Zukunftsstrategien im Verkehrswesen in China
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Zukunftsstrategien im Verkehrswesen in China
Zukunftsstrategien im Verkehrswesen in China Marco Polo reiste im 13. Jahrhundert einen Teil seines Weges auf der Seidenstraße. Die Seidenstraße, die vom Mittelmeer über Zentralasien bis nach China reichte, war die längste Handelsstraße zur damaligen Zeit. Der Weg, der über Gebirge und durch die Takla Makan Wüste führte, bis die Handelsreisenden, die mit Pferden oder Kamelen unterwegs waren, schließlich Peking erreicht hatten, war beschwerlich und gefährlich und dauerte 6 bis 8 Jahre. Gehandelt wurde mit allem, was sich auf der Reise kaufen und verkaufen ließ: Stoffe, Pelze, Gewürze, Perlen, Edelsteine, etc. Auch damals schon profitieren die Anlieger der Seidenstraße von der entstandenen Infrastruktur. Die Reisegeschwindigkeiten in China haben sich rasant erhöht, aber die Bedeutung von Verkehrsanbindungen hat sich bis heute nicht verändert: Um die Wirtschaft zu fördern, sind Anbindungen an nationale und internationale Güterumschlagpunkte notwendig. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass in China heute etwa die tausendfache Anzahl an Einwohnern wie in Deutschland lebt und mobil sein möchte, so kann man sich vorstellen, dass die Entwicklung des Verkehrswesens in China mit ganz anderen Strategien umgesetzt werden muss, als beispielsweise in Deutschland. China in Zahlen China ist ein Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern, in dem Gegensätze dominieren: Auf der einen Seite existieren hoch entwickelte moderne Wirtschaftsräume, wie Hongkong, Shanghai oder Peking, auf der anderen Seite lebt ein großer Teil der Landbevölkerung in großer Armut. Trotz dieser wirtschaftlich bedeutenden Ballungsräume mit hohen Einwohnerzahlen, sind in China noch ca. 60% der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Für ein Land mit einer so hohen Einwohnerzahl und so starken räumlichen Disparitäten wie in China, ist es eine besondere Herausforderung, Mobilität für alle Einwohner zu ermöglichen. Mobilität ist notwendig, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, Freizeitveranstaltungen und Freunde zu besuchen, mit der eingebrachten Ernte zügig einen großen Markt zu erreichen oder Bodenschätze an Warenumschlagplätze zu transportieren. Aktuell gibt es in China 22 Millionen Pkw, bis zum Jahr 2020 wird sogar eine Steigerung auf das Zehnfache erwartet. Die Auswirkungen auf die Umwelt, zumal die meisten Fahrzeuge noch mit herkömmlichen Brennstoffen fahren, sind absehbar. Schon heute ist China weltweit der zweitgrößte Produzent von Treibhausgasen. Verkehr in riesigen Ballungsräumen Am Beispiel Shanghai, einer Stadt, in der 7 Millionen Einwohner auf 1.100 qkm leben, zeigt sich, dass nicht nur der Umweltaspekt eine wichtige Rolle in der Verkehrsentwicklung spielt, sondern auch eine intelligente Organisation der verschiedenen Verkehrsteilnehmer. -1- In Shanghai nutzen 1,5 Millionen Personenkraftwagen, eine weitere Million Lastkraftwagen und Omnibusse, sowie 10 Millionen Fahrräder die Straßen. Das sind allein 12,5 Millionen Verkehrsmittel; dabei wurden die Fußgänger noch nicht berücksichtigt. Die Unfallrate ist derzeit hoch: Jährlich sterben rund 50.000 Menschen bei Verkehrsunfällen. Es wird erwartet, dass in 20 Jahren 60% der Bevölkerung Chinas in den Städten lebt. Das Problem wird sich also weiterhin verstärken. Unzureichende Verkehrsanbindungen auf dem Land In den vergangenen 15 Jahren wurde zwar intensiv daran gearbeitet, das Straßenund Eisenbahnnetz zu erweitern, dennoch haben heute noch nicht alle Orte Chinas eine Verkehrsanbindung über Schiene oder Straße. Das Eisenbahnnetz umfasst derzeit eine Gesamtlänge von 13.000 Kilometern. Im Vergleich dazu umfasst das Netz der Deutschen Bahn 41.000 km, und das, obwohl Deutschland beinahe 27 Mal kleiner ist, als China. Verkehrsentwicklung in China Die Entwicklung des Verkehrswesens in China muss verschiedene Probleme lösen: • Die Bereitstellung Stadtbevölkerung. von Transportmitteln für die ständig wachsende • Intelligente Verkehrsmanagementsysteme, die Verkehrskollapse in den Megastädten verhindern. • Einführung von umweltfreundlichen Treibstoffen für die ständig wachsende Zahl an Pkw-Nutzern und Transportmitteln des öffentlichen Verkehrs. • Verbesserte Verkehrsinfrastruktur des ländlichen Raumes. • Anbindung von Rohstofflagerstätten an das Verkehrsnetz. Finanzielle Unterstützung hat viele Gesichter Die Lösung der genannten Aufgaben im Verkehrswesen erfordert hohen finanziellen Einsatz, der nur zum Teil aus Mitteln des Landes bewältigt werden kann. So werden einige Projekte durch finanzielle Unterstützung aus dem Ausland realisiert. Unterschiedliche Modelle haben sich als günstig erwiesen: • Public-Private Partnership (PPP) Private Investoren erhalten