Wir dürfen nicht wegschauen
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Wir dürfen nicht wegschauen
Mittwoch BERGSTRÄSSER BA ANZEIGER 2. DEZEMBER 2009 KOMMENTAR Umfrage: Die Projekte „Für Zivilcourage und Toleranz am Goethe Gymnasium“ und „Mut tut Gut“ sollen Schüler für das Thema „Gewalt“ sensibilisieren BAte über PromiKinder und ihre Vornamen „Wir dürfen nicht wegschauen“ „Apple, komm mal her!“ M anchmal frage ich mich, wieso ich das eigentlich tue, aber trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich in einem Zeitschriftenladen die Klatschzeitungen durchblättere. Wer hat sich von wem getrennt, wer ist das neue It-Girl Hollywoods und wer bekommt das nächste Kind. Beim einen oder anderen könnte man fast meinen, es sei ein Konkurrenzkampf, so nach dem Motto: Wer macht diese Woche die meisten Schlagzeilen? Es ist nicht lange her, als ich mich wieder dabei ertappte und eine solche Zeitschrift in der Hand hielt. Es war ein riesen Artikel über die Kinder der Stars und über deren Geheimhaltung. Es gibt ja viele Promis, die ihre Kinder nicht in der Öffentlichkeit zeigen wollen. Doch es war nicht das, weshalb ich mir den ganzen Artikel durchlas. Es waren die Namen der Kinder, die mir ins Auge stachen. Ich fragte mich, weshalb man einem Kind solche Namen gibt. Das Schlimme an der ganzen Sache ist ja, dass sich dieser Trend auch auf die normale Gesellschaft zu übertragen scheint. Noch hört man auf der Straße Namen wie: Laura, Lisa, Marvin und Julian. Aber in der Welt der Promis und Klatschzeitungen sieht das anders aus, da gibt es Mädchen, die den Namen Apple oder Summer tragen. Wie würden denn die Menschen darauf reagieren, wenn auf einem Mal jeder hier Wilson Gonzales, Violet Anne oder Lily-Rose Melody hieße? Ist das nur ein zeitgebundenes Schauspielerphänomen oder kommt da wirklich das neue Zeitalter der „Mein-Kindbaucht-einen-einzigartigenNamen“-Eltern auf uns zu? Traurig wäre das, denn ich bezweifle, dass es tatsächlich Kinder gibt, die mit dem ins Deutsche übersetzten Namen „Apfel“ wirklich glücklich wären. Bis neulich, eure BAte BAte IM NETZ Jede Woche gibt BAte ihren Senf zu Aktuellem, zu Themen, die sie bewegen, oder sie erzählt einen Schwank aus ihrem Leben. Wer Fragen an BAte oder Themen-Anregungen hat, schickt sie einfach per E-Mail an w [email protected] IN & OUT Was ist in dieser Woche „in“ und was ist „out“? Die BAnane hat sich für euch in Bensheim umgehört: BENSHEIM. „Für Zivilcourage und Toleranz am Goethe Gymnasium Bensheim“ – so lautete das von der Schülervertretung des Goethe Gymnasiums initiierte Projekt, das vom 9. bis 27. November Schülerinnen und Schüler für das Thema Zivilcourage sensibilisieren sollte. Neben einer Fotoausstellung, Buttonverkauf und Schülerquiz in der Schule, organisierte die Schülervertretung zusammen mit dem Verein „Fabian Salars Erbe“ und Harry Hegenbarth ein Kreativprojekt unter dem Motto „Mut ist gut“ für fast 200 Bensheimer Schüler. Gute Gründe, sich für das Thema Zivilcourage zu engagieren, gibt es viele. Denn sich für andere stark zu machen und der Gewalt entgegen zu treten, fängt schon im Klassenzimmer an, wenn ein Mitschüler Opfer von Mobbing wird. Aber auch er- schreckende Ereignisse, wie das tragische Schicksal von Fabian Salar Saremi im vergangenen Jahr, und zahlreiche Medienberichte über gewaltsame Übergriffe an U-Bahn-Stationen sind im Leben von Jugendlichen präsent und sollten deshalb auch angesprochen und diskutiert werden. Die BAnane befragte Jugendliche aus Bensheim, wie sie zum Thema Zivilcourage stehen und wie sie Zivilcourage zeigen. Florian, 18 Jahre: „Zivilcourage ist auf jeden Fall nötig. Allerdings muss man unterscheiden: Zivilcourage hat keinen Sinn, wenn man sein eigenes Leben gefährdet, indem man alleine auf mehrere trifft. Das Wichtige ist, dass man umherstehende Personen sofort anspricht mitzuhelfen, denn die Menge ist die Stärke.