Erstausgabe 2008 Überarbeitung 2012 Psychologie der
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Erstausgabe 2008 Überarbeitung 2012 Psychologie der
Mag. Erich Hackl Psychologie der Persönlichkeit Inhalt Persönlichkeit Tiefenpsychologische Erklärungsmodelle Das Jugendalter Psychische Störungen Erstausgabe 2008 Überarbeitung 2012 Inhaltsverzeichnis 1. Persönlichkeit Tiefenpsychologische Erklärungsmodelle 5 1.1 Begriffliche Abgrenzung 5 1.2 Persönlichkeitsmodell Sigmund Freuds 7 1.3 ES, ICH, ÜBER-ICH 7 1.3.1 ES 8 1.3.2 ICH 8 1.3.3 ÜBER-ICH 8 1.4 Dynamik der Persönlichkeit 9 1.4.1 Möglichkeiten der ICH-Schwäche 9 1.4.2 Fallbeispiel 9 1.5 Angst und Abwehr 10 1.6 Unbewusste Abwehr 11 1.7 Weitere Abwehrmechanismen 13 1.8 Fallbeispiele – Abwehrmechanismen 15 1.9 Schema der Libidoentwicklung (Freud) 17 1.10 Die individualpsychologische Theorie (A. Adler) 19 1.10.1 Die Zielgerichtetheit des menschlichen Lebens 19 1.10.2 Das Minderwertigkeitsgefühl 20 1.10.2 Das Gemeinschaftsgefühl 21 1.11 22 Analytische Psychologie (C. G. Jung) 1.11.1 Wesen und Struktur der Psyche 22 1.11.2 Extraversion und Introversion 23 1.11.3 Die Persona 24 1.11.4 Der Schatten 24 1.11.5 Animus und Anima 24 1.11.6 Archetypen 25 1.11.7 Methoden der Therapiearbeit: 25 1.12 26 Persönlichkeitsentwicklung nach Erik H. Erikson 1.12.2 Entwicklungsstadien nach Erikson 26 1.12.3 Persönlichkeitstheorien im Vergleich 29 1.13 29 Existenzanalyse und Logotherapie nach Viktor E. Frankl 1.13.1 Exkurs: Humanistische Psychologie 30 2. Das Jugendalter 33 2.1 Vorpubertät 33 2.1.2 Präpuberaler Wachstumsschub und geschlechtliche Differenzierung 33 2.1.2 Problem der Akzeleration 34 2.1.3 Psychische Auswirkungen der Akzeleration 34 2.1.4 Probleme im Zusammenhang mit Spätentwicklern 35 2.1.5 Erscheinung der Vorpubertät beim Knaben 35 2.1.6 Die Beziehung zu Eltern und Lehrern 35 2.1.7 Besondere Erscheinungen der Vorpubertät beim Mädchen 35 2.2 36 Pubertät und Adoleszenz 2.2.1 Entwicklungsaufgaben für den Jugendlichen 37 2.2.2 Das Coping 37 2.2.3 Biologische Grundlagen 38 2.2.4 Sexualität 38 2.2.5 Soziale Integration 38 2.2.6 Identitätsfindung als zentrale Aufgabe 39 2.3 Aktuelle Tendenzen der Jugendforschung 39 3. Psychische Störungen 41 3.1 Neurosen 41 3.1.1 Ursachen von neurotischem Verhalten 42 3.1.2 Formen der Neurose 42 3.1.3 Psychose 44 3.1.4 Formen der endogenen Psychose 44 3.1.5 Modelle psychischer Störungen 46 3.1.6 Mögliche Störungen von Persönlichkeitsstrukturen…. 47 3.1.7 Fallbeispiele zu psychischen Störungen 49 1. Persönlichkeit Tiefenpsychologische Erklärungsmodelle Vorbemerkung: In der Persönlichkeitspsychologie sind sehr viele unterschiedliche Theorien entwickelt worden. Je nach Standort des Wissenschaftlers treten in den Definitionen andere Schwerpunkte zutage: Ein Großteil der neueren Definitionen betont die Komplexität oder Einzigartigkeit des (lebenslangen) Persönlichkeitsaufbaus und glaubt nicht bloß an eine Ansammlung bestimmter Eigenschaften. Persönlichkeit (ganzheitlicher Ansatz) (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 520) Ideographische Ansatz Bei diesem Ansatz werden die Persönlichkeitseigenschaften jedes Menschen als einzigartig gesehen, wo durch statistische Berechnungen dieses Einzigartige verlorengeht Nomothetische Ansatz Bei diesem Ansatz wird angenommen, dass universelle, allen gemeinsame Eigenschaftsdimensionen die Grundstruktur der Persönlichkeit bilden Klassische Definition: (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 520) Unter Persönlichkeit versteht man jene relativ dauerhaften Wesenszüge und Disposition des Individuums, die sich im Laufe der Zeit zu einem Verhaltensmuster verfestigt haben, welches es von anderen Individuen unterscheidet. Definition 2: (Vgl. Hillgards et.al; 2001, S 443) Persönlichkeit ist als das einzigartige und charakterliche Muster an Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen definiert, das den persönlichen Stil eines Individuums bei der Interaktion mit der Umwelt ausmacht 1.1 Begriffliche Abgrenzung Person Persönlichkeit Charakter Typus unterteilbare Einheit im menschlichen Sein individuelle, relativ dauerhafte, Ausstattung der heute oft als Synonym von Persönlichkeit Versuch, Menschen nach bestimmten Kategorien (philosophisch) Person gebraucht; Prozess der Personwerdung Personalisation (besonders ausgeprägte Eigenschaften) (Gesamtkomplex an beschreibt Merkmalen und wesentliche Eigenschaften) Verhaltens- und vereinfacht zu Einstellungsmerkmale ordnen: In der Psychologie des Menschen oft als Synonym für Idealfall = Typus (Betonung der Persönlichkeit Anlagebedingtheit) gebraucht (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 520f) Allen tiefenpsychologischen Persönlichkeitsmodellen ist gemeinsam, dass sie dem Unbewussten die entscheidende Rolle bei der Bestimmung der menschlichen Persönlichkeit zuerkennen. Weiters wird auf die große Bedeutung der frühkindlichen Erfahrungen und ihrer Verarbeitung hingewiesen. Kurzer Überblick über wichtige Theorien (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 520ff) Persönlichkeitstheorien sind eine Reihe von Annahmen über die Struktur und Funktion individueller Persönlichkeiten. Sie dienen Psychologen zur möglichen Vorhersage. Verschiedene Theorien ermöglichen unterschiedliche Vorhersagen, wie sich Menschen unter bestimmten Bedingungen verhalten werden. EigenschaftsKognitive und Theorien Sozialkognitive (Faktorentheorien) Ansätze Hippokrates Allport Eysenck ReizReaktionsrepertoi re („Habits“; Gewohnheitsmuster) Bandura Kelly Psychodynamische Theorien Humanistische Ansätze Besondere Bedeutung haben unbewusste Determinanten des Erlebens und Verhaltens durch Triebe und Bedürfnisse. Beziehung des Individuums zu sich selbst (Selbstkonzept) S. Freud Adler G. Jung usw. Bewusstheit psych. Geschehens; Prozesscharakter; Beziehungen zur Umwelt Maslow Carl R. Rogers usw. 1.2 Persönlichkeitsmodell Sigmund Freuds Sigmund Freud wurde 1856 in Freiberg (Mähren) geboren. 1860 zog er nach Wien, wo er Medizin studierte. Nach seinem Studium widmete er sich als Nervenarzt besonders der Erforschung psychisch bedingter Erkrankungen. Nach einem Frankreichaufenthalt beim Pariser Neurologen Jean-Martin Charcot (Hysterie, Hypnose) ließ er sich 1886 in Wien mit einer Praxis nieder. In der Folge entwickelte er die Theorie über Entstehung von Neurosen, die er Psychoanalyse nannte. Seit 1902 war er Titular-Professor in Wien (kein Lehrstuhl!). 1938 Emigration nach London – ein Jahr später verstorben (1939). (Vgl. Lahmer; 2010, S. 241) Unbewusste Motivation Freud betonte die Existenz des unbewussten Seelenlebens (Welt von Trieben und Gedanken), also das Verborgene, um Angst zu vermeiden. Freud hatte in Paris (bei Charcot) die Hypnose bzw. posthypnotische Suggestion gesehen. Der Hypnotiseur brachte die Personen dazu, sich an traumatische Erlebnisse zu erinnern. Durch das kathartische Wiedererinnern konnten die psychischen Neurosen abgeführt werden. Im täglichen Leben gibt es in emotionalen Situationen oft Reaktionen, die von unerkannten (unbewussten) Motiven angetrieben werden. Freud entwickelte die Bewusstseinsstufen, wo das Bewusste, das Vorbewusste und das Unbewusste eine tragende Rolle im psychischen Apparat spielen. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 241f) Ursprünglich Bewusstes wird aufgrund von Realitäts- und Erziehungsansprüchen (z.B. beschämender Misserfolg, mit Verbot belegte Wünsche, peinliche Gefühle) ins Unbewusste „abgeschoben“. Verdrängte Inhalte bleiben aber erhalten und können indirekt (z.B. in Träumen, Fehlleistungen, neurotischen Symptomen Abwehrmechanismen) wirksam werden. 1.3 ES, ICH, ÜBER-ICH (V g l. S pri n ger -K r emse r; 19 9 4 , S 35 f f) Freud spricht vom psychischen Apparat, der aus mehreren Instanzen besteht. Diese Instanzen stehen in dynamischer Wechselwirkung und bewirken das Verhalten des Individuums. Mit zwei wesentlichen Arbeiten führte Freud diese neue Theorie in die Psychoanalyse ein. Für die Zuordnung zu diesen Instanzen war nicht mehr die Bewusstseinsfähigkeit ausschlaggebend, sondern auf welcher Seite die innerpsychischen Konflikte in den einzelnen Elementen sind. (Vgl. Springer-Kremser; 1994, S. 36) Abbildung 1: Der psychische Apparat (Vgl. Springer-Kremser; 1994, S. 36ff) 1.3.1 ES Ist die älteste psychische Instanz und beinhaltet alles, was vererbt und bei der Geburt mitgebracht wurde, vor allem die Triebe. Das ES stellt den Urgrund, das, aus dem sich die beiden anderen Instanzen bilden, dar. Dafür liefert das ES die Energie. Es ist das Energiereservoir für die gesamte Persönlichkeit. ES kennt weder gut noch böse. Es strebt nur nach Lustgewinn (Eros, Libido = Lebenstrieb: Thanatos = Todestrieb). 1.3.2 ICH Dem ICH kommen die bewussten Erkenntnis-Funktionen zu. Das ICH versucht die aus dem ES aufsteigenden Triebimpulse und seinen Drang nach Befriedigung mit den realen Gegebenheiten in Einklang zu bringen (Realitätsprinzip). Das ICH erweist sich als das „eigentliche Anpassungsorgan“, das wahrnimmt, denkt, plant und entscheidet. Das ICH bildet sich bereits im Kleinkind. Verhältnis: ICH: ES ist im Verhältnis wie der Reiter: Pferd Pferd liefert Energie und Kraft, Reiter bestimmt Ziel und leitet die Bewegungen. Manchmal verliert jedoch der Reiter die Herrschaft über sein Pferd ... 1.3.3 ÜBER-ICH Das Über-Ich entspricht etwa dem Gewissen (Moralitätsprinzip). In der Kindheit werden Forderungen an das ICH (Ge- und Verbote) akzeptiert und internalisiert. Es werden weitgehend Wunschvorstellungen anderer Autoritäten (Eltern, Lehrer, Chefs, gesellschaftl. Normen ...) vermittelt. 1.4 Dynamik der Persönlichkeit Diese drei Instanzen ES, ICH, ÜBER-ICH stehen in ständiger Wechselbeziehung. Das ICH hat in diesem Zusammenspiel eine zentrale Funktion. Es kämpft gegen das ES, das ÜBER-ICH und die Forderungen der Realität. Aus diesen Kämpfen können sich seelische Störungen ergeben (Konfliktsituationen, Angst, Schuldgefühle). 