München: http://www.hm.edu/studierende/mein_studium/nachhaltigkeit/index.de.html Benutzte und weiterführende Links: www.frederic-vester.de www.klimaherbst.de/category/magazin/der-grune-faden/page/2/ www.bene-muenchen.de/ www.ecopolicyade.info/ www.syst.info www.politik-im-raum.org www.netzwerk-gemeinsinn.net www.e-f-schumacher-gesellschaft.de www.waldah.de www.stirlingmotor.org www.anders-besser-leben.de www.stattauto-muenchen.de www.bfeoe.de (Ausstelllung „Essen für den Klimaschutz“, 2007) www.wzw.tum.de/ernaehrungsoekologie/index.shtml www.genusssrechte.de www.sterntalerin.net/ www.berndsenf.de/ www.der-regio.de www.global-currency.org www.greencity-energy.de www.beng-eg.de www.regiostar.com www.wagnis.org http://rewig-muenchen.de/ www.tagwerk.net/ www.bahngeno.de/ www.hngeno.de/ (hessnatur) www.taz.de/zeitung/genossenschaft/ www.pachamama.org www.awakeningthedreamer.org www.be-the-change.de www.oneearth.org www.transnationalrepublic.org www.gcn.de/download/D15KW.pdf Kuno Kübler 52 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften 8 Anhang: • Abb. 79 aus der Diplomarbeit von Kuno Kübler • • Frage von S. 28 Sie haben die Wahl für ein Jahr (52 Wochen) a) ein Gehalt von 10.000 Euro pro Woche oder b) ein Gehalt, das sich von 1 Cent in der ersten Woche, auf 2 Cent in der 2.Wochen, 4 Cent in der dritten Woche etc. verdoppelt zu wählen. Was wählen Sie ? Was schätzen Sie verdienen Sie nach 20 Wochen im Fall b) und was in der 52.Woche ? a) 52 x 10.000 Euro ergeben eine Summe von 520.000 Euro b) Ihr Gehalt in der 52. Woche beträgt: 22.517.998.136.852,50 Euro (Das Aufsummieren der anderen 51 Wochen vernachlässigen wir hier). In der 21.Woche verdienen Sie 10.485,76 Euro. In der Woche haben Sie Fall a) überholt. • Urkunde Umweltpreis • Seminarbescheinigung EFSG e.V.: Symposium zum 100.Geburtstag von Ernst Friedrich Schumacher, 16./17.9.2011, München, www.e-f-schumacher-gesellschaft.de • Seminarbescheinigung http://www.bene-muenchen.de/ • Protokolle zu den Aufstellungsarbeiten (mit nachträglicher Ergänzung des Aufstellungsabend vom 13.2.2012) Kuno Kübler 53 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 79 aus der Diplomarbeit [37]: Darstellung der gegenwärtigen Situation bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht kybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit der möglichen anderweitigen Nutzung der Straßenbahn (zwei Seiten) Kuno Kübler 54 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Abb. 79 aus der Diplomarbeit [37]: Darstellung der gegenwärtigen Situation bei U-Bahn und Straßenbahn hinsichtlich der acht kybernetischen Grundregeln nach Vester in Verbindung mit der möglichen anderweitigen Nutzung der Straßenbahn (zwei Seiten) Kuno Kübler 55 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Kuno Kübler 56 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Kuno Kübler 57 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Kuno Kübler 58 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften MOHR-VILLA FREIMANN e.V. • Situlistraße 75 • 80939 München Tel. 324 32 64 - Fax 32 19 53 54 www.mohr-villa.de www.politik-im-raum.org Politik im Raum – Politik im Raum – Politik im Raum Die Erde kann auch ohne uns, - aber wir nicht ohne die Erde... Aufstellung* mit anschließender Reflexion So einleuchtend obiger Spruch ist, so sehr klingt er auch nach erhobenem Zeigefinger. Und überhaupt: Kann denn der/die Einzelne überhaupt noch etwas bewirken, ist es nicht schon viel zu spät? Wozu nachhaltig zu leben versuchen, wenn Milliarden Menschen in den aufstrebenden Entwicklungsländern die Umwelt verschmutzen? Oder ist es vielleicht gar nicht so schlimm, ist alles nur Panik-Mache? Organisationen wie das ÖBZ (Ökologisches Bildungszentrum) versuchen aufzuklären, wachzurütteln, Lust auf nachhaltiges Konsumenten-Verhalten zu wecken. Welche Chancen haben sie damit, bzw. wie könnten diese erhöht werden? Gast: Brigitte Hefele, Mitarbeiterin des ÖBZ München Moderation: Dr. Ruth Sander Zeit: Mi., 03.12.2008, 18.30 Uhr Ort: Mohrvilla, Dachgeschoss Beitrag: eine Kleinigkeit fürs Buffet, Zeit für Herrichten/Wegräumen oder eine Spende von 5,-- €/Regio Wir freuen uns auf Ihr Kommen! _________________________________________________________________ * Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von FamilientherapeutInnen entdeckt. Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen erfolgreich eingesetzt. Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet: Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System werden sicht- und erlebbar. Kuno Kübler 59 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für unsere westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar zu machen, ohne dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen. Zusammenfassung Wir beginnen mit Skalenarbeit im Raum: • Zur Frage ‚Für wie dringend haltet ihr das Thema Nachhaltigkeit?’ platzieren sich die Anwesenden zwischen dem Skalenwert fünf und fünfzehn; die Aussagen reichen von ‚Ja, wichtig, aber bitte ohne Panik und entspannt angehen’ auf fünf bis zu ‚sofort handeln’ auf fünfzehn. • Bei der Frage ‚Wie sehr lebt ihr schon nachhaltig?’ verteilen sich die Anwesenden zwischen null und acht; die Aussagen reichen von ‚Ich fahre zwar ein Hybridauto, aber ich könnte so viel mehr tun’ über ‚Ich lebe aus ökonomischen Gründen nachhaltig (keine Flugreisen, fünf Personen in einem Auto...)’ bis ‚Ich befasse mich seit meiner Jugend mit dem Thema, schon bevor es ins öffentliche Bewusstsein rückte’. • Zur Frage ‚Wie sehr veröffentlicht ihr euer Tun?’ reichen die Skalenwerte von eins bis elf: auf zehn und elf stehen Personen, die Multiplikatoren-Konzepte zum Thema Nachhaltigkeit mitentwickelt haben. Da unsere Gäste vom ÖBZ, Brigitte Hefele und Jutta Zarbock-Brehm, kein eigenes konkretes Anliegen formulieren, sondern lieber die Anwesenden zum Thema arbeiten lassen wollen, erarbeiten Kleingruppen mögliche Fragen für die Arbeit im Raum: • Was möchte uns der Wandel zeigen/lehren? • Wie können Menschen ihre Beziehungen bewusst leben, so dass sie ihre Fähigkeiten und Ressourcen (z.B. Technik) nutzen und konsequent leben (KonsumVerhalten) mit Mutter Erde? • Welche Bindung und Beziehung haben wir zu Mutter Erde? • Wie können wir Ressourcen in uns entdecken, um neue Lösungen zur Rettung unserer Erde zu finden? Das Plenum einigt sich schließlich auf die Frage „Wie kommen wir zu einer Beziehung, die der Erde und uns Menschen im Prozess des Wandels gut tut?“ und wählt folgende Elemente: • die Erde, • die Menschen, • die Vision, • die Beziehung, • der Wandel, • die Hindernisse, • die Ressourcen. Im ersten Bild verkündet die Erde, es sei ihr ganz zu Beginn, so lang sie ganz allein Kuno Kübler 60 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften im Raum stand, am besten gegangen. Von den Menschen sehe sie nur die Füße, die auf ihr herumtrampelten, ebenso von der Vision. Wandel und Hindernisse werden von der Erde als Stärkung erlebt. Außerdem fehle da was: Da stünden nur die Männer, die Frauen fehlten. Wir nehmen also ein weiteres Element, die Frauen, mit dazu. Die Männer stehen der Erde gegenüber, seitlich zwischen ihnen die Vision. Die Männer verspüren Fremdheit, Sehnsucht nach Verbundenheit und Traurigkeit über die Fremdheit. Von allen anderen Elementen außer den Frauen wissen sie nicht, wer wofür steht. Die Frauen genießen es, neben den Männern zu stehen und zu zweit zu sein. Sie fühlen sich dadurch mächtig. Die Vision würde gerne Menschen und Erde verbinden, bekommt aber zur traurigen, erschöpften Erde keinen Kontakt. Sie wendet sich deshalb mehr den Menschen zu. Die Beziehung fühlt sich mit allen verbunden, auf einer Spür-Ebene. Der Wandel steht ganz nah bei der Erde, fühlt sich als deren Sprachrohr, ist bereit sie zu schützen und zu verteidigen. Er ist wütend auf die Menschen, weil sie die Erde nur benutzen. Und er ist empört, dass von den Frauen das Wort ‚Macht’ kommt: „Wenn die nicht aufhören damit, fahre ich dazwischen und sorge dafür, dass sie verschwinden.