“ Stefanie, 18 Jahre: „Zivilcourage ist für mich jemandem in kritischen Alltagssituationen zu helfen, unterstützen und beizustehen. Man darf nicht wegschauen.“ Laurien, 16 Jahre: „Ohne Zivilcourage können Gewalt und Unterdrückung an Einfluss gewinnen. Ich möchte dazu beitragen, dass wir alle sensibler und aufmerksamer werden. Wenn wir be- herzt den kleinen Ungerechtigkeiten im Alltag entgegen treten, lassen sich größere Probleme verhindern. Daher sehen wir das Projekt an unserer Schule als Pilotprojekt, das anderen als Vorbild für eigene Aktivitäten dient und hoffentlich viele Nachahmer findet.“ Laura und Ilias, beide 15 Jahre: „Zivilcourage ist für uns sehr wichtig, da es unserer Meinung nach zu unserer Gesellschaft dazugehört sich für Andere einzusetzen, wenn sie selbst in Schwierigkeiten sind. Wir selbst haben noch keinen Fall gehabt, bei dem wir aktiv eingeschritten sind, aber bei größeren Streits in der Öffentlichkeit würden wir sofort eingreifen.“ 33 Clarissa, 15 Jahre: „Ich finde es insofern wichtig, weil die Menschen zusammen halten müssen. Aber ich kann nicht bei allem dazwischen gehen, etwa wenn ich körperlich nicht in der Lage bin, ich würde aber auf jeden Fall andere Leute um Hilfe bitten.“ Sarah, 15 Jahre: „Ich finde es wichtig, dass es Leute gibt, die so etwas machen. Ich würde Zivilcourage zeigen, wenn ich mich damit nicht selbst in Gefahr bringe oder Schwächere gefährdet werden.“ Maren Karas, Moritz Müller, Jan Giörtz, Lara Herzberg CD-Tipp: „Battle Studies“ von John Meyer spielt mit verschiedenen Genres Nachbericht: „Billy Talent“ rocken die Festhalle in Frankfurt Überraschend anders Lautstarke Talente und blaue Zehen J ohn Mayer ist ein Künstler, der durch seine Musik, aber auch durch Gerüchte um ihn bekannt geworden ist. Die Frauen Hollywoods liegen dem smarten Musiker zu Füßen. Unter anderem hatte er Beziehungen mit Jennifer Love Hewitt und Jessica Simpson – und angeblich sogar mit Heidi Klum. Zuletzt datete er die Schauspielerin Jennifer Aniston; diese Beziehung ging jedoch vergangenen März in die Brüche. Erfolge hatte der junge Musiker doch bereits einige, gerade sein Album „Continuum“ mit den Singles „Waiting on the World to Change“ und „Gravity“ war ein großer Erfolg. Siebenmal konnte er bereits die begehrte Musiktrophäe „Grammy“ mit nach Hause nehmen. Waren die frühen Alben noch von Acoustic-Pop geprägt, begann Mayer mit Musikern außerhalb dieses Stils zu arbeiten: unter anderem an „Bittersweet Poetry“ auf Kanye Wests Album „Graduation“. Unter anderem arbeitete Mayer auch mit der Blues-Legende Eric Clapton zusammen. Nun hat John Mayer sein bereits zehntes Album veröffentlicht – „Battle Studies“. Mit elf Tracks zeigt er, dass er sein „altes Talent“ nicht verlernt hat. In vielen Songs finden sich Elemente à la „Your Body is a Wonderland“. Besonders die erste Single-Auskopplung „Who says“ und „Perfect Lonely“ sind charakte- ristisch für den abwechslungsreichen Stil des 32-jährigen Amerikaners. Doch das Genre von „Battle Studies“ ist nicht einfach mit dem einstigen Pop/Rock-Mix zu umschreiben. Zum einen finden sich melancholische, fast schon pathetische Merkmale, die mit der instrumentalen Begleitung stark untermalt werden. Zum anderen tauchen immer häufiger Elemente auf, die man dem Groove Soul und sogar Country, besonders bei den Stücken mit Taylor Swift, zuordnen kann. So glänzt Titel Nummer