und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016
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und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016
Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 www.landesbeirat.nrw.de Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Rundschreiben 01 / 2016 Liebe Leserinnen und Leser, nein, es ist noch nicht vorbei. Das haben die Diskussionen in der Sondersitzung des Landesbeirates am 5. Februar und in der regulären Sitzung am 9. März gezeigt. Die Verunsicherung unter vielen Spätausgesiedelten durch Einflussnahme von außen – Stichworte russische Medien und rechtsradikale Parteien – ist bedenklich, und sie hält an. Für mich als Vorsitzender des Landesbeirates und Integrations-Staatssekretär bedeutet dies, dass ich mich gerade in diesen Tagen hinter die Selbstorganisationen der Spätausgesiedelten stelle, und das sind neben der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland die beiden Jugendorganisationen und die vielen Vereine in NRW. Mit denen können und wollen wir arbeiten. Viele von Ihnen wissen, dass unsere Gesellschaft auch viele Aussiedler aus Polen aufgenommen hat. Wir haben das Jubiläum 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag in 2016 zum Anlass genommen, die Integration der bei uns lebenden Polinnen und Polen zu analysieren. Das zentrale Ergebnis unserer kürzlich veröffentlichten Studie: Menschen polnischer Herkunft sind in NordrheinWestfalen überdurchschnittlich gut integriert. Meine Bewertung ist klar: Die Integration der aus Polen stammenden Menschen in NRW ist eine Erfolgsgeschichte. Das zeigen beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifikation, zur Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von öffentlichen Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum Lebensunterhalt. In allen diesen Bereichen schneiden Menschen mit polnischem Migrationshintergrund überdurchschnittlich ab. Dies ist besonders erfreulich, weil die 564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine der größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber wegen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum gesprochen wird. Damit wird deutlich, dass die Gruppe der Menschen mit polnischem Hintergrund ähnlich groß ist wie die der Spätausgesiedelten. Hier hatten wir ja 2013 eine Zahl von rund 620.000 ermittelt. Auch die Integration der Deutschen aus Russland war insgesamt positiv bewertet worden. Die erste Ausgabe des Rundschreibens erscheint aus technischen Gründen leider erst nach Ostern. So wünsche ich Ihnen heute einen schönen Frühlingsanfang. Möge das Wiedererwachen der Natur Ihnen und uns die Kraft geben für eine gute Integrationsarbeit! Herzlichst, Ihr Thorsten Klute Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales und Vorsitzender des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Inhaltsverzeichnis 1 Kurz notiert 6 2 Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme 23 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote 26 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen 36 5 Veröffentlichungen 64 6 Anlagen 72 1 Kurz notiert 1 Kurz notiert Aussiedlerzahlen im Jahr 2015 in Nordrhein-Westfalen Im Jahr 2015 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1.300 Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 1.257 Personen. Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern: Ehemalige UdSSR 1.289 Republik Polen 9 Rumänien 2 Sonstige 0 Gesamt 1.300 Aufnahmezahlen bundesweit In der Bundesrepublik sind im Jahr 2015 insgesamt 6.118 Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 5.649 Personen. Ehemalige UdSSR Republik Polen Rumänien Sonstige Gesamt 6.096 13 7 2 6.118 (Bundesverwaltungsamt) (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-) Aufnahmezahlen vom 1.1. bis 29.2.2016 bundesweit Aussiedlerzahlen vom 1.1. bis 31.3.2016 in Nordrhein-Westfalen In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2016 sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt 289 Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 220 Personen. Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern: Ehemalige UdSSR 288 Republik Polen 1 Rumänien 0 Sonstige 0 Gesamt 289 (Kompetenzzentrum für Integration -KfI-) 6 In der Bundesrepublik sind in der Zeit vom 1. Januar bis zum 29. Februar 2016 insgesamt 836 Aussiedler (einschließlich Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 689 Personen. Ehemalige UdSSR Republik Polen Rumänien Sonstige Gesamt 834 2 0 0 836 (Bundesverwaltungsamt) Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Die Kommunalen Integrationszentren (KI) sind das Herzstück des 2012 verabschiedeten Teilhabe- und Integrationsgesetzes NRW. Die ersten KI haben 2013 ihre Arbeit aufgenommen. Zu den Aufgaben zählen beispielsweise die Koordinierung von Querschnittsaufgaben und Sprachangeboten, die interkulturelle Schul- und Unterrichtsentwicklung, Orientierungshilfen für junge Migrantinnen und Migranten im Schul- und Ausbildungssystem, die Unterstützung von sogenannten Brückenkitas in Flüchtlingsheimen, die die Integration von Flüchtlingskindern in die Regelkitas vorbereiten sollen, und die Begleitung und Qualifizierung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Minister Rainer Schmeltzer. Foto: MAIS / G. Protze 50. Kommunales Integrationszentrum des Landes im Kreis Coesfeld eröffnet Das Land fördert die Arbeit der Kommunalen Integrationszentren mit jährlich rund 10 Millionen Euro. Das Integrationsministerium finanziert in jedem KI mit 170.000 Euro 3,5 Personalstellen. Aus dem Etat des Schulministeriums werden jeweils zusätzlich zwei Lehrerstellen, wobei eine Lehrerstelle rund 50.000 Euro entspricht, zur Verfügung gestellt. Außerdem fördert das Land eine landesweite Koordinierungsstelle zur Unterstützung der KI. Schulministerin Sylvia Löhrmann und Integrationsminister Rainer Schmeltzer haben im Kreis Coesfeld das 50. Kommunale Integrationszentrum in NRW eröffnet. „Mit den 50 Kreisen und kreisfreien Städten haben wir jetzt eine nahezu flächendeckende Struktur aufgebaut, mit der wir die Angebote zur Integration der zugewanderten Menschen in den Kommunen koordinieren. Viele Bundesländer beneiden uns um diese starken Partner in der kommunalen Integrationsarbeit, da sie eine Bündelung aller Integrationsangebote vor Ort ermöglichen und die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe unterstützen“, sagte Schmeltzer in Lüdinghausen. Beide Minister betonten, dass die Bedeutung der Kommunalen Integrationszentren angesichts der aktuellen Flüchtlingszuwanderung noch einmal gewachsen ist. Deshalb erhalten die KI aus dem aktuellen Landesprogramm „KOMM-AN NRW“, das für die Jahre 2016 und 2017 mit jeweils rund 13 Millionen Euro ausgestattet ist, Geld für zusätzliche Personalstellen. Mit den Maßnahmen aus dem Programm KOMM-AN werden auch die Wertevermittlung und die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe unterstützt. So können beispielsweise Treffpunkte für Flüchtlinge eingerichtet oder auch mehrsprachige Informationsbroschüren für Flüchtlinge erstellt werden. Ministerin Löhrmann sagte: „Integration ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, mit Bildung als wichtigem Schlüsselelement für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe. So ist das Erfolgsrezept der Kommunalen Integrationszentren denkbar simpel: Integration muss vor Ort als Bildungs- und Querschnittsaufgabe gestaltet werden. Es sind die vielen engagierten Menschen in den Kommunen, die diesen Leitsatz durch ihre Arbeit mit Leben füllen und damit Perspektiven für viele Zuwanderinnen und Zuwanderer schaffen. Ihnen allen gebührt an dieser Stelle mein großer Dank.“ Weitere Infos zu den Kommunalen Integrationszentren finden Sie im Internet unter: www.mais.nrw und www.kommunale-integrationszentren-nrw.de Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer: Darum beneiden uns andere Bundesländer (Mitteilung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung und des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 12.2.2016) Ministerin Löhrmann und Minister Schmeltzer freuten sich, dass sich der Kreis Coesfeld, der als ländlicher Kreis im Münsterland einen vergleichsweise niedrigen Migrantenanteil hat, nun auch zur Einrichtung eines Kommunalen Integrationszentrums entschlossen hat: „Ausschlaggebend waren sicher die guten Erfahrungen in Nachbarkreisen und nicht zuletzt die Flüchtlingszuwanderung, die dem Thema Integration noch einmal einen zusätzlichen Schub gegeben hat.“ 7 1 Kurz notiert Landesbeirat für Vertriebene: Düsseldorfer Erklärung In einer Sondersitzung hat der Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen NordrheinWestfalen unter Vorsitz von Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute über die aktuelle Stimmung bei Deutschen aus Russland beraten. Im Nachgang zu dieser Sitzung haben die Deutschen aus Russland im Landesbeirat mit den Mitgliedern der Vorstände der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des Jugendverbandes JSDR e.V. die folgende „Düsseldorfer Erklärung“ abgegeben: Düsseldorfer Erklärung der Deutschen aus Russland im Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen Nordrhein-Westfalen, von Mitgliedern der Landesvorstände der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, LMDR e.V., VIRA e.V. und des Jugendverbandes JSDR e.V. sowie von weiteren Funktionsträgern der Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen: Die Ereignisse um die angebliche Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens aus Berlin-Marzahn und die folgenden Demonstrationen vor allem gegen Flüchtlinge haben speziell die Deutschen aus Russland auch in Nordrhein-Westfalen tief betroffen gemacht und erheblich irritiert. Die Verunsicherung hält an. Mit dieser „Düsseldorfer Erklärung“ möchten wir im Nachgang zur Sondersitzung des Landesbeirates für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen unter Vorsitz von Herrn Integrations-Staatssekretär Thorsten Klute am 5. Februar 2016 Politik, Medien, Kirchen und die Öffentlichkeit über Folgendes informieren: Wir bekräftigen: Die überwiegende Mehrheit der Deutschen aus Russland in Nordrhein-Westfalen sind gesetzestreue Mitbürger- innen und Mitbürger, gut integriert, und schätzen es sehr, dass wir in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat leben. Wir lehnen jeglichen Verstoß gegen die Werte unseres Grundgesetzes und andere Rechtsvorschriften ab. Wir treten deshalb entschieden jeglicher Form von Het- ze, Hass und Gewalt gegen Ausländer einschließlich der „neuen“ Flüchtlinge entgegen. Dies schließt im Beson- deren die Ablehnung der unsäglichen Propaganda über russische Medien, das Internet und soziale Netzwerke ein. Wir verurteilen jegliche Form der Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Kräften. 8 Wir bitten: Es fehlt uns an Anerkennung für unseren Beitrag zur politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung unseres Landes. Die Gesellschaft möge anerkennen, dass wir fleißige, anständige und hilfsbereite Mitbürgerinnen und -bürger sind, die sich auch bei der Integration der „neuen Flüchtlinge“ engagieren. Es ist notwendig, dass nicht nur wir auf andere zugehen, sondern dass auch auf uns zugegangen wird. Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, aber auch in der Katholischen und Evangelischen Kirche so- wie in den öffentlichen Einrichtungen auf Bundes-, Landes- und lokaler Ebene sollten erkennen, dass ihre Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von Deutschen aus Russland einschließlich der politischen Bildung nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut wer- den müssen. Aus unserer Sicht sollte verstärkt untersucht werden, wie bestimmte Kreise versuchen, Einfluss auf die Spät- ausgesiedelten und ihre Organisationen zu erlangen, wer den Hass wie steuert und von dessen Entstehen pro- fitiert. Wir halten es für falsch, wenn verschiedene Medien „die“ Deutschen aus Russland „in einen Topf“ werfen und den Eindruck vermitteln, wir wären alle Helfer der russischen Regierung in Deutschland und würden sogar mit rechts- radikalen Kräften zusammenarbeiten. Wir wünschen uns eine differenzierte Berichterstattung, die auch unsere erfolgreiche und wichtige Integrationsarbeit vor Ort ein- schließt. In diesem Zusammenhang regen wir nochmals einen Journalistenpreis zu diesem Thema an. Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender sollten überlegen, Pro- gramme und Beiträge mit den Deutschen aus Russland aufzulegen. Es sollte mehr mit uns und nicht nur über uns gesprochen werden. Wir danken der Landesregierung und den anwesenden Landtagsabgeordneten dafür, dass wir uns in der Sondersitzung zu dem Thema austauschen und eindeutig positionieren konnten. Wir bleiben im Gespräch und werden die Umsetzung unserer Bitten im Landesbeirat und an anderer Stelle thematisieren und besonders an deren Realisierung verstärkt mitarbeiten. Übersetzung ins Russische unter: www.landesbeirat.nrw.de/materialien/LBR3_ru.pdf Weitere Informationen unter: www.landesbeirat.nrw.de/ Rundschreiben Nr. 1 Fremde Federn: Thorsten Klute und Jochen Welt – was wir von der Aussiedlerpolitik lernen können Lange Zeit galt Deutschland als einwanderungs- und integrationspolitischer Nachzügler. Auch das Staatsangehörigkeitsrecht musste sich den Vorwurf gefallen lassen, ethnonational und ausgrenzend zu sein. Heute können wir feststellen: All das ist passé! International vergleichende Studien stellen sogar übereinstimmend fest, dass Deutschland bei der Integration seiner Einwanderer weiter als andere Länder ist. Der Abstand zur alteingesessenen Bevölkerung bei Bildung, Arbeit und Einkommen ist geringer, und auch die Einbürgerung ist keine unüberwindbare Hürde mehr. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration schlussfolgert entsprechend, Deutschland habe, „ohne groß darüber zu sprechen, ein fortschrittliches migrationspolitisches Instrumentarium (für Drittstaatsangehörige) entwickelt, das mit dem allgemein als vorbildlich eingestuften kanadischen Einwanderungsregime ohne Weiteres Schritt halten kann“. Gibt es eine Einwanderergruppe, die exemplarisch für Integrationserfolge steht und von der man für die heute anstehende Herausforderung der Eingliederung von Flüchtlingen lernen kann? Ja, die gibt es – an sie wird nur viel zu selten erinnert, auch weil sie sich nahezu geräuschlos in die Gesellschaft einfügte. Die Rede ist von den Aussiedlern und Spätaussiedlern. Seit dem Beginn ihrer Aufnahme im Jahr 1950 sind 4,5 Millionen – einschließlich der Familienangehörigen – nach Deutschland eingewandert, allein seit 1990 rund 2,5 Millionen. Laut NRW-Teilhabe- und Integrationsbericht liegt ihre Erwerbstätigenquote mit 76,5 % sogar über jener der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Auch die berufliche Qualifikation ist beeindruckend: 74,5 % haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Hochschul- oder Meisterabschluss. Wie sind solche Resultate möglich? Was ist das Geheimnis dieser Erfolgsgeschichte? Dass die Aussiedler Deutsch gesprochen hätten, taugt als Erklärung jedenfalls nicht. Tatsächlich war Russisch spätestens von den neunziger Jahren an die Muttersprache der meisten, gerade auch der Jüngeren. Auch kamen viele Jugendliche eher unfreiwillig nach Deutschland, wurden gegen den eigenen Willen von ihren Eltern mitgenommen, in ein Land, das ihnen kaum als Heimat erschien, und hatten somit zunächst erschwerte Voraussetzungen für den Start. Zwar beruhte die Aufnahmebereitschaft Deutschlands auf der Annahme gemeinsamer kultureller Wurzeln, doch waren diese gerade bei Jugendlichen oft kaum noch vorhanden. Gleichwohl war genau diese Annahme die Basis dafür, die Aussiedler von Beginn an und ohne Einschränkung als „zugehörig“ zu betrachten und sie in einmaliger Art und Weise bei Spracherwerb, Qualifizierung und sozialer Inte- April 2016 gration zu fördern. Es gab dazu auch unmissverständliche gesetzliche Vorgaben. In § 7 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge heißt es: „Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind zu mildern.“ Die Eingliederung der Aussiedler und Spätaussiedler kostete damals Milliarden DM. Aber es war gut angelegtes Geld. In Form von Steuern und Abgaben ist seitdem ein Vielfaches davon wieder zurückgeflossen. Es gab staatliche Hilfen bei der Unterbringung in Übergangswohnheimen, bei der Wohnraumversorgung und der Erstausstattung der Wohnungen, es gab Sprach- und schulische Fördermaßnahmen, passgenaue Hilfen bei der beruflichen Eingliederung, Kredite zur Förderung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und die Einbeziehung in die Sozialversicherung. Ein Programm ragt aus den vielen Hilfen heraus: der bundesfinanzierte Garantiefonds. Mit ihm wurden junge Aussiedler bis zum vollendeten 27. Lebensjahr gefördert, aber auch jüdische Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte. Angeboten wurden Intensivsprachkurse, Nachhilfeunterricht, Umschulungen, Fortbildungen und zahlreiche berufliche Integrationsmaßnahmen. Für den Garantiefonds standen allein von 1990 bis 1992 1,5 Milliarden DM zur Verfügung. Für die jungen Menschen öffnete er das Tor in unsere Gesellschaft. Sie haben es ihr durch Fleiß und Leistungsbereitschaft gedankt. Einen umfassenden integrationspolitischen Ansatz wie damals für die Aussiedler brauchen wir auch heute für junge Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Deutschland. Natürlich ist jede Einwanderergruppe anders, wie jeder Mensch anders ist. Aber Unterschiede, etwa der Religion, verlieren dann an Trennendem, wenn die aufnehmende Gesellschaft den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive von Beginn an „Zugehörigkeit“ anbietet. Wenn wir die Flüchtlinge, die hier sind und hier bleiben, umfassend fördern und sie zugleich auffordern, ihre Talente zu entwickeln und einzubringen, dann kann auch ihre Integration zu einer Erfolgsgeschichte werden. Zu einer Erfolgsgeschichte, auf die wir einst mit dem gleichen Stolz zurückblicken können, wie wir jetzt auf die Integration der Aussiedler und Spätaussiedler schauen. Ein Garantiefonds 2.0, angepasst an die heutige Situation, das könnte etwas sein. Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, dann kann auch die aktuelle Zuwanderung unser Land stärken, verjüngen und damit zukunftssicherer machen. 9 1 Kurz notiert Thorsten Klute (SPD) ist Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen, Jochen Welt (SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen. Öffentliche Transferzahlungen als überwiegende Quelle für den Lebensunterhalt spielen bei Personen polnischer Herkunft eine geringere Rolle (10,2 %) als bei Personen mit Migrationshintergrund insgesamt (15,5 %). (F.A.Z. vom 22.12.2015, Gastbeitrag von Thorsten Klute (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in Nordrhein-Westfalen und Jochen Welt (SPD) war von 1998 bis 2004 Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und ist heute Geschäftsführer der Otto Benecke Stiftung e.V.) Hintergrundinformationen: Staatssekretär Klute: Die Integration der Polen in NRW ist eine Erfolgsgeschichte Menschen polnischer Herkunft sind in Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich gut integriert. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute in Düsseldorf zum 25-jährigen Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vorgestellt hat. „Die Integration der aus Polen stammenden Menschen in NRW ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Klute, „das zeigen beispielsweise die Daten zur Bildung und Qualifikation, zur Arbeitslosigkeit und Inanspruchnahme von öffentlichen Transferzahlungen, wie etwa die Hilfe zum Lebensunterhalt.“ In allen diesen Bereichen schneiden Menschen mit polnischem Migrationshintergrund überdurchschnittlich ab. „Dies ist besonders erfreulich“, so Klute weiter, „weil die 564.000 Menschen polnischer Herkunft in NRW eine der größten Zuwanderungsgruppen bilden, über die aber wegen ihrer guten Integrationserfolge öffentlich kaum gesprochen wird.“ Die Untersuchung zeigt im Vergleich zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund insgesamt bei den Menschen polnischer Herkunft eine günstigere Bildungs- und Qualifikationsstruktur. Sie sind seltener ohne allgemeinbildende Abschlüsse (3,9 % bei polnischer Herkunft im Vergleich zu 13,7 % bei Migrationshintergrund insgesamt). Bei der Fachhochschul- oder Hochschulreife liegen sie mit 37,8 % dagegen vor den Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt (31,5 %). Auch bei den beruflichen Abschlüssen liegen Menschen polnischer Herkunft weit vorne: 56,7 % verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung, aber nur 38,6 % der Menschen mit Migrationshintergrund allgemein. 22,5 % der Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund dagegen sind ohne abgeschlossene Berufsausbildung, aber 43,5 % der Migrantinnen und Migranten insgesamt. Zudem ist ihre Erwerbstätigenquote mit 70,6 % sehr hoch. 10 Bei der Neuzuwanderung aus der EU sind die Menschen aus Polen die größte Gruppe; bei 173.361 Neuzuwanderungen aus der EU im Jahr 2014 stammten 45.518 Men- schen aus Polen. Nach den Menschen mit türkischer Herkunft (21 %) bilden die Menschen polnischer Her- kunft mit 13,6 % die größte Gruppe der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Auch im Vergleich zu den rund 49.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern im Jahr 2014 zeigt sich die zahlenmäßig große Bedeutung der aus Polen nach NRW gekommenen Menschen. Datenbasis für diese in ihrer Aktualität bundesweit ein- zigartige Auswertung durch IT.NRW als Statistisches Landesamt ist der Mikrozensus Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2014. Der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ wurde 1991 durch die Parlamente ratifiziert. Der Landtag hatte die Landesregierung Ende 2014 be- auftragt, den Nachbarschaftsvertrag zu evaluieren. Die Studie des Integrationsministeriums ist ein erster Bei- trag hierzu. Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute ist auch Ansprechpartner der Landesregierung für die Belange der in NRW lebenden Menschen mit polnischem Hinter- grund sowie Ko-Vorsitzender des Ausschusses für interregionale Zusammenarbeit der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit. Die Studie im Netz: www.mais.nrw unter: https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt. de/broschuerenservice/mais/zur-integration-vonmenschen-polnischer-herkunft-in-nordrheinwestfalen/2123 (Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 26.1.2016) Rundschreiben Nr. 1 Der neue Adel im „gefährlichsten Staat der Welt“ Der russische Geheimdienstfachmann Soldatow erklärt, warum Enthüller vom Typ Snowdens in seinem Land keine Chance hätten. (Gerhard Gnauck) Manchmal gibt Deutschland Rätsel auf. Das größte EUMitgliedsland steht für die Geheimdienste Russlands im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Etwa drei Millionen Menschen sind seit 1989 aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten zugewandert. Deutschland hat Tausende von Osteuropa-Experten. Die deutschen Geheimdienste warnen seit Jahren verstärkt vor Spionage aus Russland und China. Aber es gibt in Deutschland, anders als in den meisten Ländern des „alten Westens“, an Hochschulen und Denkfabriken keinen einzigen Experten für die russischen Geheimdienste. Auch Medien und Buchverlage mieden (bis Anfang 2016, bis zum „Fall Lisa“) dieses Thema weitgehend. Das kann verschiedene Gründe haben. In der Zeit der Männerfreundschaft Schröder - Putin galt es nicht als fein, sich mit diesem Thema zu befassen – obwohl man in deutschen Zeitungen schon zu Putins erster Amtszeit lesen konnte, dass dieser reihenweise Geheimdienstleute in Spitzenpositionen hievte. Wenn das Thema in anderen Ländern auftauchte, etwa mit dem Auffliegen des Agentenrings um Anna Chapman in Amerika, reagierte die deutsche Öffentlichkeit reflexartig mit James-Bond-Folklore. Erst als die deutschen Behörden 2013 entschieden, mit einem seit 20 Jahren aktiven russischen Agentenpärchen (ihr Pseudonym: Anschlag) auch einmal einen hiesigen Fall öffentlich zu machen, hat sich die Optik etwas verändert. Und erst die Bürgerproteste in Russland gegen Wahlfälschungen haben bildschirmtauglich gezeigt, was man eigentlich auch vorher wissen konnte: dass das Land auch innenpolitisch den Rückwärtsgang eingeschlagen hat, zurück in den Geheimpolizeistaat. Die russischen Dienste haben, anders als die westlichen, tatsächlich noch die Vorsilbe „Geheim-“ verdient. Wer sich über ihre Entwicklung ein Bild machen will, muss sich vor allem auf zwei Russen stützen. Die Moskauer Journalisten Andrej Soldatow und Irina Borogan, beide heute Ende 30, haben früh begonnen, sich auf dieses Thema zu spezialisieren – bereits 2000, im Jahr des Amtsantritts Wladimir Putins. Beide trennten sich damals von ihrem einstigen Arbeitgeber, der „Iswestija“, und gründeten die Internetseite „agentura.ru“. Damals war in Russland noch mehr möglich als heute. Inzwischen sind die beiden die im Ausland meistzitierten russischen Fachleute zu diesem Thema. April 2016 Russland – ein Geheimpolizeistaat? Zu diesem Schluss kommen Soldatow und Borogan in ihren Publikationen. Besonders eindrucksvoll ist dies in ihrem schon 2010 veröffentlichten Buch nachzulesen, das zuerst auf Englisch erschien: „The New Nobility“ (Der neue Adel. Die Restauration des russischen Sicherheitsstaates und das nachwirkende Erbe des KGB). Es bietet einen Abriss der Entwicklung in den zwei Jahrzehnten seit dem Ende der Sowjetunion. Das ist keine Kreml-Astrologie: Die Geheimdienste, ihre politischen Auftraggeber, die Legislative, die Kritiker, die Medien – sie alle in Russland äußern sich hin und wieder zum Thema. Die Autoren zitieren penibel offene Quellen und hin und wieder auch eigene, verdeckte. Es ist ein beklemmendes Bild. Zwar hat man in der Ära Jelzin durch Aufspaltung des alten KGB „checks and balances“ angestrebt und daher verschiedene Dienste geschaffen, um eine Rückkehr der totalitären Diktatur und ihrer Machtzentralisierung zu verhindern. Von heute aus betrachtet, muss man sagen: Der Plan ist misslungen. Im Jahr 2000 wechselte der langjährige KGB-Hauptamtliche Putin, zuletzt Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB (Föderaler Sicherheitsdienst), in den Sessel des Staatspräsidenten. Seitdem hat der FSB einen enormen Machtzuwachs erfahren: Durch Eingliederung anderer Einheiten wuchs er von 80.000 auf heute vermutlich 350.000 hauptamtliche Mitarbeiter. Damit ist er pro Kopf der Bevölkerung größer als der KGB in den Zeiten der Diktatur. Er darf inzwischen auch im Ausland tätig werden. Viel kleiner ist dagegen der eigentliche Nachrichtendienst SWR. Ein neuer Adel? Zumindest dem Selbstverständnis und dem gesellschaftlichen Gewicht nach ist diese Aussage berechtigt. Sie stammt von einem, der es wissen muss: Putins Nachfolger im Amt des FSB-Chefs, Nikolaj Patruschew, sagte schon 2000 in einer Rede vor seinen Untergebenen, sie alle vereine „ihr Dienstethos. Sie sind, wenn Sie so wollen, unser neuer Adel.“ Untersuchungen der russischen Elite haben ergeben, dass von den 1.000 wichtigsten Personen im Staat schon in den ersten zwei Amtszeiten Putins, je nach Zeitpunkt, bis zu 78 % frühere hauptamtliche Geheimdienstler waren. Seitdem sind viele Spielfilme und Dokudramen entstanden, die das Bild von NKWD, KGB und den anderen Diensten als historischer Elite Russlands in der Gesellschaft festigen sollen. 11 1 Kurz notiert Heute warnen kritische Beobachter, etwa Putins früherer Wirtschaftsberater Andrej Illarionow oder der polnische Russlandexperte Andrzej Nowak, in keinem Land seien die Geheimdienste so mächtig wie im einstigen Kernland der Sowjetunion. Während jedoch früher der KGB klar der Partei untergeordnet war, fehle heute diese übergeordnete Instanz. „Russland ist heute der gefährlichste Staat der Welt“, sagt Nowak, der an der Universität Krakau Geschichtsprofessor ist. „Es ist der einzige Staat, der de facto von den Geheimdiensten regiert wird.“ Wie es dazu kommen konnte, haben Soldatow und Borogan beschrieben. Die 90er-Jahre waren eine Zeit der Enthüllungen über die Praktiken des KGB, der neuen Versuchungen, die zu großer Korruption auch in den Geheimdiensten führten, und chaotischer Zustände in weiten Bereichen des Staates. Das alles hat sich zentralisiert: Jetzt wird größtenteils von oben entschieden, wer korrupt sein darf und gegen wen enthüllt wird. Zugleich wurde die Macht der Dienste per Gesetz erweitert. Soldatow sieht beim Machtzuwachs der Geheimen eine große Rolle des Tschetschenien-Konflikts, der „für sich genommen größten Herausforderung“ der Dienste. Bis in die ersten Jahre der Putin-Ära zeigte sich der Staat immer wieder extrem verwundbar. Zum einen durch Terrorismus, zum anderen durch Internetseiten, auf denen tschetschenische Rebellen ihre Erfolge verkündeten. 2002 hackten dann erstmals russische Studenten (aus Tomsk) die wichtigste Website der Tschetschenen; der örtliche FSB billigte öffentlich ihr Vergehen. Seitdem, so Soldatow, sind immer wieder russische Hacker und Cyber-Krieger aufgetreten – gegen kaukasische Rebellen, gegen unliebsame Medien, gegen Oppositionsgruppen wie die des Schachweltmeisters Garri Kasparow, sogar – wenn es im „russischen Interesse“ lag – gegen verwundbar scheinende Staaten wie Litauen und Estland. Die Geheimdienste hätten sich derweil bedeckt gehalten – nur selten wurden die Querverbindungen sichtbar –, aber auf geschickte Weise „erreichten sie ihre weiter gesteckten Ziele“. Bald traten die Dienste immer dreister auf. Im Oktober 2012 wurde der russische Oppositionelle Leonid Raswoschajew, der in der Ukraine Asyl beantragen wollte, vor dem Kiewer Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge von vier Männern in ein Auto gezerrt. Zwei Tage später war er im Gefängnis – in Moskau; dort sitzt er offenbar bis heute. Raswoschajew berichtete aus der Haftanstalt, die Entführer hätten gedroht, ihm Frau und Kinder zu ermorden. 