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Forum für Wissen 2013: 31–43
31
Ökonomische Überlegungen zum physikalischen
Bodenschutz im Wald
Oliver Thees und Roland Olschewski
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
Der Schutz des Waldbodens rückt immer mehr in den Fokus der mitteleuropäischen Forstwirtschaften – so auch in der Schweiz. Im Zentrum stehen dabei die
Befahrung des Bodens mit Maschinen bei der Holzernte und die davon ausgehenden Risiken für die Bodenfruchtbarkeit und das Waldökosystem. Immer deutlicher wird die ökonomische Dimension des Themas, wenn nasse Witterung Planbarkeit und Ausführung der Arbeiten erschweren. Auch das öffentliche Interesse
hat zugenommen: Verletzungen des Waldbodens werden von der Bevölkerung
und in Naturschutzkreisen negativ wahrgenommen und die Medien berichten
darüber. Das Thema birgt grosse ökologische, aber auch ökonomische und politische Herausforderungen, denn es geht um eine umfassende Nachhaltigkeit in der
Waldbewirtschaftung.
1 Das Problem
Ein Drittel des Schweizer Waldbodens
ist befahrbar bzw. kann mit bodengestützten Erntemethoden bewirtschaftet werden. Das Gefährdungspotenzial beträgt also rund 400 000 Hektar.
Erste Erhebungen sind beruhigend.
Sie belegen den sorgsamen Umgang
der Schweizer Forstwirtschaft mit ihrer
Produktionsgrundlage
(Schwyzer
et al. 2010): Lediglich 1,3 Prozent der
befahrbaren Waldfläche in der Schweiz
sind nach Landesforstinventar durch
Befahrung derart in Mitleidenschaft
gezogen, dass der Zustand nicht mehr
mit dem Gesetz zu vereinbaren ist.
Gleichwohl bedingt der physikalische Bodenschutz Anpassungen der
Waldbewirtschaftung: zusätzliche technische und organisatorische Massnahmen sind zu seiner Umsetzung notwendig. Die Forschung kümmert sich in
diesem Zusammengang vor allem um
bodenphysikalische und bodenbiologische, aber auch um verfahrenstechnische Fragen. Die Praxis reagiert durch
Ausbildung und Sensibilisierung der
Akteure für das Thema sowie mit einschlägigen Empfehlungen oder Richtlinien, welche die Befahrung im Zuge
der Bewirtschaftung regeln. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Konzepte
und Massnahmen wurden bisher allerdings wenig untersucht. Vor allem fehlt
eine gesamthafte betriebs- und volkswirtschaftliche Analyse des physikalischen Bodenschutzes im Wald.
Denn die Massnahmen können teuer sein. Was sie genau kosten, ist nicht
immer einfach festzustellen. Noch
schwieriger ist es festzustellen, wie wirkungsvoll sie wirklich sind und welchen Nutzen sie genau stiften. Daher
ist auch nicht von vornherein klar, welche Massnahmen erforderlich, effizient
und effektiv sind. Vielfach handelt man
vorsorglich. Es ist auch nicht klar, wer
die Kosten in welchem Umfang trägt,
und wie sie die Wettbewerbsfähigkeit
der Holzproduktion beeinflussen. Ökonomisch zielgerichtetes Handeln wird
dadurch enorm erschwert.
2 Zielsetzung und Methoden
Ökonomisch gesehen geht es auch
beim Bodenschutz um den Umgang
mit Knappheit und um Kosten-Nutzen-Überlegungen. Intakte Waldböden – annähernd noch in einem natürlichen Zustand – drohen zu verknappen.
Und Bodenschutz ist nicht umsonst zu
haben, er kostet Geld. Ökonomisches
Handeln beruht hier auf dem ökonomischen Prinzip, ein bestimmtes Ziel
mit minimalen Mitteln zu erreichen. Es
besteht privates und öffentliches Inter-
esse am Bodenschutz und es stellt sich
in beiden Fällen die Frage, ob Bodenschutz in genügender Menge und Qualität erzeugt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es das
Ziel des Beitrages, den physikalischen
Bodenschutz bei der Waldbewirtschaftung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu analysieren. Dabei geht es
darum, die ökonomischen Wirkungen
des Bodenschutzes zu erfassen, zu systematisieren und im Hinblick auf die
Ausgestaltung des Managements auf
betrieblicher und hoheitlicher Ebene
zu analysieren. Die ökonomische Einbettung des Bodenschutzes verspricht
eine differenzierte Einsicht in die
Realität, ein besseres Verständnis der
Zusammenhänge und vielleicht neue
Erkenntnisse, um bessere Entscheidungen zu ermöglichen.
Für die Analyse eines solchen Problems stellt die Ökonomie drei wesentliche Perspektiven bereit:
1 Die produktionsökonomische Perspektive untersucht die Auswirkungen auf die Produktionskosten.
2 Die industrieökonomische Perspektive fokussiert auf die Wettbewerbswirkungen.
3 Die institutionenökonomische Perspektive stellt Kontroll- und Anreizprobleme in den Vordergrund.
Der Beitrag analysiert den physikalischen Bodenschutz im Wald unter diesen methodischen Aspekten, beleuchtet seinen Charakter als Produkt
ökonomischen Handelns und zieht
Schlussfolgerungen für dessen Behandlung in Forschung und Praxis.
32
3 Gesetzliche Grundlagen
des physikalischen Boden­
schutzes – was muss
erreicht werden?
Ziel der Bodenschutzgesetzgebung ist
die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Art. 1 Abs. 1 USG, Art 1
VBBo). Das Konzept ist auf die Sicherstellung der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und damit vorwiegend
auf vorsorgliche Massnahmen ausgerichtet (Iten 2009).
Art. 1 Abs. 1 USG: «Zweck:
1 Dieses Gesetz soll Menschen, Tiere
und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen
schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen
Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die
Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten.
2 Im Sinne der Vorsorge sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu
begrenzen.»
Näheres zur Vermeidung von Bodenverdichtungen und Erosion findet sich
in der Verordnung über Belastungen
des Bodens (VBBo, Art. 6):
«Wer Anlagen erstellt oder den Boden
bewirtschaftet, muss unter Berücksichtigung der physikalischen Eigenschaften und der Feuchtigkeit des Bodens
Fahrzeuge, Maschinen und Geräte so
auswählen und einsetzen, dass Verdichtungen des Bodens vermieden werden,
welche die Bodenfruchtbarkeit langfristig gefährden.»
Auch die Waldgesetzgebung des Bundes sieht in Art. 28 Buchstabe d der
Verordnung vom 30. November 1992
über den Schutz des Waldes (WaV; SR
921.01) vor, dass die Kantone Massnahmen zur Verminderung physikalischer
Belastungen des Bodens treffen müssen, um Waldschäden zu verhindern.
Als Waldschäden gelten dabei Schäden, welche die Erhaltung des Waldes
gefährden können (Iten 2009).
Das schweizerische Bodenschutzund Waldrecht enthält also verschiedene Bestimmungen, die den Schutz der
Bodenfruchtbarkeit vor physikalischen
Beeinträchtigungen vorsehen. Beim
Vollzug dieser Bestimmungen wird den
Kantonen als Vollzugsbehörden ein
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gewisser Spielraum belassen, beispielsweise bei der Bestimmung des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung oder der Wahl der konkreten
Schutzmassnahmen (Iten 2009). Für
die Forstwirtschaft stellt sich die Frage,
was der Gesetzestext in der täglichen
Praxis konkret bedeutet. Nach Iten
(2009) kann sie bei der Bestimmung
des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung mitwirken. Die WSL ist
dieser Frage aus bodenphysikalischer
und bodenbiologischer Sicht nachgegangen und hat praxisgerecht definiert,
welche Bodenzustände nach einer
Befahrung mit dem Gesetz kollidieren
und welche nicht. Da die unterschiedlichen Zustände mit den Fahrspuren an
der Bodenoberfläche korrespondieren,
war es möglich, eine Fahrspurtypisierung als Grundlage für die Umsetzung
des Bodenschutzes in der Praxis zu entwickeln (Lüscher et al. 2009a; Lüscher
et al. 2014). Mit dem sogenannten Spurtyp 3 konnte ein Schwellenwert definiert werden, den es aus bodenökologischen Gründen zu vermeiden gilt.
