Untitled
Transcrição
Untitled
Unterwegs in Australien Kaum ein Land hat so eine Vielfalt und Einzigartigkeit zu bieten wie der australische Kontinent. Faszinierende Städte, karge & üppige Landschaften, heilige Plätze, Ureinwohner mit Jahrtausende altem Wissen und eine Tierwelt, die nur hier existiert. Eine Reise mit einer Vielzahl von Bildern der inneren und äußeren Welt. Text: Anna Maurer Fotos: Thomas Weber Grafik: Cornelia Seirer coverfoto, von links: Thomas Weber, Anna & Angela Fischlmayr, Anna Maurer Opernhaus & Harbour Bridge: Die Wahrzeichen Sidneys auf einen Blick „when preparing to travel, lay out all your clothes and all your money. then take half the clothes and twice the money.“ „Wenn Du eine Reise vorbereitest,lege all Deine Kleidungsstücke und Dein Geld heraus. Nimm die Hälfte des Gewands und das doppelte Geld mit.“ Mit der Kleidung hatte die reiseerfahrene Amerikanerin Susan Heller nicht recht, mit der bin ich gerade durchgekommen. Es waren drei sehr unterschiedliche Stationen und das Packen dafür war eine echte Herausforderung. Doppelt so viel Geld, das stimmt, denn Australien ist wirklich ein teures Land. Mein Monat in Australien beginnt in Sydney, wo man dem Hafenblick nicht ausweichen kann. Der Hafen ist das Herz der Stadt und überall präsent. Die Stadt umrundet dieses Gewässer, es trägt zu Sydneys Leichtigkeit bei, zu ihrer lässigen Stimmung. Die Sonne, das funkelnde Blau, die frische Meeresluft, das prägt das Lebensgefühl. Gemütlich ist es in dieser Stadt. Ich sitze auf einer Bank in Darling Harbour – heute ist es zum ersten Koloniale Überbleibsel neben polierten Wolkenkratzer Mal warm – warm, heißt vielleicht 23 Grad. Denn es ist Ende August und der australische Winter geht langsam in den Frühling über. Deutlich wird mir bewusst, wie wenig ich von diesem Land und seiner Geschichte weiß. Menschen schlendern vorbei. Äußerst selten telefoniert jemand im Gehen. Die Australier sind einfach, praktisch, natürlich und bewegungsfreundlich gekleidet. Die Männer tragen mit Vorliebe Turnschuhe, Shorts und T-Shirt. Und so erleben wir vier Reisenden sie auch, die „Aussies“, locker, offen mit einer optimistisch legeren Art. Jede/r vierte BewohnerIn von Sydney ist nicht in Sydney geboren. Australien war ein Einwanderungsland und ist es immer noch. Die Stadt rückt mir immer näher und wird mir so vertraut. Sie nimmt mich mit als würde sie nach mir greifen, lässt mich so selbstverständlich hier fühlen. Wir lassen uns treiben, gehen mit dem Tempo dieser Stadt mit, denn hier scheint es keine Hektik zu geben. Ruhig verlaufen die Tage und doch haben wir schon einiges gesehen: Jeder Blick auf die Oper ist ein Ereignis. nach einer Hafenrundfahrt den „Royal Botanic Garden“ mit seinen subtropischen, einheimischen und exotischen Bäumen und Farnen. Das Maritim-Museum mit den Haien und Rochen bietet faszinierende Einblicke in die Meereswelt. Dank eines 145 Meter langen Acryltunnels kann man Fische von allen Seiten hautnah betrachten und Seekühe bei der Fütterung beobachten. Durch die Stadt schlendernd – koloniale Überbleibsel, polierte Wolkenkratzer – zeigt sich eine interessante Mischung aus älteren Bauten, Stilen & Epochen, die unkonventionell nebeneinander stehen. In dem Buch „Ein Jahr in Australien“ von Julica Jungehülsing, beschreibt die Autorin, wie die Busfahrer in Sydney streiken. „On strike“ heißt, sie streiken und fahren trotzdem. Es gibt aber für alle Freifahrt. Niemand muss bezahlen, denn schuld an den Arbeitsbedingungen sind nicht die Fahrgäste sondern die Regierung. Das finde ich super. Sydney ist anders. Um fünf Uhr nachmittags beginnt bereits die Dämmerung. Dann geht die Sonne rasch unter und wenig später ist es stockfinster. Die Mondsichel liegt auf dem Bauch, falsch herum, wie üblich am anderen Ende der Welt. Beeindruckend ist um diese Zeit die Skyline von Sydney, die erleuchteten Wolkenkratzer. Sonnenaufgang ist kurz vor sieben. Durch unser Hotelfenster sehen wir den klaren rosigen Morgen, sehen dem Himmel beim Buntwerden zu mit Blick auf den Sydneytower, der mit seinen 300 Metern alles andere überragt. Mit dem Lift kann man hoch in den Tower fahren und in dem sich drehenden Restaurant das Lunch-buffet genießen. Ich entdecke ein Bilderbuch für Clara, meine fünfjährige Enkelin. Jo- sephine, ein Känguru, möchte unbedingt Ballett tanzen. Sie schaut sich die Bewegungen von anderen Tieren ab. Voll Freude strebt sie ihr Ziel an. Da kommt eine Ballettschule in ihre Gegend und es gibt eine Aufführung. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt nur dem Tanzen. Sie schaut zu, beobachtet, will lernen um jeden Preis. Sie lässt sich nicht davon irritieren, dass so etwas für ein Känguru nicht gedacht ist, verliert ihr Ziel nicht aus den Augen. Da erfährt sie, dass die Prima Ballerina ausfällt und mutig wagt sie den Schritt nach vorne und bietet sich an, für sie einzuspringen. Der Direktor findet diese Idee originell. Mit viel Aufwand wird sie für das Ballett ausgestattet, um dann einen Start hinzulegen, der alle begeistert und mitreißt. Das wünsche ich mir für meine Enkelkinder: lasst euch nicht irritieren, lebt die träume, die in euch sind. Diese Stadt lebt es vor. Die HarbourBridge, die sich über das weite Wasser der Hafenbucht wölbt, die Oper. 1956 fanden in Melbourne die olympischen Sommerspiele statt. Und damit Sydney mithalten kann, wurde beschlossen, etwas ganz Besonderes zu bauen: die Oper und eine Konzerthalle. Bei einem Wettbewerb fiel die Wahl auf den wenig bekann- ten jungen dänischen Architekten Jörn Utzon. Sein Entwurf war kühn, einzigartig. Das Problem daran war jedoch das berühmte Dach. So ein schräges, kopflastiges Dach war noch nie zuvor gebaut worden. Die gesamte Bauzeit sollte nicht länger als sechs Jahre dauern. Aber allein die Konstruktion des Daches nahm schon fünf Jahre in Anspruch und die Kosten stiegen ins Unermessliche. Sie betrugen viermal so viel wie ursprünglich geschätzt worden war. Jetzt steht die Oper von Sydney majestätisch da – trotz vieler Widerwärtigkeiten wurde sie 1973 eröffnet und ist zum Wahrzeichen geworden. Die Kosten zu hoch, die Fertigstellung verspätet, kaum lösbare Schwierigkeiten und letztlich ist das Opernhaus doch zu einem weltweit bekannten Wahrzeichen von Sydney geworden. Jeder Blick darauf ist ein Ereignis. Sydney, das ist doch die Stadt mit der Hafenbrücke, dem Opernhaus und den schicken Restaurants am Hafen. Jackie French: Josephine wants to dance „world dreaming“ Nach drei Tagen beginnt der Weltkongress für Psychotherapie, der Grund, weshalb unsere Reise in Sydney begonnen hat. „World Dreaming“ ist das Thema. Eingeladen waren bekannte internationale PsychotherapeutInnen aus verschiedenen Richtungen. 