12 Leider enthält das Buch nicht viel über die Aktivitäten der Geheimdienste im Ausland. Mit einer Ausnahme: Eine besonders enge Zusammenarbeit verbindet die russischen Dienste mit jenen der zentralasiatischen Diktaturen. Da Regimegegner aus diesen Ländern (bisher) gern in Russland Zuflucht suchen, hatten die Diktatoren großes Interesse daran, dort freien Zugriff zu bekommen. So entstand im Rahmen der Shanghai-Staatengruppe die „Regionale Antiterroristische Struktur“ (RATS). Inzwischen hat Russland den Partnerländern, Soldatow zufolge, zahlreiche Oppositionelle überstellt, auch begonnen, Anhänger der Falun-Gong-Sekte an China auszuliefern, wo diese als Regimegegner verfolgt werden. Und die Überwachung im Internet? Sie ist in Russland so selbstverständlich wie die Verletzung des Bankgeheimnisses, über das Präsident Putin während einer Diskussion mit Wirtschaftsführern einmal lakonisch sagte: „Gab es das?“ Mit dem Internet lässt sich viel anfangen; ausgerechnet nach Beginn von Barack Obamas „Neustart“ der Beziehungen zu Moskau tauchte im Netz ein Sex-Video auf, das (angeblich) den US-Diplomaten Kyle Hatcher zeigte. Seinem britischen Kollegen James Hudson erging es genauso. Interessant die Reaktionen: Die Briten zogen ihren Diplomaten ab; die Amerikaner verteidigten ihren Mann gegen die „Verleumdungskampagne“ und stärkten ihm den Rücken. Im vorigen Jahr (2015) haben Soldatow und Borogan ein neues Buch herausgebracht: „The Red Web. The Struggle between Russia’s Dictators and the New Online Revolutionaries“ (Verlag PublicAffairs, New York). Darin behandeln sie, wie der Titel sagt, den Kampf des russischen Regimes um die Kontrolle des Internets. Auch dieses Buch hat bisher keinen deutschen Verleger gefunden. Wie Soldatow auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde im März 2016 in Mainz berichtete, habe es in Moskau Pläne gegeben, Russland vollkommen vom ausländischen Internet abzutrennen. Als realistischere Variante habe man dann eine Teilsperrung in den Blick genommen, wobei eine Reihe „harmloser“ Internetseiten wie www.booking.com auf einer „weißen Liste“ ausgenommen werden sollten. Wohin geht die Reise? Der Geist des FSB, sagt Soldatow, „ist von sowjetischer und zarischer Geschichte geprägt: misstrauisch, nach innen gewandt und clanartig. Aber die Antworten auf neue Probleme können doch nicht in den Lektionen der Vergangenheit liegen.“ Rundschreiben Nr. 1 Interview Andrej Soldatow Gerhard Gnauck: Herr Soldatow, Sie haben schon 2010 ein wichtiges Buch über die russischen Geheimdienste geschrieben. Haben deutsche Verlage Interesse bekundet? Soldatow: Das Buch ist in Amerika, Russland, Estland, Frankreich, Finnland, Großbritannien und China erschienen. Wir haben kein Signal, dass deutsche Verleger Interesse hätten. Das bedauern wir sehr. Eigentlich müsste das Thema die deutschen Leser sehr interessieren, wenn man die intensiven Kontakte zwischen Russland und Deutschland bedenkt. Gerhard Gnauck: Sie schreiben, die Dienste Russlands müssten keine Angst vor einem „Whistleblower“ wie Snowden haben, anders als die amerikanischen. Warum ist das so? Soldatow: Die absolut notwendige Bedingung, damit „Whistleblower“ tätig werden können, sind unabhängige und starke Medien. Ein Beispiel: Im Sommer 2010 entstand die Internetseite lubyanskayapravda.com, die offenbar von unzufriedenen Mitarbeitern des FSB betrieben wurde. Dort waren sehr interessante FSB-Dokumente zu sehen, darunter solche über Operationen des FSB in der Ukraine und anderen GUS-Staaten. Die Internetseite existierte nur zwei Wochen – vermutlich deshalb, weil keine einzige russische Zeitung sich entschloss, darüber zu schreiben, obwohl die Autoren viele Zeitungen kontaktiert hatten. April 2016 DIE WELT: Wie groß ist bei Ihrer Arbeit Ihr Spielraum? Wo endet er? Soldatow: Wir finden, dass wir nur bestätigte Tatsachen veröffentlichen sollten. Das Problem liegt darin, dass es mit jedem Tag schwieriger wird, Informationen mithilfe unabhängiger Quellen zu überprüfen. Diese Regel einzuhalten wird immer schwieriger. Deshalb wird der Informationsfluss über diese Geheimdienste immer dünner. Auch wird es zunehmend schwerer, Publikationen zu finden, die mit uns zusammenarbeiten wollen. Sogar die (Kremlkritische) „Nowaja Gaseta“ hat die Zusammenarbeit eingestellt. Damit jetzt etwas von uns erscheint, veröffentlichen wir es erst im Westen auf Englisch. Erst danach sind russische Verlage bereit, das auf Russisch zu drucken. Das ist sicherer. DIE WELT: Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit? Soldatow: Wir arbeiten so wie viele Journalisten auf der Welt, die keine feste Anstellung haben: Wir bekommen Honorare für Texte in verschiedenen Medien. (Gerhard Gnauck ist Osteuropa-Korrespondent der „Welt“ mit Sitz in Warschau) Gerhard Gnauck: Bis 1989 haben die Geheimdienste des Ostblocks gegen die Bundesrepublik sogenannte „aktive Maßnahmen“ eingesetzt, Operationen zur Desinformation der Öffentlichkeit. Gibt es das heute wieder? Soldatow: Das kann man wohl annehmen. Zumindest hat mir das Sergej Tretjakow erzählt, ein Oberst des Auslandsgeheimdienstes SWR, der sich 2000 in die USA abgesetzt hat. Er sagte, die „aktiven Maßnahmen“ des KGB seien lediglich umbenannt worden in „Operationen des Zusammenwirkens“ (operazii sodejstwija), aber der Inhalt sei derselbe geblieben. Tretjakow hatte selbst solche Operationen geplant und durchgeführt, als er der SWR-Resident bei der UNO in New York gewesen war. 13 1 Kurz notiert Erneuter Anstieg der Zuzugszahlen – allerdings deutlicher Rückgang der Anträge Zu den Zugangszahlen deutscher Aussiedler im Jahr 2015 erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB: Der Zuzug von Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland hat sich das dritte Jahr in Folge erhöht. Diese Entwicklung ist insbesondere auf das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes zurückzuführen, das am 14.9.2013 in Kraft getreten ist. Durch die Gesetzesnovellierung wurden die Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaussiedler sowie die Familienzusammenführung bislang getrennter Spätaussiedlerfamilien wesentlich erleichtert. Während im Jahr 2013 noch 2.427 Spätaussiedler und deren Familienangehörige aufgenommen wurden, waren es in 2014 mit 5.649 Personen bereits mehr als doppelt so viele. Im Jahr 2015 kamen im Vergleich zum Vorjahr mit 6.118 Personen nochmals rund 500 Personen mehr nach Deutschland. Die führenden Herkunftsländer sind seit Jahren die Russische Föderation, Kasachstan und die Ukraine. Mehr als 90 % (5.674) der Spätaussiedler kamen 2015 aus diesen Ländern. Während sich die Zuzugszahlen weiter erhöht haben, hat sich die Zahl der Anträge auf Aufnahme als Spätaussiedler, Ehegatte oder dessen Abkömmling – die i.d.R. vor einer Ausreise gestellt und bewilligt werden müssen – im Vergleich zum Vorjahr erheblich reduziert. Wurden in 2014 noch 30.009 Anträge gestellt, waren es 2015 nur noch 18.011. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB Diese Zahlenentwicklung bestätigt die Aussiedlerpolitik der Bundesregierung und zeigt, dass der von uns 2013 mit der Gesetzesänderung verfolgte Zweck, Familienzusammenführungen weiter zu erleichtern, erreicht wurde. Das ist sehr erfreulich. Natürlich sind diese Zahlen nicht mehr mit den früheren Aufnahmezahlen zu vergleichen; dennoch konnten wir in den letzten drei Jahren einen nicht unerheblichen Anstieg der Zuzugszahlen verzeichnen. Besonders positiv wirkt sich die Zuwanderung von Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen laut dem aktuellen Migrationsbericht 2014 (http://www.bamf.de/DE/ DasBAMF/Forschung/Ergebnisse/Migrationsberichte/ migrationsberichte-node.html) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch auf die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland aus. Da die zuwandernden Spätaussiedler relativ jung sind (77 % sind unter 45 Jahre) federt der Zuzug deutscher Aussiedler die demografische Entwicklung in Deutschland ab. Spätaussiedler nehmen nicht nur hoch motiviert die vielfältigen Integrationsangebote wahr. Sie engagieren sich auch für die Integration anderer Zuwanderergruppen im Bund der Vertriebenen und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. So stehen gerade viele als Berater und ehrenamtliche Betreuer der Migrationsberatung, aber auch als Lotsen, Paten und Mentoren allen Zugewanderten als Ansprechpartner zur Verfügung. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, sind wir auf diese Erfahrung und auf dieses Engagement dringend angewiesen. (Pressemitteilung des BMI vom 13.1.2016) 14 Rundschreiben Nr. 1 Bundeskabinett beschließt Weiterentwicklung der Förderkonzeption nach § 96 Bundesvertriebenengesetz Koschyk würdigt insbesondere die Verbesserungen für Aussiedler und Deutsche Minderheiten Die Bundesregierung hat am 24.2.2016 auf Vorschlag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) die vorgelegte „Weiterentwicklung der Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), Deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa: Erinnerung bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestalten,“ beschlossen. Sie kommt damit einem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag nach. Nach § 96 BVFG haben Bund und Länder den gesetzlichen Auftrag, das Kulturgut der historischen deutschen Ostgebiete und der deutschen Siedlungsgebiete im östlichen Europa im Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten. Zu dieser wichtigen kulturpolitischen Aufgabe gehört die Förderung von Archiven, Museen und Bibliotheken, Wissenschaft und Forschung sowie von Projekten der kulturellen Vermittlung. Der vorliegende Entwurf, der jetzt dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird, entstand in enger Abstimmung mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB. April 2016 Bundesbeauftragter Koschyk würdigte weiter, dass die angestammten verbliebenen Deutschen Minderheiten nunmehr ausdrücklich als Träger deutscher Kultur im östlichen Europa und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion sowie als Brückenbauer zwischen Deutschland und ihren Heimatstaaten anerkannt worden sind. Mit der Beauftragten für Kultur und Medien hat er vereinbart, die Diskussion um etwaige Anknüpfungspunkte und Synergieeffekte zwischen den unterschiedlichen Bundesförderungen zugunsten deutscher Minderheiten im Ausland, die derzeit in Verantwortung des Bundesministeriums des Innern, des Auswärtigen Amtes und der BKM umgesetzt werden, fortzusetzen. Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft bezeichnete Bundesbeauftragter Koschyk die verbesserte Abstimmung und Zusammenarbeit der Selbstorganisationen der Deutschen Minderheiten und der jeweiligen Landsmannschaften der Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland. „Dieses gewaltige Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, so der Bundesbeauftragte. (Mitteilung des BMI vom 24.2.2016) Bundesbeauftragter Koschyk hob insbesondere hervor, dass durch die Weiterentwicklung endlich die seit dem Epochenjahr 1989/90 verstärkt in die Bundesrepublik Deutschland gekommenen Aussiedler, v.a. aus Polen, Rumänien und den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion, angemessen in den Blick genommen werden. Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold, wo private Initiative bereits reiche Früchte hervorgebracht hat, soll in die Lage versetzt werden, als museale Institution seine Beziehungen in die Ursprungsregionen auszuweiten, sich wissenschaftlich weiter zu vernetzen und seine wachsenden Aufgaben der Bewahrung und der Präsentation russlanddeutscher Kultur und Geschichte in Deutschland wahrzunehmen. Dank des Einsatzes von Bundesbeauftragtem Koschyk und weiteren Parlamentariern der Koalitionsfraktionen konnte in den Haushaltsberatungen im Herbst 2015 auch Vorsorge für einen Einstieg in die Bundesförderungen getroffen werden. Der gewachsenen Bedeutung der Aussiedler kommt der Bund nunmehr auch mit drei neu geschaffenen Kulturreferenten-Stellen nach, jeweils eine für die Deutschen aus Russland, die Oberschlesier und die Siebenbürger Sachsen. 15 1 Kurz notiert „Russlanddeutsche in Deutschland – Herausforderungen und Ziele“ Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung „70 Jahre nach Kriegsende – Russlanddeutsche gestern und heute“ In der Veranstaltung „70 Jahre nach Kriegsende – Russlanddeutsche gestern und heute“, die von der Deutschen Gesellschaft e.V. in Kooperation mit der Vertretung des Freistaates Thüringen beim Bund, des Bundesministeriums des Innern und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland organisiert wurde, nahm der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, nach seinem einleitenden Grußwort an der Podiumsdiskussion „Russlanddeutsche in Deutschland – Herausforderungen und Ziele“ teil. Mit ihm diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Victor Dönninghaus, stellv. Direktor am Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa in Lüneburg, der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland, Wladimir Grinin, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Waldemar Eisenbraun, sowie die Leiterin des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte Detmold, Dr. Katharina Neufeld. Bundesbeauftragter Koschyk bekräftigte zu Beginn der Podiumsdiskussion die Politik der Bundesregierung, dass es auch künftig die persönliche Entscheidung eines jeden einzelnen Russlanddeutschen sein soll, nach Deutschland auszusiedeln oder in seiner Heimat zu verbleiben. In beiden Fällen werde die Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Willen des Bundestages Unterstützung leisten. Die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler in ihrer neuen Heimat sei eine Erfolgsgeschichte. Der Fokus der öffentlichen Diskussion verschöbe sich mehr und mehr von den Fragen der Integration hin zur wachsenden Bedeutung der Brückenfunktion, welche sowohl die Russlanddeutschen in Deutschland, organisiert in der Landsmannschaft und anderen Vereinigungen, als auch die in der Heimat verbliebenen Angehörigen der deutschen Minderheiten in Russland und in den anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion mit ihren jeweiligen Selbstorganisationen mittlerweile ausüben. Auf ausdrückliche Zustimmung Koschyks stieß die Aussage von Botschafter Wladimir Grinin, dass Integration nicht Assimilation bedeuten sollte. Unter Verweis auf zahlreiche Beispiele in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft bezeichnete der Botschafter die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler als insgesamt erfolgreich. Deutsche wie russische Unternehmen würden sehr stark von den Russlanddeutschen mit ihren Sprachkenntnissen und ihrem 16 Verständnis für beide Kulturen profitieren. Botschafter Grinin plädierte daher nachdrücklich für ein verbessertes Russisch-Angebot an deutschen Schulen, damit auch nachgeborene Russlanddeutsche ihre russischen Sprachkenntnisse pflegen und weiterentwickeln können. Der Vorsitzende der Landsmannschaft Waldemar Eisenbraun stellte in den letzten Jahren eine deutlich positivere Wahrnehmung der Russlanddeutschen in der bundesrepublikanischen Gesamtöffentlichkeit fest. Deshalb könne sich die Landsmannschaft nun, nachdem sie sich nicht mehr länger unbegründeter Vorwürfe zu erwehren habe, noch stärker der Vernetzung und der Brückenfunktion zuwenden. Eine stabile Brücke benötigte allerdings starke Pfeiler, die fest in der Erde verankert seien. Für die Aussiedlerinnen und Aussiedler sei dieses die Bundesrepublik Deutschland. Museumsleiterin Dr. Katharina Neufeld betonte den Wert der historisch-politischen Bildungsarbeit gerade für die nachgeborenen Aussiedlergenerationen, die nur noch von Erzählungen der Großeltern von den früheren Lebensbedingungen ihrer Vorfahren in der Sowjetunion erfahren. Das von ihr geleitete Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold stelle die besondere, gleichzeitige Bikulturalität der Russlanddeutschen, die sowohl in der deutschen wie auch in der russischen Kultur wurzelten, dar und habe somit ein Alleinstellungsmerkmal in der ganzen Welt. Neufeld dankte Bundesbeauftragtem Hartmut Koschyk und dessen Parlamentskollegen Heinrich Zertik für deren Unterstützung für die für den Bundeshaushalt 2016 erstmalig bewilligte Bundesförderung für das Museum in Höhe von je 200.000 Euro in den kommenden Jahren. (Pressemitteilung des BMI vom 8.12.2015) (v.l.n.r) Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, S.E. Botschafter Wladimir Grinin, Landsmannschaftsvorsitzender Waldemar Eisenbraun, Museumsleiterin Dr. Katharina Neufeld, Moderator Prof. Dr. Victor Dönninghaus. Foto: BMI Rundschreiben Nr. 1 Heinrich Zertik trifft russlanddeutschen JuniorBoxweltmeister Jan Meiser im Deutschen Bundestag April 2016 Meiser erklärte, dass ihn sein Weg zum Profiboxer „vor der schiefen Bahn bewahrt hat“. Mit wolgadeutschen Wurzeln wuchs der Profiboxer in Berlin-Hellersdorf auf, wo er als 10-Jähriger nach dem tragischen Tod seiner Mutter von seinem großen Bruder erzogen wurde. Die schwierige Kindheit prägte Meiser und er drohte auf die schiefe Bahn zu geraten. Aus diesem Umfeld holte Olaf Pollex, Geschäftsführer der Pollex-Box-Promotion GmbH, den talentierten Boxer heraus. Mit einem Managervertrag gab er ihm in der Gemeinschaft seines Boxstalls Struktur, ein geborgenes und professionelles Umfeld, und nahm ihn erst unter Vertrag, nachdem er den Gesellenbrief seiner Dachdecker-Ausbildung hatte. Meiser selbst sieht sich als Vorbild für Jugendliche und den Boxsport als Alternative zur Straße. Heinrich Zertik MdB Der erste russlanddeutsche Bundestagsabgeordnete, Heinrich Zertik MdB, hat zusammen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, den russlanddeutschen Profiboxer Jan Meiser im Deutschen Bundestag getroffen. Meiser kam als Sechsjähriger mit Mutter, Großmutter und seinem älteren Bruder aus Kasachstan nach Deutschland. MdB Zertik und Bundesbeauftragter Koschyk dankten Jan Meiser für sein Engagement für die Schüler der Berliner Sonnen-Grundschule Neukölln und wünschten dem jungen russlanddeutschen Boxer auch weiterhin sportlichen Erfolg. Jan Meisers Weg soll Menschen verschiedener Herkunft Mut machen und Ansporn sein, in Deutschland Fuß zu fassen. (Pressemitteilung von Heinrich Zertik MdB vom 8.2.2016) Der 21 jährige Jan Meiser ist Juniorenweltmeister der WBO im Mittelgewicht und ehemaliger zweifacher Junior-Weltmeister IBF und GBC Mittelgewicht, deutscher Meister im Mittelgewicht und dreimal Berliner Meister (Amateur). Meiser boxt seit seinem 9. Lebensjahr. Seit 2014 ist er Profiboxer und hat elf von elf Profikämpfen, davon fünf durch K.-o.-Siege, gewonnen. Vorher hatte er von 25 Amateurkämpfen 23 gewonnen. Seit einem Jahr engagiert sich der Profiboxer Jan Meiser für junge Schüler der Neuköllner Sonnen-Grundschule, an der sich zurzeit zahlreiche Familien der Grundschüler um Verwandte aus Krisengebieten kümmern, die als Flüchtlinge nach Berlin kommen. Unter dem Motto „Integration durch Sport“ spricht die Grundschule mit „Showtrainings“ die Kinder aller Klassenstufen an und begeistert sie frühzeitig für den Sport. Meiser hat auch ein Herz für Kollegen: Die komplette Börse seines ersten WM-Fights spendete er für den Krankentransport des Schwergewichtprofis Dennis Boytsov von Berlin in eine Reha-Klinik in Hamburg. (v.r.n.l.) Treffen im Bundestag. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB mit Jan Meiser, russlanddeutscher Profiboxer, Heinrich Zertik MdB und der Geschäftsführer der Pollex Box Promotion GmbH, Charlie Podehl. Foto: BMI 17 1 Kurz notiert 5. Staffel JUMPin.NRW. Die Bewerbungsfrist ist am 28.3.2016 abgelaufen! JUMPin.NRW JUMPin.NRW bietet den in das Programm aufgenommenen Jugendlichen Seminare, Studienfahrten, Praktika und Begegnungen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und erwartet im Gegenzug ehrenamtliches Engagement. Das Projekt ermöglicht den Teilnehmenden, ihre überfachlichen Fähigkeiten auszubauen, das Demokratieverständnis zu schärfen und ihre Netzwerke zu erweitern. „Reinspringen“ können junge Menschen mit Migrationsgeschichte zwischen 18 und 28 Jahren, ständigem Wohnsitz in NRW und sozialem und gesellschaftlichem Engagement. JUMPin.NRW – 4. Staffel 2015 erfolgreich abgeschlossen Das Projekt JUMPin.NRW, durchgeführt von der OttoBenecke-Stiftung e.V., bietet ehrenamtlich engagierten jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund aus NRW ein umfangreiches Bildungsprogramm mit diversen Themenseminaren, Kontakten zu Politikern und ehrenamtlichen Initiativen sowie eine Studienfahrt nach Berlin und Praktika. Ende letzten Jahres empfing der Staatssekretär für Integration, Thorsten Klute, die Teilnehmenden der diesjährigen Staffel im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW. In einem angeregten Austausch schilderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erfahrungen mit dem Programm: Es hat sie in vielfacher Hinsicht angeregt, ihr ehrenamtliches Engagement zukünftig auszubauen. Die Themenseminare, wie z. B. Projektmanagement und Bewerbungstraining, empfanden sie als sehr wertvolle Unterstützung in ihren verschiedenen Arbeitsbereichen. Die Teilnehmenden zeigten sich hocherfreut über die Möglichkeit, im Programm JUMPin.NRW mitwirken zu können. Staatssekretär Klute dankte den Teilnehmenden für ihr Engagement und überreichte ihnen Zertifikate über die erfolgreiche Teilnahme an dem einjährigen Projekt. Die sehr gut miteinander vernetzte Gruppe hat sich vorgenommen, den Kontakt untereinander aufrechtzuerhalten und sich gegenseitig weiter zu unterstützen. Abschlussveranstaltung im MAIS mit Teilnehmenden der 4. Staffel von JUMPin.NRW Das seit 2011 vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS) geförderte und von der Otto-Benecke-Stiftung e.V. (OBS) durchgeführte Projekt JUMPin.NRW richtet sich an junge Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im Alter von 18 bis 28 Jahren, die ihren Lebensmittelpunkt in NRW haben und sich gesellschaftlich und politisch interessieren und engagieren. (Dorothee Leufgen, Projektleitung) 18 Rundschreiben Nr. 1 April 2016 „Wie vom Himmel geschickt“ Friedlandhilfe – ein zuverlässiger Ansprechpartner der Deutschen aus Russland Unzählige Orts- und Kreisgruppen der Landsmannschaft und engagierte Spätaussiedler haben in den vergangenen Jahren die Förderung der Friedlandhilfe in Anspruch genommen. „Die Friedlandhilfe ist wie vom Himmel geschickt. Wir können ihr nicht oft genug danken; ohne ihre Unterstützung würde so manche Veranstaltung, die der Integration der Spätaussiedler dient, nicht zustande kommen. Keiner hat uns in den vergangenen Jahren mehr geholfen als die Friedlandhilfe“, spricht Anna Glok, Vorsitzende der Ortsgruppe Bochum der Landsmannschaft, zahlreichen Landsleuten aus der Seele. Die Friedlandhilfe fördert ehrenamtliches Engagement und Maßnahmen, die die Eingliederung von Spätaussiedlern unterstützen, vornehmlich in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit. Das geschieht in Zusammenarbeit mit dem BMI und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Auch in Niedersachsen werden Jahr für Jahr zahlreiche kulturelle und sportliche Veranstaltungen der Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion von der Friedlandhilfe gefördert. Beim Adventsempfang Anfang Dezember 2015 im Tagungshaus St. Clemens in Hannover überreichte die Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft, Lilli Bischoff, dem Vorsitzenden des Vereins Friedlandhilfe, Karl-Heinz Keudel, eine Ehrenurkunde und die Katharinen-Medaille der Landsmannschaft als Ausdruck der Dankbarkeit für die langjährige Unterstützung der Integrationsarbeit der Landsmannschaft. Hilfsorganisation seit über 50 Jahren In zentraler Funktion ist die Friedlandhilfe Bindeglied zwischen Spendern, Bundesregierung und Wohlfahrtsverbänden, um die Mittel für eine erste Versorgung bei wechselnden Spätaussiedlerzahlen sicherzustellen. Während die Spenden nach wie vor für die Erstbetreuung der Aussiedler im Grenzdurchgangslager Friedland eingesetzt werden, handelt es sich bei den von der Friedlandhilfe verwalteten Fördermitteln ausschließlich um Mittel aus dem Haushalt des BMI, die zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements von Spätaussiedlern verwendet werden. Mehr als 50 Jahre Friedlandhilfe und Spendeneinnahmen von über 60 Millionen Euro seit der Gründung, dazu unzählige neue und neuwertige Sachspenden bestätigen, dass die Idee der Gründungsväter auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Sie sind ein eindrucksvolles Zeichen mitmenschlicher Anteilnahme der bundesdeutschen Bevölkerung für die heimkehrenden Landsleute. Auch im Jahr 2015 hat die Friedlandhilfe wieder ca. 500.000 Euro an Betreuungsmitteln ausgeschüttet. Die Friedlandhilfe mit Sitz im 1945 eingerichteten Grenzdurchgangslager Friedland wurde 1957 gegründet. Hunderttausende von Flüchtlingen, Vertriebenen und Heimkehrern waren seit Kriegsende bereits aufgenommen worden, nun kamen als neue Herausforderung die Aussiedler aus den ost- und südosteuropäischen Staaten hinzu. Mittel der in der Betreuungsarbeit stehenden Wohlfahrtsverbände aus privaten Spenden und öffentlichen Zuwendungen gingen zurück, sie reichten lediglich für die dringend notwendige Erstversorgung der Eintreffenden. Diese Situation führte zur Gründung der Friedlandhilfe mit dem Ziel, Geld- und Sachspenden zur Erstbetreuung der Landsleute aus dem Osten von allen Kreisen der Bevölkerung und Wirtschaft zu erbitten und für deren umgehende und gerechte Verteilung durch die Wohlfahrtsverbände zu sorgen. Seit der Geburtsstunde der Friedlandhilfe im Jahr 1957 war Johanne Büchting, der „Engel von Friedland“, Impulsgeberin und Organisatorin zugleich. Die heutige Ehrenvorsitzende nahm sich bereits 1954 der Menschen im Grenzdurchgangslager Friedland an. Ihr Bestreben galt nicht nur der Organisation dieser Zufluchtsstätte, vielmehr stand die menschliche Anteilnahme stets im Mittelpunkt ihres Wirkens. Sie leistete auch moralischen und seelischen Beistand, den viele nach den Fluchtstrapazen und dem Verlust ihrer Heimat bitter benötigten. 1969 trat sie als Schatzmeisterin in den geschäftsführenden Vorstand ein, den sie später von 1978 bis 2000 leitete. 1979 erhielt Johanne Büchting das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1996 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. 19 1 Kurz notiert Von Beginn an konzentrierte sich die Aufgabe der Friedlandhilfe nicht nur auf das Grenzdurchgangslager Friedland, sondern auch auf die anderen Erstaufnahmeeinrichtungen, etwa in Nürnberg, Gießen und Berlin-Marienfelde. Nach der Wende wurden diese Lager, außer Friedland, allmählich aufgegeben. Dafür wurden Aufnahmeeinrichtungen in Rastatt, Unna-Massen, Hamm, Empfingen, Bramsche, Schönberg-Holm und Dranse geschaffen. Je nach Lage der Weltpolitik war auch die Anzahl der eintreffenden Aussiedler starken Schwankungen unterworfen. Während z. B. 1974/75 nur 23.500 Personen zu betreuen waren, steigen die Zahlen im Zuge der Öffnung zwischen Ost und West bis auf weit über 200.000 jährlich. Ab 1988/89 war die Friedlandhilfe darum nicht mehr in der Lage, ihre Arbeit ohne Zuwendungen des Bundes durchzuführen. Inzwischen ist das Grenzdurchgangslager Friedland alleinige Erstaufnahmeeinrichtung in Deutschland. Alle Spendenmittel der Friedlandhilfe gehen somit an die hier tätigen Wohlfahrtsverbände (Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk). Der ehrenamtlich arbeitende Vorstand der Friedlandhilfe mit OStD a.D. Karl-Heinz Keudel an der Spitze setzt sich zusammen aus Vertretern von Wohlfahrtsverbänden. Mit Anna Welz von der Landesgruppe Niedersachsen ist auch die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland repräsentiert. Mehr zum Thema unter: www.friedlandhilfe.de (VadW 01 / 2016) 20 Die Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft, Lilli Bischoff, überreicht dem Vorsitzenden des Vereins Friedlandhilfe, Karl-Heinz Keudel, eine Ehrenurkunde und die Katharinen-Medaille der Landsmannschaft. Rundschreiben Nr. 1 Adolphe Binder wird neue Intendantin des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Wuppertal am 1. Februar 2016. Es geht heiter los im Schauspielhaus auf der Kulturinsel am Wupperbogen. Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Christina Kampmann, begrüßt auf dem Podium zu ihrer Linken „die junge Dame neben mir“. Die derart charmant Eingeführte muss herzlich auflachen: Adolphe (mit betontem auslautenden „e“) Binder trägt offenes dunkelbraunes Haar, eine weiße Bluse unter dem dunklen Nadelstreifen-Blazer. Die 46-jährige gebürtige Kronstädterin strahlt, schmeichelfrei, Vitalität und weibliche Eleganz aus, wirkt dynamisch, temperamentvoll, entschieden präsent. Bei dieser Pressekonferenz wird Frau Binder, derzeit noch künstlerische Direktorin der Danskompani an der Staatsoper in Göteborg, als designierte Intendantin der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH mit Tätigkeitsbeginn ab Mai 2017 vorgestellt; ähnlich einer Initiation soll sich eine neue Beziehung öffentlichkeitswirksam entfalten, dauerhaft und nachhaltig, keine Frage. „Wichtigstes Tanzensemble der Welt“ Auf die weihevollen „Vorschusslorbeeren“ erwidert Adolphe Binder: „Ich freue mich tatsächlich, in mediterranere Gefilde zu ziehen aus dem hohen Norden – Göteborg ist die regenreichste Stadt Skandinaviens – in die regenreichste Stadt Deutschlands. Vor allen Dingen freue ich mich, das kann ich kaum in Worte fassen, dieses unglaublich ikonenhafte, traditionsreiche und aus meiner Sicht wichtigste Tanzensemble der Welt leiten zu dürfen.“ Dass sie, wiewohl ursprünglich dem Schauspiel zugeneigt, sich seit nunmehr über 20 Jahren im Tanz engagiere, verdanke sich im Wesentlichen „der Arbeit von Pina Bausch, dem Sehen von Pina Bauschs Kunst“. Es sei ihr „immer eine große Inspiration gewesen, mich an dem Mut und an der Kraft, an der Neugierde, Offenheit und Weltoffenheit von Pina Bausch zu erinnern“, die sie „zwei- oder dreimal persönlich getroffen“ habe … Die Idee von Gemeinschaft gemeinsam neu definieren Adolphe Binder ist 1969 in Kronstadt geboren, in der burzenländischen Gemeinde Schirkanyen aufgewachsen (der Ortsname wird erstmals 1235 in einer Papsturkunde Gregor IX. als „Sarcam“ erwähnt), in Kronstadt zur Schule gegangen. Ihre Großeltern hat sie nicht mehr kennengelernt; sie fielen nach dem Zweiten Weltkrieg der Russlanddeportation zum Opfer, starben getrennt voneinander in sibirischen Arbeitslagern. Im Juni 1978 reist Adolphe Binder mit ihrer Familie – dem aus Kirchberg stammenden April 2016 Vater Andreas Binder (von Beruf Dreher), Mutter Sieglinde, geborene Zerbes (Schneiderin) und Bruder Erhard – nach Deutschland aus. In Hannover studiert sie Literatur, Geschichte und Politik, arbeitet erst als Schauspieldramaturgin, später als Projektmanagerin des Kulturprogrammes der Expo in Hannover, danach an der Komischen Oper Berlin und zudem in ihrer 2004 in Berlin gegründeten, auf die kreative Unterstützung und Realisierung von Kunstund Kulturprojekten spezialisierten Agentur BPB. Seit 2011 leitet sie an der Staatsoper in Göteborg die Danskompani, die Arbeitssprache ist Englisch. In einer Beziehung lebend, wohnt und wirkt die künstlerische Direktorin und Dramaturgin (der Deutschlandfunk bezeichnete sie in einem Bericht fälschlich als „Marketing-Frau“ und „Managerin“) in der schwedischen Metropole, während ihr Vater bei Hannover lebt. Ihre Mutter ist bereits 1998 verstorben. Die elektronische Kontaktaufnahme zu der viel beschäftigten Künstlerin erweist sich als angenehm unkompliziert. Die Siebenbürgische Zeitung ist ihr nicht nur ein Begriff, sie genießt offensichtlich auch ihre Wertschätzung – keine Selbstverständlichkeit in diesen Tagen, wo andernorts „Lügenpresse, Lügenpresse!