infolge einer Ausschreibung die Konzession, eine von ihnen gebaute Verkehrsanlage zu betreiben und für deren Nutzung eine Gebühr zu erheben. Diese Erlaubnis wird für einen bestimmten Zeitraum ausgehandelt. In der Regel stellt der Staat das benötigte Bauland unentgeltlich zur Verfügung. Nach Ablauf der Konzession übergeben die -2- Investoren die Anlage in einwandfreiem Zustand dem Staat. Dieser kann sie dann selbst betreiben oder die Konzession erneut ausschreiben. Ein Beispiel dafür ist der Bau der Transrapidstrecke in Shanghai, der von der Shanghai Maglev Transportation Development Co. Ltd bei Siemens, Thyssen und Krupp in Auftrag gegeben wurde. • Technische Zusammenarbeit Organisationen, wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) oder andere Entwicklungshilfeorganisationen stellen unentgeltlich Fachkräfte zur Bearbeitung als förderungswürdig anerkannter Aufgaben in allen technischen und gesellschaftlichen Bereichen zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist das „Shaxi Rehabilitation Project“, das vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich finanziert wurde. Hier wurde ein Ortkern restauriert und damit für Touristen attraktiv gemacht. Dadurch wuchs das Interesse der chinesischen Regierung an der Ortschaft und sie stellte 600.000 Franken für die verkehrliche Erschließung des Dorfes zur Verfügung. • Finanzielle Zusammenarbeit Hier werden zu besonders günstigen Konditionen Kredite an das Entwicklungsland vergeben oder so genannte Hermes-Bürgschaften vergeben: Warenlieferungen oder Investitionen werden abgesichert, indem der Bund die Verpflichtung übernimmt, im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Empfängerlandes die Forderungen von Lieferanten zu befriedigen. Im Rahmen dieses Modells unterstützt die KfW den Ausbau des chinesischen Eisenbahnnetzes. Entwicklung mit modernem Wissen und neuester Technik Entwicklungshilfe im Verkehrswesen in China bedeutet, ein hoch technisiertes Land dabei zu unterstützen, im Verkehrs- und Umweltbereich nicht die gleichen Fehler zu machen, wie die Staaten Europas es bei ihrer Entwicklung getan haben. Dazu gehören beispielsweise die Reglementierung des innerstädtischen Verkehrs oder die Anwendung hoch entwickelter Technologien, wie schadstoffreduzierte Kraftstoffe, im individuellen und öffentlichen Personenverkehr. Konzepte, die in europäischen Staaten umgesetzt werden, dienen in China zur Orientierung. Im Mittelpunkt steht dabei eine umweltfreundliche und nachhaltige Verkehrsentwicklung, die im Rahmen von 5-Jahres-Plänen bereits an verschiedenen Orten umgesetzt wird: • Zugangsbeschränkungen für emissionssensible Gebiete Im Stadtgebiet von Dalian, das an der Südspitze der Liaodong Halbinsel im Norden des Landes liegt, werden Straßennutzungsgebühren auf der Hauptverkehrsstraße in die Stadt hinein erhoben. -3- • Integrierte Verkehrsmanagementkonzepte Chinas Konzepte zielen darauf ab, die verschiedenen Transportsysteme wie Rad, Pkw und Bahn zu verbinden, ohne dabei den Individualverkehr ganz zu unterbinden. Zu diesem Zweck wurde in Hongkong die Multifunktionskarte „Octopus-Card“ eingeführt, die als Fahrkarte, Eintrittsausweis und als Kreditkarte für kleinere Einkäufe dient (Intelligent Ticketing). Nach europäischem Vorbild wurden außerdem in Shanghai separate Fahrspuren für Omnibusse und Taxis eingerichtet. Aber auch bei der Aufteilung der Straßen zeigt sich, dass China versucht, der wachsenden Stadtbevölkerung durch effiziente Verkehrssysteme Herr zu werden: noch vor zehn Jahren waren die Spuren für Radfahrer breiter, als diejenigen für den motorisierten Verkehr. • Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs China investiert hohe Beträge in den Ausbau von U-Bahn-Strecken, die dort in Rekordzeiten gebaut werden, um der stetig wachsenden Bevölkerung Rechnung zu tragen. Aus Deutschland hat China auch die Technologie des Transrapid übernommen. In Shanghai verbindet eine 30 km lange Doppelspur die Long Yang Road Station mit den Pudong International Airport, die sie in 8 Minuten zurücklegt. Die Strecke wurde 2002 eingeweiht. • Stadtverträgliche saubere Fahrzeuge im Personen- und Güterverkehr Es werden verstärkt Gelder in die Weiterentwicklung von alternativen Fahrzeugantrieben gesteckt; dazu gehören Dieselmotoren, Gasantriebe und die Brennstoffzelle. In Peking werden ab Sommer 2005 Busse mit alternativen Antrieben vom DaimlerChrysler eingesetzt. Dank des Projekts „Clean vehicle“ fahren bereits jetzt in den zehn großen chinesischen Städten 205.000 Busse und Taxis mit Gasantrieb. Vorbildlich wurden in Peking auch schon 120 Gastankstellen eingerichtet. Außerdem wird das Eisenbahnnetz derzeit jährlich um 1000 Kilometer erweitert. Weiterhin baut China sein Straßennetz aus, das bis zum Jahr 2010 alle Dörfer Chinas an Straßen anbinden soll. Text: TexteSatt, 2005. -4-