800 TeilnehmerInnen aus 40 Ländern konnten sich hier austauschen, neue theoretische Standpunkte anhören. Das, was jedoch das Herz des Kongresses ausmachte, war die Auseinandersetzung mit den indigenen AustralierInnen, den Aborigines. Schon seit 40000 Jahren ist Träumen ein integraler Bestandteil ihrer Kultur und die Verbindung zur Natur ist dabei ein wichtiger Aspekt. Aber dieses Land wurde ihnen von den Einwanderern genommen, das Land, das ihre Stärke, ihre Kultur und ihr traditionelles Leben ausmachte. Hier lebten sie mit ihrem Stamm. Ihre Rituale verbanden sie mit den Spirits der Vorfahren, die ih- nen Schutz und Führung gewährleisteten. Über Jahrhunderte wurde von Generation zu Generation das Wissen über das Heilen, ihre Identität und kulturellen Werte weitergegeben. Ihre Gesellschaftsstruktur basierte auf einem komplexen Netz aus Verwandtschaftsbeziehungen und dem traditionell reglementierten Zusammenleben von Mann und Frau. Die Bezeichnung „Aborigine“ ist abgeleitet aus dem Lateinischen „ab origine“ (von Anfang an). Sie sind ein Naturvolk, das sich mit den Trockenregionen und den Lebensbedingungen in Australien arrangierte. Gegen die vordringenden Europäer im 18. Jahrhundert hatten die UreinwohnerInnen keinerlei Chance. Sie verloren nicht nur ihre Heimat, sondern wurden auch rücksichtslos niedergemetzelt. Aufgrund der Vertreibungen verloren sie ihr Land, ihre Identität, und ihre spirituellen und kulturellen Wurzeln. Vom aus- tralischen Staat und von der Kirche unterstützt, wurden zwischen 1910 und 1970 Mischlingskinder, die sogenannte „stolen generation“, ihren Aborigines-Müttern entrissen und in Heimen oder in Pflegefamilien untergebracht. Das Primitive, das Wilde sollte aus ihnen „herauserzogen“ werden. Eine Psychotherapeutin und Aborigine-Beraterin aus Kimberley, deren Vater ein traditioneller Heiler aus dem Yawuru Land ist, erzählt: „Eine tiefe Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit umgibt unsere jungen Aborigines. Der Alkoholismus und die Selbstmordrate sind sehr hoch.“ Sie fühlt sich an zwei Disziplinen gebunden: an die Prinzipien der Psychotherapie und die Kultur ihres Landes. Als allererstes arbeitet sie mit dem kulturellen Hintergrund. So ist etwa für die Yawuru der „inner spirit“, genannt „Liyan“, das Zentrum des Seins und der Emotionen. Die Verbindung zum „Liyan“ macht die Menschen stark. Wenn sie damit nicht verbunden sind, fühlen sie sich schlecht. Bevor sie mit dem psychotherapeutischen Prozess beginnt, nimmt sie Kontakt zur Weisheit der Community auf. Denn sie muss von der Community und von der Familie als Therapeutin akzeptiert werden, da die kulturelle Tradition ihre Art zu arbeiten bestimmt. Auch traditionelle HeilerInnen werden in die Psychotherapie mit einbezogen. Nach einer ganzen Woche in Australien haben wir noch immer keine Kängurus gesehen. Letzte Hoffnung: ein Ausflug in den Regenwald zu den landschaftlich reizvollen „Blue Mountains“, 100 Kilometer westlich von Sydney. Sie sind von Schluchten und felsigen Canyons durchzogen, deren Wände manchmal mehrere 100 Meter abfallen. Wir spazieren über die Felsgipfel und blicken auf die sich hoch erhebenden Sandsteinsäulen der „Three Sisters“, bevor wir 1 000 Stufen hinunter in den Regenwald steigen. Danach sind die Muskeln meiner Oberschenkel total angespannt, ich kann kaum mehr gehen. Doch hier umfängt uns eine Atmosphäre von Reinheit