Wir wollen es schaffen

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Wir wollen es schaffen
REPORT
Natascha (19): „Für Lukas
streng‘ ich mich doppelt an“
„Zu meinen Eltern hatte ich in
meiner Kindheit nie einen besonders guten Draht – was wohl
hauptsächlich daran lag, dass sie
sehr viel arbeiteten und meine
Schwester und ich die meiste Zeit
alleine waren. Ich war schon in
meiner frühen Jugend sehr viel
mit Freunden unterwegs
und nahm mir viele Freiheiten heraus. Mit 13
lernte ich Ben kennen.
Er war 15 – und wir verliebten uns schnell ineinander. Nach einem halben Jahr, ich war gerade
14 geworden, wurde ich
schwanger.
Während
sich meine Mutter daraufhin eher von mir abwandte, wurde das Verhältnis zu meinem Vater
immer besser und enger:
Er kümmerte sich rührend um mich, stand mir
in allen Fragen mit Rat
und Tat zur Seite und
sprach mir immer wieder Mut zu, dass wir es
schaffen würden.
Als mein Sohn Lukas
(4) zur Welt kam, versuchte Ben, mit seinen
16 Jahren der Vaterrolle gerecht
zu werden. Auf lange Sicht gelang
ihm das nicht so gut, er entwickelte sich nicht so schnell weiter wie
ich in dieser Zeit, wollte keine Zukunftspläne schmieden und interessierte sich mehr für das Internet
als für mich. Ein halbes Jahr nach
Lukas’ Geburt trennte ich mich
daher von Ben. Ich kam in dieser
Situation einfach besser alleine
klar. Schulisch lief es bei mir die
ganze Zeit sehr gut – seit der
Ein Leben ohne
Kind können sich
Jeanette und Natascha heute nicht
mehr vorstellen
„Mein Vater war mein
Fels in der Brandung“
Schwangerschaft strengte ich
mich noch mehr an und schaffte
einen guten Realschulabschluss.
Heute mache ich eine Ausbildung
zur Sozialassistentin. Seit einiger
Zeit habe ich jetzt einen neuen
Partner, der bereit ist, seine Zukunft mit mir und Lukas zu planen. Dass ich schon ein Kind habe, hat ihn von Anfang an überhaupt nicht gestört. Gerne wollen
wir auch gemeinsam noch zwei
weitere Kinder bekommen und
wünschen uns ein idyllisches Leben auf dem Land – natürlich
nicht ohne Lukas.“
„Wir wollen es schaffen“
– Teenie-Mütter mit großen Plänen
Jedes Jahr werden knapp 600 Frauen unter 20 in Deutschland schwanger, wie Natascha
und Jeanette. Zwei junge Mütter, die ganz offen ihre Geschichte erzählen
ren bekommen. Sie stehen am Rand
der Gesellschaft, ausgegrenzt, nicht
ernst genommen und verurteilt.
Dabei werden längst nicht alle Teenager, die sich für ein Kind entschei-
Jeanette (21): „Ich gebe nie auf“
„Meine Kindheit verbrachte ich
bis zu meinem 16. Lebensjahr mit
meiner Mutter, die täglich Alkohol
trank. Meinen Vater lernte ich erst
mit 18 Jahren kennen. Meine Mutter hatte häufig wechselnde Partner und ständig mussten wir umziehen, da sie die Miete nicht bezahlen konnte. Mit 16 zog ich zu
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neues für die Frau
meiner Oma und lernte kurz darauf meinen sieben Jahre älteren
Freund Martin kennen. Die Pille
Dann starb auch
noch meine Mutter
nahm ich zu dieser Zeit nicht regelmäßig. Schnell wurde ich
den, diesen Vorurteilen gerecht. Bei
uns kommen zwei junge Frauen zu
Wort, die ihr Leben als Mütter meistern und Verantwortung für sich und
ihr Kind übernehmen. Beide haben
schwanger. Nach dem ersten
Schock freute ich mich auf mein
Kind, konzentrierte mich aber
dennoch bis zum letzten Tag vor
der Entbindung auf die Schule.
Die Belohnung war der Realschulabschluss, gleich im Anschluss
ging ich auf die Sozialpflegeschule der BBS. Dann wurde unsere
kleine Aliyah geboren – ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich
sie in den Armen hielt. Leider
trank Martin viel, unsere Beziehung ging in die Brüche. Als
Aliyah ein Jahr alt war, lernte ich
meinen neuen Freund kennen.
Wieder wurde ich unbeabsichtigt
schwanger. Doch nach einer
schlimmen körperlichen Auseinandersetzung mit meinem neuen
Freund verlor ich das Kind. Ich
trennte mich von ihm. Vor drei
Jahren ereilte mich dann der
schlimmste Schicksalsschlag von
allen: Meine Mutter starb an den
Folgen einer Leberzirrhose. Doch
sich von den Vätern ihrer Kinder
schon bald getrennt. Ihr Leben bekamen sie dennoch in den Griff –
auch wenn es meistens alles andere
als leicht war.
ich ließ mich nicht unterkriegen
und hielt daran fest, mein Leben in
den Griff zu bekommen – und das
ist mir auch gelungen. Ich mache
jetzt eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, die mir großen
Spaß bereitet. Heute sehne ich
mich nur noch nach einem Partner,
der mich und meine Tochter lieben
kann; nach einem, der bleibt.“
Unser Buch-Tipp
Fotos: MICHAEL PETERSOHN, Schwarzkopf & Schwarzkopf
D
u bist doch selber noch ein
Kind. Hast keine Ausbildung,
keine Wohnung und kein
Geld.“ Sätze, die Deutschlands
jüngste Mütter immer wieder zu hö-
In ihrem Buch „Teenagermütter“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro) lässt die
Journalistin und Autorin Antje
Diller-Wolff 20
junge Mädchen
und verschiedene
Expertinnen von
den Herausforderungen der frühen Elternschaft
erzählen.
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