“ Die Hindernisse haben anfangs Körperkontakt zur Vision und erleben das als angenehm. Als die Vision ihre Position verändert und der Körperkontakt fehlt, beginnen die Hindernisse in Schieflage zu geraten und dann allmählich wie ein Klappmesser nach vorn gebeugt stehend sich weiter zu bewegen. Die Ressourcen stehen ganz weit abgeschlagen außerhalb des Systems. Es geht ihnen schlecht. Sie lehnen sich an einen Tisch, der hinter ihnen steht, und den sie als Natur deklarieren. Die Natur gibt ihnen Kraft, baut sie auf. Sie sind entsetzt darüber, dass die Menschen den Kontakt zur Natur und zu ihren Ressourcen so ganz aus den Augen verloren haben und würden sich wünschen, dass die Erde zu ihnen kommt. Im weiteren Verlauf wandelt sich die Vision zu den Kindern (der nächsten Generation) von Männern und Frauen. Der Erde geht es daraufhin noch schlechter („Noch mehr, die auf mir rumtrampeln!“). Sie wendet sich vom Geschehen ab. Als wir noch das Element Kosmos hinzunehmen, hat dieses nur Bezug zur Erde, nicht zum Rest des Systems. Der Kosmos fühlt sich dafür zuständig, die Erde stabil zu halten, egal was auf ihr passiert. Der Erde tut es gut, sich abzuwenden, nur noch den Bezug zum Kosmos zu spüren. Die Männer spüren Scham und Schuld. Sie möchten den Kindern ungern in die Augen schauen. Die Frauen hingegen können nicht verstehen, warum sich die Erde abgewandt hat. Sie bitten sie, ihnen ihre schönen Seiten zu zeigen, die sie doch auch hätte. Das empört den Wandel wiederum, macht ihn fassungslos und wütend. Es bringt auch die Kinder in Bewegung, die den Eltern ihr neues Bewusstsein nahe bringen wollen. Das erreicht die Frauen. Sie wollen ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern, hören zu. In der Zwischenzeit hat sich eine Verbindung zwischen Beziehung und Hindernissen angesponnen. Die beiden haben sich an den Händen gefasst, wiegen sich selig im Takt einer unhörbaren Musik und haben den Rest des Systems vergessen. Weit abgeschlagen kochen weiterhin die Ressourcen, jetzt ergänzt um die Bäume, traurig vor sich hin. Kuno Kübler 61 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Gebeten, den eigenen Impulsen zu folgen, machen sich Ressourcen und Bäume auf den Weg. Sie beziehen Position neben Erde und Wandel, drehen die Erde sanft wieder den Menschen zu. Hindernisse und Beziehung beenden den Tanz und blicken auf Kind 1. Eine weitere Beobachterin wird noch ins Bild hineingezogen: Sie ist ein weiteres Kind (Kind 2), die übernächste Generation. Die Hindernisse freuen sich sehr über dieses Kind der übernächsten Generation. Männer und Frauen stehen jetzt nebeneinander, ihnen gegenüber Kind 1 und Kind 2, dahinter Erde, Wandel, Bäume, Ressourcen. Die Beziehung steht leicht seitlich und wundert sich darüber, so wenig Beachtung zu finden. Dabei könnte sie doch so nützlich sein. Die Hindernisse haben sich weit in den Hintergrund zurückgezogen. Sie verkünden, sie seien jetzt überflüssig, so lange Austausch und Kontakt (Beziehung!) gepflegt würden und keine Schuldzuweisungen erfolgten. Allerdings werden sie wieder auf den Plan gerufen in dem Augenblick, in dem die Männer in eine Opferhaltung gehen. Da stellen sie sich hinter die Männer und teilen ihnen mit, dass es unbedingt wichtig ist, aus dieser Haltung herauszukommen und anzupacken. Sie danken dem Wandel für sein Dasein und Wirken. Die Kinder haben noch Meinungsverschiedenheiten: Kind 1 steht auf dem Standpunkt, Männer und Frauen hätten ihr Bestes getan, sie hätten es eben nicht besser gewusst. Kind 2 steht auf dem Standpunkt, Männer und Frauen hätten es „verbockt“ und müssten dafür auch die Verantwortung übernehmen. Diesen Dissens lösen wir nicht mehr auf, sondern beenden an diesem Punkt die Aufstellung. In der anschließenden Reflexionsrunde werden folgende Aussagen gemacht: „Der Konflikt unter der Menschen um die Schuld hat mich verwirrt. Hier geht es nicht um Schuld – es geht um Verantwortung!“ „Als Repräsentantin der Ressourcen war mein Eindruck: Die Hindernisse und die Beziehung waren zeitweise in einem Abwehrmechanismus, für mich waren es die vielen Suchtformen der Menschen. Eine Form, sich mit der Wahrheit, um das was es geht, nicht auseinandersetzen zu müssen. Die Ressourcen sind nicht nur Gefühl, sie sind auch sehr stark ein klarer Kopf mit Ideen und Vorschlägen, Wissen, Weisheit zurück bis zu den Vorfahren. Beides soll verknüpft werden. Kopf und Bauch, und dieses dann auch noch mit der Verbindung "Natur" und "Tieren" - unglaublich.“ „Der stärkste Eindruck für mich waren die zwei weiteren Generationen, die zwei Entwicklungsstufen. Ich weiß nicht immer, wo ich stehe. Aber das wird sich auch noch klären. Vielleicht gibt es auch Zwischenstufen...“ „Mir hat das Mut gemacht, was ich hier erlebt habe. Das, was zuerst so aussichtslos aussah, hat eine gute Wendung genommen. Mit dem Wandel ist Erneuerung verbunden. Das hat mir gut getan.“ Kuno Kübler 62 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften „Ich nehme als intensivstes Bild mit, wie wichtig der Wandel ist, welche Kraft der hat. Dass der Wandel richtig wütend werden kann, was wegputzen kann. Dass es drauf ankommt, wie geh ich mit dem Wandel um. Geh ich mit dem Wandel mit oder stell ich mich dagegen? Ich merk grad auch im eigenen Leben, was sich alles wandelt, und habe Mühe, da mitzukommen.“ „Auch für mich ist das Thema Wandel wichtig, in meinem Leben. Das Bild der Kinder in Verbindung mit Wandel und Erde, diese Einheit, die ich auch gespürt habe, hat mir viel Hoffnung und Kraft für die Zukunft gegeben, dass die Kinder die Zukunft bereiten werden.“ „Als ich heute hergefahren bin, hatte ich noch eine andere Frage im Kopf. Ich muss noch drüber nachdenken, was bleibt. Im Moment steht im Vordergrund, dass die Hindernisse gar nicht so eine Rolle spielen, ob das nicht vielleicht nur faule Ausreden sind, nicht zu handeln?“ „Da antworten die Hindernisse: Stimmt!“ „Mich hat die Aufstellung heute sehr berührt. Es hat mich in großen Teilen bestätigt. Ich habe für mich wahrnehmen können, wie wichtig es ist, an dem Punkt zu sein, wo ich bin, an der Schnittstelle zwischen Eltern und Kindern, und wie wichtig diese Arbeit ist. Auch zu hören: Fehler sind wichtig. Fehler soll man machen, darf man machen. Erst dann kann Wandel stattfinden. Das hat mich tief in mir beruhigt. Dass keine großartigen Dinge von uns erwartet werden, sondern da sein, spüren...“ „Ich finde, die überzeugendste Rolle heute waren die Hindernisse. Ich bin gar nicht gekommen, um mich damit auseinander zu setzen, aber wie sich gezeigt hat, gibt es gar keine Hindernisse, sondern nur ein gemeinsames „Voran“. Und das nehme ich gerne mit nach Hause.“ „Für mich war ganz spannend, dass es keine Schuld gibt und keine Hindernisse. Und meine Ahnung, dass die Kinder unsere Zukunft sind, die hat sich bestätigt. Da ich selber Kinder habe, fühl ich mich auch bestätigt in meiner Erziehung, die ich vollbringe. Ich nehme ganz viel mit von heut Abend.“ „Ich hab schon vorher geahnt und gedacht: Ich bin auf dem richtigen Weg. Was ich verstärkt dazu beitragen kann: Wenn ich die Arbeit mit den Kindern weitermache, noch mehr ressourcenorientiert zu arbeiten. Das ist wahnsinnig wichtig. Ich bin ehrlich, ich vergesse das zwischendurch wieder. Ich kann nur bestätigen: Wenn das Positive rausgeholt und gestärkt wird, dann löst sich alles andere auf. Man schaut so gern immer wieder mal auf die schwarze Seite. Man soll die Klarheit und die Gefühlsebene in den Vordergrund stellen, dann wird das schon, dann hat man wieder das Urvertrauen.“ „Ich bin dankbar für diesen Abend, weil ich noch mehr in eine gewisse Ruhe gekommen bin, das mag sich blöd anhören, so ein Zurücklehnen, dass es gut wird. Dass das auf dem Weg ist. Trotzdem erschreckt mich, dass die menschlichen Spielchen nicht aufhören, dass die Dualität, die Polarität, gegen die ich so lang Kuno Kübler 63 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften gekämpft habe, doch irgendwie weitergeht. Das hab ich gehofft, dass die aufhört. Aber die gehört zur Welt dazu...