“ laut skandiert wird. Gerne ist sie bereit, die nachfolgenden Fragen zu beantworten, der knappen Ressource Zeit zum Trotz („Bei mir brennt grad die Hütte. Es ist mir jedoch wichtig“). „ Auf Ihrem Lebens- und Karriere-Weg von Kronstadt nach Wuppertal liegen verschiedene europäische und auch außereuropäische Stationen. Was hat sich die Künstlerin Adolphe Binder an Prägendem aus Siebenbürgen bewahrt? “ „Ich war 9 Jahre alt, als wir Siebenbürgen verließen. Ich habe also meine prägenden Kinderjahre in Rumänien verbracht, zwischen Kronstadt und Schirkanyen. Ich bin als Mensch, als Mädchen dort geformt und all das fließt in mein Denken, meine Haltung und meine Reflexion, in sämtliche künstlerische Prozesse ein. Der Sinn von Zugehörigkeit und Empathie, Gerüche und Klänge, Mischung von Kulturen und deren Einflüsse. Musik. Die Erinnerung an Menschen (und deren hartes Leben). Das gespaltene Verhältnis zu Autorität in einer Diktatur, das Bewusstsein von Einschränkung, von Freiheit und die Sehnsucht danach, die Erfahrung und die Energie der Menschen um einen, Verlust, Schmerz, Hoffnung. Auch die unterschwellige Angst der Menschen und die Kontrolle. Der protestantische Fleiß und der Wille und Wunsch, etwas zu bewegen, sich auszudrücken, unzensiert. Vor allem aber vielleicht der Mut, in Neues, Unbekanntes zu gehen, gespeist aus der Erfahrung, dass nichts bleibt, wie es ist, und alles ständig fließt. Der Schmerz des Zurücklassens und der anfänglichen Verlorenheit aller Migranten. Und sicher auch eine Portion Dankbarkeit. All das fließt in mein ‚Schaffen‘ ein.“ 21 1 Kurz notiert „ Im 7. Jahr nach dem Tod der Choreografin Pina Bausch werden Sie ab Mai nächsten Jahres in Wuppertal ein legendäres Ensemble leiten. Was bewegt Sie vorausblickend am stärksten bei dieser neuen Herausforderung? Welche Akzente wollen Sie in Wuppertal setzen? “ „Die Aufgabe und wunderbare Herausforderung wird sein, den unglaublichen Schatz, den Pina Bausch über 40 Jahre und mit ebenso vielen Stücken geschaffen hat, zu bewahren und auf hohem künstlerischen Niveau am Leben zu erhalten und in die Zukunft zu bringen, damit das Œuvre nicht verloren geht. Tanz als flüchtigste Kunstform existiert ja nur im Moment seiner Aufführung, umso wichtiger ist dies. Es ist mir aber auch wichtig zu vergegenwärtigen, dass Tradition jedoch vor allem das Weiterreichen der Flamme ist, also des Geistes Pina Bauschs, die diese tolle Bühnenkunst ermöglichte. Ihre Weltoffenheit, ihre Courage, ihre Neugierde auf Neues und ihren Mut, andere Kunstformen zu umarmen. Auch ihre Unbedingtheit, zu dem zu stehen, was sie für richtig hielt, anfänglich gegen viel Unmut des Publikums. Diesen Esprit in der Öffnung der Compagnie für andere Künstler und eine neue Ära neu anzufachen, das ist sehr spannend. Auch im Hinblick auf den Bau des Pina-Bausch-Zentrums. Die nationalen und internationalen Tourneen werden ebenso eine Rolle spielen wie das Wiederentdecken ihrer Methodik, auch angesichts von Residenzen im Ausland.“ „ Wir erleben in Europa gegenwärtig, als Reaktion auf die Flüchtlingsströme, eine Renaissance der Grenzen, ein Wiedererstarken von Nationalismus und nationalem Egoismus. Davor genossen wir Reisefreiheit, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer. Die Vision von einem Europa ohne Grenzen verblasst, Abschottung nimmt zu. Mit welchen Sorgen, Hoffnungen, Erwartungen betrachten Sie die aktuellen Entwicklungen? “ „Ich habe mich in meinem Leben viel mit Grenzen und deren Überschreitung auf allen Ebenen beschäftigt: im Semantischen, Topografischen, Geschlechtlichen, Medizinischen, mit Biopolitik und ‚gated communities‘ und anderem mehr. Ich arbeite derzeit mit Menschen in meiner Compagnie, die aus 17 Ländern kommen. Ich kann mir nichts Bereichernderes vorstellen. Mein Leben war eines von Grenzgängen und von Zwischenräumen, von Nomadentum und dem „weder hier noch dort“. Hier ist es, wo Kreativität passierte. 22 Angst und Gier führen wieder zu mehr Verschlossenheit. Ich finde vieles, was passiert und geschürt wird, sehr bedrohlich und versuche, Weltoffenheit und Durchlässigkeit zu leben und auf die Bühne zu bringen. Migration und Bewegung ist so alt wie die Menschheit, sie hat alle evolutionären Prozesse und Innovationen angestoßen. Die Welt ist wieder in Bewegung, und es kommen neue Zeiten, andere Menschen, vieles wird sich verändern, man wird es nicht verhindern und soll es auch nicht. Wir werden daran wachsen, und das ist wunderbar. Viele werden Dinge und überkommene Ideen loslassen müssen, auch die Idee des Nationalstaats. Leben ist nur, wo Durchlässigkeit ist, wo Sauerstoff, also Frischluft rein kann und Räume nicht hermetisch abgedichtet werden. Veränderung ist etwas Positives. Man muss den Menschen die Angst vor dem Fremden nehmen. Das ist sicherlich nicht einfach, aber unabdingbar. Die Idee von Gemeinschaft muss gemeinsam neu definiert werden. Es ist eine riesige Herausforderung, aber wir müssen uns ihr anders stellen als durch Abwehr.“ Uns bleibt nur, der herausgeforderten Künstlerin für ihre neue Aufgabe in Wuppertal weiterhin fruchtbares Schaffen zu wünschen und dem neugierigen, weltoffenen Menschen Adolphe Binder ein kulturfreundliches Klima in einer offenen und toleranten Gesellschaft. (Aus Siebenbürgische Zeitung vom 25.2.2016 von Christian Schoger) Rundschreiben Nr. 1 2 April 2016 Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme Abbau von Barrieren – eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft Sozialminister Rainer Schmeltzer hat den Inklusionspreis NRW 2016 ausgeschrieben. Ein mit insgesamt 12.000 Euro dotierter Hauptpreis wird in der Kategorie „Barrieren abbauen – Zugänge schaffen“ ausgelobt. „Barrierefreiheit ist mehr als Rampen für Rollstuhlfahrer und akustische Ampelsignale für Sehbehinderte“, sagte Schmeltzer. „Barrierefreiheit ist vor allem auch eine Frage der Einstellungen. Barrieren zu überwinden und Zugänge zu schaffen, ist also eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen müssen in allen Lebensbereichen eine Chance auf echte Teilhabe bekommen. Nur dann werden wir mit Recht von einer inklusiven Gesellschaft sprechen können.“ Bewerben können sich Vereine, Initiativen, Netzwerke, Selbsthilfegruppen, Kirchen, freie und öffentliche Träger, Unternehmen, Verbände, Bildungseinrichtungen, Kindergärten und Schulklassen aus NRW, die sich das Thema Inklusion auf ihre Fahnen geschrieben haben. Der Inklusionspreis soll gelungene Beispiele inklusiver Praxis bekannt machen. Neben den drei Hauptpreisen in der Kategorie „Barrieren abbauen – Zugänge schaffen“ (1. Preis: 5.000 Euro, 2. Preis: 4.000 Euro, 3. Preis: 3.000 Euro) gibt es vier Fachpreise in den Kategorien „Arbeit und Qualifizierung“, „Schulische und außerschulische Bildung und Erziehung“, „Freizeit, Kultur und Sport“ sowie „Partizipation“ (jeweils mit 3.000 Euro dotiert). Weitere Infos zu den Kommunalen Integrationszentren unter: www.mais.nrw und www.kommunale-integrationszentren-nrw.de Die Bewerbungsfrist ist am 31.3.2016 abgelaufen! (www.mais.nrw/Inklusionspreis2016). Die Preisverleihung findet am 1. Juli 2016 statt. (Mitteilung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 11.2.2016) Auf die erstmalige Ausschreibung des Inklusionspreises NRW im vergangenen Jahr hatten sich insgesamt 275 Projekte und Initiativen beworben. „Ich würde mich freuen, wenn auch in diesem Jahr wieder viele interessante Bewerbungen bei uns eingehen, die die ganze Bandbreite des Themas Inklusion in NRW abbilden“, sagte der Minister. Die Jury besteht mehrheitlich aus Vertreterinnen und Vertretern der Behindertenselbsthilfe, aber auch Gewerkschaften, Arbeitgeber und natürlich die Landesbehindertenbeauftragte sind beteiligt. 23 2 Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme 63. NRW-Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“ 2016: „Ein Europa – viele Gesichter“. Wettbewerb: EU-Kommission sucht Ideen zur Unterstützung von Flüchtlingen und Migranten Die Einsendefrist für die Wettbewerbsprojekte 2016 ist am 31.1.2016 abgelaufen! Die Europäische Kommission hat den Wettbewerb 2016 zur sozialen Integration in Europa gestartet. Wir danken für die zahlreichen Einsendungen. Die Wettbewerbsbeiträge werden Ende Februar 2016 von einem Jurorengremium bewertet. Die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger werden im April benachrichtigt. Ziel ist die Unterstützung der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten in Europa. In dem Wettbewerb werden kreative Konzepte zur Nutzung des Potenzials von Flüchtlingen und Migranten gesucht, damit diese zum gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ihres Aufnahmelandes beitragen können. Unter dem Motto „Integrierte Zukunftsperspektiven“ werden drei Preise in Höhe von jeweils 50.000 Euro für die besten Ideen verliehen. Bewerbungsschluss ist der 8. April 2016. „Ein Europa – viele Gesichter“ lautete das Motto des NRW-Schülerwettbewerbs „Begegnung mit Osteuropa“. Weitere Informationen zum Wettbewerb: www.schuelerwettbewerb.eu Kontakt: Sonja Wissing (Wettbewerbsleiterin) Bezirksregierung Münster Projekt „Schülerwettbewerb“ Albrecht-Thaer-Str. 9 48147 Münster, Deutschland Telefon 0251/41 13 340 (aus dem Ausland: 0049 251/41 13 340) Fax 0251/41 13 342 (aus dem Ausland: 0049 251/41 13 342) [email protected] Bestellung von Broschüren und Einsendung von Wettbewerbsbeiträgen: Bezirksregierung Münster „Projekt Schülerwettbewerb“ Albrecht-Thaer-Str. 9 48147 Münster, Deutschland [email protected] Schülerwettbewerb 24 Der demografische Wandel und die Migration stellen nicht nur eine Herausforderung dar, sondern auch eine Gelegenheit, um neue integrative Gemeinschaften aufzubauen und das Wachstum der europäischen Wirtschaft zu fördern. Viele Flüchtlinge und Migranten haben das Potenzial zum Unternehmer und zum Innovator, aber ohne die richtige Unterstützung bleiben die Fertigkeiten der Neuankömmlinge vielleicht ungenutzt und die Betroffenen können möglicherweise ausgegrenzt werden. Ziel des Wettbewerbs ist es, die innovativsten Vorschläge bei der Umsetzung in konkrete und nachhaltige Projekte zu unterstützen. Dreißig der aussichtsreichsten Bewerber werden für das Halbfinale ausgewählt und zur Teilnahme an einem Mentoring-Seminar zum Thema „soziale Innovation“ eingeladen, das im Juli in Berlin stattfinden wird und bei dem sie ihre Ideen voranbringen können. Unter dem Motto „Integrierte Zukunftsperspektiven“ ist der Wettbewerb darauf ausgerichtet, Innovationen für Produkte, Technologien, Dienstleistungen und Modelle zu finden, die die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen und Migranten fördern können, etwa (aber nicht beschränkt auf) Ideen zu: Bildung und Entwicklung von Fertigkeiten Beschäftigung und Unternehmergeist Zugang zu angemessenen Wohnungen und Gesund- heitsleistungen Sicherheit und Menschenrechten Kohäsion der Gemeinschaft und kultureller Vielfalt Der Wettbewerb steht Privatpersonen, Gruppen und Organisationen in der gesamten Europäischen Union und in Ländern, die am EU-Programm „Horizont 2020“ teilnehmen, offen. Bewerbungen, bei denen Flüchtlinge und Migranten federführend sind oder die von diesen mitgestaltet werden, sind besonders willkommen. Rundschreiben Nr. 1 Die drei besten Lösungen erhalten bei der Preisverleihung im Oktober 2016 in Brüssel einen Preis in Höhe von jeweils 50.000 Euro. Bewerbungsschluss ist Freitag, der 8. April 2016, 12:00 Uhr MEZ. Der Wettbewerb zur sozialen Innovation in Europa wurde zum Gedenken an Diogo Vasconcelos ins Leben gerufen. Er wird von der Europäischen Kommission europaweit bereits zum vierten Mal durchgeführt. Das Motto des Wettbewerbs 2016 lautet „Integrierte Zukunftsperspektiven“. Ziel ist es dabei, Innovationen für Produkte, Technologien, Dienstleistungen und Modelle zu finden, die die Integration von Flüchtlingen und Migranten unterstützen können. Ausführliche Informationen unter: http://ec.europa.eu/growth/industry/innovation/policy/ social/competition/ Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet der Infopunkt der Berliner Vertretung der Europäischen Kommission per E-Mail oder telefonisch unter: 030/22 80 29 00. (http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases / 14047_de.htm vom 26.2.2016) (Newsletter jugendsozialarbeit.info Nr. 384 / 2015) Auslandsaufenthalte für Jugendliche Das europäische Jugendinformationsnetzwerk Eurodesk möchte mit dem Portal www.rausvonzuhaus.de die Mobilität von jungen Menschen weltweit unterstützen. Auf der Webseite erhalten interessierte Jugendliche Informationen und Ansprechpartner zu verschiedenen Programmen sowie kurz- und längerfristigen Einsätzen im Ausland wie Workcamps, Praktika, Freiwilligendienste etc. Weitere Informationen: www.rausvonzuhaus.de/ April 2016 START – Das Schülerstipendienprogramm für motivierte, neu zugewanderte Jugendliche Unsere Gesellschaft steht aktuell vor einer besonderen gesellschaftlichen Aufgabe – der erfolgreichen Integration einer großen Gruppe neuer Zuwanderer. Bildung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, denn Bildung schafft Perspektiven. Uns ist es ein besonderes Anliegen, die neu zugewanderten Jugendlichen bei der Gestaltung ihrer Bildungsbiografie zu unterstützen. Daher vergibt START Stipendien an Jugendliche, die erst seit wenigen Jahren in Deutschland leben, und begleitet sie zwei Jahre lang auf ihrem Bildungsweg. Mit unserem Stipendium unterstützen wir sie dabei, schneller in Deutschland anzukommen, ihre Potenziale zu entfalten und einen Bildungsabschluss zu erreichen, der ihren Fähigkeiten entspricht. Weitere Infos zur START-Bewerbung: www.start-stiftung.de/bewerbung.html Du kannst Dich bei START bewerben, wenn Du motiviert bist, Dich persönlich und schulisch weiterzu- bilden, erst seit wenigen Jahren in Deutschland lebst (bis zu etwa 5 Jahren), offen, interessiert und hilfsbereit bist, gern mit anderen arbeitest und Dich aktiv einbringst, mindestens die 8. Klasse einer allgemein- oder berufs- bildenden Schule in einem der 14 START-Bundesländer (alle außer Bayern und Baden-Württemberg) besuchst und noch mindestens zwei weitere Jahre zur Schule gehst, zwischen 14 und 21 Jahre alt bist, in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebst und zu- sätzliche Unterstützung benötigst. Bewirb Dich bis zum 20.5.2016 auf: www.start-stiftung.de (www.start-stiftung.de/stipendium.html) (jugendsozialarbeit.info Nr. 398 / 2016) 25 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Kompetenzzentrum für Integration Kultur-Terminkalender des Kompetenzzentrums für Integration 2016 Das Kompetenzzentrum für Integration unterstützt mit der Pflege des Kultur-Terminkalenders das Kennenlernen anderer Kulturen. Zudem werden Theaterstücke aufgenommen, die die Diskussion zum Thema „Integration und Teilhabe“ fördern. Mitteilungen zu Veranstaltungen zur Veröffentlichung in dem Terminkalender sind willkommen, und zwar unter: http://www.kfi.nrw.de/Termine/Tagungs_ Seminarkalender/index.php#_0415 „Sprachanker“ – ein Qualifizierungsangebot für ehrenamtliche Sprachlehrkräfte Speziell für ehrenamtliche und nicht einschlägig für „Deutsch als Zweitsprache“ ausgebildete Lehrkräfte hat das Bildungswerk der Erzdiözese Köln e.V. das Qualifizierungsangebot „Sprachanker“ entwickelt. Es soll besonders Ehrenamtliche unterstützen, die in Gemeinden, Willkommensinitiativen oder anderen Zusammenhängen Sprachangebote für Geflüchtete durchführen oder durchführen möchten. Mehr Informationen unter: https://bildung.erzbistum-koeln.de/bw-erzdioezese-koelnev/aktuell/xSprachankerx_-_ein_Qualifizierungsangebot_ fuer_ehrenamtliche_Sprachlehrkraefte/ Handreichung für die Gestaltung von Deutschkursen mit Flüchtlingen als Download unter: https://bildung.erzbistum-koeln.de/.content/.galleries/ downloads/SPRACHANKER-Handreichung.pdf 26 Servicetelefon zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse Soweit Ratsuchende nicht die Möglichkeit haben, eine Beratungsstelle in NRW aufzusuchen, können sie auf die Unterstützung des mobilen Beratungsteams des IQ Netzwerks NRW zurückgreifen. Hier führen erfahrene Beraterinnen und Berater umfassende Fachberatungen zur beruflichen Anerkennung per Telefon und E-Mail durch. Mehr Informationen unter: http://www.kfi.nrw.de/Aktuelle_Meldungen/ Servicetelefon-zur-Anerkennung-auslaendischerBerufsabschluesse/IQ_NRW_Servicetelefon_Berufliche_ Anerkennung.pdf Veranstaltungsorganisation Bezirksregierung Arnsberg Dezernat 36 – Kompetenzzentrum für Integration Seibertzstraße 1 59821 Arnsberg Ansprechpartner Dietmar Faltus Telefon 02931/82-2917 Fax 02931/82-2944 [email protected] www.kfi.nrw.de (Newsletter des Kompetenzzentrums für Integration 01 / 2016) Rundschreiben Nr. 1 Haus Schlesien, Königswinter Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde Aktuelle Sonderausstellungen: Eisern gesammelt Gleiwitzer Eisenkunstguss aus der Sammlung Gerhard Biadacz 31. Januar bis 8. Mai 2016 Junge Kunst aus Breslau Małgorzata Zukterowska und Łukasz Morawski zu Gast im Haus Schlesien bis August 2016 Die Post in Gleiwitz 1817 – 1945 150 Jahre Postgeschichte aus der Sammlung von Ingo von Garnier 31. Januar bis 8. Mai 2016 Öffnungszeiten der Ausstellungen: Di – Fr 10:00 – 12:00 und 13:00 – 17:00 Uhr, Sa, So und Feiertag 11:00 – 18:00 Uhr Sammeln verbindet Eröffnung der Ausstellungen „Eisern gesammelt“ und „Die Post in Gleiwitz 1817 bis 1945“ im Haus Schlesien Sammeln verbindet – es verbindet Menschen, so zum Beispiel die Sammler untereinander, Sammler und Betrachter oder auch Sammler und Ausstellungsmacher. Es verbindet aber auch Gegenstände, die alleine nur ein „Ding“ sind und durch das Sammeln Teil eines Ganzen werden – zum Teil einer Sammlung. So entstehen Verbindungen zwischen Einzelstücken, die zusammen Geschichte und Geschichten erzählen. Das macht es für die meisten Sammler zu einem interessanten Zeitvertreib, denn mit jedem Stück, das sie ergänzen, fügen sie der Geschichte ihrer Sammlung ein Puzzleteil hinzu, und so gewinnen die vorhandenen Stücke oft neue Bedeutung. Seit 2014 widmet sich Haus Schlesien in einer Ausstellungsreihe regelmäßig einzelnen Sammlern und erzählt von diesen Geschichten. Vom 31. Januar bis zum 8. Mai werden gleich zwei Sammlungen präsentiert, die zunächst keine Gemeinsamkeiten zu haben scheinen. Aber nur auf den ersten Blick, denn hier zeigt sich, dass es manchmal auch umgekehrt sein kann, dass nämlich ein Einzelstück Sammlungen verbindet. April 2016 Das Beispiel hierfür ist eine Archivkarte der Firma „Frankotyp Berlin“ aus der Sammlung von Ingo von Garnier. Dieser sammelt seit seiner Jugend postalische Ganzstücke und zeigt im Haus Schlesien unter dem Titel „Die Post in Gleiwitz 1817 bis 1945“ nun einen Teil seiner Spezialsammlung zur Post im oberschlesischen Gleiwitz. In dieser befinden sich auch mehrere Archivkarten von Frankotyp Berlin. Die Firma legte zu jeder ausgelieferten Absenderfreistempelmaschine eine Karteikarte an, auf der die Merkmale, der erste Abschlag sowie alle Veränderungen festgehalten wurden. Eine solche Karte wurde seinerzeit auch für die an die Kunstgießerei Gleiwitz ausgelieferte Stempelmaschine angefertigt. Dieses Stück aus der Ausstellung zur Gleiwitzer Postgeschichte könnte aber auch ein Exponat in der zweiten Ausstellung „Eisern gesammelt – Gleiwitzer Eisenkunstguss aus der Sammlung Gerhard Biadacz“ sein. Die Sammlung des gebürtigen Gleiwitzers Biadacz ist zwar noch vergleichsweise jung, denn seine Liebe zum Eisenkunstguss entdeckte er erst vor knapp zehn Jahren, doch mit mehr als 200 Stücken in ihrem Umfang beachtlich. Einer der Schwerpunkte liegt auf den Entwürfen von Peter Lipp, der von 1924 bis zur kriegsbedingten Schließung 1944 in der Eisengießerei in Gleiwitz tätig war und ab 1947 in der Firma Buderus in Hirzenhain erfolgreich die Abteilung für Kunstguss aufbaute. (v.l.n.r.) Eröffnung Hartmut Koschyk, MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Ingo von Garnier, Nicola Remig, Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums für schlesische Landeskunde und Gerhard Biadacz im großen Ausstellungsraum. 27 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Eisenkunstguss, 1855, Gleiwitz Archivkarte, 1937, Sammlung Ingo von Garnier. Bei der Eröffnung beider Ausstellungen äußerte sich auch der Schirmherr Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, ganz im Sinne der Idee, dass Sammeln verbindet. In seinem Grußwort sprach er von der Brückenfunktion solcher Ausstellungen. Als Beispiel, wie sehr diese Brücken bauen können, führte Koschyk die Biografie des Sammlers Gerhard Biadacz an, mit dem ihn eine jahrzehntelange Freundschaft verbindet. Biadacz war mit 19 Jahren als Aussiedler von Gleiwitz nach Westdeutschland gekommen, hat hier einen Beruf erlernt, sich selbstständig gemacht und eine neue Heimat gefunden, aber zugleich seine Wurzeln in Oberschlesien behalten. Schon als junger Mann hat er sich sehr für die Geschichte und Kultur Schlesiens interessiert. In seiner Geburtsstadt Gleiwitz wurde schließlich auch die Leidenschaft für den Eisenkunstguss geweckt. Dies geschah, so erinnerte sich der Sammler später selbst, als er dort 2007 eine Ausstellung mit Eisenkunstguss besuchte. Seine Sammlung stellt somit eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen alter und neuer Heimat her. Solche Sammlungen und Ausstellungen, so führte Koschyk weiter aus, bauen aber auch in dem Sinne Brücken, dass sie Beziehungen zwischen den Sammlern sowie Kultureinrichtungen in Europa schaffen. Über die gemeinsamen Traditionen, die Beschäftigung mit den Exponaten und die Auseinandersetzung mit den technischen und historischen Zusammenhängen werden Kontakte und Verbindungen zwischen Sammlern und Museen beider Nationen geknüpft, die für die Pflege des kulturellen Erbes Schlesiens von großer Bedeutung sind. Öffentliche Führungen Eisern gesammelt 6. April 2016 um 18:00 Uhr (Sammler) Die Post in Gleiwitz 17. März 2016 um 14:30 Uhr (Sammler) Kontakt und Information: Haus Schlesien Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde Dollendorfer Straße 412 53639 Königswinter Telefon 02244/88 62 31 Fax 02244/88 62 30 [email protected] www.hausschlesien.de Aktuelle Informationen zu unseren Veranstaltungen und Ausstellungen finden Sie auch auf Facebook. (Silke Findeisen) 28 Rundschreiben Nr. 1 Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen Stiftung Haus Oberschlesien Begegnung ohne Gegen- und fürs Miteinander Die Stiftung Haus Oberschlesien und ihr Museum praktizieren und zelebrieren europäisches Zusammensein im Zeichen der Kultur. Der traditionelle, in Schlesien besonders hochgehaltene Barbaratag am 4. Dezember ist für die Stiftung Haus Oberschlesien (SHOS) in Ratingen-Hösel immer ein Grund zum Feiern. 2015 wurde jedoch zugleich das 45-jährige Bestehen der Stiftung gefeiert, deren Gründungstag der 4. Dezember 1970 war. Höhepunkt des ereignisreichen Tages war die Feierstunde mit musikalischer Begleitung. Viele deutsche und polnische Gäste aus dem politischen und kulturellen Leben nahmen an der Veranstaltung teil. Gemeinsam wurde auch die neue Sonderausstellung „Für Leib und Seele“ und die Barbarafeier der Landsmannschaft der Oberschlesier besucht. Das Festprogramm wurde vom Heimatchor aus Gleiwitz-Stroppendorf und vom Oberschlesischen Blasorchester Ratingen begleitet. Bei dem von Marie-Luise Fasse, MdL, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Haus Oberschlesien, moderierten Festakt kamen Ehrengäste und Gastgeber zu Wort. Dr. Henryk Mercik, Marschall der Woiwodschaft Schlesien, erinnerte an die Zeit, als es noch den Eisernen Vorhang gab, der kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Ost und West schwierig bis unmöglich machte. Inzwischen – so der hochrangige Gast aus Kattowitz – leben Deutsche und Schlesier in einem gemeinsamen Europa, in dem die Rolle der Stiftung und des Oberschlesischen Landesmuseums sogar noch wichtiger sei als früher. Sein Wunsch ist, dass die Rolle der Ratinger Stiftung und des Museums als Brückenbauer zwischen Ost und West noch größer wird und die Geschichte Oberschlesiens zusammen mit Partnerinstitutionen fortgeschrieben werden kann. Staatssekretär Thorsten Klute vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen blickte in seiner Rede auf die Etappen polnisch-deutscher Annäherung zurück, die auch für die Arbeit der Stiftung wegweisend gewesen seien: „Wenn 2016 der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag sein 25-jähriges Bestehen feiern wird, freue ich mich, wenn sich die Stiftung mit ihrem Museum in dieses Jubiläum einbringt. Gegenwärtig ist die europäische Dimension wieder einmal gefordert.“ Weitere Ansprachen boten Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes und SHOSStiftungsratsmitglied, Direktor Dr. Stephan Kaiser, sowie Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, und Bogusław Szyguła, Leiter der Bergbautraditionsstube in Knurow. April 2016 Derzeit haben das Oberschlesische Landesmuseum und die Stiftung Haus Oberschlesien elf Kooperationsabkommen mit Partnern in Polen und Tschechien vorzuweisen. Das ist eine beachtliche Leistungsbilanz, die man auch am Jubiläumstag hervorhob. In diesem Sinne gab es noch vor dem Festakt gleich zwei Vertragsunterzeichnungen, die als Grundlage für die Fortsetzung der vielfachen grenzüberschreitenden Projekte gelten. Das Oberschlesische Landesmuseum erneuerte sein seit 2010 bestehendes Kooperationsabkommen mit der Bergbautraditionsstube in Knurow. Ein neuer Vertrag wurde zwischen der Stiftung Haus Oberschlesien und dem Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), dem Dachverband der deutschen Minderheiten, geschlossen. Die Arbeit von Stiftung und Museum ist ein Brückenschlag zwischen kultureller Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie zwischen Osten und Westen mit Blick auf schlesische Regionen im großen europäischen Zusammenhang. Auch künftig will man die grenzüberschreitenden Kooperationen entsprechend dem Motto „Wir beleben Zusammenarbeit“ im Auge behalten. Es wird einmal mehr deutlich, dass die Idee der Begegnungsstätte immer noch so aktuell ist wie eh und je – für Schlesier und Nichtschlesier aus allen Regionen. Als am 4. Dezember 1970 der Grundstein für die Stiftung Haus Oberschlesien gelegt wurde, tat man es mit der Absicht, eine Begegnungsstätte für die oberschlesische Volksgruppe in Deutschland zu schaffen. Das war nötig und wichtig, weil sich die deutschen Vertriebenen im Laufe der 1960er-Jahre im Wesentlichen integriert und eine gesicherte neue Lebensgrundlage gefunden hatten. Auch aus dem polnischen Oberschlesien kamen viele Menschen als Aussiedler nach Deutschland, und diese hatten ebenfalls das Bedürfnis des Kontaktes untereinander. Vorrangig wurde der Ansatz einer Begegnungsstätte verfolgt, und dazu wurde 1983 auch das Stiftungsgebäude in RatingenHösel fertiggestellt. Des Weiteren ging es um den Museumsgedanken mit einer ersten Etappe der Eröffnung einer Dauerausstellung im Haus Oberschlesien. Es folgten dann unter günstigen Konstellationen mit Bundesunterstützung die Bauplanung, Finanzierung und Einrichtung des 1998 eröffneten separaten Museumsfunktionsbaus. Einen Meilenstein in der Geschichte setzte kurz nach der formellen Stiftungsgründung Bundeskanzler Willy Brandt mit seinem Kniefall in Warschau. „Was wir heute in zeithistorischer Verbindung sehen können, war damals kein zielgerichteter Weg“, erklärte Dr. Stephan Kaiser beim Festakt. 29 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Seit 1970 ist die Stiftung Haus Oberschlesien in Ratingen fester Bestandteil der deutschen Aktivitäten zur kulturellen Bildung und Verständigung mit ost- und mitteleuropäischen Partnern. Zusammen mit dem vom Land NordrheinWestfalen geförderten Oberschlesischen Landesmuseum trägt sie laufend zu öffentlichen und grenzüberschreitenden Begegnungen bei. Vertragsunterzeichnung. Foto: D. Göllner Dr. Stephan Kaiser M. A., geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Direktor der Stiftung, Dipl.