Wenn Harrius in Bradavice gegen Tom Elvis
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Wenn Harrius in Bradavice gegen Tom Elvis
Titel-H_01_2 27.01.2004 10:48 Uhr Seite 1 C Februar 2004 M Y CM Heft 1/2004 MY CY CMY K ISSN 0947-1049 Interview mit Humboldt-Preisträger: 30 Jahre für tausendstel Millimeter Prachtcodex digitalisiert: Der Machsor für die Maus Studienprojekt zu Naturschutz: Ein Bio-Lob für Golfplätze Essay über einen besonderen Prozess: Konsum ergo sum Universitätsbibliothek: Die Jagd nach frühen Drucken Projekt für ausländische Studierende: Eine neue Eingangstür im Internet journal Alte Schätze und Neuerscheinungen Die Buchmesse wirft ihren Schatten voraus Probedruck EDITORIAL Perspektiven und Kriterien sind gefragt Inhalt UniVersum Endrunde bei Campus-Neugestaltung Nervenkrieg um Mittel-/Osteuropazentrum EU-Erweiterung wissenschaftlich begleiten 2 2 3 Gremien Senatssitzungen 3/4 Forschung Betreuung von Alzheimer-Patienten Alzheimer-ähnliche Prozesse bei Tieren Interview mit Prof. Ruthven und Prof. Kärger Internationales Graduiertenkolleg Suche nach Proteinstrukturen Projekt zu Armut und sozialer Sicherung Ein Bio-Lob für Golfplätze Kooperation mit Fraunhofer Institut 4 5 6 8 9 10 11 12 Fakultäten und Institute Wortbildung als Thema für die Germanistik Sächsischer Kinder- und Jugendbericht Interview: Prof. Wotjak zum Sprachvergleich Afrikanistik: Sprachen als Ressourcen nutzen 12 13 14 16 UniCentral Die Buchmesseakademie: Interview mit Organisator Dr. Middell Programm und Bücher Universitätsverlag leicht im Aufwind Die Jugend und das Buch Die Jagd nach frühen Drucken Sinologischer Bücherschatz gehoben 17 19 20 21 22 23 Studiosi Der „konstruktive Streik“ Internet-Projekt für ausländische Studierende Studenten zum Gefangenendilemma befragt Studentisches Orchester erfolgreich gestartet Nachrichten 24 25 26 28 29 Personalia Neu berufen/Ellenberger-Preis/Kurz gefasst Ehrendoktorwürde für Carlos Rincón Prof. Wartenberg Ehrendoktor Geburtstage/M. Drucker zum 100. Geburtstag 30/31 32 33 33 Essay Konsum ergo sum 35 Jubiläum 2009 Die Wurzeln der ökon. Forschung und Lehre „Leipziger Machsor“ digitalisiert 37 40 Habilitationen und Promotionen Am Rande Nomen Impressum 34 4 21 2 Titelfoto: Christoph Busse Das neue Jahr, für das ich allen Universitätsangehörigen Gesundheit und Schaffenskraft wünsche, begann turbulent. Mitten in die deutschlandweiten Protestaktionen der Studierenden hinein startete eine Regierungspartei den Versuchsballon einer „Eliteuniversität“. Die Studierenden haben darauf – vielfach in drastischer Weise – mit Ablehnung, ja mit Hohn und Spott reagiert. So leicht wollte es sich das Rektoratskollegium nicht machen. Als Hochschullehrer daran gewöhnt, immer zunächst einmal gute Absichten und positive Ansätze zu unterstellen, haben wir in einer Stellungnahme die offensichtlich vorhandene Bereitschaft begrüßt, endlich auch bundesweit eine Diskussion über Wissenschaftsförderung im allgemeinen und die staatliche Finanzierung der Universitäten und Hochschulen im besonderen in Gang zu setzen. Um nicht bei einem Bedauern stehen zu bleiben, dass diese notwendige Diskussion gerade über einen so völlig unklaren Begriff wie den der „Eliteuniversität“ aufgezäumt wird, hat das Rektoratskollegium drei Punkte als maßgebend für die zu führende Debatte benannt: • Klare Kriterien für die staatliche Forschungsförderung anstelle einer Programmförderung, die die Autonomie der Universitäten aushöhlt. • Klare Perspektiven für die Entwicklung und Qualitätssicherung stark nachgefragter und zukunftsweisender Studienfächer, deren Ausstattung sich immer weiter verschlechtert hat. • Weitsichtige Programme für eine innovative Nachwuchsförderung, insbesondere durch den Ausbau eines attraktiven Stipendienwesens. Wenn wir die Schlussfolgerung ziehen, dass wir eine neue Bildungsdebatte brauchen, an deren Ende konkrete Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Universitäten und Hochschulen stehen müssen, so ist das auch eine Antwort darauf, wie sich Rektor und Rektorat zu dem „konstruktiven Streik“ der Leipziger Studierenden positionieren. Wir unterstützen den Protest in seiner Zielsetzung, da er die Anliegen der gesamten Universität zum Ausdruck bringt. Das Missverhältnis zwischen den ständig steigenden Studentenzahlen und der politisch veranlassten Reduzierung der Finanzmittel tritt im Universitätsalltag immer krasser zu Tage. Wenn der Bund die Mittel für die Hochschulbauförderung kürzt und der Freistaat in den Universitäten Stellen abbaut, ist das genau die falsche Politik. Den aktuellen Protest in einen Bildungskonvent münden zu lassen, der sich über den Tag hinaus langfristig mit der Erarbeitung von Konzepten und konkreten Reformvorschlägen beschäftigt, sieht auch die Universitätsleitung als einen der Sache angemessenen Weg an. Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor 1 UniVersum Campus-Neugestaltung Endrunde mit vier Entwürfen Der Wettbewerb um die Gestaltung des Uni-Campus zum Augustusplatz hin tritt in seine entscheidende Phase. Mitte Januar wählte die Jury aus den Architekten-Vorschlägen vier Entwürfe aus, über die Ende März abschließend entschieden werden soll. Noch im Rennen sind Professor Peter Kulka (bekannt durch den Landtag in Dresden und den MDR-Konzertsaal am Augustusplatz), Professor Hans-Günter Merz (mit Meriten im Museumsbau), Erick von Egeraat (Niederlande, von der Universität vorgeschlagen) und die Münsteraner Architekten Martin Behet und Roland Bondzio, die mit ihrem Gesamtentwurf für den innerstädtischen Campus den ersten Wettbewerb für sich entschieden hatten. C. H. Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Impressum Herausgeber: Der Rektor Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig, Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29, E-mail: [email protected] V. i. S. d. P.: Volker Schulte Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Satz und Lithographie: DZA Satz und Bild GmbH, Altenburg Druck und Binden: Druckerei zu Altenburg GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550 Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbH Augustusplatz 10/11, 04109 Leipzig Tel./Fax: 0341/9900440 Einzelheft: 1,50 e Jahresabonnement (sieben Hefte): 13,– e In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Sie sich bitte an die Redaktion, in Fragen, die den Vertrieb betreffen, an den Verlag. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplare erbeten. Redaktionsschluss: 16. 1. 2004 ISSN 0947-1049 2 Ein Nervenkrieg Leipzig noch im Rennen um Mittel- und Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom Oktober 2002 verkündete die Bundesregierung die Absicht, in den neuen Bundesländern ein Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur einzurichten. Zu dieser Zeit gab es an der Universität Leipzig Bemühungen, die in Sachsen vorhandene Ballung an wissenschaftlichen wie praktischen Mittel- und Osteuropapotenzialen zu bündeln und zu vernetzen, was im März 2003 zur Gründung des Kompetenzzentrums Mittel- und Osteuropa Leipzig e.V. (KOMOEL) führte. Den beiden Mittel- und Osteuropakoordinatoren der Universität, dem damaligen Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Helmut Papp, und Prof. Dr. Stefan Troebst vom Institut für Slavistik, erschien es naheliegend, sich auch in Sachen Bundeszentrum zu engagieren. Kriterien für die Antragstellung erhielten Universität und Stadt Ende März 2003. In kürzester Frist wurde die Bewerbung Sachsens ausgearbeitet und eine Woche später an das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geleitet (das Uni-Journal berichtete in Heft 3/2003). Nach einem schwer durchschaubaren Auswahlverfahren blieben von ursprünglich vier Bewerbern zwei übrig: Sachsen mit Leipzig und Brandenburg mit Frankfurt an der Oder. Mecklenburg-Vorpommern und Berlin schieden aus. Wieder innerhalb kürzester Frist wurden im November und Dezember vom Freistaat Sachsen Präzisierungen am ursprünglichen Konzept erbeten. Auch diese Hausaufgaben wurden in Leipzig termingerecht erledigt. Die Stadt Leipzig bietet als Sitz für das Bundeszentrum eine Fabrikantenvilla in Leutzsch an, für einen unverzüglichen Arbeitsbeginn hat die Universität Leipzig zeitlich befristet Räumlichkeiten mit Infrastruktur in Aussicht gestellt. Inhaltlichkonzeptionelle Vorgaben seitens der Bun- desregierung gab es bis Ende November 2003 nicht. Dann war zu erfahren, dass das geplante Mittel- und Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur sämtliche existierenden Informations- und Wissensmanagementsysteme zu Mittel- und Osteuropa und in den Beitrittskandidatenländern vernetzen soll, eine vernünftige Sache, nur ursprünglich so nicht vorgesehen. Die Konzeption wurde also innerhalb weniger Tage modifiziert, unter Einbeziehung von Informatik und Rechenzentrum. Technischen Voraussetzungen sind gegeben, darüber hinaus bestehen enge personelle Verbindungen zu anderen Zentren, wie zum Beispiel dem InformationsZentrum Sozialwissenschaften (IZ) der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS) oder der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die in das Vorhaben eingebracht werden können. Vorgesehen ist jetzt ein Netzwerk mit 20 Mitarbeitern, das Informations- und Forschungsdienstleistungen für Wirtschaft, Kultur, Politik, Medien und Bürger anbieten und ein „Informationsportal Osteuropa“ einrichten will. Die Leipziger Wirtschaft, (insbesondere die Stadtwerke, die Verbundnetz Gas AG, die Industrie- und Handelskammer) unterstützt das Projekt nachdrücklich. Ein Entscheid jedoch ist noch nicht in Sicht, obwohl bereits zwei Verhandlungsrunden zwischen Bund und Freistaat in dieser Angelegenheit stattgefunden haben. Die Zeit läuft davon, denn im Mai wird die Osterweiterung der Europäischen Union Realität. Hinken die Vorläufer dann hinterher? Ende Januar (und damit nach Redaktionsschluss dieser Journal-Ausgabe) wollte die CDU-Bundestagsfraktion in der Plenarsitzung Druck machen und die Regierung auffordern, Ort, Profil und Ausstattung des Bundeszentrums zu benennen. Dr. Sylvia Richter journal UniVersum | Gremien Erweiterung der EU weiterhin wissenschaftlich begleiten Die EU-Osterweiterung wird im Mai Wirklichkeit. Die Forschung hat diesem Ereignis seit langem vorgearbeitet, Daten zusammengetragen, Analysen verfertigt, Handlungsratschläge formuliert. Hat sich damit die besondere Funktion der Transformationsforschung sowie historischkulturwissenschaftlicher Langzeituntersuchungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erledigt? Ist die Stunde gekommen, über die Fortsetzungsberechtigung von Sonderprogrammen für die Wissenschaft laut nachzudenken? Die VolkswagenStiftung hat seit mehreren Jahren einen ihrer Förderschwerpunkte dem Thema „Europa: Einheit in der Vielfalt“ gewidmet und als Durchführungsbedingung die Beteiligung von Wissenschaftlern aus den beforschten Ländern formuliert. Vom 21. bis 23. Januar dachten die in dieses Programm Involvierten auf einer Tagung in Leipzig, die am Zentrum für Höhere Studien vorbereitet wurde, über Erfahrungen und Defizite eines solchen Unterfangens nach. Vieles wurde erreicht, deshalb könnte der oben genannte Verdacht sogar gestärkt werden. Es zeichnen sich aber zugleich mindestens zwei Aufgaben ab, die bleiben werden: Der Prozess der Europäisierung muss stärker als bisher in weltgeschichtliche und weltpolitische Zusammenhänge vergleichend eingeordnet werden, und die Verflechtung der Forschungs- und Ausbildungsszenerien wird sehr bald über das Niveau individueller Kooperation hinausgehen müssen. So gesehen, bedarf die wissenschaftliche Begleitung der EU-Osterweiterung noch für mehrere Jahre besonderer Sorgfalt und Unterstützung. Dr. Matthias Middell Weitere Information zur erwähnten Tagung im Internet: www.uni-leipzig.de/zhs/kolloquiumvolkswagenstiftung/ Heft 1/2004 Programm für Doppelpromotion Sitzung des Senats am 9. 12. 03 1. Der Rektor begrüßte eingangs als neue Amtsträger im Kreis des Senats die Prorektorin Prof. Dr. Charlotte Schubert und Prorektor Prof. Dr. Martin Schlegel sowie den neugewählten Dekan der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften, Prof. Dr. Helmut Loos. 2. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; im Einzelnen betraf das Ausschreibung und Berufungs- bzw. Besetzungskommission für „Deutsch als Fremdsprache mit Schwerpunkt Kulturstudien und ihre Didaktik“ (C3), „Statistik“ (C3), die Juniorprofessuren „Klinisch kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie“ und „Molekulare Neurophysiologie“ und Berufungsvorschläge für „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzierung und Investition“ (C4), „Bewegungsund Trainingswissenschaften der Sportarten“ (C4) (Nachfolge von Prof. Kirchgässner), „Biochemie/Molekularbiologie“ (C4), „Anorganische Chemie“ (C3) sowie Besetzungsvorschläge für die Juniorprofessuren „Finanzmathematik und angrenzende Gebiete“ und „Meteorologie – Fernerkundungsverfahren“. Des weiteren nahm der Senat die Beendigung des Berufungsverfahrens für „Chirurgie/Schwerpunkt Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie“ (C3) zustimmend zur Kenntnis. 3. Der Senat stimmte mehrheitlich der von der Philologischen Fakultät und dem Institut für Romanistik beantragten Aufhebung des Studienganges Magister-Nebenfach Rumänistik zum Sommersemester 2004 zu. 4. Der Senat stimmte einem interfakultären Programm der Medizinischen Fakultät und der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu, das hochbegabten Studierenden eine Doppelpromotion ermöglicht. Für Studierende der Medizinischen Fakultät umfasst das Programm ein vollwertiges Medizinstudium und ein vertieftes biowissenschaftliches Zusatzstudium sowie zwei Promotionen, die medizinische und die naturwissenschaftliche Dissertationsarbeit. Diplo- mierte oder promovierte Absolventen der Biowissenschaften absolvieren ein vertieftes medizinisches Zusatzstudium und können den Titel eines Dr. rer. med. erwerben. Ob gleichzeitig die Titel MD und PhD verliehen werden können, bedarf noch einer rechtlichen Prüfung. 5. Der Senat lehnte mehrheitlich den Antrag ab, das Institut für Psychologische Therapie e.V., in dem eine Weiterbildung von Psychologen erfolgt, als An-Institut an der Universität Leipzig anzuerkennen. 6. Die studentischen Senatsmitglieder wählten die vom Studentenrat vorgeschlagenen Politikwissenschafts-Studenten Torsten Preuß und Daniel Röthing als studentische Mitglieder des Wahlausschusses der Universität. 7. Der Senat stimmte Studien- und Prüfungsordnungen für Erziehungswissenschaftliche Studien in den Lehramtsstudiengängen, für das Nebenfach Niederlandistik und für den Aufbaustudiengang Master of Science in „urban management“ zu. 8. Der Senat stimmte Änderungen in der Zusammensetzung der Bibliothekskommission zu, die jetzt im Verantwortungsbereich der Prorektorats für Lehre und Studium liegt, womit der Vorsitz der Kommission von Prof. Wiedemann auf Frau Prof. Schubert übergeht. Prof. Buskot vertritt künftig an Stelle von Frau Prof. Beck-Sickinger die Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie; die Studentenschaft wird jetzt von Frau Gullnick (Fachschaft Medizin) und Frau WöckenerGade (Fachschaft Romanistik/Klassische Philologie) vertreten. 9. Der Senat stimmte einer von der Gruppe der studentischen Senatsmitglieder eingereichten Erklärung zu, in der der Senat die „Bemühungen und das Engagement der Studierenden für eine adäquate staatliche Finanzierung von Lehre und Forschung“ begrüßt und unterstützt. Prof. Dr. F. Häuser Rektor V. Schulte Pressesprecher 3 Gremien | Forschung Personalia Sitzung des Senats am 13. 1. 04 1. Der Senat behandelte Berufungsangelegenheiten; das betraf Ausschreibung und Berufungskommission für „Tierhygiene und Tierseuchenbekämpfung“ (C4) sowie Ausschreibung und Besetzungskommission für die Juniorprofessuren „NMR-Diffusometrie“ und „Pathobiochemie der Haustiere“. 2. Der Senat nahm den Antrag der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, PD Dr. habil. Thomas Trautmannn das Recht zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen, ebenso zustimmend zur Kenntnis wie den Antrag der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, an Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter die mitgliedschaftsrechtliche Stellung eines Hochschullehrers zu übertragen. 3. Der Senat bestellte den Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Schlegel, als Mitglied des Stiftungsbeirates der Universitätsstiftung Leipzig. Er tritt die Nachfolge seines Vorgängers im Prorektorenamt, Prof. Papp, an. Am Rande Gleich zu Jahresanfang machte es unter kulinarischen Köstlichkeiten stets Aufgeschlossenen die Runde: das Elite-Rezept. Man nehme: 1 Generalsekretär 10 Universitäten 100 Millionen Euro 1000 gute Gründe Zuerst befragt man den Generalsekretär, der einem bestimmt fast alle guten Gründe nennen kann. Die zehn geeigneten Universitäten sind leider in Deutschland nicht leicht zu finden, da es zu einem Engpass an guter finanzieller Ausstattung gekommen ist, die das Salz in dieser Suppe darstellt. In der Gourmet-Zeitung „Die Welt“ war allerdings nachzulesen, dass unter anderem die Universität Leipzig in Frage käme. Der verantwortliche Testesser muss eines der in der Tat vorhandenen Top-Angebote im gut sortierten Leipziger Uni-Sor- 4. Der Senat stimmte der Aufnahme von Dekan Prof. Loos und dem Studenten Benjamin Schulz als neue Mitglieder der Senatskommission Lehre/Studium/Prüfungen zu. 5. Der Senat beschloss Änderungssatzungen zu Studienordnungen für das Studium der Fächer Sport, Musik und Kunsterziehung für das Lehramt an Grundschulen, Mittelschulen und Förderschulen. 6. Der Senat stimmte einer Änderung in der Zusammensetzung des SYLFF-Komitees (Sasakawa Young Leaders Fellowship Fund) zu: Anstelle von Prof. Papp wird sein Nachfolger im Prorektorenamt, Prof. Schlegel, Mitglied des Komitees. 