Thingness
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Thingness
Foto: Gaby Peters & Nina Nowak Thingness “As for me, I will disappear into the parade of things” Aus anthropologischer Sicht gestalten Menschen ihre Welt durch die Dinge, die sie schaffen und manifestieren so ihre Weltsicht. Die von ihnen geformte Welt spiegelt sie selbst wider und formt ihr Handeln. Es entsteht eine wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Ding. Diese wechselseitige Beziehung wird im Alltag meist nicht bewusst wahrgenommen. Die Dinge treten hinter ihrer Funktion zurück und werden in ihrer Beiläufigkeit unsichtbar. Sobald sie über eine Alltags-Funktionalität hinausgehen treten sie wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit und bekommen einen autonomen Charakter. Dieses Potential der Dinge bzw. ihre Handlungsfähigkeit wird von Künstlern visualisiert. In diesem Feld bewegen sich die künstlerischen Arbeiten in der Ausstellung. Ein Ausstellungsprojekt des Künstlerhauses Dortmund, kuratiert von Gaby Peters und Nina Nowak. (Allan McCollum: „Perfect Vehicles“) From an anthropological point of view humans shape the world through the things they create and by doing this they manifest their vision of the world. In return this anthropogenic world reflects us and shapes our actions. A reciprocal relationship between human being and thing emerges of which we quite often remain oblivious of in our everyday routines. Things withdraw behind their function and become invisible in their obviousness. As soon as they reach beyond their function in everyday life they step back into the focus of attention and develop an autonomous character. The things‘ potential and capacity to act is made visible by the artworks shown in this exhibition. An exhibition project of Künstlerhaus Dortmund, curated by Nina Nowak and Gaby Peters teilnehmende KünstlerInnen // participating artists: Kaifeng Chun (SGP) Caroline Douglas (GB) Marcel Große (D) Lea Guldditte Hestelund (DK) Ragnhild May (USA/DK) Till Nowak (USA/D) Christine Overvad (DK) Emil Toldbod (DK) Nisrek Varhonja (D) mit thematischen Texten von // with texts by: Friederike Fast (D) Julia Höner (D) James Hutchinson (GB) Clara Wörsdörfer (D) kuratiert von // curated by Nina Nowak und Gaby Peters Künstlerhaus Dortmund gefördert u.A. durch die Kunststiftung NRW Kaifeng Chun (SG) Not Much to See 2014, Objekte / 27x9x5cm 2014, objects / 27x9x5cm Kaifeng Chun kartographiert das Alltägliche. Viele seiner Arbeiten basieren auf gewöhnlichen urbanen Elementen, wie sie vor dem Hintergrund der Stadt existieren. Seine künstlerischen Arbeiten sind mit industriellen Techniken und Materialien hergestellt und richten sich nach einer persönlichen, formalen und skulpturalen Reglementierung. Diese abstrahierten urbanen Objekte formen einen Raum aufgeladen mit narrativem Potential. In Not Much to See wird ein Paar FlipFlops, durch LEDs, die einen heiligenscheinartigen Lichtrahmen um die Objekte legen, zu einem fast ikonenhaften Status erhoben. Kaifeng Chun is interested in mapping the day-to-day. He regularly makes works based on ordinary urban elements which exist in the background of a city. The works are made with industrial techniques and materials and cohere to a personal formal sculptural regimentation. These abstracted urban objects are composed to form a space charged with narrative potential. In Not Much to See a pair of flip-flops is elevated to an almost iconic status backlighted by LEDs which form a halo-like frame around the objects. Caroline Douglas (UK) Playboy Entertainment for Men, Braille Edition June 1996 2010, in Zusammenarbeit mit Rosita McKenzie, Video / 5.06min 2010, in collaboration with Rosita McKenzie Video / 5.06min Dieses Video hinterfragt die Themen von Weiblichkeit und Geschlechterbeziehungen sowohl in den Bildenden Künsten als auch in der Populärkultur. Auf einer bestimmten Ebene fängt es die weibliche Berührung, die den männlichen Blick liest, ein. Auf diese Art werden die vorherrschenden Bedeutungen von Darstellung hinterfragt und rekonstruiert. Das Video provoziert außerdem den Dialog zwischen Berührung und gesprochenem Wort, gesehener