und Klarheit. Sonne und Wolken wechseln sich ab. Riesige Farne, Eukalyptusbäume, segelnde Ibisse, Ruhe und Weite. Noch will ich gar nicht daran denken, was es heißt, diese 1 000 Stufen wieder hinaufzusteigen. Ich habe es dann doch geschafft, es hat mich aber ziemlich an meine körperliche Grenze gebracht. Kängurus haben wir dann letztendlich auf dem Weg zurück in einem Gehege gesehen. Wasserfall in den Blue Mountains Nach zehn Tagen Sydney sind wir nun bereit, das andere Australien kennenzulernen. Die Wildnis, den roten Staub, die Region, in der die meisten Aborigines leben. Wir fliegen nach Alice Springs. In dieser Stadt sind die Aborigines allgegenwärtig. Unauffällig, fast immer schweigend, im Abseits. Sie sehen verwahrlost aus, betteln um Zigaretten, reagieren misstrauisch. Sie schlurfen, torkeln, dazwischen Weiße, keiner kümmert sich um die anderen. Weiße und Aborigines scheinen in getrennten, aber parallelen Welten zu wohnen. Aborigines haben ein anderes Weltbild in ihrem Kopf. Sie wollen nicht wie die Weißen werden und verharren in der Ver gangenheit. Es sind Menschen mit sinnentleerten Körpern, die schon viele Niederlagen und Demütigungen erlebt haben. Welche Anstrengungen braucht es wohl, den Mut und den Willen aufzubringen, um ein anderes Leben zu leben. In den 1960er-Jahren fingen die Ureinwohner an, sich gegen die Inbesitznahme ihrer Heimat juristisch zu wehren, mit Hilfe weißer Anwälte und der Unterstützung eines Teils der weißen Bevölkerung. Das Land, das man ihnen im Outback als Lebensraum zur Verfügung stellte, war allerdings wertloser Sandboden und Buschland. Die einzigen vernünftigen Gebiete, die ihnen zuerkannt wurden, waren gleichzeitig National parks, die sie mit Touristen teilen mussten. Mich faszinieren Menschen, die Ideen haben, die sie verfolgen und die sich trotz Schwierigkeiten nicht davon abbringen lassen, bis sie tatsächlich etwas in dieser Welt bewegen, etwas Neues in die Welt setzen und damit der Menschheit dienen. Wie auch die „Flying Doctors“, die es hier seit 1928 gibt und die versuchen, so schnell wie möglich alle Kranken medizinisch zu versorgen oder in das nächste Spital zu bringen. „School of the air“ Diese Schule befindet sich in einem unscheinbaren Gebäude. An den Ti- schen und Wänden sind die Arbeiten der SchülerInnen ausgestellt. Es sind bebilderte Aufsätze. Seit 1951 wird über eine Sprechfunkschule Kindern, die auf Rinderfarmen und in anderen einsamen Orten aufwachsen, Unterricht erteilt. Das Einzugsgebiet ist fast doppelt so groß wie Frankreich und etwa 150 SchülerInnen werden vom Kindergartenalter bis zu den frühen Teenagerjahren auf diese Weise unterrichtet. Der Unterricht spielt sich hauptsächlich schriftlich ab. Etwa eine halbe Stunde am Tag werden die Kinder von ihrer Lehrerin unterrichtet. Ihr Gegenüber ist eine leere Klasse statt einer lebendigen Kinderschar. Kein Feedback, keine interessierten Augen oder Gesten, an denen sie ablesen kann, ob das, was sie sagt, auch beim Gegenüber ankommt. Einmal pro Jahr kommen hier alle Kinder für eine Woche zusammen. Fünf bis sechs Stunden pro Tag lernen sie unter Aufsicht der Eltern oder einer Tutorin, die von den Eltern bezahlt wird. Dabei werden Fernsehen, Videorekorder oder Computer benützt. Auf den Fotos sind nur ganz wenige Aborigines-Kinder zu sehen. Für sie wird es schwierig sein, denn sie werden kaum