Wichtig ist festzustellen, dass dieser
Schwellenwert auch bei sorgfältiger
fachgerechter Arbeit nicht gänzlich
vermieden werden kann. Das bedeutet, dass ein gewisses geringes Ausmass
toleriert werden muss, wenn man die
Waldbewirtschaftung aufrechterhalten
will. Diese Spezifikation hat noch nicht
stattgefunden.
4 Bodenschutz als öffent­
liches und privates Gut
Physikalischer Bodenschutz bei der
Holzernte besteht im vorsorglichen
Vermeiden von Schäden bzw. unerwünschten Bodenzuständen: Nach der
Erntemassnahme soll sich der Waldboden in einem möglichst wenig veränderten Zustand befinden. Der Schutz
des Waldbodens wird in der Schweiz,
wie auch in anderen Ländern, nicht
der Entscheidung des Waldeigentümers allein überlassen, sondern via
Gesetz und Behörden «nachgefragt»
bzw. erzwungen. Eine ökonomische
Betrachtung kann hilfreich sein, um zu
verstehen, warum dies so ist, und um zu
prüfen, ob nicht auch Marktmechanismen zur Förderung des Bodenschutzes
eingesetzt werden könnten.
Der Schutz des Waldbodens kann, wie
auch der Klima- oder Biodiversitätsschutz (Vogt und Sturm 2011), als
ein eigens erzeugtes öffentliches Gut
angesehen werden. Im Gegensatz zu
privaten Gütern zeichnen sich öffentliche Güter dadurch aus, dass das Ausschlussprinzip nicht greift und gleichzeitig keine Rivalität in der Nutzung
vorliegt. Da der Bodenschutz auf der
gesamten Waldfläche zu gewährleisten ist und der Wald frei zugänglich
ist, kann niemand von der positiven
ästhetischen Wirkung ausgeschlossen werden. Aber auch unabhängig
vom Betretungsrecht kann die Bevölkerung beispielsweise vom Erosionsund Klimaschutz profitieren. Insofern
handelt es sich beim Bodenschutz um
ein öffentliches Gut. Allerdings hat
dieses Gut auch eine private Komponente: Der Waldeigentümer profitiert
in der Regel, wenn er schonend mit
seinen Ressourcen umgeht: dies zum
einen heute durch mögliche Wettbewerbsvorteile im Rahmen der Waldzertifizierung und zum anderen durch
positive Auswirkungen auf die zukünftige Holzproduktion. Gegenüber dieser letztgenannten, langfristigen Perspektive hat aber oft die kurzfristige,
liquiditätsorientierte Sicht ein grösseres Gewicht. Konkrete Gründe hierfür
sind vor allem die terminlichen Lieferverpflichtungen und die zusätzlichen Holzerntekosten besonders vorsorglicher Massnahmen. Offensichtlich können zwischen Öffentlichkeit
und Eigentümer unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wie viel
Bodenschutz produziert werden soll,
wie das zu erreichende Ziel bzw. die
Grenze zum Schaden genau zu definieren ist und wie viele Mittel zur Erreichung diese Zieles eingesetzt werden
sollen.
Hat also der in der Zukunft liegende
positive Effekt auf die Holzproduktion ein zu geringes Gewicht im heutigen produktionsökonomischen Kalkül
des Waldbesitzers oder ergeben sich
aus der Zertifizierung keine industrieökonomischen Anreize für einen verstärkten Bodenschutz, wird das Gut
Bodenschutz in geringerem Umfang
produziert. In dieser Situation kann
der Staat die Bereitstellung aus übergeordneten wirtschaftlichen, ökologischen und ideellen Überlegungen
erzwingen, unabhängig von den Prä-
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ferenzen der betroffenen Wirtschaftssubjekte. Man spricht dann von einem
öffentlichen beziehungsweise privaten
meritorischen Gut (Bergen et al. 2013).
Bei der Charakterisierung des Gutes
Bodenschutz ist ausserdem zu erwähnen, dass der tatsächliche Schutz des
Bodens schwierig zu erkennen, zu messen und zu bewerten ist. Verschärft
wird dieses Problem durch die Heterogenität der Böden in der Schweiz.
Diese Eigenschaften können insbesondere die betriebliche und hoheitliche
Kontrolle erschweren. In den folgenden Analysen wird sich zeigen, welche
ökonomischen Wirkungen sich aus den
skizzierten Eigenschaften des Bodenschutzes ergeben.
5Produktionsökonomische
Perspektive
5.1 Welche Kosten verursacht der
physikalische Bodenschutz?
Der Schutz des Waldbodens verursacht
Mehrkosten. Diese entstehen vor allem
bei der Holzernte, hervorgerufen durch
zusätzliche Massnahmen, die unmittel-
33
bar mit seiner Erzeugung verbunden
sind. Spjevak und Thees haben 2009
erstmalig versucht, die Kosten des physikalischen Bodenschutzes zu erfassen,
zu strukturieren und grob abzuschätzen. Tabelle 2 gibt einen Überblick
über die kostenverursachenden Massnahmen.
Auf der Ebene des Kantons fallen
Kosten im Rahmen der hoheitlichen
Überwachung des Bodenschutzes an.
Auf der Ebene des Betriebes handelt
es sich einerseits um investive Massnahmen wie die Ausbildung der Mitarbeiter und die Kartierung der Befahrungsempfindlichkeit der Waldböden
und andererseits um operative Massnahmen beim einzelnen Holzschlag,
wie den Einsatz bodenschonender
Spezialausrüstungen der Maschinen
bis hin zum Einsatz von seilgestützten Erntesystemen (vgl. Tab. 1). Diese
Massnahmen verteuern die Holzproduktion; sie verursachen fixe und variable Kosten. Insgesamt handelt es sich
um betriebswirtschaftliche Gemeinkosten (indirekte Kosten), weil sie nur
indirekt den einzelnen Kostenträgern,
in der Regel dem Festmeter, zurechenbar sind. Grundlegende Massnahmen
auf der Ebene des Betriebes sind die
Weiterbildung des Personals sowie
die Bodenzustandsermittlung und die
Abnahme der Arbeiten nach Beendigung eines Holzschlages. Diese wichtigen Massnahmen kosten vergleichsweise wenig und bringen viel. Wenn
man zusätzlich noch dafür sorgt, dass
mit möglichst geringem Reifeninnendruck gefahren wird, hat man schon
sehr viel getan. Darüber hinaus kann
man alle anderen Massnahmen als
optional ansehen, das heisst, sie sind im
Einzelfall je nach standörtlichen und
betrieblichen Verhältnissen zu wählen. Die minimalen Kosten, die sich aus
den grundlegenden Massnahmen ergeben, betragen rund 5 CHF/ha und Jahr
beziehungweise 0.5 CHF/m3 und haben
damit einen Anteil von knapp ein Prozent am mittleren Holzernteaufwand.
Bei schwierigen Verhältnissen und
hohen Ansprüchen können die Kosten
allerdings massiv ansteigen und Werte zwischen 50 und 100 CHF/ha und
Jahr beziehungsweise 5 und 10 CHF/
m3 annehmen. Eher teure Massnahmen
bestehen darin, grosse Beiseilentfernungen in Kauf zu nehmen oder auf
bodengestützte Erntesysteme zu verzichten und Seilsysteme einzusetzen.
Die Höhe der Kosten hängt stark
von der standörtlichen Situation und
vom Stellenwert des Bodenschutzes
Tab. 1. Überblick über kostenrelevante Massnahmen für den physikalischen Bodenschutz aus der Sicht des Forstbetriebes (Spjevak und
Thees 2009a, modifiziert). Fett: Basismassnahmen. *Es wird vom häufigeren Fall ausgegangen, dass die spezifischen bodenschonenden
Maschinenausrüstungen einem Forstunternehmen gehören. Bei ihrem Einsatz (Fremdregie) handelt es sich dann um zusätzlich variable
Kosten beim einzelnen Holzschlag, die der Unternehmer erstattet haben will; im Fall des Eigenregieeinsatzes handelt es sich um zusätzliche
Investitionen des Forstbetriebes.