-Ing. Paul Schläger, Marie-Luise Fasse, Vorsitzende und Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen, Klaus Plaszczek, Staatsminister a. D., Professor Dr. Christoph Zöpel und Klaus Konrad Pesch, der Bürgermeister der Stadt Ratingen, gehören dem Vorstand der Stiftung Haus Oberschlesien in der Amtsperiode 2015 bis 2018 an. (Dieter Göllner, Kulturpolitische Korrespondenz [KK] vom 25.1.2016) Kunst und Kultur baut Brücken zwischen Ost und West Ukrainische Ostereier und Ostertraditionen im Oberschlesischen Landesmuseum Ehrengäste in der neuen Sonderausstellung. Foto: D. Göllner Der Heimatchor von Gleiwitz-Stroppendorf und das Oberschlesische Blasorchester Ratingen vor den Gästen der Jubiläumsveranstaltung. Foto: D. Göllner 30 Fest in ukrainischer Hand war Ende Februar das Oberschlesische Landesmuseum bei der Eröffnung seiner siebten Osterei-Ausstellung, die den Blick über die Grenzen Schlesiens und Polens hinaus auf die benachbarte Ukraine und deren Osterei-Kunst sowie Ostertraditionen lenkt. Rund 150 Gäste waren gekommen, um an dieser besonderen Feier teilzunehmen. Die Botschaft war eindeutig: Über Kunst und Kultur lassen sich Brücken bauen und politische Barrieren überwinden. Gelebtes Brauchtum gibt gerade in unserer schnelllebigen technisierten Zeit Orientierung und Halt. Mit allen Sinnen konnten die Besucher dies erleben: mit gefühlvoller ukrainischer Volksmusik, eindrucksvoll dargeboten von der Sängerin Radmila und dem Pianisten Yaroyr Bozhenko, sowie mit mahnenden Wortbeiträgen, die auch auf die schwierige politische Situation in der Ukraine Bezug nahmen. Marie-Luise Fasse, MdL und SHOSVorstandsvorsitzende, sowie Ratingens Bürgermeister und SHOS-Vorstandsmitglied Klaus Konrad Pesch begrüßten die Gäste. Über die Ausstellungsidee, ukrainische Ostertraditionen und Osterei-Kunst sprachen Dr. Irina Jastreb, Vorsitzende des Vereins Ukrainisches Haus e. V. in Düsseldorf, und Jaroslava Tkachuk, Generalmuseumsdirektorin über vier Museen aus der West-Ukraine. Dazu gehört auch das Osterei-Museum in Kolomyia, das einzige Museum dieser Art weltweit, das mit seinen mehr als 10.000 Exponaten zu den Hauptsehenswürdigkeiten der westlichen Ukraine zählt. Rundschreiben Nr. 1 Bei der Eröffnung gab es landestypische Speisen. Zu den Gästen gehörten auch zwei ukrainische Geistliche, die die Ausstellung und einige Osterspeisen segneten. Der Generalkonsul der Ukraine in Düsseldorf, Vladislav Egorov, war mit seinem Sohn nach Ratingen gekommen. So werden Traditionen auch an die nächste Generation weitergegeben. Den weitesten Weg mit über 1.600 km hatte aber die ukrainische Delegation auf sich genommen, um die Ausstellung in Ratingen zu eröffnen: Generalmuseumsdirektorin Jaroslava Tkatchuk, Museumsdirektorin Bogdana Fashtryha mit ihrem Mann und die Osterei-Künstlerin und Buchautorin Wira Manko. Die Künstlerin hatte bereits am Tag zuvor einen Workshop zur traditionellen Verzierkunst von Ostereiern in der Wachsbatiktechnik im Museum angeboten und führte diese besondere Technik auch am Eröffnungstag in der Ausstellung vor. Interessierte Besucher konnten der Künstlerin dabei nicht nur über die Schulter schauen, sondern auch selbst tätig werden. In der Ukraine werden die Muster mit Wachs auf die Eier gezeichnet und diese nach und nach in verschiedenen Farbtönen überfärbt. So entstehen wahre Kunstwerke, die in der Landessprache „Pysanky“ heißen. Als Malgerät dient der „Pysatschok“, eine Art Füllfederhalter. Diesen taucht man entweder in flüssiges Wachs oder füllt ihn mit kleinen Wachsstückchen, die schmelzen, wenn der Pysatschok über eine Flamme gehalten wird. Farben und Formen haben symbolische Bedeutungen und alten Legenden nach auch magische Kräfte. Rot ist das Symbol für die Liebe, Lebensfreude und die Hoffnung auf Heirat. Gelb symbolisiert den Mond, die Sterne und landwirtschaftliche Ernte. Die Farbe Grün steht für Frühling und Natur – bunte Eier wurden mit dem Familienglück in Verbindung gebracht. So sollten die geschenkten Ostereier vor allem Glück bringen. Die ukrainischen Gäste freuten sich sehr, viele ihrer in Nordrhein-Westfalen ansässigen Landsleute wiederzusehen. Glücklich war vor allem Dr. Irina Jastreb, die die Ausstellung mit dem OSLM vorbereitet hatte. Genau ein Jahr zuvor war von ihr und Kristof Klitza die Idee einer gemeinsamen Osterei-Ausstellung mit ukrainischem Schwerpunkt geboren worden, die das OSLM gerne aufgegriffen hat. Ein Jahr später ist die Ausstellung nun im OSLM zu sehen – mit über 200 ukrainischen Ostereiern, Videobeiträgen, Fotografien und Textilien aus der Privatsammlung von Irina Jastreb und Exponaten aus dem Osterei-Museum in Kolomyia. Bei den ausgestellten, prachtvoll gestalteten ukrainischen Ostereiern handelt es sich hauptsächlich um Kopien von Originalen, die sich im Osterei-Museum in Kolomyia befinden. Von dem schönen Ergebnis der Zusammenarbeit konnten sich die vielen Gäste bei der Eröffnung überzeugen. Von der fröhlichen Stimmung sicht- April 2016 lich angetan, verweilten auch die zahlreich erschienenen Vertreter der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik nach dem offiziellen Eröffnungsprogramm noch lange in der Ausstellung. Im Erdgeschoss wurden Kaffee und Kuchen geboten. Gleichzeitig gab es zwei gut besuchte KuratorenFührungen durch die große Sonderausstellung zu Schlesiens Ess- und Trinkkultur. Das alles fügte sich wunderbar zusammen zu einem erlebnisreichen Nachmittag im Oberschlesischen Landesmuseum. Wer kein handwerkliches Geschick und keine Geduld für dieses Kunsthandwerk mitbringt, der kann handgefertigte Ostereier aus der Ukraine und aus Oberschlesien im Oberschlesischen Landesmuseum erwerben. Ausstellung Immer wieder neu – rund ums Ei Ostereier und Bräuche in Schlesien und in der Ukraine 21. Februar – 3. April 2016 Oberschlesisches Landesmuseum in Ratingen (Hösel) Parallel präsentiert das OSLM die Sonderausstellung „Schlesische Ostereier und Osterbräuche“ vom 26. Februar – 9. April 2016 im Haus der Heimat in Wiesbaden Bund der Vertriebenen Landesverband Hessen e.V. Friedrichstr. 35, 65185 Wiesbaden Telefon 0611/33 39 77 www.bdv-hessen.de „Begegnung am Annaberg / Gora Sw. Anny“ 9. April – 16. Mai 2016 Deutsch-Polnisches Ausstellungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Bund Bildender Künstler / BBK Bonn, Rhein-Sieg e.V. Eröffnung: Samstag, 9. April 2016, 15:00 Uhr Traditionell: Die Osterei-Künstlerin Wira Manko führte in der Ausstellung das Verzieren der „Pysanky“ – so heißen die ukrainischen Ostereier – in der traditionellen Wachsbatiktechnik vor. Foto: OSLM 31 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote 410 Meter hoch ragt der Sankt Annaberg in der Landesmitte Oberschlesiens auf dem Gebiet der Gmina Lesnica (Leschnitz oder Bergstadt) zwischen Tarnowitz und Oppeln. Er ist ein symbolträchtiger und vielschichtiger deutsch-polnischer Ort der Erinnerung und Verständigung, religiöse Wallfahrtsstätte und zu verschiedenen Zeiten auch politischer Schauplatz. Es ist der wichtigste katholische Wallfahrtsort Oberschlesiens und er ist in jeder Hinsicht inspirierend und berührend. Seit 2006 veranstaltet der Bund Bildender Künstler, BBK Bonn, Rhein-Sieg e.V. alljährlich eine zweiwöchige internationale Künstlerbegegnung in Annaberg. In der Regel nehmen daran zwischen 14 bis 20 Künstler aus verschiedenen Orten in Deutschland und Polen teil. Auch befreundete Künstler aus Russland haben sich der Gruppe angeschlossen. Im Laufe der Jahre haben sich schon über hundert Künstler auf die Begegnung am Annaberg eingelassen, viele sogar mehrfach. Die Künstler arbeiten frei in und um die Wallfahrtsstätte. Die Begegnung endet stets mit einer kleinen gemeinsamen Abschlussausstellung in der Galerie im Hotel ANNA. Die Leitung des Projekts liegt bei Almuth Leib, der Ersten Vorsitzenden beim BBK Bonn, Rhein-Sieg e.V., und bei Dr. Damian Pietrek, Vorstandsmitglied im Künstlerverband ZPAP-Oberschlesien und Dozent an der Kunstakademie Kattowitz. Feierlich: BBK Bonn, Rhein-Sieg e.V. Dem Wunsch, die vielfältigen künstlerischen Ergebnisse aus diesen alljährlichen Begegnungen auch in einem größeren Zusammenhang zu zeigen, hat das Oberschlesische Landesmuseum gerne entsprochen. Wichtiger denn je ist dieser Beitrag zum europäischen Zusammenwachsen, der von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert wird. Für die Ausstellung im Oberschlesischen Landesmuseum haben sich 24 polnische, russische und deutsche Künstler zusammengefunden, die diese Ausstellung gemeinsam gestalten. Sie alle haben sich vom besonderen Geist in und am Annaberg inspirieren lassen. Die Ausstellung mit zweisprachigem Katalog wird zu einem späteren Zeitpunkt auch in Polen gezeigt. Gruppenbild mit Ehrengästen: (v.l.n.r.) Pianist Yaromyr Bozhenko, Werner Jostmeier MdL, OSLM Ausstellungskuratorin Dr. Susanne Peters-Schildgen, SHOS-Stiftungsratsvorsitzender MinRat Johannes Lierenfeld, SHOS-Vorstandsvorsitzende Marie-Luise Fasse MdL, Generalmuseumsdirektorin Jaroslava Tkachuk, OSLM-Direktor Dr. Stephan Kaiser, Kristof Klitza, Ratingens Bürgermeister Klaus Konrad Pesch, Elisabeth Müller-Witt MdL, Dr. Irina Jastreb, Vorsitzende des Vereins Ukrainisches Haus e.V., und der Generalkonsul der Ukraine Vladislav Egorov mit seinem Sohn. Foto: OSLM Nicht auf dem Bild, aber zu den Ehrengästen gehörten Kerstin Griese MdB und SHOS-Vorstandsmitglied Paul Schläger. 32 Rundschreiben Nr. 1 Für Leib und Seele Von der Kultur des Essens und Trinkens bis Februar 2017 Auf mehr als 500 qm und mit rund 1.000 Exponaten breitet die Ausstellung ein Panorama mit umfassenden Einblicken in das spannende Thema der Kultur des Essens und Trinkens aus, das jeden von uns betrifft. Ob Dreschmaschine, Kochhexe, Eisschrank oder andere längst in Vergessenheit geratene Küchenhelfer und Maschinen – vieles von dem, was in früheren Zeiten zum Anbauen, Ernten, Kochen, Backen, Rühren, Einmachen, Einlegen, Einfrieren, Mixen, Entkernen, Rösten, Mahlen usw. verwendet wurde, zeigt diese Ausstellung. Zu sehen sind außerdem verschiedene Tierpräparate, schlesisches Porzellan, Tischwäsche und seltene historische Aufnahmen. Sie illustrieren eindrucksvoll Getreideanbau und Ernte, aber auch das Brauwesen und andere Bereiche der Essund Trinkkultur. Der Fokus ist dabei stets auf die landestypischen Besonderheiten der historischen und aktuellen Nahrungsmittelerzeugung Schlesiens gerichtet. April 2016 Weitere Information: Oberschlesisches Landesmuseum (OSLM) Bahnhofstr. 62 40883 Ratingen (Ortsteil Hösel) Telefon 021 02/96 50 [email protected] www.oslm.de www.facebook.com/Oberschlesisches.Landesmuseum Öffnungszeiten: täglich außer montags von 11:00 – 17:00 Uhr Geschlossen: 25.3. – 26.3.2016 Geöffnet: 27.3. – 28.3.2016 (Dr. Susanne Peters-Schildgen, Oberschlesisches Landesmuseum) Begleitend und an die unterschiedlichen Jahreszeiten angepasst gibt es Führungen, Workshops und Aktionstage mit kleinen Verkostungen und praktisch-kreativen Programmteilen. Kreativangebote für Kinder finden statt am: Samstag, 30.4.2016, 14:30 – 16:30 Uhr Es geht um den Ursprung unserer Lebensmittel, ihre Verpackung und ihren Verkauf. Außerdem gestalten und bedrucken die Kinder ihre eigene Einkaufstasche. Blick in die Ausstellung Foto: OSLM Internationaler Museumstag Samstag, 28.5.2016, 14:30 – 16:30 Uhr Dieses Angebot befasst sich mit Sitten und Bräuchen beim Essen. Die Kinder entwerfen ihren eigenen Teller: Blumen, Autos, Minions – alles ist erlaubt! Preis: jeweils 9 Euro inkl. Materialien und Eintritt Die nächsten öffentlichen Sonntagsführungen als Kombiangebot mit anschließendem schlesischen Kuchen und Kaffee finden statt am: 3.4. und am 28.5. (Internationaler Museumstag) Preis: 10 Euro (Führung + Eintritt, Kaffee und Kuchen) Feierlich: Die Ausstellung und einige Osterspeisen werden von einem ukrainischen Geistlichen geweiht. Foto: OSLM 33 3 Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote Martin-Opitz-Bibliothek Veranstaltungen April 2016 7.4.2016, 19:00 Uhr Dr. Heidi Hein-Kircher: „Polnisches Bollwerk gen Osten“ oder „Stadt der verwischten Grenzen“? Lemberg 1870 – 1918. In Kooperation mit der VHS Herne Im polnischen historischen Bewusstsein hat sich seit der Frühen Neuzeit die Vorstellung entwickelt, dass Polen eine Vormauer der Christenheit (antemurale christianitatis) sei. Einen besonderen Aspekt dieses politischen Mythos stellt die Bollwerk-Funktion dar, die Lemberg polnischerseits zuerkannt und mit einer besonderen kulturellen Mission verbunden wurde. Dagegen wurde gerade durch die deutsch-jüdische Literatur der Zwischenkriegszeit der Mythos der „Stadt der verwischten Grenzen“ (J. Roth) geprägt. Der Vortrag will anhand dieser divergierenden Lemberg-Bilder die Polonisierung der Stadt an der Wende zum 20. Jahrhundert beleuchten, da durch sie die nationalen Konflikte eskalierten. Zur Person: Studium der Osteuropäischen Geschichte, Neueren und Mittleren Geschichte und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Promotionsstudium der Osteuropäischen und Neueren Geschichte sowie der Jiddistik an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf Seit 2004 Lehrbeauftragte an der Philipps-Universität Marburg, Fachbereich 6 Geschichte und Kulturwissen- schaften Seit 2009 Leiterin der Abteilung Wissenschaftsforum am Herder-Institut Arbeitsgebiete: Geschichte Polens im 19. und 20. Jahr- hundert, Politische Kulte, Mythen und Erinnerungs kulturen, Stadt- und Verwaltungsgeschichte Ostmittel- europas, Geschichte der nationalen Minderheiten, Nationsbildungsprozesse in Ostmitteleuropa, Geschichte der Juden im östlichen Europa Mai 2016 2.5. – 4.5.2016 Einladung und Call for Papers – 45. ABDOS-Tagung 2016 in Herne Weitere Information: http://www.martin-opitzbibliothek.de/de/aktuell__show/kalender/352 21.5.2016, 10:00 – 16:00 Uhr AGoFF-Genealogie-Workshop 34 Juni 2016 16.6.2016, 19:00 Uhr Dr. Katharina Neufeld: Deutsche Siedler um Sankt Petersburg: eine historische Kulturlandschaft – in Kooperation mit der VHS Herne Die Entstehung der deutschen Kolonien rund um St. Petersburg, ihr wirtschaftlicher Aufstieg, das Leben in der Sowjetzeit vor und nach dem II. Weltkrieg – das ist das Thema der Sonderausstellung, die von Prof. Irina Tscherkazjanowa in Kooperation mit dem Deutsch-Russischen Begegnungszentrum an der Petrikirche Sankt Petersburg und mit dem Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte erarbeitet und hergestellt würde. Über die Inhalte der Sonderausstellung wird im Referat von Dr. K. Neufeld eine Einführung gegeben. Dr. Katharina Neufeld ist Leiterin des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold. Juli 2016 14.7.2016, 19:00 Uhr Prof. Dr. Sabine Seelbach: Die heilige Hedwig im Wandel der Zeit – in Kooperation mit der VHS Herne Die hl. Hedwig von Schlesien (1174/78 – 1243) hat vom ausgehenden Mittelalter bis in die Gegenwart als Brückenfigur der europäischen Geschichte, insbesondere der Völkerverständigung zwischen Deutschen und Polen fungiert. Neben dem hl. Adalbert und dem hl. Stanislaus blieb sie die wichtigste Schutzheilige Schlesiens und Polens. Die für die Lebensgeschichte Hedwigs ergiebigste Quelle ist die um 1300 anonym verfasste lateinische Vita beate Hedwigis. Der Vortrag wird eine Neuedition der Legende vorstellen und dabei auf das historisch wandelbare Muster weiblicher Adelsheiliger eingehen. Sabine Seelbach (geb. 1960 in Berlin) hat an der Universität Leipzig Germanistik und Philosophie studiert. Nach der Habilitation (Heidelberg 1999) folgten Gastprofessuren u. a. in Osnabrück und Freiburg. Von 2003 bis 2009 war sie Professorin für Literaturwissenschaft und Ästhetik an der Universität Opole (Polen), 2009 – 2010 Universitätsprofessorin in Wien. Seit 2011 hat sie die Universitätsprofessur für Ältere deutsche Literatur und Sprache an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt inne. Weitere Informationen: Martin-Opitz-Bibliothek Berliner Platz 5 44623 Herne Tel.: 02323/16-28 05 Fax: 02323/16 26 09 www.martin-opitz-bibliothek.de Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Komi startet Online-Museum „Die Deutschen in der Republik Komi“ Die deutsche nationale Kulturautonomie in der Republik Komi stellte auf seiner Website ein neues Projekt vor, das von politischer Repression bedrohter Russlanddeutscher handelt, die von 1930 bis 1950 aus dem Wolgagebiet, der Ukraine, Weißrussland, dem Nordkaukasus, der Krim und dem Baltikum nach Komi verbannt wurden. Nach Informationen des Ministeriums für nationale Politik der Republik ist das Online-Museum „Die Deutschen in der Republik Komi“ (http://www.nnka.biz/deutsch/) Teil eines gesamtrussischen Projekts. Dies thematisiert die Geschichten und Schicksale der Russlanddeutschen auf dem Informationsportal RusDeutsch. Die virtuellen Museen der Republik Komi und dem Rest Russlands sind mit einer gemeinsamen Zentrale miteinander verbunden, die einer breiteren Leserschaft Informationen bietet. Die elektronischen Daten der Online-Museen beinhalten Fotos, Dokumente, Erinnerungen, die aus elf ethnografischen Expeditionen der deutschen nationalen Kulturautonomie hervorgehen. Die Expeditionen, die zur Erforschung der Geschichte der Russlanddeutschen dienten, fanden von 2004 bis 2015 statt. Die Teilnehmer recherchierten in den Kreisen Kortkerossk (2004), Ust-Zilemsk (2006), Uchtinsk und Sosnogorsk (2007), Kojgorodsk (2008), Petschorsk (2009), Sysolsk (2010), Syktyvdinsk (2011), Ust-Kulomsk (2012), Ust-Bymsk (2013), Prilusk (2014) und Workutinsk (2015). Bisher sind die Materialien der Kreise Uchtinsk, Kortkerossk und Kojgorodsk zugänglich. Die Arbeit zur Vervollständigung des Online-Museums wird bereits fortgesetzt. Das Online-Museum „Die Deutschen in der Republik Komi“ wird durch die Unterstützung des Ministeriums für nationale Politik der Republik Komi und im Rahmen des föderalen Programms „Festigung der Einheit der russischen Nation und ethnokultureller Vielfalt der Nationen Russlands“ (2014 – 2020) finanziert. Zum Online-Museum: www.nnka.biz/deutsch/ (www.rusdeutsch.eu/Nachrichten/3173 vom 9.2.2016) 35 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Waldemar Eisenbraun Bundesvorsitzender „Deutsche aus Russland – auffällig unauffällig?“ Bericht zum Pressegespräch am 4.2.2016 in Berlin „Deutsche aus Russland – auffällig unauffällig?“ war das Thema eines Pressegesprächs, zu dem die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland am 4.2.2016 in Berlin eingeladen hat. Hintergrund war das Bedürfnis um öffentliche Aufklärung und Stellungnahme der Landsmannschaft zu den aktuellen bundesweiten Protesten, die von der russischsprachigen Bevölkerung ausgegangen sind. In dem einstündigen Gespräch haben die Mitglieder des Bundesvorstands der Landsmannschaft, Waldemar Eisenbraun, Ernst Strohmaier und Walter Gauks, sich zu Fragen von Vertretern deutscher und russischer Medien geäußert. Anwesend waren unter anderem das Focus-Magazin, Funkhaus Europa, RBB und RIA Novosti. Klärungsbedarf gab es im Einzelnen auch hinsichtlich der Möglichkeiten zur Stärkung der Verbandsarbeit hin zu mehr Attraktivität, vor allem für die Jugend. Vor dem Hintergrund der vermehrten Demonstrationen wurde auch der Erfolg der Integrationsgeschichte von Deutschen aus Russland diskutiert. 36 Dem Bundesvorsitzenden Waldemar Eisenbraun war es wichtig, in seiner Eröffnungsrede deutlich zu machen, dass die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland die Kundgebungen in den vergangenen Wochen weder organisierte noch zur Teilnahme daran aufrief. Die Verantwortung für den Verlauf und die Inhalte liegt allein bei den Veranstaltern, mit denen die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in keinerlei Form zusammenarbeitet. Die Landsmannschaft distanziert sich ausdrücklich von den Organisatoren der Demonstrationen. Der stellvertretende Vorsitzende, Ernst Strohmaier, bedauerte zudem, dass der Fall des 13-jährigen Mädchens Lisa dazu genutzt wurde, chauvinistisches Gedankengut in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Anstifter seien bekannt, bereits in der Vergangenheit habe man sich entschieden von ihnen distanziert. Ihre Art, mit den Nöten und Ängsten der Öffentlichkeit zu spielen, verurteilte Herr Eisenbraun im Namen der Landsmannschaft aufs Schärfste. Die Politisierung des Falls Lisa habe außerdem gezeigt, dass es von russischer Seite aus Bemühungen gab, die öffentliche Meinung in Deutschland medial und politisch zu beeinflussen. Die Aufklärung des Falls hat deutlich gemacht, wie voreilig und unbegründet sich die Intervention in diesem Fall darstellte. Rundschreiben Nr. 1 Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 1950 als Interessenvertretung, Hilfsorganisation und Kulturverein aller Deutschen aus Russland in der ganzen Welt. Sie setzt sich für eine gelebte Integrationspolitik in Deutschland ein und ist der größte Verband der Deutschen aus Russland mit direkten politischen Ansprechpartnern. Der Vorstand hat ebenfalls ganz deutlich unterstrichen, dass die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland dabei absolut autonom handelt. Einige der politisch sonst so unauffälligen Deutschen aus Russland haben sich über die letzten Wochen Protesten angeschlossen. Die Befürchtung kam auf, Russlanddeutsche drifteten nach rechts ab. Der Vertreter der Jugend LmDR, Walter Gauks, warnte vor Verallgemeinerungen bezüglich der hier lebenden Deutschen aus Russland und machte deutlich, dass die aktuelle Situation eine differenzierte Berichterstattung seitens der Medienvertreter erfordere. Wie in jeder Gesellschaft, gibt es auch innerhalb der Deutschen aus Russland unterschiedliche politische Haltungen. Wenige Extreme haben eine Öffentlichkeitsresonanz gewonnen, die nicht repräsentativ ist. Eisenbraun betonte, dass bis auf wenige Ausnahmen die Deutschen aus Russland weder radikal noch medial fremdgesteuert seien. Strohmaier machte deutlich, dass die berufliche und sprachliche Integration der Mehrheit der rund vier Millionen Deutschen aus Russland vor allem eine Erfolgsgeschichte sei. Die Integrationsbemühungen konzentrierten sich aber bisher vielmehr auf wirtschaftliche Integration und ein symbolisches „Ankommen“. Ein Deutscher aus April 2016 Russland wird heute deshalb eher im Baumarkt als im Parlamentsaal anzutreffen sein, sagte Eisenbraun. Die in Sowjetzeiten antrainierte politische Apathie wirke zudem oft auch in Deutschland nach. Die aktuellen Ereignisse machen zudem deutlich: Es gibt Nachholbedarf in der politischen Integration. Diese Form der Integration wurde bisher vernachlässigt. Walter Gauks möchte deshalb sein Augenmerk auf die Präventionsarbeit legen und damit die bereits umfangreiche Arbeit des Jugendverbands stärken. Je mehr für Bildung und Integration getan werde, desto geringer sei die Gefahr der Anfälligkeit für rechtes Gedankengut. Zum heutigen Zeitpunkt erreicht die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland durch ihre bundesweite Arbeit in den ca. 130 Landes- und Kreisgruppen sehr viele Deutsche aus Russland. Diese Arbeit wird zum größten Teil ehrenamtlich geleistet. Strohmaier merkte an, dass die Finanzierung der Koordinationsarbeit überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden oder auf Projektbasis bestritten werde. Institutionelle Förderung erhalte man nur vom Land Baden-Württemberg in Form eines symbolischen Betrags für die Erhaltung des Hauses der Deutschen aus Russland. Um weiterhin effektiv und wirksam sein zu können und seine politische Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit fortzusetzen, hat der Verband dringenden Bedarf an Unterstützung und Ressourcen. Aus diesem Grund wurde um Vertrauen, Rückhalt und Unterstützung seitens der Mitglieder und aller Interessierten bei den aktuellen Aufgaben und Herausforderungen geworben. Weitere Informationen: http://lmdr.de/bericht-zumpressegespraech-am-04-02-2016-in-berlin/#more-8941 (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland von Olga Schmidt vom 8.2.2016. Fotos: Lena Arent) (v.l.) Ernst Strohmaier, stellvertretender Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Bundesvorsitzender Waldemar Eisenbraun mit dem Vertreter der Jugend LmDR, Walter Gauks. Jürgen Arnhold, der neue Bundesgeschäftsführer der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. 37 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Jürgen Arnhold, Nachfolger von Ernst Strohmaier Am 1. Januar 2016 trat Jürgen Arnhold die Nachfolge von Ernst Strohmaier als Bundesgeschäftsführer der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland an. Der Sozialausschuss der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland informiert: Fragen zur russischen Rente Ernst Strohmaier hatte das Amt seit 2013 ehrenamtlich ausgeübt und bleibt als stellvertretender Bundesvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg weiterhin im Einsatz für die Landsmannschaft. Jürgen Arnhold ist 35 Jahre alt und als Diplom-Ingenieur der Fahrzeugtechnik (FH) seit 2007 als Unternehmensberater und in mehreren Projekten selbstständig tätig. Er lebt seit 1992 in Deutschland und ist seit 2000 ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätig. Jürgen Arnhold wohnt unweit von Stuttgart und ist ein erfahrener Manager. Als aktuelle Ziele formulierte er die Gewinnung neuer Mitglieder, die Optimierung interner Prozesse und die Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit. (VdaW 02 / 2016) Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Waldemar Eisenbraun (r.), mit dem neuen Bundesgeschäftsführer Jürgen Arnhold. Adolf Braun, Leiter des Sozialausschusses der Landsmannschaft. Auslandsrenten sind seit dem 1. Juli 2011 nach § 228 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Krankenversicherung und nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) beitragspflichtig. Damit hat der Gesetzgeber eine Grundlage geschaffen, dass entsprechend Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Renten aus dem Ausland hinsichtlich der Eigenschaft als beitragspflichtige Einnahme mit den deutschen Renten (Renten der Gesetzlichen Rentenversicherung) identisch behandelt werden. Die Änderungen in § 228 Absatz 1 SGB V und § 57 Absatz 1 SGB XI haben ihre Grundlage im „Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa“. Dieses Gesetz ist am 29. Juni 2011 in Kraft getreten und regelt, wie die Verordnungen der Europäischen Union (EU) – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Verordnung (EG) Nr. 987/2009 – umgesetzt werden. Bis Juni 2011 unterlagen lediglich Versorgungsbezüge aus dem Ausland der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Unerheblich ist hinsichtlich der Beitragspflicht, aus welchem Staat ein Versicherter die Rente bezieht, also ob es sich um einen Staat der Europäischen Union oder um einen anderen Staat handelt. Von der Beitragspflicht sind vorwiegend Grenzgänger betroffen. Grenzgänger sind Personen, die in Deutschland leben und in einem anderen – meist benachbarten – Staat arbeiten und dementsprechend auch dort Rentenanwartschaften erwerben. Ernst Strohmaier, stellvertretender Bundesvorsitzender 38 Rundschreiben Nr. 1 Begrenzung der Beitragshöhe Sofern eine Person Renten aus mehr als einem Staat erhält, darf der insgesamt zu leistende Beitrag nicht den Betrag überschreiten, den eine Person zahlen müsste, die denselben Betrag an Renten in dem zuständigen Staat zahlen müsste. Dies wird in Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 geregelt. Diese Regelung ist deshalb von Bedeutung, da sich in Deutschland der Rentenversicherungsträger an den Krankenversicherungsbeiträgen beteiligt. So trägt vom Gesamtbeitragssatz (derzeit 15,5 %) der Rentenversicherungsträger 7,3 % und der Rentner 8,2 %. Zu einer solchen Beteiligung kann ein ausländischer Rentenversicherungsträger nicht verpflichtet werden. Damit ist der Beitrag durch den Rentner alleine aufzubringen, weshalb hier „nur“ 8,2 Prozentpunkte berechnet werden. In der Sozialen Pflegeversicherung erfolgt keine Beteiligung des Rentenversicherungsträgers an den Beiträgen. In diesem Sozialversicherungszweig muss damit ein Versicherter 1,95 Prozentpunkte (Kinderlose: 2,2 Prozentpunkte), ab dem 1. Januar 2013 2,05 Prozentpunkte (Kinderlose: 2,3 Prozentpunkte) tragen. Beitragsrechtliche Zuordnung In Deutschland werden die Renten als gleichbleibende Monatsrenten ausgezahlt. Ausländische Renten hingegen werden nicht immer in gleichbleibenden Monatsrenten in Höhe von jeweils 1/12 der Jahresrente geleistet. Beispielsweise gibt es Staaten, die neben der monatlichen Rente noch Einmal- bzw. Sonderzahlungen vorsehen. Beispielsweise nehmen im Ausland die Rententräger teilweise die Zahlung einer 13., 14. oder 15. Monatsrente – als „Urlaubsgeld“, „Weihnachtsgeld“ oder „Ostergeld“ – vor. Ebenfalls kann es vorkommen, dass die Renten nur vierteljährlich, halbjährlich oder sogar jährlich ausgezahlt werden, insbesondere bei geringen monatlichen Auszahlungsbeträgen. Auch kann der Zahlungsrhythmus ein anderer als ein monatlicher sein, beispielsweise ein zwei- oder vierwöchiger Zahlungsrhythmus. Bezüglich der besonderen Zahlungsweisen ausländischer Renten hat der GKV-Spitzenverband – Fachkonferenz Beiträge – am 22. Februar 2012 eine Ergebnisniederschrift verfasst, damit eine korrekte Erhebung der Beiträge auch bei den besonderen Zahlungsweisen erreicht wird. April 2016 Sonder-/Einmalzahlungen neben laufenden Rentenleistungen Werden neben laufenden Rentenleistungen Sonder- bzw. Einmalzahlungen geleistet, sind diese Zahlungen ebenfalls als ausländische Rente im Sinne des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu klassifizieren, sofern vom Versicherten keine abweichenden Nachweise erbracht werden. Beitragsrechtlich müssen grundsätzlich Einmalzahlungen entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei Pflichtversicherten dem Monat zugeordnet werden, in dem entweder der Anspruch entsteht oder in dem sie geleistet werden. Das hätte allerdings zur Folge, dass der Beitrag in manchen Monaten angehoben werden müsste und keine monatlich gleichbleibende Beitragszahlung möglich wäre. Daher wurde aus Praktikabilitätsgründen und aus Sicht der Verwaltungseffizienz geregelt, dass zu erwartende Sonder-/Einmalzahlungen mit einem Zwölftel neben der monatlichen Rente berücksichtigt werden. Bei freiwillig Krankenversicherten und bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfolgt die beitragsrechtliche Zuordnung einmaliger Rentenzahlungen entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des zu erwartenden Betrags für zwölf Monate. Fällig ist der Beitrag am 15. des dem jeweiligen Beitragsmonat folgenden Monats (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV i. V. m. § 10 Abs. 1 „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“). Laufende Rente wird viertel-, halb- oder jährlich geleistet Laufende deutsche Rentenleistungen werden entsprechend § 228 Abs. 2 und § 255 Abs. 3 SGB V beitragsrechtlich dem Monat zugeordnet, für den sie bestimmt sind. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn sie für ausländische Renten für bestimmte Zeiträume nicht monatlich, sondern in größeren Abständen im Voraus oder auch im Nachhinein geleistet werden. Wird die ausländische Rente im Voraus in größeren Zeitabständen als monatlich gewährt, ist diese den jeweiligen Zeiträumen zuzuordnen, für die sie vorausgezahlt werden bzw. für die sie bestimmt werden. 