1.4.1 Möglichkeiten der ICH-Schwäche wenn entweder eine der beiden Instanzen oder die Realität über das ICH siegen Das ES siegt über das ICH. Das ÜBER-ICH siegt über das ICH. Die Realität siegt über das ICH. Fallbeispiel: August, 14 Jahre alt, möchte sehr gerne ein Mountainbike haben, doch seine Eltern geben ihm nicht das nötige Geld. Eines Tages sieht der Jugendliche vor einem öffentlichen Gebäude in einem Fahrradständer ein Fahrrad stehen, das nicht abgesperrt ist und genau seinen Wünschen entspricht. Reaktion: ES: ÜBER-ICH: ICH: 1.4.2 Fallbeispiel Werner (Lehrling) fühlt sich seit längerem von seinem Chef ungerecht behandelt. Als er nach einigen Tagen Krankenstand wieder zur Arbeit erscheint, lässt ihn der Chef zu sich rufen und wirft ihm mangelnden Einsatz vor. Reaktion ES: ÜBER-ICH: ICH: Schlussfolgerungen für die Erziehung (zum Aufbau eines starken ICHs) Diskussion 1.5 Angst und Abwehr Der pathologischen Verdrängung gliedern sich „normale“ Abwehrmechanismen an, von denen (neben weiteren, etwa die Selbstverleugnung, der Starrsinn, die Tatsachenignorierung) die wichtigsten dargestellt sind. Freud hat auf die entscheidende Rolle der Sexualentwicklung in der Kindheit für die Persönlichkeitsentwicklung hingewiesen. Demnach gibt es keine asexuelle, „unschuldige“ Kindheit, sondern bereits im 1. Lebensjahr verspüren Kinder sexuell getönte Lustempfindungen. Die Entwicklung der Libido, d.h. der sexuellen Energie, wurde von Freud in mehrere Phasen aufgeteilt (psychosexuelle Phasen). Die Bedürfnisbefriedigung erfolgt dabei je nach Phase durch die Reizung verschiedener „erogener“ Körperbereiche (z.B. Mund, After, Genitalien). (Vgl. Lahmer; 2010, S. 244) Ein Ausbleiben der Befriedigung (wie auch ein Übermaß) kann zur Ursache innerpsychischer Konflikte werden ( Fixierung = Festhalten an Verhaltensweisen, die einer früheren Stufe der Libidoentwicklung entstammen). Wünsche, Bedürfnisse, die vom ÜBER-ICH nicht zugelassen werden, können beim Menschen verschiedene Ängste (z.B. vor Strafe), Gewissensbisse, Schuldgefühle auslösen. Um Angst zu vermeiden oder zu verringern, setzt das ICH Schutzmaßnahmen ein, die die Ansprüche vom ES abwehren, unbewusst machen und somit drohende Konflikte vermeiden sollen. Diese Schutzmaßnahmen nennt man Abwehrmechanismen. Es findet eine Verdrängung statt. (Vgl. Springer-Kremser; 1994, S. 42ff) ÜBER-ICH (Filterfunktion) Spannungsfeld ES (Ansprüche) ICH (bewusste oder unbewusste Abwehr) Schutz vor seelischen Konflikten Bewusste Abwehr (z.B. vor Scham, Angst, Schuldgefühl, Aggression): flüchten, angreifen, argumentieren, entschuldigen, lernen, ertragen, täuschen... Unterschiede ICH-Befreiung: Abwehrmechanismen (Verdrängen) ICH-Befreiung: z.B. bewusste Auseinandersetzung (Lösung des Konflikts) Ziel des Verhaltens: Minderung der Spannung 1.6 Unbewusste Abwehr - Abwehrmechanismen Projektion (Vgl. Lahmer; 2010, S. 248) Die Projektion ist ein Zeichen für unvollständige Verdrängungen, denn Triebimpulse aus dem ES und Impulse aus dem ÜBER-ICH, die man selbst verdrängen will, werden bei anderen Menschen wahrgenommen und vielleicht bekämpft. Bsp.: Nicht ich bin aggressiv – die anderen zeigen ein aggressives Verhalten. Die Angst vor gleichgeschlechtlichen Regungen bewirkt, dass man anderen Personen Homosexualität unterstellt oder Homosexuelle sogar bekämpft. Abbildung 2: Projektion Reaktionsbildung (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Um die Verdrängungen zu sichern, wird im Bewusstsein das Gegenteil des zu Verdrängenden fixiert. Z. B. kann unerwiderte Liebe in Hass – (Zynismus) gegen die geliebte Person umschlagen. Besonders auffällige, übersteigerte Höflichkeit kann die Reaktionsbildung auf aggressive Wünsche sein; Reaktionsbildung auf Furcht kann Tapferkeit bedeuten; übertriebene Fürsorge einer Mutter um ihr Kind. Abbildung 3: Reaktionsbildung Ein empfindsamer Menschenkenner erkennt Reaktionsbildung vor allem an ihrer übertriebenen Intensität. Verschiebung (Substitution) (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Wünsche und Bedürfnisse, die sich nicht am Original befriedigen können, werden an einem Ersatzobjekt realisiert. Bsp.: Ein Schüler, der auf einen Lehrer wütend ist, tobt sich aus nichtigem Anlass bei seinem jüngeren Bruder aus. Ein kinderloses Ehepaar betreut seinen Hund mit besonderer Hingabe. Abbildung 4: Verschiebung Sublimierung (Vgl. Springer-Kremser; 1994, S. 42ff) Nicht zugelassene Wünsche und Bedürfnisse werden umgesetzt in Leistungen, die sozial erwünscht sind oder sogar hoch bewertet werden. Sublimierung aggressiver Impulse in Sport und Kampfspielen, Berufsrivalität Sublimierung sexuell-erotischer Impulse in karitative Tätigkeiten, in geistig-kulturelle Leistungen. Abbildung 5: Sublimierung 1.7 Weitere Abwehrmechanismen Regression (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Bei Frustration und Enttäuschungen greift das ICH auf frühere Stadien der erfolgreichen Lebensbewältigung zurück. Bsp.: Wenn ein vierjähriger Bub bereits sauber war und wieder zum Bettnässer wird, weil er ein Geschwisterchen bekommen hat, handelt es sich um Regression (drohender Liebesverlust: Rückgriff, um stärkere Aufmerksamkeit der Mutter zu binden...). Bsp.: Mädchen wurde mehrere Male sehr enttäuscht … Sie wendet sich wieder ihrer Freundin zu... Rationalisierung (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Gefühlsbetonte Entscheidungen, die wir uns nicht eingestehen wollen (ungerechtfertigtes, unerlaubtes, nachteiliges Verhalten). Um solches Verhalten vor uns selbst und vor anderen zu rechtfertigen (Selbstwertgefühl, Ansehen darf nicht beeinträchtigt werden!), versuchen wir es mit „vernünftigen“ = rationalen Erklärungen zu begründen. Bsp.: Der verschmähte Liebhaber erklärt, dass das Mädchen in Wahrheit gar nicht anziehend war. Missliche Situation: Man rationalisiert diese so, als habe sie in Wirklichkeit auch gute Seiten! Identifikation (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Angst kann vermieden oder vermindert werden, indem sich jemand mit anderen Personen identifiziert, um dadurch Schutz zu erlangen (er erlebt die Bedrohung nicht mehr allein, sie ist jetzt gegen die Gruppe gerichtet). Asoziales Verhalten fällt in der Gruppe leichter (man fühlt sich gedeckt). Identifikation mit dem Angreifer: Das ICH versetzt sich in die Rolle dessen, durch den es bedroht wird. Bsp.: Ein 16-jähriges Mädchen kommt zu spät nach Hause und läutet an der Haustür. Die Mutter öffnet. Die Tochter überhäuft die Mutter mit Vorwürfen wegen des verspäteten Aufmachens... Kompensation (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 534) Tatsächliche oder auch nur eingebildete körperliche oder geistige Minderwertigkeit wird auszugleichen versucht, so etwa durch „Angeben“. Konversion (Vgl. Springer-Kremser; 1994, S. 50) Bedeutet „die Umwandlung psychischer Spannungen und Konflikte in körperliche Symptome“, „wobei aber der Körper – organisch gesehen – unversehrt bleibt.“ Konversionsneurosen (z. B. Tics, Stottern); Konversionshysterie (z .B. krampfartige Anfälle, hysterisches Lachen u.a.) Abwehrmechanismen können den Übergang zu Ausdruckformen psychischer Störungen (z.B. Neurosen) bilden. Ein längeres starres und übertriebenes Einsetzen von Abwehrmechanismen führt nach der psychoanalytischen Lehrmeinung zu psychischen Störungen. Abwehrneurosen sind psychische Erkrankungen, bei denen für die Erkrankten die üblichen Abwehrmechanismen nicht ausreichen und zusätzliche neurotische Abwehrmechanismen zur Erzielung des Verzichtes aufgeboten werden müssen. Abbildung 6: Abwehrmechanismen 1.8 Fallbeispiele – Abwehrmechanismen Udo, ein pubertierender 14-Jähriger, erlebt bei seiner großen Liebe – Renate – ständig eine Abfuhr. Schließlich meint er, dass sie ihm ohnedies zu dumm wäre. Während eines Fußballspiels wird ein Spieler vom Turnlehrer ausgeschlossen. Der Schüler geht in die Umkleidekabine, schlägt wütend die Tür hinter sich zu, zieht sich die Fußballschuhe aus und schleudert sie gegen die Wand. Der vierjährige Gerhard war schon „sauber“, beginnt aber, seitdem die Mutter wieder berufstätig ist, einzunässen. Herr A. hat oft Streit mit seiner Frau. In seiner beruflichen Arbeit ist er ausgesprochen erfolgreich. Er engagiert sich derart, dass auch ein großer Teil seiner Freizeit mit beruflichen Tätigkeiten ausgefüllt ist. Frau M. ist mit ihrer Ehe sehr unzufrieden. Auf einem Maskenball erscheint sie in einem sehr „offenherzigen“ Kostüm und genießt es sichtlich, mit verschiedenen Tanzpartnern zu flirten. Zu ihrer Freundin sagt sie allerdings, dass sie die Zudringlichkeit nicht leiden kann. Frau S. versäumt keine Gelegenheit, ihren Freund, der sie verlassen hat, den sie aber nach wie vor liebt, bei anderen Leuten schlecht zu machen. Peter ist körperbehindert (Rollstuhl). Er ist durch sämtliche Klassen der Mittelschule immer der Beste seine Klasse. Maria S. ist seit vielen Jahren Witwe und hat auch keine Kinder. An einem Kanarienvogel leitet sie ihre Zärtlichkeitsbedürfnisse ab. Untersuchung (Brunswi und Sanford): Auf konventionelle Moral bedachte Studentinnen bezichtigen andere „minderwertige“ Gruppen ihre Sexualität hemmungslos auszuleben. Herr B. kontrolliert vor jeder Fahrt genauestens, ob sein Auto auch verkehrssicher ist. Er begründet dies vor Mitfahrern, dass die Werkstätten schon viele gravierende Mängel übersehen hätten. „Wer angibt, hat’s nötig!“ In einer Kampagne gegen das Rauchen wurde ein Plakat eingesetzt, das einen erwachsenen Mann darstellt (Porträt), der statt einer Zigarette einen Schnuller im Mund hat. Auf die Frage, was sie sich zum Geburtstag wünsche, antwortet die vierjährige Lisa unter Bezugnahme auf ihren zwei Jahre älteren Bruder Paul: „Ich würde gerne Paul sein, denn dann könnte ich Lisa an den Haaren ziehen.“ Denken Sie nach, ob Sie selbst solche Mechanismen einsetzen. Beziehen Sie folgende Fragen mit ein: Finden Sie Fehler, die Sie bei anderen kritisieren, auch bei sich selbst? An wem lassen Sie meist Ihren Ärger, Ihre Wut aus? Gleichen Sie mangelnde Erfolge (...) durch besondere Aktivitäten auf anderen Gebieten aus? Haben Sie „Sündenböcke“, d.h. Leute, auf die Sie eigenes Versagen, eigene Schuld abschieben? 