Zusätzliche Investitionen
Zusätzliche Massnahmen beim einzelnen Holzschlag verursachen
fixe Kosten
variable Kosten
Planung
(Betrieb)
–Weiterbildung Betriebsleiter
–Kartierung im Hinblick auf Befahrungsempfindlichkeit, Markierung
und Dokumentation der Feinerschliessung
–Festlegen von Ausweichflächen
–Umweltleistungsbewertung
bezüglich Bodenschutz
–Vergrösserung des Rückegassen­
abstandes (>20m)
Steuerung und
Durchführung
(Betrieb)
–Weiterbildung Maschinenführer
–Software zur Beurteilung der
Befahrbarkeit
–Instrumente zur Messung der
Bodenfeuchte
–Schlepper mit geringerer Radlast
–Beurteilung des Bodenzustandes
→ Entscheid fahren/nicht fahren
–Unterbruch der Arbeiten und
Umsetzen auf Ausweichflächen
–Regenerationsmassnahmen
–Abnahme der Arbeiten
–Spezifische Maschinenausrüstungen*:
Reifen grösserer Nennbreite
Reifendruckregelanlage
Bogiebänder
Traktionshilfswinde
–Partieller Verzicht auf Befahrung,
z.B. grössere Beiseilentfernungen
beim Rücken
–Rücken mit reduzierter Last bzw.
kleinerer Maschine
–Wechsel von boden- auf seilgestützte
Erntesysteme
Überwachung
(Kanton)
–Kontrollen und gegebenenfalls
Sanktionsmassnahmen
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Forum für Wissen 2013
im Betrieb ab. Ein Betrieb mit hohem
Anteil befahrungsempfindlicher Böden
wird entsprechend höhere Kosten in
Kauf nehmen müssen. Es sind ähnliche
Rahmenbedingungen wie die Steilheit
des Geländes, welche die Holzproduktion verteuern, die aber hinzunehmen
sind und nicht geändert werden können.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gilt ein besonderes Augenmerk den Kosten, die durch grössere
Rückegassenabstände verursacht werden und sich vor allem beim mechanisierten Fällen und Aufarbeiten niederschlagen: Heutige Radvollernter
haben eine Kranreichweite von rund
zehn Metern. Somit können alle Bäume innerhalb eines zehn Meter breiten Streifens beidseits der Rückegasse
vom Ausleger des Vollernters erreicht
werden. Für einen flächendeckenden Einsatz des Vollernters darf also
der Abstand zwischen den Rückegassen nicht grösser als 20 Meter sein.
Bei grösseren Gassenabständen gibt
es eine Zwischenzone, in welcher
die Bäume von der Maschine nicht
erreicht werden können. Bäume in
dieser Zwischenzone werden je nach
Baumdimension und Gassenabstand
zugefällt oder, wenn dies aufgrund zu
44
Holzerntekosten [CHF/m3]
42
40
38
36
34
32
30
10
20
30
40
50
60
Rückegassenabstand [m]
Abb. 1. Durchschnittliche Holzerntekosten über eine gesamte Umtriebszeit bei verschiedenen Rückegassenabständen (Jäger 2012; Vollerntereinsatz, Fichtenbestand).
Szenarium 1
60
Szenarium 2
Szenarium 3
Erntekostenfreier Erlös [CHF/m3]
55
50
45
40
35
30
25
10
20
30
40
50
60
Rückegassenabstand [m]
Abb. 2. Erntekostenfreier Erlös bei den verschiedenen Szenarien in Abhängigkeit des Gassenabstandes (Jäger 2012). Die Szenarien werden im Text erläutert.
geringer Baumhöhen oder zu grosser
Gassenabstände nicht möglich ist, vorgeliefert. Jäger (2013) hat im Rahmen
seiner Masterarbeitan der ETH Zürich
diese Kosten modellhaft quantifiziert.
Pro zehn Meter Zunahme des Gassenabstandes ergeben sich hier 2 CHF/m3
(Abb. 1). Diese an sich schon beachtlichen durchschnittlichen Mehrkosten
können sich im Einzelfall, vor allem im
Schwachholz, auch auf rund 10 CHF/
m3 und mehr belaufen.
5.2 Welchen Nutzen stiftet der
physikalische Bodenschutz?
Der langfristige Nutzen besteht darin,
dass ein schonender Umgang mit dem
Boden heute zu einer ertragreichen
Holzproduktion in der Zukunft beiträgt. Der kurzfristige Nutzen entsteht
durch Einsparungen, die sich aus unterlassenen Massnahmen für den Bodenschutz heute ergeben. In der Praxis ist
es oft so, dass dem Waldbewirtschafter
der kurzfristige Nutzen wichtiger ist als
der langfristige Nutzen, da sich dieser
wesentlich später auswirkt.
Der ungenügende Schutz des Waldbodens bei der Holzernte heute kann
aber Kosten in der Zukunft verursachen. Diese äussern sich in Form von
Mindererlösen bei der Holzproduktion. Sie sind ursächlich zurückzuführen auf mögliche Zuwachseinbussen
infolge intensiver Feinerschliessung
und auf fäulnisbedingte Wertverluste
infolge Bestandes- und Wurzelschäden
beim verbleibenden Bestand. Der Nutzen des physikalischen Bodenschutzes
besteht also in der Vermeidung dieser
Mindererlöse. Hinzu kommt noch die
Verringerung von Stabilitätsrisiken der
Bestände.
Jäger (2012) hat im Rahmen seiner Masterarbeit an der ETH Zürich
versucht, diese Mindererlöse mittels
modellhafter Kalkulationen für verschiedene Rückegassenabstände zu
schätzen (Abb. 2). Dabei wurden verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen
Produktionsverlusten
und
Zuwachseinbussen berechnet. Grundlage der vielen Annahmen und Berechnungen bildete eine umfangreiche
Literaturanalyse. In Szenarium 1 treten keine Zuwachsverluste auf. In Szenarium 2 können die Gassenrandbäume den Zuwachsverlust der Gassen
0.7
"600+BB"
0.6
"710+RDA"
0.4
0.5
"710+BB"
0.3
"600+RDA"
"710"
0.1
0.2
Mehrkosten (Fr./m3)
"600"
0.0
zur Hälfte ausgleichen. Keinen Ausgleich des Zuwachsverlustes der Gassen durch die Randbäume gibt es in
Szenarium 3.
Für die Szenarien wurden zusätzlich
die Wertverluste durch Fäulebefall des
Holzes als Folge von Stamm- und Wurzelverletzungen durch Holzernteprozesse berechnet. Mindererlöse durch
Zuwachseinbussen sind meist höher als
die Wertverluste durch Fäule. Für die
Szenarien 2 und 3 wurde angenommen,
dass Bäume mit einem Abstand von bis
zu vier Metern vom seitlichen Rand
der Rückegasse von Wurzelverletzungen betroffen sein können, da ihre
Wurzeln bis in den Gassenbereich reichen. Weiter wurde angenommen, dass
bei jeder Durchforstung bei 40 Prozent
dieser Bäume Wurzeln verletzt werden,
60 Prozent dieser verletzten Bäume
von Fäulepilzen befallen werden und
dass es durchschnittlich 10 Jahre dauert, bis die Fäule von den Wurzeln bis
in den Baumstamm vordringt.
Der optimale Gassenabstand ist
jener, bei welchem die durchschnittlichen, über eine gesamte Umtriebszeit
gerechneten erntekostenfreien Erlöse am höchsten sind. Je nach Szenarium liegt er bei 30 oder 40 Metern.
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den erntekostenfreien Erlösen für die unterschiedlichen Gassenabstände gering, dürften sich im Falle
einer Abzinsung der Geldwerte sogar
weiter verringern und würden sich bei
einer realistischen Variation der Eingangsgrössen auch verändern. Szenario 1 widerspiegelt eine kurzfristige
Betrachtung ohne Zuwachs- und Wertverluste.
Grosse Unterschiede zwischen den
Rückegassenabständen ergeben sich
nur dann, wenn die Frage des Produktionsverlustes infolge der Gassenanlage komplett bejaht oder verneint wird;
hier sollte das Paradigma, dass die Gassenrandbäume den Produktionsverlust
ausgleichen, kritisch unter die Lupe
genommen werden.
Zusätzlicher Nutzen kann noch entstehen, wenn die Investitionen in die
Maschinentechnik, insbesondere in die
Zusatzausrüstungen (Abb. 3) es erlauben, einen empfindlichen Boden «länger», also bei höheren Wassergehalten
zu befahren. Der Nutzen besteht hier
in zusätzlichen Einsatztagen der Holzerntemaschinerie (Spjevak et al. 2009).
