Ein Abstieg in die nahezu uner- forschte Region der Tiefsee gehört
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Ein Abstieg in die nahezu uner- forschte Region der Tiefsee gehört
Reportage Deepsee Aufbruch zu neuen Welten In der „DeepSee“ haben der Pilot und zwei Passagiere Platz Into the Abyss Ein Abstieg in die nahezu unerforschte Region der Tiefsee gehört zu den größten Abenteuern auf unserem Planeten. Das U-Boot „DeepSee“ dringt in diese lebensfeindliche Welt vor Cocos Island ein – ein atemberaubendes Erlebnis! Reportage Deepsee „Deepsee“ Alle Fotos: J. Rotman Daten & Fakten Die „DeepSee“ wurde in den USA als EinAtmosphären-U-Boot gebaut. Dies bedeutet, dass der Druck, dem die Passagiere während des gesamten Tauchgangs ausgesetzt sind, dem an der Wasseroberfläche entspricht. Die Maximaltiefe eines Abstiegs, der bis zu sechs Stunden dauern kann, beträgt 475 Meter, die Höchstgeschwindigkeit 1,7 Knoten (rund 3,1 km/h). Bei einem Unfall oder Defekt können die drei Insassen aufgrund der integrierten Sicherheitssysteme 72 Stunden an Bord überleben. Letzte Vorbereitungen Das U-Boot „DeepSee“ an Bord der „Undersea Hunter“ (oben). Piloten unter sich: „DeepSee“-Besitzer Avi Klapfer (im Foto links) und Shmulik Blum D » em Abgrund entgegen. Der Dunkelheit, der Stille – und der Ungewissheit. Erst 50, dann 100, schließlich sind 150 Meter Tiefe erreicht. Weiter geht’s Richtung Meeresgrund. Wie in einem Fahrstuhl. Unaufhaltsam, ohne Pause. „Stockwerke gibt es in unseren Ozeanen selten“, scherzt der Pilot, um die etwas verkrampfte Stimmung an Bord des Ein-Atmosphären-U-Boots „DeepSee“ etwas aufzulockern. Nutzt aber wenig. Später werden die beiden Gäste die Situation mit „dem Weg in den Vorhof der Hölle“ beschreiben. Der Tiefenmesser in leuchtendem Rotorange hätte dabei das Fegefeuer markiert. Und dass ein Teufelsrochen (oder Manta) in einer Tiefe von 250 Metern beinahe das U-Boot rammt, hätte verdammt nicht besser ins Bild passen können … Cocos Island, die Schatzinsel, wie sie Robert Louis Stevenson zu seinem Roman inspirierte, mitten im Pazifik gelegen. 480 Kilometer von der costa-ricanischen Küste entfernt. Ein Meeting Point für das, was Taucher im Allgemeinen Großfisch nennen. Hammer-, Riff- und Galapagoshaie, Mantas, Stech- und Adlerrochen, Walhaie – kurz das ganze Programm. Die Insel steht bei vielen Safari-Fans deshalb hoch im Kurs. 54 tauchen.de / « Eine kalte Pazifikströmung zerrt und rüttelt an dem Vehikel. „Keine Sorge, wir gehen sofort tiefer.“ „DeepSee“-Pilot Shmulik Blum Seit Kurzem sorgt das bisherige Tauchreiseziel aber für zusätzliche Schlagzeilen. Besucher können mit einem U-Boot in Tiefen vorstoßen, die jenseits aller (Taucher-) Vorstellung liegen. 475 Meter beträgt die Maximaltiefe, die mit der „DeepSee“ erreicht werden kann. Streng genommen ist der Weg zur eigentlichen Tiefsee, von der Meereswissenschaftler erst ab 1000 Meter sprechen, noch weit. Aber einen plastischen Eindruck und eine durchaus realistische Vorstellung von dem, was Tiefsee bedeutet und dem normalen Auge von Otto Normaltaucher in der Regel verwehrt bleibt, erhält man trotzdem. Wie ein rohes Ei Das U-Boot „DeepSee“ wird per Deckkran vorsichtig zu Wasser gelassen (im Hintergrund die Küste von Cocos Island) „Roger, fertig zum Abstieg!“ Die Stimme von Shmulik Blum, dem Piloten der „DeepSee“, unterbricht die Stille an Bord, als er nach einem ausführlichen Check aller Bordsysteme sein Okay zum Tiefsee-Trip dem Versorgungsschiff, der „Undersea Hunter“, signalisiert. Luftgemisch in der Kabine, GPS, Sonar, batteriebetriebener Antrieb, Ruder, Auftriebskontrolle, sämtliche Instrumente – übrigens wird alles zwei Mal geprüft! Danach verinnerlicht er sich zum hundersten Mal die Route – und los geht’s! In 20 Metern Tiefe erreichen wir eine erste Sprungschicht. Die Wassertemperatur sinkt schlagartig von 27 auf 20 Grad Celsius. Eine kalte Strömung, die aus den Tiefen des Pazifiks an die Wasseroberfläche kommt, zerrt und rüttelt an dem Vehikel. „Keine Sorge, wir gehen sofort tiefer“, versucht Shmulik zu beruhigen. Das Gegenteil ist der Fall: Eine langsamere Gewöhnung an das unbekannte Terrain wäre wünschenswert! 