7. Studentenrats-Sprecher Benjamin Schulz informierte den Senat über Aktionen im Rahmen des kreativen und konstruktiven studentischen Protests zur Verbesserung der Studienbedingungen, was vom Senat mit Zustimmung aufgenommen wurde. Prof. Dr. P. Wiedemann V. Schulte Prorektor Pressesprecher timent erwischt haben, um zu diesem Schluss zu kommen – zugleich aber hat er offenbar übersehen, dass der Uni wie allen anderen in Sachsen auch gerade eine heftige Diät verordnet wurde. Gar im ganzen Lande seien die Universitäten schon „ausgehungert“, schrieb das Nouvelle-Cuisine-Organ „Spiegel Online“. Und wie man weiß, ist freiheitliches Kochen deutschen Universitäten fremdbestimmungsgemäß sowieso fremd. Aber da gibt es ja noch eine entscheidende Zutat, die das Gericht zu einem Genuss werden lässt: 100 Millionen Euro kommen bestimmt schnell zusammen. Dazu seien eigentlich nur ganz viele Köche nötig, hieß es im Januar aus dem Kochstudio Weimar. In Kürze kann also angerührt werden. Mal sehen, wem es schmeckt (Falls nicht ohnehin die Kostverächter in der Mehrzahl sein sollten). Kochkünstler raten übrigens: Man sollte noch mit ein paar Schnapsideen nachwürzen. Carsten Heckmann Niemand muss die Last allein tragen Neue Studie zur Betreuung von AlzheimerPatienten Die Alzheimer Informations- und Beratungsstelle an der Universität Leipzig führt seit Anfang des Jahres eine Studie durch, die klären soll, ob die Schulung der Angehörigen von Alzheimer-Patienten die Hospitalisierung hinauszögert. Allein in Deutschland leiden eine Million Menschen an der Alzheimerschen Erkrankung. Die Erkrankung ist zurückzuführen auf eine Degeneration des Gehirns und macht sich dadurch bemerkbar, dass komplexe Aufgaben nicht mehr in der gewohnten Art und Weise ausgeführt werden können und zu einer Überforderung im sozialen oder beruflichen Bereich führen. Pflegende Angehörige von Alzheimer-Patienten sind besonders großen Belastungen ausgesetzt, was mit erhöhten Krankheitsrisiken einhergeht. „Je früher man als Angehöriger lernt, mit dem kranken Menschen umzugehen, um so besser kann man später mit Komplikationen und Belastungen fertig werden.“, erklärt Prof. Dr. Hermann-Josef Gertz, der die Abteilung für Gerontopsychiatrie an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Leipzig leitet. Prof. Gertz sieht den ersten Schritt zur Bewältigung der Probleme im Akzeptieren der Diagnose. „Das ist deshalb wichtig, weil es im Vorfeld der Diagnosestellung häufig zu heftigen Spannungen in der Beziehung kommen kann.“ Deshalb sei es immer günstig, die Diagnose möglichst früh zu stellen. Der zweite Schritt besteht in einer möglichst umfangreichen Information über journal Forschung die Krankheit. „Das führt oft zum intensiveren Erleben der Zweisamkeit“, meint Gertz, „denn wir bekommen oft gesagt, ‚So lange es noch geht, wollen wir das Zusammensein genießen‘, egal ob es den Ehepartner oder ein Elternteil betrifft. Das kann bei aller Tragik auch sehr befruchtend sein.“ Wenn dann der Krankheitsverlauf fortgeschritten ist, muss man im dritten Schritt lernen, mit dem Kranken umzugehen. „Wichtig“, so Gertz: „Man darf den Kranken nicht erziehen wollen und keinen persönlichen Affront in seinem Verhalten sehen.“ Was man genau tun kann, vermittelt die Alzheimer Informations- und Beratungsstelle an der Universität Leipzig mit einem speziellen Schulungsprogramm. Dort bekommt man kostenlos nicht nur Informationen über die Alzheimer-Krankheit, sondern konkrete Hilfe, angefangen bei der Betreuung in Einzel- und Gruppengesprächen über Hinweise zum täglichen Umgang mit dem kranken Menschen bis zur Beratung zu rechtlichen und finanziellen Ansprüchen. Der Kranke kann mitgebracht werden und wird in dieser Zeit professionell betreut, so dass kein zusätzlicher Stress aus der Suche nach seiner Betreuung für diese Zeit erwächst. Prof. Gertz: „Von großer Bedeutung dabei ist, dass der Angehörige vermittelt bekommt: Ich bin nicht allein. Außerdem fördern wir einen gewissen Egoismus insofern, als der pflegende Angehörige erkennen soll, wo seine Grenzen sind, und wann man den Kranken besser in einem Heim unterbringen sollte.“ Dr. Bärbel Adams Wer an der Angehörigenberatung teilnehmen möchte, kann sich bei Dr. Markus Kiefer unter der Telefonnummer 0341/ 9 72 43 04 melden. Nützt „Alzheimer“ Tieren? Proteinveränderungen bei Winterschläfern ähneln Krankheit Bei der Alzheimerschen Erkrankung verändern sich zwei Proteine im Gehirn, das Amyloid- und das Tau-Protein. Die Veränderungen des Tau-Proteins führen zu den sogenannten Tangles, den fibrillären Ablagerungen, die für die Degeneration des Gehirns bei Alzheimer typisch sind. Seit 10 bis 15 Jahren ist das Tau-Protein stärker in den Blickpunkt der Forscher gerückt, da man erkannt hat, dass es durch Überphosphorylierung (Anreicherung von Phosphatresten) wesentlich zu den pathologischen Veränderungen bei Alzheimer kommt. Wenn man, wie der Leipziger Neurowissenschaftler Prof. Thomas Arendt, von einer funktional dynamischen Veränderung des Gehirns bei Alzheimer ausgeht, liegt es nahe, nach entsprechenden natürlichen Modellen in der Welt der Lebewesen zu suchen. Das ist Prof. Arendt mit den European Ground Squirrels jetzt gelungen. Dabei handelt es sich um kleine Nager aus dem Mittelmeerraum, die während des Winterschlafes einen bestimmten Mechanismus entwickeln, um über die nahrungsarme Zeit zu kommen. Sie reduzieren ihren Energiebedarf um 90 Prozent, wobei alle Lebensfunktionen in reduziertem Zustand weiter betrieben werden (Vita minima). Die Überlegung des Neurowissenschaftlers ging dahin, dass die Reduzierung der Lebensfunktionen eine Reduzierung der Hirnaktivitäten einschließen müsse, was tatsächlich der Fall war. Während des Winterschlafs nehmen die Tiere nicht nur stark ab, sondern es findet auch ein Abbau im Gehirn statt, indem bestimmte Synapsen stillgelegt werden und damit auch die Proteine an den synaptischen Kontaktstellen. Das war mit Tau-Phosphorylierung verbunden. Nur: Beim Aufwachen aus dem Winterschlaf erwies sich diese bei den Squirrels innerhalb von Tagen als reversibel. D. h. die Veränderung des Tau-Proteins kann offensichtlich ein ganz normaler Vorgang sein, mit dem die Natur gut umgehen kann. Von seiner Anlage her, ist es offenbar ein nützlicher Zustand, der das Tier beim Überleben in der nahrungsarmen Zeit unterstützt, indem es vermutlich Schutzmechanismen stabilisiert und vor dem Zelltod schützt. Dies wirft ein völlig neues Licht auf diese Veränderungen bei Alzheimer, da man bisher davon ausgegangen war, dass es sich um einen das Hirn schädigenden Prozess handelt, den man bekämpfen muss. Die Experimente sind langwierig, jede Reihe dauert naturgemäß mindestens ein ganzes Jahr. Dennoch machen die Forscher um Prof. Arendt weiter. Jetzt wollen sie die Mechanismen weiter untersuchen, die zu diesem Zustand führen und die diesen Zustand umkehrbar machen. „Es gibt viele Ansatzpunkte, die Parallelen zur Alzheimerschen Erkrankung erkennen lassen“, so Arendt. Es ist letztendlich zu klären, warum ein eigentlich normales zelluläres Programm beim Menschen krankhaft wird. Die Arbeit zu den Vorgängen im Gehirn bei den Squirrels ist 2003 im Journal of Neuroscience erschienen. Dr. Bärbel Adams Weitere Informationen: www.uni-leipzig.de/~pfi/ Ein Squirrel beim Fressen. Foto: Medizinische Fakultät Heft 1/2004 5 Forschung 30 Jahre für tausendstel Millimeter Humboldt-Preisträger Douglas Ruthven und Jörg Kärger erforschen die Diffusion in Zeolithen Seit September 2003 weilt Professor Douglas Morris Ruthven von der University of Maine (Orono, USA) an der Fakultät für Physik und Geowissenschaften. Der halbjährige Forschungsaufenthalt bis April dieses Jahres steht in Zusammenhang mit dem Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung, der dem 65-Jährigen am 21. Juni 2002 für seine herausragen Leistungen auf dem Gebiet der Zeolithforschung verliehen wurde. Mit dem fünf Jahre jüngeren Professor Jörg Kärger vom Institut für Experimentelle Physik I forscht der Chemieingenieur in Leipzig zur Adsorption und Diffusion in Zeolithen. Seit Jahrzehnten besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Wissenschaftlern. 1992 schrieben sie ein wichtiges Standardwerk zur Erforschung von Zeolithen, wofür sie 1993 gemeinsam den MaxPlanck-Forschungspreis erhielten. Im Interview mit dem Journal berichten sie von den Anfängen ihrer Kooperation, vom Nutzen der Zeolithe und von den Perspektiven der Zeolithforschung. Professor Ruthven, die Diffusion in Zeolithen ist einer Ihrer Forschungsschwerpunkte. Was sind Zeolithe? Ruthven: Zeolithe sind poröse Kristalle. Sie kommen in der Regel nur als winzige Kristalle von wenigen tausendstel Millimetern Durchmesser vor. Die in ihnen befindlichen Poren sind wiederum um einen Faktor von mehr als Tausend kleiner, sie besitzen damit die Größe von Molekülen.m Man kann Gasgemische und einige Flüssigkeitsgemische trennen, indem man sie diesem besonderen Material aussetzt. Nur Moleküle, die klein genug sind, werden durch die Hohlräume hindurchgelassen, zu große werden zurückgehalten. Diese Eigenschaft der Zeolithe, auch Formselektivität genannt, ist die Grundlage für einige wichtige industrielle Prozesse wie die Trennung von Gemischen und die katalysatorische Stoffumwandlung. Die ChemieProfessoren Einicke, Papp und Wendt haben das im Uni-Journal 6/2003 gut beschrieben. Prof. Dr. Jörg Kärger und Prof. Douglas Ruthven, Träger des HumboldtForschungspreises, mit einem Zeolith-Modell. Foto: Carsten Heckmann 6 Welche Bedeutung hat dieser Vorgang für die Industrie? Ruthven: Zeolithe werden vor allem in der Erdölindustrie genutzt. Jede Kraftstoffraffinerie nutzt Zeolithe. Jeder Tropfen Benzin wird durch drei oder vier verschiedene Zeolith-Katalysatoren „gefiltert“. Die besondere Bedeutung der Zeolithe hierbei resultiert aus der Verbindung ihrer katalytischen und formselektiven Eigenschaften. Welche anderen Industriezweige nutzen Zeolithe? Ruthven: Klimaanlagen stellen ein weiteres Einsatzgebiet für Zeolithe dar. Feuchtigkeit und Temperatur sollen durch diese Systeme kontrolliert werden. Dies wird durch den Austausch von hereinströmender und herausströmender Luft über Zeolithe erreicht. Ein anderes Beispiel ist die Gastrocknung. Alle Wasserpartikel werden aus dem Gas mit Hilfe von Zeolithen herausgefiltert. Dies ist besonders wichtig für industrielle Vorgänge, wo es sehr kalt ist, damit das Wasser nicht in der Leitung gefriert. An welchen Projekten arbeiten Sie beide in Leipzig gemeinsam? Zu welchen Ergebnissen sind Sie bislang gekommen? Ruthven: Schwerpunktmäßig arbeiten wir an einer Neuauflage unseres gemeinsamen Buches „Diffusion in Zeolites and Other Microporous Solids“. Dies ist die erste Überarbeitung des Werkes. Kärger: Eine Neuauflage ist sehr wichtig, da die Zeolithforschung ein sich immer noch schnell entwickelndes Feld darstellt. Ruthven: Daneben forschen wir natürlich gemeinsam … Kärger: Wir freuen uns, dass uns die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein internationales Graduiertenkolleg zur Diffussion in porösen Materialien bewilligt hat (siehe dazu Beitrag auf S. 8). Unter diesen spielen natürlich die Zeolithe eine besondere journal Forschung Rolle, bei der die Zusammenarbeit mit Professor Ruthven von großem Nutzen sein wird. Welche Vorteile entstehen aus der direkten Zusammenarbeit vor Ort? Ruthven: Hier muss ich mich nicht mit den täglichen Kleinigkeiten befassen, die bei der Leitung eines Instituts anfallen. In Leipzig kann ich mich ganz auf meine Forschung konzentrieren. Bezüglich der Zusammenarbeit für das Buch sind direkte Absprachen und fachlicher Austausch wesentlich unkomplizierter. Wie kommt es zu einer Zusammenarbeit zwischen einem Physiker und einem Chemieingenieur? Ruthven: Chemieingenieure profitieren sehr von einer gediegenen physikalischen Bildung, da die Forschungsinhalte grundlegende Phänomene beschreiben. Die Zusammenarbeit mit Physikern ist daher alles andere als ungewöhnlich. Naturgemäß besitzen darüber hinaus die Chemieingenieure einen engeren Bezug zur Praxis, zu Firmen. Wann begann Ihre Zusammenarbeit? Ruthven: Wir trafen uns erstmals 1973 in Ostberlin, wo ich einen Vortrag hielt. Professor Kärger war damals wissenschaftlicher Mitarbeiter in Leipzig. Nach der Vorlesung sprach er mich an. Unsere Unterhaltung endete mit einer Einladung seinerseits nach Leipzig, die ich während der 1970er Jahre mehrmals annahm. Professor Kärger besuchte mich im Gegenzug in den 80ern in Kanada, wo ich damals tätig war. Sie durften nach Kanada reisen, Professor Kärger? Kärger: Man ist zurecht davon ausgegangen, dass ich zu meiner Frau und unseren vier Kindern, aber auch zu meinen Kollegen und Freunden zurückkehren würde. So besuchte ich Professor Ruthven ca. zehn Jahre nach unserem ersten Treffen in Kanada. Welche Forschungsbedingungen fanden Sie, Professor Ruthven, bei Ihren Aufenthalten in der ehemaligen DDR vor? Ruthven: Die Ausstattung mit Untersuchungsgeräten war sehr begrenzt. Es war erstaunlich, was meine Kollegen alles mit geringen finanziellen Mitteln auf die Beine stellten. So sicherten sie die Stromversorgung beispielsweise mit einem Raum voller Autobatterien! Heft 1/2004 Jahrestagung der Alexander von HumboldtStiftung am 21. 06. 2002: Der Präsident der HumboldtStiftung, Prof. Dr. Wolfgang Frühwald (l.), verleiht im Opernpalais Berlin den Humboldt-Forschungspreis an Professor Douglas Ruthven. Foto: HumboldtStiftung/Lüders Wie empfinden Sie heute die Bedingungen für die Forschung an der Universität Leipzig? Sind sie vergleichbar mit Ihrer Universität in den USA? Ruthven: Die Bedingungen sind hier wirklich sehr gut. Die nötigen Gelder für Forschungsprojekte werden weitgehend durch die Regierung, aber insbesondere auch durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die EU bereitgestellt. Ich bin sehr beeindruckt von den Vorgängen hier. Leipzig ist zudem eines der Hauptforschungszentren zur Diffusion in Zeolithen. Die Situation in den USA scheint mir ungünstiger zu sein. Natürlich gibt es dort einige sehr gute Forschungszentren und Universitäten. Doch die finanzielle Seite funktioniert ganz anders, es fehlt an Kontinuität. Sie forschen beide seit 30 Jahren zur Thematik Diffusion in Zeolithen. Dieses Thema scheint noch immer viele Fragen aufzuwerfen. Ist da vielleicht eine ErElektronische Zeitschrift gegründet Seit Anfang Dezember 2003 existiert die erste wissenschaftliche Zeitschrift zum Thema Diffusion – im Internet. Das englischsprachige Fachjournal wird gemeinsam von Professor Jörg Kärger von der Universität Leipzig und Professor Paul Heitjans von der Universität Hannover herausgegeben. Neben der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Beiträgen zur Thematik verweist die Zeitschrift auch auf Aufsätze in wichtigen anderen Fachmedien, die z. T. vollständig oder als kenntnis denkbar, für die man den Nobelpreis gewinnen könnte? Ruthven: Professor Richard Barrer, der Nestor der Zeolithforschung, war in der Tat von vielen Kollegen für den Nobelpreis vorgeschlagen worden, doch er starb kurz vor der Nominierung. Es ist erstaunlich, dass diese Forschung schon so lange andauert. Wir versuchten, Darstellungen durch Modelle zu vereinfachen, aber die Natur funktioniert anders. Es ist wahrscheinlich etwas komplizierter, als wir zunächst angenommen hatten. Für industrielle Prozesse ist es nicht wichtig, jede Einzelheit über Zeolithen zu wissen. Doch für die Forschung wäre es ein zusätzlicher Gewinn, wenn wir mehr Details und Hintergründe verstünden. Kärger: Mit Prognosen über die Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse wollen wir lieber so lang warten, bis sie vorliegen. Interview und Übersetzung aus dem Englischen: K. Märker und C. Heckmann Kurzfassungen bereits eingesehen werden können. Weiterhin sind Rezensionen geplant. Unter den zahlreichen Publikationen auf dem Gebiet der Diffusion ist dies die erste wissenschaftliche Zeitschrift, die sich ausschließlich mit der Thematik befasst. Professor Kärger unterstreicht insbesondere die elektronische Form. Diese werde für die Verbreitung von wissenschaftlichen Inhalten in Zukunft immer wichtiger werden. K. M. Das Online-Journal im Internet: www.diffusion-fundamentals.com 7 Diffusion in porösen Materialien Internationales Graduiertenkolleg nach Leipzig vergeben In Anerkennung der herausragenden Aktivitäten auf dem Gebiet der Diffusion und ihrer internationalen Ausstrahlung vergab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jetzt mit 15 anderen Graduiertenkollegs das einzige Internationale Graduiertenkolleg nach Leipzig, an die Abteilung Grenzflächenphysik des Institutes für Experimentelle Physik I der Universität unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Kärger. Gemeinsam mit den niederländischen Universitäten in Amsterdam, Delft und Eindhoven wollen die Forscher die „Diffusion in porösen Materialien“ näher untersuchen. Allein Leipzig bekommt für die 41/2 Jahre der ersten Förderperiode rund 1,1 Millionen e, die u. a. für die Bezahlung von Wissenschaftlern, Verbrauchsmaterial und Reisen zu den Wissenschaftlerkollegen in den Niederlanden ausgegeben werden können. Die Förderzeit kann insgesamt neun Jahre umfassen. In Leipzig werden sechs von 16 Einzelthemen von sechs Doktoranden und zwei Postdoktoranden unter Leitung von Prof. Kärger bearbeitet. „Wir haben mit dem Projekt Weichen in die Zukunft gestellt“, erklärt Prof. Kärger. Nun gelte es auch, neue Formen der Wissenschaftsorganisation zu finden, die um so wichtiger sind, als Kärgers Abteilung in noch weitere große Forschungsvorhaben eingebunden ist. Das Internationale Graduiertenkolleg beschäftigt sich mit dem molekularen Stofftransport (Diffusion) in porösen Materialien. Die Diffusion, also die ungeordnete Bewegung von Molekülen aufgrund ihrer Wärmeenergie, ist ein allgegenwärtiges Phänomen in der Natur und für zahlreiche technische Prozesse von großer Bedeutung. Wegen der komplizierten Struktur der porösen Materialien lassen sich ihre Transporteigenschaften nur mit komplexen Untersuchungsmethoden erforschen. „Wir arbeiten seit einem Jahr mit dem in dieser Hinsicht wohl leistungsstärksten Kernspinresonanz-Spektrometer in der Bundesrepublik“, so Kärger. „Damit können wir Materialstrukturen im Nano-Meter-Bereich untersuchen.“ Seit 1990 fördert die DFG in Graduiertenkollegs besonders qualifizierte Doktorandinnen und Doktoranden in allen wissenschaftlichen Disziplinen. Internationale Graduiertenkollegs bieten die Möglichkeit einer gemeinsamen Doktorandenausbildung zwischen einer Gruppe an einer deutschen Hochschule und einer Partnergruppe im Ausland. Die Forschungs- und Studienprogramme werden gemeinsam entwickelt und in Doppelbetreuung durchgeführt. Für die Doktoranden in den beteiligten Gruppen ist ein etwa sechsmonatiger Auslandsaufenthalt bei dem jeweiligen Partner vorgesehen. Dr. Bärbel Adams Weitere Informationen: www.uni-leipzig.de/~gasse/ nysid_a/inst Oben: Dipl.