“ „Ich nehme das kosmische Schweigen mit...“ „Ich nehme meine erste Erfahrung mit Aufstellungen an sich mit, was sehr aufregend war. Aber es bleibt ein Rest an Bedenken, der Verdacht, dass da jeder unglaublich viel persönlichen Background mit in die Rollen genommen hat, dass wahrscheinlich, wenn man die Rollen getauscht hätte, auch was anderes hätte rauskommen können.“ „Das möchte ich aufgreifen. Ob ich den Hindernissen im Leben immer so intensiv in die Augen schaue?... Das würde ich gerne mitnehmen wollen. Das war eine große Öffnung für die Beziehung, den Hindernissen wirklich intensiv ins Auge zu blicken und dann daraus in Bewegung zu kommen. Das ist sehr schön für die Dinge, die ich mir so anschaue: die gewaltfreie Kommunikation, Playback Theater...“ „Als außen stehender Beobachter hab ich die Intensität bestaunt, die sich entwickelt hat, und die Dramatik gespürt, die auf uns alle noch zukommt. Mich hat das eher aufgewühlt als beruhigt. Wir sind weit entfernt von ‚Ende gut, alles gut.’ Die Rolle des Wandels war da überzeugend. Dass es auch nach wie vor in die andere Richtung losgehen kann, leider.“ „Für mich hat sich zum xten Mal vieles bestätigt. Zum Ersten die Rückverbindung mit der Emotion, zum Zweiten hab ich ein ganzes starkes Gefühl, dass ich für die Kinder sprechen muss, dass die Älteren das nur langsam merken, was von den Jungen kommt. Ich hab sehr viel Kontakt. Es gibt so viele Gruppen, so viel Vernetzung, so viel Vorbereitung. Kinder bilden sich nicht so viel drauf ein.“ „Für mich war die starke Rolle der Kinder recht einprägsam, die in der Aufstellung ganz deutlich wurde. Anfangs waren sie gar nicht da, die haben sich entwickelt. Das hat mir gezeigt, da ist eine richtige Aufgabe für uns drin, wir sind auf einem guten Weg, wenn wir da dran arbeiten. Die Zukunft liegt wirklich bei den Kindern.“ „Ich bin ziemlich frei von Erwartungen hergekommen und wollte einfach mal schauen und das erleben. Und es ist ein großartiges Erlebnis. Was ich mitnehme: Fehler dürfen gemacht werden, dafür sind sie da – wenn man dazu steht. Und: Es ist alles richtig.“ „Ich habe interessant gefunden, wie wenig Beachtung lange Zeit die Ressourcen fanden. Ganz lang war das ganze System wie in einer Problemtrance, ohne Auge für die Ressourcen. Aber da hat die Aufstellung vermutlich sehr genau die Realität widergespiegelt... Was mich noch beschäftigt: Ich finde, es gibt eine Verwirrung um die Begriffe ‚Schuld’ und ‚Verantwortung’ und um den Unterschied zwischen Schuld und Schuldgefühlen. Ich kann nicht finden, dass es Schuld nicht gibt. Das zu leugnen, erzeugt Nebel und Verwirrung. Auch an diesem Abend war etwas davon zu spüren.“ „Ich kann gut mitgehen mit dem Gedanken: Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Aber ich tu mir schwer mit dem Gedanken: Es reicht, bei sich zu bleiben, zu fühlen, Kuno Kübler 64 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften den Müll zu trennen und Energie sparsam zu verwenden. Ich hab Bedenken, ob das reicht. Mich beschäftigt: Wie können wir auf gute Weise nach außen weiter wirken, wie ohne Schuldzuweisungen kommunizieren? Das beschäftigt mich stark...“ Und noch mail-Beiträge aus den Tagen nach der Aufstellung: „Es war eine intensive Aufstellung und ich habe viel von profitiert. Allerdings möchte ich eine Rückmeldung geben: Ich habe den Eindruck, dass durch das viele Reden vor und nach der Aufstellung vieles zerredet wurde und am Ende eine Stimmung entstand im Sinne von: Unsere Kinder werden’s schon richten, wir müssen sie nur unterstützen, an ihre Fähigkeiten glauben etc. In meinem Erleben war dies nicht die Aussage der Aufstellung, sondern viel mehr, dass nachfolgende Generationen (vielleicht zum Teil schon bereits lebende Menschen) für diesen Wandel sorgen werden, also in gewisser Weise unsere Kinder, aber halt nicht die Kinder an sich. Natürlich ist das nur meine Meinung, ich fand aber, dass dadurch etwas von der Tiefe der Aufstellung verloren ging.“ „Ich war in der Aufstellung Kind 2. Ich möchte der Aussage von Kind 1, die Eltern oder Menschen hätten es nicht anders gewusst, noch etwas anfügen. Ich bin der Meinung, in der heutigen dringlichen Zeit wird es wohl so gut wie niemanden geben der nicht wüsste, was mit der Erde los ist. Also denke ich, die Menschen (Eltern) wissen sehr wohl, was zu tun wäre. Warum tun dann so wenig etwas dagegen? Oder beteiligen uns an sinnvollen Aufgaben, die Erde vor dem Supergau zu schützen? Nach dem Motto: nach mir die Sinnflut! In erster Linie auch die Industrie, die am Besten weiß, was sie mit der Erde anstellt. Und trotzdem werden Abgase ohne Ende in die Luft geblasen, die Bodenschätze bis zum Letzten ausgebeutet und die grünen Lungen abgeholzt! Alles im Zeichen der Macht und der Gier. Ich denke, für diese Vergehen sollten die Menschen schon die Verantwortung übernehmen. Und wenn sie so wollen, auch die Schuld dafür tragen. Der Einzelne kann im Kleinen etwas tun. Doch wir alle können gemeinsam mehr unternehmen. Wir sollten uns täglich bewusst sein, dass wir nur Gast auf der Erde sind. Unser umweltbewusstes Verhalten sollte jeden Tag die Rücksicht und Dankbarkeit unserem Gastgeber gegenüber zum Ausdruck bringen! Wenn ich mir bewusst bin, dass es nicht richtig ist, und ich tu es trotzdem, so ist es mir Sünde. Das sagt schon die Bibel. Wir versündigen uns an der Erde. Wie und wann werden wir dafür Rechenschaft ablegen müssen?“ Kuno Kübler 65 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften www.politik-im-raum.org „Ich darf Ihnen berichten, dass die meisten Glühlampen in meiner Wohnung Energiesparlampen sind“, Aufstellung* mit anschließender Reflexion so O-Ton Angela Merkel. - Die Klima-Konferenz in Kopenhagen liegt ein Viertel Jahr zurück. Was hat sie gebracht? Welche Bedeutung geben wir dem Begriff ‚Nachhaltigkeit’? Reichen die Energiesparlampen und die Mülltrennung aus? Wenn nein, was dann? Was können wir Einzelnen beitragen, oder müssen wir das Thema der Politik, den Konzernen und den NGOs auf internationaler Ebene überlassen? Moderation: Dr. Ruth Sander Zeit: Fr., 26.03.2010, 19.00 Uhr Ort: Gasteig München, Rosenheimer Platz, Presseraum Nr. 0.131 im EG Beitrag: 15,00 € oder Regio Wir freuen uns auf Ihr Kommen! -------* Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von FamilientherapeutInnen entdeckt. Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen erfolgreich eingesetzt. Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet: Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System werden sicht- und erlebbar. Kuno Kübler 66 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für unsere westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar zu machen, ohne dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen. Zusammenfassung Wie immer steigen wir über Skalenarbeit ins Thema ein: Zur ersten Frage: „Wie fit fühlt ihr euch vom Wissen her in Bezug auf das Thema ‚Nachhaltigkeit?‘ – reicht die Palette von 9+ (Beschäftigung mit dem Thema seit der Studienzeit, Diplomarbeit dazu) bis zu 0 („solange der Begriff Nachhaltigkeit nicht definiert ist, weiß ich auch nichts darüber“ – was von der Gruppe eher als Spitzfindigkeit eines viel Wissenden interpretiert wird…). Zur zweiten Frage: „Wie sehr verhaltet ihr euch nachhaltig in eurem Alltag?