35
0.8
Forum für Wissen 2013
50
100
Aktuelle durchschnittliche Maschinenauslastung
in der Praxis
… ohne besondere Berücksichtigung des
boiBodenschutzes
… ohne Zusatzausrüstungen
… unabhängig von der Bodenart
150
200
250
300
350
Nutzen – Bodenschonende Einsatztage (Tage/Jahr)
Abb. 3. Kosten-Nutzen-Relation, berechnet für den Forwarder John Deere 1110 D und
für das Jahr 2004. (Spjevak et al. 2009b; Rot: Schluffiger Lehm. Blau: sandiger Lehm. Die
für eine Forstmaschine angenommene erforderliche jährliche Einsatzdauer beträgt in der
Schweiz rund 130 Tage bzw. 1100 Stunden; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage).
Abbildung 3 zeigt die Kosten-Nutzen-Relationen der einzelnen Ausrüstungsvarianten auf dem sandigen
(blau hervorgehoben) und schluffigen
(rot hervorgehoben) Lehm. Die Referenzvariante «600» bedeutet, dass der
Bodenschutz streng eingehalten wird,
ohne dass Zusatzausrüstungen eingesetzt werden. In diesem Fall entstehen
folglich keine Mehrkosten, die Jahresauslastung bzw. die bodenschonende
Einsatzdauer reduziert sich aber auf
80 Tage auf schluffigem Lehm im Jahr
2004. Auf sandigem Lehm liegt sie bei
140 Tagen. Diese Werte sind in Abbildung 3 mit den Grenzen der Spanne
der Einsatztage eingezeichnet. Folglich sind auf sandigem Lehm in einem
Jahr mit durchschnittlicher Niederschlagsmenge genügend oder sogar
mehr bodenschonende Einsatztage für
die Holzernte im Vergleich zur durchschnittlichen Jahresauslastung möglich.
Diese Feststellung allein genügt allerdings nicht, es kommt auch darauf an,
wie diese bodenschonenden Tage im
Jahresverlauf verteilt sind.
Die übrigen Varianten gehen davon
aus, dass die Vorgaben des Boden-
schutzes streng eingehalten und hierfür Zusatzausrüstungen eingesetzt
werden. Die Kosten der Ausrüstungen
wurden insbesondere in Abhängigkeit
von der jeweiligen Auslastung berechnet. Somit sinken die Durchschnittskosten bei zunehmender Auslastung.
Die breiteren Reifen, die Reifendruckregelanlage sowie deren Kombination
ergeben die gleiche bodenschonende
Einsatzdauer mit 80 Tagen auf schluffigem Lehm und 140 Tagen auf sandigem Lehm. Ihre Kosten sind unterschiedlich, bleiben aber im Bereich von
weniger als 1 CHF/m3. Bei 80 Einsatztagen im Jahr 2004 auf dem sandigen
Lehm kosten die breiteren Reifen rund
0.30 CHF/m3, bei 140 Tagen 0.10 Franken weniger pro m3. Die Reifendruckregelanlage kostet bei 80 Einsatztagen
rund 0.50 CHF/m3 und bei 140 Tagen
gleich viel wie die Breitreifen. Die
summierten Einzelkosten ergeben sich
aus der Kombination beider Ausrüstungen. Für den Einsatz der Bogiebänder wurde angenommen, dass diese in
einem Zyklus von 10 Tagen montiert
und demontiert werden. Sie kosten mit
600er Reifen bei 220 bis 250 Einsatz-
36
tagen konstant 0.60 CHF/m3. Die Kosten verändern sich nicht nennenswert,
weil die Auslastung auf beiden Böden
bereits relativ hoch ist. Mit Bändern
und breiteren Reifen können beide
Böden praktisch das ganze Jahr befahren werden. Die durchschnittlichen
Kosten sind vor allem aufgrund dieser
hohen theoretischen Auslastung relativ
gering. Mit maximal rund 1,5 Prozent
des durchschnittlichen Holzernteaufwands im Schweizer Mittelland sind
die Mehrkosten pro m3 bei allen untersuchten Maschinenausrüstungen vergleichsweise gering.
5.3Produktionsökonomische
Folgerungen
Bodenschutz kann erhebliche Kosten
verursachen. Es zeigt sich aber auch,
dass den Massnahmen ein namhafter Nutzen in Form vermiedener Kosten gegenüber stehen kann. Es kann
also durchaus im eigenen Interesse des
Waldbesitzers liegen, seine Produktionsgrundlage Boden zu schützen. Dies
heisst, dass eine Abwägung zwischen
kurz- und langfristigen Effekten stattfinden muss. Die individuellen Zeitpräferenzen und Liquiditätsanforderungen der Wirtschafter entscheiden über
die Gewichtung der beiden Seiten.
Die Kosten für den physikalischen
Bodenschutz hängen auch davon ab,
wie viel Bedeutung man letztlich dem
Bodenschutz beimisst und zu zahlen
bereit ist. Dies kann deutlich über die
gesetzliche Vorgabe hinausgehen, wie
das Beispiel Baden-Württemberg zeigt,
wo im Staatswald standortsunabhängig ein 40 m-Gassenabstand gilt. Dieser
betriebliche Entscheid ist strategisch,
auf Risikominderung abzielend und
normativer Natur.
Das Minimalprogramm lässt sich
vergleichsweise kostengünstig umsetzen. Hinzu kommt, dass das generelle Absenken des Reifeninnendrucks
auf den vom Hersteller gewährleisteten Minimalwert fast nichts kostet und
viel bringt. Darüber hinaus können
aber auch Kostensenkungspotenziale
vermutet werden. Sie bestehen in Skalen- und Verbundeffekten. Skaleneffekte ergeben sich bei höherer Auslastung bodenschonender Erntetechnik
und -methoden, welche durch betriebsübergreifende Planung und Steuerung
Forum für Wissen 2013
der Holzernte erreicht werden kann.
Zur Überwindung der Strukturprobleme der Schweizer Forstwirtschaft wäre
dies sowieso zu prüfen.
Die risikomindernden Massnahmen für den Bodenschutz lassen sich
den drei Ebenen Feinerschliessung,
Maschinentechnik und Maschineneinsatz zuordnen. Den Rückegassenabständen kommt dabei eine besondere
Bedeutung zu. Sie beeinflussen Kosten und Qualität des Bodenschutzes
in hohem Mass. Rückegassen stellen
eine (semi-) permanente Anlage dar
und sind unabhängig von der einzelnen
Hiebsmassnahme zu planen. Grössere Rückegassenabstände können sich
unter bestimmten Umständen langfristig trotz kurzfristig höherer Erntekosten wirtschaftlich lohnen. Ein entsprechender Entscheid hängt aber von
vielen, teilweise unsicheren Faktoren
ab. Er ist im Einzelfall abhängig von
den Boden- und Wuchsverhältnissen,
der Qualität der Holzernte sowie von
den Betriebszielen bzw. den ökonomischen Bewertungen des Eigentümers.
Erschwerend kommt hinzu, dass die
mit der Vergrösserung der Abstände
einhergehende höhere Befahrungsfrequenz auf den verbleibenden Gassen
bodenphysikalisch und bodenbiologisch noch nicht ausreichend untersucht ist. Auf jeden Fall erscheint eine
staatliche verordnete Vorschrift des
Gassenabstandes ökonomisch und
ökologisch zweifelhaft und ordnungspolitisch bedenklich.
6Industrieökonomische
Perspektive
Die industrieökonomische Perspektive betrachtet das wirtschaftliche Handeln unter Wettbewerbsgesichtspunkten. Dabei wird von unvollkommenen
Märkten ausgegangen; im Mittelpunkt
stehen die Oligopole. Analysiert werden die Struktur von Märkten sowie die
Strategie von Unternehmen auf diesen
Märkten. Als dominante Unternehmensstrategie wird die Erhöhung der
Marktmacht des einzelnen Unternehmens bzw. die Vermeidung von Wettbewerb angesehen. Dazu wurde von der
Harvard School das «MarktstrukturMarktverhalten-Marktergebnis Konzept» entwickelt (Bergen et al. 2013).
