Basler Zeitung - The Pipes and Drums of Basel
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Basler Zeitung - The Pipes and Drums of Basel
Kultur. | Freitag, 16. August 2013 | Seite 23 Das Geschäft mit der Vergangenheit Die Plattenfirmen plündern ihre Archive. Lohnt sich das noch? allem von jüngeren Zielgruppen angeklickt werden, Unterricht in jüngerer Musikgeschichte betreiben. Nina Beriger von Sony Music: «Es ist für uns wichtig, auf Streaming-Plattformen mit Katalogtiteln vertreten zu sein. Evergreens etwa von Elvis kommen sehr gut an; manche Perlen muss man den Hörern aber in entsprechenden Playlisten erst wieder näherbringen.» Und Peter Spirig bestätigt: «Meine Arbeit ist zum Teil ein Kampf gegen das Vergessengehen.» Vor dem Zusammenbruch der Plattenindustrie haben Künstler wie Jimi Hendrix um die eine Million Tonträger pro Jahr abgesetzt, die Doors setzten allein in der Schweiz jährlich um die 000 Einheiten ab. Von solchen 25 Selbstläufern können die Plattenfirmen nur noch träumen. Immerhin verkauft die Solothurner Hardrock-Band Krokus jedes Jahr noch immer um die 15000 Stück ihrer alten Alben. Das sei eine mehr als respektable Zahl für eine Schweizer Band. Sagt Bandsprecher Chris von Rohr. «Damit liegen wir wohl mit Yello an einsamer Spitze.» Von Nick Joyce Seit 36 Jahren ist Elvis Presley, eher der Fussballkaiser des Rock ’n’ Roll als dessen König, unter der Erde. Trotzdem wird er regelmässig gesichtet. Und das nicht nur von Verwirrten, die den am 16. August 1977 verstorbenen Sänger auf Parkplätzen und in Supermärkten an obskuren Ecken der USA gesehen haben wollen. Auch Elvis’ Plattenfirma Sony Music hat ihn auf dem Radar: Diesen August ist Elvis ihr Künstler des Monats – als wäre er noch am Leben. Pünktlich zu Presleys 36. Todestag veröffentlicht Sony die 3-CD-Box «Elvis At Stax», eine Zusammenstellung der Aufnahmen, die Presley 1973 in den für kernige Soul-Musik berühmten StaxStudios in Memphis einspielte. Bis jetzt war dieses Material nie als Einheit zu hören, denn Elvis’ alte Plattenfirma RCA hatte die besten Songs daraus auf verschiedene LPs verteilt. Vielleicht zu Recht, vermag einen «Elvis At Stax» doch nicht wirklich zu fesseln. Der Monat August gehört nicht nur Elvis Presley. In den nächsten Wochen gibt Sony neue Boxsets von Bob Dylan – das Kuriositätenkabinett «The Bootleg Series Vol. 10 – Another Self Portrait (1969–1971)» – und Sly & The Family Stone (die umfassende Retrospektive «Higher») heraus, bis Ende 2013 erscheinen Raritäten von Judas Priest und Bruce Springsteen. Ein Viertel des Umsatzes Sony ist nicht der einzige Musikmulti, der sein Archiv gut zu bewirtschaften weiss. Beim Marktführer Universal Music stehen im Anlauf auf den Weihnachtsmarkt Jubiläums- und Gesamt editionen von Nirvana, Bryan Adams und Dire Straits an. Die Musiker, die noch leben, sträuben sich bestimmt nicht gegen das lukrative Recycling ihres Œuvres, die längst Verstorbenen können sich hingegen nicht dagegen wehren: Kurt Cobain wäre sicher unglücklich gewesen, hätte er die Wiederveröffentlichung von Nirvanas gezielt nicht kommerziellem Al-luxebum «In Utero» (1993) als De oder gar Super-De-luxe-Package erlebt. Das Geschäft mit der Vergangenheit war schon immer ein wichtiges Standbein für die grossen Plattenfirmen, das ist es in Zeiten der rückläufigen Verkäufe immer noch: Bei Universal Music macht das Archivmaterial immerhin 25 Prozent des Gesamtumsatzes aus, beim Konkurrenten Warner Music sind es gar 30 Prozent. Laut Peter Spirig, der bei Universal Schweiz den sogenannten Backkatalog betreut, sind vor allem die 30- bis 50-Jährigen bereit, Geld für schön aufgemachte De-luxe- oder Super-De-luxeEditionen von Klassikern aus den verschiedenen Sparten auszugeben. Die jüngeren Hörer, so Ralf Brachat, Geschäftsführer von Warner Music Switzerland, «müssen die Musik nicht mehr Lebendiger Toter. Elvis Presley ist heute vor 36 Jahren gestorben. Foto Keystone zwingend besitzen, sie konsumieren sie vorwiegend». Die