1.9 Schema der Libidoentwicklung (Freud) (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungFreud.shtml) Alter Bezeichnung Lustquelle: Mögliche innerpsychische Konflikte: 0–1 Lj. 2–3 Lj. 4–5 Lj. 6–12. Lj. ab dem 12. Lj. orale Phase anale Phase phallische Phase Latenzperiode genitale Phase Mund, Saugen, Lutschen, Streicheln, zärtliches Berühren After, Stuhlgang, Spielen mit Ausscheidungsorgane Genitalien, „DoktorSpiele“, „Sich-nacktzeigen-und-sehenWollen“ Triebregungen treten in den Hintergrund – „Sachinteresse“ Sexualorgane, Anteil aller Phasen: Küssen, Streicheln, “Sehen-Wollen“ usw. Fehlende Wärme und Zuneigung nach Geborgenheit; Angst u. Streben nach Sicherheit, Urmisstrauen: Urvertrauen, pessimistische Lebensgrundlage Strenge Ödipuskomplex Reinlichkeitserziehung (Begehren des gegengeschlechtlichen (Hergeben : Elternteils) Festhalten), Kastrationsangst beim Verweigerungstenden Jungen; Penisneid beim zen, Ängste zu Mädchen (Gefühl der Leistungszwängen, Minderwertigkeit) Ablehnung des eigenen Körpers – Ekel; Beziehung zum ICH Säuglinge u. Folgerungen für Kleinkinder benötigen die viel emotionale Erziehung: Zuwendung, feste, dauerhafte Pädagogische Psychologie Geduld! Ausbildung eines Verbote seitens der strengen ElternEltern, Ichs (ÜBER-ICH) Onanie führt zur verstärkten Ausbildung von Abwehrmechanism en pos. Beziehung zum Kind, Anerkennung und Vorbildwirkung von Lob der eigenen positive Reaktion Mutter u. Vater Leistungsbereit(Lob, Zuneigung), schaft des Spiele im Sandkasten, Kindes Mag. Erich Hackl 17 Beratung und Unterstützung Bezugsperson, geduldige Umsorgung – angemessene Befriedigung oraler Bedürfnisse Mögliche Schizophrenie, psychische Ängste, Süchte Störung im Erwachsenenalt er l Pädagogische Psychologie mit Ton für eine angemessene Befriedigung, Impulse des eigenen Wollens und Tun unterstützen, Grenze ziehen zwischen Anpassung und Durchsetzung Perversionen, Wahn, Tics, Stottern, Neurose Mag. Erich Hackl (erleichtert Identifikation), Natürlichkeit der Genitalien (nichts Sündhaftes) Übernahme geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens Hysterie, Homosexualität, ICH-Schwäche Perversionen Misserfolgsängstlichkeit 18 Akzeptieren des schrittweise Ablösens des Jugendlichen aus dem Elternhaus, Sexualität als wichtige Form sozialer Interaktion Unfähigkeit zu Partnerbeziehungen, Sexualstörungen 1.10 Die individualpsychologische Theorie (A. A dler) Der Begründer der Individualpsychologie ist Alfred Adler. Alfred Adler wurde 1870 in Wien geboren. Er studierte Medizin und wurde 1910 Vorsitzender des Psychoanalytischen Vereins in Wien. 1911 kam es zum Bruch mit Sigmund Freud (Problemkreis Sexualtheorie). Er entfaltete eine rege Tätigkeit: neben seinen Werken hatte er einen weiten Kreis an Mitarbeitern und bemühte sich um die Errichtung von öffentlichen Erziehungsberatungsstellen. Seit 1926 unternahm er häufig Vortragsreisen nach Amerika, wo seine Psychologie große Beachtung fand. Er emigrierte später mit seiner Familie in die USA. Er starb 1937 während einer Vortragsreise in Schottland in Aberdeen. (Vgl. http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.shtml ) 1.10.1 Die Zielgerichtetheit des menschlichen Lebens Im Gegensatz zur Psychoanalyse (Der Mensch ist ein vom Sexualtrieb bestimmtes Wesen.) geht die Individualpsychologie davon aus, dass jeder Mensch einem bestimmten Ziel zustrebt und dass das menschliche Leben zielgerichtet ist. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 258f) Psychoanalyse Individualpsychologie Kausale Betrachtungsweise Finale Betrachtungsweise Woher? Wohin? Erklären mit Hilfe von vergangenen Erfahrungen Verstehen mit Hilfe künftiger Ziele Ursachen, die zu einem bestimmten Verhalten geführt haben, sollten ebenfalls ernst genommen werden. Wesentlicher ist jedoch die Frage, was der einzelne aus diesen Erfahrungen macht: Vom Besitz wird Gebrauch gemacht und dies ist ziel- und zweckorientiert. Nach A. Adler ist die Zielstrebigkeit des Menschen das Prinzip der Einheit der Persönlichkeit. Jede Lebensäußerung soll nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss stets auf die Gesamtpersönlichkeit bezogen werden. Der Lebensstil betont die Einheit der Persönlichkeit und repräsentiert die Individualität des Menschen. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 19 1.10.2 Das Minderwertigkeitsgefühl Das Minderwertigkeitsgefühl ist der Ausgangspunkt der menschlichen Entwicklung. Jedes Kind erlebt die Unzulänglichkeit und Unterlegenheit, dass es vieles nicht kann, was andere um es herum bereits beherrschen. Es handelt sich um eine kultur- und zivilisationsbedingte frühkindliche Entmutigung für den Menschen. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 258f) Nach Adlers Theorie erfahren wir in der Kindheit permanente Minderwertigkeitsgefühle. Die Überwindung dieser stellt eine zentrale Aufgabe in der Kindheit dar. „Wir kompensieren, um Gefühle der Gleichwertigkeit oder - öfter noch – überkompensieren, um Überlegenheitsgefühle zu erlangen“ (Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 536) gesunde Form des Minderwertigkeitsgefühls gesteigerte (neurotische) Form des Minderwertigkeitsgefühls hoffnungsvolles Gefühl des „Noch-nicht-Könnens“, welches mit Lernen und Üben überwunden werden kann. hoffnungsloses Gefühl des grundsätzlichen „Nicht-Könnens“ bzw. „Nicht-Dürfens“, welches nicht überwunden werden kann. Minderwertigkeitskomplex (MIKO) (Vgl. Lahmer; 2010, S. 259f) Der Erziehung fällt dabei eine entscheidende Rolle zu: Bei Fehlhaltungen in der Erziehung, Geschwisterkonstellation, Organminderwertigkeiten, Behinderung, Aussehen, soziale Verhältnisse, Misserfolgserlebnisse, Schicksale etc. können Minderwertigkeitsgefühle entstehen. Das Minderwertigkeitsgefühl stellt die Basis für die Erziehbarkeit dar. Wer sich in jeder Weise vollkommen fühlt, an seiner Person keinerlei Verbesserungen nötig hält, ist kaum als normal zu bezeichnen. Eine Lernmotivation wäre nicht mehr zu erwarten. (Vgl. http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.shtml) Der Ausgleich des Minderwertigkeitsgefühls bedeutet nach A. Adler: KOMPENSATION. Alles menschliche Leben ist in Bewegung, es ist ein Streben von der Minderwertigkeit nach der Überlegenheit, dies kann in ein Sicherungs- und Machtstreben führen. Dieses Machtstreben kann bei der Ausbildung zur Neurose eine entscheidende Rolle spielen. Von der Unsicherheit, Unterlegenheit, Ohnmacht, geringem Prestige zur Überlegenheit, Ansehen, Macht, Prestige, Vollkommenheit, Sicherheit ... Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 20 Das Minderwertigkeitsgefühl ist der Ursprung für jegliches Tun und Handeln. Es bildet die Grundlage des Verhaltens und der gesamten menschlichen Entwicklung. Es liegt allem menschlichen Streben zugrunde. (Vgl. http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.shtml) Unterschied: Psychoanalyse Individualpsychologie Ursprung für jegliches Verhalten und Handeln: TRIEBE FRÜHKINDLICHE (gelernte!) ENTMUTIGUNG (kultur- und zivilisationsbedingt) 1.10.3 Das Gemeinschaftsgefühl Das Kriterium für eine gesunde (bzw. neurotische) Entwicklung bildet das Gemeinschaftsgefühl. Dieses Gemeinschaftsgefühl wird als „Gegenkraft zum Egoismus“ gesehen. Es besteht aus einer angeborene Fähigkeit und Bereitschaft (= angeborenes Gemeinschaftsgefühl), welches durch die Erziehung entfaltet werden muss (= entfaltetes Gemeinschaftsgefühl). Die Daseinsform des Menschen ist das Zusammenleben. Er ist in ein umfassendes Ganzes – in eine soziale Situation – eingebettet. Er tritt in die Welt als ein vergesellschaftetes Wesen. Die Wirklichkeit ist sozial. (Vgl. http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.shtml) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 21 1.11 Analytische Psychologie (C. G. Jung) Der Begründer der Analytischen Psychologie ist Carl Gustav Jung, der selbst diese Bezeichnung gewählt hat, um sich nach seiner Trennung von Freud (1913) besser distanzieren zu können. Manchmal findet man in der Literatur auch noch die Bezeichnung „Komplexe Psychologie“, die in den letzten Jahren aber immer mehr in den Hintergrund getreten ist. Carl Gustav Jung ist 1875 in der Schweiz (Kesswil am Bodensee) geboren. Jungs Vater war Pfarrer und betreute auch die Insassen in einer Basler Irrenanstalt. In seiner näheren Verwandtschaft gab es acht Geistliche. Sein Großvater war Professor für Anatomie und Innere Medizin in Basel. Jung studierte Medizin in Basel. Von 1905 bis 1913 war er Dozent für Psychiatrie an der Universität in Zürich. Anfänglich als „Kronprinz“ von Freud bezeichnet, kam es aber später zum Bruch. Studienreisen nach Nordafrika, Ostafrika (Kenia), USA (Arizona – Pueblo-Indianer) und auch Mexiko (1924/25). Ebenso in den Fernen Osten (Grundfragen der philosophischen und religiösen fernöstlichen Symbolik). Seine wissenschaftlichen Arbeiten, sein weltweites Interesse und seine vielen Reisen haben Jung sehr bald zu einer führenden Persönlichkeit auf dem Gebiet der Tiefenpsychologie gemacht. Verleihung eigener Ehrendoktorate. Jung starb 1961 im 86. Lebensjahr in seinem Haus in Künsnacht bei Zürich. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Jung.shtml) 1.11.1 Wesen und Struktur der Psyche Unter Psyche versteht Jung die Gesamtheit aller psychischen Vorgänge, sowohl der bewussten als auch der unbewussten. Die Psyche besteht aus zwei Sphären: dem Bewusstsein und dem „Kollektiven Unbewussten“. Das kollektive Unbewusste zeigt sich in bestimmte Reaktionen. Es ist verantwortlich für unser intuitives Verstehen primitiver Mythen, Kunstformen und Symbole, welche die universellen Archetypen der Seele sind. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 536) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 22 Jung unterscheidet in "Psychologische Typen" vier Bewusstseinsfunktionen Bewusstsein ICH Unbewusstes Struktur des Bewusstseins in 4 Funktionen Zentrum des Bewusstseinsfeldes persönlich Unbewusstes: aus der Lebensgeschichte des Individuums (Vergessenes, Verdrängtes, subliminal Wahrgenommenes) Empfindungsfunktion: Wahrnehmen der Realität Denkfunktion: kollektiv Unbewusste: typische Reaktionsweisen der Menschheit seit seinen Anfängen (ist angeboren und von überpersönlicher Natur Orientierung (intellektuelles Erfassen) Fühlfunktion: Reaktionsvermögen (Lust, Schmerz, angenehm, unangenehm) Intuition: Zusammenhänge erahnen (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Jung.shtml) Der Mensch hat zumeist eine Funktion besonders gut ausgebildet, die anderen weniger – damit kann es zu Kommunikationsproblemen mit anderen kommen! Neben der Klassifizierung in Funktionstypen unterscheidet JUNG auch nach Einstellungen (d.h. Reaktionsweisen des Menschen auf das, was an ihn von außen herantritt): 1.11.2 Extraversion und Introversion Diesen Reaktionshabitus nennt Jung die zentrale Umschaltstelle, von der aus einerseits das äußere Handeln reguliert und andererseits die spezifische Erfahrung geformt wird. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Introversion_und_Extraversion) Die Einstellung der Introvertierten ist – wenn normal – gekennzeichnet durch: Die Einstellung des Extravertierten ist – wenn normal – charakterisiert durch: ein zögerndes, reflexives, zurückgezogenes Wesen, das sich nicht leicht gibt, vor Objekten scheut, sich immer etwas in der Defensive befindet und sich gerne versteckt hinter ein entgegenkommendes, anscheinend offenes und breitwilliges Wesen, das sich leicht in jede gegebene Situation findet, rasch Beziehungen anknüpft und sich oft unbekümmert und vertrauensvoll in Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 23 misstrauischer Beobachtung unbekannte Situationen hinauswagt unter Hintansetzung etwaiger möglicher Bedenken (Jung: Über die Psychologie des Unbewussten, in GW 7, S. 47) (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Introversion_und_Extraversion) Die bereits erwähnten 4 Funktionstypen können dem einen oder anderen Einstellungstyp angehören. 1.11.3 Die Persona Das ICH stellt die Mitte unseres Bewusstseins dar. Mit ihm stehen wir der Mitwelt kritisch gegenüber. Der Mensch ist aber eingebunden in die soziale Realität. Wir „spielen“ dabei bestimmte Rollen, z.B. als Patient, als Konsument, als Polizist usw. Verstärkt nehmen wir dieses Rollenverhalten bei anderen wahr (es stört uns, wenn wir nur als Nummer behandelt werden, etc.) Zugrunde liegt ein psychischer Faktor, die „Persona“ (auch Maske) – hat Schutzfunktion. Jung bezeichnet sie als Kompromiss zwischen Individuum und Sozietät. Gefahren: Selbstwerdung (Individualität) wird unterbunden, wenn sich der Rollenträger zu stark mit seiner Maske identifiziert. Heute Gefahren durch Vermassung: „Man“ tut... z.B. Bei Eintritt in die Pension erfolgt die Demaskierung, Schock ... Amputation der Persona (Vgl. Lahmer; 2010, S. 253) 1.11.4 Der Schatten Der Schatten spielt in der innerseelischen Dynamik eine wichtige Funktion. Er wurzelt in der Region des Unbewussten. Der Schatten ist eine archetypische Figur, die „dunkle“ Seite, die man aus moralischen, ästhetischen oder anderen Gründen verwirft oder nicht gerne „aufkommen“ lässt. Zeigt sich oft an Projektionen (siehe Abwehrmechanismen) oder auch in Traumgestalten. Andererseits findet sich im Schatten auch die Summe des persönlichen Unbewussten (Verdrängtes, Negatives). (Vgl. Lahmer; 2010, S. 254) 1.11.5 Animus und Anima Beide Archetypen sind im kollektiven Unbewussten vorhanden. „Jeder Mann trägt das Bild der Frau von jeher in sich ... eine unbewusste, von Urzeiten herkommende und dem lebenden System eingegrabene Erbmasse ... von allen Erfahrungen der Ahnenreihe am weiblichen Wesen (Anima). Bei der Frau nimmt das Seelenbild männliche Züge an (Animus). Die Psyche jedes Menschen enthält also Animus- und Anima-Anteile, die sein Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 24 Denken und Handeln prägen. (Vgl. Keintzel; 1991, S. 97) 1.11.6 Archetypen Archetypen stellen die Summe der Erfahrungen der gesamten Menschheit dar und sind Ausdrucksformen des kollektiven Unbewussten. Die Summe der Archentypen bedeutet für Jung die Summe aller latenten Möglichkeiten der menschlichen Psyche: ein ungeheures, unerschöpfliches Material an uraltem Wissen um tiefsten Zusammenhänge von Gott, Mensch und Kosmos. Zentraler Archetypus ist das SELBST: es ist mehr als das ICH (Bewusstes und Unbewusstes in aller Totalität können nicht ganz ausgelotet werden. Zeigt sich in Träumen in symbolischer Art (Kreis, Kugel, Quadrat, König, Königin). Das SELBST unterliegt einem lebenslangen Formungsprozess – der Individuation (Ziel des Menschen). Individuation ist kein statisches Sein, sondern ein dynamisches Werden. Das Ich setzt sich lebenslang mit Anteilen der unbewussten Psyche auseinander und „hellt auf“, vermehrt damit die bewussten Anteile und verhilft zur Selbstwertung. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Jung.shtml) 1.11.7 Methoden der Therapiearbeit: Analyse der Träume (prospektives Element im Gegensatz zur Psychoanalyse) Aktive Imagination (Tagtraumtechnik; die Konzentration auf ein bestimmtes Bild (Ereignis) folgt dem freien Fluss der Assoziation) Kreatives Gestalten (erleichtert die Auseinandersetzung mit Bildern aus dem Unbewussten: Malen, Plastisieren, Zeichnen, ...) Wissenschaftliche Gesellschaften: Österreichische Gesellschaft für Analytische Psychologie (ÖGAP) Kontaktadressen (http://www.cgjung-gesellschaftoesterreich.at/index.php) Prof. Mag. Dr. Rita Skolek-Winnisch 1120 Wien, Premlechnerg. 17/13 +43 1 8046727 [email protected] Mag. Dr. Dr. Gerhard Burda 1140 Wien, Penzingerstraße 69 +43 676 9314426 [email protected] Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 25 1.12 Persönlichkeitsentwicklung nach Erik H. Erikson Erikson wurde 1902 in Frankfurt/Main geboren. Seine psychoanalytische Ausbildung erfolgte in Wien. Erste psychoanalytische Arbeiten über Kinderpsychologie. Später bekam Erikson eine Professur an der Harvard Universität und war einer der führenden Vertreter der Jugendpsychologie. Erik Homburger Erikson starb 1994 in Massachusetts. (Vgl. http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungErikson.shtml) 1.12.1 Modell der psychosozialen Stadien Erikson unterscheidet sich vom Ansatz durch einige grundlegende Elemente: 1. Die menschliche Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess 2. Menschliche Identitätsfindung erfolgt in einer fortschreitenden Stufenfolge, einem Lebensgrundplan. 3. Im Verlauf seiner Entwicklung macht jedes Individuum in jedem Stadium eine für dieses typische psychosoziale Krise durch. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 459) Nach Eriksons Schema gibt es acht psychosoziale Stadien und damit Krisen, die sich durch das ganze Leben erstrecken. Größtes Interesse hat dabei das Stadium der Adoleszenz (ca. 12 bis 18 Jahre) mit der Krisenbewältigung Identität: Rollendiffusion. In diesem Stadium müssen die verschiedenen und oft unvereinbaren Rollenbilder und Zielsetzungen (z.B. emotional zugängliche Mutter, wortkarger Vater, heiterer, leichtlebiger Onkel, nachgiebiger, planloser Lehrer …), die der Jugendliche im Laufe der Jahre wahrgenommen hat, zu einem Selbstbild geformt werden. Schafft es der Jugendliche nicht, sich selbst zu finden (durch Experimentieren mit unterschiedlichen Rollen), kommt es zur Identitätsdiffusion und zur Gefahr, in eine „negative“ Identität abzugleiten. Ein bestimmtes Maß an Identitätsdiffusion ist jedoch eine wichtige Erfahrung während der Adoleszenz. Experimentieren mit verschiedenen Rollen ermöglicht es, spätere Krisen (z.B. Berufsleben) besser zu bewältigen. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 26 1.12.2 Entwicklungsstadien nach Erikson Alter Säugling (1. Lj) Psychosoziales Stadium (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 460ff) Krise – Lösung Ur-Erfahrung zur ersten Bezugsperson (Verlässlichkeit oder Vernachlässigung); Urvertrauen : Misstrauen Gefühl ist „Eckstein“ der „gesunden Persönlichkeit“ Entwicklung der kognitiven und motorischen Fähigkeiten („Festhalten“ und „Loslassen“); Gefühl von Autonomie Kleinkind (2–3 Lj) Autonomie : Zweifel Empfindung der Selbstbeherrschung ohne Verlust des Selbstgefühls rigide Reinlichkeitsdressur permanentes Brechen des kindlichen Willens Kind zweifelt an seinen Fähigkeiten Spielalter (4–5 Lj) Initiative : Schuldgefühl Erweiterung der Bewegungsmöglichkeiten, Streben nach Leistung und Unabhängigkeit, Besitzergreifung, Eifersucht, Rivalität unerwünschter Eindringling – Schuldgefühle Schulalter (6–11 Lj) Kompetenz : Minderwertigkeit Jugendalter (12–18 LJ) Identität : Rollendiffusion frühes Intimität : Isolierung Pädagogische Psychologie Schulreife: „Werksinn“, Leistung, Anerkennung Gefahr, wenn kindliche Aktivitäten als „dumm“, störend zurück gewiesen werden. Bisherige Krisenlösungen müssen in eine Ich-Identität münden. Gefahren ... Eingehen von Bindungen (sexueller, Mag. Erich Hackl 27 Erwachsenenalter emotionaler od. moralischer Art), Gefahr der generellen Distanzierung, Selbstisolation mittleres Lebensalter Generativität : Stagnation Produktivität und Leistungswille Gefahr des Desinteresses, Gefühl der Stagnation Erkennen des Lebenssinns, Erfülltheit Alter Integrität : Verzweiflung Gefahr der Sinnlosigkeit, Enttäuschung, Lebensüberdruss Insgesamt sollte man jedoch Eriksons Modell nicht ontologisieren (d.h. als sei dies ein geheimer Schöpfungsplan, der für alle Zeiten unabänderlich gilt), sondern als Versuch betrachten, der uns mit seinen Hypothesen helfen kann, die menschliche Entwicklung – und mögliche Fehlentwicklung – schärfer zu sehen und besser zu verstehen (Gudjons; 1994, S. 112). Die entwicklungspsychologischen Modelle von S. Freud und E. Erikson werden nicht mehr in divergierender Form dargestellt, sondern bilden in sich eine Ergänzung. Die psychosexuelle Entwicklung mit der psychosozialen Entwicklung dient als gutes Erklärungsmodell, welches in der Fachliteratur sehr häufig verwendet wird. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 28 1.12.3 Persönlichkeitstheorien im Vergleich (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 549) Freud Adler Jung Erikson Zentraler Punkt: Zentraler Punkt: Zentraler Punkt: Zentraler Punkt: Betonung des Sexualtriebes (Lustprinzip) Minderwertigkeitsgefühl Gemeinsamkeit aller psychischen Vorgänge Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess. Libido : Thanatos Lebensenergie: Bewusstes und finale Betrachtungs- Unbewusstes weise (persönl. + kollektiv Unbewusstes) Betonung des Gemeinschafts- Archetypen gefühls - Persona - Schatten Sicherungs- Animus und verhalten Anima kausale Betrachtungsweise Psychischer Apparat: ES, ICH, ÜBER-ICH ICH: Realitätsprinzip ES: Lustprinzip ÜBER-ICH: Moralitätsprinzip Versuch der „Kompensation“ Private Logik ICHSchutzmaßnahmen: Abwehrmechanismen Betonung frühkindlicher Erfahrungen Persönlichkeitsentwicklung in Phasen Wo ES war, soll ICH werden Therapie: Freies assoziieren, Traumdeutung Pädagogische Psychologie Triebentwicklung nur in Verbindung mit sozialem Umfeld. Persönlichkeitsentwicklung in 8 psychosoziale Stadien mit Krisen eingeteilt. Ziel des Menschen: Individuation - Therapie - Traumanalyse - Aktive Imagination - Kreatives Gestalten Jung fordert als erster eine Lehranalyse Mag. Erich Hackl 29 1.13 Existenzanalyse und Logotherapie nach Viktor E. Frankl Der Wiener Psychiater und Neurologe Viktor E. Frankl (geb. 1905) begründete die sogenannte: „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Frankl) in den dreißiger Jahren als Ergänzung zur Tiefenpsychologie Freuds und Adlers, von denen er sich damit