Dieses geht davon aus, dass von der
Marktstruktur (z. B. Zahl der Anbieter,
Grad der vertikalen Integration) auf
das Marktverhalten (z. B. Preisbildung,
Investitionen) und daraus wiederum
auf die Marktergebnisse (z. B. Preise,
Mengen, Gewinnverteilung) geschlossen werden kann.
6.1 Welche Wettbewerbswirkungen
sind zu erwarten?
Die Industrieökonomik fragt nach dem
Einfluss, den die Struktur einer Branche auf das Marktergebnis hat. Wesentliche Merkmale der Struktur der
Schweizer Forstwirtschaft sind
– der hohe Anteil öffentlichen Waldes
– die kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse
– die hohe Relevanz einer Vielzahl
von Ökosystemdienstleistungen
– der hohe Anteil zertifizierten
Waldes
Die Marktstruktur der Schweizer
Forstwirtschaft ist durch kleinteilige Waldbesitz- und BewirtschaftungsVerhältnisse sowie von öffentlichen
Anbietern geprägt – etwa 70 Prozent
der Waldfläche wird von politischen
Kommunen und Ortsbürgergemeinden bewirtschaftet. Dieses besondere Strukturmerkmal erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dass der Wettbewerb der Forstbetriebe untereinander
zumindest teilweise ausgeschaltet ist.
Es erhöht ferner die Wahrscheinlichkeit, dass die Kosten des physikalischen
Bodenschutzes, für den der Waldbesitz
verantwortlich ist, auch von ihm getragen werden. Eine Überwälzung dieser
Mehrkosten auf die tendenziell oligopolistisch strukturierte Holzkäuferschaft ist vor allem aus Gründen der
kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse, der geringen Anbieterkonzentration und der damit einhergehenden fehlenden Marktmacht
eher nicht möglich. Eine Überwälzung
auf die forstlichen Dienstleister vor
Ort ist vor allem nicht sinnvoll, weil
der Betrieb auf diese angewiesen ist.
Gerade diese ermöglichen die Einsparung von Transaktionskosten und die
Erhöhung der Einsatz-Flexibilität aus
Bodenschutzgründen. Bund und Kantone werden Bodenschutzmassnahmen
im Normalfall nicht abgelten, weil der
Forum für Wissen 2013
Waldbesitzer (und auch die Dienstleister) sowieso per Gesetz zur Einhaltung der Bodenschutzbestimmungen
verpflichtet sind. In der Regel tragen
daher die Forstbetriebe die Kosten,
wodurch sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert. Da die Kosten
unter diesen Voraussetzungen nicht
preiswirksam werden, bleibt das Holz
ceteris paribus konkurrenzfähig und
der Wettbewerb wird durch den physikalischen Bodenschutz in diesem Fall
nicht verzerrt. Die Situation kann sich
aber entscheidend ändern, wenn die
Forstbetriebe unter weiteren Kostendruck geraten und der Waldboden deswegen zu wenig geschützt wird.
Die hohe Relevanz der vielen Ökosystemdienstleistungen des Waldes
in der Schweiz hilft ebenfalls, den
Schutz des Waldbodens zu gewährleisten. Im Vergleich mit anderen öffentlichen Gütern spielt der Bodenschutz
hier sogar eine hervorgehobene Rolle:
Die Nichtgefährdung der Waldböden,
des Trinkwassers und der Vitalität der
Bäume ist eines von 11 erklärten Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes
(BAFU 2013).
Schliesslich gilt es die Zertifizierung
als ein weiteres, markantes Strukturmerkmal der Branche zu beleuchten.
Zurzeit sind 56 Prozent der Schweizer Waldfläche nach PEFC oder FSC
zertifiziert (611 000 ha). Der physikalische Bodenschutz wird in beiden Systemen mit gleichen Standards behandelt. Gefordert wird beispielsweise vor
allem
– ein Feinerschliessungsnetz, welches
im Gelände markiert und kartenmässig dokumentiert sein muss,
– die Beschränkung der Befahrung
auf Waldwege und Rückegassen,
– die Verhinderung von Bodenbeeinträchtigungen, welche die
Bodenfruchtbarkeit langfristig
beeinträchtigen(sog. Spurtyp 3; vgl.
Kap. 9.1).
Die Zertifizierung stellt für die Forstbetriebe keinen Wettbewerbsvorteil
auf dem Holzmarkt dar (Interview von
B. Holenstein mit dem Direktor des
WVS M. Brunner, 2013). Dies ist vor
allem dadurch bedingt, dass nur wenige Grossabnehmer zertifiziertes Holz
verlangen und dieses wegen der hohen
Zertifizierungsquote in relativ grossen Mengen angeboten werden kann.
37
Der Aspekt Bodenschutz ist in diesem
Zusammenhang von untergeordneter
Bedeutung. Insofern ist Zertifizierung
unter den aktuellen Schweizer Verhältnissen kein Mittel, um den physikalischen Bodenschutz zu fördern. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass
bei der Zertifizierung in der Landwirtschaft weniger strenge Massstäbe bzgl.
des physikalischen Bodenschutzes gelten und im internationalen Vergleich in
der Waldwirtschaft nicht mit gleicher
Elle gemessen wird. Wettbewerbsverzerrende Wirkungen sind nicht ausgeschlossen.
6.2Industrieökonomische
Folgerungen
Aus der Perspektive der Industrieökonomik bemühen sich die wirtschaftenden Akteure stets um eine Entschärfung des Wettbewerbs – was in der
Schweizer Forstwirtschaft schon weitgehend der Fall ist: Durch die gegebene
Marktstruktur mit dem hohen Anteil
öffentlicher Forstbetriebe bzw. Anbieter ist der Wettbewerb zumindest teilweise ausgeschaltet. Dieser Wettbewerbsschutz erleichtert es den Forstbetrieben, auf die Anforderungen des
Bodenschutzes zu reagieren und diese zu erfüllen. Die a priori gegebene
Ausschaltung des Wettbewerbs wirkt
sich somit (bisher) positiv auf die
Erzeugung des Gutes Bodenschutz aus
und hilft sogar, diesen zu garantieren.
Zugleich sind keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen zu erwarten: Die
Wettbewerbsfähigkeit des Produktes
Holz wird durch den physikalischen
Bodenschutz in der Schweiz eher nicht
beeinträchtigt.
Der fehlende Wettbewerb hilft
also, den Bodenschutz im Windschatten des Marktes in geschützter Nische
zu garantieren. Daran ändert bei den
gegebenen Marktstrukturen auch die
Zertifizierung nichts, die unter den
gegebenen Umständen kein Mittel
zur Produktdifferenzierung darstellt.
Unter diesen Bedingungen ist das
Gut Bodenschutz nicht handelbar und
zumindest nicht ohne weiteres ein Gut,
womit man mit anderen Betrieben in
Konkurrenz treten kann.
7Institutionenökonomische
Perspektive
Die Neue Institutionenökonomik versucht eine ökonomische Theorie zu
entwickeln, um das Wirtschaften und
seine Ergebnisse unter realistischeren Bedingungen zu erklären, als dies
die neoklassische Ökonomie mit ihren
idealtypischen Annahmen tut (Richter und Furubotn 2010). Die Institutionenökonomie unterstellt unvollkommene Akteure, also Menschen mit
begrenzter Voraussicht, Rationalität
und Moral, die in ihrem Handeln voneinander abhängen. Untersucht werden die Auswirkungen von Institutionen auf das Handeln der Menschen.
Institutionen werden verstanden als ein
System von formellen und informellen
Regeln einschliesslich der Instrumente ihrer Durchsetzung wie Eigentum,
Gesetze und Verträge. Kontroll- und
Anreizprobleme stehen im Mittelpunkt. Diese werden als höchst bedeutsame Elemente des Wirtschaftsprozesses angesehen. Dabei wird berücksichtigt, dass die Schaffung und Nutzung
und Überwachung von Institutionen
Ressourcen beanspruchen, welche sog.
Transaktionskosten verursachen.
7.1 Welche Anreize bestehen zum
Schutz des Bodens?
Forstbetriebe haben starke Anreize
zum Schutz des Bodens. Sie ergeben
sich zum einen durch ein besonderes
Prinzipal-Agenten-Verhältnis,
zum
anderen durch ein starkes forstliches
Berufsethos. Hinzu kommt die Bedeutung des Bodenschutzes in der Waldpolitik des Bundes. Auch aus dieser institutionenökonomischen Sicht ist der
Schutz des Waldbodens weitgehend
gewährleistet.