39 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Wird die ausländische Rente im Nachhinein in größeren Zeitabständen als monatlich gewährt, ist diese, zumindest de facto, als Rentennachzahlung anzusehen. Beitragsrechtlich ist diese Nachzahlung mit ihrem jeweiligen Teilbetrag sowohl für Pflichtversicherte als auch freiwillig Versicherte und Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (§ 228 Abs. 2 SGB V, § 240 Abs. 2 Satz 5 SGB V) dem jeweiligen Monaten zuzuordnen, für die die Rente nachgezahlt wird. Die Beiträge würden grundsätzlich erst dann fällig, wenn die gesamte Nachzahlung geleistet worden ist. Mit Blick auf den Zweckmäßigkeitsgrundsatz (§ 9 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) wäre dies jedoch nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus kann es auch vorkommen, dass eine Auszahlung in der Mitte des Auszahlungszeitraums erfolgt und diese damit teils als Vorauszahlung, teils als Nachzahlung zu sehen wäre. Bei einer im Nachhinein zu leistenden Rente ist grundsätzlich die Rentenhöhe bereits im Vorfeld bekannt, sodass auch hier im Vorfeld der Auszahlungen die Beiträge monatlich erhoben werden. Fällig sind die Beiträge damit für Pflichtversicherte und für freiwillig Versicherte jeweils am 15. des Folgemonats. Mehrwöchiger Zahlungsrhythmus Da die Beiträge im Beitragsrecht nach dem Fälligkeitsprinzip monatlich zu erheben sind, muss eine im Wochenrhythmus zu leistende Rente entsprechend umgerechnet werden. Denn würde eine im Wochenrhythmus zu leistende Rente nach den tatsächlichen Beträgen den jeweiligen Kalendermonaten zugeordnet, würden monatlich unterschiedlich hohe beitragspflichtige Einnahmen entstehen. Rentenzahlungen mit einem mehrwöchigen Zahlungsrhythmus müssen daher in fiktive monatliche beitragspflichtige Einnahmen umgerechnet werden. Für die Umrechnung auf eine monatliche beitragspflichtige Einnahme kann § 223 Abs. 2 Satz 2 SGB V herangezogen werden. Nach dieser Rechtsvorschrift ist für die Beitragsberechnung die Woche zu sieben Tagen, der Monat zu 30 Tagen und das Jahr zu 360 Tagen anzusetzen. Der (fiktive) beitragspflichtige Monatsbetrag der Rente wird ermittelt, indem der mehrwöchig zu leistende Rentenbetrag durch die tatsächlichen Kalendertage dividiert wird, für die er geleistet wird (also beträgt bei einem zweiwöchigen Zahlungsrhythmus der Divisor 14), und der ungerundete (in Anlehnung an die Beitragsverfahrensverordnung) mit 30 multipliziert wird. (VdaW 02 / 2016) 40 Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Nordrhein-Westfalen und VIRA-Verein zur Integration von russlanddeutschen Aussiedlern e.V. Zwischen Tradition und Arbeit Der zur Tradition gewordene Neujahrsempfang der Ortsgruppen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Landesgruppe NRW) fand dieses Jahr in Neuss vom 9. bis 10. Januar 2016 statt. Gastgeber dieses Jahres war die Neusser Ortsgruppe, die den Empfang vorbereitete. Zur Tradition gehörte auch die Eröffnungsrede vom Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Staatssekretär Thorsten Klute betonte in seiner Rede die vielseitige und hervorragende ehrenamtliche Tätigkeit der Landsmannschaft und wünschte, dass diese Arbeit erfolgreich weitergeführt werden sollte. Vorsitzende und Vertreter der Vorstände aus ca. 20 Ortsgruppen nahmen an diesem Auftakt-Seminar teil. Als Ehrengäste kamen zum Empfang der Bundesvorsitzende der LmDR, Waldemar Eisenbraun, Pfarrer Edgar Born, Aussiedlerbeauftragter der EKvW, und der Bundestagsabgeordneter, Heinrich Zertik, der in seiner Begrüßungsrede über die politische Situation in Deutschland sprach. Auch Heinz Sahnen, Stadteilabgeordneter aus NeussErfttal, der sich als Initiator für die Gründung des Vereins „Freundeskreis der Deutschen aus Russland“ 1998 einsetzte, begrüßte die Gäste. Er berichtete über die erfolgreiche Arbeit des Vereins bei der Integrationsarbeit im Stadtteil Erfttal. Nach dem Bericht des Landesvorsitzenden Alexander Kühl wurden Urkunden und Auszeichnungen an die Mitglieder überreicht. Auch einzelne Ortsgruppen wurden für ihre Tätigkeit mit einer Urkunde und einem Preis ausgezeichnet. Ebenso erhielten Mitglieder der Landsmannschaft, Wladimir Karanow, Irina und Alexander Müller, Ella Kühl, Emma Brull, Alexander Morasch und Anna Glock eine Urkunde für die besonderen Verdienste für ihre geleistete Arbeit. Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Am späten Abend gab es nochmal ein gemütliches Beisammensein mit Kulturprogramm, vorbereitet von Irina Müller (Kulturreferentin des Vorstandes) und Alexander Müller. Für gute Stimmung sorgte der Chor aus Mettmann unter der Leitung von Maria und Alexej Kosin, die als Gäste ein Konzert gegeben haben. Am zweiten Tag der Veranstaltung stand der Bundesvorsitzende, Waldemar Eisenbraun, für viele Fragen zur Verfügung. Gruppenfoto mit Staatssekretär Thorsten Klute (Mitte, hintere Reihe) Valentina Fischer, Kassenwartin der Landesgruppe, berichtete zur Kassenlage und half den Ortsgruppen bei der Vorbereitung ihrer Kassenberichte. Die neue Tradition, den Neujahrsempfang in den verschiedenen Ortsgruppen durchzuführen – die sich seit dem letzten Jahr durchgesetzt hat – bekam große Zustimmung bei allen Ortsgruppen. So kann man vor Ort viel mehr von den einzelnen Ortsgruppen lernen und diese können sich und ihre Arbeit persönlich vorstellen. Da der Empfang im Bürgerhaus stattfand, sorgte die Ortsgruppe Neuss an beiden Tagen für das leibliche Wohl ihrer Gäste. Alle waren von dem Mittagsmenü des Caterers L. Maier begeistert. Teilnehmende am Neujahrsempfang in Neuss Der Neujahrsempfang der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. hat Tradition in NRW! Weitere Informationen: www.lmr-nrw.com Alexander Kühl überreicht Frau Brull eine Anerkennungsurkunde für die gute Organisation des Liederfestivals. Eröffnungsrede vom Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Thorsten Klute 41 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Orts- und Kreisgruppe Hattingen Wanderausstellung „Deutsche aus Russland“ in Hattingen gemachten Kuchen unter der Leitung von Frau L. Zernikel und Frau Schmitt unterstützt. Auch wurden selbsterstellte Bastelarbeiten angeboten, deren Erlös der Flüchtlingsarbeit mit Kindern zugutekommen soll. (Markus Ackermann) Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland hat Ende Februar, in Kooperation mit der Stadt Hattingen in der Stadtbibliothek Hattingen, die Wanderausstellung „Deutsche aus Russland“ eröffnet. Bei der Eröffnung unter der Leitung von Jakob Fischer zusammen mit der Kreisgruppe Hattingen unter der Leitung der 1. Vorsitzenden Alla Weber waren zahlreiche Gäste erschienen. Der Bürgermeister Dirk Glaser sprach ein Grußwort der Stadt Hattingen und ging dabei auch auf die derzeitige Problematik in Hattingen mit Zuwanderung und Asyl ein. Hattingen zeigt sich dabei sehr gut aufgestellt. Herr Glaser sprach auch einen Dank für das Interkulturelle Zentrum Magnet und die Landsmannschaft Hattingen aus, die sich dem Thema Asyl auch nicht verschlossen haben und gute Arbeit leisten mit speziellen Deutschangeboten und PCStunden für Asylsuchende. Herr Glaser ist von dem ehrenamtlichen Einsatz der Migrantenorganisation in Hattingen sehr beeindruckt und sieht in dieser Ausstellung auch eine gute Möglichkeit, anderen die Kultur und die Geschichte von Zugewanderten, Migrantinnen und Migranten näherzubringen. Die stellvertretende Landrätin des Ennepe-Ruhr-Kreises, Sabine Kelm-Schmidt, hat neben einem herzlichen Gruß von dem Landrat Olaf Schade auch die gute Arbeit der Landsmannschaft Hattingen und des Interkulturellen Zentrums Magnet für den Ennepe-Ruhr-Kreis hervorgehoben. In Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum des Ennepe-Ruhr-Kreises in Schwelm führt das Zentrum Magnet sehr effektive Integrationsarbeit im Bereich Asyl und Migration durch. Die Beigeordnete für den Bereich Kultur und Soziales der Stadt Hattingen, Beate Schiffer, begrüßte die Ausstellung als guten Schritt der Hattinger Bevölkerung, die Kultur von Zuwanderern näherzubringen und betont vor allem den Bildungseinsatz der Landsmannschaft Hattingen in den Bereichen Kultur und Bildung. Weitere Gäste waren die stellvertretende Bürgermeisterin Magrit Melsa, die Mitglieder des Rats der Stadt Hattingen, Frank Staarken und Markus Ackermann, sowie die Vorsitzende des Integrationsrates, Rita Nachtigall. Zur Begrüßung hat die Gesangsgruppe „Goldene Brücke“ der Kreisgruppe Hattingen einen Auftritt. Diese Gruppe ist bekannt aus landesweiten Auftritten und auch beim Hattinger Altstadtfest. Zusätzlich hat die Frauengruppe der Landsmannschaft die Veranstaltung mit Kaffee und selbst- 42 Die Vorsitzende der Landsmannschaft Hattingen, Alla Weber mit Jakob Fischer. Folkloregruppe „Goldene Brücke“ der Kreisgruppe Hattingen. Verein „Dialog+“ e.V. „Durch die Märchenwelt zur Integration und Perspektive“ Das im letzten Jahr vom Verein „Dialog+“ e. V. gestartete Projekt „Durch die Märchenwelt zur Integration und Perspektive“ wurde mit der Premiere der Märcheninszenierung „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ kürzlich erfolgreich abgeschlossen. An dem von Aktion Mensch e. V. geförderten Projekt nahmen Kinder und Jugendliche von 2 bis 25 Jahre aus den verschiedenen Kulturkreisen mit und ohne Behinderung teil. In dieser Zeit haben wir mit 35 Kindern die Aufführung des Bühnenstücks erarbeitet. 16 Personen waren an der Premierenaufführung beteiligt. Da die Kinder bzw. ihre Eltern aus sieben verschiedenen Ländern stammen, unterschiedlichen Religionen und Kulturkreisen angehören, zudem auch aus sozial schwachen Familien kommen, war es für uns sehr wichtig, Gemeinsamkeiten zu finden und ein Gefühl des Vertrauens aufzubauen. Das haben wir durch die Geschichte von Schnee- Rundschreiben Nr. 1 wittchen, den Zwergen (für Hilfsbereitschaft), der Königin (für Neid, Egoismus) und der Jäger (für Mitgefühl) in spielerischer Form verarbeitet und ein positives pädagogisches Ergebnis erreicht. Als besonders gelungen sehen wir die Eingliederung von einem 5-jährigen Jungen in unser Team an, der im August 2015 mit seinen Eltern nach Deutschland kam und die ersten deutschen Worte bei uns lernte. Die Aufführung des schönen Kinderspiels, begleitet von Musik, Gesang und Bildern, fand im Gerhart-HauptmannHaus vor vollem Saal statt. Alle Kinder sowie Regisseurin Evgenia Tarutin und die Musikgestalterin und Regieassistentin Julia Fendrikova bekamen eine Auszeichnung vom Verein „Dialog+“ e. V. Am 18.6.2016 planen wir die Durchführung des Kulturfestivals „Heimatklang“ und am 19.11.2016 das Kulturfestival „Freundschaft“. Wir bitten alle interessierten Vereine und Privatpersonen, sich unter den Telefonnummern 0211/74 96 132 (Lydia Bitsch) oder 0211/17 99 683 (Lydia Münch) anzumelden. Weitere Einzelheiten erfahren Sie bei der Anmeldung. April 2016 Zu den Beratungen in allen Fragen vereinbaren Sie bitte einen Termin! Vorstand des Vereins „Dialog+“ e.V. Lydia Bitsch, 1. Vorsitzende Tel. 0211/74 96 132, [email protected] Kreisgruppe Unna der Landsmannschaft Zu Weihnachten nehme ich den Zauberstab, und fliege! Und singe! Und glaube! Und schaffe das Wunder! Was für eine schöne Stimmung ist es jedes Jahr bei uns zu Weihnachten! Alle Kinder sind gespannt auf die Weihnachtsgeschenke! Jeder springt in glücklichen Gedanken und denkt an Zeiten, in denen man mit Spannung und großen Kinderaugen Weihnachten erlebt hat. Genauso war es auch dieses Jahr bei uns im Bürgerhaus Kamen-Methler, Kreis Unna! Zu unserer Weihnachtsfeier hatten wir einen besonderen Märchengast – eine Märchenfee (Anna Kusmin), die den ganzen Saal und alle Kinder sofort verzaubert hat! Die Kinder waren schnell in Schauspieler verwandelt und in einem Märchenland gelandet! Alle hatten viel Spaß daran! Es wurde gespielt, getanzt, gesungen, gerätselt und alle waren mit großer Freude dabei! Aber später haben die Kinder gemerkt, dass der Weihnachtsmann fehlte und fingen an zu rufen! Als er kam, war die Stimmung im Saal noch besser geworden, mit viel Jubel und Getöse! Dem Weihnachtsmann (Rimma Lohrel) wurden viele Gedichte erzählt und dazu viele Lieder gesungen! Jedes Kind wurde mit wunderbaren Geschenken beschert! Bei Kaffee und Kuchen wurden rege Gespräche geführt und Lieder gesungen! Es war ein Fest der Liebe! Ich möchte einen besonderen Dank an alle richten, die Kuchen gespendet haben und beim Fest mitgeholfen haben! Möge das neue Jahr uns alle Wünsche erfüllen und freuen Sie sich auf ein vielversprechendes neues Jahr 2016! Die 7 Zwerge mit Schneewittchen Der Märchenprinz auf dem Weg zur Prinzessin (Vorsitzende Irina Bestvater) (v.l.n.r.) Irina Bestvater (Vorsitzende), Anna Kusmin (Märchenfee), Lili Schnar, Weihnachtsmann (Rimma Lohrel), Olga Andreew, Valentina Friz, Olga Rommel, Elli Meisler, Erna Gottfried 43 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen VIRA-Verein zur Integration von russlanddeutschen Aussiedlern e.V. Sonderausstellung mit Werken von Theodor Herzen, einem der berühmtesten deutschen Künstler Kirgisistans Eröffnet seit 14. Februar 2016 Tanzfestival und Tanzwettbewerb „Neue Welle” in Duisburg, 14. – 15. Mai 2016 Die VIRA e.V. – in Zusammenarbeit mit der Tanzschule Let’s Dance aus Altenkirchen – und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. laden alle interessierten Tanzschulen, Tanzgruppen oder auch Privatpersonen zur Teilnahme am Tanzfestival 2016 ein. Alle Tanzrichtungen von Hip-Hop bis zu klassischem Ballett werden zwei Tage lang auf der Bühne zu sehen sein: Information: Telefon 02137/93 35 33, 02681/98 23 46 Anmeldungen: Fax 02681/80 34 74 [email protected] [email protected] Alexander Kühl, Diplom-Pädagoge (ru) Telefon 0211/17 11 114 Lortzingstr. 14 41470 Neuss [email protected] www.vira-ev.de Das Schaffen von Theodor Herzen wird als vielseitig, ganzheitlich, akademisch und lyrisch dargestellt. Das ist das Schaffen eines überzeugten Realisten, der die Menschen und die Natur liebt, der seine großen Vorgänger verehrt und bestrebt ist, trotz avantgardistischer Prioritäten in der modernen Kunst traditionell weiterzuarbeiten. Seine Arbeiten und sein persönliches Leben senden Botschaften der Verständigung, des Miteinanders, der gegenseitigen Achtung und des Friedens unter den Menschen aus. Sein Leben und Schaffen sind ganz besonders mit Kirgisistan verbunden. Seine Liebe zur Kunst und zur Arbeit sowie seine Zielstrebigkeit führten ihn in die erste Reihe der modernen kirgisischen Künstler. Seine Werke sind in vielen Museen und Privatsammlungen in Kirgisistan und im Ausland zu finden. Deutsch-russischer Jugendschreibwettbewerb – ein gelungener Brückenschlag Sieger des ökumenischen Schreibwettbewerbs sind Pavel Kreismann, Alexander Kessler, Sofia Novitzkaja und Angelika Wagner. Mit einem Sonderpreis wurden die ganze Familie Warkentin (Kinder Ansgar, Coralie, Jost, David und Mutter Julia-Maria) sowie Elena Dumrauf ausgezeichnet. Veranstalter, Jury und Sieger des Schreibwettbewerbs. Foto: Eduard Kessler 44 Rundschreiben Nr. 1 Wie aus einem Bilderbuch zeigte sich Detmold am 6. Dezember 2015: festlich, passend zu der Vorweihnachtszeit dekoriert und für einen Spaziergang oder Festeinkauf anlockend, unter strahlender Sonne und dem blauen Himmel, trocken und freundlich. Es gab einen ganz besonderen Grund, weshalb so viele Menschen besonders gekleidet zum Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold (MRK) aus allen Himmelsrichtungen strömten. Dort wurde eine ökumenische Adventsfeier und auch eine Preisverleihung im internationalen Schreibwettbewerb „Unsere Weihnachten“ veranstaltet, die von der Seelsorgestelle der Deutschen Bischofskonferenz für die Gläubigen aus den GU-Staaten, der Aussiedlerseelsorge der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie dem MRK organisiert wurde. Visitator Monsignore Dr. Alexander Hoffmann berichtete, wie er im Sommer des letzten Jahres mit Agnes Gossen-Giesbrecht über eine Idee eines internationalen literarischen Schreibwettbewerbs sprach. Die Idee fruchtete. Über 50 Arbeiten wurden den literarischen Juroren zugesandt und der Schreibwettbewerb hatte einen riesigen Erfolg. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt Frau Agnes Gossen-Giesbrecht zu verdanken, die sich bis zuletzt für das Gelingen des Projekts einsetzte. April 2016 Kirche von Westfalen sowie die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und nicht zuletzt der Literaturkreis der Deutschen aus Russland die besten Arbeiten in deutscher Sprache aus. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit für deutschsprachige Autoren zu schaffen. Die drei Juroren vom Literaturkreis, Artur Böpple (Vorsitzender), Agnes Gossen-Giesbrecht und Dr. Wendelin Mangold sowie Msgr. Dr. Alexander Hoffmann, Pfarrer Edgar Born und Walter Gauks, prüften alle eingereichten Arbeiten und stellten in der Feier die Sieger des Jugendschreibwettbewerbs vor; zuvor lasen diese aus ihren Arbeiten. „Das wichtigste Fest meiner Volksgruppe“ stellte der erste Preisträger Pavel Kreismann dar. Der 17-Jährige absolvierte in diesem Jahr die 11. Klasse der Mittelschule und studiert seitdem an der Philologischen Fakultät der Universität Tomsk (Sibirien) Deutsch und Englisch. „Weihnachten – ein Wort und so viele Erinnerungen! Erinnerungen an eine kalte Jahreszeit, die dennoch wohlig und schön ist“, erzählt er. Er vertiefte dann seinen kurz gefassten Gedanken Das Bläserensemble unter der Leitung von Jakob Penner stimmte die Anwesenden zum Adventskonzert und auf die Veranstaltung ein. Ebenso lud der Kinderchor der evangelischen Freikirche Detmold-Hohenlohe in den festlich dekorierten Saal ein und stimmte mit dem Lied „Komm, wir gehen nach Bethlehem“ zum gemeinsamen Singen ein. Moderator Helmut Rempel begrüßte Kinder und Erwachsene, Festgäste und Veranstalter, Juroren und Teilnehmer des Wettbewerbs und lud den Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Pfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen Edgar Born, Mitglied des Bundestages Heinrich Zertik, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Detmold ChristDore Richter, Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Waldemar Eisenbraun, Leiterin des Museums Dr. Katharina Neufeld und Bundesvorsitzenden der Jugend der Landsmannschaft Walter Gauks zu einer Talkrunde „Advent persönlich“ ein. In einer sehr interessanten Runde haben die Anwesenden erfahren, wie die Advents- und Weihnachtszeit früher gewesen war und was in den Familien zu jener Zeit gemacht und gegessen wurde. Im Zusammenhang mit dem internationalen Jugendschreibwettbewerb zum Thema „Unsere Weihnachten. Erinnerungen und Gedanken an ein christliches Fest“ fand dann die Vorstellung der Arbeiten der Gewinner und des noch nach frischen Farben riechenden, 52 Seiten starken Almanachs statt. Mit den Preisen zeichneten die Seelsorgstelle der Deutschen Bischofskonferenz für die Gläubigen aus der GUS, die Aussiedlerseelsorge der Evangelischen Kinderchor der evangelischen Freikirche. Foto: Eduard Kessler Talkrunde „Advent persönlich“: (v.l.) Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Pfr. Edgar Born vom Institut für Kirche und Gesellschaft der EKvW, Bundestagsmitglied Heinrich Zertik und die stellvertretende Bürgermeisterin Christ-Dore Richter. Foto: Andreas Gossen 45 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen an das christliche Fest über die Erzählungen seiner Großmutter, die Kultur und Traditionen des russlanddeutschen Volkes, über seinen Aufenthalt in einem deutschen Kindergarten und einem Progymnasium sowie seine wohltätigen Taten in einem Kinderheim und an Heiligabend in der Familie. Abschließend meinte Pavel Kreismann: „Unsere Familie feiert jedes Jahr die Geburt Christi, doch meine Kindheitserinnerungen an das Frohe Fest bleiben sicherlich die schönsten und magischsten – sie sind einfach unvergesslich.“ Dr. Wendelin Mangold stellte das Werk „Meine Weihnachten in Russland“ dar, das er aus dem Russischen übersetzte und die Juroren mit dem zweiten Platz dotierten. Die Autorin, die 17-jährige Sofia Novitzkaja, kam in Saratov zur Welt, und schon mit vier Jahren beschloss sie, Ballerina zu werden. Mit 12 Jahren betrat sie zum ersten Mal die Bühne, besuchte die Musikschule und nahm am Klavierunterricht teil. In diesem Jahr machte sie ihr Abitur und wird in einem Jahr das Kolleg als ausgebildete Ballerina abschließen. In ihrem Werk berichtet sie über das Weihnachtsfest der katholischen Christen in Russland, wo es leider kein gesetzlicher Feiertag ist, „was nicht heißt, dass Weihnachten weniger bedeutungsvoll wäre“. Alexander Kessler, der 22-jährige Student der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg, bedankte sich bei allen Organisatoren, Juroren und Mitveranstaltern für die guten Rahmenbedingungen des Festes. Der gebürtige Gmünder absolvierte in seiner Heimat das Gymnasium und studiert derzeit im siebten Semester. Seine Geschichte „Der Farbenblinde“ erzählt über den steinigen Weg eines Jungen, der in der Weihnachtszeit über das Fest, die Geschenke, das Verhalten und Taten nachdenkt. Im Anschluss an die Vorlesungen wurden die Sieger des internationalen Jugendschreibwettbewerbs ausgezeichnet. Den ersten Platz belegte Pavel Kreismann. Die zweite Treppe des Podestes teilten sich Alexander Kessler und Sofia Novitzkaja. Mit dem dritten Platz wurde die Geschichte „Zufälliger Zeuge“ der 16-jährigen Angelika Wagner ausgezeichnet. Die Juroren zeichneten auch zwei Sonderpreise aus, die die ganze Familie Warkentin („Weihnachten früher und jetzt“) sowie Elena Dumrauf („Verlorene Weihnachten“) gewonnen hatten. Mit diesem Jugendschreibwettbewerb ist realisiert, was schon lange ein Anliegen vieler Institutionen und Organisationen ist: Die Kultur der Deutschen aus Russland zum Vorschein zu bringen, das „Dort“ und „Hier“ zu präsentieren, vor allem „unsere“ Sprache gezielt zu fördern und das kulturelle Leben damit aktiv mitzugestalten. Die Idee wurde ordentlich umgesetzt und das Fest zur Preisübergabe und die musikalische Umrahmung war ein voller Erfolg. Ein besonderes Lob haben sich das Bläserensemble unter der Leitung von Jakob Penner und der Kinderchor der Evangelischen Freikirche Detmold-Hohenlohe, der Oberstufenchor des August-Hermann-Franke-Gymnasiums sowie der Chor Liederstrauß aus Dortmund verdient. Weitere Informationen zum Museum und zum Leben der Russlanddeutschen unter www.russlanddeutsche.de Weitere Informationen: Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Dr. Katharina Neufeld, Museumsleitung Heinrich Wiens M.A., Öffentlichkeitsarbeit Georgstraße 24, 32756 Detmold Telefon 05231/92 16 17, Mobil 0160/53 93 233 [email protected] www.russlanddeutsche.de (Pressemitteilung des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte vom April 2015 von Heinrich Wiens) Oberstufenchor des AHF-Gymnasiums. Foto: Andreas Gossen 46 Weihbischof Dr. Reinhard Hauke bei der Preisverleihung. Foto: Eduard Kessler Rundschreiben Nr. 1 Literaturkreis der Deutschen aus Russland e.V. April 2016 Das Buch kann entweder direkt über den Verein, den Anthea-Verlag, über alle bekannten Online-Shops oder über den regulären Buchhandel bezogen werden. Die erste Buchvorstellung findet auf der Leipziger Buchmesse statt – am 20. März 2016, 14:30 Uhr, Halle 4, Stand E 101, mit Artur Rosenstern. „Das (hoch-)gelobte Land“ Literaturblätter der Deutschen aus Russland, 2015/16 Hrsg. von Artur Böpple, Broschur, 14 x 21 cm, ca. 320 Seiten, 14,90 Euro Mit Abbildungen von Nikolaus Rode ISBN 978-3-943583-49-6, März 2016. Weitere Informationen: Literaturkreis der Deutschen aus Russland e.V. c/o Artur Böpple (Vorsitzender) Stadtholzstr. 172, 32049 Herford [email protected] www.literaturkreis-autoren-aus-russland.de/ Der neue Literaturalmanach 2015/16 der Deutschen aus Russland erschienen Im Jahr 2015 feierte der Literaturkreis der Deutschen aus Russland sein 20-jähriges Jubiläum. Das primäre Ziel des Literaturkreises war es stets, die Literatur der Deutschen aus Russland in den deutschen Literaturbetrieb zu integrieren. Der neue Sammelband der Literaturblätter der Deutschen aus Russland mit dem Titel „Das (hoch-)gelobte Land“ greift viele relevante Literaturgattungen auf, denn der Literaturkreis möchte auch fortan den literarischen Dialog zwischen Autoren verschiedener Herkunft und unterschiedlichen Alters fördern. Themen wie Fremdsein, Sich-Fremdfühlen bzw. Heimatverlust sind in der Zeit der „totalen“ Globalisierung aktueller denn je, jeder neue Blickwinkel ist ein Gewinn. Es ist also eine bunte Mischung aus Texten, die teilweise von prominenten Autoren stammen. Neben bereits vielen Lesern bekannten Namen wie Eleonora Hummel, Andreas Peters, Elena Seifert, Agnes Gossen oder auch Artur Rosenstern findet der aufmerksame Leser in diesem Band einige hochinteressante Neuentdeckungen. Es ist jedoch nach wie vor außerordentlich wichtig, die Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, denn bis in die Achtzigerjahre hinein existierte in der Sowjetunion weder eine russisch- noch eine deutschsprachige Publikationsplattform, die zensurfrei über alle Gräuel des Krieges, den Verlust der autonomen Wolga-Republik und die Verbannung der Sowjetdeutschen nach Kasachstan und Sibirien hätte aufschlussreich informieren dürfen. Über viele folgenschwere Schicksale wurde leider noch nicht berichtet, zahlreiche Aufzeichnungen von Zeitzeugen liegen noch in den Schubladen und drohen verloren zu gehen. Hafen der Hoffnung e.V. Verein zur Förderung der Aussiedler im Kreis Kleve Hafen der Hoffnung e.V. hat gewählt und stellt seinen neuen Vorstand vor (v.l.) Brigitte Angenendt ist Beisitzerin. Sie organisiert u.a. Fahrten in diesem Jahr: am 25. Juni nach Köln und am 17. April nach Weeze zur Besichtigung des Museums Laarbruch mit anschließendem Kaffeetrinken im Bauerncafé Winthuis. Tatjana Martens ist stellvertretende Vorsitzende und koordiniert die gesamten Vereinsveranstaltungen, wie z. B. Ostereierbemalen, Frauenfrühstück etc. Martina Gellert ist Beisitzerin. Sie ist Schriftführerin und im Team für die Flüchtlingsarbeit zuständig. Sneshanna Schwarz ist Geschäftsführerin und koordiniert u. a. die Beratungen, Tanzabende und den Schriftverkehr. Julia Weber ist 1. Vorsitzende. Sie koordiniert die gesamte Vereinsarbeit. Kira Safonova ist Jugendvertreterin, die die Kinderfeste koordiniert. Svetlana Brak ist Beisitzerin und arbeitet bei der Vorbereitung der Kinderfeste mit. Maja Keller ist Kassiererin und erledigt die gesamten Abrechnungen. Weitere Informationen: www.hafen-der-hoffnung.de 47 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Flüchtlinge haben zum Essen eingeladen – mehr als 50 Gäste sind gekommen! Gemeinsames Kochen mit Geflüchteten Mehr als 50 Gäste saßen an den Tischen in der Küche der Landfrauen im Haus Riswick. Hähnchen-Döner und Kartoffeln mit Hähnchen, die von Flüchtlingen zubereitet wurden, schmeckten den Besuchern des Riswicker Bauernmarkts und den Flüchtlingen vorzüglich! Es entstanden Gespräche und es wurden neue Kontakte geknüpft. Sicher lag es an der Kochkunst, aber auch an dem Biofleisch. Das Geflügel haben Elke und Ludger Grunden gespendet! So ein Essen zuzubereiten und dazu einzuladen war möglich durch den Kontakt zu den Landfrauen, den Katharina Michels hergestellt hat. Das Riswicker Bauerncafé hatte zum Kaffetrinken ins Haus Riswick eingeladen. Und jetzt konnte in der Landfrauenküche dieses leckere Mittagessen zubereitet werden. (v.l.) Monika Vermeulen, Katharina Michels, Nino Mekantsishvili und Kuli Hesso bereiten Kartoffeln mit Hähnchen zu. Dem Team des Sprechtrainings, das vom Hafen der Hoffnung e.V. seit einem Jahr im Jugendheim Theo in Materborn mit den Flüchtlingen das Deutschsprechen übt, ist vor allem wichtig, ihr lebensorientiertes Sprechtraining mit Praktischem zu verbinden. Im Thema „Rezept“ haben Flüchtlinge viele unbekannte Wörter gelernt und über das Essen in ihrem Land erzählt. Schwierig war es, als Julia Weber versuchte, die Rezepte von zwei arabischen Gerichten zu Papier zu bringen, aber wo ein Wille, da ist vieles möglich. Durch solche Aktionen möchte das Team erreichen, dass fremde Menschen mehr voneinander erfahren, und zwar, dass die Flüchtlinge den ersten Schritt machen, denn das Agieren ist immer besser als Abwarten, bis jemand kommt und hilft. (v.l.) Wael und Mohammad aus Syrien bereiten Hähnchen-Döner zu. Die Aktionen der Gruppe finden in unterschiedlichen Einrichtungen statt, wie z. B. das Treffen mit dem Nikolaus im SOS-Kinderdorf oder jetzt das Kochen auf Haus Riswick. Die Kooperationsveranstaltung des Hafens der Hoffnung mit der LVR „Menschen – wie Du und Ich“ war ein weiterer Schritt, an dem die Flüchtlinge teilgenommen haben. Sie haben an der Fahrt zum Landtag nach Düsseldorf und zum Europäischen Parlament nach Brüssel teilgenommen. Die Beratungszeiten werden im Hafen der Hoffnung sehr gerne auch von Flüchtlingen in Anspruch genommen, wobei eins der Ziele ist, sie an andere geeignete Beratungsstellen zu vermitteln und zu begleiten. (2.v.l.) Julia Weber, Vorsitzende Hafen der Hoffnung e.V. und Integrationsrätin, mit Studenten der Hochschule Rhein-Waal (v.l.) Ferdinand Niemann, Laura Otten und Otia Romanus Ewah aus Kamerun. 