Musikmultis haben aber nicht nur die kaufkräftigen Sammler im Visier. Sie wollen auch jene Musikfans bedienen, die alle Alben eines bestimmten Musikers haben wollen, aber wenig Geld dafür ausgeben können oder wollen. Bei den für diesen Markt gemachten kleinen Boxsets, wo die Original alben in einfachen Kartonhüllen präsentiert werden, kommen Sammler für wenig Geld an Musik von Duke Ellington oder Roxy Music heran. Trend zum Downloaden Jüngere Musikfans würden sich durchaus für das Archivmaterial inter- essieren, meint Peter Spirig, sie würden immer noch die Standardversionen der Klassiker kaufen. Allerdings beziehen sie ihre Musik über andere Kanäle. So stellt Nina Beriger, Spirigs Pendant bei Sony Music, eine Tendenz zum OnlineBezug fest: «Grund dafür ist sicher, dass beim digitalen Einkauf spontanere Aktionen des Konsumenten möglich sind als bei physischen Tonträgern: Man kann sich während eines Konzert besuchs ein Album auf iTunes herunterladen. Wahrscheinlich besteht digital noch ein gewisser Nachholbedarf, das persönliche Musikarchiv mit Titeln aus dem Backkatalog aufzufüllen.» Allerdings muss man über Streaming-Plattformen wie Spotify, die vor Mit 18 Monaten schon alt Die zunehmende Schnelllebigkeit der Musikindustrie ist nicht spurlos am Geschäft mit dem Backkatalog vorbeigezogen, sagt Ralf Brachat von Warner Music Switzerland. Das gesteigerte Tempo habe die Definition dessen verändert, was heute als Archivmaterial gelte: «Aus dem Warner Repertoire kommen stetig Neuheiten als Backkatalog heraus, sobald sie älter als 18 Monate sind.» Tatsächlich werden Titel, die erst gerade in den Hitparaden waren, schnell mit zusätzlichem audiovisuellem Material gepolstert und als Platinoder Tour-Edition wiederveröffentlicht. Die Liste der Künstler und Künstlerinnen, die ihre Umsätze mit solchen Bauernfängertaktiken aufbauschen, reicht von Beyoncé bis Bligg. Dass sich das Geschäft mit dem Backkatalog lohnt, zeigt die Tatsache, dass einige Zusammenstellungen sozusagen Klassikerstatus erreicht haben. Diesen Herbst bringt Sony Music die 4-CD-Box «The Jimi Hendrix Experience» wieder heraus, die ursprünglich im Jahre 2000 pünktlich zum 30. Todestag des Gitarristen erschienen war. Da muss schon etwas an dieser luxuriös aufgemachten Zusammenstellung von rarem und unveröffentlichtem Material sein, dass es nach 13 Jahren neu aufgelegt wird. Ganz abgesehen davon, dass Sony Music 2009 viel Geld für die Lizenzrechte an Hendrix’ Musik bezahlte. Über die genaue Summe schweigen sich die Vertragsparteien allerdings aus. Für Hendrix’ Nachlassverwalter hat sich der Verkauf bestimmt gelohnt. Ob sich dieses Geschäft mit der Vergangenheit für Sony Music rechnet, muss sich noch zeigen. Zu viel des Guten Elvis Presley: «Elvis At Stax», Sony Music, 3 CDs. «Elvis At Stax» bringt die Aufnahmen zusammen, die 1973 in den Stax- Studios in Memphis entstanden: Die Drei-CD-Box zeigt Presley in Hochform. Er singt die Soul-, Country- und Rock-Nummern mit vollem Bariton und lacht schon mal in die Songs hinein. Die Aufnahmen sind digital aufgefrischt worden, der volle Vinyl-Klang der 70er-Jahre ist bei der Überarbeitung nicht verloren gegangen. «Elvis At Stax» ist ein authentisches Dokument einer kreativen Blütezeit. Die Höhepunkte aus der Box sind allerdings schon lange erhältlich. nj Gegen das Vergessen Sly & The Family Stone: «Higher», Sony Music, 4 CDs. Nach James Brown war Sly Stone wohl die innovativste Kraft in der schwarzen Musikszene der späten 60er-Jahre. Der heute 70-jährige Allrounder hat allerdings seit drei Jahrzehnten keine brauchbare Musik mehr zustande gebracht, das Comeback unter den alten Bandnamen Sly & The Family Stone geriet 2007 zum Fiasko. Die 77 Stücke starke Box «Higher» erinnert an die Zeit, als Stone Rock, Soul und Psychedelik ineinander fliessen liess und so ein buntes Kontrastprogramm zu James Browns strassennaher Funk-Variante d arstellte. nj Nur für Sammler Bob Dylan: «The Bootleg Series Vol. 10 – Another Self Portrait (1969–1971)», Sony Music, 2 CDs. Die 1991 lancierten «Bootleg Series» bedienen die Nachfrage nach Raritäten von Bob Dylan. Der zehnte Teil dieser Reihe beleuchtet die schwierige Schaffensphase 1969–1971, als Dylan sein Publikum mit Abstechern in Richtung Country, fragmentarisch wirkenden Songskizzen und atemberaubend schöner Musik verwirrte, entsetzte und verzückte. Hier sind Heim- und Demoaufnahmen zu hören sowie alternative Versionen der Songs aus den Alben «Nashville Skyline», «Self ortrait» und P «New Morning»). nj Nachrichten Das Highlight für Pipes and Drums Der Schriftsteller Slawomir Mrozek ist tot Basler Dudelsackspieler und Trommler reisen für die Weltmeisterschaft nach Schottland Nizza. Der polnische Schriftsteller und Satiriker Slawomir Mrozek ist 83-jährig gestorben. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das Theaterstück «Tango» aus dem Jahre 1964, eine Abrechnung mit dem Totalitarismus. Sein Stück «Die Emigranten» wurde von Andrzej Wajda verfilmt. SDA Freispruch für Künstler Jonathan Meese Kassel. Im Prozess um den verbotenen Hitlergruss ist der deutsche Künstler Jonathan Meese am Mittwoch freigesprochen worden. Vor dem Amtsgericht war Meese das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen worden. Er hatte in einem Gespräch zum Thema «Grössenwahn in der Kunst» in Kassel die «Diktatur der Kunst» gefordert und den Arm zweimal zu dem verbotenen Gruss gehoben. SDA Von Jeannette Weingartner Glasgow. Die Dudelsackband Pipes and Drums of Basel gönnt sich zu ihrem 35-jährigen Bestehen ein besonderes Geburtstagsgeschenk: Für neun Tage reist sie nach Schottland, um an den Weltmeisterschaften der Pipe-Bands in Glasgow teilzunehmen. Die «World Pipe Band Championship» in Glasgow gehört zu den grössten Wettbewerben für Dudelsackspieler und Drummer. Die Pipes and Drums of Basel schicken insgesamt 16 Musiker nach Schottland. Am letzten Wochenende starteten sie in der selben Forma tion in North Berwick und in Perth, Schottland, an den Highlandgames, in denen sie am Samstag den siebten und am Sonntag den hervorragenden zweiten Platz belegten. Für das kommende Wochenende stehen die Basler nun auf den Startlisten der Championships in Glasgow. Doch wie kommt es, dass eine Schweizer Band an einem solchen Event teil- nehmen kann? «Im Grunde genommen kann sich jeder anmelden, es finden keine Vorentscheidungen oder dergleichen statt», sagt die Dudelsackinstruktorin der Basler, Alexandra Gross. Sowohl die Registration als auch die Reise und der Transport sind ziemlich kostspielig. Zahlenmässig gibt es in den USA am meisten Dudelsackspieler. Die geografische Nähe zu Glasgow erklärt die schottische und irische Überzahl auf den Startlisten. Zungenbrecher «Piobaireachd» An den Weltmeisterschaften in Glasgow werden in den höheren Graden unter anderem sogenannte «Piobaireachd» verlangt. Das Wort, ausgesprochen «Pi-Broch», stammt aus dem Gälischen und bedeutet nichts anderes als Der dritte Tag in Schottland. Die Pipes and Drums of Basel erreichten an den Highlandgames in Perth letzten Sonntag den zweiten Platz. «Dudelsack spielen». Die Stücke – bei denen jeglicher Takt fehlt – stammen aus dem 16. Jahrhundert und basieren allesamt auf mündlicher Überlieferung. Alexandra Gross wehrt sich gegen die Annahme, dass die Pipes and Drums of Basel «bloss» Militärmusik spielten. Der Fokus der Pipes liege auf Konzerten und Wettbewerben, die sich auf alte schottische Traditionen beziehen und mehr auf Folkmusic als auf Märsche. Zu ihrem Repertoire gehören Medleys, bei denen Strophen von verschiedenen Stücken absatzlos aneinander gereiht werden. Die Pipes and Drums of Basel starten im Grade 4B, der untersten Kategorie der Championships. Zu den Chancen der Basler, einen der vorderen Plätze zu erreichen, meinte ein Drummer: «Unser Ziel ist es, das Final zu erreichen. An einen Aufstieg mit nur einer Teilnahme ist nicht zu denken. Wir müssen realistisch bleiben. Die Konkurrenz ist gross – und trotzdem versuchen wir unser Glück!»