sieben, „Crossroads“, mit vielen elektronischen Instrumenten, einem starken Gitarrensolo und einem unwiderstehlichen Rhythmus. Das Album befasst sich – vielleicht aus seinen persönlichen Beziehungsproblemen resultierend – mit der These, Liebe sei ein Schlachtfeld. Dafür sprechen Songs wie „War of My Live“, „Assassin“ oder „Heartbreak Warfare“. Diese Songs offenbaren die „härtere Seite“ des sonst eher soften John Mayer. Das Ende von „Assassin“ krönt ein powergeladenes Gitarrensolo. Zudem zeigt John Mayer in „Battle Studies“ seinen Hang zu Extremen. In „Perfectly Lonely“ sowie „Who Says“ postuliert er die Unabhängigkeit. In „Friends, Lovers or Nothing“, dem romantischsten Stück auf der „Platte“, erklärt er, in Beziehungen gelte die Devise: „Ganz oder gar nicht!“ Liebesdramen, gebrochene Herzen und dazwischen leichte Grooves – „Battle Studies“ ist das ideale Album in der herbstlichwinterlichen Jahreszeit, denn durch die Abwechslung der Genre, Themen und Instrumente kommt keine neblig-kalte Einöde auf, egal wie das Wetter draußen ist. Ob mit „Edge of Desire“ und einer Tasse Tee vor dem Kamin sitzen oder den ersten Schnee mit „Half of my Heart“ herbeiwünschen – John Mayers neues Album bietet viele neue Melodien und überrascht mit seiner neuen Seite. Die Rhythmen sind trotz der manchmal eher melancholischen Klänge stets vorantreibend und animierend. Vanessa Vogel und Benita Schader FRANKFURT. In der Festhalle in Frankfurt war die Hölle los, denn „Billy Talent“ rockten die Stadt. Seit dem 25. November ist die kanadische Band bereits auf Europa-Tournee und begeistert ihre Fans. Inzwischen sind „Billy Talent“ mit ihren drei Alben auch international sehr erfolgreich, was die Besucherzahlen der bisherigen Konzerte auch nur bestätigen konnten. Den Anfang machten jedoch die beiden Vorgruppen „Cancer Bats“ und „Silverstein“, die das Publikum in Stimmung bringen sollten – was nicht hundertprozentig gelang. Anscheinend wich die Musikrichtung der „Cancer Bats“ zu sehr von der der Hauptband ab. Jedoch retteten „Silverstein“, die einen Mix aus Emocore und Screamo präsentierten, die Stimmung. Der Name schien dem ein oder anderen bekannt zu sein, denn hier wurden schon die ersten Songs mitgesungen, obwohl „Billy Talent“ noch ein wenig auf sich warten ließen. Doch nachdem die Bühne wieder frei war, ging es los. Die Band rockte schon mit dem ersten Song „Devil in a midnight mass“ die ganze Halle. Die Fans waren begeistert. Es entstand ein guter Mix aus alten Hits und Liedern von ihrer neuen CD. Die Jungs waren super drauf und ver- standen es, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Nach der Aufforderung des Sängers, Ben Kowalewicz, fingen alle Konzertbesucher auf einmal an zu springen. Es war ein riesen Spaß, der zwar einigen einen blauen Zeh kostete, doch das war schnell vergessen, denn die Stimmung war überwältigend. Ziemlich genau um 23 Uhr verabschiedete sich die Band von ihren deutschen Fans, doch das Publikum verlangte mehr und gab keine Ruhe, bis die vier Jungs tatsächlich erneut auf der Bühne erschienen um die Zugabe zu spielen. Doch dann war wirklich Schluss. Anna Busley Billy-Talent-Frontmann Ben Kowalewicz rockte in Frankfurt. BILD: DPA Gericht: Der 88-jährige Heinrich Boere und der 89-jährige John Demjanjuk müssen sich seit November wegen Mordes verantworten NS-Kriegsverbrecher nach 65 Jahren zur Rechenschaft gezogen M ord und Verbrechen verjähren nicht. Auch mehr als 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg werden deshalb noch immer NSKriegsverbrecher vor Gericht gebracht. Unter großem Medieninteresse hat vor kurzem der Prozess gegen Heinrich Boere in Aachen