auch absetzte. Dabei konnte er, um nur ein Beispiel herauszugreifen, enorme Erfolge bei der Bekämpfung der „Arbeitslosigkeitsneurose“ verbuchen, einer verbreiteten Problematik jener Jahre, die sich in Massendepressionen und vielfachen Verzweiflungstaten äußerte. Er konnte zwar auch den betroffenen Patienten zu keiner Arbeit verhelfen, doch gelang es ihm häufig aufzuzeigen, dass auch sie sich in irgendeiner Form sinnvoll engagieren könnten und dass ihr Wert und ihre Würde als Person an keinerlei äußere Bedingungen geknüpft sei, sondern sich darin kundtue, in welcher Haltung sie sich innerlich zu den jeweiligen Bedingungen einstellen würden. Während des 2. Weltkrieges wurde Frankl in die Zwangslage versetzt, dieses Bild selbst zu leben: er verbrachte 3 Jahre in vier Konzentrationslagern und verlor seine ganze Familie. Dies war der Prüfstein seiner Lehre – er zweifelte niemals am Sinn des Lebens und der Möglichkeit, ihn konkret und augenblicksbezogen zu verwirklichen. Später wurde in amerikanischen Studien an Vietnamheimkehrern verifiziert, dass dem „Willen zum Sinn“ tatsächlich ein „survial value“ zukommt, weil verborgene Kräfte im Menschen frei werden, sobald und solange um ein „Wozu“ gewusst wird. „Derartige Kräfte nicht nur zum Überleben, sondern allgemein zur Gesundung und zur Überwindung von seelischen Barrieren freizusetzen und nutzbar zu machen, ist das zentrale Anliegen der Logotherapie bis zum heuten Tag geblieben“. (Lukas; 1995, S. 8.) Frankl schrieb eine große Anzahl von Büchern (Trotzdem ja zum Leben sagen) und entfaltete in den letzten Jahrzehnten eine rege Vortragstätigkeit in der ganzen Welt. Besondere Verbreitung fand sei Gedankengut in Nord- und Südamerika. Erst 1983 wurde in Wien ein Logotherapie-Institut eröffnet und eine Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse eröffnet. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Frankl) 1.13.1 Exkurs: Humanistische Psychologie Frankl zählt neben Maslow, Carl R. Rogers u.a. zu Vertretern der sog. Humanistischen Psychologie. Zentraler Begriff in dieser Konzeption ist der Mensch mit seinem bewussten Erleben. Der Mensch nimmt die Gesamtheit der Kognitionen, Emotionen und Motivationen bei sich wahr („Selbstkonzept“) und erlebt die Umwelt und seine Mitmenschen. Neben der Ganzheitlichkeit betonen die humanistischen Psychologen den Prozesscharakter des psychischen Geschehens: es befindet sich ständig in einem Vorgang des „Selbstverwirklichung“. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 30 Der Mensch hat die ihm innewohnende Tendenz zur Selbstverwirklichung. Unter günstigen Umweltbedingungen (Erziehung!) trägt sie zur Entfaltung individueller Motive und Kompetenzen und zu einer vertieften Selbst-Bewusstwerdung bei. (Vgl. Hilgard et.al.; 2001, S.459ff) Dem existentialischen-humanistisch orientierten V. E. Frankl bedeutet Selbstverwirklichung, die vom Individuum immer wieder zu leistende Aufgabe zu bewerkstelligen und der eigenen Existenz Sinn zu verleihen. Ganz Mensch ist jemand, der sich übersieht und vergisst, der im Dienst einer Sache oder in der Erfüllung einer Aufgabe steht. (Vgl. Lahmer; 2010 S. 260) Ziele und Aufgaben der Existenzanalyse und Logotherapie Existenz Vollzogenes „ganzes“ Leben (nicht aus sich selbst, sondern Hinwendung zu den Sachen und/oder Personen) Analyse Erhellung, Klärung der Lebensumstände auf bessere Möglichkeiten hin Im Mittelpunkt steht die Zukunft, die künftige Lebensgestaltung. Projektanalyse Erhellung jener Bereiche, die sich im heutigen Leben als hinderlich erweisen „Lebensquere“ Einstellungen – keine Archäologie im Sinne Freuds Förderung der personalen Fähigkeiten Von der Fremdhilfe zur Selbsthilfe; von der Orientierungslosigkeit (Sinnlosigkeit = existentielles Vakuum) zur Sinnerfüllung. „Sie haben zwar alles, wovon sie leben können, doch nichts, wofür sie leben können.“ (Frankl) noogene Neurose = rein geistiges Gefühl der Sinnlosigkeit Das Gewissen stellt Geistigkeit dar (phänomenaler Urtatbestand), durch welches Leib und Seele zur verantwortlichen Ganzheit integriert werden. Suche nach neuen Möglichkeiten sinnvoller Lebensgestaltung (Logos = Sinn) Logotherapie Wiederherstellung der „Transzendenz der Existenz“ = der Mensch (auch vollzieht sein Dasein, indem er „sich selbst“ (rein biologisches, sinnzentrierte triebhaftes) „übersteigt“ = transzendiert. Psychotherapie) Logotherapie ist ein Teil der Existenzanalyse. Die Stärke der Logotherapie liegt in der Hilfe für die Bewältigung schwieriger, unausweichlicher Lebenssituationen, z.B. Krankheiten, Verluste usw. Methode Einzelgespräche Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 31 phänomenologisch = verstehend, nicht deutend dialogisch = den Patienten in Austausch mit seiner Welt bringend (Versuch der „existentiellen Wende“ – „Ich bin da, um mein Leben anzugehen, statt auf es zu warten …“ Paradoxe Intention Technik, mit der es durch Selbstdistanzierung gelingt, Probleme (z.B. Ängste) besser in den Griff zu bekommen – z. B. paradox (wünscht sich z.B. Angst herbei, ironisierend) (Vgl. Zusammenfassung aus: Lahmer; 2010, S. 260f und http://www.univie.ac.at/logotherapy/d/logotherapie.html) „Der Sinn des Lebens, haben wir gesagt, sei nicht zu erfragen, sondern zu beantworten, indem wir das Leben verantworten. Daraus ergibt sich aber, dass die Antwort jeweils nicht in Worten, sondern in der Tat, durch ein Tun zu geben ist. Außerdem muss sie der ganzen Konkretheit von Situation und Person entsprechen, diese Konkretheit gleichsam in sich aufgenommen haben. Die rechte Antwort wird somit eine tätige Antwort sein und eine Antwort in der Konkretheit des Alltags – als des konkreten Raumes menschlichen Verantwortlichseins.“ (Frankl; 1982, S. 154) Auf der Suche nach zukünftigen Möglichkeiten, im speziellen nach dem Sinn wird die Existenzanalyse zur Logotherapie. Frankl übersetzt „Logos“ mit Sinn. Logotherapie ist somit eine Hilfestellung auf der Suche nach dem Sinn. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 261) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 32 2. Das Jugendalter Das Jugendalter stellt eine mehr oder weniger krisenhafte Überwindungsperiode zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter dar. Eine genaue Abgrenzung dieser Periode ist nicht möglich, weil weder das Ende der Kindheit noch der Beginn des Erwachsenenalters exakt bestimmbar ist. Das Stadium des Jugendalters wird teilweise durch die kulturelle Norm festgelegt. Kulturelle Erwartungen bestimmen teilweise Aspekte der psychischen Erfahrung. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 493) Eine ungefähre Eingrenzung kann nach biologischen und psycho-sozialen Gesichtspunkten erfolgen. Eintritt der Geschlechtsreife Eintritt ins Erwerbsleben (Heirat) Ende der Kindheit Ende der Jugend Anmerkung: Wer bis in die Mitte der zwanziger Jahre studiert und von den Eltern abhängig bleibt, erlebt die Jugend anders als der Absolvent der Lehre, der mit 20 voll im Beruf steht und vielleicht schon eine Familie gründet. In der Psychologie wird das Jugendalter in die 1. Vorpubertät (bis zur Geschlechtsreife) 2. Pubertät 3. Adoleszenz (Übergang ins Erwachsenenalter) unterteilt. (Vgl. http://lexikon.stangl.eu/590/pubertaet/) 2.1 Vorpubertät = Zeitspanne (ca. 1 Jahr) zwischen dem Auftreten der sekundären Geschlechtsmerkmale (Brustdrüsen, „Knospenbrust“, Hüftrundungen; Bartwuchs, Behaarung, Stimmbruch) und dem Beginn des Funktionierens der Geschlechtsorgane (= primäre Geschlechtsmerkmale) wie erste Menstruation (Menarche) beim Mädchen und erste Samenejakulation beim Knaben (ca. 10-12 Lj. beim Mädchen; 12–14 Lj. beim Knaben). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 321f) 2.1.1 Präpuberaler Wachstumsschub und geschlechtliche Differenzierung Die auffälligste Erscheinung in der Vorpubertät ist das rasche und plötzliche einsetzende Längenwachstum (= zweiter Gestaltwandel; erster Gestaltwandel bei Übergang zwischen Kleinkindform zur Schulkindform). Das Wachstum ist unharmonisch; daher oft schlaksiger Eindruck des Jugendlichen; Bewegungskoordination muss gelernt werden. Beginn des Wachstumsschubes: Bei Mädchen um ca. zwei Jahre früher! Mädchen frühester Beginn 7,5 Lj. Pädagogische Psychologie spätestens mit 12 Jahren Mag. Erich Hackl 33 Knaben frühester Beginn 10 Lj. spätestens mit 13,5 Jahren (Mädchen ca. 16 kg Zunahme und 16 cm größer; bei Knaben ca. 20 kg und 20 cm) Am Ende des Wachstums bildet sich durchschnittlich ein Größenunterschied von ca. 12 cm zwischen Mädchen und Knaben aus. Das Wachstum beginnt mit den Füßen und endet mit dem Rumpf (Wenn die Schuhe rasch zu klein werden, beginnt der Wachstumsschub!) Beim Knaben kommt es zu einer physischen Kraftsteigerung. Mädchen sind den Knaben hinsichtlich der Feinmotorik überlegen. (Vgl. SchenkDanzinger; 1996, S. 322ff) 2.1.2 Problem der Akzeleration Die zeitliche Vorverschiebung der körperlichen Reifung bezeichnet man als Akzeleration. (Gegenteil: Retardation). Das Akzelerationsphänomen kann schon bei der Geburt beobachtet werden: Schon Säuglinge sind heute um einige Zentimeter größer als noch vor 20 bis 30 Jahren; 6- bis 7-Jährige sind heute durchschnittlich 8 bis 10 cm größer als zu Beginn des Jahrhunderts. Untersuchungen in Kärnten zeigten schon im Zeitraum zwischen 1953 und 1961, dass die Menarche 1961 um 8 Monate früher eintrat als im Jahre 1953. Bei den Knaben zeigte sich derselbe Effekt bzgl. des ersten Samenergusses. Weiters wurde festgestellt, dass die Kinder der Mittel- und Oberschicht stärker akzeleriert waren als die Kinder der Unterschicht. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 324f) Um die Jahrhundertwende waren Männer und Frauen mit ca. 25 völlig ausgewachsen; heute mit ca. 17 Jahren! Erklärungsversuch (multifaktorielle Theorie): bessere Ernährung, bessere hygienische Verhältnisse, Reizüberflutung, ... raschere Anpassung an die Lebensverhältnisse der Gesellschaft. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 326f) Geringere Akzeleration bei „schwerer Kindheit“. 2.1.3 Psychische Auswirkungen der Akzeleration Die Akzeleration bedeutet eine Verkürzung der Kindheit, eine verfrühte hormonale Umstellung. Diese bewirkt unter anderem: (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 327f) Selbstbehauptungstendenzen (eher beim Knaben) Hingabetendenzen, Zärtlichkeitsbedürfnis (beim Mädchen) früheres Ansprechen auf sexuelle Reize (Erotisierung der Umwelt) Verlagerung der Interessen aus der Familie; Beziehungsaufnahme zum anderen Geschlecht Daraus entstehen große Orientierungsprobleme, Verunsicherungen. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 34 Erziehungsproblem: Oft wird der akzelerierte Jugendliche von der Umwelt überschätzt. Verhaltensweisen werden erwartet, die ein Versagen herausfordern. Man erwartet stabile Zukunftspläne, klare Interessen, der Knabe soll „ Kavalier“ seiner Mutter (Schwester) sein usw. Vorschnelle Reaktionen von Eltern verletzen oft das Selbstwertgefühl. Die Vorpubertät ist vielfach ein biosoziologisches Phänomen. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 327f) 2.1.4 Probleme im Zusammenhang mit Spätentwicklern Oft mit starken Minderwertigkeitsgefühlen verbunden (Rolle des Außenseiters, der wenig „Ansehen“ hat) Kann lange nachwirken (Aufbau eines negativen Selbstbildes) „Rebellieren“ eher gegen Eltern als Frühreife Spätreifende Mädchen haben weniger Probleme; können sich aber isoliert fühlen Mädchen haben Möglichkeiten der positiven Kompensation (sie sind im Sport besser; bessere Schulleistungen). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 328f) 2.1.5 Erscheinungen der Vorpubertät beim Knaben Kraftsteigerung erhöhtes Bewegungsbedürfnis (Wettbewerb, Ausdauer zum Training) gesteigerte Aggressivität Freude an Sinneseindrücken (Videospiele, Geräusche, Knallerbsen, Lichteffekte, Spiel mit dem Feuer) Gesteigerte Abenteuerlust und Unfugbereitschaft Zusammensein mit Gleichaltrigen (Gemeinschaftserlebnis, emotionales „Zusammenschwingen“) (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 331f) 2.1.6 Die Beziehung zu Eltern und Lehrern Konflikte mit den Erwachsenen (Waschen wird unbeliebt, Pünktlichkeit zum Problem) Versuch einer persönlichen Autonomie. Kritische Phase für die Festigung des Selbstwertgefühls. Erwachsene müssen den Heranwachsenden für voll nehmen, ihm Verantwortung zumessen, ihn „ernst“ nehmen. Autoritäre Lehrer, die sich vor allem mit dem „Niederhalten“ der Klasse beschäftigen, erleben sicher Widerstand. Jüngere Kinder lassen große Ungerechtigkeiten eher über sich ergehen. Vorpubertierende bieten Trotzreaktionen. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 334f) Die Entwicklung im kognitiven Bereich ist durch ausgeprägte Wissbegierde gekennzeichnet. Zusammenhänge wollen erkannt werden (Erfinder, Entdecker, Abenteurer …). Das Bedürfnis zum Sammeln ist erweckt (Popidole, Schlagertexte, Briefmarken ...), Abenteuerlust entwickelt sich (Lektüre von Krimis, Western ...). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 336f) 2.1.7 Besondere Erscheinungen der Vorpubertät beim Mädchen Veränderungen der Grundstimmung Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 35 Positiv getönte Erregungsphase (körperliche Unruhe, Rededrang, Bereitschaft, über alles zu lachen) Einige Monate vor der Menarche kommt es zum plötzlichen Umschwung: „negative Phase“. (Hetzer; 1926 in Schenk-Danzinger; 1996, S. 338) Die Stimmung schwankend, leicht depressiv (Labile Affektivität: Konflikt mit den Eltern, rasch wechselnde Freundschaften, launisches Benehmen, „Schwänzen“ der Turnstunden, nur Lesen und Fernsehen!) (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 338f) Negative Phase meint also, die individuell unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft zur Stimmungslabilität, die in der Pubertät noch erhalten bleibt und während der Adoleszenz allmählich verschwindet. Hormonale Grundlage: abnehmende Wirkung des Hormons ACTH (= adrenocortiocotropes Hormon). Es wird in der Hypophyse gebildet und sendet unter anderem fördernde oder hemmende Reize an das ZNS. Die Mädchen entwickeln ein Eigenleben (wenig Bedürfnis nach Gruppenbildung; eher einige Freundinnen, aber auch Alleinsein). Das Interesse gilt sehr oft sexuellen Themen (Liebesabenteuer, Vorgang der Geburt), Filmhelden, Schwärmerei (Lehrer, Popstars, Posters, Autogramme), Liebe auf Distanz, „Überbrückungshilfe“ Flirt, sexuelle Phantasien (Probleme: hat der Flirt stattgefunden, Erzählung an Freundin ...) Einsetzendes Bedürfnis nach erotischer Wirkung: Modebewusstsein; oft Übertreibungen: Kürze, Länge, Farben, etc. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 340f) Bereits in dieser Zeit Bewusstheit über mögliche soziale Benachteiligung (Minderwertigkeitsgefühle); Gefühle des Ausgeliefertseins an das Schicksal (zusätzlich oft das Fehlen eines sicheren familiären Rückhalts); größte Angst vor der persönlichen Zukunft (Untersuchung Tursky, 1972). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 342) Stabilisierung des Selbstwertgefühls ist bei Mädchen oft schwieriger (Rollenbild der Frau: das „schwache“ Geschlecht; Mutterrolle; Bevorzugung des Bruders, oft werden „weibliche“ Bedürfnisse verdrängt: burschikoses Verhalten). Das Ablösen von der Mutter ist oft nicht einfach. Die Gefühlslage ist ambivalent (ein Hin-und-Her). Auflehnung gegen sie, möchte sich aber gern wieder „anlehnen“ daher: Schuldgefühle. (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 342f) 2.2 Pubertät und Adoleszenz Als Pubertät wird die Übergangszeit vom Beginn der Geschlechtsreife (ca. 10–14 Jahre) bis zum Abschluss der physiologisch-geschlechtlichen Entwicklung (ca. 16–18 Jahre) bezeichnet. Mit dem Begriff Adoleszenz bezeichnet man jenen Gesamtzeitraum, der mit dem Einbruch der Pubertät beginnt und dann den Übergang in das Erwachsenenalter beschreibt (kann über 20 Jahre hinausgehen). Folgende Hauptmerkmale kennzeichnen diesen Abschnitt: Biologische Reife (Umgang mit der Sexualität) Soziale Integration (Ablösung von den Eltern, gesellschaftliche Anpassung, Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 36 Berufsfindung, Arbeitsprozess) Prozess der Verselbstständigung, Selbstfindung (Ich-Identität, persönliche Bedürfnisse, autonome Moral, Werte) 2.2.1 Entwicklungsaufgaben für den Jugendlichen Havighurst (1982) hat einen Überblick über die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters gegeben: 1. Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers. 2. Erwerb neuer und reiferer Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts. 3. Erwerb der männlichen und weiblichen sozialen Rolle. 4. Gewinnung emotioneller Unabhängigkeit von Eltern und anderer Erwachsenen. 5. Vorbereitung auf eine berufliche Karriere. 6. Vorbereitung auf eine Heirat und das Familienleben. 7. Entwicklung eines sozial verantwortungsvollen Verhaltens. 8. Aufbau eines Wertsystems und eines ethischen Bewusstseins als Richtschnur für das eigene Verhalten und Entwicklung einer Weltanschauung. (Vgl. SchenkDanzinger; 1996, S. 356) Der Katalog zeigt wesentliche Themen, die jedoch gerade heute in einigen Punkten für manche fragwürdig erscheinen (Ehe wird durch „lose“ Beziehung oder Single-Dasein ersetzt, Aufbau einer Berufs-Karriere wird durch Verzicht auf materielle Güter ersetzt, ...). 2.2.2 Das Coping Seit den 60iger Jahren erfolgte (ausgehend von Amerika) eine Abkehr von Beschäftigung mit Jugendkrisen und -konflikten. Oft bewältigen Jugendliche ihre Entwicklungsaufgaben ohne oder mit nur vorübergehenden Schwierigkeiten erfolgreich. Heute stellt man sich mehr die Frage: „Wie bewältigt der Jugendliche alle Herausforderungen?“ Welcher Methoden bedient er sich? Es ist nicht mehr die Reifung und das „passive“ Lernen (Verhaltensänderung) im Vordergrund, sondern das aktive, prozesshafte Mitgestalten. Auf die Bedeutung der aktiven Selbststeuerung des Individuums wird hingewiesen. Man spricht von CopingStrategien (= Problembewältigungs-Strategien). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 364ff) Untersuchung von Seiffge-Krenke (1985) über Coping-Strategien: Unterschiede zw. Mädchen und Burschen: Mädchen neigen öfter zu offenen Aussprachen Mädchen beschäftigen sich stärker mit ihren Problemen Mädchen sind eher bereit, Kompromisse zu schließen Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 37 Burschen sind eher sorgloser Burschen neigen eher dazu, der Problemlösung durch Alkohol (auch Drogen) zu entgehen (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 366) 2.2.3 Biologische Grundlagen Endogene Steuerung durch verschiedene Hormone (Hormone der Hypophyse, der Schilddrüse und Geschlechtshormone) bis zur endgültigen Gestaltbildung des männlichen oder weiblichen Körpers (z.B. der Uterus (= Gebärmutter) ist erst mit ca. 16–18 Jahren voll entwickelt). 2.2.4 Sexualität Sexualität spielt im Rahmen der Gesamtentwicklung eine bedeutende Rolle. Das Verhalten der Eltern wirkt vielfach beispielgebend. Eriksons „Urvertrauen“ wirkt sich auf die spätere Beziehungsfähigkeit entscheidend aus. Wichtig ist, dass die Fragen des Kindes als etwas völlig Normales betrachtet werden. Das Schulkindalter ist ein günstiger Zeitraum für die sachliche Behandlung sexueller Fragen. (Vgl. Illichmann; 1996, S. 166) Erfahrungen mit Küssen haben 77% der Mädchen und 81% der Burschen unter 14 Jahren. Nur 7% der befragten jungen Erwachsenen ab 18 Jahren haben noch nie geküsst. Mit 14 Jahren hat bereits die Hälfte der Mädchen und Burschen intimeren Kontakt in Form von Petting (Weidinger/Kostenwein/Drunecky, 2001). Das Interesse in der Jugendsexualität richtet sich vor allem auf das Alter, in dem das „erste Mal” stattfindet. Schmidt (2005) konstatiert, dass der Trend zur Vorverlegung des ersten Koitus abgenommen hat. Eine Ausnahme stellen Mädchen dar, die ihren ersten Geschlechtsverkehr früh, d.h. bis 16 Jahre, erleben. „Die allermeisten Jugendlichen, deutlich über 80 Prozent, haben ihren ersten Geschlechtsverkehr heute irgendwann zwischen fünfzehn und neunzehn Jahren, was eine relativ große Varianz bedeutet. (Schmidt, 2005, S. 18). (Vgl. http://bmwa.cms.apa.at/cms/content/attachments/9/3/7/CH0618/CMS1315399155765/ sechster_jugendbericht_auf_einen_blick.pdf) Liberalisierung der Sexualität hat nicht zur Entkopplung von Sexualität und Partnerschaft geführt: Für 70 % der weiblichen und 45 % der männlichen Jugendlichen ist „ein fester Partner, den man liebt“, Voraussetzung für den Koitus. 