kompetente Erwachsene als Betreuungspersonen finden, die elementare Kenntnisse in Lesen und Schreiben haben. Ab sechs Kindern können Volontiers vom Staat dafür zur Verfügung gestellt werden. das herz des kontinents ist gleichzeitig der heiligste platz der aborigines Auf der Karte liegen Alice Springs und der Uluru fast nebeneinander. Die Fahrt geht jedoch über 300 Kilometer. Das Herz des Kontinents, das gleichzeitig der heiligste Platz der Aborigines ist, bilden der Uluru (Ayers Rock) und Kata Tjuta (Olgas). Sie liegen mitten im Zentrum von Australien, das auch „Red Centre“ genannt wird. Der Uluru wirkt deshalb so grandios, weil er allein in dieser riesigen Einöde steht. Ein berühmter Monolith, eine Erhebung von außerordentlicher Würde und Grandiosität, knapp 2,5 Kilometer lang. Faszinierender als wir je gedacht haben. Man kennt den Felsen von Postkarten, Kalenderblättern, Fotobänden – ihn zu „erkennen“ hat jedoch etwas Elementares. Wir begreifen ihn und können es trotzdem nicht in Worte fassen. Es ist eine erstaunliche Vertrautheit. Wir spüren, dass dieser große, ehrfurchtgebietende Felsen eine Bedeutung hat. In der Morgensonne wird er noch interessanter. Er hat keine ebenmäßige Form. Näher betrachtet kann man diese markanten Felsformationen entdecken, ein Werk der Erosion. Für die Aborigines haben diese Zeichen eine religiöse Bedeutung. Sie sind die Hinterlassenschaft jener großen Wesen, die in der „Traumzeit“ über den australischen Kontinent wandernd Leben und Landschaften schufen. Das Wüstenlicht kommt und weckt warm und feuerrot den Uluru. Bilder und Farben entstehen und die Begeisterung und Ergriffenheit für ihn nimmt zu. Wir merken, dass wir ganz schön lange damit verbringen könnten, den Felsen einfach nur anzuschauen, ihn aus vielen Winkeln zu betrachten und davon nicht müde zu werden. Ein zeitloses Symbol für Australiens geologische Geschichte. Eine leise Ahnung von dieser zigtausend Jahre alten Kultur steigt in mir auf. Mir ist nach Nachdenken und Langsamkeit. Ich habe keine Eile. Die Erklärungen unseres Guides plätschern an meinem Ohr vorbei. Ich brauche Zeit, um die vielen Eindrücke verdauen zu können. Am Beginn unserer Reise sah der Busch für mich monoton aus. Niedrige Sträucher, Pflanzen, die eine natürliche Unverwüstlichkeit zu besitzen scheinen, Spinnifex Steppe. Seit Harry, unser Guide, jedoch immer wieder sagte: „Come and look“, und uns von den Pflanzen und Blüten erzählte – etwa mit welchen Blättern man Schnittwunden heilen konnte – schien bald jeder graue Ast ein Geheimnis zu haben. Harry kannte jedes Blatt, jede Blüte, jedes Insekt und freute sich aufrichtig, uns das alles zeigen zu können. Wir entdeckten Spuren von Kängurus & Schlangen im Sand. Wir haben nicht direkt mit Aborigines gesprochen, wir wissen nicht, wie sie sind, wenn sie in der Natur leben und nicht am Rand von Städten, wo sie mit Alkoholproblemen und Arbeitslosigkeit kämpfen. Trotzdem haben wir ihre Spuren gespürt, die Energie ihrer Weisheit aufgenommen. buschfeuer Ein alltägliches Bild im Outback sind Buschfeuer Sie werden weder kontrolliert noch eingedämmt. Es wird gesagt, dass Aborigines den Busch anzünden, damit trockene Gräser und Büsche brennen. Die Pflanzen und Büsche sollen davon profitieren und frisches Wachstum wird so unterstützt. Bald darauf wird uns plastisch gezeigt, wie schnell man in Australien