begonnen. Der 88-Jährige wird angeklagt, 1944 als Mitglied eines SS-Kommandos drei Zivilisten in den Niederlanden erschossen zu haben. Bereits vor 60 Jahren hat ein niederländisches Sondertribunal Boere wegen Mordes in Abwesenheit zum Tode verurteilt – Boere war zu dieser Zeit bereits nach Deutschland geflohen. Auf der Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher stand Heinrich Boere auf Platz sechs. Obwohl er an- ders als andere NS-Verbrecher unter seinem richtigen Namen schon seit einigen Jahren in Aachen lebt, konnte er mehr als 60 Jahre der Justiz entgehen. Der Prozess soll noch bis zum 18. Dezember andauern und wird vermutlich der vorletzte große NSProzess sein. Auch der heute 89-jährige John Demjanjuk wird sich Ende November – vermutlich ab dem 30. Novem- ber – in München einem Gericht stellen müssen. Demjanjuk wurde bereits im Mai dieses Jahres nach Deutschland ausgeliefert. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Dem gebürtigen Ukrainer wird Beihilfe zum Mord in 27 900 Fällen vorgeworfen. Er soll als Wächter im deutschen Vernichtungslager Sobibor (Polen) tausende Menschen in Gaskammern getrieben haben. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, äußerte sich zu dem kontrovers diskutierten Prozess und betonte den hohen symbolischen Stellenwert des Gerichtsverfahrens: „Alle noch lebenden NS-Kriegsverbrecher sollen wissen, dass es für sie keine Gnade geben kann, egal in welchem Alter.“ Benita Schader und Vanessa Vogel Am 20. November 1945: In Nürnberg beginnt der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 쮿 24 Hauptvertreter des NS-Regimes mussten sich ab 20. November 1945 dem Internationalen Militärgerichtshof stellen. Für Florian, 17 Jahre, ist . . . . . . „in“: Papa Schlumpf . . . „out“: Zombieangriffe Der Angeklagte Heinrich Boere (links) sitzt in Aachen im Saal des Landgerichts. Der 89BILDER: DPA jährige Demjanjuk muss sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. 쮿 Warum fanden die Prozesse in anderem Hermann Göring (Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe), Rudolf Heß (Hitlers Stellvertreter in der NSDAP) und Außenminister (1938 bis 1945) Joachim von Ribbentrop. Nürnberg statt? Der Justizpalast in Nürnberg war im ansonsten zerstörten Deutschland weitgehend unbeschädigt geblieben, ferner hatte dieser Ort vor allem symbolische Bedeutung: Nürnberg war die Stadt der NSDAP-Reichsparteitage gewesen. 쮿 Die Anklagepunkte lauteten: Ver- 쮿 Jeder der vier Alliierten (Frankreich, brechen gegen die Menschlichkeit (Mord und ethnische Ausrottung), Verbrechen gegen den Frieden (Führen eines Angriffskriegs) und Kriegsverbrechen (Tötung oder Misshandlung von Kriegsgefangenen, Hinrich- Großbritannien, USA und die Sowjetunion) entsandte einen Hauptankläger. 쮿 Unter den Angeklagten waren unter Für Nicole, 16 Jahre, ist . . . . . . „in“: Vanille-Eis mit heißen Himbeeren . . . „out“: „I-love . . .“-T-Shirts Anna Busley tung von Geiseln, Verschleppung zur Zwangsarbeit). 쮿 Am 30. September beziehungs- weise 1. Oktober 1946 wurden nach fast einem Jahr Verhandlungsdauer die Urteile verkündet. Zwölf der 24 Angeklagten wurden zum Tod verurteilt; sieben Angeklagte erhielten langjährige oder lebenslange Haftstrafen. 쮿 Der wichtigste Angeklagte, Her- mann Göring, entzog sich der Todesstrafe, indem er mit Hilfe einer Zyankali-Kapsel Selbstmord beging. 쮿 Innerhalb von drei Jahren fanden in der amerikanischen Besatzungszone und vor amerikanischen Militärgerichten zwölf weitere große Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher aus Justiz, Regierung, Militär und Wirtschaft statt. Benita Schader und Vanessa Vogel