-Phys. Christian Chmelik am IR-Mikroskop Rechts: Dipl.-Phys. Johanna Kanellopoulos beim Probewechsel am NMR-Spektrometer Avance 750 Fotos: Lutz Moschkowitz 8 journal Forschung Auf der Suche nach Proteinstrukturen Nachwuchsgruppe erforscht Grundlagen Von Dr. Bärbel Adams Sie sind auf der Suche nach der Struktur von Proteinen – die Mitarbeiter der Nachwuchsgruppe „Strukturaufklärung membranassoziierter Proteine mittels Festkörper-NMR“ am Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum (BBZ) unter Leitung von Dr. Daniel Huster. Proteine steuern biologische Prozesse, letztendlich alle Körperfunktionen der Lebewesen. Viele Krankheiten liegen darin begründet, dass die Funktion eines Proteins gestört ist – u. U. ausgelöst durch Veränderungen in seiner Struktur. Dies ist z. B. bei der Creutzfeld-Jacob-Krankheit der Fall. Die Aufklärung von Struktur und Dynamik von Proteinen kann deshalb Aufschlüsse über Krankheiten und Hinweise für deren Behandlung geben. Die Proteinstruktur ist der Fingerabdruck eines Makromoleküls und kann mit verschiedenen Verfahren gewonnen werden. Die Gruppe um Huster bedient sich der Festkörper-NMR-Spektroskopie (NMR für Nuclear Magnetic Resonance). Mit dieser Methode kann man besonders jene wasserunlöslichen Proteine untersuchen, die in den Zellmembranen verankert sind und dort z. B. Rezeptorfunktionen wahrnehmen oder die Kommunikation zwischen den Zellen ermöglichen. Die Universität Leipzig verfügt dazu über ein weltweit seltenes leistungsfähiges NMR-Spektrometer, das bei einer außerordentlich hohen magnetischen Feldstärke (17.6 T) arbeitet. Das gleiche Prinzip liegt der KernspinTomografie in der Medizin zugrunde. Jedoch erlaubt es das hohe Magnetfeld bei der von Huster verwendeten Methode, neben den Protonen auch alle anderen Atome eines Biomoleküls zu detektieren. Dabei wird ein im Vergleich zu dem riesigen Magneten winziger zylinderförmiger Rotor verwendet, der die Probe mit dem Membranprotein enthält. Dieser Rotor wird in einem bestimmten Winkel im Magnetfeld orientiert und rotiert bis zu 35 000 Mal in der Sekunde. Dadurch können gut Heft 1/2004 aufgelöste NMR-Spektren erzeugt werden. Dabei gibt jedes Signal z. B. einen bestimmten Kohlenstoffkern im Molekül wieder. Die Mitarbeiter der Nachwuchsgruppe bestimmen die Abstände zwischen den Atomkernen und können daraus die Proteinstruktur ableiten. Die Struktur wird um so genauer bestimmt, je größer die Anzahl der gemessenen atomaren Abstände ist. Aus der Struktur des Proteins sind wiederum Aussagen zu dessen Funktion ableitbar. „Was wir hier machen, ist reine Grundlagenforschung. Doch wenn man weiß, wie eine biologische Funktion durch Strukturveränderungen ausgeübt wird, ist es möglich, auf diese Funktion Einfluss zu nehmen“ erkärt Huster. „Und je mehr ich weiß, desto leichter sind die Brücken zur anwendungsbezogenen Forschung zu schlagen.“ Für ein anwendungsbezogenes Projekt hat er gemeinsam mit Partnern kürzlich den Zuschlag erhalten: Vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wurden rund 600 000 Euro über drei Jahre für die Entwicklung eines neuartigen Verfahrens zur Herstellung individuellen Knorpelgewebes zur Verfügung gestellt. In Kooperation mit Prof. Augustinus Bader, Inhaber der Professur „Zelltechniken und angewandte Stammzellbiologie“ am BBZ, versucht er, biosynthetisch künstliches Knorpelgewebe herzustellen, das der Natur möglichst nahe kommen soll. Dazu werden einem Patienten zunächst Knorpelzellen entnommen, die dann in einem Bioreaktor kultiviert werden. Die Knorpelsynthese im Bioreaktor soll durch NMR-Spektroskopie verfolgt werden, um die Qualität des Gewebes zu sichern. Damit das möglich ist, muss ein spezieller Bioreaktor entwickelt werden, der den gesamten Herstellungskreislauf steril hält und gleichzeitig optimale NMR-Meßmöglichkeiten erlaubt. Bei bisher angewendeten Verfahren zur Erzeugung künstlichen Knorpelgewebes ist oft nicht bekannt, ob die Knorpeleigen- schaften denen des natürlichen Gewebes wirklich entsprechen. Mit Hilfe der NMR ist es nun möglich, bestimmte Komponenten zu erfassen, die z. B. die Elastizität des Knorpels bestimmen. Noch während der Gewebeherstellung ist also eine ständige Qualitätskontrolle sowie die Dokumentation des Aufbaus der Knorpelstruktur gewährleistet. Man rechnet sogar damit, genau den Zeitpunkt erfassen zu können, der am günstigsten für eine Implantation des neu entstandenen Knorpelgewebes ist. Den Projektteil Bioreaktor-Entwicklung und Knorpelzüchtung übernimmt die Gruppe Bader, die NMR-Kontrollen die Gruppe Huster. Kooperationspartner an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig sind die Klinik und Poliklinik für Orthopädie unter der Leitung von Prof. Georg Freiherr von Salis-Soglio und das Institut für Medizinische Physik und Biophysik unter Leitung von Prof. Klaus Arnold sowie in der Industrie die Firmen Bruker BioSpin GmbH und Bionethos Alphacells GmbH. Dr. Daniel Huster (l.) und Ronny Schulz (Arbeitsgruppe Prof. Bader) mit einem Prototyp des Bioreaktors vor dem 750MHz-NMR-Spektrometer der Fakultät für Physik und Geowissenschaften (Arbeitsgruppe Prof. Michel). Foto: privat Forschung Scharfe Differenzierung Projekt zu Armut und sozialer Sicherung in Mittel- und Osteuropa Von Prof. Dr. Rolf Hasse und Dr. Cornelie Kunze, Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen Die Transformation in Mittel- und Osteuropa wurde von der Bevölkerung dieser Region nicht nur als Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft angestrebt, sondern war von Anfang an untrennbar mit dem Ziel einer umfassenden nachholenden Modernisierung, einer spürbaren Anhebung des gesamten Lebensniveaus verbunden. Im Hinblick auf die Probleme von Armut und sozialer Sicherung befanden sich die Regierungen der mittel- und osteuropäischen Transformationsländer dabei von Anfang an in einem Dilemma: Transformation als Prozess umfassenden institutionellen Wandels verlangt einerseits einen Grundkonsens darüber, dass dieser gesellschaftliche Umbruch und Umbau von der Mehrheit der Gesellschaft gewollt, also demokratisch legitimiert ist. Auf der anderen Seite hatten die abgedankten staatssozialistischen Regimes mit ihrer extremen Umverteilungspolitik einen, trotz deutlicher Aushöhlungstendenzen im Verlauf Im November 2003 fand an der Universität das 17. Leipziger Weltwirtschaftsseminar zum Thema Armut und soziale Sicherung im Transformationsprozess der mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländer: Bestandsaufnahme, Armutsursachen und Armutsbekämpfung statt mit Beiträgen des Leipziger Finanzwissenschaftlers Thomas Lenk, der Ökonomen Peter Nunnenkamp und Rainer Thiele (Kiel), Walter Wolf (EU-Kommission für Beschäftigung und Soziales) sowie Maie Toimet (Tallinn), Janusz Rowiński (Warschau), Piotr Błędowski (Warschau) sowie Zoltán Cséfalvay (Budapest) und Tuija Nykänen (Berlin). Das Seminar fand im Rahmen eines längerfristigen Forschungsprojekts gleichen Namens statt. Prof. Dr. Rolf Hasse und Dr. Cornelie Kunze vom Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen stellen das Forschungsprojekt vor. 10 der achtziger Jahre, vergleichsweise hohen Standard sozialer Sicherung geboten, der weder unter den alten Bedingungen aufrecht zu erhalten war, noch während der beginnenden Transformation. Im Gegenteil, Armut und soziale Ungleichheit haben zunächst im Verlauf der Anpassungskrise stark zugenommen, in den meisten Ländern auch noch danach. Aufgrund der überlieferten Gleichheitsideale und der erlebten Gleichheitspolitik und vor dem Hintergrund der im Transformationsprozess extrem ansteigenden Unsicherheiten stehen die Bevölkerungen der MOEL der eingetretenen scharfen sozialen Differenzierung eher ablehnend gegenüber. Wachsende Armut und soziale Ausgrenzung stellen insofern auch ein politisches Problem dar, da sie die Zustimmung zum und die Teilhabe am Transformationsprozess beeinträchtigen oder sogar gefährden können. Fast alle MOE Regierungen haben im Verlauf der Transformation immer wieder bestimmte Transformationsziele und -aufgaben (etwa Privatisierungsaufgaben, Preisliberalisierung sensibler Güter, Sozialreformen u. a. mehr) zurückstellen müssen, weil die damit einhergehenden sozialen Härten der Bevölkerung nicht vermittelbar waren. Sozialausgaben stellen einen erheblichen Anteil der oft unterfinanzierten Staatshaushalte dar. Wenn es den Transformationsländern in der Vergangenheit gelungen ist, die große Kluft zwischen den sozialen Erwartungen und den eingetretenen sozialen Ergebnissen auszubalancieren, so hatte daran die Perspektive des EU-Beitritts als „Hoffnungsanker“ auf eine für die Gesamtheit der Bevölkerung spürbar erfolgreiche nachholende Entwicklung einen wesentlichen Anteil. Bereits jetzt steht fest, dass mit dem Beitritt der acht mittel- und osteuropäischen Länder 2004 nicht nur ein größeres Wohlstandsgefälle als je zuvor innerhalb der EU existieren wird, sondern die EU wird durch den Beitritt auch mit den erheblichen Armutsproblemen der Transformationsökonomien konfrontiert sein. So wird gegenwärtig allein für Polen die Zahl der Armen (Personen in Haushalten mit einer Ausgabenhöhe, die unter 50% der durchschnittlichen Ausgaben in den Haushalten liegt), auf etwa 7,2 Mio. geschätzt. Das bedeutet, dass knapp 19% der polnischen Bevölkerung unter Armut leiden. Die EU-Kommission wird darum nicht umhin kommen, sich eingehend mit dem Armutsproblem in MOE zu befassen, um gegebenenfalls eingreifen zu können, wenn die Belastbarkeit der Sozialsysteme bzw. der Staatshaushalte in einzelnen MOE-Ländern – etwa aufgrund weiter steigender Arbeitslosigkeit im Strukturanpassungsprozess – überfordert sein sollte. Ziel des Forschungsprojekts am Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen ist daher eine Bestandsaufnahme der Armut und der breiten Varianten der Armutsbekämpfung in MOE, beginnend mit der Definition von Armut und der Klärung des Aumaßes der Armut in einzelnen Ländern, einzelnen sozialen Gruppen und in bestimmten Regionen. Untersucht werden die wichtigsten Quellen von Armut in den Transformationsländern, insbesondere Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne und regionalstrukturelle Problemlagen. Weiterhin sollen die staatlichen Armutsbekämpfungsstrategien dargestellt und auf ihre Effizienz hin befragt werden. Dabei wird auch die Situation in Ostdeutschland einbezogen, das mit einer extrem hohen, durch Transformation und Strukturanpassung bedingten Arbeitslosigkeit konfrontiert ist, deren Armutsrisiken aber bisher durch aufwändige Maßnahmen sozialer Sicherung begrenzt wurden. Schließlich soll auch die Perspektive der Europäischen Kommission auf die Armutsprobleme und die Armutsbekämpfung in MOE erörtert werden, denn sie rückt mit der Erweiterung in das Zentrum der Erwartungen, zur Problemlösung beizutragen. journal Forschung Biotop in Machern: Grün und Biotop – auf dem Golfplatz Machern kein Neben-, sondern ein Miteinander. Ein Bio-Lob für Golfplätze Studienprojekt zu Naturschutz Von Sebastian Beyer, Institut für Geographie Obwohl sich der Deutsche Golfverband schon geraume Zeit mit Umweltschutzfragen auseinander setzt, bilden die einzelnen Golfplätze häufig Streitobjekte zwischen Betreibern und Naturschutzverbänden oder engagierten Bürgern. Ein unter dem Titel „Golfplätze – ökologisch besser als ihr Ruf“ durchgeführtes Studienprojekt am Leipziger Institut für Geographie wollte genau dort ansetzen. Wenngleich die ökologische Wertigkeit von Golfplätzen schon mehrfach Thema wissenschaftlicher Arbeiten war, so konnte die Gruppe um Prof. Dr. Jürgen Heinrich (Professur für Physische Geographie und landschaftsbezogene Umweltforschung und selbst kein aktiver Golfer) bei ihren Untersuchungen die regionalen Aspekte der Clubs im Leipziger Umland besser berücksichtigen. Den Schwerpunkt der Arbeiten auf den Clubanlagen in Machern, Noitzsch und Seehausen bildete die Betrachtung der Geokomponenten Klima, Boden, Wasser und Biosphäre. Für die Komponente Klima sind die Auswirkungen der Golfanlagen auf die Frischluftzufuhr der angrenzenden Siedlungsgebiete einer der wesentlichen Gesichtspunkte. Mit Hilfe von Klimamessungen und dreidimensionalen Landschaftsmodellen konnten am Computer die potentiellen Luftströme modelliert werden. Die relativ ebene Struktur der Golfplätze und die vielen Wasserflächen haben sich dabei als Heft 1/2004 unterstützend für den Frischlufttransport herausgestellt. Für die Bodenanalytik wurden jeweils Proben auf den Golfplätzen und den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen genommen. Abgesehen von den Grüns und Abschlägen – den am intensivsten genutzten Flächen – konnten kaum Veränderungen im Bodenaufbau gefunden werden. Auch beim Thema Stickstoffaustrag schneiden die Spielflächen überwiegend besser ab als die Ackerflächen der Umgebung – ein Beleg für den fachgerechten Einsatz von Dünger seitens der Clubverantwortlichen. Diese Ergebnisse decken sich auch mit denen der Wasseranalytik, die bei der Untersuchung der Oberflächengewässer keine Belastungen feststellen konnte. Verglichen mit den monotonen Ackerflächen früherer Tage stellen die neu angelegten Teiche zusätzlich eine landschaftliche und biotische Aufwertung dar. Die genauere Betrachtung der Biotopausstattung vollzog sich in zwei Schritten: Luftbildinterpretation und Begehung. Da für die drei Untersuchungsgebiete kein aktuelles Kartenmaterial vorhanden war, sind zuerst die verschiedenen Golfplatzelemente mit Hilfe von Luftbildaufnahmen kartiert worden. Anschließend erfolgte vor Ort die detaillierte Aufnahme von Flora und Fauna. Wie zu erwarten zeigen die direkten Spielelemente eine sehr monotone Artenausstattung. Die Randbereiche, das so genannte Rough, sind hingegen durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Biotopen geprägt. Zahlreiche Hecken, Gebüschinseln und Streuobstwiesen schaffen neuen Lebensraum für Vögel und Insekten auf den einst kargen Ackerflächen. Für die Golf-Skeptiker unter der Leserschaft mögen diese Ausführungen nicht das Argument des „Elitensportes“, des „Flächenverbrauches für eine kleine Nutzerschicht“ entkräften. Aber Sie sollten bedenken, dass es sich bei allen drei Golfanlagen um Umwandlungen ehemaliger Ackerflächen handelt und selbige neben ihrer geringen Biodiversität auch keinen Beitrag zur öffentlichen Naherholung dargestellt haben. Zusammenfassend können wir den Golfplätzen in der Kulturlandschaft um Leipzig einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Erhöhung der Biotoptypenvielfalt bescheinigen. Insbesondere für intensiv genutzte Ackerflächen stellen sie eine gute Nutzungsalternative dar. Interessenten können den Bericht zum Studienprojekt im pdf-Format auf CD-ROM erhalten. Anfragen bitte an: [email protected] Bodenprofil: Der überwiegende Teil der Spielflächen erfährt keinen Bodenaustausch – lediglich eine dünne Rasentragschicht wird aufgebracht. Fotos: Müller 11 Forschung | Fakultäten und Institute Molekulare Anatomie Kooperation mit Fraunhofer Institut wird ausgebaut Mit der Ernennung von Prof. Jürgen Borlak zum Honorarprofessor für Molekulare Anatomie an der Universität Leipzig wird eine bereits fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) Hannover fortgesetzt und ausgebaut. Die Leipziger und Hannoveraner haben gemeinsam ein Verfahren für eine DNA-Analyse von Gewebeproben fehlgebildeter menschlicher Herzen entwickelt, die über vierzig Jahre in Formaldehydlösung konserviert waren. Dabei entdeckten sie charakteristische Muster jener Faktoren somatischer Genmutationen, die für die Übertragung der in einem Gen gespeicherten Informationen verantwortlich sind. Diese Transkriptionsfaktoren wurden bei Defekten der Scheidewand des Herzvorhofs und der Herzkammer gehäuft beobachtet. Die Befunde lassen zu, über die Entwicklung eines klinischen Vorsorgetests zu spekulieren. Weitere gemeinsame Forschungsvorhaben zwischen der ITEM und der Leipziger Anatomie betreffen das dysfunktionelle Endothel, den Mechanismus der Apoptose im Ovar sowie transgene Tiermodelle für die Entstehung von Leber- und Lungentumoren. Jürgen Borlak wurde 1958 in Neu-Ulm/ Bayern geboren. Er studierte von 1978 bis 1989 Biochemie, Physiologie und Agrarwissenschaften in Kassel und in Reading/ Großbritannien. Von 1989 bis 1990 untersuchte Jürgen Borlak als Postdoktorand bei der Britischen Gesellschaft für Krebsforschung die molekularen Mechanismen der Brustkrebsentstehung durch Xenobiotica. Von 1990 bis 1992 leitete er die Arbeitsgruppe Pharmakogenetik am Marion Merrel Dow Forschungszentrum, Straßburg/ Frankreich, und war danach bis 1998 Abteilungsleiter der Präklinischen Pharmakokinetik und Metabolismusforschung. Seit 1999 ist Borlak Bereichsleiter für Pharmaforschung und Medizinische Biotechnologie am ITEM. Die Medizinische Hochschule Hannover hat ihn zum C4-Professur für Pharmako- und Toxikogenomik berufen. B. A. 12 Zwischen Lexikon und Text Wortbildung als Thema für die Germanistik Am Institut für Germanistik gibt es in diesem Wintersemester die Möglichkeit, sich im Bereich Lexikologie mit der Nomination im Deutschen und im Bereich Wortbildung mit der Wortbildung des Verbs intensiv zu beschäftigen. Von Veranstaltungen zu diesen Themenbereichen kennen wir Studierende der Universität Leipzig Prof. Dr. Irmhild Barz. Wortbildung ist Thema an der Leipziger Universität und so nimmt man sicher des Öfteren das Studienbuch „Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache“ von Fleischer/Barz zur Hand – ein Buch mit Geschichte, das wohl jedem Germanistikstudenten ein Begriff sein dürfte. Seinen Anfang nahm diese Veröffentlichung unter Wolfgang Fleischer – einem Schüler des bekannten Leipziger Philologen Theodor Frings. Als erste synchron orientierte Wortbildungslehre erschien das Buch 1969 in Leipzig. Damit leistete Wolfgang Fleischer einen wichtigen Beitrag zur modernen Sprachwissenschaft, die in den letzten Jahrzehnten tief greifende Veränderungen erfuhr. Sie machte sich ausgehend von mediävistischer Philologie die Gegenwartssprache zum zentralen Gegenstand, um Aufbau und Funktion von Sprache bzw. Anlässlich des 60. Geburtstages von Prof. Dr. Irmhild Barz fand im vergangenen Oktober in Leipzig ein interdisziplinäres und internationales Kolloquium zum Thema „Zwischen Lexikon und Text – lexikalische, textlinguistische und stilistische Aspekte“ statt. Die von Prof. Dr. Ulla Fix und Dr. Marianne Schröder geleitete Tagung wurde vom Institut für Germanistik der Universität Leipzig, von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und vom Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft der Universität Augsburg veranstaltet. Sprachen zu beschreiben und zu analysieren. Wolfgang Fleischer hat diese Entwicklung u. a. im Bereich der Wortbildung maßgeblich bestimmt und nach zahlreichen Neuauflagen des Buches publizierte er 1990 zusammen mit Irmhild Barz eine vollständige Neufassung „Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache“. Prof. Dr. Barz führt diese Leipziger Tradition der Wortbildungsforschung am Lehrstuhl für Lexikologie und Wortbildung fort. Nicht umsonst eröffnete Prof. Dr. Wolf aus Würzburg seinen Vortrag beim Kolloquium anlässlich des 60. Geburtstags von Irmhild Barz mit dem Satz „Wir sind hier in Leipzig zusammen gekommen, um zu barzeln.