2.2.5 2.2.6 Soziale Integration Hinwendung zur Gleichaltrigengruppe Peergroups haben eine enorme Bedeutung für die Entwicklung; basieren auf einer freiwilligen Mitgliedschaft. Peergroups vermitteln Sicherheit und Geborgenheit – sie sind ein Übungsfeld für Unabhängigkeit von der Erwachsenenkontrolle. Burschen erleben „Action“, Mädchen erproben Wertschätzung und Beliebtheit, Erfahrungen mit erotischer Attraktivität; Raum zum Experimentieren von Rollen, Werten Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 38 und Normen. Oft können aber Peergroups auch erhebliche Konformitätszwänge ausüben und in den subkulturellen Varianten Übergänge zur Kriminalität oder Drogenszene bilden (also positive und negative Seiten!). (Vgl. Schenk-Danzinger; 1996, S. 360) 2.2.7 Identitätsfindung als zentrale Aufgabe Die Unterschiedlichkeit der Rollen muss so bewältigt werden, dass die Jugendlichen das Gefühl der Kohärenz haben (ich bin derselbe in verschiedenen Handlungssituationen, „ich bin mir selbst treu“). Es kommt zuerst zum Probehandeln. Möglichkeiten der Identität werden durchgespielt und wieder verworfen (Subkulturen, Kleidung, Abzeichen, Symbole). „Ich bin ein Skinhead, ich bin ein Punk, ich bin ...“. Stücke zur Identität, ein wenig Sicherheit gegenüber der verunsichernden Orientierungslosigkeit. Oft kommt es zu Identitäten, die in großem Widerspruch zu den Erwartungen des Elternhauses oder zu gesellschaftlich gebilligten Lebensformen stehen. Man „flippt“ aus, deklariert sich als „Homo“ oder als „bisexuell“, verweigert den Einstieg in die Berufsrolle, taucht in die Drogenszene ab. Nach Erikson ein Abgleiten in die „negative Identität“. Kann sich der Jugendliche nicht „fassen“, kommt es zur „Identitätsdiffusion“. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 216) 2.3 Aktuelle Tendenzen der Jugendforschung (Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Sektion Familie und Jugend. 2011) http://bmwa.cms.apa.at/cms/content/attachments/9/3/7/CH0618/CMS1315399155765/ sechster_jugendbericht_auf_einen_blick.pdf Jugendforschung ist heute ein Teil der gesamtgesellschaftlichen Strukturwandlungsforschung. Keine singuläre Generation, sondern oft eine „kulturproduzierende Größe“ – kein Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse, Jugend als „Trendsetter“ für die Älteren! Die heutige Jugendphase dauert länger und ist gegenüber der Erwachsenen– und Kindheitsphase nicht mehr eindeutig abgrenzbar. Die gesellschaftlichen Lebensbereiche werden durch die Vielfältigkeit immer ähnlicher. Im Gegensatz zu früher gibt es heute keine vorhersehbare Lebens- oder Karriereplanung. Heute gibt es ungeahnte Freizügigkeit und Chancenvielfalt der Lebensplanung. Traditionelle Orientierungsmuster sind zerbrochen (z.B. Offizierslaufbahn), eine enorme Pluralisierung der Lebensentwürfe. Immer mehr Jugendliche besuchen immer länger schulische Bildungseinrichtungen. Phänomen der „Postadoleszenz“: z.B. Student, der seinen eigenen Porsche fährt, aber zu Hause wohnt und finanziell abhängig ist ... Es besteht ein Widerspruch zwischen individueller Selbstbestimmung und materieller Abhängigkeit. Heute vermehrt ein Wertewandel (Ökobewusstsein) – eine postmaterialistische Orientierung. Werte richten, orientieren sich am Sinnkriterium von Tätigkeiten. Begriffe: Solidarität, Mitmenschlichkeit, Engagement für andere, ökologische Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 39 Lebensweise usw. Tendenz des zunehmenden Rechtsextremismus ist bei Jugendlichen in Österreich in den letzten Jahren nicht zu bemerken. Sowohl Rechtsextremismus als auch Linksextremismus bewegen sich konstant auf niedrigem Niveau. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 40 3. Psychische Störungen Eine psychische Störung liegt dann vor, wenn ein Mensch in seinen Verhaltensweisen oder seinem Erleben ernsthaft beeinträchtigt ist, sodass die Person bei der normalen Lebensbewältigung und dem Erreichen der Ziele behindert wird. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 602) Oft werden psychische Störungen auch als Verhaltensstörung oder Verhaltensauffälligkeit bezeichnet. Richtlinien zur Klassifikation und Diagnose von Geisteskrankheiten und psychischen Störungen veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die „American Psychiatric Association“. Die derzeit gültige Version nennt sich „Diagnostic und Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM). (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 602) Mit der Einführung der DSM wurde die traditionelle Trennung in Psychose und Neurose aufgegeben, da die Begriffe mittlerweile so umfassend waren, dass sie als diagnostische Kategorie nicht mehr brauchbar waren. Zum Problem der Norm (normal: anormal (abnorm); Grenze ist fließend): die statische Norm die ideale Norm die funktionale Norm der errechnete Durchschnitt, das objektive Kriterium was sein soll; aufgrund gesellschaftl. kultureller, ideologischer, schichtspezifischer Erwartungen das subjektive Empfinden des Individuums das subjektive Kriterium das soziokulturelle Kriterium (Vgl. Lahmer; 2010, S.276) Unterschiede Die Psychiatrie befasst sich vor allem mit jenen psychischen Erkrankungen, die durch Verletzungen, Erkrankungen oder durch angeborene Schäden des Nervensystems entstanden sind und mit einem starken Abbau der Persönlichkeit und einem extremen Realitätsverlust einhergehen (Psychosen). Die Klinische Psychologie beschäftigt sich mit jenen Störungen, die ihren Ursprung im Erleben und Verhalten des Individuums selbst haben (psychogene Störungen z.B. Neurosen). 3.1 Neurosen Neurosen sind von der Norm abweichende Verhaltensweisen, die nicht auf organischen Störungen beruhen. Sie betreffen nur Teilbereiche des Menschen. Ein wesentliches Merkmal der Neurose ist die Angst. Unter einer Neurose versteht man weiters eine störende, länger andauernde psychische Einstellung oder Verhaltensgewohnheit, die Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 41 durch die eigene Biographie entstanden ist. (Vgl. Lahmer; 2010 S. 278) Es besteht eine Diskrepanz zwischen äußerem Verhalten und inneren Tendenzen. 3.1.1 Ursachen von neurotischem Verhalten Je nach dem Zugang (Psychodynamisch, Behavioristisch, etc.) wird nach der Ursache der Neurose gesucht. Dementsprechend werden daher auch divergierende Therapien zur Behandlung herangezogen. Mögliche Ursachen können sein: Minderwertigkeitsgefühle, innere Konflikte (ES: ÜBER-ICH); infantile Reaktionen (Frau reagiert gegenüber ihrem Mann wie einst gegenüber ihrem Vater); Schuldgefühle usw. Bei Kindern: Beziehungsmangel durch die Eltern (Liebesentzug), rigides Erzieherverhalten, leistungsmäßige Überforderung, Überbehütung 3.1.2 Formen der Neurose Angststörungen Unter bestimmten Bedingungen ist Angst eine angeborene Reaktion auf unkontrollierbar eingeschätzte Situationen. Eine Angststörung, vielfach auch Angstneurose, zeichnet sich durch extreme, ungerichtete Angstzustände aus. Man spricht von übersteigender Angst. Sie überfällt den Betreffenden plötzlich und ohne erkennbaren Grund und ist oft begleitet von Unbehagen, Atemnot, Herzbeschwerden, Schweißausbrüchen, nervlicher Erschöpfung etc. psychosomatische Beschwerden. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 278) Beispiel: Jemand ist ständig in Panik und glaubt, einem Familienangehörigen passiert etwas (z.B. Autounfall, Krankheit, etc.). Phobien Bei Phobien richtet sich die Angst auf bestimmte Situationen und Objekte, jedoch meist unangemessen, da das Objekt meist keine wirkliche Gefahrenquelle darstellt. Dem Phobiker ist das zwar klar, er kann sich aber nicht wehren. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 278) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 42 Man unterscheidet: Soziale Phobien Agoraphobien Einfache spezifische Phobien werden in Gegenwart anderer Menschen ausgelöst: Klaustrophobie (Platzangst; enge Räume, Lift, U-Bahn...) Agoraphobie (Angst vor dem überschreiten weiter Plätze) Akrophobie (Höhenangst) Verbreitete Tierphobien sind Mäuse-, Katzen-, Schlangenund Spinnenphobien usw. z.B. Angst zu erröten (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 615) Zwangsneurose Bei der Zwangsneurose drängen sich dem Betreffenden bestimmte stereotype Handlungen oder Gedanken immer wieder auf. Sie sind unangenehm, er kann sie aber nicht verhindern. Oft führen verdrängte Wünsche und Schuldgefühle zu diesem Verhalten. Man unterscheidet: Zwangsvorstellung Zwangsimpulse z.B. starker Drang, Wasch-, Putz, Zähl- oder Selbstmordgedanken; bestimmte Handlungen Überprüfungszwang Mutter „sieht“ jedes Mal, durchführen (z.B. im Kleptomanie (Sucht zu wenn sie die Toilette Lokal auf den Boden stehlen) besucht, wie ihr Baby zu spucken …) Pyromanie (Drang, Feuer weggespült wird. zu legen) „Habe ich wirklich zugesperrt?“ (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 615f) Hysterie (auch Konversionsneurose) -Dissoziative Störung Emotional stark belastende Erlebnisse, die nicht verarbeitet bzw. abreagiert wurden, unbewusste Konflikte können zu Affektausbrüchen mit Krämpfen, Verwirrtheit, Ohnmacht führen. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 43 Depression Depression bedeutet bedrückte Stimmung (lat. Deprimiere = herabdrücken). Man unterscheidet: reaktive (psychogene) Depression endogene (von innen) Depression Folge eines äußeren Anlasses (z.B. Misserfolg) Kein ersichtlicher Auslöser, anlagebedingt (Gehirnstoffwechselstörung) manisch-depressives Irresein z.B. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 617ff) Jeder Mensch kennt diese normalen Begleiterscheinungen bei schwierigen Lebensereignissen. Der Unterschied zur neurotischen Depression liegt in der Häufigkeit, Intensität und Ausprägung der Merkmale. Folgen sind: Schwermütigkeit, Traurigkeit, Passivität, Hoffnungslosigkeit, Teilnahmslosigkeit 3.1.3 Psychose Psychosen (Geisteskrankheiten) sind psychosomatische Störungen, deren organische und psychische Ursachen meist unbekannt sind und den starken Abbau (bis Zerstörung) der Persönlichkeit zur Folge haben können. Psychotisch Kranke können oft nicht für sich selbst sorgen und es besteht die Gefahr, dass andere Personen geschädigt werden. Es wird zwischen einer „exogenen“ Ursache (erkennbare organische Ursache) und einer „endogenen“ (keine organische Ursache) differenziert. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 279) 3.1.4 Formen der endogenen Psychose Schizophrenie Schizophren Kranke leiden unter einem Verlust der Realität. Sie sind von der Wirklichkeit getrennt, reaktionslos und total gleichgültig. Sie leben nach einem „inneren Traum“ und haben im Regelfall keine zwischenmenschlichen Beziehungen. (Vgl. Lahmer; 2010, S. 279) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 44 Paranoia Paranoia ist eine Form der Schizophrenie, die durch das Auftreten von Wahnideen (Größenwahn: „Ich bin Napoleon!