48 Das Team begrüßt weitere Angebote zur Kooperation und freut sich über die Spenden, die unabdingbar sind, um die Flüchtlingsarbeit zu intensivieren. Rundschreiben Nr. 1 Weitere Informationen: Hafen der Hoffnung e.V. Julia Weber, Sneshanna Schwarz, Geschäftsführerin Feldmannstege 2, 47533 Kleve Telefon und Telefax 0 28 21/58 20 02 (AB) Mobil 0177/52 101 38 [email protected] www.hafen-der-hoffnung.de Neuwahlen bei der Jugendorganisation der Landsmannschaft Bei der Bundesdelegiertenversammlung der Jugendorganisation der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die im Dezember im bayerischen Schweinfurt stattfand, wurde Walter Gauks als Bundesvorsitzender wiedergewählt. Die Wahlen schlossen an eine Multiplikatorenschulung an, die am selben Tag von der Jugend-LmDR in Schweinfurt durchgeführt wurde. Die Maßnahme wurde in Kooperation mit der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft im Rahmen des Integrationsprojekts „Potenzial der jungen Migranten fördern“ organisiert. Zu Beginn der Schulung erörterte Walter Gauks die wichtigsten Aspekte der Jugendarbeit der Landsmannschaft. Dazu gehören die außerschulische Bildungsarbeit, die Durchführung internationaler Begegnungen, die interkulturelle und grenzübergreifende Jugendarbeit, ehrenamtliches Engagement und die Entwicklung von Netzwerken. Anschließend stellte er den Jahresbericht der Jugendorganisation vor. Auf dem Programm standen auch Tatjana Brodjuk mit einem Vortrag über russlanddeutsche Jugendliche in Kasachstan sowie Lena Arent, die über die Arbeit der Jugendredaktion im Jahr 2015 berichtete. Die junge Pop-Sängerin Jenifer Brening rundete die Veranstaltung mit ihrem Song „ASAP“ ab. April 2016 In der konstituierenden Sitzung, die am 19. Dezember stattfand, wurden Helena Goldt und Philipp Kirchner zu stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Zudem wurden die folgenden Arbeitsgruppen gebildet: Arbeitsgruppe „Verbandsinterne Pressearbeit“ („Volk auf dem Weg“) mit der Referentin Lena Arent; Arbeitsgruppe „Verbandsexterne Pressearbeit“ mit dem Referenten Philipp Kirchner; Arbeitsgruppe „Projektbeantragung“ mit den Referenten Katharina Martin und unterstützend Philipp Kirchner; Arbeitsgruppe „Internationaler Studentenaustausch“ mit dem Referenten Dietmar Schulmeister; Arbeitsgruppe „Kulturarbeit“ mit der Referentin Helena Kolb. Nach den Wahlen bedankte sich Walter Gauks bei allen Anwesenden für das Vertrauen und äußerte den Wunsch, die Jugendorganisation der Landsmannschaft zu einem stärkeren und einflussreicheren Jugendverband zu machen. Für die nächsten drei Jahre legte Walter Gauks folgende Schwerpunkte der Entwicklung der Jugendarbeit bei der Landsmannschaft fest: Ausbau der Jugendredaktion; Professionalisierung der Jugendarbeit; Erweiterung der Vernetzung mit den Jugendvereinen vor Ort; grenzüberschreitender Studenten- und Kulturaustausch; Beitrag zur Schaffung eines positiven Images junger Deutscher aus Russland in der Öffentlichkeit; Vertiefung der Kommunikation mit Vertretern des politi- schen Lebens in Deutschland; aktives Werben neuer Mitglieder für den Jugendverband der Landsmannschaft durch die Kooperation mit Jugend verbänden in Deutschland und im Ausland. (Die Redaktion der Jugend-LmDR) Nach einem Grußwort des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Waldemar Eisenbraun, wurde das Präsidium der Wahlversammlung gewählt und der bisherige Bundesvorstand der Jugend-LmDR entlastet. Als Bundesvorsitzender wurde Walter Gauks, der inzwischen auch dem Bundesvorstand der Landsmannschaft angehört, wiedergewählt. Dem neuen Vorstand der Jugend-LmDR gehören an: Helena Kolb, Lena Arent, Philipp Kirchner, Dietmar Schulmeister, Katharina MartinVirolainen, Alexander Korneev und Ivan Lemisev. Teilnehmende an der Bundesdelegiertenversammlung der Jugendorganisation der LmDR. 49 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Jugend- Studentenring der Deutschen aus Russland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. Bildungs-, Sport- und Kulturverein Kolorit e.V., Heinsberg Kalender über die Grenzen Ende 2015 hat der Jugendring der Russlanddeutschen (Moskau, Russland: www.jdr.ru) eine Netzaktion zu Weihnachten initiiert. Die Jugendlichen aus Clubs und Organisationen der Russlanddeutschen aus verschiedenen Gegenden von Russland mussten gemeinsam einen Adventskalender basteln. Der Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland e.V. hat an der Aktion auch gern teilgenommen, der JSDR als Gesamtverein und eine Gruppierung – JSDR Heinsberg (BSK Kolorit e.V.). Beim Kolorit e.V. haben die Kinder von der Malen-AG (Leiterin Marina Fritz) aus ihren Bildern einen Buchstaben „A“ für einen Weihnachtsgruß zusammengestellt und die Teilnehmer der Bastel-AG (Leiterin Ulrike Massow) einen Umschlag mit einem kleinen Geschenk gebastelt. Die Umschläge von Kolorit e.V. und JSDR e.V. wurden an die Vorsitzende des JdR, Margarita Bauer, im Dezember in Düsseldorf beim JSDR-Forum übergeben. Diese Aktion war für uns eine interessante Erfahrung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit unserem Partner aus Russland. Solche gemeinsamen Aktionen stärken die Bande der internationalen Partnerschaft. Wir hoffen, dieses Projekt im neuen Jahr beispielhaft mit ebenso viel Engagement auf größere gemeinsame Projekte übertragen zu können. Wir freuen uns schon über weitere Netzaktionen von JdR. Fleißige Bastlerinnen Der gemeinsam gebastelte Adventskalender Verein Kolorit e.V. aus Kreis Heinsberg bei der Interkulturellen Woche 2015 Im Jahr 2014 wurde im Kreis Heinsberg der Bildungs-, Sport- und Kulturverein Kolorit e.V. gegründet, der als Schwerpunkt Arbeit mit und für Spätaussiedler und anderen russischsprachigen Familien hat. Obwohl der Verein erst vor Kurzem gegründet wurde, finden seine Freizeitund Gruppenaktivitäten bereits regen Zuspruch. (Elsa Böttcher) Viel Wert legt der Verein auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Integrationsbereich. Noch im Jahr 2014 haben die Mitglieder des Vereins an einer Schulung für Integrationslotsen von der Integrationsagentur im Kreis Heinsberg (Träger ist das Diakonische Werk im Kirchenkreis Jülich) teilgenommen. Der Verein Kolorit ist ein Mitglied beim Netzwerk der Migrantenselbstorganisationen auf Kreisebene. Teilnehmerinnen an der Netzaktion zu Weihnachten 50 Unter dem Motto „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt“ ist Ende September bis Anfang Oktober 2015 die Interkulturelle Woche bundesweit durchgeführt worden. Der Verein Kolorit e.V. hat aktiv an den Veranstaltungen im Rahmen dieser Woche im Kreis Heinsberg teilgenommen. Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Ende September wurde in der Aula des Gymnasiums in Hückelhoven der Abend der Kulturen durchgeführt. Der Verein stellte sich an dem Abend vor mit einer Präsentation zum Thema „Geschichte der Deutschen aus Russland“, einer Tanzkomposition zum Werk „Frühlingswalzer“ von F. Chopin der Theatergruppe unter der Leitung Maria Fritz, einem Infostand und einer Ausstellung mit Werken von Kindern aus der Brandmalerei-AG (Leiterin Ella Gilz). Im Oktober organisierte Kolorit in Zusammenarbeit mit der Jugendmusikschule Heinsberg eine Kulturveranstaltung „Klang der Seele“, ein russisch-deutsches Treffen mit Literatur, Kunst und Musik, Gesang, einer Lesung (Elena Hahnen) und Kunstausstellung. Mehr darüber im Artikel der Heinsberger Zeitung: www.aachener-zeitung. de/lokales/heinsberg/eine-russisch-deutschebegegnung-mit-kunst-und-musik-1.1195735 Im Juni 2015 hat auf Einladung von Kolorit e.V. eine tamilische Tanzgruppe vom Verein „First Audio Germany e.V.“ aus Geilenkirchen am Sommerfest teilgenommen. Die Auftritte der tamilischen Mädchen waren eine Bereicherung für das vielfältige Programm des Sommerfests und fanden großen Zuspruch bei den Besuchern. Gerne hat der Verein Kolorit eine Gegeneinladung zum Kulturfest „Ponmallai Poluthu“ des tamilischen Vereins im Rahmen der Interkulturellen Woche angenommen, die im Oktober in der Bürgerhalle Gangelt-Hastenrath stattfand. Bei der Veranstaltung präsentierten die Kindertanzgruppen von Kolorit e.V. „Kalinka“ und „Löffeltanz“. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer begeisterten auch die tamilischen Zuschauer und ernteten großes Lob. Kulturveranstaltung „Klang der Seele“, eine russisch-deutsche Begegnung mit Kunst, Literatur und Musik, zu dem die Jugendmusikschule Heinsberg und der Bildungs-, Sport-, und Kulturverein Kolorit e.V. zum Abschluss der Interkulturellen Woche ins Rondell im Heinsberger Klevchen eingeladen hatten. Die Kindertanzgruppen von Kolorit e.V. mit Gastgebern vom „First Audio Germany e.V.“ bei dem Kulturfest „Ponmallai Poluthu“ in Gangelt. Jetzt bereitet sich der Verein Kolorit e.V. darauf vor, auch so erfolgreich bei der Durchführung der Interkulturellen Woche 2016 teilzunehmen. Kontakt: Bildungs-, Sport- und Kulturverein Kolorit e.V. Vorsitzender Dimitri Singer Telefon 0176/70 63 13 56 [email protected] www.bsk-kolorit.de facebook.com/kolorit.heinsberg Weitere Information: Jugend-Studentenring der Deutschen aus Russland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. Vorsitzender: Siegfried Dinges Mobil 0157/35 33 20 69 [email protected] [email protected] www.jsdr.de www.jsdr-nrw.de Die Organisatoren der Veranstaltung „Klang der Seele“ (v.l.) Helena Hahn und Theo Krings (beide von der Jugendmusikschule Heinsberg e.V.), Diana Heinen-Sturm (Verein Kolorit e.V.), Olga Kreimer (Musikschule Geilenkirchen e.V.). 51 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Djo-Deutsche Jugend in Europa – Landesverband NRW e.V. Willkommen in Himmighausen! Seit Anfang Dezember 2015 haben junge unbegleitete Geflüchtete eine vorübergehende Bleibe in der djoBildungsstätte Himmighausen gefunden. Die Teenager, alles männliche minderjährige Geflüchtete zwischen 14 und 17 Jahren, kommen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Indien und Mali. Die Anzahl schwankt zwischen neun und 17 Bewohnern. Alle jungen Geflüchteten kamen nahezu ohne jegliche Habe in Himmighausen an. Das wenige, was sie besitzen, fand in den Schränken bequem Platz. Doch dank vieler Spenden konnten die Jugendlichen mit dem Wichtigsten ausreichend versorgt werden. „Wegen freier Kapazitäten in den Wintermonaten war es uns möglich, schnell zu helfen. Wir sind froh, dass wir hier mit unserem Haus und dem überaus engagierten Personal den jungen Menschen einen würdigen Start in einer neuen Heimat geben können“, erklärt Christian Gradt, Landesvorsitzender NRW der djo-Deutsche Jugend in Europa. Die Jugendlichen haben in Himmighausen einen festen Tagesablauf, der das Eingewöhnen in die neue Situation erleichtern soll: Um 9:00 Uhr wird gefrühstückt. Von 10:00 bis 12:30 Uhr haben alle Deutschunterricht, um 13:00 Uhr folgt das Mittagessen. Nachmittags findet ein Angebot „draußen“ statt. Mal geht es auf den Fußballplatz oder zum Wandern. Ein anderes Mal steht ein Moscheebesuch an oder es geht zum Shoppen in die Stadt. Um 19:00 Uhr gibt es Abendbrot und im Anschluss noch etwas Unterhaltung bei Kino, Kickerturnier, Bingo-Abend etc. Um 22:00 Uhr ist dann offiziell Zapfenstreich. Die Pädagogen von WolkenKratzer (www.wolken-kratzer.net) unterstützen die Jugendlichen und sind rund um die Uhr vor Ort. Tagsüber betreuen drei bis vier Mitarbeiter von WolkenKratzer die Geflüchteten und ein Mitarbeiter ist in der Nacht da. 52 Die djo-Bildungsstätte Himmighausen ist mitten in Ostwestfalen-Lippe. Die Betreuung und die Arbeit mit den Jugendlichen läuft sehr gut, kann Angelo Lombardo, Heimleiter der Bildungsstätte, berichten. „Alle sind sehr höflich und ordentlich. Sie essen ohne Probleme, was aus der Küche kommt, und auch der Deutschkurs wird mit großem Interesse angenommen. Es tut gut zu sehen, wie eifrig gelernt wird und dass einige von ihnen erhebliche Fortschritte machen. Sogar Hausaufgaben machen sie gerne, viele fragen nach extra Vokabeln und Aufgaben.“ (Dr. Christian Kahl) Rundschreiben Nr. 1 „B‘shayno. Willkommen.“ – Ein Projektstart! “B‘shayno. Willkommen.“, so heißt das Anfang Dezember 2015 gestartete dreijährige Projekt, das einen Beitrag zur Willkommenskultur in Deutschland leisten möchte! Das „Willkommen“ richtet sich an Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung, die die gesellschaftliche Inklusion gemeinsam gestalten möchten. Der Fokus Die djo-Deutsche Jugend in Europa, Landesverband NRW e.V., konzentriert sich im Rahmen des Projekts gemeinsam mit dem Assyrischen Jugendverband Mitteleuropa e.V. (AJM) auf die Vermittlung und Begleitung von Peer-to-Peer-Patenschaften. Die Patenschaften setzen sich zusammen aus Jugendlichen mit eigenem Migrationshintergrund und jungen Geflüchteten. Jugendliche und junge Erwachsene mit eigenem Migrationshintergrund fungieren in diesem Zusammenhang als Paten oder Patinnen für junge Geflüchtete, besonders aus dem Irak und Syrien. Dabei nehmen die jugendlichen Paten oder Patinnen die Funktion als Integrationslotsen oder Integrationslotsinnen ein. April 2016 Die Zielgruppen Die ehrenamtlichen Paten oder Patinnen aus den Ortsgruppen des AJM und die jungen Geflüchteten sprechen oft die gleiche Sprache, sind gleichaltrig, haben ähnliche kulturelle Hintergründe und leben, durch den Fokus auf Ostwestfalen, in denselben Regionen. Diese Gemeinsamkeiten fördern eine hohe gegenseitige Identifikation und ermöglichen das gemeinsame Wahrnehmen von bestehenden, lokalen Angeboten und eine Begegnung auf Augenhöhe. Die Idee Die Peer-to-Peer-Patenschaften erhalten die Möglichkeit, ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten: Vom Kinobesuch über sportliche Aktivitäten bis hin zum Erlernen von Musikinstrumenten – das Projekt unterstützt die Ideen und Wünsche der Jugendlichen inhaltlich und finanziell. Neben gemeinsamen Freizeitaktivitäten werden über das Projekt erlebnis- und medienpädagogische Angebote organisiert. An diesen können die Peer-to-Peer-Patenschaften sowie weitere Jugendliche ohne Migrationshintergrund und mit verschiedensten Herkunftskulturen teilnehmen. Parallel zu den Patenschaften sind Qualifizierungsmaßnahmen und Austauschtreffen für die Paten oder Patinnen und ihre Begleitung fester Bestandteil des Projekts. Sie erfolgen über den gesamten Projektzeitraum. Gemeinsame Freizeitaktivitäten Foto: Susanne Koch 53 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Eine Luftballonaktion vor dem Haus begeisterte vor allem die jüngeren Besucher. Foto: Susanne Koch Die Zielsetzung Die ehrenamtlichen Paten oder Patinnen werden durch das Projekt an das Ehrenamt und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten herangeführt und lernen die gesellschaftliche Bedeutung von sozialem Engagement kennen. Durch die Qualifizierungsangebote und die Übernahme der Patenschaft entwickeln die Jugendlichen soziale Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein und Teamfähigkeit. Die jungen Geflüchteten wiederum erhalten Unterstützung bei ihrer gesellschaftlichen Integration. Besonders der Kontakt zu Gleichaltrigen hat ein hohes inklusives Potenzial: Die gemeinsamen Aktionen fördern die gesellschaftliche Teilhabe, geben Orientierung und fördern die Sprachkompetenz. Letztlich zielen die gemeinsamen Projekte und die interkulturellen Begegnungen auf das Fördern von Toleranz ab. Das Miteinander des Projekts unterstützt das gegenseitige Kennenlernen und voneinander Lernen und schafft somit Respekt zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Die pädagogische und kreative Arbeit ermöglicht die Begegnung auf Augenhöhe, gegenseitiges Verständnis und bietet eine jugendgerechte Möglichkeit des Austausches! (Nora Liebetreu/Projektleitung, djo-Deutsche Jugend in Europa, Landesverband NRW e.V., Assyrischer Jugendverband Mitteleuropa e.V.) 54 Rundschreiben Nr. 1 Unternehmerverband der Deutschen aus Russland Unternehmerverband der Deutschen aus Russland e.V. (UVDR e.V.) – von Landsleuten für Landsleute Unternehmertreffen in Düsseldorf Im Dezember 2015 hat das mittlerweile zur Tradition gewordene Unternehmertreffen anlässlich des von JSDR e.V. (Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland) veranstalteten, interkulturellen Treffens der russlanddeutschen Jugend in Düsseldorf stattgefunden. Der Unternehmerverband der Deutschen aus Russland ist, wie auch JSDR e.V., ein in Deutschland eingetragener Verein und hat neben der Schaffung eines branchenübergreifenden Netzwerkes unter den russischstämmigen Geschäftsleuten aus den Ländern der ehemaligen UdSSR auch den Aufbau und die Pflege der Partnerschaften mit den GUS-Staaten zum Ziel. 2010 gegründet, vertritt er die Interessen seiner Mitglieder vor allem aus dem Klein- und Mittelstand. Seine Mitglieder entstammen den unterschiedlichsten Branchen: vom Handwerk über Industrie bis zu Tourismus- und Handelsbranche hin ist alles vertreten. Der Verein steht für alle offen, die an der Selbstständigkeit im In- oder auch Ausland interessiert sind, und richtet sich insbesondere an die Einwanderer mit russischem Migrationshintergrund und Interesse an den aktuellen Businessfragen. Beinah alle Mitglieder des Vereins haben am Anfang und während des Aufbaus ihrer Selbstständigkeit in Deutschland die gleichen oder ähnlichen Erfahrungen gemacht: Unsicherheit in der Rechtslage, die Frage nach den richtigen Finanzierungsarten und -formen, Sprachbarrieren oder Schwierigkeiten bei der Anerkennung eigener Zeugnisse. Daher überwiegen oft die Bedenken bei der Frage nach der Eröffnung des eigenen Unternehmens, wobei die Chancen, die ein Migrationshintergrund oft mit sich bringt, außer Acht gelassen werden. Und das sind viele, wie zum Beispiel die Kenntnis zweier Sprachen und Kulturen auf muttersprachlichem Niveau, die bereits bestehenden Verbindungen zu der alten Heimat, die oft so notwendige Anpassungsfähigkeit und Flexibilität und vieles, vieles mehr. Von dieser Verbindung der deutschen Technologien und der Möglichkeiten, welche die GUS-Länder bieten, profitieren bereits jetzt die beiden Partnerseiten. Und natürlich, gerade in diesem Kontext, darf es am Fachpersonal, das die rechtlichen und finanziellen Seiten der entstehenden Partnerschaften berücksichtigt, nicht fehlen. Auch diese Menschen sind in dem UVDR vertreten: erfahrene Juristen und Steuerberater, die ihren Kollegen bei den Neugründungen auf dem Gebiet der Länder ehemaliger UdSSR beistehen, aber auch den russischen Geschäftsleuten bei Bedarf mit April 2016 Rat und Tat zur Seite stehen. Einige der GUS-Staaten haben diese Funktion der mittlerweile in Deutschland ansässigen russischsprechenden Migranten längst für sich entdeckt und unterstützen diese auch mittels staatlich geförderter Programme. Insbesondere erwähnenswert ist hier das am 20. März 2015 in Frankfurt am Main stattgefundene Forum mit einem Vortrag von Albert Rau, dem Vizeminister für Investitionen und Entwicklung der Republik Kasachstan. Die Erfahrung, wie wichtig der Aufbau eines branchenund länderübergreifenden Netzwerkes ist, haben einige der Mitglieder bereits in ihrer Jugend gemacht: unter den Gründern und den Mitgliedern des UVDR sind oft die ehemaligen Aktivisten des JSDR-Vereines zu finden. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit wird auch hier zukünftig eine enge Zusammenarbeit, zugegebenerweise nicht ganz uneigennützig, angestrebt: Die heutigen Auszubildenden und Studenten sind die Unternehmer und Fachkräfte von morgen. An diesem Punkt möchte ich mich für die Möglichkeit der Teilnahme an dem Unternehmertreffen des UVDR bedanken und einige der Mitglieder des Verbandes vorstellen: Herr Kolesnik ist Geschäftsführer der deutschen Niederlassung der CPK-Gruppe, CPK GmbH. Die Gruppe ist weltweit mit 7 Niederlassungen in Deutschland, Russland, Weißrussland und Kasachstan vertreten und zählt zu den größten Lieferanten für Industriebedarf und Antriebstechnik in Europa und den GUS-Ländern. Seit dem Frankfurter Treffen ist er Mitglied des UVDR. Seine Prioritäten liegen zum Ausgleich des normalen Geschäftslebens vor allem in dem künstlerischen und theatralischen Bereich. Dies betrifft zum Beispiel einen finanziellen Beitrag für den Umzugswagen der Wuppertaler Bühnen sowie die Bereitstellung der Räumlichkeiten für einige Künstler. Für die Zukunft sind eine weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich sowie die Unterstützung örtlicher Sportvereine geplant. Evgenij Kolesnik 55 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Max Leneschmidt ist Gründer und Geschäftsführer der Le-Marc-Group mit Sitz in Lohne. Die Schwerpunkte der geschäftlichen Tätigkeit liegen im logistischen Bereich sowie der Hilfestellung in Form von rechtlicher Beratung bei Neugründungen in den GUS-Ländern. Bei Leneschmidt handelt es sich um eine Neumitgliedschaft des UVDR. Das Wohltätigkeitsinteresse von Herrn Leneschmidt liegt in der Unterstützung örtlicher Schul- und Sportvereine und Förderung der jüngeren Generation. Eine Zusammenarbeit fand bereits statt und soll in der Zukunft in Form weiterer Projekte und Veranstaltungen fortgesetzt werden. Waldemar Weiz ist sowohl der Inhaber und Geschäftsführer der Weiz-Industrie- und Robotertechnik GmbH in Kürten als auch einer der Mitbegründer und somit bereits fünf Jahre Mitglied des UVDR. Aktuell bekleidet er das Amt des Schatzmeisters innerhalb des Verbandes. Das Hauptmotiv der Gründung war die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerkes zwecks der gegenseitigen Unterstützung für Geschäftsleute mit russischem Migrationshintergrund. Aktuell unterstützt Weiz mit seinen Spenden den Sportund Kulturverein Adler e.V. in Kürten (Volleyballgruppe) sowie die örtliche russischsprachige Kindertheatergruppe. Eugen Schweizer ist der Teilinhaber und Geschäftsführer der Schweizer-Getman-Group sowie Mitbegründer des UVDR und zu dem jetzigen Zeitpunkt der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes. Er ist ebenfalls seit fünf Jahren Mitglied des Verbandes. Laut eigener Aussage und Erfahrung war die Informationsbeschaffung bei rechtlichen und organisatorischen Fragen vor, während und nach der Gründung zumeist nur auf dem privaten Wege und somit nur sehr beschränkt möglich. Die Gründung einer Austauschplattform kann sich daher für viele derer, die entweder bereits Unternehmer sind oder sich für das Unternehmertum interessieren, als hilfreich erweisen. Neben der geschäftlichen Tätigkeit arbeitet Schweizer – wie auch sein Kollege Weiz – eng mit der Jugendorganisation JSDR zusammen. Des Weiteren hat er in Zusammenarbeit mit weiteren UVDR-Mitgliedern den FC Dynamo Erkelenz gegründet. Die Erwachsenenmannschaft soll in der Zukunft mit einer Jugendmannschaft erweitert werden. Die Informationen über die Geschichte, das aktuelle Geschehen und die geplanten Veranstaltungen können von allen Interessierten auf dem Internetportal http://uvdr.de/ eingesehen werden. Bei weiteren Fragen stehen Ihnen die Mitglieder des Vereines unter [email protected] zur Verfügung. Kontakt: Unternehmerverband der Deutschen aus Russland, Geschäftsführer Waldemar Weiz Postfach 1123, 51508 Kürten, Telefon 02268/90 99 481 Fax 02268/90 99 480 [email protected] www.uvdr.de (Olga Winkler vom 15.12.2015) Teilnehmende des UVD-Treffens in Düsseldorf im Dezember. 56 Rundschreiben Nr. 1 Stehende Ovationen für Paderborner Jungpianisten Simon Staub Voller Rathaussaal wird von Konzert der DeutschRussischen Gesellschaft mitgerissen Gerade 15 Jahre ist Simon Staub alt. Auf Einladung der Deutsch-Russischen Gesellschaft gab der Jungstar im Dezember im bis auf den letzten Platz besetzten Rathaussaal ein Konzert der Meisterklasse. Vor Beginn des Konzerts mussten noch Sitzreihen angebaut werden, am Ende riss es das Publikum vor Begeisterung von den Stühlen. Der in Paderborn geborene Simon Staub hat schon früh am Klavier angefangen. Nicht von ungefähr, denn sein Vater, der Anfang der 90er-Jahre aus der ehemaligen Sowjetunion nach Paderborn kam, betreibt in Altenbeken eine Musikschule. Simon ist nicht nur Schüler des Pelizaeus-Gymnasiums, er besucht inzwischen auch die Musikhochschule in Detmold. Der Spagat zwischen Schule und Leidenschaft scheint dabei nicht immer einfach. Auch in den Freistunden am Pelizaeus wird oft am Flügel der Schule geübt. Nachmittags und am Wochenende stehen Detmold oder der heimische Flügel auf dem Programm. Staub ist in seinem jungen Alter schon auf den Bühnen der Welt zuhause und Gewinner zahlreicher nationaler und internationaler Preise und Wettbewerbe. In seiner Heimatstadt Paderborn war er bisher aber eher selten zu sehen. Das hatte die Deutsch-Russische Gesellschaft zum Anlass genommen, den jungen Pianisten einem breiten Paderborner Publikum zu präsentieren. Die Zuhörer wurden nicht enttäuscht. April 2016 Die Begeisterung für sein Instrument merkte man Simon Staub an. Da waren keine Starallüren, auch wenn er von sich selber selbstbewusst sagt, einmal Konzertpianist werden zu wollen. Mit Werken von Beethoven, Bach und Schumann, Rachmaninow und Ligeti zeigte Staub die ganze Breite seines Könnens. Standards aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach meisterte er ebenso souverän wie Schumanns Papilloten. Zu wahrer Höchstform lief er aber bei dem österreichisch-rumänisch-ungarischen Komponisten György Ligeti auf. Ligeti, einer der bedeutenden Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts, der erst 2006 verstarb, ist keine leichte Kost und schon gar nicht leicht heruntergespielt. Mit atemberaubender Schnelligkeit bespielte Staub die gesamte Breite der Klaviatur. Derzeit sind nur eine Handvoll Pianisten willens und in der Lage, Ligetis Etüden so zu meistern. Staub raste durch die Läufe auf dem Flügel mit Bravour. Spätestens nach Ligeti hatte er sich auch freigespielt und lieferte eine virtuose Vorstellung ab, die so manchen älteren Kollegen in den Schatten stellte. Mit Stücken von Schumann zeigte er, dass er auch die langsameren Töne beherrscht. Rachmaninows schwungvolle fünfte Prélude brachte das Konzert zu einem fulminanten und kräftigen Abschluss, der noch einmal auf die einladende Deutsch-Russische Gesellschaft verwies. Staub selber sagt von sich, dass er außer von russischen besonders von südamerikanischen und auch polnischen Komponisten stark beeinflusst ist. Musik kennt auch in dieser Hinsicht für ihn keine Grenzen. Der Wechsel zwischen alt und neu, klassisch und modern, langsam und einfühlsam und rasanten Läufen in der Stückauswahl zeigte die Professionalität des jungen Musikers. Was Staub aus dem Flügel des Rathauses herausholte, hat man in Paderborn selten gehört. Bürgermeister Dreier, der sich den Genuss nicht hatte entgehen lassen, fasste es am Schluss des Konzertes so zusammen: Einfach unglaublich, dass wir so ein Talent in Paderborn haben. Nicht nur der Bürgermeister, auch das Publikum war begeistert und applaudierte dem Musiker stehend. (Pressemitteilung der Deutsch-Russischen Gesellschaft vom 16.12.2015 von Stefan Schwan) Der junge Pianist Simon Staub mit Bürgermeister Dreier. 57 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Deutsch-Russische Gesellschaft stellt Jahresprogramm vor Ein umfangreiches Jahresprogramm für das Jahr 2016 stellte die Deutsch-Russische Gesellschaft auf ihrem Neujahrsempfang im Westphalenhof vor. „Europa ist derzeit in vielem uneins mit Russland. Wir versuchen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen“, bringt der Präsident der Gesellschaft, Stefan Schwan, das Selbstverständnis des Vereins auf den Punkt. Das umfangreiche kulturelle Programm wurde auf der traditionell im Rahmen des Neujahrsempfangs stattfindenden Mitgliederversammlung vorgestellt. Den kulturellen Auftakt für das Jahr 2016 machte auf dem Neujahrsempfang der erst 10-jährige Edwin Masurow auf dem Akkordeon. Bereits für das letzte Jahr angekündigt war eine Veranstaltung mit der ehemaligen ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz. Diese Veranstaltung wird nun am 15. April in der Aula der Theologischen Fakultät am Kamp durchgeführt. „Das wird ein echtes Highlight“, verspricht der Präsident der DRG. Die Gesellschaft habe ihre guten persönlichen Kontakte genutzt, um Krone-Schmalz nach Paderborn zu holen. Sie spricht über die aktuellen deutsch-russischen Beziehungen. Der Vorverkauf der Karten startet im März. Darüber hinaus bietet der Verein wieder ein breites kulturelles Programm. Nicht nur Liebe gehe durch den Magen, sondern auch die Begeisterung für andere Kulturen, führt Schwan auf dem Neujahrsempfang mehrfach aus. Dementsprechend habe die Gesellschaft bereits im Jahr 2015 mehrere Kochabende mit russischem Essen organisiert. Sehr erfolgreich, denn alle Abende waren meist innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Dieses Format soll auf jeden Fall auch 2016 fortgesetzt werden. Neben den in Kooperation mit der VHS durchgeführten Kochabenden will der Verein auch 2016 wieder auf dem Fest der Begegnung in Schloss Neuhaus russische Spezialitäten auf den Tisch bringen und das Publikum zu weiteren kulturellen Leckerbissen mit russischen Spezialitäten locken. Auf dem Programm stehen in diesem Jahr ferner wieder zwei Filmabende in Kooperation mit Cineplex Paderborn, bei denen schon traditionell russisches Gebäck und Tee aus dem Samowar gereicht wird. Die DRG freut sich auf die Literaturverfilmungen von Alexander Puschkins „Onegin“ und Tolstois „Anna Karenina“. Es handelt sich zwar in beiden Fällen um keine russischen Verfilmungen, aber es ginge hier vor allem um die sehr gelungene filmische Umsetzung zweier russischer Klassiker. 