50 Meter Tiefe. Langsam verlassen wir den durch die Sonne erhellten Bereich. Das Riff an diesem Drop-Off wandelt sich zu einem undefinierbaren Einheitsgraubraunblau. Die Scheinwerfer gleiten an kahlen, nackten Stellen entlang. Im Freiwasser taucht plötzlich eine Schule Hammerhaie auf. Mindestens 50 Stück, „alles trächtige Weibchen“, wie Shmulik erklärt, die, nachdem sie das U-Boot entdeckt haben, direkt Kurs auf den unbekannten Eindringling nehmen. Der Pilot stoppt die „DeepSee“, jetzt schwimmen sie über, neben und unter dem U-Boot. „In Tiefen bis rund 80 Meter, in denen es noch nicht gänzlich dunkel ist, ist wirklich noch einiges los. Ihr könnt Fischschwärme entdecken, wie zum Beispiel kleinere Gruppen von Wimpelfischen oder Ansammlungen von Großaugen-Schnappern. Je tiefer wir sinken, desto dunkler, spärlicher und einsamer wird es. Aber auch spannender! Denn diese Bereiche erreicht man als Sporttaucher niemals. Und deshalb ist dieses Territorium für alle Besucher wie ,ein erstes Mal‘.“ F ür viele ist die Anreise hierher zu diesem Tauchplatz mitten im Pazifik, der wahrscheinlich nicht nur von Berlinern als „jwd“ bezeichnet wird, schon eine Premiere. Knapp anderthalb Tage tuckert die „Undersea Hunter“, ein ehemaliges Versorgungsschiff für U-Boote, zur Cocos-Insel. Das Safarischiff, 28 Meter lang, verfügt über / tauchen.de 55 Reportage Deepsee El Nino & Korallen Coral Bleaching vor Cocos Island So einzigartig und lebendig Cocos Island als Anlaufstelle für alle Arten von Großfischen ist, so karg präsentiert sich die Korallenwelt. Kein Wunder: El Niño, die ungewöhnlichen, nicht zyklischen Strömungen im Pazifik, hat der Pazifikinsel schwer zugesetzt. Wassertemperaturen von 30 Grad Celsius und mehr wurden in dieser Region schon gemessen. Seit 1983 sind rund 90 Prozent der Hartkorallen im Flachbereich abgestorben („Coral Bleaching“). Selbst in den tieferen Bereichen der Riffe vor Cocos Island (ab 30 Meter) ist der Zustand der Korallen beklagenswert. Wissenschaftler hoffen jetzt, mithilfe von Erkundungsfahrten mit der „DeepSee“ mehr Erkenntnisse über die Auswirkungen des Wetterphänomens zu erfahren. Schatten der Finsternis In 250 Metern Tiefe kreuzt ein kapitaler Manta den Weg des U-Boots Lebewesen der Tiefsee Der Gefleckte Skorpionfisch (Pontinus clemensi; rechts) und ein anglerfischartiger Bodenbewohner (Peristidion crustosum) Vor dem Abstieg Pilot Avi Klapfer mit zwei Gästen an Bord. Einer schießt ein Foto aus dem Cockpit heraus einen Deckkran, der das U-Boot „DeepSee“ zu Wasser bringt, und ist mit sieben Doppelkabinen für maximal 14 Gäste ausgestattet. Die Tauchplätze werden, wenn nicht direkt von Bord aus, mit zwei Fiberglasbooten, die jeweils für zehn Taucher ausgelegt sind, 56 tauchen.de / Kontrolle ist besser … angesteuert. Platzprobleme gibt es demzufolge, wenn die Taucher aufgeteilt werden, selten. Ein wirklich angenehmer Umstand! Die „Undersea Hunter“ startet in Puntarenas, einer costa-ricanischen Hafenstadt, die nach einem zweieinhalbstündigen Transfer von San José, dem Zielflughafen von Europa aus, erreicht wird. Eine Komfort-Relax-Safaritour, wie Taucher sie wahrscheinlich vom Roten Meer und den Malediven her kennen, ist übrigens etwas anderes … Die „DeepSee“ hat die 200-Meter-Grenze durchbrochen. 21 bar lasten jetzt auf der Acrylglaskuppel, die einen beeindruckenden Rundumblick garantiert. Die leistungsstarken Scheinwerfer durchschneiden Laserschwertern gleich das Dunkel des Pazifiks – wie Sonnenstrahlen 190 Meter weiter oben. Eine Seekatze, auch Chimäre genannt, entdeckt die Lichtquellen der Strahler und nähert sich mit großen Augen dem Eindringling und entfernt sich in gemächlichem Tempo wieder, als sie feststellt, dass die „DeepSee“ nichts Fressbares ist. „Wir kommen langsam dem Endpunkt unseres Ausflugs näher.