“ steht unser ‚Experte‘ einsam bei Punkt 8; er lebe im Großen und Ganzen nachhaltig – was Energieverbrauch, Mobilität, Ernährung betrifft. Nur bei der Kleidung könnte er noch mehr tun. Der Rest der Anwesenden verteilt sich zwischen 0 und 6: Vor allem bei den niedrigeren Werten wird geschildert, dass das richtige Tun oft als zu anstrengend erlebt und deshalb eher den gewohnten Mustern gefolgt wird, mit mehr oder weniger schlechtem Gewissen. Danach sammeln wir, welche Aspekte des Themas die Anwesenden besonders interessieren. Hier ein Auszug: • Widersprüchlichkeit, Ambivalenz zwischen Wissen und Tun • nachhaltig zu leben ist anstrengend, anders rum ist es bequemer • Auf Schönes wie Reisen nicht verzichten wollen • Wie kann Balance zwischen wirtschaftlichen Zwängen und Nachhaltigkeit aussehen? • Sich manipulierbar fühlen bei diesem Thema; welchen Veröffentlichungen kann man/frau trauen? Je nach Stimmung ein gutes oder schlechtes Gewissen haben in Bezug auf das eigene Verhalten • Was kann ich tun? Wie ein gutes Beispiel geben? • Wie kann Nachhaltigkeit über Generationen und nicht nur kurzfristig ausschauen? Als wir versuchen, konkretere Fragen zu formulieren, werden folgende genannt: • Was bremst der Begriff Nachhaltigkeit in uns? • Sind politische Zwänge ein Mittel, um Nachhaltigkeit zu fördern? Ist die Wirtschaft der bestimmende Faktor für nachhaltiges Handeln? Haben wir ein Recht auf Luxus? • Wie können wir die Zukunft mitprägen? Was ist realistisch/zumutbar bei unterschiedlichen finanziellen Hintergründen? Kuno Kübler 67 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Beim Versuch, uns auf eine Frage zu einigen, landen wir bei dieser: Wie wirken folgende Elemente in Bezug auf Nachhaltigkeit zusammen: • Menschen 1 • Menschen 2 • Politik • Wirtschaft • Luxus • Nachhaltigkeit • Bremse • Zukunft Die Menschen unterteilen wir in zwei nicht näher definierte, da wir uns nicht einigen können, wir wie sie unterschiedlich benennen sollten: Reiche und Arme, Gebildete und Bildungsferne… Wir überlassen es der Aufstellung, die Unterschiede zu definieren. Im ersten Bild haben die Menschen 1 die weit entfernt an der Wand stehende Nachhaltigkeit im Auge und wollen näher zu ihr, während Menschen 2 die Nachhaltigkeit im Rücken haben und in ihrem Blickfeld zuerst die Politik, dann die Wirtschaft ist. Die Politik steht so, dass sie alles gut im Blick hat, aber auch etwas abgeschlagen ist. Sie findet alles gut, es könne so bleiben. Die Wirtschaft steht zwischen Politik und Menschen 2. Was sie als störend empfindet: dass sie Menschen 1 und Zukunft im Rücken hat. Dem Luxus hat sich die Bremse zugesellt. Das empfindet der Luxus als unangenehm, die Bremse als stimmig. Die Nachhaltigkeit befindet sich weit abgeschlagen, nah an der Wand und an einer Tür. Sie schaut nach unten auf eine schwarze glänzende Tasche, die sie anzieht. Sie fühlt sich schwer und stützt sich nach einer Weile an der Wand ab. In diesem ersten Bild sitzt die Zukunft noch im Beobachterkreis. Aber jetzt will sie aufstehen, mit im Bild sein. Insgesamt herrscht große Beziehungslosigkeit. Niemand hat Kontakt zu jemand anderem. Als wir Veränderungen zulassen, ergibt sich folgende Dynamik: Menschen 1 möchten etwas tun. Sie versuchen, eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Zukunft herzustellen – mit wenig Erfolg. Menschen 2 drehen sich, um Menschen 1 und den Luxus in den Blick zu bekommen. Obwohl sie nicht auf die Nachhaltigkeit fokussiert sind, löst diese bei ihnen ein Kribbeln aus, das erst nachlässt, nachdem diese zu Boden gegangen ist. Kuno Kübler 68 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Die Wirtschaft dreht sich um, um Menschen 1 und Zukunft in den Blick zu bekommen. Die Politik hat keinen Veränderungswunsch. Der Nachhaltigkeit geht es immer schlechter, sie stützt sich an der Wand ab. Das beeinflusst auch den Luxus, dem es zusehends schlechter geht. Die Zukunft fühlt sich so wichtig, dass sie auf einen Stuhl steigt. Das wiederum finden Mehrere der Anderen dominant, überheblich oder abgehoben. Die Zukunft ihrerseits sagt: „Ich bin nicht das Morgen oder das Übermorgen. Ich befasse mich nicht mit eurem Alltag. Den müsst ihr selber regeln. Und ich bin auch nicht die Zukunft Einzelner oder nur der Menschen. Ich bin die Zukunft generell, und ihr könnt mir Dominanz oder anderes zuschreiben, das ändert nichts an meinem Stand.“ Während Menschen 1 mit der Zukunft und ihrer Unbeugsamkeit und Unbeweglichkeit hadern, machen das Palaver und die Beziehungslosigkeit die Nachhaltigkeit fertig. Sie geht am anderen Ende des Raumes langsam zu Boden. Da scheint sie sich besser zu fühlen. Das hat Einfluss auf den Luxus: Auch ihm geht es immer schlechter, bis er schließlich zu Boden geht. Menschen 1 nehmen Kontakt zur Wirtschaft auf, gehen mit ihr gemeinsam zur Nachhaltigkeit und versuchen, diese zum Aufstehen zu bringen. Das gelingt, aber die Nachhaltigkeit fühlt sich nach wie vor schlecht und ist geradezu angewidert von dem vielen Gerede um sie herum. Menschen 1 sind nach wie vor sehr aktiv. Sie bringen schließlich auch Menschen 2 dazu, sich der Nachhaltigkeit zuzuwenden. Da die Politik jetzt weit abgeschlagen vom Rest des Geschehens steht, beschließt sie einen Ortswechsel und bildet mit Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Menschen 1 und 2 einen losen Kreis. Außer wohlmeinenden Worthülsen hat die Politik zum Geschehen allerdings nichts beizusteuern. Nun scheint sich die Situation wieder festzufahren: Es wird viel geredet und überlegt, aber der Nachhaltigkeit geht es immer noch schlecht, und Ratlosigkeit herrscht vor. Da hat der im Hintergrund am Boden liegende Luxus einen Geistesblitz: „Nachhaltigkeit ist Luxus!“ – Er steht auf und stellt sich wertschätzend, liebevoll und leise nahe zur Nachhaltigkeit. Während die Anderen weiter verhandeln (Menschen 1 wollen Menschen 2 Richtung Nachhaltigkeit und Wirtschaft orientieren, während Menschen 2 nur Nähe und Verbundenheit suchen), blüht die Nachhaltigkeit durch die Nähe zum stillen Luxus immer mehr auf. Schließlich machen sich Nachhaltigkeit und Luxus langsam und beschwingt, untergehakt auf den Weg, ziehen große Kreise im Raum: „Es ist wunderschön, einfach nur spazieren zu gehen, zu schauen, zusammen zu sein. Das ist ein Genuss, ein Luxus!“ Trotz Protest, vor allem von Menschen 1, deren Konzept der Bündelung aller Kräfte durch den Abzug der Nachhaltigkeit in Frage gestellt ist, beenden wir an diesem Punkt die Aufstellung und gehen in die Reflexion. Hier einige Statements: „Ich habe die Politik repräsentiert, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Aber ich dachte, sie muss hier vertreten sein. Die hat wirklich nicht das beste Ansehen. Kuno Kübler 69 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Maulhelden ohne emotionale Intelligenz…“ „Als Bremse wusste ich lange nicht, was ich überhaupt sein sollte. Zwischendurch hatte ich die Assoziation ‚Erde‘…“ „Ich dachte, die Bremse ist unsere Bequemlichkeit…“ „Ich war schockiert, wie wenig wichtig die Politik hier war. Andererseits hat das meine eigene Meinung eher bestätigt.“ „Für mich waren die Menschen 1 die der ersten Welt, die die anderen ins Boot holen müssen. Und die Wirtschaft ist offensichtlich ein wichtiger Faktor dabei. Stimmig war für mich, dass der Zukunft wurscht ist, was mit den Menschen passiert.“ „Ich habe die Menschen anders erlebt. Menschen 1 waren für mich die Macher, Menschen 2 die Fühler…“ „Mich hat überrascht, dass Politik und Wirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit so gar keinen Bezug zueinander hatten – wo sie doch bei anderen Themen so eng verflochten sind…“ „Wenn die Zukunft zu abstrakt, zu weit weg ist, können die Menschen nicht mit.“ „Nachhaltigkeit funktioniert nur mit Wertschätzung. Und dass Nachhaltigkeit der Luxus des Genusses des einfachen Lebens sein könnte: Zeit haben, Muße haben, genießen – dazu haben die Menschen gar keinen Bezug.“ „Am Ende war der Luxus das Erstrebenswerte. Aber das wird von den Menschen noch nicht angenommen.“ „Die Wirtschaft hat allein gehandelt, mit den Menschen, die Politik musste abgeholt werden, die hat keine Akzente gesetzt.“ „Als Menschen 1 war ich zerrissen, in Widersprüche ohne Ende verwickelt, voll im Tun. Jetzt denke ich, es geht um eine weitere Komponente, eine geistige. Wir müssen lernen, integral zu denken!“ „Für mich als Nachhaltigkeit hat die freie Bewegung am Ende die Lösung gebracht. Die vielen Palaver waren das nicht. Die waren heftig. Das alte Bild von Nachhaltigkeit ist Verzicht. Das neue: schauen, frei werden, lebendig und präsent sein. Luxus ist: in Ruhe spazieren gehen statt Stress haben!