58 Bei den Reisen des Vereins werden in diesem Jahr durchweg kürzere Distanzen angegangen. Auf dem Programm stehen zum Beispiel der Rheingau und Wiesbaden mit seinen vielfältigen russischen Bezügen. Ende des Jahres ist eine Fahrt nach Berlin mit Besuch im Reichstag, Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten zu den deutsch-russischen Beziehungen und Besuchen im Russischen Dorf in Potsdam, der russischen Botschaft und dem DeutschRussischen Museum in Karlshorst geplant. Kleinere Fahrten ins Sauerland und nach Bremen und Bremerhaven kommen hinzu. „Außerdem werden wir im Sommer eine schöne Ausstellung der deutsch-russischen Künstler Hermann Fast und Tatjana Stöhr im Schoss in Neuhaus präsentieren können“, ergänzt Schwan. Zwei Konzerte sind für Ende des Jahres geplant, darunter im November wieder der Rossika-Chor aus Sankt Petersburg, der bereits in vergangenen Jahren ein großes Paderborner Publikum in seinen Bann gezogen hat. Informationen zu allen Veranstaltungen mit Veranstaltungsorten und Terminen sind auf der Homepage des Vereins www.drg-paderborn.de zu finden. Weitere Information: Präsident Stefan Schwan Grube 4 33098 Paderborn Telefon 05251/50 89 925 [email protected] www.drg-paderborn.de/ (Irina Samuylova) Neujahrsempfang der DRG Paderborn am 9.1.2016. Foto: Tetyana Galzow Rundschreiben Nr. 1 Bund der Vertriebenen Dr. Gundula Bavendamm wird Direktorin der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ „Sichtbares Zeichen“ muss endlich sichtbar werden Nach der Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB: Soeben hat der Stiftungsrat der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Dr. Gundula Bavendamm einstimmig zur neuen Stiftungsdirektorin gewählt. Diese Personalentscheidung begrüße ich ausdrücklich. Die sechs BdV-Mitglieder im Stiftungsrat haben diese wichtige Weichenstellung mitgetragen. Als Historikerin und Kulturmanagerin verfügt Dr. Bavendamm über einen breiten Erfahrungsschatz: Ihre Expertise bringt sie bereits u. a. in den Wissenschaftlichen Beirat des Vereins „Unsere Geschichte – Gedächtnis der Nation“ ein, der von Prof. Dr. Guido Knopp und Hans-Ulrich Jörges initiiert wurde. Als Kuratorin hat sie in den vergangenen 15 Jahren in vielen deutschen Städten Ausstellungen konzipiert und aufgebaut. Seit 2010 leitet sie das AlliiertenMuseum in Berlin. Dr. Bavendamm muss sich nun der Aufgabe stellen, das geltende Stiftungskonzept sowie die geplante Dauerausstellung als das „Sichtbare Zeichen“ umzusetzen und so entsprechend dem gesetzgeberischen Auftrag dieses Thema in der Mitte unserer Gesellschaft endlich auch sichtbar werden zu lassen. Die Fundamente hierzu sind gelegt. Da sich auch der BdV dafür stets konstruktiv eingesetzt hat, bauen wir auf eine gute Zusammenarbeit. April 2016 Ich bin davon überzeugt, dass mit der neuen Direktorin genau eine solch vielseitige Persönlichkeit und somit eine Garantin für den baldigen Erfolg dieses Vorhabens gefunden wurde. BdV – Bund der Vertriebenen Bundesgeschäftsstelle Bonn Godesberger Allee 72-74 53175 Bonn Telefon +49 (0)228/81007 26/28 Fax +49 (0)228/81007 52 www.bund-der-vertriebenen.de (Pressemitteilung vom BdV vom 22.2.2016) Wechsel bei der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Nach vier Jahren als Vorsitzender des Kuratoriums und zwölf Jahren als Vorstandsvorsitzender hat Hans-Günther Parplies zum Jahresende die Verantwortung für die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Bonn an BdVVizepräsident Reinfried Vogler weitergegeben. Wie bisher gehören dem Vorstand Christine Czaja und Dr. Barbara Drufar-Loeffke an. Neu hinzugewählt wurde BdV-Vizepräsident Oliver Dix. Der bisherige Vorsitzende, Hans-Günther Parplies, wird der Arbeit der Stiftung als Ehrenvorsitzender beratend verbunden bleiben. (http://kulturportal-west-ost.eu/korrespondenzen/wechsel-beider-kulturstiftung-der-deutschen-vertriebenen vom 25.1.2016) Die vor Dr. Bavendamm liegenden Herausforderungen zeigen, dass zur Leitung dieser Bundesstiftung eine sprichwörtlich „eierlegende Wollmilchsau“ erforderlich ist: Diese muss mit konstruktiver Unterstützung durch einen neu zu besetzenden wissenschaftlichen Beraterkreis die darzustellenden Schicksale von Flucht und Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrem historischen Kontext und mit Empathie museal darstellen, medial in die Mitte der Gesellschaft transportieren und das Projekt auch organisatorisch so weitervoranbringen können, dass die allseits erwartete Eröffnung des Deutschlandhauses bald möglich wird. 59 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Landsmannschaft Weichsel-Warthe Bundesverband e.V. „Die Vertriebenen und ihr Blick nach vorn“ Bundeskulturtagung der LWW vom 21. bis 22. Mai 2016 Unter diesem Arbeitstitel führt die Landsmannschaft Weichsel-Warthe ihre diesjährige Bundeskulturtagung in Fulda durch. Nach den Grußworten der Ehrengäste sind folgende Vorträge vorgesehen: „Die Vertriebenen in der Sicht der Öffentlichkeit“ – Referent angefragt „Die in die Zukunft schauende Zusammenarbeit von Prof. Dr. Gotthold Rhode mit der polnischen Wissen schaft“ – Referent angefragt „Bedeutung der deutsch-polnischen Schulbuchkom mission“ – Götz Urban „Die Gründung der drei Hilfskomitees vor 60 Jahren als Vorstufe zur Gründung der Landsmannschaft Weichsel- Warthe“ – Dr. Martin Sprungala Berichte unserer Gäste aus Polen und Sachstandsbe richte aus der Arbeit unserer landsmannschaftlichen Vereinigungen Am Abend werden die diesjährigen Kulturpreise vergeben. Der Kulturabend wird voraussichtlich von Vertretern des Heimatkreises Kolmar gestaltet. Heimatliche Morgenandacht, mit der Auswertung und den Schlussworten der Tagungsleitung endet die Bundeskulturtagung. Einladungen an die Vorsitzenden der LWW-Gliederungen werden rechtzeitig versandt werden. Der Vorstand bittet darum, den Beitragsverpflichtungen nachzukommen. Interessierte Landsleute können sich über die Mitgliedsgruppen und Einzelmitglieder über die Bundesgeschäftsstelle anmelden. Weitere Interessenten, die keiner unserer Gliederungen angehören oder kein Einzelmitglied sind, können sich an uns wenden und die Einladung erhalten, wenn sie bereit sind, die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und die Fahrt selbst zu übernehmen. Weitere Termine 2016 23. April: Treffen der Heimatfreunde Dresden gemein- sam mit der Gemeinschaft Evangelischer Posener in Dresden, 14.00 Uhr, Begegnungsstätte des DRK 21. bis 30. Juni: Wolhynienfahrt des Historischen Vereins Wolhynien. Weitere Informationen und Anmeldung beim Freundeskreis Moczulki/Matschulek, Walter Manz, Goethestr. 17, 06485 QLB-Gernrode, 039485-610 446 28. bis 31. Juli: Traditionelle Heimatfahrt in den Heimat kreis Meseritz mit Herybert Schulz. Weitere Information: Landsmannschaft Weichsel-Warthe Bundesverband e.V. Dr. Martin Sprungala Bundesvorsitzender und Bundessprecher Friedrichstraße 35 II 65185 Wiesbaden Telefon 0611/37 97 87 Fax 0611/15 74 972 [email protected] http://wiki.wolhynien.net/index.php/Landsmannschaft_ Weichsel-Warthe (Dr. Martin Sprungala) 60 Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Schlesische Trachten- und Jugendgruppe Altvater/Rübezahl Die Schlesischen Sommersänger waren wieder unterwegs – Winteraustreiben auf die traditionelle Art! Am Sonntag, den 6. März 2016, dem traditionellen Sonntag Laetare (aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das „Freuet Euch“), zogen 13 Kinder im Alter von 1 bis 17 Jahren mit ihren schlesischen Sommerstecken in Iserlohn zum Sommer(an)singen und Winteraustreiben aus. Bereits um 10:00 Uhr morgens versammelten sich alle Kinder, einige Eltern und die Betreuer/Fahrer im Ostlandheim in der Stennerstraße. Frau Julia von Loh, Leiterin der im Februar 2014 gegründeten Kindergruppe, stimmte die traditionellen Sommeransingelieder an. Im Saal erschallte es laut „Winter ade“. Das „Summer, Summer, Summer, ich bin a kleener Pummer, ich bin a kleener Keenig, gabt mir net zuwenig …“ in schlesischer Mundart und das Spottlied „Geizhals“ schmettern alle Kinder gern. Schwungvoll gingen dabei die Sommerstecken hoch und runter und bekräftigten das Winteraustreiben. Insgesamt wurden vier Gruppen gebildet, und es war sogar noch Zeit, um ein Erinnerungsfoto mit allen Kindern und Betreuern zu schießen. Foto: Reinald Müller, privat Schlesische Trachten- und Jugendgruppe Altvater/Rübezahl Herr Hans-Joachim Muschiol In den Telgen 17 58638 Iserlohn Telefon 02371/33 785 Ab 10:30 Uhr ging’s los in die Iserlohner Stadtteile Gerlingsen, Nußberg und Wermingsen. Dort wurden nicht nur Schlesier besucht, sondern auch Iserlohner, die diesen Brauch seit über 60 Jahren schätzen und lieben. Dass dieses Jahr nicht alle Kinder ihre farbenfrohen schlesischen Trachten trugen, lag am eiskalten, wenn auch sonnigen Wetter. Die Kinder wurden mit Süßigkeiten für ihren Gesang beschenkt. „Die Schlesische Trachten- und Jugendgruppe freut sich sehr über die Spenden. Sie werden verwendet für unsere Arbeit der Kindergruppe und für die Ausgestaltung unserer neuen Gruppenräume in der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule in Letmathe“, so der 90-jährige Gruppenleiter der Schlesischen Trachten- und Jugendgruppe „Altvater/Rübezahl“ Iserlohn, Hans-Joachim Muschiol: „Ein herzliches ‚Vergelt’s Gott‘ allen Spendern!“ Nicht nur die Kinder und die Trachtengruppe sind glücklich, auch die Besuchten wurden von den Kindern beschenkt: Über 50 rote Tonpapier-Marienkäfer, gebastelt – mithilfe ihrer Mutter Karin – von Muschiols jüngster Enkeltochter Anna aus Thüringen, wechselten am Sonntag ihre Besitzer und baumeln nun an den vorösterlichen Zweigen der Iserlohner. Hoffen wir, dass der Frühling bald Einzug erhält! (Barbara Müller) 61 4 Mitteilungen russlanddeutscher und anderer Verbände und Vereine in Nordrhein-Westfalen Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR Schlesienreise der Stiftung „Deutsche Kultur im östlichen Europa“ (OKR) vom 20. bis 26. Mai 2016 Abfahrtsort : Görlitz Weitere Informationen und Anmeldung: Rüdiger Goldmann Paul-Löbe-Str. 54 40595 Düsseldorf Telefon und Fax: 0211/70 05 150 (Gesamtleitung der Begegnungs- und Kulturfahrt) Sudetendeutsche Landsmannschaft, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen Kontroverse Diskussionen und solidarisches Zusammenstehen Engagierte Meinungsäußerungen über den Prozess der inhaltlichen Neuausrichtung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und große Geschlossenheit bei den anstehenden Neuwahlen prägten die Landesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, die am 12. März 2016 im Saal „Sudetenland“ des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf stattgefunden hat. Sowohl bei der Diskussion über den Bericht des Landesobmanns Günter Reichert „Die Sudetendeutschen in Nordrhein-Westfalen – Bestandsaufnahme und Ausblick“ als auch im Anschluss an das Referat des Bundesgeschäftsführers der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Christoph Lippert, zu dem Thema „Die heimat- sowie kulturpolitische Kompetenz der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) und ihre Bedeutung für die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Freistaats Bayern und der Tschechischen Republik unter Einbeziehung der Sudetendeutschen Volksgruppe“ standen die Auseinandersetzung zu den Beschlüssen der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft über die Änderung des Zweckparagrafen in der Satzung des SL-Bundesverbandes im Mittelpunkt. Während der Landesobmann, Günter Reichert, vornehmlich die verfahrenstechnischen Aspekte und die damit zusammenhängenden gerichtlichen Verfahren erläuterte, konzentrierte sich der Bundesgeschäftsführer Christoph Lippert auf die – von einer breiten Mehrheit der Bundesversammlung getragenen – inhaltlichen Fundamente der heimatpolitischen Ausrichtung der Volksgruppenorganisation. 62 Er verwies dabei auf die zentrale Zweckbestimmung in der Neufassung der Satzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, „an einer gerechten Völker- und Staatenordnung mitzuwirken, in der die Menschen- und Grundrechte, das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen für alle gewahrt und garantiert werden“, sowie auf die anschließende Forderung, „Verstöße gegen diese Rechte wie Völkermord, Vertreibungen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, menschen- und völkerrechtswidrige Enteignungen sowie Diskriminierungen weltweit zu ächten und dort, wo sie erfolgten, auf der Grundlage eines gerechten Ausgleiches zu heilen“. Und in der für die konkrete politische Gestaltung maßgeblichen, im Jahr 2015 beschlossenen Grundsatzerklärung sei ausdrücklich verankert: „Die Sudetendeutsche Landsmannschaft arbeitet darauf hin, dass die Tschechische Republik die in den Jahren 1945/ 1946 vom Präsidenten, der Regierung oder dem Parlament der damaligen Tschechoslowakei erlassenen und fortwirkenden Dekrete, Gesetze und Verordnungen, die Unrechtstatbestände – kollektive Entrechtung, Enteignung, Zwangsarbeit, Vertreibung und Ermordung – anordneten bzw. legalisierten, außer Kraft setzt.“ Lippert ging davon aus, dass diese Zielsetzungen grundsätzlich von der überwältigenden Mehrheit in der sudetendeutschen Volksgruppe geteilt werden. Unterschiedliche Vorstellungen gebe es über den Weg, auf dem diese erreicht werden können. Über Jahrzehnte hinweg habe man sowohl von der Führung der Landsmannschaft als auch von interessierten Gruppen und Einzelpersonen in der Volksgruppe versucht, mit Beschlüssen, Proklamationen, Eingaben und Klagen bei den verschiedensten politischen und rechtlichen Institutionen zum Erfolg zu kommen. Als Ergebnis aller Bemühungen, gerade vor internationalen Gerichten, sei festzuhalten, dass es allein in der Zuständigkeit und Verantwortung der tschechischen Regierung liegt, die im Zusammenhang mit der Vertreibung erfolgte Verletzung von Persönlichkeits- und Eigentumsrechten der Sudetendeutschen zu heilen. Dazu werde es aber nur kommen, wenn auf diplomatischem Weg ein neues Vertrauensverhältnis zwischen den politischen Verantwortungsträgern in der Tschechischen Republik und der sudetendeutschen Volksgruppe unter der Schirmherrschaft der Regierung des Freistaats Bayern aufgebaut werde. Nach mühsamen „kleinen Schritten“ in den vergangenen zwei Jahrzehnten seien gerade in letzter Zeit durch den demonstrativen Besuch des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik, Pavel Belobrádek, mit dem Niederlegen eines Blumengebindes für die Opfer der Vertreibung im Sudetendeutschen Haus oder durch das atmosphärisch unbelastete, kurze Gespräch des Sprechers Bernd Posselt und des bayerischen Landesobmanns Steffen Hörtler mit dem tschechischen Rundschreiben Nr. 1 Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka bei dessen offiziellem Besuch vor wenigen Tagen in München Entwicklungen in Gang gekommen, die vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wären und die nicht rückgängig gemacht werden können. Bei allem Respekt vor den tiefen Verletzungen, die vor allem die Erlebnisgeneration durch die Vertreibung aus ihrer Heimat erlitten haben, appellierten sowohl Lippert als auch Reichert an die skeptischen Landsleute, auch Respekt gegenüber den Leitgedanken der Angehörigen der nachwachsenden sudetendeutschen Generationen zu zeigen, die zwar in Kenntnis der Belastungen aus der Vergangenheit, aber im Willen zur Mitgestaltung eines neuen sudetendeutsch-tschechischen Verhältnisses Verantwortung in der Volksgruppenorganisation übernommen haben. „Wir wollen ein funktionsfähiger, ein präsenter und ein lebendiger Verband bleiben, gerade als Begegnungsort für junge Menschen mit böhmisch-mährisch-schlesischen Wurzeln, die diese Herkunft ihrer Vorfahren als Bereicherung zu ihrer jetzigen Heimat in Bayern oder in NordrheinWestfalen empfinden“, so der SL-Bundesgeschäftsführer Christoph Lippert. In der Diskussion wurden von einigen Teilnehmern die Zweifel artikuliert, ob seitens der tschechischen Politik trotz der entgegenkommenden Politik der Sudetendeutschen Landsmannschaft überhaupt je eine Bereitschaft gegeben sein werde, Gerechtigkeit walten zu lassen. Deutlich angemahnt wurde eine offensivere Erläuterung der für die Volksgruppe bedeutsamen Artikel in der Europäischen Grundrechte-Charta, die in der neuen Satzung verankert ist, sowie eine bessere und sachliche Informationspolitik gegenüber den Mitgliedern über den Stand der einzelnen Gerichtsverfahren zu der Satzungsänderung. Im Gegensatz zu der kontroversen, aber immer sachlichen Aussprache über die heimatpolitische Ausrichtung erfolgten die Neuwahlen des Landesvorstands unter der umsichtigen Leitung von Peter Hucker (Kreisgruppe Bielefeld) in großer Einmütigkeit. Zum Landesobmann wurde mit einer Gegenstimme erneut Günter Reichert (KG Bonn) gewählt; zu seinen Stellvertretern wurden Karin Fuhrmann, Rüdiger Goldmann (beide KG Düsseldorf) und Franz Zinecker (KG Bochum) berufen. Schriftführerin und Vermögensverwalter bleiben Irmgard Abelsmann (Wesel) und Roland Janik (KG Bonn). Weiterhin gehören dem Vorstand Rüdiger Eichhorn (KG Minden), Brigitta Gottmann (KG Lüdenscheid) und Gottfried König (KG Krefeld) als Beisitzer an. Zur Landesfrauenreferentin wählten die Delegierten auf Vorschlag der Landesfrauentagung wiederum Brigitta Gottmann; ihre Stellvertreterinnen sind Irmgard Abelsmann und Christa Schmalbach (KG Krefeld). April 2016 Mit großem Beifall wurde Brigitta Gottmann vom Bundesgeschäftsführer Christoph Lippert in Anerkennung ihres Einsatzes für die Erhaltung der Kulturleistungen der sudetendeutschen Volksgruppe und für die Wiederannäherung von Sudetendeutschen und Tschechen in der Heimat die vom Bundesvorstand verliehene Adalbert-Stifter-Medaille überreicht. Ihr westfälischer Ehemann Wilhelm Gottmann wurde nach seiner bereits über ein Jahrzehnt dauernden Tätigkeit als Obmann der Kreisgruppe Lüdenscheid mit der Rudolf-Lodgman-Plakette ausgezeichnet. Schließlich erhielt der in Krefeld lebende Rüdiger Müller für sein bereits mehrjähriges Wirken als Obmann der Kreisgruppe Dortmund das Ehrenzeichen der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Zu Beginn der Landesversammlung würdigte Landesobmann Günter Reichert sowohl die Toten des 4. März 1919 als auch den Altsprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Staatsminister Franz Neubauer, und die langjährige Obfrau der Kreisgruppe Neuss, Doris Lubos, die in den vergangenen Monaten verstorben waren. Einen großen Dank und hohe Anerkennung zollten die Delegierten und die zahlreich zu dem Vortrag von Christoph Lippert erschienenen Gäste den Mitgliedern der Kreisgruppe Düsseldorf unter Vorsitz von Karin Fuhrmann für das prächtige Kuchen-Buffet, das die nordrhein-westfälischen Landsleute in großer Eintracht genüsslich geleert haben. Weitere Informationen: Landesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Landesgruppe Nordrhein-Westfalen Dr. Günter Reichert 53604 Bad Honnef, Krummölser Str. 6 Tel: 02224/80 864, Fax: 03222/37 16 619 [email protected] (Günter Reichert) Bundesgeschäftsführer Christoph Lippert (l.) und der NRWLandesobmann Günter Reichert überreichten die Auszeichnungen an Brigitta und Wilhelm Gottmann sowie Rüdiger Müller. 63 5 Veröffentlichungen 5 Veröffentlichungen Wesentliche Ergebnisse 2014 gab es die höchste Zuwanderung und den höchsten Wanderungssaldo seit 1992. Die Zuwanderung hat sich 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 19 % erhöht, die Zahl der Fortzüge stieg um 15 %, der Wanderungsgewinn beträgt 550.000 Personen. Im Jahr 2015 ist aufgrund der starken Asylzuwanderung mit einem weiteren deutlichen Anstieg der Zuzüge zu rechnen. Die EU-Binnenmigration macht 55 % des gesamten Zuwanderungsgeschehens nach Deutschland aus. Obwohl die absolute Zahl der Zuzüge von Unionsbürgern weiter gestiegen ist, ist der Anteil der EU-Binnenmigration an der Gesamtzuwanderung aufgrund der überproportionalen Zunahme der Asylzuwanderung rückläufig. Migrationsbericht 2014 Bestellnummer: FFMB14 Der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellte Migrationsbericht 2014 wurde am 6. Januar 2016 durch Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière vorgestellt. Neben umfassenden Wanderungsdaten zu Deutschland enthält der Bericht einen europäischen Vergleich zum Migrationsgeschehen und zur Asylzuwanderung. Er behandelt das Phänomen der irregulären Migration und informiert über die Struktur und Entwicklung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. 64 Aufgrund der Zunahme von Krisenherden auf der Welt hat sich der Anstieg der Asylbewerberzahlen im Vergleich zum Vorjahr weiter fortgesetzt (+60 % auf 203.000 Antragsteller). In diesem Zusammenhang verzeichneten auch die Indikatoren der irregulären Migration eine Zunahme. Im Jahr 2015 hat die Zuwanderung, insbesondere aufgrund der stark gestiegenen Zugänge an Asyl suchenden Menschen, weiter deutlich an Dynamik gewonnen. So stieg die Zahl der Asylantragstellenden in den ersten elf Monaten des Jahres 2015 (425.000 Personen) um 134 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Registrierungen von Asylsuchenden im sog. EASY-System lag im gleichen Zeitraum deutlich höher (965.000 Personen). Der Zuzug von Fachkräften aus Staaten außerhalb der Europäischen Union stieg 2014 um 13 % gegenüber dem Vorjahr an. Rundschreiben Nr. 1 Auch begannen mit 93.000 jungen Menschen, die ihre Hochschulreife im Ausland erworben haben, so viele ihr Studium in Deutschland wie nie zuvor. Hauptherkunftsland der Zugewanderten ist weiterhin Polen, wie schon seit 1996. Die Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien steigen seit dem EU-Beitritt im Jahr 2007 kontinuierlich an. Seit dem EU-Beitritt zum 1. Juli 2013 nehmen auch die Zuzugszahlen aus Kroatien merklich zu. In Deutschland hat jeder fünfte Einwohner einen Migrationshintergrund, bei Kindern unter zehn Jahren liegt dieser Anteil bereits bei etwa einem Drittel. Der Migrationsbericht der Bundesregierung wird jährlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellt. Als Download unter: www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/ Migrationsberichte/migrationsbericht-2014.pdf?__blob= publicationFile (Mitteilung des BAMF vom 6.1.2016) Blickpunkt Integration 2015 April 2016 Internationale Jugendarbeit einfach erklärt Eine neue Broschüre erklärt auf 16 Seiten das wichtigste Grundwissen über Ziele, Zielgruppen, Formate und Finanzierung Internationaler Jugendarbeit und ihren Nutzen für Kinder, Jugendliche, Fachkräfte und die Gesellschaft. Was ist Internationale Jugendarbeit? Wer selbst in diesem Arbeitsfeld tätig ist, kennt die Herausforderung, Politiker(inne)n, Mitarbeiter(inne)n in Verwaltungen und Verbänden, Journalist(inn)en oder auch einfach Freund(inn)en und Verwandten zu erklären, was Internationale Jugendarbeit ist und worin ihr Nutzen für Kinder, Jugendliche, Fachkräfte und die Gesellschaft besteht. Ein Redaktionsteam bei IJAB hat sich des Themas angenommen und erklärt auf 16 Seiten das wichtigste Grundwissen über Ziele, Zielgruppen, Formate und Finanzierung. Die Broschüre kann – auch in größeren Stückzahlen – kostenlos bestellt und zum Beispiel für die eigene Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Weitere Informationen unter: www.ijab.de/aktuell/themenfilter/non-formale-bildung/ a/show/internationale-jugendarbeit-einfach-erklaert/ Die Sonderausgabe des Magazins „Blickpunkt Integration“ dreht sich ganz um das Jubiläum „10 Jahre Zuwanderungsgesetz – 10 Jahre Integrationsarbeit des Bundesamtes“. www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/ BlickpunktIntegration/2015/2015-01.html 65 5 Veröffentlichungen Viktor Krieger wirft einen vielfältigen Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart der Volksgruppe Viktor Krieger: Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aussiedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen. „In diese Arbeit sind meine ganzen 30-jährigen Erfahrungen und Kenntnisse der wichtigsten Themen der russlanddeutschen Problematik eingeflossen, sie ist buchstäblich mit Herzblut geschrieben“, sagt der Historiker Dr. Viktor Krieger über sein kürzlich erschienenes Buch „Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aussiedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen“ (Bonn 2015). In der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen, ist es eine wissenschaftlich gründlich untermauerte, aber gleichzeitig für einen breiten Leserkreis gedachte Gesamtdarstellung der russlanddeutschen Geschichte. Die umfassende Publikation beinhaltet neue wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie manche neuen Interpretationen und Sichtweisen auf die Vergangenheit und Gegenwart der Russlanddeutschen dort und hier. 66 Dr. Viktor Krieger (geb. 1959 im Gebiet Dschambul/ Kasachstan) hatte sich schon in der Sowjetunion den Ruf eines anerkannten Historikers und pointierten Publizisten verdient. Nach dem Geschichtsstudium in Nowosibirsk war er wissenschaftlicher Mitarbeiter eines akademischen Instituts in Nowosibirsk, Hochschullehrer in Dschambul, promovierte über deutsche Siedler in der kasachischen Steppe und in Turkestan vor 1917. Seit 1991 lebt der Wissenschaftler in Deutschland (Lobbach). Durch seine beruflichen Stationen am Generallandesarchiv Karlsruhe, Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart und an der Universität Heidelberg (seit 2003 Lehrbeauftragter am Seminar für Osteuropäische Geschichte) kamen Projektbeteiligungen zur russlanddeutschen Problematik zustande. Krieger hat zahlreiche Veröffentlichungen in Jahrbüchern, Lexiken und Sammelbänden. Mehrfach wurden seine geschichtlichen Beiträge in den Publikationen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Info-Broschüren, Denkschriften, Heimatbücher, fachliche Betreuung der Wanderausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“) veröffentlicht. Manche neue Themen der russlanddeutschen Geschichte und Gegenwart wurden in enger wissenschaftlicher Kooperation mit russischen Kollegen (Nischnij-Tagil) oder in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation „Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.“ durchleuchtet und der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Seit 2001 tritt Dr. Krieger regelmäßig mit Vorträgen bei wissenschaftlichen Konferenzen zu verschiedenen Fragestellungen der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen auf, hält Gast-/Sondervorträge an Universitäten und öffentliche Vorträge, beteiligt sich an Podiumsdiskussionen und Expertenrunden. Seine Erkenntnisse hat er auch in Buchpublikationen (in deutscher und russischer Sprache) zusammengefasst. 2013 ist sein aufschlussreiches Buch „Bundesbürger russlanddeutscher Herkunft: Historische Schlüsselerfahrungen und kollektives Gedächtnis“ (Berlin, Münster: Lit-Verlag, ISBN 978-3-643-12073-1) erschienen. Durch seine fundierten Forschungen zur Vergangenheit der Deutschen im Russischen Reich bzw. in der UdSSR sowie zahlreiche Publikationen zur gegenwärtigen Lage der Volksgruppe hat Krieger einen erheblichen Beitrag zur Geschichte der Deutschen in/aus Russland und der Sowjetunion geleistet. Rundschreiben Nr. 1 In diese Reihe gehört auch sein jüngstes Werk „Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aussiedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen“, das einen weiten Bogen von den ersten größeren Siedlerbewegungen im 18. Jahrhundert bis in die Zeiten, in denen die Russlanddeutschen im vereinten Deutschland eine neue Perspektive suchten, spannt. In mehreren Kapiteln entwirft Krieger ein vielschichtiges Panoramabild der russlanddeutschen Geschichte und Gegenwart. In seiner Darstellung widmet sich Krieger neben der historischen Entwicklung auch dem Beitrag der deutschen Minderheit zum kulturellen, politischen und ökonomischen Leben im Zarenreich und der Sowjetunion, wobei er die Erfahrung jahrzehntelanger Abseitsexistenz und staatlicher Diskriminierungs- und Verfolgungspolitik während der Herrschaft Stalins und danach ganz besonders unter die Lupe nimmt. Unter dem Titel „Deutsche Siedler im Russischen Reich“ wird die Bedeutung der deutschen Bauern und Handwerker in der Kolonisationspolitik des Zarenreiches sowie die Etablierung der deutschen Siedlungsgebiete mit dem schwierigen Spagat zwischen Integration und eigenständiger Entwicklung durchleuchtet, bis hin zum Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der bestehenden Ordnung. Im Kapitel „Die Nachkommen der einstigen Kolonisten im Sowjetstaat“ geht es um politische, kulturelle, demografische und ökonomische Umwälzungen in der Zwischenkriegszeit mit einem besonderen Blick auf die Deutschen in der Sowjetunion als „Personen minderen Rechts“ – nach 1941 hatte das Regime durch Deportation, Arbeitslager und Sondersiedlung die Deutschen in der Sowjetunion in einem eisernen Zangengriff. Auch die halbherzige Rehabilitierung in den Jahren 1956 – 1985 und die Aufbruchsbewegung danach führten keine wirklich zufriedenstellenden Lösungen der „deutschen Frage“ in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten herbei. Diese Situation löste letztendlich einen nie dagewesenen Massenausgang der Deutschen in das Land ihrer Vorfahren aus – mit diesem schwierigen und schmerzhaften Prozess wie auch mit dem Thema „Russlanddeutsche im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik“ beschäftigen sich die weiteren Inhalte des Buches. „Die meisten Betroffenen waren letzten Endes nicht mehr bereit, ihren minderen Status weiterhin widerspruchslos hinzunehmen … Die ausgebliebene Wiederherstellung der deutschen Wolgarepublik wird in der russischen Gesellschaft auch weiterhin nicht selten als handfeste Bestätigung ihrer vermeintlichen Schuld gedeutet …“, schreibt Krieger. April 2016 Mit etwa derzeit 2,5 Millionen machen Bürger mit einem russlanddeutschen Hintergrund mehr als drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Sie stellen auch einen zunehmend wachsenden demografischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Faktor in diesem Land dar. „Die Bürger russlanddeutscher Herkunft sind in Deutschland die größte Bevölkerungsgruppe mit der längsten – knapp über 70 Jahre währenden – Diktaturerfahrung. Ihre historischen Erlebnisse bilden die Grundlage einer eigenständigen Identität und sind inzwischen zu einem integralen Bestandteil der deutschen Geschichte geworden. Zunehmend wird ihre Vergangenheit auch als Teil der europäischen Erinnerungskultur wahrgenommen“, ist in der Einleitung zum Buch nachzulesen. Die aufschlussreichen Inhalte der neuen Publikation werden durch die Zeittafel „250 Jahre russlanddeutscher Geschichte und Kultur“, ein umfangreiches Glossar zum besseren Verständnis ausgewählter Begrifflichkeiten, mehrere Konkordanztabellen sowie ein Orts- und Personenregister ergänzt. Nach jedem Unterkapitel gibt es ein Literaturverzeichnis. Zahlreiche Karten, Tabellen und aussagekräftige Fotos (farbig und schwarz-weiß), die größtenteils zum ersten Mal veröffentlicht werden, veranschaulichen die Texte. Viktor Krieger, „Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aussiedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen“, Bonn 2015, 272 Seiten, ISBN 978-3-8389-0631-7. Zu beziehen auch unter www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/217258/ kolonisten-sowjetdeutsche-aussiedler (das Buch kostet nur 4,50 Euro plus Versand). (Nina Paulsen) 67 5 Veröffentlichungen Migration und Integration: Kommentierte Bibliografie – von 2000 bis 2013 Wladimir Süss „Orte der Reformation“ Königsberg und das Herzogtum Preußen In der Reihe „Orte der Reformation“ ist ein Heft erschienen, das sich dem Thema „Königsberg und das Herzogtum Preußen“ widmet. Die 92 Seiten starke Publikation mit über 80 Abbildungen ist von der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig veröffentlicht worden. Die Herausgeber – Pfarrer i. R. Lorenz Grimoni, Leiter des Museums Stadt Königsberg in Duisburg, und Dr. Andreas Lindner, Theologe am Martin-Luther-Institut der Universität Erfurt – stellen in dieser 18. Ausgabe der Reihe einmal mehr ihre hohe Fachkompetenz unter Beweis. AV Akademikerverlag (27.10.2014 ) ISBN-13: 978-3-639-72651-0 ISBN-10:3639726510 Preis: 71,90 Euro Nach wie vor ist das Interesse am Themenkomplex Migration und Integration in Deutschland sowohl vonseiten der Wissenschaft als auch der Medien groß. So sucht die vorliegende Bibliografie für die Recherche und Ausarbeitung von Publikationen zur Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere im Bereich Russlanddeutsche, die Arbeit zu erleichtern, indem es Wissenschaftlern, Studierenden, öffentlichen Institutionen, Verbänden und Parteien sowie der Presse und anderen Medienvertretern den Zugang zu Informationen ermöglicht. (www.akademikerverlag.de) 68 Dietrich Brauer, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER), betont in seinem Vorwort: „Markgraf Albrecht von Brandenburg, persönlich mit Luther und Melanchthon befreundet, führte die Reformation im Ordensstaat ein. Damit löste er 1525 den alten Deutschordensstaat auf und gründete das Herzogtum Preußen. Es wurde eine Kirchenordnung verabschiedet und die erste deutsche evangelisch-lutherische Landeskirche etabliert.