“ Der Tiefenmesser steht akurat bei 300 Metern. Totale Finster- nis herrscht hier. Die Steilwand, an der sich Shmulik orientiert hat, ist größtenteils nur noch eine einzige Geröllhalde. Nur noch vereinzelt erblickt man schwammartige Lebewesen im Licht der Schweinwerfer. Plötzlich erfassen diese einen Schatten – es ist ein Stachelhai. Mit einer Größe von geschätzten dreieinhalb Metern ist er ein ziemlicher Brocken. „Zu erkennen ist er an Ein Passagier beobachtet aufmerksam das Kontroll-Display im Cockpit der „DeepSee“ den zwei zur Schwanzspitze zurückgesetzten Rückenflossen und an seinem abgeflachten Kopf. Und die fünfte Kiemenspalte ist deutlich größer als die anderen vier.“ Shmulik füttert seine Passagiere mit diesem Wissen, als ob er den Stachelhai, wie einen guten Be/ tauchen.de 57 Reportage Krxxxfahrt Infos: Tiefsee-Abstiege mit U-Booten weltweit Veranstalter Eine zehntägige (vergleichbare) Sonderreise mit der „MY Argo“ (inklusive Vollpension, Tauchen, Nitrox for free) kostet ab 3898 Euro (zuzüglich Flug- und Nebenkosten). Termin: 21. bis 31. Mai 2011. Eine Urlaubsverlängerung in Costa Rica ist möglich. Infos: www.wirodive.de Weitere Buchungen bei: aöldjf djfölaksdjöflaksjdö dölfkjaösl dkfjlöja dlsjdö flakjds ölfkjad alödjf ölasdkjf ölaskdf öaljd föalkjd flökajsdöl fkjadös lfkja öldkfj alösdkjf ölakj öaldkjf löadjs flöajksdl öfkja lsdökjföl. » Stachlige Typen Der Anglerfisch (Lophioides spilurus) wurde erstmalig vor Cocos Island entdeckt (oben). Stachelhaie werden bis zu vier Meter groß « Jeder Tauchgang ist faszinierend. Dass wir dabei die Wissenschaft unterstützen, das ist auch positiv! U-Boot-Besitzer Avi Klapfer Rundumblick Piloten erklären ihren Passagieren die UW-Welt der Tiefsee (oben). Instrumententafel in der „DeepSee“ 58 tauchen.de / kannten an der Bar seiner Lieblingskneipe, bereits mehrfach gesehen hätte. Dabei ist es selbst für ihn, der bis zu 50 Fahrten im Jahr unternimmt, eine „eher seltene Begegnung“. Denn normalerweise seien Stachelhaie Bewohner von tieferen Regionen „so zwischen 350 und 600 Metern“. K apitän Shmulik leitet den Aufstieg ein. Langsam, ganz langsam geht’s Richtung Wasseroberfläche. Über zwei Stunden dauerte diese Reise in bisher kaum erforschte Regionen. Die Eindrücke werden verarbeitet, die Bilder im Gedächtnis archiviert. In 250 Metern jagt ein Manta, der wie aus dem Nichts auftaucht und scheinbar auf Kollisionskurs geht, den beiden Gästen einen gehörigen Schrecken ein … Zurück an der Wasseroberfläche. Der Deckkran der „Undersea Hunter“ hievt das U-Boot an Bord. „DeepSee“-Besitzer Avi Klapfer erwartet die Ausflügler. „Und, wie war’s?“ – die Frage hätte er sich schenken können! Der Erlebnisbericht könnte lebendiger nicht sein, es sprudelt nur so heraus aus den beiden Tiefsee-Gästen. „Es ist immer wieder das Gleiche: Die Eindrücke sind so tief, dass Gäste unserer Exkursionen, kaum sind sie an der Oberfläche, sofort wieder ins Reich der Dunkelheit hinabsteigen möchten.“ Das sei aber auch nicht verwunderlich, schließlich habe die Tiefsee schon immer Fantasie und Träume der Menschen beflügelt. „Diese Tauchgänge sind mit nichts zu vergleichen, jeder Tauchgang ist faszinierend. Denkt nur an Orpheus, an die grie- chischen Sagen, in denen die Unterwelt eine gewichtige Rolle gespielt hat. Seit Menschengedenken befassen wir uns damit. Dass wir dabei jetzt die Wissenschaft unterstützen, das Geheimnis Tiefsee zu entschlüsseln, gibt unseren Reisen in dieses unbekannte Terrain einen zusätzlichen Sinn. Und das ist auch positiv“, gewinnt Avi Klapfer dem Projekt eine geradezu philosophische Note ab. Ob es die „DeepSee“-Reisenden gehört haben? Schwierig zu sagen: Sie sind schon dabei, den nächsten Abstieg zu organisieren. Dr. Joseph Levine (61; links) hat an der Boston University unterrichtet und ist Verfasser von Wissenschaftsbüchern. Jeffrey L. Rotman (57) ist UW-Fotograf. Er gewann zweimal den National Press Photographers Award in den USA. / tauchen.de 59