“ „Als Luxus habe ich am Boden eine unterwartete Wandlung erlebt. Das war wie ein Geistesblitz und dann ein Schweben, der Freiheit und Wahlmöglichkeiten gebracht hat. In Beziehung sein, leicht, ohne Gier. Das ist ein neuer Wert, eine neue Definition von Luxus.“ „Ich nehme das Schlussbild mit: diese neue starke Nachhaltigkeit in Verbindung mit Kuno Kübler 70 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften dem neuen Luxus. Nur: Wie kommt es zu dem Blitz, der einschlägt? Das nehme ich als interessante Frage mit…“ „Ich hatte die Befürchtung, dass wir in Schwere, Ernsthaftigkeit, Ratlosigkeit enden. Jetzt finde ich die Momentaufnahme ermutigend. Ich habe einen Paradigmenwechsel von materiellem Luxus zu einem Luxus des Umdenkens erlebt.“ „Was für mich bleibt: der versöhnliche Teil am Ende…“ „Reichtum ist: ins Gebirge gehen können, sich an Kleinigkeiten erfreuen, an einem schönen Wochenende, einer gelungenen Veranstaltung…“ „Ich war überrascht, wie sehr diese Idee des Luxus sich durch den Abend gezogen hat…“ „Mich hat diese Rolle von Menschen 1 sehr angesprochen. Ich kenne das gut von mir selbst: Die Ernsthaftigkeit, das Pflichtgefühl, Verantwortung übernehmen und was tun zu müssen. Der Wechsel von der Tun- zur Seins-Ebene und zum Genießen hat mich sehr erleichtert. Und das Schöne daran: Wir müssen nicht darauf warten, dass die Politik uns Vorgaben oder Zwänge setzt, wir können mit dem Umdenken, dem Genießen und dem in Bezug sein mit Anderen sofort beginnen!“ Nachgedanken per Mail nach der Veranstaltung: „Im Nachgang ist mir noch aufgefallen, dass die "Verbindung" eher die "Hoffnung" ist, v.a. nachdem die Zukunft als Hoffnungsträger ausfällt und sich auf eine Metaphysische Position zurückgezogen hat. Die Hoffnung weiß nicht genau, welche Rolle sie spielt, aber sie ist wichtig und ist vielleicht als neues Element ein Baustein, um mit der aufgekommen Dynamik von Nachhaltigkeit/Luxus umzugehen. Für mich erscheinen die "Hoffnungsmenschen" als Menschen, die gerne möchten, sich aber noch nicht aus ihrer Haut wagen und ihren Gefühlen noch nicht vertrauen, obwohl sie diese gut kennen. Zudem denke ich, dass die Opferrolle der Politik nicht ausreichend gewürdigt wurde. Sie hatte einen sehr herzlichen Kern, den sie (wg. der Opferrolle) nicht nach aussen zeigt und daher nur "lebloses Geplapper" von sich gibt. Dennoch steckt viel Potential für die Politik in der Rolle für die eigene Weiterentwicklung und das Erkennen der Opferrolle.“ Kuno Kübler 71 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Ergänzung vom 23.03.2012: www.politik-im-raum.org Wie viel Sturm verträgt der Euro-Rettungsschirm? Aufstellung* mit anschließender Reflexion Die EU schnürt ein Rettungspaket nach dem anderen und verkündet, dass nun endlich die Banken „bluten“ müssen. In mehreren südeuropäischen Ländern herrschen unübersichtliche Verhältnisse, zudem äußern Finanzexperten Zweifel, ob der Staatsbankrott Griechenlands durch Umschuldungen überhaupt noch zu verhindern ist. Pessimisten verkünden das baldige Ende des Euro als Währung, schlaue Geschäftemacher bieten für den Währungszusammenbruch im Internet Überlebenspakete (Trocken-Lebensmittel, Batterien, Pfefferspray…) für zwei Monate an. Was sollen wir davon halten? Welche Möglichkeiten haben wir, bleiben uns? Moderation: Dr. Ruth Sander Zeit: Montag, den 13. Februar 2012, 18.30 Uhr Ort: Ökologisches Bildungszentrum (ÖBZ), Englschalkinger Str. 166, München Eintritt: 15,00 € oder Regio Wir freuen uns auf Ihr Kommen! ____________________________________________________________ * Die Nützlichkeit der Aufstellungsmethode wurde ursprünglich von Familientherapeut-Innen entdeckt. Inzwischen wird sie auch in beruflichen Beratungssituationen erfolgreich eingesetzt. Dabei wird über das jeweilige Thema nicht primär geredet, sondern dieses wird im Raum abgebildet: Anwesende stellen sich als Rollenträger von System-Aspekten zur Verfügung, die Dynamiken im System werden sicht- und erlebbar. In dieser Veranstaltungsreihe versuchen wir, komplexe Themen aufzugreifen und – für unsere westliche Welt – auf ungewohnte Weise gesamtheitlich und sinnlich erfahrbar zu machen, ohne dabei das Aufdecken endgültiger „Wahrheiten“ zu beanspruchen. Kuno Kübler 72 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Zusammenfassung Wir beginnen den Abend mit Abfragen im Raum. Zur Frage: Wie fern/nah ist Euch das Thema Euro-Krise? – beziehen einige ziemlich nah Stellung („ich informiere mich fast täglich“; „ich mag die verbindende Idee des gemeinsamen Geldes, drum fühl ich mich nah“), eine Person ganz fern („Geld ist für mich ein Zahlungsmittel, und sonst will ich nichts damit zu tun haben“). Zur Frage: Wie gut fühlt Ihr Euch informiert? - stehen alle in der unteren Hälfte der Skala. Denn auch die viel Informierten fühlen sich nicht gut informiert: Die Informationen passen nicht zusammen, widersprechen sich teilweise, des Öfteren fällt der Begriff der ‚Propaganda‘. Zur Abfrage: Was löst die Situation bei Euch aus, wie blickt Ihr in die Zukunft? Steht niemand eindeutig beim Pol ‚vertrauensvoll/optimistisch‘, eine Person deutlich beim Pol ‚pessimistisch (aggressiv/panisch)‘, einige bei ‚Beides‘ und die meisten bei ‚Keins von Beidem‘: „Ich bin zwar eher pessimistisch, wenn ich mir die Kompetenz der handelnden Personen anschaue, aber nicht aggressiv oder panisch, einfach gelassen“; „ich bin fatalistisch, was kommen wird, das kommt“; „ ich habe Vertrauen, dass alles einen tieferen Sinn hat und gut weiter geht“; „ich bin besorgt, glaube jedoch an Europa“ …. Dann geht es in Kleingruppen ans Fragen sammeln für die Aufstellung. Folgende Fragen werden genannt: - Was (welchen Missstand) spiegelt die Euro-Krise in der EU? - Was passiert gerade? Was geht nicht mehr so weiter? Entsteht etwas Neues? - Woraus generiert sich der EU-Gedanke? (Angst/Abwehr oder Gemeinschaftsgefühl) - Was dominiert den Prozess? Handelnde Personen oder systemische Gesetzmäßigkeiten? - Hat Europa verborgene Schätze? - Gibt es in Europa etwas anderes Verbindendes außer Geld und Macht? - Griechen verbrennen die deutsche Fahne, Deutsche schimpfen über die faulen Griechen. Was passiert auf der Ebene des einfachen Volkes, was auf der politischen, und wie passt das zum Europa-Gedanken? - Welche Systeme spielen mit, und wie wirken sie zusammen? - Welche Interessen sind im Spiel? Welche Machtspiele laufen ab? - Ist es für Europa schädlich/trennend, wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt? - Welches Zusammenspiel gibt es zwischen Europa und anderen Mächten der Welt? - Worauf kann man sich einstellen, was ist zu erwarten in den nächsten Jahren? Welche Handlungsperspektiven gibt es? - Müssen wir aktiver (wütender) werden? Kuno Kübler 73 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften - Wie kommen wir zu einem nachhaltig funktionierenden System? Nach einem Brainstorming über mögliche Elemente wählen wir: - Wir (die wir hier zusammen sind und diese Fragen formuliert haben bzw. die Menschen, die sich solche und ähnliche Fragen stellen), die EntscheidungsträgerInnen, aufgeteilt in - die Politik, - die Wirtschaft und - die Geldwirtschaft, - den Euro, - die zu Rettenden (es bleibt zuerst offen, ob damit die Bevölkerung, die Regierung oder die ganzen zu rettenden Staaten gemeint sind), - die RetterInnen, - die Spielregeln, repräsentiert durch einen Stuhl. Als designiertes Element bleibt die EU zuerst sitzen, später kommen noch das Menschliche (das, was verbindet außer Geld & Macht), die Nachhaltigkeit und die anderen Mächte der Welt (USA/China/Schwellenländer…) dazu. Im ersten Bild bezieht das Wir eher am Rand Stellung. Es hat einen guten Überblick über das ganze System und beobachtet eher unbeteiligt. Nur über den sehr großen Abstand zur Politik zeigt es sich verwundert, aber auch ein bisschen amüsiert. Politik, Wirtschaft und Geldwirtschaft stehen mit ziemlichem Abstand zueinander in einem inneren Kreis, sind aber nicht aufeinander ausgerichtet, sondern schauen alle in eine Richtung, auf eine Wand des Raumes. Ebenso der Euro, wenn er auch mit Abstand zu den dreien steht. Die zu Rettenden sind zuerst extrem