mitten im Nichts sein kann, wie abgeschnitten vom Rest der Welt, denn nur wenig asphaltierte Hauptverkehrsstrecken (Highways) durchziehen das Outback. Abseits dieser Strecken gibt es nur Sandpisten. Zwei Ladies haben mitten im Busch einen Reifenplatzer. Sie haben Glück, dass wir vorbeikommen, denn nur das Satellitentelefon unseres Guides funktioniert und Thomas wechselt ihnen den Reifen. Am Abend treffen wir sie wieder im Outback Pioneer Hotel und feiern beim Lagerfeuer ihre Rettung. Zurück in der „Zivilisation“ Nach einer Woche im „Red Center“ fliegen wir von Alice Springs nach Cairns. Von dort geht es eine Stunde weiter nördlich nach Port Douglas. Mir kommt es vor, als sei ich nicht in einem anderen Bundesstaat gewesen, sondern in einer anderen Welt. Immer wieder beschäftigen mich die Bilder rund um den Uluru. Thomas und ich fahren nach Undara, in den „Volcanic National Park“. Dafür mieten wir uns einen Leihwagen. Manchmal nervt es mich schon ein wenig, immer gefragt zu werden: „How are you? How was your day? Do you enjoy it?“ Ich möchte einfach nur ein Auto mieten und keine Auskünfte über meine Befindlichkeit geben. Denn außer „great“ und „amazing“ wird sowieso nichts akzeptiert. Ich könnte auch gar nicht anders antworten, denn ich merke, wie mich dieses Lebensgefühl hier erfasst, die Tage in Windeseile vergehen, ich mich so selbstverständlich und frei fühle. Was für ein Genuss, in diesem Land hier eine Fremde sein zu dürfen, unendlich fern von den alltäglichen Verpflichtungen. Jeder Tag ist anders. Allmählich beginne ich mir Sorgen zu machen, wie mir der Umstieg in den Alltag wohl wieder gelingen könnte. Fast 300 Kilometer Fahrt nach Unda- ra liegen vor uns. Die Landschaft ist grün, sanfte Berge, blauer Himmel, und sieht fast ein wenig aus wie bei uns in der Steiermark. Kilometerlang fahren wir auf dem Kennedy-Highway, ohne eine Stadt oder ein Dorf zu sehen. Diese unglaubliche Leere Australiens ist nicht leicht zu beschreiben. Nur die Landschaft verändert sich ein wenig. Auf langen Strecken gibt es Mango-Plantagen, Eukalyptus-Bäume, dann wieder lange karge Weite, Steppe voller Termitenhügel. Auf dieser zweispurigen und ereignislosen Landstraße bekommt man eine bessere Vorstellung von den Ausmaßen dieses Kontinents. Ruhig gleiten wir durch die Landschaft. Nur wenn einem Roadtrains entgegen kommen, Super-Trucks mit drei Anhängern, weicht man schnell nach links aus. In Herberton machen wir Rast. Dort gibt es ein historisches Dorf. Was bezeichnet man in Australien als historisch? Tatsächlich bin ich überrascht, denn das heutige verschlafene Dorf mit seinen schrulligen älteren Menschen sieht nicht viel anders aus als das historische. Die Szene hier würde für einen Western taugen. Der „Undara Volcanic National Park“ liegt in Queensland in der McBrideProvinz. „Undara“ stammt aus der Sprache der Aborigines und bedeutet „langer Weg“. Neben der längsten Lavaröhre befindet sich in diesem Park auch der längste Lavafluss der Wenn einem Roadtrains entgegen kommen, Super-Trucks mit drei Anhängern, weicht man schnell nach links aus Welt mit einer Gesamtlänge von über 160 Kilometern. In Australien scheint alles extremer ausgefallen zu sein als anderswo. Die Einheimischen lieben alles, was sie als größer und weiter bezeichnen können. Erste zu werden, scheint eine Art Hobby der Nation zu sein. Der größte