“ Dr. Andreas Lindner erläutert, wie im günstigen Zusammenwirken Herzog Albrechts, der Bürger Königsbergs und des von Martin Luther entsandten Johannes Briesmann die Einführung der Reformation und der Aufbau der ersten evangelisch-lutherischen Landeskirche überhaupt begann. Lorenz Grimoni behandelt das Thema der „Glaubensflüchtlinge in Preußen seit der Reformation“. Die Flüchtlinge kamen anfangs aus den Niederlanden und aus Böhmen. Später waren es die calvinistischen Hugenotten aus Frankreich, die Mennoniten aus der Schweiz und nach 1731 die Salzburger Emigranten sowie englische und schottische Puritaner, die in Königsberg und in der Provinz eine neue Heimat gesucht und gefunden haben. Stephan Bitter, Superintendent i. R. und Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an der Universität Bonn, schildert in seinem Beitrag das Wirken der ersten Generation von Reformatoren in Königsberg. Klaus Plorin, evangelischer Gemeindepfarrer in Bayern, beschreibt Königsberg „als Ort evangelischer Kirchenlieder – Die himmlische Kunst der Musica“. Bei Michael Ludscheidt, Bibliotheksleiter im Augustinerkloster Erfurt und Germanist an der Universität Erfurt, steht die „Literatur in Königsberg zwischen Reformation und Barock“ im Mittelpunkt. Rundschreiben Nr. 1 „Reformation in Königsberg und im Herzogtum Preußen“ ist auch der Titel der Ausstellung, die das ehrenamtliche Museumsteam um Lorenz Grimoni als „Abschiedsgeschenk“ für den Standort Duisburg wählte. Hintergrund ist, dass in der 18. Ausgabe der Publikation „Orte der Reformation“ zahlreiche Dokumente und Bilder aus den Beständen des Museums Stadt Königsberg erwähnt werden, die die Besucher bei einem Rundgang durch die Ausstellung in Duisburg betrachten können. Zu den Besonderheiten der Präsentation gehören die erste Predigt des Bischofs Georg von Polentz sowie die erste preußische Chronik von Petri de Dusburg und eine wertvolle Bibel mit Bildern der Familie Luther. Eine Art „geistigen Mittelpunkt“ bildet die Darstellung des im Krieg zerstörten und wiederaufgebauten Königsberger Doms. Ergänzend ist der Dom zu Königsberg mit der 1924 eingerichteten Grabstätte als Modell aus dem Jahre 1968 zu sehen. April 2016 Die Verbindung der Stadt Duisburg mit Königsberg geht auf das Jahr 1951 zurück, als die Patenschaft für die geflüchteten und vertriebenen Bürger übernommen wurde. Die am 5. Dezember 1992 im Kultur- und Stadthistorischen Museum am Johannes-Corputius-Platz eröffnete Museumseinrichtung löste das am 20. Oktober 1968 gegründete Museum Haus Königsberg ab. Die Betreuung des Hauses übernahm die Stadtgemeinschaft Königsberg mit der Stiftung Königsberg in Zusammenarbeit mit der Stadt Duisburg. Der heute 76-jährige Museumsleiter Lorenz Grimoni und sein inzwischen gealtertes Team sind überzeugt, dass die Arbeit an den gewachsenen Sammlungsbeständen des Hauses und die Koordinierung grenzüberschreitender Projekte in den Händen der jüngeren Mitarbeiter in Lüneburg bestens aufgehoben sind. (Kulturpolitische Korrespondenz [KK] von Dieter Göllner vom Dezember 2015) Zum Begleitprogramm der Reformations-Ausstellung in Duisburg gehörte der von Dr. Andreas Lindner gehaltene Vortrag über Albrecht von Brandenburg-Ansbach und die Reformation. In der Salvatorkirche Duisburg wiederum fand in Anlehnung an die Präsentation zur Lutherdekade ein Festgottesdienst mit Professor Dr. Margot Käßmann, der „Botschafterin für das Reformationsjubiläumsjahr 2017“, statt. Es ist inzwischen bekannt, dass das Museum Stadt Königsberg in Duisburg nach seiner 47-jährigen Tätigkeit seine Pforten schließt und in das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg umzieht. Ein letztes Mal zeigt man hier, so Klaus Weigelt, Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Königsberg, bei der Vernissage, die europäische Strahlkraft der früheren Provinzhauptstadt Ostpreußens im Rahmen einer Ausstellung. Doch Königsberg soll auch weiterhin in Duisburg „zu Hause“ sein. Da sich die Stadt zum Fortbestand der Patenschaft bekannt hat, wird langfristig ein Patenschaftsbüro betrieben werden. Außerdem wird weiterhin der „Königsberger Bürgerbrief“ erscheinen, der über Themen zur Stadtgeschichte, über Ereignisse und Personen vor 1945, über Entwicklungen im heutigen Kaliningrad sowie über die Tätigkeit der Stadtgemeinschaft Königsberg informiert. 69 5 Veröffentlichungen Roswitha Schieb: Breslau/Wrocław Ein kunstgeschichtlicher Rundgang durch die Stadt der hundert Brücken Schieb, Roswitha: Breslau/Wrocław. Ein kunstgeschichtlicher Rundgang durch die Stadt der hundert Brücken, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 48 Seiten, gebunden, in Kooperation mit dem Verlag Schnell + Steiner in der Reihe Große Kunstführer in der Potsdamer Bibliothek östliches Europa, Band 9, Regensburg/Potsdam 2015, 12,95 Euro, ISBN 978-3-7954-2951-5 (www.kulturforum.info/de/startseite-de/1000305publikationen/1019383-kulturreisen/breslau-wroclaw) Arne Franke (Hg.): Kleine Kulturgeschichte der schlesischen Schlösser – 150 Adelssitze im Portrait In Breslau ist es möglich, Architektur und Kunst in vier Spaziergängen durch die Epochen hindurch nachzuvollziehen. So wie sich diese am Ring bereits im Kleinen zeigen, erschließen sie sich – in einer nicht strengen, aber doch markanten Chronologie – auf einer großen Runde durch die Stadt. Zur Epoche der Gotik zählt das Rathaus mit der Staupsäule, die Zeit des Barock zeigt sich im Kloster der Kreuzherren mit dem Roten Stern, dem heutigen Ossolineum. Während die Synagoge zum Weißen Storch, 1827 bis 1829 von Carl Ferdinand Langhans erbaut, den Klassizismus spiegelt, markiert die Epoche des Historismus das neobarocke Kaufhaus Barrasch, heute Feniks. Die Bestrebungen der Moderne sind an der berühmten Jahrhunderthalle von Max Berg abzulesen. Begleitet wird der Stadtrundgang von Zitaten berühmter Breslauer Dichter und Schriftsteller. 2016 ist Breslau Kulturhauptstadt Europas. Geschichte im Überblick Inhalt: 1. Spaziergang Gotik (1241 – 1500) und Renaissance (um 1500 – 1620) Ring und Rathaus Außerhalb des Rings 2. Spaziergang Barock (um 1620 – 1750) Barockkapellen im Dom Außerhalb des Doms 3. Spaziergang Klassizismus und Historismus (um 1750 – 1900) 4. Spaziergang Moderne (um 1900 bis heute) 70 Das durch den Kunsthistoriker und Herausgeber Arne Franke inhaltlich konzipierte Buch fußt auf dessen Datenbank, in der er seit mittlerweile 20 Jahren alle herrschaftlichen Anlagen des Landes erfasst. Mittlerweile sind in dieser nahezu 3.000 Objekte für ganz Schlesien verzeichnet – somit bietet diese eine solide Grundlage dafür, eine repräsentative Auswahl an Schlossbauten zu treffen, die charakteristisch für die Kulturgeschichte des Landes sind. Den inhaltlichen Schwerpunkt des Buches bildet die Darstellung der wichtigsten wohlerhaltenen bzw. restaurierten Adelssitze in bebilderten Kurzmonografien mit historischen Anmerkungen zur Bau- und Eigentümergeschichte sowie knappen Baubeschreibungen, die summarisch einen Überblick über fast 700 Jahre Baugeschichte Schlesiens umreißen. Zudem werden in dem Handbuch aber auch Bauten berücksichtigt, deren derzeitiger Zustand kaum noch eine Instandsetzung erhoffen lässt und die durch mangelnde Bauunterhaltung, Brandkatastrophen oder Vandalismus inzwischen zu eindrucksvollen Ruinen geworden sind – und damit umso mehr das wechselvolle Schicksal dieses einst so reichen Landes illustrieren. Rundschreiben Nr. 1 Der Band enthält zudem ein ausführliches Personen- und Ortsregister, abgerundet durch ein Kapitel mit zahlreichen Personenbiografien sowie ein Glossar zu historischen und kunstgeschichtlichen Fachbegriffen. Eine Übersichtskarte mit der Verortung der Schlösser und touristische Hinweise bei den zu besichtigenden Objekten vervollständigen diesen handlichen Führer und machen ihn zu einem praktikablen Cicerone. Band 1. Niederschlesien Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Görlitz (1. Auflage/2015), 404 Seiten 655 Illustrationen, Grundrisse sowie 1 Übersichtsplan ISBN: 978-3-870-57336-2, Preis: 29,90 Euro (www.arnefranke.de/kulturgeschichte-schlesischerschloesser/articles/schlesische-schloesser-haupttext.html) Satire als Instrument der Humanität Erich Pawlu erhielt den Gryphius-Preis Der Schriftsteller und Publizist Erich Pawlu ist in Düsseldorf mit dem renommierten Andreas-Gryphius-Preis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet worden. Damit steht der Dillinger Buchautor und Satiriker in einer Reihe mit Schriftstellern wie Siegfried Lenz, Wolfgang Koeppen, Otfried Preußler, Peter Härtling und Walter Kempowski. Erich Pawlu stammt aus dem nordmährischen Frankstadt (heute Novy Malin). Von 1959 bis 1996 unterrichtete er Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde am Johann-Michael-Sailer-Gymnasium Dillingen. 20 eigene Bücher und 23.000 Einzelveröffentlichungen brachten ihm schon bisher mehrere Literaturpreise ein. Für sein kulturelles Schaffen wurde er 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Gekürt werden die Gryphius-Preisträger nach strengen Kriterien von einer Jury der Künstlergilde Esslingen. Deren Bundesvorsitzender Hansjürgen Gartner und Professor Dr. Winfrid Halder, Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Düsseldorf, würdigten im Rahmen einer Feierstunde den Rang Erich Pawlus als Meister der Erzählkunst und der konstruktiven Ironie. In der Laudatio der Germanistin und Mediävistin Dr. Helga Unger, München, hieß es: „Erich Pawlu ist ein Schriftsteller, der die allgemein menschlichen und die drängenden Probleme im überzeitlichen Geist des wahrhaft Humanen in vollendeter Sprachkunst zum Ausdruck bringt. April 2016 Erich Pawlu verfügt als Schriftsteller über eine scharfe Beobachtungsgabe, einen ausgeprägten Sinn für Situationskomik und die Lust am Durchkomponieren, gepaart mit einer humanistischen Grundhaltung.“ Inhaltlicher und künstlerischer Reichtum seien vergleichbar mit dem des Werks von Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky, Erich Kästner und Eugen Roth. In seiner Dankesrede verwies Erich Pawlu auf sein frühes Verständnis für das Werk des Barockdichters Andreas Gryphius: „Meine eigene Erfahrung von Krieg und Vertreibung erleichterte mir den Zugang zu den elegischen Gryphius-Gedichten, die unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges entstanden.“ Erich Pawlu bedankte sich bei seiner Frau sowie bei Freunden und Wegbegleitern für Unterstützung und Förderung. Seine Rede schloss er mit einem Sonett, „das sich in die Weltsicht des Andreas Gryphius zwischen der Erkenntnis ‚Es ist alles eitel‘ und der Lebenslust im ‚Peter-Squenz‘-Spiel einfühlen will und zugleich augenblickliche Empfindungen in barocke Form kleidet“. Erich Pawlu Danksonett Wer schön und feierlich / in Gerhart Hauptmanns Schatten dem großen Gryphius / zur Seite wird gestellt, der spürt mit einem Mal / tief unter den Krawatten, dass Leben schön sein kann / in einer harten Welt. Er findet plötzlich gut, / trotz dunklem Hintergrunde, was um ihn her geschieht. / Und gegen alle Trends fühlt er sich angeregt / in dieser frohen Runde zu unbeschwertem Spiel nach Art von Peter Squenz. Zwar weiß auch er genau, / die Erde wird sich drehen, sodass der Tagesruhm / in kurzer Zeit vergehen und in den tiefen Fluss / der Lethe sinken muss. Doch einmal wurde er / im Laufe schöner Stunden in Düsseldorf mit Glanz / und urkundlich verbunden dem Meister des Barocks: / Andreas Gryphius. (Kulturpolitische Korrespondenz vom 25.12.2015) 71 6 Anlagen 6 Anlagen „Repatriierung“ der Russlanddeutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Ebenso wie die Deportationen der Russlanddeutschen ist auch ihre „Repatriierung“ nach dem Ende des II. Weltkriegs als besonders dunkles Kapitel in die Geschichte eingegangen. Unter Repatriierung versteht man allgemein die völkerrechtliche Rückführung von Menschen durch den Aufenthaltsstaat und die Wiederaufnahme dieser Menschen durch den Heimatstaat (meist in Zusammenhang mit Kriegsereignissen). Nach Kriegsende kam es auch zu einer Repatriierungswelle von Russlanddeutschen aus Deutschland. Festlegungen dafür waren im Rahmen eines Geheimabkommens zwischen sowjetischen und britischen Militärbehörden im September 1944 getroffen worden. Schon damals hatten die sowjetischen Verhandlungspartner nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, ehemalige Bürger der Sowjetunion restlos zurückzuführen. Die rechtliche Handhabe für die zwangsweise Rückführung von sowjetischen Staatsbürgern durch die sowjetischen Militärbehörden war endgültig mit den Abkommen der Alliierten von Jalta und Potsdam 1945 gegeben. Die Vereinbarungen legten fest, dass jede Besatzungsmacht „ihre“ Bürger ins eigene Land zurückbringen durfte. Demnach konnten sowjetische Staatsbürger auch gegen ihren Willen an die Sowjetunion ausgeliefert werden. Dabei ging es um die Rückführung ehemaliger Sowjetbürger, die bis zum 1. September 1939 in den westlichen Landesteilen der Sowjetunion gelebt hatten und nach 1943 durch Behörden des Deutschen Reiches in den Warthegau oder in das Generalgouvernement umgesiedelt worden waren, wo sie die deutsche „Reichangehörigkeit“ erhalten hatten. 72 Zwar war die Sowjetregierung wohl hauptsächlich daran interessiert, die Millionen von Russen, Weißrussen oder Ukrainern, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht worden waren, sowie die Überläufer und Kollaborateure sowie Männer der Wlassow-Armee in ihren Machtbereich zurückzuführen. Dennoch besaßen für sie auch die ethnischen Deutschen, die als „Handlanger des faschistischen Imperialismus“ eingestuft wurden, einen hohen Stellenwert, vor allem unter dem prestigegeladenen Aspekt der restlosen Bestrafung aller Schuldigen und der völligen Zerschlagung des Faschismus. Dabei hatten die Sowjets gerade bei Letzteren leichtes Spiel. Bei den Deutschen der Sowjetunion konnte nämlich keiner der Siegesstaaten besondere Nachsicht üben, und sie besaßen – anders als etwa Polen oder Ukrainer – keine mächtigen Fürsprecher im Westen in Gestalt dort tätiger Exilgruppen und -organisationen. Lediglich die Mennoniten erfuhren eine vergleichbare Hilfe vonseiten amerikanischer und kanadischer Mennonitenvertreter. Dank der guten Beratung und Fürsorge konnten sich schließlich etwa 10.000 Mennoniten aus der UdSSR vor der „Repatriierung“ in Sicherheit bringen. Bereits im Oktober 1944 wurde ein Hauptkommissar (General Golikow) für die „Repatriierung“ sowjetischer Staatsbürger eingesetzt. Dabei wurde die Repatriierung von sowjetischer Seite als „normaler Akt“ hingestellt und mit dem Versprechen einer Heimkehr der Betroffenen in ihre früheren Heimatorte „versüßt“. Dass sie stattdessen nach Sibirien deportiert wurden und unter welchen unmenschlichen Bedingungen diese „Repatriierung“ für die „Heimkehrer“ wirklich verlief, erfuhren die Betroffenen meist erst unterwegs. Rundschreiben Nr. 1 Bereits beim blitzschnellen Vormarsch der Roten Armee fielen Tausende russlanddeutsche Flüchtlinge, die versucht hatten, sich in den Westen zu retten, in die Hände der sowjetischen Truppen. Ihr Schicksal besiegelten die Übernahme durch die sowjetische Armee und die Verschickung nach Osten – in die Sondersiedlung sowie die Straf- und Arbeitslager. Die Deutschen aus der Sowjetunion, die in die vier Besatzungszonen Deutschlands gelangt waren, konnten sich nur schwer dem Zugriff der sowjetischen Repatriierungskommissare entziehen. Ob sie sich nun in einem Lager oder in einem privaten Unterschlupf befanden – regelmäßige und intensive Razzien spürten sie immer wieder auf. Die Massenrepatriierung aus Deutschland fiel in die Zeit vom 20. Mai bis 30. Oktober 1945 und betraf vor allem zwei Gruppen von Deutschen aus Russland: zum einen die „Vertragsumsiedler“, die aufgrund der Festlegungen des Hitler-Stalin-Paktes in den Jahren 1939 bis 1941 aus den baltischen Ländern, Ostpolen und Bessarabien überwiegend in den Warthegau umgesie- delt worden waren; zum anderen die „Administrativumsiedler“, die meist aus der Ukraine stammten und beim Rückzug der Wehr- macht 1943/44 in großen Trecks in den Warthegau und nach Ostdeutschland umgesiedelt worden waren. Zu dieser Gruppe zählten auch ca. 50.000 Deutsche aus der Sowjetunion, die sich bei Kriegsende in den westli- chen Besatzungszonen befanden und von den West- alliierten an die Repatriierungskommandos überstellt wurden. April 2016 Amtlichen Angaben zufolge befanden sich 1945 mindestens 203.796 „Repatriierte“ in Sondersiedlungen des NKWD. Auf dem Rücktransport auf sowjetisches Gebiet waren zahlreiche „Repatriierte“ monatelang in Feldlazaretten und Hospitälern; sie dürften in dieser Zahl nicht enthalten sein. Zehntausende kamen unterwegs um, erlagen den seelischen und physischen Strapazen. Ende 1949 sollen sich 210.600 „Repatriierte“ in Sondersiedlungen des NKWD befunden haben. Geschätzte 100.000 Deutsche aus Russland in den westlichen Besatzungszonen konnten der „Repatriierung“ in die UdSSR entgehen. Bis zu 30.000 von ihnen gelang es, nach Übersee auszuwandern, während ca. 70.000 in der Bundesrepublik blieben. Die „Repatriierung“ in die Sowjetunion war im Herbst 1946 abgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der überwiegende Teil der Russlanddeutschen schon längst zurückgeführt worden. Die Betroffenen wurden wieder zu Sowjetbürgern erklärt. In den Augen der einheimischen Bevölkerung, aber auch für die Behörden galten sie als „Vaterlandsverräter“ und „enge Kollaborateure des Naziregimes“. Entgegen dem Versprechen, wieder in der alten Heimat angesiedelt zu werden, kamen die Repatriierten vor allem in den nördlichen Gebieten Russlands sowie in der Industrie und Landwirtschaft Kasachstans und Mittelasiens zum Einsatz, wo die deportierten Deutschen aus dem Wolgagebiet und anderen europäischen Regionen bereits seit Jahren ihre „Schuld“ abbüßen mussten. (VadW 01 / 2016) Trotz reicher Literatur zum Thema lassen sich nach wie vor keine gesicherten Zahlen und verbindliche Angaben zum Anteil der Deutschen an der Gesamtheit der repatriierten sowjetischen Staatsbürger nennen. Nach wie vor ist man auf Mutmaßungen angewiesen, die mit den Schätzungen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland übereinstimmen. Insgesamt sind nach diesen Schätzungen ca. 250.000 Deutsche aus der Sowjetunion, die sich nach Kriegsende in von der Roten Armee kontrollierten Gebieten befanden, sowie ca. 50.000 Russlanddeutsche aus den westlichen Besatzungszonen in die Sowjetunion „repatriiert“ worden. 73 6 Anlagen Stefan Pabst – Meister der Illusion auf Papier Spätestens seit der Galileo-Sendung bei Pro7 am 17. Oktober 2015 sind der russlanddeutsche Künstler Stefan Pabst aus Minden und seine 3D-Bilder auch bundesweit bekannt. Im weltweiten Netz machen sein Name und seine Videos mit verblüffenden 3D-Zeichnungen schon seit einiger Zeit die Runde. Bereits vor mehr als fünf Jahren strahlte ein amerikanischer Fernsehsender ein Video aus, das Pabst in Aktion zeigte. 2014 präsentierte ein französischer Fernsehsender Videos von Pabst und erreichte über 10 Millionen Zuschauer. 2015 postete der Radiosender El Circo bei Facebook sein Video und sammelte 33 Millionen Klicks innerhalb eines Monats. Video-Präsentationen des beeindruckenden Talents von Stefan Pabst schafften es auch in Spanien, Belgien, Italien, China, England, Norwegen, Dänemark, Russland oder Japan ins Fernsehen. Die meisten Auftritte hatte er im japanischen Fernsehen mit etwa acht Beiträgen. Überall auf der Welt sind die Zuschauer davon begeistert, wie der Künstler scheinbar mühelos, nur mit wenigen Strichen, die perfekte Illusion einer dreidimensionalen Darstellung – etwa einer Riesenspinne, eines Trinkglases oder eines galoppierenden Pferdes – aufs Papier zaubert. Aufgrund der meisterhaft ausgeführten Schattierungen und Details täuscht Pabst Plastizität vor, die ein Lebewesen oder einen Gegenstand buchstäblich zum „Leben“ erweckt. Seine Technik hat der Künstler jahrelang perfektioniert. Stefan Pabst wurde 1979 in Blagoweschtschenka in Westsibirien geboren, einer Region, in der es schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts deutsche Dörfer gegeben hat. Als Kind war das Zeichnen seine Lieblingsbeschäftigung – seit er einen Stift halten kann, zeichnet er. „Von meiner Großmutter weiß ich, dass ich bereits mit fünf Jahren gerne komplizierte biblische Zeichnungen kopierte, während sie mir aus einer 250 Jahre alten Bibel vorlas. Es handelte sich dabei um realistische und aufwendige Federzeichnungen, deren Qualität mich begeisterte“, erzählt er. Im Schulunterricht malte und zeichnete er in seine Hefte, während er den Lehrern zuhörte. Schon bald galten seine Schulhefte als Beweis seines künstlerischen Talents. Zu den Motiven gehörten Lehrer und Tischnachbarn, Vögel auf der Fensterbank und andere Dinge, die er aus dem Fenster beobachtete. „Doch zu meiner Lieblingsbeschäftigung zählte das Zeichnen von Porträts, so dass am Ende jede Seite meines Heftes mit einem Porträt verziert war“, sagt er. Die ersten „Aufträge“ erhielt er von seinen begeisterten Mitschülern. Im Kunstunterricht dagegen fühlte er sich meist unterfordert. „Wenn die Lehrerin uns eine Zeichenaufgabe gab, ging ich immer einige Schritte weiter und zeichnete über das Vorgegebene hinaus. So sorgte mal meine Zeichnung einer menschlichen Lippe in der Klasse für Furore; alle sagten, sie sehe aus wie abfotografiert“, erzählt der Künstler. 1995 siedelte die Familie Pabst nach Deutschland aus. Hier besuchte der 16-Jährige einen Jugendklub, um sich besser einzuleben und Deutsch zu lernen. Am meisten zog ihn aber der Kunstraum mit Stiften und Zeichenblöcken an. Eine seiner ersten Zeichnungen war ein Schädel im 3D-Effekt, der nicht nur die Gleichaltrigen beeindruckte. Nach einer Woche nahm ihn der Lehrer mit zu einer Ausstellung, bei der sich Künstler und Bildhauer der Gegend trafen. „Für mich war das sehr aufschlussreich, denn mir fiel auf, dass hier abstrakte Kunst mehr gefragt war als klassische Malerei“, erzählt Pabst. Zu Unrecht, meint er, aufgrund seiner Vorliebe für klassische, realistische Malerei. Stefan Pabst absolvierte eine Ausbildung als Maler und Lackierer. Für eine Zeitlang trat die Malerei etwas in den Hintergrund, bis er eines Tages seinem Freund ein Porträt zum Geburtstag schenkte, das er von einem Foto abgemalt hatte – zur allgemeinen Begeisterung der Gäste. Die positive Resonanz, die er immer wieder auf seine Malkreationen erlebte, motivierte ihn, sein Hobby zum Beruf zu machen. 74 Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Die Idee, in Auftrag gegebene Porträts nach Fotovorlagen zu malen, kam gut an. Nach dem Inserat „Portraitzeichnung von Ihrem Foto“ im Internet bekam Pabst Aufträge, mit der Zeit wurden es immer mehr. 2007 machte er sich als Porträtmaler selbstständig. Seitdem hat er viele Kunden glücklich gemacht. Bis zu zehn, zwölf Stunden täglich arbeitet Stefan Pabst mit Pinsel und Bleistiften in seinem Atelier in Minden. Jogging oder für ein paar Stunden in der Natur zu sein, gehört für ihn zum Ausgleich. Stefan Pabst beim Malen Mittlerweile bekommt er Aufträge nicht nur von Einzelpersonen oder Familien, sondern auch größere von Firmen oder sozialen Einrichtungen, zum Beispiel 30 Kinderporträts für einen Kindergarten oder Porträts als Geschenke für Kollegen. Auch Prominente sind unter seinen Auftraggebern, Bürgermeister, Sänger, Schauspieler, Regisseure oder Profifußballer aus Deutschland, Italien und Russland. Da viele Künstler und Kunstbegeisterte Stefan Pabst Fragen zu seiner Maltechnik stellten, kam er auf die Idee, sich bei der Arbeit zu filmen, die Videos ins Internet zu stellen und dadurch seine Arbeit für alle sichtbar zu machen. Stefan Pabst und eines seiner Bilder – zweidimensional, auch wenn es nicht so aussieht! Er eröffnete einen YouTube-Kanal (www.youtube.com/ PortraitPainterPabst), wo man anhand der von ihm produzierten Videos die Entstehung seiner Bilder verfolgen und sich Tipps holen kann. Schon ab 2009 verwendete eine amerikanische Kunsthochschule seine Bilder und Videos als Lehrmaterial. Und die online-Enzyklopädie Wikipedia nutzt Pabsts Bilder als Veranschaulichung der Porträtmalerei in Öl-Trockenpinseltechnik. Mehr dazu unter: www.portrait-gemalt-nach-foto.de (VdaW von Nina Paulsen 01 / 2016) 75 6 Anlagen Zeuge des Untergangs Eginald Schlattner (82) feiert im siebenbürgischen Rothberg regelmäßig Gottesdienst ohne Gemeinde Der Albtraum jedes Pfarrers ist im Leben von Eginald Schlattner selbstbestimmte Realität. Seit vielen Jahren feiert der 82-Jährige Sonntag für Sonntag Gottesdienst vor komplett leeren Bänken. Denn Schlattners Gemeinde Rothberg im rumänischen Siebenbürgen wanderte 1990 mit Mann und Maus nach Deutschland aus. Er will bleiben, bis zum Ende. Durch seine Beharrungskraft, die manche für Starrsinn halten und manche für verrückt, ist Schlattner zum Symbol einer untergegangenen Kultur geworden. Natürlich, es gibt noch gut 10.000 Siebenbürger Sachsen in Rumänien, aber die meisten von ihnen konzentrieren sich in den Städten, auch dort kleine Minderheiten. In vielen Dörfern leben noch vereinzelte Deutsche, sie hüten das kostbare Erbe der gewaltigen Kirchenburgen, nur manchmal gibt es noch ein evangelisches Gemeindeleben auf kleiner Flamme. „Unsere Geschichte hat sich statistisch erledigt“, sagt Schlattner. Er empfängt in einem stattlichen Pfarrhof, der den Geist alter Zeiten atmet, umgeben von alten Obstbäumen. Vor der Veranda steht eine fahrtüchtige Kutsche, Baujahr 1906, ein treffliches Symbol, dass dieses kleine Stücklein Erde aus der Zeit gefallen ist wie sein Bewohner. 76 Die meisten Besucher kommen nicht wegen des einsamen Gottesdienstes, den Schlattner bei Wind und Wetter eisern durchhält, sondern wegen seiner literarischen Meriten. „Literarischen Tourismus“ nennt er das mit feinem Spott. 1992, die Gemeinde war weg und der gebliebene Pfarrer verzweifelt, schrieb er sich in einem Roman den Frust von der Seele. „Der geköpfte Hahn“ wurde zu einem vielfach übersetzten und verfilmten Bestseller. Weitere Bücher folgten, Schlattner sprach im „ZDF Fernsehgarten“, in Lissabon und Istanbul. Überall in Europa entstanden Magisterarbeiten und Dissertationen, die sich mit seinen Büchern auseinandersetzen. So wurde er zur deutschen Stimme Siebenbürgens. Der Besuch beginnt formvollendet in der Kanzlei, einem pfarrherrlichen Arbeitszimmer mit breitem Schreibtisch und hohen Bücherregalen, wandert dann hinüber in die Wohnstube mit all ihren kostbaren Möbeln, die Freunde und Verwandte bei ihrer Auswanderung zu treuen Händen hinterließen, und endet nach einem kleinen Hausrundgang samt Küche und Bad drüben in der Kirche. Das Gespräch ist ein Spiegel dieses Weges – von der stilvollen äußeren biografischen Fassade ins Innerste der Seele, die Schlattner erstaunlich freimütig öffnet. Nun ja, seine Frau verließ ihn nach 45 Ehejahren, Schlattner zeigt ein Foto aus alten Zeiten, er sitzt neben ihr und redet, sie blickt zweifelnd: „Wir haben nie eine gemeinsame Sprache gefunden.“ Heute besorgt ihm Carmen den Haushalt, eine junge Romni. Vor vier Jahren habe sie sich, vom Bruder halbtot geprügelt, zu ihm auf den Pfarrhof geflüchtet, erzählt er, mit Kopfschütteln über die Mentalität der Roma, die sich hier mit Stolz selber „Zigeuner“ nennen: „Ihr Vater schimpfte seinen Sohn, er solle gefälligst seine Schwester nicht so behandeln wie seine Frau, bei der wärs in Ordnung gewesen.“ Schlampig sei Carmen zwar, aber ein Gottesgeschenk, denn Kochen und Putzen hat ein siebenbürgischer Landpfarrer nie gelernt. Immer, wenn Carmen kurz hereinschaut, nimmt sie die Hand des „popa sasilar“, des Sachsenpfarrers, und drückt einen strahlenden Kuss darauf. Rundschreiben Nr. 1 April 2016 Schlattner studierte Theologie erst im zweiten Anlauf. Im Mittelpunkt seiner ersten Lebenshälfte steht das Trauma seiner Biografie, die Verhaftung und Inhaftierung durch den berüchtigten rumänischen Geheimdienst „securitate“. Zwei Jahre saß er im verschärften Knast, durfte selten in den Hof und nur auf Befehl aufs Klo gehen. Diese Erfahrungen prädestinieren ihn für den Job, den er heute offiziell tut, als Gefängnispfarrer der evangelischen Kirche in Rumänien. Dass manche seiner unter Knastfolter erpressten Aussagen in Prozessen gegen Freunde und Verwandte verwendet wurden, nagt bis heute an ihm. Manche konnten sich mit ihm versöhnen, manche nicht. Es ist Mittag, Eginald Schlattner holt Talar und Barrett aus dem Schrank. Wir gehen über die Obstwiese hinüber zur Kirche, in der milden Herbstsonne tanzen die Schmetterlinge, und hinter den achthundertjährigen Mauern feiert der 99. und letzte evangelische Pfarrer von Rothberg nun die Mittagsandacht. Auf den Bänken liegen noch die wollenen Umhänge der Bäuerinnen, hinterlassen beim überstürzten Aufbruch nach Deutschland. Den Taufstein hat er wegversetzt vom Triumphbogen, drüben steht ein Sarg bereit für den nächsten der fünf evangelischen Greise, die noch hier sterben werden. Ein Schweizer Orgelbauer hat ihm vor einiger Zeit die Orgel saniert für Gotteslohn. So kann ich selber Teil dieser Geschichte werden, denn oben liegt noch ein vergessener Band mit Orgelmusik. Heute erklingt über den leeren Bänken von Rothberg Schlattners Ansprache an die Gemeinde, die an diesem Tag aus mir besteht, und anschließend Bachs d-moll-Canzona. Gemeinsam singen wir bei jubelnder Orgel: „Nun danket alle Gott“. „Wie habe ich heute gespürt, was wir verloren haben“, wird er mir tags drauf schreiben. Eginald Schlattner, literarische Stimme Siebenbürgens, vor der Rothberger Kirche. Foto: Thomas Greif (Sonntagsblatt, Ausgabe 42 / 2015 vom 18.10.2015 von Thomas Greif) 77 Herausgeber Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlingsund Spätaussiedlerfragen Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Fürstenwall 25 40219 Düsseldorf Telefon 0211 855-3612 www.mais.nrw www.landesbeirat.nrw.de Druck: Hausdruck Gestaltung: Stella Chitzos, Erkrath Diese Publikation kann per E-Mail bestellt werden: [email protected] [email protected] Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Herausgebers. Landesbeirat für Vertriebenen-, Flüchtlingsund Spätaussiedlerfragen Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Fürstenwall 25 40219 Düsseldorf Telefon 0211 855-3612 www.landesbeirat.nrw.de www.mais.nrw