“; Verfolgungswahn: „Jemand ist hinter meinem Geld her!“; Beziehungswahn: „Alle sprechen über mich!“) und Halluzination gekennzeichnet ist. Der Paranoiker hat keinen Handlungsspielraum. Er unterstellt sein Handeln fremden Mächten. Manisch-depressiven Psychose (manisch-depressives Irresein) Bei manisch-depressivem Irresein wechseln Perioden der Manie (starke Aufregung, Euphorie und Begeisterung, großer Scharfsinn) und Depression (Traurigkeit, Entmutigung, Suizidgefahr). Persönlichkeitsstörungen Persönlichkeitsstörungen sind durch Verhaltensstile gekennzeichnet, die häufig Anpassungsprobleme verursachen. Der Betroffene ist jedoch häufig relativ angstfrei und es besteht kein „Leidensdruck“. Oft werden die Störungen vom Betreffenden nicht als störend empfunden. Beispiele sind (Vgl. Lahmer; 2010, S. 280f) die zwangsneurotische Persönlichkeitsstörung die hysterische Persönlichkeitsstörung die paranoide Persönlichkeitsstörung psychopathische Persönlichkeit (besser: asoziale Reaktion) schizoide Persönlichkeitsstörung antisoziale Persönlichkeitsstörung narzisstische Persönlichkeitsstörung Sexuelle Funktionsstörungen (Perversionen) Bei sexuellen Störungen handelt es sich um Probleme wie Hemmungen, Funktionsstörungen oder um sexuelle Perversionen. Allerdings ist es relativ schwierig auf dem Gebiet der Sexualität zwischen „Normal“ oder „Abnormal“ zu differenzieren. Hier herrschen auch beträchtliche kulturelle Unterschiede. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 610ff) Fetischismus: sexuelle Befriedigung an Objekten (Frauenunterwäsche) oder an Körperteilen außerhalb des Genitalbereiches des Sexualpartners (z.B. Füße) Exhibitionismus: Bedürfnis, Genitalien vor anderen Menschen zu entblößen – Reaktion des Beobachters als Stimulation Voyeurismus: nichts ahnende Personen werden beim Koitus oder beim An- und Auskleiden beobachtet Masochismus: Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 45 sexuelle Erregung durch Bestrafen Sadismus: sexuelle Befriedigung durch Zufügung von Schmerzen des Sexualpartners Sodomie: sexuelle Betätigung mit Tieren Pädophilie: auch Päderastie = sexuelle Befriedigung mit Kindern 3.1.5 Modelle psychischer Störungen Biologisches Modell Man geht davon aus, dass es genau unterscheidbare Krankheiten, die durch bestimmte Symptome zu identifizieren sind, gibt. (Psychische Krankheiten sind überwiegend körperlicher Art; erbliche oder biochemische Anomalien) Psychodynamisches Modell Behavioristisches Modell Humanistisches Modell Grundannahme sind Konflikte zwischen Bedürfnissen (ES) und gesellschaftlichen moralischen Maßstäben Abweichendes Verhalten existiert als Folge von Verstärkungslernen und der Konditionierung Mensch hat von Natur aus das Verlangen, sich selbst zu verwirklichen – sein eigenes SELBST zu realisieren (Maslow, C. Rogers) (ÜBER-ICH) Das soziale Umfeld (Eltern, Lehrer, Vorgesetzte usw.) bremsen oft diese Angst ist z.B. eine Anlagen und Wenn Impulse klassische durchzubrechen Talente. Es kommt Konditionierung drohen, können Einsatz von zur Selbstund nicht die Folge Angst und Medikamenten verleugnung als eines drohenden Schuldgefühle (Psychopharmaka, Quelle psychischen entstehen. Übermaß Durchbruchs z.B. Neuroleptika, Leides und inakzeptabler = Hauptquelle Tranquilizer, abweichenden Impulse des ES. gestörten Hypnotika, Verhaltens. Verhaltens. Antidepressiva, Therapie versucht, Psychotonika) den Menschen zur Korrekte Diagnose freien Die Behandlung oft nicht möglich; Selbstäußerung zu versucht Symptome Gefahr der führen, sein Fühlen des Verhaltens vorschnellen Etikettund Denken zu bewusst zu machen ierung (Labellingakzeptieren – und aufzuarbeiten Ansatz) und damit befriedigende Stigmatisierung psychische Integration zu erlangen. (Vgl. Zimbardo, Gerrig; 1999, S. 623ff) Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 46 Anmerkung: Es wäre gefährlich, ein einzelnes Modell als „richtig“ zu betrachten. Jedes kann für ein ganz bestimmtes Problem einer bestimmten Person „richtig“ sein. Man muss aber immer mit der Wahrscheinlichkeit mehrfacher Ursachen rechnen. Für jede einzelne geistige oder psychische Störung können wir kausale Faktoren in mehr als einem Modell der Psychopathologie finden. 3.1.6 Mögliche Störungen von Persönlichkeitsstrukturen auf der Grundlage der psychoanalytischen Phasenlehre (Vgl. Schuster, Springer- Kremser; 1996, S.36ff) Orale Phase Anale Phase Phallische Phase schizoide Persönlichkeit zwanghafte Persönlichkeit hysterische Persönlichkeit Mögliche Entstehungsbedingungen: Mögliche Entstehungsbedingungen: Mögliche Entstehungsbedingungen: hohe anlagebedingte Sensibilität Erziehungsfehler durch und hohes Erregungsgrundmuster harte, verfrühte nach innen (introvertiert) Sauberkeitserziehung Unterdrückung des Narzisstische Störungen aufgrund Autonomiestrebens (siehe von Verlassenheitsängsten im “Trotzalter“). ersten Lebensjahr Dressur des “unartigen“ Spätere Zurückweisungen und Kindes (gute Manieren, Enttäuschungen setzen den Anpassung...) Prozess der Spaltung (Schisma) fort Später entstehen Zwänge aus dem strafenden ÜBERMangelndes Urvertrauen ICH; ebenso werden (ERIKSON) und frühere Impulse aus dem ES Bindungsängste führen zur ständig “unter Kontrolle“ mangelhaften Integration von gehalten. Rationalität und Emotionalität. Daraus ergeben sich starre Gefühle verkümmern, bleiben Lebensprinzipien, feste nach innen gerichtet und äußern Gewohnheiten und sich oft in Distanz, Gefühlskälte, fanatisches Festhalten, z.B. Arroganz. Waschzwang, Putz- und Reinlichkeitszwänge, Geiz Erscheinungsformen: und Sparsamkeit. Einzelgänger Zyniker Sonderling Pädagogische Psychologie Pedanterie bildet einen Schutzwall, aus dem es kein “Herausfallen“ geben Mag. Erich Hackl Erziehungsfehler, durch mangelnde Vorbildfunktionen (Vater, Mutter) in der ödipalen Phase. Es kommt zu Fixierungen am gegengeschlechtlichen Elternteil und zur ungenügenden Identitätsfindung (siehe ERIKSON) z.B. Schaukelerziehung; Zerrformen des Männlichen und Weiblichen – damit keine Ausbildung geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens. Hysteroide Menschen zeichnen sich durch hohe Stimmungsschwankungen aus, neigen zu Übertreibungen, Wunschdenken, Geltungsdrang, Schwindeleien, Umdeuten der Motive – andere für 47 Psychotiker depressive Persönlichkeit Erziehungsfehler, die entweder durch eine überbehütete, verwöhnende Erziehung entstehen oder durch eine zu harte, nicht einfühlende Erziehung. Es bildet sich eine „passive Erwartungshaltung“, mangelnde Autonomie; lebenslange Abhängigkeit von idealisierten Liebesobjekten (nichts wird mehr gefürchtet als die Trennung). Neben der passiven Erwartungshaltung gibt es auch den aktiven depressiven Typ: Er versucht die anderen abhängig zu machen durch übergroßes Engagement. soll. Erscheinungsformen: Zweifler Zauderer Kriecher Phobiker Hypochonder Neurotiker schuldig erklären (Projektionen). Erscheinungsformen: Geltungssucht Frigidität Erscheinungsformen: orale Gier (Essen, Rauchen, Trinken, Drogen...), Hypochondrie; Suizid als Erpressung Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 48 3.1.7 Fallbeispiele zu psychischen Störungen Sabine ist als sehr gewissenhafte, verschlossene Schülerin bekannt. Beim Verlassen der Schule fällt auf, dass sie nicht quer über den Schulhof wie ihre Klassenkameraden geht, sondern stets am Rande auf Umwegen den Schulbereich verlässt Herr Maier wird häufig von extremen Angstzuständen „überfallen“, die von psychosomatischen Beschwerden (Herzstechen) begleitet werden. In seiner Panik glaubt er, „früh“ sterben zu müssen. Herr Berger grübelt täglich bis zu mehreren Stunden drüber nach, ob es „zweckmäßiger“ wäre durch den Mund oder durch die Nase einzuatmen und hat Angst, einmal auf das Atmen ganz zu vergessen. Frau Süß ist abwechselnd euphorisch, voll grenzenloser Begeisterung und Energie und dann plötzlich niedergeschlagen, apathisch und schlapp. Beide Stimmungen treten bei ihr in extremem Ausmaß auf. Brigitte (6 Jahre) ist sehr verschlossen, sie reagiert auf keine Ansprache. Wenn man sie anfasst „versteift“ sie sich gänzlich. Peter (7 Jahre) ist ein sehr sensibles Kind, das zwar bei seiner Mutter normal spricht, in der Schule jedoch die sprachliche Kontaktaufnahme verweigert. Herr Wagner fühlt sich immer verfolgt. Wenn jemand in der U-Bahn hustet, deutet er das bereits als Zeichen eines Spions, der ihn verrät. Herr Berger wird als Heiratsschwindler (er hat mehreren Frauen die Ehe versprochen und hohe Geldsummen ergaunert) entlarvt und verurteilt. Bei seiner Einvernahme bestreitet er jegliche Schuld. Er habe doch den Betroffenen „einiges“ dafür gegeben. Frau Klein fühlt sich in ihrem Körper nicht wohl. Sie fühlt sich als Mann, trägt Männersachen, nimmt zurzeit entsprechende Hormone und möchte sich einer Geschlechtsoperation unterziehen. Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 49 4. Literaturverzeichnis Frankl Viktor E. (1982) Ärztliche Seelsorge. Wien: Fischer, 1995 Gudjons, Herbert; Pädagogisches Grundwissen. Klinkhart, 1994 Illichmann, Adolf: Arbeitsbuch der Psychologie. Wien: ÖBV-Verlag, 1996 Keintzel, Reimar; Unterscheidung C. G. Jung, Mathias-Grünwald Verlag, Stuttgart, 1991 Lahmer Karl; Kernbereiche Psychologie, Dorner Verlag, 2010 Lukas Elisabeth; Logotherapie. Quintessenz MMV, Medizin-Verl. München, 1995 Rollett, Brigitte: Lernen und Lehren. Wien: WUV-Univ. Verlag, 1997 Schenk-Danzinger: Pädagogische Psychologie. Wien: ÖBV-Verlag, 1992 Schenk-Danzinger: Entwicklungspsychologie. Wien: ÖBV-Verlag, 1996 Schuster Peter; Springer-Kremser Marianne; WUV Verlag, Wien, 1994 Zimbardo-Gerrig: Psychologie. 7. Auflage. Berlin: Springer-Verlag, 1999 http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungFreud.shtml http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.sht ml) http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Adler.sht ml http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Jung.shtml http://de.wikipedia.org/wiki/Introversion_und_Extraversion http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/EntwicklungErikson.shtml http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Frankl http://www.univie.ac.at/logotherapy/d/logotherapie.html Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 50 http://lexikon.stangl.eu/590/pubertaet/) http://bmwa.cms.apa.at/cms/content/attachments/9/3/7/CH0618/CMS13153991557 65/sechster_jugendbericht_auf_einen_blick.pdf Pädagogische Psychologie Mag. Erich Hackl 51