hippelig. Aber sobald der Euro seine Position bezogen hat und sie selbst die eigene wählen sollen, legen sie sich mit einigem Abstand vom Euro auf den Boden, seitlich aufgestützt, ausgerichtet auf die RetterInnen, die im Rücken des Euro, voll ausgerichtet auf die zu Rettenden ihren Platz wählen. Diese stehen bald wieder auf, weil es am Boden zu unbequem ist, lassen aber verlauten, dass sie von der Rolle her am Boden liegen bleiben müssten. Noch vor einer ersten Abfrage kommen die Spielregeln ins Spiel: Gefragt, wo die denn hin gehören, werden sie von allen vehement abgelehnt – bis auf die RetterInnen, die ebenso vehement nach ihnen verlangen: „Na, ohne die läuft hier gar nichts“. Gefragt, wer die Spielregeln denn mache, ist die Antwort: Die RetterInnen in Kooperation mit Politik und Wirtschaft; jedenfalls hätten die zu Rettenden über die Spielregeln nicht mitzubestimmen. Die Aussagen bei der ersten Abfrage: Die Wirtschaft ist nur am Wir und am Euro interessiert; es macht ihr Sorge, dass der Euro abgewandt steht; sollte er sich auch noch nach außen bewegen, müsste die Wirtschaft ihm nach. Die Geldwirtschaft hat Lust auf Bewegung und Dynamik, langweilt sich fast die ganze Kuno Kübler 74 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Aufstellung lang. Die Geschehnisse im Innenkreis sind ihr zu statisch, sie will weg, in interessantere Gegenden. Der Euro hatte zuerst nur zu den RetterInnen Kontakt. Dann sieht er die zu Rettenden auf dem Boden und empfindet sie zuerst als "Gartenzwerge". Die zu Rettenden fühlen sich als Bevölkerung und Land, als zu rettende Länder. Ihr Blick geht ausschließlich zum Euro. Die RetterInnen sind – vorausgesetzt, die Spielregeln sind klar und werden eingehalten – zur Hilfe bereit, aber ohne viel Mitgefühl für die zu Rettenden. Inzwischen kann sich auch die Politik mit den Spielregeln anfreunden. Ja, nicht nur das, sie wird massiv: Sie drückt die zu Rettenden auf den Stuhl der Spielregeln, legt den zu Rettenden die Hände schwer auf die Schultern und fixiert sie damit auf die Spielregeln. Nun fragen wir die EU ab. Sie hat die Maßnahmen der Politik als Gewaltausbruch erlebt und spricht davon, dass es selbstmörderisch wäre, sich selbst in diese Dynamiken in der Mitte einzubringen. Als aber der Euro leise in Richtung EU „Feigling“ flüstert, motiviert das die EU hinein zu stürmen. Sie bezieht in der Mitte des Geschehens Stellung, bringt sich einen eigenen Stuhl mit und lässt sich darauf nieder. Das hat erstaunliche Auswirkungen: Die RetterInnen und die zu Rettenden scheinen nun ganz auf die EU fixiert; sie gehen langsam zu Boden, es wirkt, als würden sie zu Füßen der EU sitzen, um ihren Worten lauschen zu können. Der Euro dreht sich um, um die EU im Auge behalten zu können. Er hat er ganz intensiven Blickkontakt mit den zu Rettenden. Zu Rettende und Euro bewegen sich aufeinander zu und stehen schließlich nebeneinander. Auch die Politik kommt näher, sodass EU, RetterInnen, zu Rettende, Politik und Euro einen Innenkreis bilden. Die zu Rettenden empfinden die EU wie einen Großvater, dem man gebannt zuhört. Sie nehmen niemanden außen herum wahr. Nach eigener Aussage empfinden sie sich auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes. Interessant ist, dass sich hier die Wahrnehmungen des Innenkreises stark von denen der Außenstehenden unterscheiden: Für die EU war das Geschehen sehr aufregend und sehr im Werden, von außen (Geldwirtschaft, Wirtschaft und Wir) wurde dieser Innenkreis als heimelig und eher statisch bezeichnet. Wir sind an einem Punkt, wo sich zwei eher starre Blöcke bilden: der Innenkreis um die EU, die sich um innere Stabilität innen bemüht und damit voll beschäftigt ist, und weit draußen Geldwirtschaft und Wirtschaft, die auf der Suche nach neuen, dynamischen Märkten sind. Das gegenseitige Unverständnis ist mit Händen zu greifen, Verständigung scheint kaum mehr möglich. Das ruft die drei weiteren Elemente auf den Plan, die unaufgefordert und von sich aus die Szene betreten: Das Menschliche bezieht Stellung hinter den zu Rettenden, lässt die Gruppe um die EU aufatmen. Nur die Politik ist zuerst irritiert, denn sie stand hinter den zu Rettenden und verliert durch das dazwischen Treten des Menschlichen den Blick auf den Innenkreis. Der Versuch, das Menschliche zur Seite zu drängen, gelingt nicht. So stellt Kuno Kübler 75 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften sich die Politik schließlich an die Seite des Menschlichen. Die EU versucht die Politik zum Tanzen zu bringen, um gemeinsam Kontakt zur Finanzwirtschaft aufzunehmen. Die Nachhaltigkeit, die sich übrigens eher als Zukunft fühlt, reagiert stark auf die Mächte der Welt: Sie geht zur Tür und überlegt, ganz rauszugehen oder das Wir zu sich einzuladen. Das Wir folgt dieser Einladung. Es soll nach dem Wunsch der Nachhaltigkeit/Zukunft seinen eigenen Blick auf das Ganze gewinnen. Die anderen Mächte der Welt stellen sich ganz an den Rand des Raumes, an dem sie der Wirtschaft und der Geldwirtschaft am nächsten stehen. Damit erklärt sich auch, wohin Wirtschaft, Geldwirtschaft, Euro und Politik am Anfang geschaut haben, quasi auf die noch gar nicht aufgestellten Mächte der Welt. Diese haben einen guten Überblick über den Raum und ziehen sofort die gesamte Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Geldwirtschaft auf sich. Das Schlussbild zeigt eine geschlossene Gruppe in der Mitte um die EU: zu Rettende, Euro, Politik und Menschlichkeit. Drei selbstbewusste Elemente weit außen: Mächte der Welt, Wirtschaft und Geldwirtschaft, die sagen, viel miteinander anfangen zu können; am anderen Ende des Raumes das Wir und die Nachhaltigkeit; und zwischen der EU-Gruppe und den Mächten der Welt eine Zerrissene: die RetterInnen, die nach wie vor zu retten bereit sind, aber wissen, dass das nur mit Hilfe der Wirtschaft möglich ist. Aussagen der Elemente aus diesem letzten Bild; die Abschlussfragen waren: Was war für dich das Wesentlichste am ganzen Geschehen, und was müsste jetzt passieren, dass es für dich gut weitergeht?: Das Wir: „Das Wichtigste für mich war, mich mit der Nachhaltigkeit zu verbinden. Gut tut mir, dass die anderen damit beschäftigt sind, sich neu zu orientieren. Gut weiter gehen wird es dann, wenn es möglich ist, neue Positionen vorsichtig auszuprobieren.“ Die daneben stehende Nachhaltigkeit/Zukunft: „Das Wichtigste war, dass das Wir aktiv geworden ist und die Geschichten erzählt – und nicht die da! [alle anderen Elemente]. Die sind nämlich nur Fiktionen von irgendwas, die aber die Deutungshoheit für sich beanspruchen. Ich will, dass das Wir diese Deutungshoheit zurückgewinnt.“ Die EU: „Das Wichtigste war, dass das Hineingehen kein Selbstmord war, sondern zu einer ganz anderen Entwicklung geführt hat. Das Auftreten des Menschlichen hinter dem Euro war der entscheidende Schritt hin zu einer Stabilisierung des „Innenkreises“. Dass ich als EU, die Armen (die zu Rettenden), die Reichen (die Retter) und der Euro für das Menschliche ANZIEHEND waren, war völlig unerwartet. Es war wie das Auftauchen eines verborgenen Schatzes. Dadurch war die Voraussetzung geschaffen dafür, sich später auch als „Gruppe“ gemeinsam auf die Außenstehenden hin zu bewegen. Gut wird es dann weitergehen, wenn endlich die Finanzwirtschaft etwas eingebunden wird und sich auch an Spielregeln hält. Dafür wäre ich zusammen mit der Politik zuständig.