Monolith, das größte Riff, die giftigsten Spinnen, die tödlichsten Tiere, der flachste Kontinent, die größte Insel. Wir wohnen in alten restaurierten Eisenbahnwaggons, umgeben von großen Bäumen und der australischen Wildnis. Am frühen Morgen gibt es die Möglichkeit, ein Busch-Frühstück einzunehmen. Aufmerksam sitzen die Kookaburra mit ihren kräftigen Schnäbeln und ihrer markanten Stimme auf den umliegenden Ästen und warten erpicht darauf, dass wir unseren Frühstücksteller kurz verlassen, um sich im Sturzflug einen Leckerbissen davon zu holen. Gegen Abend kommen wir endlich in direkten Kontakt mit der Fauna Australiens. Wallabees, die kleinen Verwandten der Kängurus, mit hundeähnlichen Schnauzen, steilen Hasenohren, fahlem Fell und kräftigem Schwanz begegnen uns nun in Scharen und hüpfen elegant und grazil davon. Die Bezeichnung Känguru dürfte auf einem Missverständnis beruhen. „Was für ein Tier ist das?“, soll Captain Cook, einer der Entdecker Australiens, in Englisch die Aborigines gefragt haben. Und als Antwort hat er „Kann-ga-roo“ verstanden, was angeblich so viel bedeutet wie „ich verstehe nicht“. Die Sonne war allmählich untergegangen und ließ die Steppe rot leuchten. Der Horizont scheint sich hier endlos zu spannen. In der Dunkelheit beobachten wir heimische Fledermäuse in den Lavaröhren und als Höhepunkt am Ausgang eine Schlange, die auf ihr Abendessen wartet. Das große riff Das Great Barrier-Reef, mit einer Fläche von 345.000 qkm wird häufig auch als achtes Weltwunder bezeichnet. Das klare Wasser ist Heimat einer unzähligen Spezies der Unterwasserwelt. Neben den verschiedensten Korallenarten gibt es 1 500 verschiedene Arten von Fischen und auch Meeresschildkröten. Wir schnorcheln, tauchen und genießen einen Helikopterflug. In Port Douglas wimmelt es nur so von jungen Menschen. Auffällig ist ihre Lockerheit und ihre Unbefangenheit mit Fremden. Viele kommen aus Europa hierher, arbeiten in der Gastronomie und gönnen sich eine Auszeit, sei es als Tauchlehrer oder als Hubschrauberpilot. Das gibt eine multikulturelle Stimmung. Worüber ich mich ganz besonders gefreuthabe, war, dass ich mir in einer Boutique einen Badeanzug bei einer Aborigines-Frau kaufen konnte. Zum ersten Mal habe ich eine Aborigine als Angestellte im Verkauf gesehen. Was wohl ihre Lebensgeschichte sein mag? Ich muss an einen Bericht einer Aborigine-Frau beim Weltkongress denken. Sie ist in ihrem kulturellen Kontext aufgewachsen und hatte einen Vater, der auf Bildung drängte. So ging sie auch zur Schule, bis sie mit fünfzehn Jahren mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet wurde, dem sie seit ihrer Geburt versprochen war. Sie bekam Kinder und als der Mann starb, sorgten Schwager und Schwägerin peinlichst genau dafür, dass sie alle Regeln des Trauerjahres exakt einhielt. Erst danach war sie frei, konnte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen & wurde Gesundheitsberaterin. Gedanklich schweife ich des Öfteren durch die vergangenen Tage und Ereignisse, zu dem Teil, der in die Gegenwart hineinwirkt. Vielleicht habe ich eine Art „Walkabout“ erlebt. Die Aborigines bezeichnen so ausgedehnte Wanderungen in das Landesinnere. Es ist jedoch auch eine Reise in das Innere der Seele. Denn du verlässt niemals einen Ort, der dich berührt, du nimmst immer ein Stück davon mit und lässt auch ein Stück von dir dort zurück.