“ Auf unterhaltsame Weise wurde die Bedeutung dieses ungewöhnlichen, scherzhaft verwendeten Verbs erläutert: Die Zuhörer sollten bescheiden versuchen dürfen, sich wie Prof. Dr. Barz zu verhalten. Sprecher brauchen Wortneubildungen in Texten, um etwas, was sie sich ausgedacht haben und was sie ausdrücken wollen, auf den Punkt zu bringen. Während Sätze und Texte nicht Begriffe, sondern Situationen oder Ausschnitte aus Welten benennen, leisten Wörter etwas Besonderes. Sie bieten – so ökonomisch und präzise wie keine andere sprachliche Struktur – die Möglichkeit, einen neuen Begriff in Texte bzw. Situationen einzuführen. Sie machen ihn kommunizierbar. Auf welche Weise diese Möglichkeit praktisch umgesetzt werden kann und von welchen Bedingungen die Wahl der Bildungsverfahren und die Verständlichkeit der neuen Wörter bestimmt wird, das sind Themen, mit denen man sich als Student gern auseinandersetzt. Claudia Telschow, Institut für Germanistik journal Fakultäten und Institute Zeichen der Integration setzen Sozialpädagoge erarbeitete Kinder- und Jugendbericht mit Der Sächsische Kinder- und Jugendbericht steht auf der Internetseite des Staatsministeriums für Soziales (Unterpunkt „Kinder und Jugendliche“) zum Download zur Verfügung: www.sms.sachsen.de Heft 1/2004 Im Oktober 2003 wurde der Öffentlichkeit durch die Staatsministerin für Soziales, Helma Orosz, der zweite Sächsische Kinder- und Jugendbericht vorgestellt. Der Bericht wurde in zweijähriger Arbeit von einer unabhängigen Expertenkommission erstellt, der Vertreter aus dem Hochschulbereich und der Praxis angehörten. Für die Universität Leipzig arbeitete Prof. Dr. Christian v. Wolffersdorff (Lehrstuhl Sozialpädagogik in der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät) in der Berichtskommission mit. Der Auftrag der Landesregierung bezog sich – erstmals seit 1990 – auf die Erstellung eines „Gesamtberichts“ über die Lebenssituation junger Menschen in Sachsen sowie die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Um der Erwartung gerecht zu werden, dabei zu allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe begründete Aussagen zu machen, mussten von der Kommission sowohl Daten aus den verfügbaren Quellen des Statistischen Landesamts als auch fachliche Informationen über den Entwicklungsstand unterschiedlichster Praxisbereiche gesammelt und ausgewertet werden. Eine Reihe von Expertisen, die vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales demnächst als Ergänzungsband zum Berichtstext veröffentlicht werden, vervollständigen die Datengrundlage, mit der die Kommission gearbeitet hat. Der erste Teil des Kinder- und Jugendberichts befasst sich mit den Lebensverhältnissen und Sozialisationsbedingungen junger Menschen in Sachsen, betrachtet also die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Aufwachsens sowie des Wandels von Lebenslagen, familialen Lebensformen und Geschlechterverhältnissen. Informationen über Erwerbsarbeit, Einkommen und Armut, zum Bildungs- und Ausbildungssystem, über Jugend und Medien sowie zur gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen in Sachsen schließen sich an. Der zweite Teil gibt einen Überblick über die Struktur und Ausstattung der Kinderund Jugendhilfe im Freistaat, wobei neben Fragen der Organisation und Finanzierung eine ausführliche Darstellung ihres Leistungsspektrums im Mittelpunkt steht. Probleme der Betreuung in Kindertagesstätten kommen hier ebenso zur Sprache wie Familienförderung, Jugendarbeit, Jugendschutz und das stark ausdifferenzierte Feld der Hilfen zur Erziehung, das heute sowohl präventive Aufgaben der Beratung als auch Familienhilfe, Krisenintervention und Heimerziehung umfasst. Der dritte Teil des Berichts folgt der These, dass wesentliche Aufgaben von Erziehung, Bildung und Betreuung sich heute als Querschnittsaufgaben stellen, also die systematische Zusammenarbeit verschiedener Institutionen erforderlich machen. Angesichts der aktuellen bildungspolitischen Diskussion kann dieses Erfordernis am Beispiel der Kooperation von Jugendhilfe und Schule besonders gut verdeutlicht werden, die trotz beträchtlicher Fortschritte noch immer stark verbesserungsbedürftig ist. Aber auch bei Problemfeldern wie Gesundheit und Suchtprävention, Kriminalität, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt handelt es sich, wie der Bericht deutlich macht, um Querschnittsaufgaben, bei deren Bewältigung es um das abgestimmte Zusammenwirken von Akteuren geht, die in der Vergangenheit oft genug nebeneinander her gearbeitet haben. Insgesamt ging es der Kommission darum, mit ihrem Bericht für ein Verständnis von Kinder- und Jugendhilfe zu werben, das den Erfordernissen einer modernen sozialen Infrastruktur verpflichtet ist und jungen Menschen Beteiligung ermöglicht. Soziale Arbeit kann sich nicht heute nicht mehr darauf beschränken, eine Notfallagentur oder ein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Defizite zu sein – obwohl ihr im Zeichen der Sparpolitik und des Abbaus sozialer Leistungen eben diese Funktion wieder verstärkt zugeschrieben wird. Vielmehr muss sie versuchen, Zeichen der Integration zu setzen und Verantwortung für die Gestaltung des Sozialen übernehmen. Denn angesichts fortschreitender Erosionserscheinungen in ihrer Lebenswelt sind Kinder und Jugendliche heute mehr denn je darauf angewiesen, dass die Gesellschaft ihnen verlässliche Rahmenbedingungen für ihr Aufwachsen schafft und eine positive Identifikation mit den Werten einer demokratischen Gesellschaft ermöglicht. Prof. Dr. Christian von Wolffersdorff 13 Fakultäten und Institute Wo Deutsche dünne Bretter bohren, pflücken Kubaner tief hängende Mangos Im Gespräch mit Gerd Wotjak über die Tagungen zum romanisch-deutschen Sprachvergleich Von Volker Schulte Im Oktober 2003 fanden zwei internationale Linguistik-Tagungen an der Universität Leipzig statt, die eng mit dem Namen von Prof. Dr. Gerd Wotjak vom Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie verbunden sind. Beide hat der 62-Jährige initiiert und über die Jahrzehnte begleitet: seit 1978 den Kongress zur hispanistischen Linguistik (jetzt der sechste) und seit 1987 die Arbeitstagung zum romanisch-deutschen und innerromanischen Sprachvergleich (jetzt die fünfte). Die sich am Horizont abzeichnende Emeritierung Gerd Wotjaks (2007) und der zeitliche Rhythmus der Tagungen brachten es mit sich, dass er anno 2003 seine akademischen Kinder zum letzten Mal betreut hat. Dies wiederum hat die Zahl der Teilnehmer und Beiträge in bisher nicht gekannte Höhen schießen lassen: Bei der hispanistischen Linguistik hat sich die Teilnehmerzahl verdreifacht, darunter allein 100 Wissenschaftler aus Spanien, und beim Sprachvergleich hat sie sich mehr als verdoppelt. Dass der Sprachvergleich in der Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern eine wichtige Rolle spielt, liegt auf der Hand. Wie soll man sonst Gemeinsamkeiten und Unterschiede, etwa zwischen romanischen Sprachen und der deutschen Sprache, herausfinden? Und wer sollte dazu besser berufen sein als Germanisten aus romanischen Ländern und Hispanisten oder Französisten aus deutschsprachigen Ländern, wie sie sich traditionell auf den Leipziger Konferenzen zum Sprachvergleich treffen? Dabei geht es nicht darum, wie Professor Wotjak betont, aus den Vergleichen völkerpsychologische und Mentalitätsspezifika abzuleiten. Den Wissenschaftlern geht es vielmehr um nachweisbare Resultate auf den sachlicheren Gebieten der Lexik, Phonetik oder Syntax. Und diese sprachwissenschaftliche Forschungsarbeit ist spannend genug! Unterschiede lassen sich jedenfalls nicht in Rankings von „fortschrittlicheren“ oder „intelligenteren“ Sprachen erfassen; sie alle sind gleichwertig und orientieren sich jeweils an den Bezeichnungsbedürfnissen einer Sprachgemeinschaft. Aus der Tatsache, dass es im Deutschen mehr spezifi- sche Bezeichnungen zum Beispiel zur Fortbewegung gibt als im Französischen oder Spanischen und dass in diesen Sprachen keine rechten Entsprechungen zu unserem „Gemüt“ und zu unserer „Gemütlichkeit“ existieren, kann keineswegs geschlossen werden, dass die Deutschen konkreter denkende und gefühlvollere Menschen sind. Das wäre absurd oder einfach nur anmaßend. Die Leipziger Konferenzen haben sich dabei weniger mit der Phonetik, wo es im Deutschen 25 bedeutungsunterscheidende Laute gibt, im Spanischen etwa 20 und im Französischen rund 30, befasst, sondern vor allem mit Textvergleichen auf dem Gebiet der Lexik, also dem Wortschatz einer Sprache, und auf dem Gebiet der Syntax, also der in einer Sprache üblichen Verbindung von Wörtern zu Wortgruppen und Sätzen. Zum letzteren Punkt, so Prof. Wotjak, wurde ermittelt, dass in Bezug auf die im Deutschen vorherrschenden Substantivkonstruktionen in französischen und spanischen Texten eine Aufholtendenz zu verzeichnen ist. Das ist u. a. auch mit den umfangreichen Textproduktionen der EU zu erklären, insbesondere solchen zur Gesetz- gebung und deren Übersetzung in zahlreiche Sprachen. Wie von jeder Übersetzung eine normierende Kraft ausgeht, so umso mehr, wenn Maschinenübersetzungssysteme am Werk sind. Fällt doch den Maschinen ihre Übersetzungsarbeit umso leichter, je normierter die Formulierungen sind. Darauf hat sich die EU-Verwaltung eingestellt. Von diesem Punkt ist es nur ein kleiner Schritt zu den sprachlichen Folgen der Globalisierung, die ebenfalls auf den Leipziger Tagungen thematisiert wurden. Was die Anglizismen betrifft, da sieht Gerd Wotjak „kein besonderes Bemühen, sie durch deutsche Entsprechungen zu ersetzen“. Im Französischen, aber auch im Spanischen ist das etwas anders. In Frankreich überlässt man das keineswegs dem Selbstlauf, seit Mitte der 70er Jahre wird das Französische sogar per Gesetz geschützt, ohne dass dies Ergebnisse gebracht hätte, wie man sie sich erhoffte. Immerhin wurde im französischen und teilweise auch im spanischen Sprachraum der Omnipräsenz des Englischen, beispielsweise in der Informatik, mit eigenen Bezeichnungen (zum Beispiel für E-Mail, PC, Software) etwas entgegengesetzt. 14 Dem Thema des romanisch-deutschen Sprachvergleichs widmet sich auch der nachfolgende Beitrag, der aus einem Gespräch mit Prof. Wotjak entstand. journal Fakultäten und Institute Aber nicht den „Luxusentlehnungen“ aus dem Englischen, mit denen sich die Sprecher oder Schreiber ein größeres Prestige versprechen, bereiten Professor Wotjak Sorge, schon eher die Tendenz, dass das Englische ganze Kommunikationsbereiche des Deutschen, so in der Wissenschaft, verdrängt. Dass da auch ganz handfeste ökonomische und politische Interessen eine Rolle spielen, mag aus der Tatsache erhellen, dass das Mutterland des Englischen aus der Vermittlung seiner Sprache mehr Gewinn erzielt als durch andere Produktionsbereiche. Andererseits, und auch darauf verweist unser Gesprächspartner, steht die Dominanz einer Sprache auch in einem Zusammenhang mit der Leistung eines Landes auf dem jeweiligen Wissenschaftsgebiet. So werden zum Beispiel Deutschkenntnisse erforderlich in der klassischen Philologie oder auf einem bestimmten Gebiet der Sprachwissenschaft, der Phraseologie, wo vorwiegend in Deutsch publiziert wird. Mit der Phraseologie, der Beschäftigung mit Redensarten und Sprichwörtern, ist ein weiteres Feld des Sprachvergleichs gegeben. Zumeist vor vielen Jahrhunderten entstanden, nicht selten auch über die Bibel verbreitet, offenbaren sich hier tatsächlich in expressiver, bildhafter Weise kulturelle Spezifika der Sprachbenutzer. Über den kleinen Unterschied zwischen „Von Kopf bis Fuß“ (Deutsch) und „Von Fuß bis Kopf“ (Spanisch) muss man nicht weiter philoProfessor sophieren, eher schon darüber, dass der Spanier häufig von „Seele“ spricht, wo der Deutsche „Herz“ sagt. Dass im Deutschen Fehlanzeige ist, wo im Spanischen die Phraseologismen blühen, nämlich im Umfeld des Stierkampfs, kann niemanden überraschen. Wo der Deutsche den bequemsten Weg im „Dünnbrettbohren“ charakterisiert, verwendet der Spanisch sprechende Kubaner das Bild vom „Pflücken tief hängender Mangos“. Wird im Deutschen „Das Geld aus dem Fenster geworfen“, wird im Spanischen sogar „Das Haus durch das Fenster geworfen“. Allen gemeinsam ist aber die Tendenz, dass die Verwendung von Phraseologismen zurückgeht, insbesondere in den Großstädten. Das gilt in ähnlicher Weise auch für die VerHeft 1/2004 wendung von Sprichwörtern, in denen sich Volksweisheit verdichtet vorfindet. Dabei spielt auch eine Rolle, dass das Waffengeklirr und die latente Frauenfeindlichkeit, wie sie in den aus dem Mittelalter herkommenden Sprichwörtern aufklingen, heutigem Weltverständnis nicht mehr entsprechen. Interessant ist auch zu untersuchen, welche phraseologischen Wendungen idiomatischer Natur sind wie zum Beispiel im Deutschen die merkwürdigen Formulierungen „Kohldampf schieben“ oder „Jemandem einen Bären aufbinden“. In dem Versuch eines Resümees: Die Sprachen existieren nie unabhängig voneinander; Übernahmen oder Ableitungen auf dem Gebiet des Wortschatzes stellen immer dann eine Bereicherung dar, wenn sie nicht existenzgefährdend für die aufnehmende Sprache werden. Ohnehin geringer ist der Einfluss in der Syntax. Als angloamerikanischer Sprachstil gilt die Bevorzugung von kurzen Sätzen. Leserfreund- prägte Höflichkeit im Umgang miteinander. Stattdessen wird diese nur sprachlich anders strukturiert und kann differenzierter ausgedrückt werden. Missverständnisse sind leicht möglich, wenn man das nicht beachtet. Da es beispielsweise einem Spanier aus Gründen der Höflichkeit schwer fällt, ein krasses Nein zu sagen, wird er vielleicht antworten: „Ich werde noch einmal darüber nachdenken.“ Wenn darauf nichts weiter erfolgt, mag der Deutsche daraus den Schluss ziehen, dass hier etwas versprochen wurde, was dann doch nicht eingehalten wurde. Der Spanier dagegen, wenn er darauf angesprochen wird, wird bei sich denken: Wie unsensibel und unhöflich, danach zu fragen. Für den Übersetzer ist es allerdings wichtig, die Unterschiede ebenso wie die Gemeinsamkeiten zu kennen und entsprechend darauf zu reagieren. Auf diese Weise Grundlagen für ein schnelleres, auch computergestütztes Übersetzen zu schaffen und damit für eine praktische Anwendung, ist ein wichtiges Anliegen der Leipziger Tagungen zum Sprachvergleich. Hier gewonnene Erkenntnisse können sich u. a. in verbesserten, das heißt auch terminologisch vereinheitlichten Wortschatz-Datenbanken, in der Erstellung maschinenlesbarer Textkorpora oder kombinatorischer Wörterbücher niederschlagen. Versucht man ein Fazit, so könnte man mit Professor Gerd Wotjak sagen: Durch den Sprachvergleich wird die Dr. Gerd Wotjak Foto: Armin Kühne Zunahme von Gemeinsamkeiten, zumindest im Wortschatz, deutlich. Dies bildet einen geeigneten Ausgangslichkeit ist erstes Gebot: möglichst nach punkt, um die Bereitschaft zum Erlernen sieben Worten ein Punkt. Der „teutoni- fremder Sprachen und deren gleichberechsche“ Stil ist eher schreiberorientiert. Die tigten Gebrauch als eine realistische AlterSätze sind sehr viel länger. Hier sind auch native zu einer englischen Einheitssprache Spanier und Russen anzusiedeln. Beim zu fördern. „gallischen“ Stil wird das Augenmerk vor Die Aneignung zumindest von ausgewählallem auf Abwechslung und Brillanz ge- ten europäischen Sprachen mittels moderlegt. ner Sprachlernprogramme, wie sie – unter Schon noch etwas stärker auf das Glatteis Nutzung von Sprachkenntnissen in einer von Mentalitätsunterschieden gerät man, romanischen/slavischen Sprache für das wenn man sich dem Thema Höflichkeit zu- Verstehen weiterer Sprachen aus diesen wendet. Wenn in einer Sprache das Wort Familien – ja bereits im Internet angeboten „bitte“, etwa im Spanischen, weniger ge- werden (so als InterComRom bzw. Interbraucht wird als in einer anderen, so be- ComSlav) wäre hierfür die notwendige deutet das keineswegs eine weniger ausge- Voraussetzung. 15 Fakultäten und Institute Sprachen als Ressourcen nutzen Erfolgreiche Afrikanistik-Initiative Von Prof. Dr. H. Ekkehard Wolff, Institut für Afrikanistik Von den ca. 6 000 auf der Erde heute noch gesprochenen Sprachen findet sich etwa ein Drittel in Afrika. Die Zahl der Sprecher schwankt im Einzelfall zwischen 50 Millionen und wenigen hundert Menschen. Unabhängig von der Zahl der Sprecher verkörpert die Sprache deren geistiges Kulturerbe; rhetorische Meisterschaft in der Sprachverwendung ist ihnen ein hohes kulturelles Gut, zugleich Quell der Freude, Identifikation und Maßstab menschlicher Reife. Einschränkungen der Sprachverwendung berühren fundamentale Menschenrechte, die Identität von sozialen und kulturellen Gruppen, sowie die Selbstverwirklichung des Einzelnen. Sprache ist ein entscheidender Faktor für Effizienz oder Ineffizienz in Bildungssystemen. Sprache fördert Partizipation und Demokratie ebenso wie die erfolgreiche Bekämpfung von Unterentwicklung und Massenarmut. In den letzten zehn Jahren hat ein Paradigmenwechsel die Afrikanistik erfasst, dem in Leipzig in Forschung und Lehre sowie durch internationale Wissenschaftskooperation, zumal mit Partnern in Afrika, Rechnung getragen wird. Dies geschieht in einem innovativen Studienschwerpunkt mit Fokus auf Soziolinguistik, EthnolinAnlässlich seiner Mitgliederversammlung am Rande des 16. Afrikanistentages (25.