Das Gut Bodenschutz wird von
der Gesellschaft und den staatlichen
Behörden in Form von Gesetzen und
Verordnungen (vgl. Kap. 3) sowie zum
Teil auch direkt von Bürgern und Bürgerinnen als öffentliches Gut nachgefragt und kontrolliert (vgl. Kap. 4).
Erstere werden von den Kantonen
überwacht und vollzogen, wobei die
Bereitschaft, die Regeln mit Sanktionen durchzusetzen, nach unserer Einschätzung zunimmt. Letzteres äussert
38
Forum für Wissen 2013
sich in Beschwerden über tiefe Fahrspuren im Wald, mit denen sich die
Betriebsleiter auseinandersetzen müssen. In der Sprache der Institutionenökonomie kann eine solche besondere
Beziehung als Prinzipal-Agentenbeziehung bezeichnet werden. Die Auseinandersetzung mit einer Beschwerde
des Prinzipals Bevölkerung verursacht
dem Agenten Betriebsleiter unter
Umständen beträchtlichen Aufwand
und kann ihm auch sehr unangenehm
sein. Weiterhin kann die Beschwerde
seinem Ansehen bei der ortsansässigen
Bevölkerung schaden. Für das Gewicht
dieses Arguments sprechen z.B. die
umfangreichen
Kommunikationsanstrengungen zur Ankündigung und
Begründung von Erntemassnahmen im
Stadtwald von St. Gallen (Kuhn 2011).
Das starke forstliche Berufsethos
(Franck und Pudack 2005) stellt eine
weitere Institution dar. Verstärkt durch
den Druck von Politik und Bevölkerung umfasst dieses mittlerweile auch
den Bodenschutz, und sorgt dafür,
dass der schonende Umgang mit dem
Boden ein Qualitätsmerkmal guter
forstlicher Praxis darstellt. Hierzu hat
sicher auch die mehrjährige Sensibilisierung und Ausbildung der Praxisakteure durch die WSL beigetragen. Die
forstlichen Akteure teilen die Werte
und Normen des Berufsethos und ihre
Einhaltung erhält einen Eigenwert. Bei
Missachtung des Bodenschutzes drohen Ansehensverluste in der Branche.
Die Nichtgefährdung der Waldböden, des Trinkwassers und der Vitalität
der Bäume ist eines von 11 erklärten
Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes (BAFU 2013). Im Vergleich mit
anderen öffentlichen Gütern spielt der
Bodenschutz eine ebenbürtige Rolle.
Hieraus ergibt sich ein weiterer Anreiz,
den Boden aktiv zu schützen.
Bodenschutzfachstelle
obliegt
als
zuständigem Vollzugsorgan die Überprüfung der einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben. Im öffentlichen Wald
übernimmt in der Regel ein Forstbetrieb die Waldbewirtschaftung. Im Hinblick auf den Bodenschutz trägt hier
der Betriebsleiter die nahezu alleinige
Verantwortung in der Phase der Planung. Bei der Arbeitsausführung (Holzernte) ist er auf die Zusammenarbeit
mit den jeweils beteiligten Akteuren
angewiesen. Er ist auch für die Abnahme der Arbeiten im Hinblick auf den
Bodenschutz zuständig. Der Betriebsleiter ist somit auch die entscheidende
Person im oben angesprochenen Prinzipal-Agenten-Verhältnis.
7.2 Wer schützt den Boden?
7.3Institutionenökonomische
Folgerungen
Tabelle 2 zeigt auf, dass zahlreiche
Akteure für die Umsetzung des physikalischen Bodenschutzes verantwortlich sind: Waldeigentümer, Forstbetrieb, Forstunternehmer und kantonaler Forstdienst. Der kantonalen
Mehrere formelle und informelle Institutionen liefern also die Anreize
dafür, dass der Bodenschutz von den
Betriebsleitern ernst genommen und
im öffentlichen Wald eingehalten wird.
Betriebsplanung
Planung
Steuerung
und Durchführung
betriebliche Überwachung
hoheitliche Überwachung4
Feinerschliessungsplanung
Jahresplanung
Bodenschutzfachstelle
x
Forstdienst2
x
Maschinenführer
Aufgaben
Forstunternehmer
Phasen
Betriebsleiter2
Akteure
Waldeigentümer1
Tabelle 2: Akteure und grundsätzliche Verteilung der Verantwortlichkeiten im Hinblick auf den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Spjevak und Thees 2009a, Lüscher et al. 2009b).
x
x
x
x
x
Termin- und Kapazitätsplanung
x
Verfahrens- und Maschinenwahl
x
x
Vertragsabschluss/Arbeitsauftrag
x
x
Bodenzustandsermittlung3
x
Abnahme der Arbeiten
x
Beurteilung der Fahrspuren
x
Massnahmenentscheid
x
x
x
x
Kontrolle
(x)5
x
Massnahmenentscheid
(x)5
x
Im Privatwald kann der Waldeigentümer fallweise die Aufgaben des Betriebsleiters übernehmen. Deshalb ist die Linie zwischen den
Kolonnen Waldeigentümer und Betriebsleiter gestrichelt dargestellt.
2
Häufig nimmt der Betriebsleiter auch hoheitliche Aufgaben wahr (Revierförster) und übernimmt dann auch die Aufgaben in der Kolonne
Forstdienst.
3
Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Bodenzustandes findet vor jeder Befahrung der Entscheid fahren/nicht fahren statt.
4
Bei der hoheitlichen Überwachung muss überprüft werden, ob die gesetzlichen Vorgaben zum Bodenschutz eingehalten wurden.
5
Die hoheitliche Überwachung der gesetzeskonformen Bodennutzung kann auch dem kantonalen Forstdienst delegiert werden.
1
Forum für Wissen 2013
8Herausforderungen
Klimawandel und steigende
Ressourcennachfrage
Eine besondere Herausforderung für
den physikalischen Bodenschutz bei
der Holzernte ergibt sich durch den
Klimawandel. Sollte es wärmer und
nässer werden und dies auch das Winterhalbjahr betreffen, wird die Zahl
der Tage mit guten Bedingungen für
die Befahrung bzw. die Zahl der potentiell schadensarmen Erntetage in der
traditionellen Einschlagsperiode massgeblich eingeschränkt. Das vergangene Frühjahr (2013) hat hierfür einen
Vorgeschmack geboten; der Holzeinschlag ist praktisch über Wochen zum
Stillstand gekommen, weil die Waldböden zu nass und die Schadensrisiken zu
hoch waren. Sollten Situationen wie im
letzten Frühjahr zur Regel werden, verlangt dies von der Forstwirtschaft eine
höchst flexible Einsatzplanung und
-steuerung.
Abbildung 4 verdeutlicht die aufgezeigte Problematik am Beispiel des niederschlags- und temperaturmässigen
Durchschnittsjahres 2004. Zu erkennen
sind der Tagesgang des gemessenen
Bodenwassergehaltes und die modellhaft kalkulierten Grenzwassergehalte
für die Befahrung mit verschiedenen
Spezialausrüstungen zur bodenschonenden Holzernte: Liegt der aktuelle
Wassergehalt unter diesem Grenzwassergehalt, kann man schadensfrei fah-
40
"710+BB"
35
Bodenwassergehalt (Vol.-%)
Der Anreiz liegt vor allem im Vermeiden von Ärger mit der Bevölkerung.
Dies kann bei der gegebenen Gesamtsituation sogar die staatliche Aufsicht
entlasten. Bei Nichtbeachtung drohen
beträchtliche Transaktionskosten. Im
Extremfall kann die öffentliche Meinung die Legitimationsgrundlage der
Holznutzung respektive der Forstwirtschaft insgesamt gefährden.
Es ist eine interessante Beobachtung
auf der institutionellen Ebene, dass in
vergleichsweise kurzer Zeit alle Akteure in der Forstwirtschaft und den flankierenden Systemen national wie international für das Thema sensibilisiert
wurden. Im Inland haben hierzu die
Ausbildungsaktivitäten der WSL und
die Politik des BAFU massgeblich beigetragen.