“ Kuno Kübler 76 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Die zu Rettenden: „Ich habe mich am Anfang fast wie ein Baby gefühlt. Jetzt fühle ich mich wie ein Jugendlicher oder in der Vorpubertät. Hier fühle ich jetzt große Kraft und Wärme, habe großes Vertrauen in die EU. Der Rest ist so weit weg, ich nehme da nicht viel wahr. Wir sind viel zentraler hier. Damit es gut weitergeht, müsste sich gar nicht viel ändern – eher müsste diese Stabilität hier erhalten bleiben…“ Der Euro: „Das Wichtigste für mich ist, dass Geld und Menschlichkeit jetzt zusammen sind. Die Politik braucht mich, um etwas bewegen zu können. Das Erscheinen der Menschlichkeit war für mich von existenzieller Wichtigkeit. Da erst hatte ich die Hoffnung, dass ich überhaupt einen Sinn habe. Pessimistisch stimmen mich die da hinten [Weltmächte und Finanzwirtschaft], die machen einfach ihr Ding – wenn die Politik und ich nicht in der Lage sind, uns zusammenzutun, dann erst recht. Sonst haben wir keine Chance…“ Die Menschlichkeit: „Das Wichtigste für mich ist: ins Gespräch kommen, alte Standpunkte auflösen, alte Ansichten. Ich rutsche hier von einem Thema ins nächste. Ich hätte noch so viel abzuarbeiten, mit der Politik, mit den anderen hier. Und dann, später, auf die Wirtschaft und die Globalisierung zugehen. Aber eins nach dem anderen, alles zusammen geht nicht…“ Die RetterInnen: „Wir sind leicht verzweifelt. Ohne Wirtschaft sind die in der Mitte ein alter Haufen, die EU sitzt noch immer, das ist ein Geklüngel von Hilflosigkeit. Ich möchte vorangehen, die EU mitziehen, aber die sind so selbstgefällig. Ich weiß, es geht in diese Richtung [Weltmächte…], die fühlt sich aber nicht gut an, mit der Nachhaltigkeit so weit weg. Es ist, als ob ich krampfhaft nach Ideen suche, um die EU für die Wirtschaft noch interessant zu halten, damit die Wirtschaft noch irgendwie den Draht zu uns behält. Aber so wie’s im Moment ist, wirkt die EU für mich wie ein Altenheim, starr und betulich. Ich bin auf der Suche nach etwas, was Leuchtkraft für die Wirtschaft hat, denn ohne die geht’s nicht. Am besten noch mit Nähe zur Nachhaltigkeit…“ Die Politik: „Das Wichtigste für mich war der überraschende und absolut unvorhersehbare Moment, als plötzlich die Menschlichkeit vor mir stand und mir komplett den Blick verstellte. Das war wie ein Schock, ich wusste gar nicht, was ich machen soll. So wie es jetzt hier ist, kann ich nur sagen: Das Leben ist hier! Hier ist Wärme, da ist Menschlichkeit! Jetzt müssen wir zuerst innen schauen, dass wir das regeln, nicht nach außen schauen. Das andere, sowohl die Wirtschaft wie die Nachhaltigkeit, das kommt erst nachher. Es geht nicht alles auf einmal!“ Die Wirtschaft: „Als die RetterInnen gesprochen haben, das hab ich doch so interessant gefunden, dass ich ein Team in dieses System [EU] schicken will, um die RetterInnen zu unterstützen, dass da was Konstruktives passiert. Ansonsten: Das wahre Leben ist hier [Weltmächte], meine Kraft geht auch hier rein. Denn in diesem Klüngel da [EU], da kann nichts Lebendiges rauskommen… Zur Nachhaltigkeit hab ich gar keinen Kontakt, ich weiß gar nicht, was das sein soll…“ Die Geldwirtschaft: „Ich orientiere mich jetzt an der Wirtschaft, habe den Eindruck, wir zwei bewegen uns jetzt im globalen Raum. Mich interessiert die Nachhaltigkeit, ich Kuno Kübler 77 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften schau die gerne an, ich find sie gut. Da will ich was reinstecken. Ein Funken Interesse ist bei mir auch erwacht, seit die im Innenkreis aufgestanden sind. Das ist besser als vorher. Insgesamt: Ich fühl mich als reine Energie, Dynamik. Will was bewegen und bin interessiert an Gleichgesinnten.“ Die Weltmächte: „Mit Wirtschaft und Geldwirtschaft – das ist eine feine Sache. Es ist gut, und es wird noch besser werden. Der Innenkreis um die EU wirkt auch auf mich wie ein Altenheim. Wenn die so weitermachen wollen und ihre Dinge abarbeiten: nett, gerne! Nur die Aussage der RetterInnen war für mich interessant, da hab ich mir gedacht: Da könnten wir unterstützen, ein paar Leute rein schicken. Und sonst: Die sind gar keine Konkurrenz. Wir gehen schon mal voraus, und wenn sie mal nachkommen wollen – gerne!“ Hier lösen wir die Aufstellung auf und widmen uns der Reflexion. Folgende Gedanken werden laut: „In der Realität versuche ich, die Wirtschaft für Spirituelles und Menschliches zu interessieren. Hier in der Aufstellung war ich als Wirtschaft vor allem an Dynamik ausgerichtet, alles andere hat keine Rolle gespielt. Das gibt mir zu denken. Mir ist jetzt klar: Damit das Neue für die Wirtschaft interessant wird, muss es Anziehungskraft haben!“ „Als Nachhaltigkeit war für mich klar: Das Wir muss eine größere Rolle spielen, also die denkenden, interessierten, aktiven Menschen! – Das ganze Geschehen um die EU rum hat mich am Anfang an Kindergarten, später an Cowboy-Spiele erinnert. Alle stehenden Elemente waren für mich eher Theater und nicht handelnde Elemente, weil sie für sich eine Bedeutung definierten, die sich jeweils verselbständigt hatte. Dann ist mir noch ein Buch eingefallen, das ich gerade lese: ‚Die Ökonomie von Gut und Böse‘ vom Tomas Sedlacek, einem Berater Václav Havels. Der schreibt, dass nicht Fakten oder Ereignisse unsere Geschichte bestimmen, sondern Mythen, die wir uns erzählen, angefangen vom Gilgamesch-Epos. Mit Mythen meine ich nicht: Mythen als Unterscheidung zu Geschichte aufgrund materieller Grundlagen etc., sondern ich meine: Geschichten im Sinne von systemischen Landkarten, Kontext, Erzählungen, die die Wirklichkeit konstruieren. Und in diesem Sinne scheint mir Tomas Sedlacek die alten Texte nochmal durchzugehen: In welcher Form kommen darin Ökonomie und die moralischen / ethischen Grundlagen für das wirtschaftliche Handeln vor, welche Geschichten werden erzählt, was könnten sie hinsichtlich dieser Fragen bedeuten? Und in diesem Sinne fand ich an der Aufstellung das für mich Frappierende, dass das Wir sich untergeordnet hatte unter die Deutungen der einzelnen Elemente, anstelle sie alle von außen anzusehen und für sich daraus Schlüsse / Veränderungswünsche zu entwickeln. Das wäre aber der für mich richtige Weg, um aus dem jetzigen Chaos rauszukommen.“ Kuno Kübler 78 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften „Als Wir hab ich empfunden: Ich muss beobachten, verstehen, ableiten, nächste Schritte gestalten…“ „Ich hatte die Frage: Hat Europa verborgene Schätze? Meine Antwort ist jetzt: Ja. Es hat sich viel bewegt. Die Einbeziehung der Menschlichkeit ist ein großer Schritt.“ „Da war ganz viel Dynamik, viele Schritte. Mir ist die occupy-Bewegung dazu eingefallen. Vielleicht geht’s ja in diese Richtung: Einigung, sich verständigen, gemeinsame Werte und dann mit konkreten Vorstellungen der Wirtschaft, der Finanzwelt und den Mächten gegenübertreten können.“ „Ich hatte die Frage, ob es was Verbindendes gibt außer Geld und Macht. Die Antwort ist: Ja! Das alte Griechenland fordert Europa, sich zu entscheiden zwischen den alten Werten und der Globalisierung. Es wirkt zwar verstaubt, aber ich habe Hoffnung auf das alte Wissen…“ „Ich bin gespalten, hatte so eine Idee: Weiteres rasantes Wirtschaftswachstum wird ja wirklich in anderen Weltgegenden stattfinden, da ist Europa zu gesättigt. Aber vielleicht werden in Europa ja jetzt andere Werte wichtiger? Der gute alte Humanismus, weniger das Geld? Und zugleich denke ich mir: Ist das jetzt nur Sozialromantik und Wunschdenken?“ „Als Geldwirtschaft war mir nur wichtig, mit der Dynamik, mit dem Neuen zu gehen! Veränderungen haben mich angezogen, nicht Moralvorstellungen.“ „Diejenigen, die sich hier als die angeblich so dynamischen Kräfte dargestellt haben, waren aber doch recht statisch. Sie haben sich weder aufeinander zu noch voneinander weg noch auf die EU und deren Gruppe hin bewegt. Für mich war mehr Bewegung im alten Europa. Die anderen haben nur viel von Dynamik geredet und dem angeblich statischen Innenkreis verbal Angst gemacht. Wenn wir auf die tatsächliche Bewegungslosigkeit dort schauen, brauchen wir gar keine Angst mehr haben…“ „Asien und Europa entwickeln sich beide, halt verschieden. Aber an der Menschlichkeit lohnt es sich in jedem Fall festzuhalten. Die Menschen müssen die Entscheidungen treffen, nicht die abstrakte Globalisierung über die Menschen.“ „Es war interessant, wie Europa sich als Nabel der Welt betrachtet hat. Da seh ich die Gefahr der Erstarrung, Lagerfeuerromantik, Monologisierung ohne Neuem, auch die Gefahr der Abkapselung. Es war schon erschreckend bis ernüchternd, wie sich alles Neue auf die Weltmächte fokussiert. Und es hat nicht so ausgeschaut, als würde Europa sagen wollen: ‚Wir sind Europa‘ und überhaupt einen Platz für sich beanspruchen wollen.