–27. 9. 03) an der Universität Leipzig hat der Fachverband Afrikanistik eine Initiative der Leipziger Afrikanisten aufgegriffen, einen innovativen Studienschwerpunkt „Angewandte Afrikanistik“ im Kernangebot aller neuen afrikanistischen Bachelor- und Master-Studiengänge zu verankern. Der Schwerpunkt wurde in Leipzig entwickelt und ist seit einigen Jahren Teil des hiesigen Studienangebots. Die Initiative soll von einer Arbeitsgruppe unter dem Leipziger Afrikanisten Dr. Gerald Heusing, der Prof. Ekkehard Wolff im Vorstand des Fachverbandes ablöst, generalisiert und zur Umsetzung anderenorts empfohlen werden. 16 guistik, und Aspekten einer „Angewandten Afrikanistik“ (Sprachstandardisierung und Sprachtechnologie, MultilingualismusManagement in Schul- und Berufsbildung, aber auch Dokumentation bedrohter Sprachen etc.), wie er in dieser Form ohne Vorbild ist. Kern des Paradigmenwechsels ist die Wahrnehmung von indigenen Sprachen nicht länger nur als Gegenstand einer abstrakten Sprachwissenschaft oder als „exotische“ Hervorbringungen menschlichen Geistes, sondern als wesentliche Ressourcen für erfolgreiches soziales, politisches und wirtschaftliches Handeln. Dabei kommen den Erst- oder Muttersprachen als „Ressource“ für die Entwicklung des Einzelnen im Rahmen einer vollständigen soziokulturellen Sozialisation eine besondere Bedeutung zu. In Afrika, unter den Bedingungen eines ausgeprägten Multilingualismus, bedeutet dies die komplementäre Nutzung aller dem Sprecher verfügbaren linguistischen Ressourcen. Dies betrifft nicht nur die in der Mehrheit der Bevölkerung nur unzureichend beherrschten Amtssprachen Englisch, Französisch oder Portugiesisch. Es betrifft vor allem Hunderte von lokalen Sprachen sowie die regionalen Verkehrssprachen, indigene und importierte. Hinzu kommen new urban vernaculars, wie sie etwa in Abidjan oder Nairobi als kreative Mischungen lokaler und importierter Sprachen von Jugendlichen als bevorzugtes Kommunikations- und Identifikationsmedium verwendet werden. Der Paradigmenwechsel reagiert auf sprachsoziologische Umbrüche, die einhergehen mit politischer Dezentralisierung und Globalisierungskritik, durch die lokale Handlungs- und indigene Kommunikationsstrategien an Bedeutung gewinnen. Orthographieentwicklung, Alphabetisierung, Publikations- und Sendetätigkeit in den lokalen Sprachen nimmt zu. Die Annahme, Hunderte von sog. „Stammessprachen“ würden bald zugunsten des Englischen oder Französischen „ausster- ben“, erfüllt sich nicht – im Gegenteil, deren Sprecherzahlen steigen aufgrund der demographischen Entwicklung an, wenn auch einzelne Sprachen akut von „Sprachtod“ betroffen sind. Immer mehr Menschen erkennen die Unverzichtbarkeit, neben dem Erlernen der jeweiligen Amtssprachen zugleich dem Erst- bzw. Muttersprachunterricht zumindest in der Grundschule allgemeine Verbreitung einzuräumen. Wie soziolinguistische Forschungen in Afrika beweisen, sind hohe Abbrecherquoten und Schulversagen, neben anderen Defiziten, auf die falsche Wahl von Unterrichtssprachen zurückzuführen. Ein Konzept von nachhaltiger Entwicklung setzt die Optimierung von kommunikativen Strategien voraus, über die lokales mit neuem Wissen verbunden werden kann. Unerlässlich ist die Nutzung kognitiver, intellektueller und kreativer Fähigkeiten des Einzelnen, die nur über eine ungestörte Erst- bzw. Muttersprachenentwicklung, durchaus bei gleichzeitiger oder sukzessiver Mehrsprachigkeit in den importierten Amtssprachen, erlangt werden kann. Die interdisziplinären Grundlagen liefern Ansätze aus der modernen Psycho- und Soziolinguistik, die in eine anwendungsbezogene Afrikanistik integriert werden. Um eine weitere Abkoppelung Afrikas vom Rest der Welt zu verhindern, verlangt globale Kommunikation auch den verstärkten Ausbau der Sprachtechnologie für afrikanische Sprachen. Man denkt hier, neben der Verwendung im Internet, zunächst an elektronische Auskunftssysteme in lokalen Sprachen, die ein Segen für Millionen von Analphabeten sind, die für long distance communication ohnehin Telefone benutzen! Die Leipziger Afrikanistik konnte sich speziell mit Partnern in Helsinki, Stellenbosch und Pretoria auf dem Gebiet der Human Language Technology einen Know-how-Vorsprung erarbeiten, dessen Wahrung im Lichte schwindender personeller Ressourcen eine Herausforderung darstellt. Es entsteht derzeit in Afrika eine Sprachindustrie, die sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie Arbeitsplätze schafft – auch für Absolventen einer entsprechend auf diese Anforderungen reagierenden Afrikanistik. Als Prüfungsgebiet ist Angewandte Afrikalinguistik bereits verankert worden. Auch bei der Einrichtung von konsekutiven Studiengängen an der Universität Leipzig wird es gut sein, sich dieser Ausbildungsdimension weiterhin, wenn nicht gar verstärkt, anzunehmen. journal UniCentral „Wir werben für das wissenschaftliche Buch“ Der Reiz der Buchmesseakademie – Organisator Matthias Middell im Interview Die Leipziger Buchmesse wirft ihren Schatten voraus. Vom 25. bis 28. März werden die Bücherfreunde wieder auf die Neue Messe strömen – viele von ihnen auch zur Buchmesseakademie, die seit 1999 im Rahmen der Messe stattfindet. Die Akademie-Organisation ist angesiedelt am Zentrum für Höhere Studien der Universität Leipzig. Dessen wissenschaftlicher Geschäftsführer Dr. Matthias Middell blickt im Interview mit dem UniJournal auf die Entwicklung der Buchmesseakademie zurück und verrät, was die Besucher in diesem Jahr erwartet. Herr Dr. Middell, was will die Buchmesseakademie generell leisten? Die Gründungsintention war, neben der Veranstaltung „Leipzig liest“ und neben der Antiquariatsmesse ein weiteres Forum zu etablieren, in dem für das wissenschaftliche Buch geworben wird. Werbung kann dabei auf zwei Wegen erfolgen: Einmal, indem man Themen in den Mittelpunkt rückt, die im Moment eine öffentliche Aufmerksamkeit finden – um dann auf Bücher zu verweisen, die zum Thema erschienen sind. Zum Zweiten kann man sich anhand einzelner Neuerscheinungen die Frage stellen, warum für ein Buch soviel investiert wurde und Forscher sich in Bewegung setzen, was also das Drängende ist, das zu diesem Buch geführt hat. Damit kann man dem Publikum zeigen: Dieses Thema verdient Aufmerksamkeit, auch wenn es gerade keine zentrale Rolle in den Talkshows spielt. Wie hat sich das Projekt Ihrer Ansicht nach seit der Premiere 1999 entwickelt? Die Buchmesseakademie war von Anfang an ein Erfolg. Die Zusammenarbeit mit der Messe klappt sehr gut. Die Messe hat sich engagiert, hat berühmte Autoren, Politiker oder Journalisten mit uns gemeinsam auf die Messe geholt. Zudem finanziert die Messe den Stand der Akademie mit. Heft 1/2004 Was uns die Sache auch gleich erleichtert hat: Die angesprochenen Wissenschaftler aus den einzelnen Fakultäten haben bislang stets mit großer Begeisterung mitgemacht. Sie haben sich auch überlegt, wie sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse vermit- teln können. Das muss ja anders als Hörsaal oder auf einer Konferenz geschehen. Auch die Verlage sind mit großer Unterstützung unseres Vorhabens dabei. Nach nunmehr fünf Jahren fragt man sich, warum nicht früher schon jemand auf die Idee gekommen ist. Dr. Matthias Middell Foto: Heckmann Gab es Akademie-Veranstaltungen, die aus den bisherigen hervorstechen, die man also nicht jedes Jahr hat? Ihre persönlichen Highlights? Wenn Sie nach der auch durch mediale Begleitung provozierten öffentlichen Aufmerksamkeit gehen, dann war es sicher die Veranstaltung mit Eric Hobsbawm über die Frage, wie man eine Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts schreibt. Auch die Diskussion mit Lothar de Maizière über seine Erinnerungen als letzter Regierungschef der DDR kam sehr gut an. Gleiches gilt für die Debatte mit Joschka Fischer und zahlreichen Botschaftern beziehungsweise Konsuln zur EU-Osterweiterung. Brisant war aber auch etwa im vergangenen Jahr das Forum mit Bielefelder Wissenschaftssoziologen zur Frage: Was passiert eigentlich, wenn Universitäten auf den Medienmarkt gehen und versuchen, sich am Geschäft mit wissenschaftlichen Sensationen zu beteiligen? Solche Veranstaltungen ziehen vielleicht kein so riesiges Publikum an, sind aber außerordentlich lehrreich – auch für die Buchmesseakademie selbst. Andere Auseinandersetzungen galten der Umsetzung politischer Themen in neue Studienschwerpunkte, etwa dazu, wie das neue Europa an verschiedenen Universitäten unterichtet wird. Die große Aufmerksamkeit in der Buchmesseakademie hatte schließlich auch Konsequenzen für einen neuen Studiengang an unserer Universität Das heißt: Je nachdem, welches Kriterium Sie anlegen, können Sie unterschiedliche Highlights sehen. In den ersten Jahren hatte die Buchmesseakademie immer einen thematischen Schwerpunkt, im letzten Jahr gab es diesen erstmals nicht mehr. Warum verzichten Sie darauf? Das hängt mit den Strategien zusammen, mit denen man wissenschaftliche Erkenntnisse und wissenschaftliche Bücher in die Öffentlichkeit bringen kann. Zuerst haben wir uns gedacht: Wir setzen ein Rahmenthema, laden dazu kompetente Leute ein, und wenn es dazu auch Bücher gibt, ist das schön. Aber der Ablauf der Akademie ist nicht gebunden an die Existenz einer Neuerscheinung. Der Unterschied dieser Art von Veranstaltung zu normalen universitären Präsentationen ist verhältnismäßig gering. Wir haben uns dann gedacht: Das, was bei „Leipzig liest“ den Erfolg ausmacht, ist die Konzentration auf Neuer17 UniCentral scheinungen. Die Besucher kommen der Bücher wegen und wollen ihre Autoren kennen lernen. Diesen Zugang wählen wir nun seit dem vergangenen Jahr auch. Da das Feuilleton sich vorwiegend um die Neuerscheinungen im Herbst vor der Frankfurter Buchmesse kümmert, haben wir hier auch eine Lücke im Frühjahr, wo wir auf wissenschaftliche Neuheiten aufmerksam machen können. Die Konzentration auf ein Buch fokussiert auch stärker als die Besprechung eines breiteren Themas. Das bedeutet für das Publikum in der einen Stunde, die die Veranstaltung vielleicht dauert, auch eine Entlastung gegenBuchpreis wird verliehen „H-Soz-u-Kult – Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften“ ist ein moderiertes Informations- und Kommunikationsnetzwerk für professionell tätige Historikerinnen und Historiker. Seit 1996 hat sich „HSoz-u-Kult“ zu einem zentralen Angebot der historischen Fachinformation im deutschsprachigen Raum entwickelt, das inzwischen von mehr als 9 000 Subskribenten an fast allen geschichtswissenschaftlichen Einrichtungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz genutzt wird. „H-Soz-u-Kult“ ist an der Humboldt Universität zu Berlin verankert. Eine zweite Redaktion an der Universität Leipzig befasst sich vorzugsweise mit der Geschichte Ost- und Westeuropas, Afrikas, Lateinamerikas und des Nahen Ostens. Für den Preis „Das historische Buch“, der Anfang 2002 erstmals vergeben wurde, stellt die „H-Soz-u-Kult“-Jury herausragende geschichtswissenschaftliche Publikationen des vergangenen Jahres zusammen. Sie werden nach Epochen und thematischen Schwerpunkten untergliedert und von Experten bewertet. Analog zu den Themen der Buchmesseakademie lauten die Schwerpunkte in diesem Jahr „Religion und Gesellschaft – Geschichte des Islam – Europa und das Christentum“ und „World history – internationale Geschichte – der historische Vergleich“. Die Preisverleihung findet am Samstag, 27. März, um 11 Uhr auf dem Messestand der Universität statt. Weitere Informationen im Internet: http:// hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ 18 über der Komplexität großer Podiumsdiskussionen. Welches sind Ihre Auswahlkriterien für die Bücher und Autoren, die in der Akademie eine Rolle spielen sollen? Im Prinzip versuchen wir, zwei Sensibilitäten zusammenzuführen. Das Projekt Buchmesseakademie ist nicht zufällig am Zentrum für Höhere Studien angesiedelt. Wir haben hier mit den fünf Teilzentren eigentlich das gesamte Fächerspektrum der Universität abgebildet und beobachten das ganze Jahr über, welche Themen in der wissenschaftlichen Kommunikation Aufregung erzeugen oder im Kommen sind. Dann schauen wir, ob es dazu interessante, präsentierbare Neuerscheinungen gibt. Das Zweite ist die Beobachtung der medialen Diskussion über Wissenschaft. Wo können wir erwarten, dass das Publikum schon vorinformiert ist? Gibt es dazu Bücher, die über das hinausführen, was im Feuilleton schon breitgetreten ist? Dann kann die Akademie wohl erst kurzfristig richtig geplant werden? Nun ja, die Bücher, die im Frühjahr 2004 erscheinen, wurden de facto spätestens ein Jahr zuvor begonnen. Und die wenigsten Autoren können wirklich den Mund bis zum Erscheinen ihres Buches halten. Da ist also auf Konferenzen und in Zeitschriften Einiges abzusehen, bevor man die Bücher in der Hand hält. Dazu braucht es schlicht eine Gruppe von aufgeweckten Leuten, die die Lage beobachten. Unsere Koordinatorin der Buchmesseakademie, Isabella Löhr, schaut quasi ständig, welche Themen sich abzeichnen und welchen Hinweisen man nachgehen muss. Zudem bekommen wir auch Angebote aus unserer Universität wie auch aus anderen Hochschulen. In diesem Jahr gibt es während der Buchmesseakademie etwas ganz Neues … Ja, wir verbinden die Akademie mit der Verleihung des Buchpreises des elektronischen Journals „H-Soz-u-Kult“. Das ist eine Internetzeitschrift für einen sehr weiten Bereich der historisch orientierten Humanwissenschaften mit mehr als 9 000 Abonnenten. Die Hauptredaktion sitzt an der Berliner Humboldt-Universität, in Leipzig befindet sich der Redaktionsteil, der sich mit ost-, westeuropäischen, afrikanischen und südamerikanischen Entwicklungen befasst. Für den Buchpreis werden Juroren aus allen Teilen der Geschichtswissenschaft befragt, und es ist für uns schon im Vorhinein interessant, die Nominierungslisten für den Preis auszuwerten (siehe dazu Infokasten, Red.). Was erwartet die Besucher der kommenden Buchmesseakademie sonst noch? Wir haben uns einige große Schwerpunkte vorgenommen. Wir greifen die gegenwärtig heftig diskutierte Rolle von Religion und religiösem Fundamentalismus in der internationalen politischen Ordnung auf. Das machen wir mit zwei Ausrichtungen: Es geht um das Verhältnis zwischen Islam und westlicher Kultur sowie um die Diskussion über die potenzielle EU-Mitgliedschaft der Türkei. Den entsprechenden historischen Hintergrund erörtern wir mit Blick auf Neuerscheinungen zum Thema Welt- und Globalgeschichte. Dann werden wir uns natürlich auch mit Innenpolitik beschäftigen. Es gibt seit 2003 an unserer Universität ein Zentrum für Prävention und Rehabilitation. Da liegt es nahe, die alle betreffende und alle aufregende Gesundheitsreform zu konfrontieren mit den Forschungsanliegen eines solchen Zentrums. Zugleich konfrontieren wir Mediziner mit einer Althistorikerin, die über den Hippokratischen Eid geschrieben hat und fragen, welche ethischen Vorstellungen von Möglichkeiten und Grenzen ärztlichen Handelns uns heute leiten sollten. Außerdem werden wir uns mit einer Thematik beschäftigen, die schon seit drei Jahren in der Buchmesseakademie virulent ist, nämlich die EU-Osterweiterung. Wie wird der absehbare Alltag dieser Erweiterung aussehen? Da geht es dann zum Beispiel um die Ausgestaltung gemeinsamer Erinnerung: Wie kann ein erweitertes Europa mit seinen regional verschiedenen historischen Erfahrungen umgehen? Erste empirische Arbeitsergebnisse dazu werden präsentiert und natürlich auch mit dem prominenten Thema der Rolle von Vertreibung konfrontiert. Kommen auch wieder junge Literaten zu Wort? Ja, seit dem vergangenen Jahr gehören die Nachwuchsautoren aus dem Deutschen Literaturinstitut, das der Universität ja angegliedert ist, als wirklich fester Bestandteil zur Buchmesseakademie. Deren experimentelle, frische Literatur hat im vergangenen Jahr enormen Zuspruch erfahren und soll auch in diesem Jahr wieder zu einer Anthologie führen. Das Interview führte Carsten Heckmann. journal UniCentral Im Programm der Buchmesseakademie Die Buchmesseakademie wird wie in jedem Jahr neben dem Stand der Universität in Halle 3 auf der Neuen Messe zu finden sein. Unter anderem werden dort folgende Bücher vorgestellt: Donnerstag, 25. März Matthias Middell, Charlotte Schubert, Pirmin Stekeler-Weithofer, Erinnerungsort Leipziger Universitätskirche. Eine Debatte, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2003. Florian Keisinger u. a., Wozu Geisteswissenschaften. Kontroverse Argumente für eine überfällige Debatte, Frankfurt am Main, New York: Campus 2003. Freitag, 26. März „Bedeutung und Funktion des Denkmals in postsozialistischen Erinnerungskulturen Osteuropas“ mit Wilfried Jilge, Stefan Troebst (beide GWZO), Juri Andruchowytsch (L’viv) und Oksana Plysjuk (Kiew) Jürgen Beyer, Vom Zukunfts- zum Auslaufmodell? Die deutsche Wirtschaftsordnung im Wandel, Opladen: Westdeutscher Verlag 2003. Samstag, 27. März Thomas Petermann, Christopher Coennen, Reinhard Grünwald, Aufrüstung im All. Technologische Optionen und politische Kontrolle, Edition Sigma 2003. Sonntag, 28. März Steffi Richter, Wolfgang Höpken, Vergangenheit im Gesellschaftskonflikt. Ein Historikerstreit in Japan, Köln, Weimar: Böhlau 2003. Lyrik und Prosa des Deutschen Literaturinstituts Leipzig Das detaillierte Programm wird Ende Februar auf Flyern und Plakaten veröffentlicht. Es ist zudem schon ab Mitte Februar einsehbar auf der Internetseite des Zentrums für Höhere Studien: www.uni-leipzig.de/zhs Das Programm der gesamten Buchmesse erscheint Ende Februar. Die Buchmesse ist im Internet zu finden unter: www.leipziger-buchmesse.de Heft 1/2004 Kurz vorgestellt Auch folgende Neuerscheinungen werden im Rahmen der Buchmesseakademie eine Rolle spielen: Dieter Bingen, Włodzimierz Borodziej, Stefan Troebst (Hrsg.), Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Geschichtspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden: Harrassowitz 2003. Die Gründung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ ist seit Ende der 1990er Jahre im Gespräch. Seit den Sommermonaten des Jahres 2003 wurde die Kontroverse um die „Zuständigkeit“ für das Thema und geeignete bzw. ungeeignete Orte mit ungeahnter Heftigkeit weitergeführt. Bereits Monate vorher hatte das Deutsche Polen-Institut im Frühjahr 2002 die Initiative ergriffen und gemeinsam mit dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), Leipzig, und dem Historischen Institut der Universität Warschau zu einem wissenschaftlichen Workshop nach Darmstadt eingeladen. Der vorliegende Band dokumentiert ungekürzt und in Originalfassung die Vorträge und Kurzreferate der Experten sowie die Diskussionen. Étienne Balibar, Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburg: Hamburger Edition 2003. Wie verhält sich unsere Europäisierung zur vielberedeten Globalisierung? Als Philosoph hat Balibar keine politischen Lösungen zu bieten – er geht den inneren Widersprüchen des Einigungsprozesses nach. Seine an Hegel, Marx und Althusser geschulten Reflexionen drehen sich zentral um die Frage der europäischen „Staatsbürgerschaft“ – ein begriff, der neu zu definieren ist. Anhand von politischen Zeitanalysen und historisch-kritischen Analysen unserer Begriffe (Nation, Staat, Volk …) erkundet Balibar die Bedingungen einer europäischen Einigung, die nicht „von oben“ dekretiert werden kann. Sylke Niessen (Hrsg.), Kriminalität und Sicherheitspolitik. Analysen aus London, Paris, Berlin und New York, Opladen: Leske + Budrich 2003. Für viele Städte ist Kriminalität zu einem zentralen Thema geworden und sie reagieren auf steigende Kriminalitätszahlen mit zunehmender Härte. Dies machen die hier dargelegten Analysen deutlich. Sie zeigen darüber hinaus, dass Lokalpolitiker mit kompromisslosem sicherheitspolitischem Vorgehen nicht nur die Verbrechensraten senken, sondern auch andere, weitergehende Ziele verfolgen können. Achtung: Kurzfristige Änderungen des Programms sind möglich. 