39
"600+BB"
30
"600", "600+RDA", "710", "710+RDA"
25
20
Jahresverlauf des
Bodenwassergehalts
15
10
5
0
1.1.04
1.2.04
1.3.04
1.4.04
1.5.04
1.6.04
1.7.04
1.8.04
1.9.04
1.10.04 1.11.04 1.12.04
Datum
Abb. 4. Modellhafte Kalkulation bodenschonender Einsatztage eines Forwarders John
Deere JD 1110 D im Verlauf des Jahres 2004 auf sandigem Lehm. (Spjevak et al. 2009;
die gestrichelten Linien grenzen die übliche Haupteinschlagszeit zwischen September und
März ab; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage).
ren. Die bodenschonenden Einsatztage hätten sich im Jahr 2004 hinsichtlich
der Referenzvariante und den Varianten mit Breitreifen und Reifendruckregelanlage (rote Linie) vorwiegend
auf die Sommermonate beschränkt. In
der Haupteinschlagsperiode von September bis März wäre es somit nur selten möglich gewesen, bodenschonend
zu fahren. Mit breiteren Reifen und
Bogiebändern wäre der Boden auch
im Winter praktisch nie zu nass gewesen – ein sehr interessantes Ergebnis,
auch wenn die Modellberechnungen
im Moment nicht überbewertet werden
dürfen und noch genauer zu untersuchen sind.
Mögliche Massnahmen sind:
– technische Massnahmen, um den
spezifischen Bodendruck der
Maschinen zu senken wie Moorbänder oder leichtere Maschinen- soweit dies die auszuführende
Arbeit zulässt
– bessere Ausnutzung guter Wetterperioden, zum Beispiel Zweischichtbetrieb, je nach Situation auch Nachtarbeit, um gute Befahrungsbedingungen optimal auszunutzen
– Holzernte auch im Sommer, d.h.
in der Vegetationszeit, wenn der
Boden trocken ist
– grossräumige und flexible Einsatzgestaltung
– finanzielle Abgeltung von Massnahmen
Die Situation wird verschärft, wenn die
Ressourcennachfrage weiter steigt und
unter zunehmend schwierigeren Witterungsbedingungen mehr Holz genutzt
werden soll. Dies könnte zum Beispiel
durch steigende Nachfrage im energetischen Bereich bedingt sein. Hier ist
im Fall der Vollbaumnutzung und des
damit verbundenen Nährstoffentzugsrisikos infolge der Mitnutzung von Reisig und Nadeln zusätzlich auch der chemische Bodenschutz angesprochen.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des steigenden Bedarfs
an erneuerbaren Ressourcen ist zu
befürchten, dass
– die Risiken zunehmen, dass Bodenschäden entstehen;
– die Ansprüche an Umfang und
Qualität der Massnahmen zunehmen;
– der Kontrollbedarf zunimmt;
– die Kosten des Bodenschutzes im
Wald deutlich zunehmen.
Das heisst, Bodenschutz im Wald könnte in Zukunft schwieriger und teurer
werden.
40
9 Diskussion und
Folgerungen
9.1Standardisierung
Standards sind Institutionen, die eine
wichtige Voraussetzung für eine konsequente Umsetzung des physikalischen
Bodenschutzes schaffen. Sie sind Verpflichtungen und definieren die optimale Qualität des Arbeitsergebnisses
beziehungsweise des Bodenzustands
nach der Befahrung. Sie ermöglichen
es, die Ausführenden darüber zu informieren, was bei den forstlichen Arbeiten zu vermeiden oder zu erreichen
ist und stellen eine Grundlage für die
Kontrolle der Arbeiten dar. Weitere
Vorteile von Qualitätsstandards für
den Bodenschutz sind die zwingende
Operationalisierung der allgemein formulierten gesetzlichen Vorschriften,
die verbesserte Transparenz und Fairness im Wettbewerb der forstlichen
Dienstleister und die Stärkung des
gesellschaftlichen Images einer Branche, die in und mit der Natur wirtschaftet und dabei Technik einsetzt. Qualitätsstandards für den Bodenschutz im
Wald können letztlich einen Teil der
Forum für Wissen 2013
umfassenden Qualitätsstandards der
Holzernte darstellen.
Der von der WSL vorgeschlagene Spurtyp 3 (Lüscher et al. 2009a;
Lüscher et al. 2014) bildet eine gute
Basis, um einen Standard im Bereich
des physikalischen Bodenschutzes bei
der Holzernte abzuleiten. Der Spurtyp 3 stellt eine Konkretisierung und
Operationalisierung des Gesetzestextes (langfristig nicht reversible Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit
und damit des Pflanzenwachstums)
dar. In der vorliegenden Form sagt
er aber lediglich aus, dass ein ökologischer Schaden eingetreten bzw. mit
hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten
ist.
Um aus dem Spurtyp 3 einen Standard bzw. eine Norm zu machen, ist es
notwendig, ihn weiter zu operationalisieren. Folglich gilt es, mittels weiterer
Beschreibung und unter Einbezug der
standortskundlichen Voraussetzungen
so zu konkretisieren, dass er in eine
Regel eingebaut werden kann, deren
Einhaltung breite Akzeptanz bei den
Beteiligten findet sowie objektiv und
effizient kontrolliert werden kann.
Dazu muss man zunächst festlegen,
welches Ausmass vom Spurtyp 3 vorlie-
Interpretation
Gesetzliche Vorgabe
… keine langfristige Beeinträchti­
gung der Bodenfruchtbarkeit …
Spurtyp 3
aufgrund der ökologischen
Auswirkungen definiert
gen muss, damit der Standard oder die
Regel als verletzt bzw. als nicht erreicht
gilt. Denn der Spurtyp 3 ist in der Praxis auch bei fachgerechter forstlicher
Arbeit nicht vollständig zu vermeiden. Die notwendige Quantifizierung
des tolerierbaren Schadenausmasses
kann man zum Beispiel so vornehmen,
dass ein bestimmter Anteil der Länge
einer Rückegasse den Spurtyp 3 aufweisen darf und dass dieser Anteil sich
mit zunehmender Befahrungsempfindlichkeit erhöht. Die Festlegung dieser
quantitativen Ausprägungen um einen
allgemeinverbindlichen Standard, ist
im Rahmen eines politischen Prozesses
zwischen den beteiligten Verbänden
und Interessengruppen auszuhandeln.
Bisher gibt es wie erwähnt noch keine offiziellen Standards für den Bodenschutz. Ihre Entwicklung und Umsetzung wird durch eine theoretisch fundierte Vorgehensweise erleichtert.
Dabei schlagen Bergen et al. (2013)
für die Formulierung von Standards die
drei Ebenen Ökologie, Ökonomie und
Politik vor. Auf der ökologischen Ebene sind Mindest-Qualitätsstandards
zu formulieren. Auf der ökonomischen Ebene müssen die Kosten für die
Bewahrung der Umwelt berücksich-
Operationalisierung
Standard
zusätzlich ökonomisch definiert:
Spurtyp 3 inklusive
– Ausmass, abhängig vom Standort
– Berücksichtigung der Wettbe­werbsfähigkeit
Grundlage
– für Ernteverträge
– für Einsatzsteuerung
– für Schlagkontrolle
Abb. 5. Konzept für einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Foto Marco Walser)
Forum für Wissen 2013
41
tigt werden. Das sind die Kosten der
Schadensvermeidung, die im Hinblick
auf Angemessenheit überprüft werden müssen. Auf der politischen Ebene
geht es um die gesellschaftliche Beurteilung der vorgeschlagenen Zielstandards. Dies geschieht unter Verwendung von zusätzlichen Beurteilungskriterien. Abbildung 5 skizziert den
aktuellen Stand eines Konzeptes für
einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte
in der Schweiz.
Integration des physikalischen Bodenschutzes in die gesamte produktionsökonomische Planung, Steuerung und
Kontrolle der Holznutzung (d.h., in die
Arbeitsvorbereitung (AVOR)) zeichnet den nachhaltigen und professionellen Forstbetrieb aus. Verbundeffekte
können genutzt werden. Abbildung 6
zeigt einen möglichen Ansatz, um diese
Forderung umzusetzen.