“ „Es wird schwierig für Europa werden, die eigenen Werte zu halten.“ Nachgedanken in den Tagen nach der Aufstellung: „Im Nachhinein denke ich mir, dass am Ende wie zwei Systeme im Raum waren, die Kuno Kübler 79 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften ihre ganz eigene Sprache gesprochen, ihre eigenen Wertesysteme gehabt haben. Wenn nun ganz viel Platz auf dieser Erde wäre, könnten sie ja vielleicht nebeneinander existieren, quasi jedes in seiner Wirklichkeitskonstruktion. Aber in Zeiten der Globalisierung? Setzen sich dann einfach die Stärkeren, Schnelleren, Rücksichtsloseren, Gierigeren durch, oder gibt es Chancen auf Dialog, auf Einspeisen alter Werte und Einsichten, damit es zu einem friedlichen Miteinander kommen kann?“ „Nun, das eine System, das alte Europa, ist ja in Wirklichkeit auf die anderen drei zugegangen. Das war ganz am Ende der Aufstellung, während Wirtschaft, Finanzwirtschaft und Weltmächte abgefragt wurden. Die Weltmächte haben gesagt: „Es war schon erschreckend bis ernüchternd, wie sich alles Neue auf die Weltmächte fokussiert“ und das war für mich auch so zu verstehen, dass jetzt dort auf einmal das alte Europa auftaucht, in Sichtweite, auf die Weltmächte zukommt, das einen Prozess erlebt hat und seinen Zusammenhalt unter Spannung und im Dialog erhält, während die Weltmächte (und die Wirtschaft und Finanzwirtschaft) ahnen, dass sie dies alles noch vor sich haben und auch Zweifel haben, ob sie dies alles hinbekommen.“ „Selbst wenn es genügend Platz auf dieser Erde für zwei (oder mehr) „Parallelwelten“ geben würde, wäre das keine Lösung: Die Vernetzung würde trotzdem stattfinden, und wahrscheinlich würde eine Welt, welche die „alten“ Werte zu bewahren versucht, ausbluten oder vergreisen. „Unsere westliche Welt“ hat ja viele andere Kulturen auch nicht ihren eigenen Weg gehen lassen, sondern sie zu einer Öffnung gezwungen oder ist zumindest in diese Welten eingedrungen – ob dies nun das alte China ist oder sehr ursprüngliche Kulturen im Amazonasgebiet oder in Neuguinea. Frei nach Friedrich Schiller "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Ich glaube einerseits nicht, dass eine immer schneller voranschreitende Welt irgendeinen anderen Teil der Welt in Ruhe lassen würde, und andererseits glaube ich auch nicht, dass eine ganze Kultur die „Ruhe“ hat, sich auf ihre Werte zu besinnen und sich nicht von der Dynamik der wirtschaftlich Erfolgreichen mitreißen lässt abgesehen von kleineren Lebensgemeinschaften wie heute schon Klöster unterschiedlicher Kulturen, aber auch etwa die Amish-people in USA. Einen Dialog wird es sicher geben (müssen), die Frage ist, wie er aussehen wird. Ja ich denke es werden sich irgendwie die Stärkeren, Schnelleren, Rücksichtsloseren, Gierigeren durchsetzen – wie das bisher eigentlich auch meist der Fall war, auch bei uns im alten Europa mit seiner so hochstehenden Kultur – und meist war es deutlich schwieriger als heute, einen anderen Weg zu gehen. … da könnte ich jetzt endlos weiterdenken…“ „Ich glaube, dass Europa eine eigene Identität braucht, um sich in der Globalisierung behaupten zu können. Um die geht es jetzt, um dann gestärkt weiter gehen zu können. China und Asien sind von der Menschlichkeit noch weit entfernt, die haben erst mal andere Aufgaben. Wir müssen uns nach den Kriegen einen neuen Platz geben und das Vergangene wirklich aufarbeiten. Brasilien, Afrika wird in der Wirtschaft einen Platz bekommen sowie alle anderen Schwellenländer – es wird spannend bleiben die nächsten Jahrzehnte. Das heißt in meinen Augen nicht, dass wir nicht wachsen. Wir wachsen, aber anders. Die Wirtschaft hat bei uns viel erreicht – jetzt geht es um andere Werte, und da ist Deutschland schon immer Vorreiter gewesen – siehe jetzt mit dem Atomausstieg und den erneuerbaren Energien. Da zeigt sich schon der Kuno Kübler 80 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Wertewandel – weg vom schnellen Geld – hin zur Nachhaltig- und Menschlichkeit. Ich glaube, es war nur ein kleiner Aspekt, den wir gestern beleuchtet haben. Für mich ganz wichtig wäre das Zusammenspiel hinsichtlich Entwicklung Europas mit USA/China/Asien und den Schwellenländern. Ich glaube, da würde man noch mal ein anderes Verständnis erhalten, was die Eurokrise bedeutet. USA sind, was die Schulden betrifft, auf gleichem Stand wie Griechenland, nur mit einer besseren Wirtschaft, China gehört zur Hälfte bereits USA – also die Globalisierung hat in meinen Augen auf dem Finanzsektor schon einen ziemlichen Einzug gehalten.“ „Die Bewegung für mehr ‚Menschlichkeit in der Wirtschaft‘ muss erst entstehen und erstarken. Das Gegenteil läuft überall ab. Mir fiel noch die Parallele zu der Geldaufstellung ein: fließendes Geld. Die Finanzwirtschaft hat viel von Dynamik, Energie und Bewegung gesprochen. Es ist aber das rasende Tempo der Spekulationsbillionen, die täglich um den Globus gejagt werden. Die besinnliche Runde am Boden war für mich sehr bedeutend. Wir müssen erst aus dem Hamsterrad aussteigen, wieder den Boden unter den Füßen spüren, damit wir herausfinden können, was wir an Werten hochhalten wollen. Dass diese Besinnung der rasenden 90-Tages-Quartalswirtschaft nicht passt, ist mir schon klar. Der äußere Kreis hat sich lustig gemacht über die EU und den inneren Kreis. Die ersten OccupyAktivisten an der Wallstreet sind von den Bankern auch nur belächelt worden. Es braucht Zeit, in Kontakt zu gehen, alte Positionen zu überdenken... Spannend fand ich die Bemerkung zu den Indianern. Die Lagerfeuer"romantik" finde ich wichtig. Sich wieder rückbinden mit der Natur, den kosmischen Gesetzen etc. Ich habe das Gefühl, dass das Wissen der indigenen Völker ganz ganz wichtig ist!! Spannend war auch, dass die Nachhaltigkeit umherspazierte, wie in der Aufstellung im Gasteig mit den Menschen/Wir an der Seite! Ich habe eine sehr hohe Dynamik in der ganzen Aufstellung erlebt (auch viel Heftiges, Aggressives). In der Rolle haben ich weitergezählt, 4., 5., 6. Aufstellung. Es gab kein statisches Schlussbild, es ging weiter. Fast so, als wenn ein Film langsam weiterläuft, obwohl der Projektor schon keinen Strom mehr hat. Die Frage tauchte noch in mir auf, wer ist hier Täter und wer Opfer?? Das Neue ist noch nicht geboren. Das Neue müsste etwas Anziehendes haben, wurde gesagt. Kann es jetzt aber noch nicht ausstrahlen. Das Neue wächst im Verborgenen, behütet und beschützt. Das was später als die Mächte der Welt in die Aufstellung hineinging, war die ganze Aufstellung schon da, unsichtbar, hat subtil Einfluss genommen. Was wäre passiert, wenn wir zu Anfang in dieser Ecke schon jemanden hätten erscheinen lassen?? Vielleicht besser so, wie es lief, denn dadurch trat der innere Prozess mit der EU etc. stärker hervor. Es gärt im Inneren. Ich stelle mir vor, dass hier eine neue Kraft wächst, die es dann mit dem Thema "Globalisierung" aufnehmen kann. Ich habe noch viele Fragen. Mir kommt das Thema derart vielschichtig vor, dass wir über die Jahre erst die ersten Schichten in den zahlreichen Geld- und Finanzaufstellungen aufgezeigt haben. Entweder durchdringt der Wandel schon so vieles, dass wir die alten Bilder und Muster gar nicht mehr verwenden können (z.B. "verdeckte erotische Psychospielchen"), weil sie schon so blass geworden sind. Ich bin auf das Neue Kuno Kübler 81 Hochschule München Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften gespannt, was sich zeigt.“ „Die Aufstellung hat mir gezeigt, wie sehr wir in der Auswahl der Elemente, der Bedeutungsgebung gefangen sind in dem, was sich als scheinbar unabhängige Systeme geriert und von bestimmten Leuten genutzt wird, um genau diese scheinbar unabänderlichen Sachzwänge/ Zielrichtungen / Gegensätze zu formulieren und als „alternativlose“ Handlungsoptionen darzustellen. Es wird Zeit, das alles grundsätzlich immer wieder in Frage zu stellen, daraus könnte dann ein fruchtbarer und zukunftsweisender Dialog entstehen.“ Kuno Kübler 82