19 UniCentral Dem Abwärtstrend trotzen Universitätsverlag leicht im Aufwind Auch auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse wird sich der Leipziger Universitätsverlag wieder in räumlicher Nähe des Universitätsstandes befinden. Die geistige Nähe ist ja ohnehin gegeben. Wie sollte es auch anders sein, versteht sich doch der Verlag – so sein Geschäftsführer Dr. Gerald Diesener – „als ein sächsischer Wissenschaftsverlag, der insbesondere universitäre Arbeitsergebnisse in großer Breite widerspiegelt und das intellektuelle Klima in der Region und im Freistaat durch seine Publikationen, nicht zuletzt die profilbestimmenden Reihen, mitgestaltet“. Der Verlagschef sieht dabei die Zusammenarbeit mit der Universität keineswegs schon „ausgereizt“, das gelte z. B. für die Buchmesseakademie oder die noch stärkere Einbindung von Texten aus der Forschung in neue Reihen, etwa „Leipziger Forschungen zu …“ oder „Leipziger Schriften zu …“. Und natürlich schaut Dr. Diesener auch mit einiger Erwartung auf das große Universitätsjubiläum im Jahr 2009, in dessen publizistische Vorbereitung der Universitätsverlag sich gern einbringen würde. Aber bereits jetzt verfügt der Verlag über attraktive Publikationsreihen, mit denen er sich im geistigen Leben nicht nur der Universität verankert hat. Zu nennen wären da Leipziger Juristische Studien, Leipziger Schriften zur Philosophie, Veröffentlichungen des Frankreich-Zentrums der Universität Leipzig, Mitteldeutsche Studien zu Ostasien, Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde (als Hausverlag des gleichnamigen Instituts in Dresden), Schriftenreihe zur Programmgeschichte des DDR-Fernsehens oder TRANSFER – Die Deutsch-Französische Kulturbibliothek. Diese Reihen sind der Stolz des Verlages.m 20 Die größte Öffentlichkeit im zurückliegenden Jahr erreichte aber ein Einzelband, die von Konrad Krause vorgelegte Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart unter dem Titel „Alma mater Lipsiensis“. Mag hier, fasst man den langen Zeitraum bis 2009 ins Auge, noch am ehesten so etwas wie ein Gewinn über den Verkauf möglich sein, so sind jedoch generell Verlage, die akademische Literatur verlegen, durch die niedrigen Auflagenzahlen auf eine Bezuschussung angewiesen. Die kann durch die Universität, einzelne Institute bis hin zum Doktoranden, dessen Dissertation publiziert werden soll, und vor allem durch Stiftungen, Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen erfolgen. Erfreulich, dass die Zahl der Stiftungen aus Privatvermögen in Deutschland zunimmt; gegenwärtig existieren über 1000 solcher Stiftungen. Dass es der vierköpfige Leipziger Universitätsverlag versteht, sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf dem Sponsorenparkett geschickt zu bewegen, mag man daraus ersehen, dass er entgegen dem allgemeinen Trend der Umsatzrückgänge bei akademischer Literatur Jahr für Jahr eine leichte Steigerung erzielen konnte. Von den zahlreichen Neugründungen von Universitätsverlagen in den Neuen Bundesländern hat sich einzig der 1992 als GmbH gegründete Leipziger Universitätsverlag kontinuierlich weiter entwickelt. In den letzten zehn Jahren hat er rund 600 Titel (einschließlich Zeitschriftenausgaben) herausgebracht. Dr. Dieseners Fazit: Unser Zeichnung: Oliver Weiss Streben ging immer nach einem eigenständigen Profil. Die Handlungsfähigkeit am Markt zu erhalten, gelinge nicht, wenn man nur in dem administrativen Gewebe von Universitätsstrukturen verbleibe. So reicht die Bandbreite von Sammelbänden, Festschriften bis zu Memoiren, Essaybänden (z. B. über Nietzsche) oder Regionalliteratur (z. B. Flutbilder von Grimma). Als zweiten Punkt nennt er das ständige Bemühen um hohe Qualität. Da wiederum komme die enge Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig mit ihrem starken wissenschaftlichen Potential zum Tragen: in Gestalt von Tagungsbänden, Monographien, Dissertationen, Habilitationen – Material und Qualitätsfilter zugleich durch die vorausgegangenen akademischen Prüfverfahren. Der Leipziger Universitätsverlag hat sich ein solides Fundament erarbeitet und klare Konturen gewonnen. So muss er seine Zukunft nicht in der vom Buchdruck bevorzugten Farbe sehen. Volker Schulte Der Verlag im Internet: www.univerlag-leipzig.de journal NOMEN Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur Herkunft des Namens „Diesener“ In der Schreibung Diesener ist der Name 77mal in Deutschland belegt (TelephonCD von 1998). Sehr viel häufiger ist die Form Diesner bezeugt (419 Einträge), auch Diessner/Dießner (826) ist zu berücksichtigen. Schreibvarianten dieser Art sind bei vielen Familiennamen zu beobachten. Die Streuung der Diesener- und DiesnerNamen lässt mehrere Schwerpunkte erkennen: Sachsen, das Ruhrgebiet, RheinMain-Gebiet sowie Bayern. Die Erklärung bietet der Name selbst: Es liegt ein sogenannter Herkunftsname vor. So wie Hamburger, Merseburger, Hildesheimer, Meißner/Meissner aus den entsprechenden Orten kommen, stammte ein Dies(e)ner ursprünglich aus einem bestimmten Ort. In Betracht kommen vor allem: 1. Dießen bei Horb am Neckar; 2. Dießen am Ammersee; 3. Dissen bei Melsungen; 4. Dissen am Teutoburger Wald; 5. Dissen bei Cottbus.m Da Gerald Dieseners Familie jedoch aus der Umgebung von Magdeburg und Haldensleben stammt, kommt kaum einer der genannten Ortsnamen in Frage. Viel näher liegen zwei Dörfer mit dem Namen Thießen bei Roßlau bzw. Wittenberg. Vor allem der erstere ist „verdächtig“, die älteren Belege lauten: 1307 tu Disene, 1355 Dissen, 1391 Dysene (I. Bily, Ortsnamenbuch des Mittelelbegebietes, Berlin 1996, S. 368). Erst spät wird das anlautende D- durch Thersetzt (1867 Thiessen). Der Ortsname wird als Ableitung von einem slavischen Personennamen aufgefasst, dessen Grundlage altsorbisch dyš-n- (zu dych „Atem, Hauch“) gewesen sein dürfte. Allerletzte Klarheit gewinnt man allerdings erst dann, wenn die Familiengeschichte der Dieseners weiter zurückverfolgt wird und eine nähere Beziehung zu einer der in Frage kommenden sieben Orte hergestellt werden kann. Dr. Gerald Diesener Heft 1/2004 Foto: Heckmann Die Jugend und das Buch Buchwissenschaftler an Projekt zum Medienkonsum beteiligt Im Jahre 2000 suchte die Stiftung Ravensburger Verlag, repräsentiert durch ihre Vorsitzende Dorothee Hess-Maier, Partner für Projekte rund um die Thematik „Jugend und Medien“, die in der Satzung der neuen Stiftung angemahnt war. Der Ravensburger Verlag ist Marktführer bei Büchern und Spielen für eine kindlich-jugendliche Klientel. Das erklärt die Thematik, die Forschung ist selbstverständlich völlig unabhängig von den Interessen des Verlages. Prof. Dr. Dietrich Kerlen, an der Universität Leipzig zuständig für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft und seinerzeit Geschäftsführender Direktor des hiesigen Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft, kam mit der Stiftung ins Gespräch. Er konnte sie überzeugen, dass die Buchwissenschaft als Medienwissenschaft für dieses Projekt deshalb besonders geeignet ist, weil einmal das Buch immer noch Leitmedium für die Heranwachsenden sein soll, zum anderen die kulturhistorische Perspektive dann besonders profiliert wird, wenn man das Buch in den Kanon der Medien hinein nimmt (wie im Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig für Deutschland einmalig realisiert). Dann nämlich wird auch der „garstige Graben“ zwischen „guter Buchkultur“ und „schlechtem Medienkonsum“ zugeschüttet und eine integrative Sicht auf den jugendlichen Mediengebrauch möglich. Drei Zugänge sind in dem Forschungsprojekt verwirklicht: Die empirische Forschung, die in den Händen der beiden Ludwigsburger Wissenschaftler Prof. Dr. Matthias Rath (Philosophie, Medienethik) und Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehnke (Literaturwissenschaft sowie Literaturund Mediendidaktik) liegt, die Medienethik, für die Matthias Rath zuständig ist, und schließlich die Kulturgeschichte, die Dietrich Kerlen zum Forschungsfeld hat. Eine Studie zum jugendlichem Mediengebrauch in Deutschland (und zwar in beiden deutschen Staaten) seit 1945 hat Professor Kerlen fertig gestellt – und zwar zweispurig: einmal der Mediengebrauch selbst, zum anderen seine Beurteilung durch die Erwachsenen in den jeweiligen Epochen. Es hat sich gezeigt, dass diese Studie über die Nachkriegszeit ein Torso bleibt, wenn nicht die drei Phasen davor, seit der Reicheinigung, also Kaiserreich, Weimarer Zeit und „Drittes Reich“ hinzugenommen werden. Denn bereits um 1900 waren Beurteilungsmuster aus dem Bildungsbürgertum („Schund- und Schmutzdebatte“) und der Jugendbewegung („natürliches Leben gegen mediale Scheinwelt“) entstanden, die bis in die 1980er Jahre hin wirksam blieben. Erst mit der Freigabe des Rundfunks für private Anbieter 1982/84 hat sich die Medienwelt derart ausgebreitet, dass Weltwissen bei Heranwachsenden zu erheblichen Teilen medienvermittelt ist. Die gesamte Studie über den Zeitraum seit 1871 wird im Laufe des Jahres 2004 abgeschlossen und als Buch erscheinen. Die Stiftung Ravensburger Verlag begleitet die Jugend-Medien-Studien im Sinne des Aufmerksamkeitsmarketings. Eine Präsentation auf der Leipziger Buchmesse im März 2003 hatte über zweihundert Medienresonanzen deutschlandweit, eine weitere Präsentation der Projekte und ein Workshop von Prof. Dr. Marci-Boehnke für Lehrer sind für die diesjährige Messe geplant. Im November 2004 findet in Ravensburg eine Tagung zum Thema „Jugend – Werte – Medien“ statt, für welche die drei Verantwortlichen Experten zu Vorträgen und zu einem öffentlichen Abend-Podium einladen. r. Oben rechts: Das Logo der Leipziger Buchwissenschaftler. 21 UniCentral Die Jagd nach frühen Drucken Zur Erwerbspolitik der Universitätsbibliothek Von Katharina Märker 22 Bereits mit ihrer Gründung 1543 erhielt die Universitätsbibliothek Leipzig große Bestände aus säkularisierten Klöstern Leipzigs. So gelangten wertvolle Handschriften und frühe Drucke in den Besitz der Bibliothek. Seit dem 16. Jahrhundert haben sich die Bestände enorm vergrößert – von 5 000 auf inzwischen fünf Millionen Bände. Auch eine große Zahl an bedeutenden Handschriften und frühen Drucken ist in den letzten 460 Jahren hinzugekommen. Doch wie gelangen derartige Raritäten in die Leipziger Universitätsbibliothek? Dr. Ekkehard Henschke, der Direktor der Bibliothek, verweist auf die enormen Kosten, die der Ankauf von wertvollen Schriften aus vergangenen Jahrhunderten mit sich bringt. Dennoch wird die Sammlung von Leipziger Drucken des 16. Jahrhunderts ständig erweitert. Zudem bilden Autographe, z. B. Briefe von Gelehrten wie Gellert und Gottsched, einen Schwerpunkt der Sammlung. „Die Leipziger Universitätsbibliothek bezieht sich vor allem auf Werke, die im Zusammenhang mit der Universität, Leipzig, Sachsen und Mitteldeutschland stehen“, so Ekkehard Henschke. Die Werke gelangen durch Ankauf, Ersteigerungen oder Schenkungen in den Besitz der Bibliothek. Das nötige Geld stammt teils aus eigenen Mitteln, teils von außerhalb, zum Beispiel von der Vereinigung der Förderer und Freunde der Universität. Der Leiter der Abteilung für Buchbearbeitung, Peter König, berichtet von der Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken und Antiquariaten: „Antiquare informieren uns über wertvolle Neuerwerbungen und reservieren diese für uns.“ Ekkehard Henschke fügt hinzu: „Bei Versteigerungen werden zudem Absprachen zwischen Bibliotheken getroffen, damit der Preis nicht gegenseitig hochgesteigert wird.“ Leider gehen jedoch viele bedeutende Werke ins Ausland. Oft erreichen gerade Schenkungen die Bibliothek auf seltsamen Wegen. „Witwen wenden sich mit dem Nachlass ihrer verstorbenen Ehemänner an die Universitätsbibliothek, da sie eine besondere Verbundenheit zu Leipzig verspüren“, erzählt Peter König. Häufig spielen Verbindungen eine große Rolle. So kamen über persönliche Kontakte Verhandlungen mit einer Prinzessin zustande. Doch auch Institutionen wie der British Council in Leipzig oder die Bibliothek der US-Armee in Neu-Ulm schenkten der Universitätsbibliothek bei ihrer Auflösung ihre Bestände. Zu Ehren des ursprünglichen Eigentümers wird ein Exlibris, ein Nachweis des Erblassers, in jedes Buch eingeklebt. Beim Erwerb von Nachlässen und Sammlungen von Privatpersonen erlebten Ekkehard Henschke und Peter König so manche ungewöhnliche Begebenheiten. So kaufte die Universitätsbibliothek 1993 unter strenger Geheimhaltung die weltberühmte Gelehrtenbibliothek des Mittelalterhistorikers Bernhard Bischoff. Noch bevor die Erben mit dem Nachlass auf den Markt gingen, schlug die Bibliothek zu. Ekkehard Henschke betont: „Dieser Nachlass ist keine reine Arbeitsbibliothek mit zeitgenössischen Werken wie die meisten Gelehrtenbibliotheken, sondern sie enthält auch viele kostbare Stücke aus früherer Zeit.“ Die Universitätsbibliothek erwarb 15 000 Bände, darunter Inkunabeln (frühe Drucke), Handschriften und wertvolle Drucke des 16. bis 18. Jahrhunderts. Durch gute Informationen und schnelles Handeln sicherte sich die Universitätsbibliothek eine bedeutende Gelehrtenbibliothek. Ein weiterer interessanter Fall spielte sich 1997 in Amman, der Hauptstadt von Jordanien, ab. Ein Import-Export-Kaufmann bot der Bibliothek 51 seltene Stücke aus dem arabischen und persischen Raum an: ein orientalischer Druck und 50 orientalische Handschriften. Es handelte sich v. a. um Koranhandschriften und astronomische, grammatikalische, literarische und Rechtshandschriften. Auf einer privaten Reise in den Nahen Osten besuchte Ekkehard Henschke den Kaufmann: „In Begleitung eines Professors für Orientalistik von der dortigen Universität, der Deutsch sprach, traf ich den Kaufmann in dessen Privatwohnung. Der Professor begutachtete die Sachen. Alsbald wurde der Kauf mit Handschlag besiegelt, worauf ein köstliches Mittagessen folgte.