9.2 Integration in den
Managementprozess
Im Rahmen des Beitrages wurde der
physikalische Bodenschutz aus verschiedenen ökonomischen Perspektiven beleuchtet. Im Mittelpunkt stand
eine Analyse aus (i) Produktions-, (ii)
Industrie- und (iii) institutionenökonomischer Sicht. Die Ergebnisse tragen
zu einem besseren Verständnis dieses
privatwirtschaftlich erzeugten öffentlichen Gutes bei. Mögliche Herausforderungen in der Zukunft bilden Klimawandel und steigende Ressourcennachfrage. Sie können das Problem
des forstlichen Bodenschutzes massiv
verschärfen und die Mehrkosten in die
Höhe treiben.
Eine effektive und effiziente Umsetzung der Bodenschutz-Vorschriften
im Forstbetrieb setzt zum einen voraus, dass die entsprechenden Aufgaben
und die Verantwortlichkeiten klar definiert und abgegrenzt sind. Zum anderen sind diese Aufgaben in die betrieblichen Prozesse der Holzernte und in
den Prozess der kantonalen Überwachung der Waldbewirtschaftung zu
integrieren. Aspekte des Bodenschutzes sind praktisch im gesamten Ablauf
wichtig und zu berücksichtigen. Die
9.3Zusammenfassende
Schlussfolgerungen
Ad (i) Es konnte festgestellt werden,
dass der physikalische Bodenschutz
beträchtliche Kosten verursacht, aber
auch grossen Nutzen stiften kann. Um
den Nutzen zu realisieren sind langfristige ökonomische Aspekte ebenfalls
ins Kalkül zu ziehen; hierfür fehlen
allerdings derzeit noch praxisgerechte
Grundlagen. Potenziale zur Rationalisierung, insbesondere zur Kostensenkung und Professionalisierung sind vor
allem im Hinblick auf zukünftig steigende Anforderungen auszunutzen.
Zwei wesentliche, zielführende Massnahmen sind (1) die Integration der für
den Bodenschutz relevanten betrieblichen (und hoheitlichen) Prozesse in
den Ablauf der Holzernte und (2) die
Entwicklung einer hochflexiblen Einsatzplanung und -steuerung, insbesondere für den Umgang mit den Folgen
des Klimawandels und des Anstiegs
der Ressourcennachfrage. Die Basismassnahmen Weiterbildung, Bodenzustandsermittlung sowie Überwachung
und Abnahme der Arbeiten haben sich
als zielführend erwiesen.
Ad (ii) Der Wettbewerbsschutz
der öffentlichen Forstbetriebe in der
Schweiz gewährleistet derzeit einen
Bodenschutz
auf
vergleichsweise
Betriebsplanung
Feinerschliessungsplanung
Jahresplanung, inkl. Termin
und Kapazitätsplanung
Verfahrens- und Maschinenwahl
Vertragsabschluss / Arbeitsauftrag
Bodenzustandsermittlung
Entscheind fahren / nicht fahren
Fällen, Aufarbeiten, Rücken
Abnahme der Arbeiten
Berücksichtigung des
Bodenschutzes
Zusätzlicher Prozess durch
Bodenschutz
Beurteilung der Fahrspuren,
ggf. Erfassung
Massnahmen, ggf. Sanktionen
Abb. 6. Mögliche Integration des physikalischen Bodenschutzes in die Prozesse von betrieblicher Planung und Durchführung der Holzernte
und hoheitlicher Überwachung (Spjevak und Thees 2009).
42
Forum für Wissen 2013
Zum Beispiel durch die ökonomische Ergänzung der gerade genannten
naturwissenschaftlichen Untersuchungen und die Berechnung jährlicher
Holzproduktionswerte (Annuitäten;
Möhring und Rüping 2008) zur Quantifizierung möglicher Nutzungsverzichte infolge der bodenschonenden Holzernte.
10Literatur
Abb. 7. Beim Einsatz von Maschinen im Wald gilt es, den Boden schonend zu befahren und
dabei die Balance zwischen den ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen der Nachhaltigkeit zu wahren. Das Bild zeigt einen Forwarder bei der Rückearbeit, ausgerüstet mit Traktionshilfswinde und Bogiebändern (Traktionsbänder). Diese Ausrüstungen vermindern den Schlupf und ermöglichen so ein bodenschonendes Arbeiten am
Hang. (Foto: Fritz Frutig)
hohem Niveau. Die Wettbewerbsfähigkeit des Holzes ist angesichts der
Schweizer Eigentums- und Marktstrukturen durch den Bodenschutz
(noch) nicht gefährdet. Allerdings
kann zunehmender Kostendruck in
den Forstbetrieben zu Einschränkungen beim Bodenschutz führen und die
Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer
Holzes beeinträchtigen. Diesem Problem kann insbesondere durch produktions- und institutionenökonomische
Massnahmen begegnet werden.
Ad (iii) Die für den Bodenschutz
sensibilisierte Bevölkerung und das
forstliche Berufsethos entschärfen
Anreiz- und Kontrollprobleme bei
der Erstellung des öffentlichen Gutes.
Die Zertifizierung kann marktstrukturbedingt derzeit nicht zu einer Verbesserung des Bodenschutzes beitragen. Durch die zu schaffende Institution eines Standards bezüglich der zu
vermeidenden Schadwirkung (auf der
Grundlage einer Fahrspurtypisierung)
lässt sich bei entsprechender Gestaltung ein Konsens zwischen allen Betei-
ligten – Waldbesitz, Bevölkerung und
Forstunternehmertum – schaffen, welcher einen Anreiz zum Schutz des
Bodens bildet, die Balance zwischen
den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) nicht aus den Augen verliert und
gleiche Wettbewerbsbedingungen für
die forstlichen Dienstleister gewährleistet.
Zur Gewährleistung und Verbesserung des physikalischen Bodenschutzes im Wald bedarf es auch weiterer
Forschung und Umsetzung: Noch fehlen wichtige bodenphysikalische und
bodenbiologische Grundlagen. Aktuell werden zum Beispiel Erkenntnisse über die Folgen der erhöhten
Befahrungsfrequenz bei vergrösserten Rückegassenabständen und des
Einsatzes verschiedener Arten von
Bogiebändern benötigt. Die ökonomische Analyse und Bewertung sollte
fortgesetzt werden, um die wirtschaftlichen Konsequenzen des Bodenschutzes besser beurteilen und entsprechend
bessere Entscheide fällen zu können:
BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Massnahmen für eine
nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizer Waldes.
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Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Verlag Vahlen. 477 S.
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Markus Brunner – neuer Direktor WVS,
Schweizer Holzzeitung 21.08.2013.
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No. 5.
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Einsatz von Forstmaschinen. Merkbl.
Prax. 45: 12 S.
Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F., 2014:
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für
Umwelt, Bern (in Vorbereitung).
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physikalischen Bodenschutzes bei der
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Management zukunftsfähige Waldnutzung. Grundlagen, Methoden und Instrumente. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
WSL; Zürich, VDF. 271–291.
Abstract
Economic aspects of soil protection in forest
Physical soil protection during timber harvesting is important in Switzerland not
only ecologically but also economically. We analysed these economic aspects from
the points of view of production, industrial and new institutional economics. The
results contribute to a better understanding of this privately produced public good.
Protecting the soil physically costs money but pays off in the long run. Since competition between the public enterprises is limited, it is possible to ensure soil protection at a high level. Both the public and professionals are aware of the need to
protect forests, which makes it easier to solve motivational and monitoring problems. Forest certification is not appropriate for improving soil protection under
the current market conditions. Our standard typology of vehicle tracks provides a
basis for developing a standard for acceptable levels of soil disturbance. With such
a standard it should be possible to reach a consensus on good practice among all
stakeholders – the owners, the public and the forest contractors.
Challenges for the future will be coping with climate change and a growing
demand for resources, which will make soil protection more difficult and more
expensive. Further economic analysis is needed to improve decision making about
soil protection to ensure sustainable forest management.
Keywords: soil protection, timber harvesting, skid lane, economics
Spjevak, S.; Thees, O.; Lüscher, P., 2009: Ein
Versuch zur modellgestützten Bestimmung des Nutzens von Forstmaschinenausrüstungen für den physikalischen
Bodenschutz bei der Holzernte. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management
zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm
für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich,
Vdf-Verlag. 293–317.
Vogt, C.; Sturm, B., 2011: Umweltökonomie: Eine anwendungsorientierte Einführung, Springer-Verlag. 49 S.