und projizierter Fantasie sowie Text und Bild. Der Betrachter und der Braille-Leser kooperieren – jeder abhängig vom anderen, um die künstlerische Arbeit zu vervollständigen. This film interrogates issues of femininity and gender relations in both the visual arts and popular culture. On one level, it captures the female touch reading the male gaze, and as such it interrogates and reconstructs prevailing relations of representation. The film also prompts dialogue between touch and the spoken word, seeing and projected fantasy, and text and image. Viewer and Braille reader work in collaboration - each relying on the other to create and complete the work. Marcel Große (D) Kreisbeschleuniger II 2014, Installation / Größe variabel, Fine Art Prints / je 40 x 40cm 2014, installation / dimensions variable, fine art prints / each 40 x 40cm Marcel Große führt dem Betrachter in seiner Arbeit Kreisbeschleuniger II eine skurrile Versuchsanordnung vor Augen, bei der jeder Schritt offen dargelegt wird. Elektrische Spannung wird schrittweise von Lichtbögen in malerische Fotografien übersetzt, jede durch einen Kurzschluss entstandene Lichterscheinung entspricht einem einzigartigen Moment. Diesem zeitlichen Aspekt wird in den farbigen Digitaldrucken Rechnung getragen. Marcel Große’s work, Circle-Accelerator II, is a bizarre scientific test apparatus in which every step of the experiment is openly displayed to the viewer, opening the process up to a variety of contextual interpretations. Gradually, electric tension is transformed from electric arcs into picturesque photographs, each digital print capturing a specific and unique moment in the process. Lea Gulditte Hestelund (DK) Selfportrait as Discobolus 2015, Foto / 30x50cm Teil der Installation Körper 2.0 2015, Photo / 30 x 50cm, part of the installation Körper 2.0 Lea Guldditte Hestelund arbeitet in ihren Werk an der Schnittstelle zwischen menschlichen Körper und dessen Fetischisierung als Objekt. In ihrem Werk Körper 2.0 transformiert sie ihren eigenen Körper innerhalb eines Jahres zur Statur einer antiken Statue, dem Ideal des Discobolos aus der Antike. Dabei verweist die Künstlerin nicht nur auf kulturelle Praktiken und zeitgenössiche Schönheitsideale, sondern auch auf den Diskurs zum Thema Körper einer fitnessorientierten Gesellschaft. Lea Gulditte Hestelund’s artistic practice operates at the intersection of human body and its own fetishisation. For Körper 2.0, she transformed her own body into that of the classical discobulus ideal over the course of a year, thereby referring not only to cultural practice and contemporary ideals of beauty, but also to the body as a discursive site in a fitness-oriented society. Till Nowak (D/USA) The Experience of Fliehkraft 2011; Video / 2.48 min. und Computerzeichnungen / je 83x52cm / Foto: KIOKU Keizo. Foto-Courtesy: NTT InterCommunication Center [ICC] / Werk-Courtesy: Claus Friede*Contemporary Art, Hamburg 2011; Video / 2:48 min. and computerdrawings / je 83x52cm / Photo credit: KIOKU Keizo. Foto courtesy: NTT InterCommunication Center [ICC] / Work Courtesy: Claus Friede*Contemporary Art, Hamburg Die Arbeit The Experience of Fliehkraft besteht aus einer Serie von sieben fiktionalen Konstruktionsplänen von physikalisch unmöglichen Fahrgeschäften in Kombination mit sieben kurzen Videos. Von gigantischen Robotern werden Menschen in Vergnügungsparks durch die Luft geschleudert – diese Maschinen erscheinen als Karikaturen unserer Zivilisation und sind ein Ausdruck unseres Verlangens auszubrechen. Wir Menschen suchen ständig nach größeren, besseren, schnelleren Lösungen, um unsere Wünsche zu befriedigen, aber wir erreichen nie eine Grenze – es ist eine endlose Suche. The Experience of Fliehkraft is a series of seven fictitious construction plans of physically impossible amusement rides in combination with seven short video clips. In today’s fun parks people are spun around by gigantic robots – which seem to be caricatures of civilisation and an expression of our desire to escape. We humans are constantly looking for bigger, better, faster solutions to satisfy our desires, but we never arrive at a limit – it is an endless search. Ragnhild May (DK/USA) Music‘s Apparent Power to Affect Mind and Body 2013, Performance/Installation, Maße variabel 2013, performance/installation, size variable Ragnhild Mays Installationen und Performances untersuchen die unterschiedlichen Ebenen von Geräuschkulissen, die durch Verstärkungen und Verzerrungen alltäglichen Gegenständen entnommen werden. Dabei kombiniert die Künstlerin oftmals Alltagsgegenstände mit Motoren. Flöten, die ein immer wiederkehrendes Motiv darstellen, werden zu einer monströsen Orgel mit Motorenantrieb aufgetürmt und der Betrachter mit ungewöhnlichen Klängen konfrontiert. Using various forms of enhancement and distortion, Ragnhild May’s installations and performances investigate the various levels of background noise that emanate from everyday objects. She frequently combines commonplace objects with motors, like connecting flutes to ‘motor-driven organs’ to generate strange and remarkable sounds. Christine Overvad (DK) Simple living, placeless landscape 2013, Video / 7.53 min 2013, Video / 7.53 min Eine vierbeinige Maschine verursacht einen ohrenbetäubenden Lärm, während sie, auf behäbige Art und Weise, ein Pendel über die Bettlaken eines Doppelbettes wuchtet. Die Maschine ist eine von dreien, die zusammen ein kleines Ein-Zimmer-Apartment in in Vesterbro, Kopenhagen bewohnen. Skulpturale Situationen entstehen, während die Kamera ein Gefühl eines eigenartigen Wohnraumes vermittelt. A four-legged machine makes a deafening noise, as it, in an indolent manner, drags a pendulum over the bed sheets of a queensized bed. The machine is one of three residents inhabiting a small one-room apartment in Vesterbro, Copenhagen. Sculptural situations unfold, as the residents search for a sense of place. Emil Toldbod (DK) Second Dive: Entering another World 2015, Video-Installation / Größe variabel, Fotoquelle: Marcus Aurelius Christensen 2015, video-installation / dimensions variable, Photo credit: Marcus Aurelius Christensen Emil Toldbods Arbeit besteht aus vier Objekten: Ein Helm, ein Gürtel und BeinGewichte fungieren als hausgemachter Tauchanzug, während eine UnterwasserSchaufel gebraucht wird, um Material vom Boden des Meeres zu sammeln. Der Anzug wurde auf dem Meeresboden vor der Küste Kopenhagens benutzt bei der Unterwasser-Suche nach einer speziellen Form von Schneckengehäusen, die von der Norm abweichen – ein ungewöhnliches Phänomen, das fast nicht existiert. Es ist der zweite Tauchgang in einer Serie von dreien in dem der Künstler mit den Kräften des Meeres konfrontiert wird. The work consists of four objects: a helmet, a belt and leg-weights function as a homemade diving suit while an underwater shovel is used for gathering material from the ocean floor. The suit was used to walk at the bottom of the ocean off the coast of Copenhagen in search of a specific type of snail shell that deviates from the norm – a phenomenon that is barely existent. It is the second dive in a series of three where the artist is truly confronted with the powers of the ocean. Nisrek Varhonja (D) Nisrek Varhonja in der Fernsehauflösung Das schwarze Loch Nisrek Varhonja in TV Resolution – The Black Hole 2015, Videoarbeit mit Objekten / 4-6 Fernseher verteilt in den Ausstellungsräumen 2015, video with objects / 4–6 TVs distributed in the exhibition space In ihrer Denkmütze und mit ihrem genähten schwarzen Loch im praktischen Taschenformat hüpft Nisrek Varhonja im Rahmen der Fernsehinstallation Das schwarze Loch durch die Ausstellungsräume des Künstlerhauses Dortmund. In den Ausstellungsräumen sind Fernsehgeräte verteilt, in denen die Künstlerin abwechselnd erscheint. Sie erscheint in einem Gerät und verschwindet – nur um kurz danach an einer anderen Stelle, in einem anderen Gerät, wieder aufzutauchen. Wearing her homemade ‘thinking cap’ and pocket-sized ‘black hole,’ Nisrek Varhonja bounces through the exhibition spaces of Künstlerhaus Dortmund as part of her installation The Black Hole. Several TVs are scattered throughout the spaces, and the artist pops up in one device and then disappears only to materialise again in a different device at a different place.