Wie aus dem Gesicht geschnitten
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Wie aus dem Gesicht geschnitten
Bitte lächeln! Mit viel Fingerspitzengefühl gibt Dominik Hundt der Braut ein Gesicht. Und das, so soll es ja auch sein, sieht dem Original frappierend ähnlich. Fotos: Jan Schäfer Wie aus dem Gesicht geschnitten FELLINGHAUSEN Steinbildhauer Dominik Hundt modelliert nach Feierabend realistische Brautpaare aus Plastik Der kreative Familienvater aus Fellinghausen hat eine echte Marktlücke entdeckt. js � Mit Hammer und Meißel weiß Dominik Hundt umzugehen. In wenigen Monaten wird der Steinbildhauer den Betrieb seines Vaters in Hilchenbach übernehmen, die dritte Generation rückt damit nach. Das Gestalten und das Kreative wurden dem 34-Jährigen praktisch in die Wiege gelegt. Mit voller Leidenschaft arbeitet er bis tief in die Nacht hinein. Doch nicht Grabsteine oder Steinskulpturen sind es, die ihn um den Schlaf bringen. Es sind vielmehr kleine Figuren zu besonders fröhlichen Anlässen. Dominik Hundt modelliert auf Bestellung Hochzeitsfiguren im Maßstab 1:9 – und die sehen dem Brautpaar zum Verwechseln ähnlich. Hammer und Meißel lässt Hundt dafür ruhen. „Schon als Kind habe ich immer geknetet, gebastelt und modelliert“, erinnert sich der zweifache Familienvater. Bei der eigenen Hochzeit im Jahr 2006 sei ihm dann die Idee gekommen, die Torte mit einem besonderen Accessoire zu versehen – einer Miniaturausgabe des Brautpaars. Im Internet ließ sich keinen Anbieter ausfindig machen, der realitätsnahe „Minis“ herstellt. Konditoren böten stilisierte Figuren an, hier und da gebe es comichafte Modelle. Realistische Miniaturen? Fehlanzeige. Also machte er sich selbst ans Werk. Kurz vor dem bedeutsamen Ja-Wort wurden die Eheleute Hundt in der 20-cmVariante fertig – ein echter Hingucker. Im Jahr darauf bot der Steinmetzsohn sein Talent im Internet an. Er bastelte sich eine Website und zog rasch den ersten Auftrag für seine „Mini Me World“ an Land. Wie ein Lauffeuer machten die kleinen Plastikfiguren die Runde durchs Netz, ein Auftrag folgte dem nächsten. Inzwischen hat Dominik Hundt mehr als 100 Brautpaare modelliert und muss inzwischen auf eine Wartezeit von etwa einem Jahr verweisen. „Es soll ja keine Massenproduktion werden“, setzt der 34-Jährige auf Qualität und Individualität. Eine Woche benötige er schon für die Abwicklung eines Auftrags; immerhin taucht er ja erst im Feierabend ab in seine Welt der Miniaturen. Fimo ist das Material, das Dominik Hundt am Abend gegen die Steinplatten des Hauptberufs eintauscht. In allen Farben ist diese Kunststoff-Modelliermasse „Liebling, ich habe das Brautpaar geschrumpft“: Mithilfe von Porträts sowie Fotos von Anzug und Kleid entstehen die Miniaturen. zu haben. Und jedes Teil, jedes Detail der Minis wird aus der entsprechend gefärbten Knetmasse gefertigt – in der Wohnzimmerwerkstatt in Fellinghausen. Der dreifache Dominik: Im Original (r.), als 1:9-Miniatur und noch ein paar Nummern kleiner. sich die Kunden präsentieren möchten auf der eigenen Torte, das ist ihnen selbst überlassen. Ob klassisch nebeneinandergestellt, ob liegend, hockend oder auf einem Motorrad. Als Vorbilder dienen dem Modellierer dabei Fotos von den Brautleuten – mehrere Porträts aus unterschiedlichen Perspektiven, aber auch Ganzkörperaufnahmen und Bilder von Brautkleid, Anzug, Brautstrauß und Applikationen. Alles soll schließlich so nah dran sein am Original, wie es bei einer Größe von 20 cm überhaupt möglich ist. Kleidung bastelt Hundt aus Stoff nach, selbst Brillen sind kein Problem für ihn. Oder doch? „Kontaktlinsen sind mir lieber“, schmunzelt er. Wie Dominik Hundt passt die Figuren an die Wünsche der Auftraggeber an, Herausforderungen stellt er sich nur zu gern. Mitunter sind die Vorstellungen der künftigen Eheleute kurios. Hunde und Katzen müssen immer wieder mal an die Seite gestellt werden, das ist keine Seltenheit mehr. Eine besonders tierliebe Braut hingegen wünschte sich ein Chamäleon für den Brautstrauß – in Originalgröße für das echte Gebinde, versteht sich, hinzu kam Wohnzimmer und Küche in Fellinghausen sind zugleich Dominik Hundts Zweitwerkstatt: Am Schreibtisch wird modelliert, im Ofen wird der Kunststoff ausgehärtet. Drahtiger kleiner Kerl: Der Bräutigam hat bei der Anprobe gut lachen. die Mini-Ausgabe für das 1:9-Sträußchen. Im Kommen sind auch Fantasyfiguren und Avatare aus dem Online-Rollenspiel „World of Warcraft“. Die machen ihm besonders viel Spaß, verrät Dominik Hundt. Da kann er endlich auch mal ungewöhnliche, knallige Farben zur Hand nehmen. „Ein Paar hing über der Torte an Fallschirmen, ein anderes wollte sich in Fußballtrikots sehen.“ Bodybuilder, Surfer, Tennisspieler, Taucher oder Feuerwehrmänner: Die Rückschau auf Hundts Werk ist bunt und abwechslungsreich. Erst vor wenigen Tagen „vermählte“ sich in seiner Miniaturwelt ein Wikinger mit einem Drachen. Eine schräge Paarung. Über Nachfolgeaufträge muss sich der 34-Jährige schon lange keine Gedanken mehr machen. „Besonders jetzt, in der Hochzeitssaison, habe ich immer bis spät in die Nacht zu tun.“ Der Markt, den Hundt bedient, umfasst auch, aber eben nur am Rande die heimische Region. Über seine Website verkauft er deutschlandweit, auch in Österreich und in der Schweiz wurden bereits Hochzeitstorten mit Figuren aus Fellinghausen garniert. Eine Nachbildung fand den Weg nach Hongkong. „Vor einigen Tagen habe ich sogar eine Anfrage aus Chile erhalten“, freut sich der leidenschaftliche Bastler. Die Familie hat sich mit der Passion des Papas abgefunden. „Zum Glück arbeite ich mitten im Wohnzimmer und nicht versteckt im Keller“, sagt Dominik Hundt. Seine beiden Söhne greifen inzwischen schon gern selbst zur Knete. Und wer weiß, vielleicht wird eines Tages noch ein weiterer Familienbetrieb von der nächsten Generation übernommen... Jan Schäfer