“ Die mündliche Absprache wurde eingehalten. Der Kaufmann brachte die Werke durch den Zoll, sie trafen unversehrt in Leipzig ein, woraufhin die Universitätsbibliothek in Dollar bezahlte – wie vereinbart. Durch dieses Abenteuer konnte die Universitätsbibliothek ihre orientalischen Handschriften mit wertvollen Stücken, zum Teil prächtig ausgestattet, ergänzen. Werke aus der Sammlung Bernhard Bischoff und anderen Bibliotheken, die die Universitätsbibliothek seit 1994 erwerben konnte, werden Ende dieses Jahres der Öffentlichkeit in einer Ausstellung vorgestellt. journal Sinologischer Bücherschatz gehoben Bibliographie seltener China-Literatur in Uni-Bibliothek erschienen Von Dr. Thomas Jansen, Religionswissenschaftliches Institut Mit der Berufung von Hans Georg Conon von der Gabelentz (1840–1893) zum außerplanmäßigen Professor für ostasiatische Sprachen im Jahre 1878 erhielt die Universität Leipzig die erste sinologische Professur im deutschen Sprachraum. Aus dieser Tradition der akademischen Beschäftigung mit China resultiert ein beachtlicher Altbestand an China-Literatur in der Universitätsbibliothek Leipzig. Neben zahlreichen Titeln aus dem 19. Jahrhundert enthält die Sammlung seltene Bände aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, die zum Teil gar nicht oder nur in wenigen deutschen Bibliotheken nachweisbar sind. Das Ziel eines am Ostasiatischen Institut mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Projektes bestand darin, diesen Bücherschatz erstmals vollständig bibliographisch zu erfassen, thematisch zu ordnen und allgemein zugänglich zu machen. Das Ergebnis dieses Projektes – 1 690 chinesische und japanische sowie 2 495 westlichsprachige Werke zu China aus der Zeit bis 1939 – liegt jetzt in einer zweibändigen Bibliographie vor.m Zuallererst stellt die Bibliographie ein wissenschaftliches Hilfsmittel dar, welches den Zugang zu den an verschiedenen Orten aufbewahrten China-relevanten Buchbeständen erleichtern soll. Beispielsweise ist die bislang notwendige, äußerst zeitraubende Benutzung der handschriftlich geführten Bandkataloge in der Bibliotheca Albertina, welche die westlichsprachige Literatur zu China über mehr als 50 Bände verstreut verzeichnet, durch die Bibliographie überflüssig geworden. Eine andere Frage, welche die Arbeiten jedoch stets begleitet hat, lautet: Welcher Heft 1/2004 wissenschaftliche Wert kommt der Katalogisierung der sinologischen Bestände neben ihrem praktischen Nutzen heute zu? Ist die Erfassung von „Altbeständen“ hauptsächlich durch antiquarische Interessen motiviert, dient sie mit anderen Worten primär der sinologischen Traditionspflege an der Universität Leipzig? Oder können die so erschlossenen Bücher auch zur gegenwärtigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit China beitragen? Notwendig dafür ist freilich die fortgesetzte Aneignung der Texte unter neuen Fragestellungen, eine erneute Kontextualisierung, die bei Büchern zugleich eine Form der Aktualisierung darstellt: „Gelesene und insofern benutzte und genutzte Büchersammlungen und Bibliotheken unterscheiden sich dadurch von den Mausoleen der Kulturen, dass es sich hier um Schätze und Schatzhäuser handelt“, hat Helwig SchmidtGlintzer einmal konstatiert. Der alte Begriff des Schatzhauses, der im Zeichen ku auch in chinesischen Bezeichnungen für Büchersammlungen anklingt – shuku („Magazin“), wenku („Buchreihe“, wörtlich: „Schatzhaus der Literatur“) – ist bewusst gewählt: „Schätze sind solche Gegenstände, die einer dauerhaften Verdinglichung als Folge eines Lebensentzugs entgehen“, so Schmidt-Glintzer. In diesem Sinne ist die Rede vom sinologischen Schatz im Titel als Aufforderung zu verstehen, sich diesen erstmals in Gänze zugänglichen Bestand an China-Literatur Literatur anzueignen. Bei einigen Titeln dürfte dies nicht schwer fallen, da sie trotz ihres Alters kaum etwas ihres ursprünglichen wissenschaftlichen Wertes eingebüßt haben. In erster Linie trifft dies Ein Buch aus dem Altbestand an ChinaLiteratur (u.) und die neu erschienene Bibliographie (l.). Foto: Armin Kühne natürlich auf Übersetzungen zu, wie die immer noch häufig konsultierten Arbeiten von Richard Wilhelm oder James Legge, aber auch auf Augenzeugenberichte oder Quellensammlungen. Andere Werke wird man dagegen primär unter rezeptionsgeschichtlichen und wissenschaftshistorischen Fragestellungen lesen müssen. Gerade in dieser Hinsicht stellt der Leipziger Bestand jedoch eine Fundgrube dar. Zahlreiche der in Leipzig vorhandenen Werke prägten nicht nur die europäische Chinarezeption im 17. und 18. Jahrhundert, sondern sie wirken über die sich im 19. Jahrhundert etablierende akademische Sinologie teilweise bis in die Gegenwart hinein fort. Zu nennen sind hier vor allem Reiseberichte oder enzyklopädische Werke wie zum Beispiel Jean Baptiste du Haldes (1674–1743) Description géographiques, historiques, chronologiques, politique et physique de l’Empire des la Chine et de la Tartarie chinoise (1735) oder das von Philippe Couplet (1622–1693) zusammengestellte Werk Confucius sinarum philosophus sive scientia sinensis Latine exposita (1687), das die erste Übersetzung des kanonischen konfuzianischen Textes Lunyu (Gespräche des Konfuzius) in eine europäische Sprache enthält. „Im Schatzhaus“, so der Kunstwissenschaftler Hans Belting, „kehrten die gehorteten Schätze in die Benutzung zurück, wenn das Fest anbrach, an dem sie ihren Auftritt bekamen.“ Der alten China-Literatur in der Universitätsbibliothek Leipzig diesen Auftritt zu verschaffen, ist das Ziel der jetzt erschienenen Bibliographie. Thomas Jansen (unter Mitarbeit von Gabriele Schlesinger, Richard Teschke und Katharina Zinn). China-Literatur in der Universitätsbibliothek Leipzig: 1500–1939. Eine systematische Bibliographie. Bd. 1: Werke in westlichen Sprachen; Bd.2: Sinica. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2003. 23 Studiosi Am Anfang war die Demo … Am 13. Dezember 2003 hatten in Leipzig rund 15000 Studenten bei einer von bundesweit drei Demonstrationen ihren Unmut über die Bildungspolitik zum Ausdruck gebracht. Foto: Carsten Heckmann Der „konstruktive Streik“ Mancher Politiker hatte bestimmt insgeheim gehofft, dass die Studentenproteste des Dezembers die Weihnachtsferien nicht überleben würden. Aber es kam anders. An der Universität Leipzig begann am 7. Januar ein von der Vollversammlung der Studenten beschlossener „konstruktiver Streik“, der eine Woche später verlängert wurde und bei Redaktionsschluss dieser Journal-Ausgabe andauerte. Seminare und Vorlesungen fanden weiterhin statt, wurden aber begleitet von kreativen, wenn auch nicht immer unumstrittenen Protestformen. So trugen die Studenten die „Bildung zu Grabe“, veranstalteten einen „Kürzungsparcours“ und „Flötenkonzerte mit Streichern“, verteilten „Studienplätzchen“ an Leipziger Bürger und drehten einen Softporno-Film zum Thema „Bildung ist nicht die Hure der Wirtschaft“. Einige reguläre Uni-Veranstaltungen fanden bei nasskalter Witterung im Freien statt, manche auch in der Osthalle des Hauptbahnhofs. Das Rektorat der Universität wurde „besetzt“. Die Studenten erhielten vom Kanzler Peter Gutjahr-Löser das Hausrecht und ihnen wurde ein provisorisches Büro eingerichtet. Im Gegenzug beschränkten sie ihre „Besetzung“ auf normale Bürozeiten. Auch inhaltlich stellte sich die Universitätsleitung hinter die Studenten (siehe dazu auch das Editorial des Rektors). Vor allem das studentische Anliegen, die Diskussion über Bildung in Deutschland auf breiter Basis zu führen und in einem Leipziger Bildungskonvent zu institutionalisieren, fand Zustimmung. Die Studenten protestierten außerdem gegen die Verfassungs- klage des Freistaates Sachsen, die sich gegen die Verankerung eines Gebührenverbots für das Erststudium im Hochschulrahmengesetz wendet. Zudem solle die Landesregierung ihre Pläne korrigieren, den Studentenwerken Mittel in Millionenhöhe zu streichen. Weitere Anliegen formulierten die Studenten in einem Forderungskatalog, der im Internet nachzulesen ist. C. H. Aktuelle Informationen zu den Protesten (inkl. des Forderungskatalogs) stehen auf der Internetseite des StudentInnenRates: www.stura.uni-leipzig.de Das Streikkomitee verfügt über eine eigene Internet-Präsenz: www.leipzig04.de.vu … dann kam der „konstruktive Streik“. Das Rektorat galt für anderthalb Wochen als „besetzt“ (linkes Bild). Foto: Carsten Heckmann Der Protest fand Unterstützer aus allen Fachbereichen. Foto: Armin Kühne 24 journal Studiosi Eine neue Eingangstür im Internet Projekt „Haus der Fünf Kontinente“ für ausländische Studierende gestartet Ausländische Studierende können seit neuestem schon ein Leipziger Haus betreten, obwohl sie noch gar nicht in Leipzig angekommen sind. Das „Haus der Fünf Kontinente“ (HFK) nämlich. Gemeint ist in diesem Fall natürlich nicht das frisch sanierte Wohnheim in der Nürnberger Straße, obwohl auch das unter diesem Namen Bekanntheitsgrad erlangen soll. Nein, es handelt sich um ein virtuelles Haus, die Eingangstür ist eine Internetadresse: www.uni-leipzig.de/~hfk. Die Dame des Hauses heißt Ludmilla Anjuschina. Die 30-Jährige war lange Jahre Sprecherin des Referats Ausländischer Studierender und wird in Kürze ihr Studium (Deutsch als Fremdsprache und Ostslavistik) abschließen. Doch vor einem guten Jahr brachte eine Anfrage aus dem Akademischen Auslandsamt (AAA) die Weißrussin dazu, noch mal stark an den Anfang ihres Studiums im April 1998 zurückzudenken … „Ich stand am Bahnhof und wusste erst mal gar nicht, wohin. Ich fühlte mich alleine, hatte viele Fragen im Kopf. Dann war auch alles viel zu viel und viel zu schwer. Diesen psychischen Stress wünsche ich keinem.“ Das war im Prinzip schon der Schlüssel zum „Haus der Fünf Kontinente“. Denn die AAA-Anfrage bezog sich auf eine Ausschreibung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Es ging um neue, interessante Projekte für ausländische Studierende. Und ein solches ist das HFK. „Es handelt sich um eine Dienstleistung, die die Studierenden über das Internet bekommen“, so Ludmilla Anjuschina. Heft 1/2004 In erster Linie ist es ein Informationsportal, und zwar für die jungen Ausländer, die sich für ein Studium in Leipzig interessieren, und für die, die gerade frisch in Leipzig angekommen sind. In beiden Phasen treten besondere Probleme auf, Fragen der Studienmöglichkeiten, der Bewerbung, der Immatrikulation. Brauche ich ein Visum? Was heißt das eigentlich, dass Dokumente beglaubigt sein müssen? „Auf unserer Seite sollen die Interessenten die nötigen Informationen für jeden einzelnen Schritt bekommen, und zwar nicht im BeamtenDeutsch. Daher haben wir diese Informationen in einfachen Texten aufbereitet und bieten sie auf deutsch und englisch an“, erläutert Ludmilla Anjuschina. Schon im Vorfeld könnten die Ausländer, die in Leipzig studieren möchten, mit Hilfe der HFKSeite viele Fehler vermeiden. Das Informationsportal steht bereits. Hinzu kommen sollen demnächst Suchund FAQ-Funktionen und vielleicht sogar die Vermittlung von E-Mail-Tandems, bei denen sich dann zum Beispiel ein Studieninteressent aus Polen mit einem bereits Studierenden aus Polen per E-Mail austauschen kann. Noch in diesem Jahr wird es auch eine interaktive Wohnungsbörse (mit vorwiegend privaten Anbietern) geben, die vor allem das leidige Problem beseitigen soll, dass viele Neuankömmlinge erst mal ohne jegliches Dach über dem Kopf dastehen. 2005 soll das Projekt innerhalb des Universitätsverbundes Leipzig-Halle-Jena vorgestellt und auch darüber hinaus beworben werden – denn die Plattform ist als sogenanntes „Template“ zu verstehen, das Der Screenshot zeigt eine der neuen HFK-Seiten im Internet. heißt, sie kann potenziell auch von anderen Universitäten zu gleichen Zwecken genutzt und auf eigene Bedürfnisse hin angepasst werden. Vorerst muss das Ganze aber natürlich überhaupt erst mal bekannt werden – vor allem bei der Zielgruppe. Ein Link auf der Internetseite des Akademischen Auslandsamtes wird dabei helfen, Flyer sind gedruckt, und die gute alte Mundpropaganda soll ein Übriges tun. Da der DAAD das Konzept im Frühjahr dieses Jahres für förderungswürdig befand, steuert er Geld für studentische Hilfskräfte bei, 2003 waren es rund 5 000 Euro, in diesem und im nächsten Jahr werden es jeweils rund 10 000 Euro sein. Zum Team gehören nun neben Ludmilla Anjuschina auch Kinga Eröss (Rumänien), Tam Quach (Vietnam), Alselda Zeqiri (Albanien), Sergey Kireyev (Weißrussland) und Axel Ngonga (Kamerun). Mit im Boot sind zudem das Akademische Auslandsamt der Universität und das Studentenwerk Leipzig. Sie sorgten für eine technische Grundausstattung und einen Büroraum – passenderweise im Untergeschoss des Wohnheims in der Nürnberger Straße. Carsten Heckmann Projekt „Haus der Fünf Kontinente“ Nürnberger Str. 46 04103 Leipzig Internet: www.uni-leipzig.de/~hfk E-Mail: [email protected] 25 Studiosi Wie du mir, so ich dir Befragung von Studenten zum Gefangenendilemma Von Manuela Vieth, Institut für Soziologie In einer Vielzahl von Situationen führen Handlungen, die für den Einzelnen am vorteilhaftesten sind, ein Ergebnis herbei, das von allen Beteiligten unerwünscht ist. Ein Beispiel ist eine Projektgruppe, in der die einzelnen Beiträge den Mitgliedern nicht mehr zugeordnet werden können. Vom Gesamtergebnis profitieren dann alle Beteiligten in gleicher Weise, unabhängig von ihrer geleisteten Arbeit. Da die Beiträge mit Aufwand verbunden sind, besitzt jede Person den Anreiz, möglichst wenig beizusteuern. Dies führt dazu, dass sich niemand in besonderem Maße für das Projekt einsetzt und das Ziel möglicherweise nicht erreicht wird. So sagt es zumindest die Theorie für solche Situationen eines nicht wiederholten Gefangenendilemmas – in der Praxis sieht es jedoch anders aus. Welche Mechanismen sind also dafür verantwortlich, dass trotzdem Beiträge geleistet werden? Manuela Vieth hat an den Universitäten Leipzig und Bern (Schweiz) Soziologie im Hauptfach studiert. Die von ihr beschriebene Studie entstand im Rahmen ihrer Magisterarbeit, mit der sie im September 2003 ihr Studium abgeschlossen hat (http://www.uni-leipzig.de/~vieth). Zurzeit arbeitet sie am Institut für Soziologie bei Prof. Dr. Thomas Voss. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt sie sich besonders mit der spieltheoretischen Erklärung sozialer Normen. 26 Angenommen, allen Betroffenen sind die Tücken dieser sozialen Fallgrube bewusst und sie finden, dass es besser wäre, wenn sich alle beteiligten. Selbst wenn der Wunsch nach einem kooperativen Ergebnis von allen geteilt wird, kann das Dilemma jedoch nicht überwunden werden. Denn jeder Einzelne besitzt den Anreiz, sich durch die Verweigerung einen Vorteil zu verschaffen. Dies gilt gerade auch dann, wenn alle anderen tatsächlich kooperierten. Allein die Nachfrage nach Normen oder ihre funktionale Nützlichkeit für die Gesellschaft besagt also noch nicht, dass diese auch durchgesetzt werden. Es stimmt, informelle soziale Normen können helfen, solche sozialen Dilemmata aufzulösen, weil sie die Anreizstruktur verändern. Aber damit Regeln und Vereinbarungen normative Verbindlichkeit erhalten, müssen den Personen, die von der Norm abweichen, wirksame Strafen drohen. Wirksam sind diese jedoch nur dann, wenn ein Normbrecher genügend hohe Verluste zu erwarten hat, so dass es sich nicht mehr lohnt, von der Norm abzuweichen. Dies betrifft nicht nur die absolute Höhe seiner Einbußen, sondern erfordert auch, dass die Sanktionen glaubwürdig sind, d. h. mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich verhängt werden. Das Problem dabei ist, dass die Vergeltung für den Sanktionierenden nichts kosten darf. Dies zeigt Voss am Normspiel, einem Gefangenendilemma mit Sanktionsebene. Wie kommt es jedoch, dass Menschen zum Teil erhebliche Verluste in Kauf nehmen, um abweichendes Verhalten von Interaktionspartnern zu bestrafen? Beispielsweise sorgt die Züricher Forschergruppe um Ernst Fehr mit spieltheoretischen Experimenten zum Bestrafungsverhalten vermehrt für Aufmerksamkeit (auch in Nature 415 (1): 137–140 (2002)). Ihre bisherigen Ergebnisse zum Freifahrerspiel (eine Art verallgemeinertes Gefangenendilemma) zusammengefasst: Sofern Sanktionen möglich sind, selbst mit monetären Einbußen für den Strafenden, entwickelt sich ein relativ hohes Kooperationsniveau. Es existiert also eine soziale Norm. Dies zeigt sich sowohl in festen Gruppen mit den gleichen Partnern für zehn Runden als auch, besonders überraschend, in solchen mit wechselnden Partnern. Theoretische Arbeiten haben daraufhin das Prinzip der Reziprozität wiederentdeckt. „Vergelte Gutes mit Gutem und Schlechtes mit Schlechtem“, lautet die grundlegende und bestechend einfache Regel. Beschrie- ben wurde sie bereits von Hume, von Kulturanthropologen (Malinowski, Mauss) hinsichtlich des Gabentauschs in einfachen Gesellschaften oder als legendäre Tit-forTat-Strategie in den wiederholten Spielen des Computerturniers von Axelrod (1984). Reziprozität kann etwa durch Fairness motiviert sein. Dann sanktionieren Menschen, die reziprok handeln, eine Verweigerung ihres Partners bis zu einem Grad auch dann, wenn es sie etwas kostet. Diese Sanktionsdrohung setzt einen wirksamen Anreiz, eine Norm der Kooperation zu befolgen. Allerdings ist das noch nicht alles. Menschen bilden ja auch Erwartungen über das Handeln ihrer Interaktionspartner. Daher würden sie auch ohne Sanktionsmöglichkeit einen Beitrag leisten, wenn sie mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass ihr Partner ebenfalls kooperiert. In der Tat zeigt sich in Experimenten mit einmaligen Kollektivgutspielen und ohne Bestrafungsoption eine recht hohe Beitragsrate. Aber hängt das mit Reziprozität oder mit Altruismus zusammen? Altruistisch motivierte Personen kooperierten auf jeden Fall, selbst wenn sie eine Verweigerung von ihrem Partner erwarten. Auch stellt sich die Frage, in welchen Situationen und von welchen Elementen in diesen Situationen das handlungsleitende Prinzip der Reziprozität beeinflusst wird und wie sehr seine Auswirkungen dann von der jeweiligen Situation abhängen. Im Alltag gibt es viele kleine Fallgruben Der Beantwortung dieser Fragen hat sich eine Studie am Institut für Soziologie der Universität Leipzig gewidmet. Sie ist Teil eines DFG-Forschungsprojektes und Gegenstand einer Magisterarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Voss. Abweichend von den üblichen Laborexperimenten handelt es sich hier um einen faktoriellen Online-Survey, programmiert mit Unterstützung von Marco Vieth. Ein faktorieller Survey ist eine Art komplexer und zufälliger Fragebogen-Split. In kurzen Situationsbeschreibungen werden bestimmte Konstellationen von Merkmalen zufällig variiert. Auf diese Weise wird untersucht, wie sich Kontexteffekte auf die Handlungsentscheidungen der Befragten auswirken. Der Hauptteil des Fragebogen besteht hier aus neun Beschreibungen eines Gefangenendilemmas für zwei Personen. journal Studiosi Dies sind entweder abstrakte Gewinnspiele, in denen farbige Karten einen bestimmten Punktwert besitzen, oder reale Alltagssituationen. In den realen Situationen geht es darum, zeitgleich ein Gut zu tauschen (bilateraler Austausch beim Wohnungsumzug oder als Konzertkartentausch, siehe Beispiel im Info-Kasten), eine Verringerung des Leistungseinsatzes zu vereinbaren (Output-Beschränkung zum Vorstellungsgespräch), gemeinsam eine knappe Ressource zu nutzen (Ressourcen-Nutzung beim Wanderausflug) oder einen Beitrag zu einem gemeinsamen Gut zu leisten (Kollektivgut-Produktion bei Übungsaufgaben). In jeder Situation werden die Teilnehmer nach der eigenen Beitragsentscheidung gefragt und danach, wie sehr sie erwarten, dass ihr Partner einen Beitrag leisten wird (nicht sollte!). Sind in der Situationsvariante Sanktionen möglich, folgt eine zweite Seite, auf der ebenfalls Erwartung und Entscheidung zur Sanktion erhoben werden. Die Beitragsentscheidung des Partners wird vom Computer simuliert und auf Kooperation gesetzt, wenn der Befragte den Beitrag verweigert hat, sonst umgekehrt. Abweichend vom Normspiel, dürfen nur die Personen sanktionieren, die kooperiert haben. Je nach Beitragsentscheidung befindet sich der Befragte also in einer aktiven (Entscheidung) oder passiven (Erwartung) Sanktionssituation. Um dennoch beides, Erwartung und Entscheidung, zu ermitteln, wird zusätzlich der umgekehrte Beitragsfall in Konjunktiv-Form formuliert. Die Methode des faktoriellen Surveys ist erstmalig als Online-Befragung umgesetzt worden. Dies unterstützt die Zufallsprozesse und ermöglicht, spieltheoretische Konzepte einzubinden, in denen Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden und mehrere Spielebenen relevant sind. Mit Hilfe von Thomas Braatz, Claudia Löbin und Klaus Kunze vom Universitätsrechenzentrum waren im Juli 2003 alle damals 28 433 Studierenden der Universität Leipzig zur Teilnahme aufgerufen (Rücklauf: 808-mal Link angewählt und davon 436mal bis Fragebogenende). Dazu sind an alle studserv-Adressen E-Mails mit einem einmaligen und zufällig codierten Link zum Fragebogen geschickt worden. Beim ersten Anklicken des Links wird im Hintergrund ein kompletter Fragebogen zufällig erzeugt. Weniger Kooperation beim Wettbewerb Ein zentrales Ergebnis dieser Studie ist, dass ein enormer positiver Einfluss der Erwartung auf die Entscheidung der gleichen Situationsebene nachzuweisen ist (s. Diagramm). Wenn die Befragten einen Beitrag vom Partner sicher erwarten, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit ihrer eigenen kooperativen Entscheidung bis zu 73 Prozent. Der Effekt der Sanktionserwartung auf die Sanktionsentscheidung ist ähnlich hoch. Im Hinblick auf Kooperation in sozialen Dilemmata ist dieser Befund keineswegs trivial, weil ja stets der Anreiz zur Verweigerung besteht. Somit sind Beitrags- und Sanktionsentscheidungen trotz materieller Einbußen in hohem Maße strategisch und an Reziprozität orientiert. Gleichzeitig unterscheidet sich jedoch das Ausmaß der Reziprozität, gemessen am Grad der Übereinstimmung zwischen Entscheidung und Konzertkartentausch – ein Beispiel aus der Befragung Sie besitzen eine Konzertkarte. Kurz vor der Veranstaltung haben Sie jedoch einen anderen Termin. Das Konzert können Sie trotzdem besuchen, hätten aber doch gerne eine Karte für eine andere Veranstaltung. Sie haben einen Aushang entdeckt. Ein Student einer anderen Universität sucht aus ähnlichen Gründen Ihre Karte. Er bietet dafür eine andere, die Sie bevorzugen würden. Sie haben vereinbart, die Karten einander per Post zuzuschicken. Allerdings müssten beide Karten gleich morgen abgeschickt werden. Sie beide wissen voneinander, dass jeder die Veranstaltung mit seiner eigenen Karte ebenfalls besuchen kann. Sie beide können sich nun entscheiden, ob sie die Karte abschicken oder nicht … Erwartung, in den realen Situationstypen. Auch bestehen erhebliche Kontexteffekte hinsichtlich des bloßen Niveaus der Beitragsleistung und Sanktion. Beispielsweise wird in Situationen, die als Wettbewerb zwischen den Beteiligten dargestellt werden (die Anreizstruktur bleibt unverändert!), deutlich weniger kooperiert und Kooperation erwartet. Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass Reziprozität ein Grundprinzip menschlichen Handelns ist: Freundliche Handlungen werden freundlich erwidert und unfreundliche entsprechend unfreundlich beantwortet – selbst wenn es sich um erwartete Entscheidungen und einmalige Situationen handelt. Die Grafik zeigt: Je eher eine Person den Beitrag einer anderen erwartet, desto mehr ist sie selbst bereit, einen Beitrag zu leisten. Die schwarze durchgezogene Linie zeigt die an den Daten geschätzte Wahrscheinlichkeit der Entscheidung bei der jeweiligen Ausprägungen der Erwartung. Die gestrichelten grauen Linien zeigen die statistisch möglichen Abweichungsbereiche (oberes und unteres Konfidenzintervall). V: Verweigern; K: Kooperieren Heft 1/2004 27 Studiosi Ein Orchester findet sich selbst 43 Studenten musizieren jetzt gemeinsam Aus eigener Initiative haben sich in diesem Wintersemester 43 Studenten zu einem Orchester zusammengefunden. Ihr Ziel ist es, ein neues klassisches Orchester an der Universität zu bilden. Die begabten jungen Musiker mit Orchestererfahrung stammen aus allen Fachrichtungen. Probe ist einmal wöchentlich (montags), es wird ein Programm im Semester einstudiert, und das Orchester verwaltet sich selbst. Das gemeinsame Musizieren soll vor allem Spaß machen und sowohl den Teilnehmenden als auch den Zuhörenden Freude bereiten. Die Idee stammt von zwei Leipziger Studenten. Britta Glaser, die Kunst und Englisch auf Lehramt studiert, und der Medizinstudent Julian Bindewald wollten sich einem studentischen Orchester anschließen. „Da jedoch kein Orchester an der Universität Leipzig mit geeigneten Konditionen existierte, gründeten wir selbst eins“, so Britta Glaser. Und Julian Bindewald fügt hinzu: „Wie ein Lauffeuer verbreitete sich Das studentische Orchester bei seinem ersten Konzert. die Nachricht unter den Studenten.“ Schnell schlossen sich immer mehr Studenten an, bis das Orchester die heutige Größe erreicht hatte. Die Idee für ein derartiges Orchester besteht schon seit längerem, wurde aber erst jetzt in die Tat umgesetzt.m Das Orchester verfügt inzwischen über eine vollständige Kammerorchesterbesetzung. „Wir wollen in unserem Repertoire Schwerpunkte auf die Musik der Klassik, Romantik und zeitgenössische Musik setzen“, erklären die beiden Studenten. Dabei soll pro Semester ein Sinfoniekonzert einstudiert werden, welches dann in zwei bis drei Aufführungen zu hören sein wird. Nicht nur junge Laienmusiker finden im neuen Orchester die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Das Orchester will jedes Jahr einem Studenten oder Absolventen des Faches Dirigieren, zum Beispiel von der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig, die Chance geben, ein erfahrenes Laienorchester zu leiten. So können junge Nachwuchsdirigenten neue Erfahrungen sammeln. Der Dirigent des Gründungskonzertes, Norbert Kleinschmidt, beendet gerade sein Studium an der Hochschule. Um mögliche Nachfolger zu ermitteln, wurde Ende Januar ein Probedirigat durchgeführt. Auch die Solisten greifen auf eine fundierte musikalische Foto: Armin Kühne Ausbildung zurück und sollen durch das Orchester die Möglichkeit bekommen, ihr Konzertrepertoire darzubieten. Am 15. Januar war das neugegründete studentische Orchester erstmalig öffentlich zu hören. Der Mendelssohnsaal im Gewandhaus war bis auf den letzten Platz besetzt. Draußen warteten noch viele Klassik-Fans, aber es ging nichts mehr. Auf dem Programm des Gründungskonzertes standen die Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók, das Konzert für Flöte und Orchester Nr. 1 in G-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart und die Sinfonie Nr. 104 von Joseph Haydn. Die Solistin war Dóra Ombódi. Das Konzert war ein großer Erfolg. Die Studenten ernteten anschließend Standing Ovations. Finanzielle Zuwendung und organisatorische Unterstützung für das Konzert hatte das neue Orchester vom StudentInnenrat der Universität, vom Studentenwerk, vom CD-Fachgeschäft „Opus 61“ sowie vom Gewandhaus zu Leipzig bekommen. Auch die Universität Leipzig half bei der Organisation. Katharina Märker Interessierte Studenten sind herzlich eingeladen, sich unter [email protected] zu melden. Anzeige Öffentliche Bekanntmachung Jurastudenten an der Technischen Universität Dresden und der Universität Leipzig Die Dr. Hedrich-Stiftung ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Dresden. Sie ist benannt nach ihrem Stifter, Herrn Staatsminister a. D. Dr. jur. Hans Richard Hedrich, verstorben am 20. 09. 1945 in Dresden. Zweck der Stiftung ist es, begabte und bedürftige Studentinnen und Studenten, die ein juristisches Studium an der Technischen Universität Dresden oder an der Universität Leipzig absolvieren, finanziell zu fördern. Die Voraussetzungen einer Förderung im Einzelnen ergeben sich aus der Satzung und der Vergaberichtlinie der Stiftung. Interessenten fordert der Vorstand der Stiftung hiermit auf, bis zum 15. 04. 2004 einen Antrag auf Förderung zu stellen. Nähere Informationen zu den Antrags- und Förderbedingungen sind erhältlich bei der Dr. Hedrich-Stiftung, Landeshauptstadt Dresden, Geschäftsbereich Finanzen und Liegenschaften, Postfach 12 00 20, 01001 Dresden oder telefonisch unter 03 51 / 488 20 82 (Frau Behn). Der Vorstand der Dr. Hedrich-Stiftung 28 journal Studiosi Verleihung des Kurt-Meinel-Preises Arbeit zu Ski-Material prämiert Der 26-Jährige Student der Sportwissenschaften Sascha Kreibich wurde im Rahmen der Festveranstaltung „Zehn Jahre Sportwissenschaftliche Fakultät“ am 5. Dezember mit dem Kurt-Meinel-Preis ausgezeichnet. Sein Referat „Untersuchungen zur Optimierung der Bindungseinstellung und Materialanpassung im Skispringen“, mit dem er die Jury zum wissenschaftlichen Wettbewerb am Dies academicus beeindruckte, basiert auf seiner Diplomarbeit. Darin untersuchte er die optimale Einstellung bzw. individuelle Abstimmung des Sportlers auf sein Material, was besonders für Leistungssportler extrem wichtig ist. Der ehemalige Skispringer und Leistungssportler kam erstmalig als studentische Hilfskraft am Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) mit der Thematik in Kontakt. Im Fachbereich Skisprung beschäftigte er sich wissenschaftlich mit seinem Hobby. Der Preis wurde nach Professor Dr. Kurt Meinel benannt, dem Begründer der allgemeinen Bewegungslehre. Seit 1998 erhält diese Auszeichnung jedes Jahr ein Student oder Nachwuchswissenschaftler mit außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Sportwissenschaften. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich erneut ein Student gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs durchgesetzt hat. Der Preisträger des Kurt-Meinel-Preises wird jährlich unter den Siegern des wissenschaftlichen Wettbewerbes, der zum Dies academicus ausgetragen wird, verliehen. In den Kategorien Referate, Video, Multimediapräsentation und Poster treten jeweils Studenten und der wissenschaftliche Nachwuchs in den Wettstreit. Sacha Kreibich erhält ein Preisgeld von 400 Euro, das von der Sparkasse Leipzig gesponsert wird. Die Frage, was er mit dem Preisgeld machen werde, beantwortete er ohne zu zögern: Natürlich in den Skiurlaub fahren. Katharina Märker Sascha Kreibich Foto: Märker Rektor zeichnete beste Sportler aus Die Veranstaltung für die besten Sportler der Universität stand im Dezember im Zeichen des kleinen Gründungsjubiläums (zehn Jahre) des Zentrums für Hochschulsport. Rektor Prof. Dr. Franz Häuser zeichnete die Studierenden aus, die im Wettkampfjahr 2003 die Universität bei internationalen Studierendenwettkämpfen, Deutschen und Sächsischen Hochschulmeisterschaften in den verschiedensten Sportarten erfolgreich vertreten haben. Die herausragendsten Ergebnisse erzielten Gabi Teichmann (2. Platz bei der Studierenden-WM im Judo), Enrico Friedemann (3. Platz bei der 1. Studierenden-WM der Schützen, Kleinkalibergewehr), Roman Schulze (Deutscher Hochschulmeister im Judo und Teilnehmer bei der StudierendenWM und der Universiade) und René Sack (Deutscher Hochschulmeister im Kugelstoßen und 4. Platz bei der Universiade in Südkorea). Weitere vordere Platzierungen von Studierenden der Universität bei Deutschen Hochschulmeisterschaften legten auch 2003 den Grundstein für einen Spitzenplatz der Uni im studentischen Wettkampfsport in Deutschland. Weitere Informationen im Internet: www.uni-leipzig.de/~sport/ „Ariadne“ mit neuen Angeboten Der „rote Faden“ ins Berufsleben Jetzt geht es richtig los: Der studentische Verein „Ariadne – Arbeitsmarktinitiative Leipzig“ will von sich reden machen. Den Verein gibt es schon seit 1999, aber 2003 schrieben neue Mitglieder ein neues Konzept. „Wir möchten Studenten aller Fachrichtungen Angebote unterbreiten, die den Einstieg in das Berufsleben erleichtern sollen“, sagt die stellv. Vereinsvorsitzende Mandy Jahnke. „Wir“, das sind elf Studenten und neun Absolventen der Uni Leipzig (aus den Bereichen Erwachsenenpädagogik, Soziologie, Psychologie, Politikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache und Sportwissenschaft). „Ariadne“ will als eine Lern- und Laufbahnberatung etablieren und die Rolle Heft 1/2004 eines „I-Punktes“ im Rahmen des Projekts „Lernende Regionen“ einnehmen. Dazu gehört auch, sich um den Bereich der Weiterbildung zu kümmern. Der Verein will Seminare und Workshops anbieten, welche durch externe Trainer und Experten aus der Wirtschaft, aber auch fachkundige Studenten umgesetzt werden. „Dies werden Studenten der Erwachsenenbildung sein“, da sie das nötige Handwerkszeug im Laufe ihres Studiums erwerben“, erklärt Mandy Jahnke. Weitere „Ariadne“-Angebote werden u. a. sein: eine Praktikumsbörse, Bewerbungsseminare, individuelle Beratung. Ein Bildungsnetzwerk soll so entstehen. Der Verein sieht sich als Bindeglied zwischen Universität und Wirtschaft und kooperiert bereits mit dem Institut für postgraduale Weiterbildung Leipzig. Der Vereinsname stammt übrigens aus der griechischen Mytologie. Ariadne war die Tochter von Minos, König von Kreta. Mit Hilfe eines roten Wollfadens half sie dem Helden Theseus aus dem Labyrinth und rettete ihn dadurch vor dem Ungeheuert Minotaurus. „Diesen ‚roten Faden‘ wollen wir den Studenten auf ihrem Weg ins Berufsleben bieten“, so Mandy Jahnke. C. H. Wer Fragen oder Anregungen loswerden möchte, kann eine E-Mail an [email protected] schicken. Weitere Informationen im Internet: www.ariadne-leipzig.com 29 Personalia Veterinärmedizin Ellenberger-Preis für Ellenberger Neu berufen: Neu berufen: Jörg Jescheniak Ch. Schneider Er beschäftigt sich mit den mentalen Prozessen des Menschen: Prof. Dr. Jörg D. Jescheniak, C3-Professor für Kognitionspsychologie am Institut für Allgemeine Psychologie der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie. Ihn beschäftigen besonders die kognitiven Aspekte der Sprachverarbeitung, beginnend bei der Sprachproduktion (Planung von Wörtern, Phrasen und Sätzen) über das Sprachverstehen (Aspekte der Satz- und Textverarbeitung) bis zur Sprachentwicklung (Entwicklung des Zugriffs auf das lexikale Gedächtnis). Dabei interessiert ihn auch, was „davor“ liegt, das Zusammenspiel vorsprachlicher Kognition und sprachlicher Umsetzung. Naturgemäß ist sein Forschungsgebiet fächerübergreifend: Sein kognitiver psychologischer Ansatz verbindet die Psychologie mit der Linguistik, den Informationswissenschaften, den Neurowissenschaften und der Philosophie. Entsprechend interdisziplinär ist sein Team, in dem neben den Psychologen auch eine Sprachwissenschaftlerin und ein Philosoph beschäftigt sind. Auch die vielfältigen Möglichkeiten der wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Leipzig kommen ihm entgegen. Über die Universität mit ihrer Fächerstruktur hinaus freut er sich über das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften quasi direkt vor seiner Haustür. Um herauszufinden, was beim Sprecher passiert, bevor er redet, entwickelt Jescheniak experimentelle Verfahren, die die Vorgänge objektivieren sollen. Die Methodik dabei ist noch relativ neu in der Sprachpsychologie: Anstatt wie bisher mittels der Analyse von Sprechfehlern hinter das verwobene Netzwerk Sprache zu kommen, ist sein Ansatz, „das gelingende Sprechen“ zu untersuchen. Privat bleibt er sozusagen im Kollegenkreis: Auch seine Frau ist Psychologin, im Moment allerdings voll mit den einjährigen Zwillingen Friederike und Katharina beschäftigt. B. A. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht die organische Synthese. Dabei erforscht er besonders die Synthese biologisch aktiver Verbindungen, z. B. zytotoxisch aktiver Verbindungen, wie sie für die Krebstherapie eingesetzt werden. Hier zeigt sich die Ambivalenz der Neigung des neuberufenen C4-Professors für Organische Synthese, Prof. Dr. Christoph Schneider, der am Institut für Organische Chemie der Fakultät für Chemie und Mineralogie angesiedelt ist. Bereits während seines Studiums in Göttingen belegte er neben der Chemie auch medizinische Fächer und hat nun in einer perfekten Synthese seine Interessen wieder unter einen Hut gebracht. In Schneiders Forschungen spielt weiterhin die enantioselektive Katalyse eine große Rolle. Darunter versteht man chemische Reaktionen, bei denen mit kleinen Mengen eines chiralen Hilfsstoffes große Mengen enantiomerenreiner Verbindungen hergestellt werden. Enantiomere Verbindungen sind fast identisch, verhalten sich jedoch wie Bild und Spiegelbild und lassen sich ähnlich einem rechten und linken Handschuh nicht zur Deckung bringen. Beachtet man das z. B. bei der Arzneimittelherstellung nicht, so kann das verheerende Auswirkungen haben: Das Contergan ist wohl das bekannteste Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Medikamente als Mischung von Bild und Spiegelbild eingesetzt werden. Das Pendant kann ganz andere Eigenschaften als die gewünschten entfalten. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann Schneider in Göttingen und an der Harvard University in den USA. In Göttingen war er dann zunächst als Habilitant und dann als Oberassistent tätig. Zwischendurch war er Gastprofessor in Szeged (Ungarn), Toronto (Kanada) und Saarbrücken. In Leipzig will er zur Reputation der Leipziger Chemie und zur erstklassigen Ausbildung von Studenten beitragen. Kraft schöpft er aus seinen Hobbys Laufen und Skifahren, Literatur und Geschichte und besonders aus seiner Familie. B. A. 30 Den Ellenberger-Preis des Jahres 2003 für die beste Dissertation des Vorjahres, der vom Freundeskreis der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig e. V. vergeben wird und der mit 2000 Euro dotiert ist, erhielt Dr. Christin Ellenberger, die mit dem Namensgeber nicht verwandt ist. Der Preis wurde vergeben für die Arbeit zum Thema „Pathologie des equinen Ovars und daraus resultierende endometriale Differenzierungsstörungen – Histomorphologische und immunhistologische Untersuchungen“. Dabei geht es um funktionell bedingte Funktionsstörungen in der Gebärmutterschleimhaut der Stute. Die Doktorandin konnte durch ihre Untersuchungen erstmals eine definierte Ursache nachweisen. Zu diesem Zweck wurden Gewebeproben aus der Gebärmutter von Stuten mit unterschiedlichen hormonell aktiven und -inaktiven Eierstocksveränderungen (Tumoren, Zysten, Hämatome, Entzündungen) entnommen. Mehrere Wochen nach der Entfernung des veränderten Eierstocks erfolgte eine erneute Gewebeprobenentnahme aus der Gebärmutter. An den vor und nach der Operation gewonnenen Proben wurden mittels konventioneller lichtmikroskopischer und immunhistologischer Methoden vergleichende Untersuchungen vorgenommen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass nach der Entfernung des hormonell aktiven, entarteten Eierstocks eine Normalisierung der zuvor funktionell gestörten Strukturen in der Gebärmutterschleimhaut zu beobachten ist, während hormonell nicht aktive Eierstocksveränderungen zu keiner Störung führten. Insgesamt zeigen die Erkenntnisse, dass die Gewebeprobe aus der Gebärmutterschleimhaut ein nützliches Mittel zur Dokumentation des Behandlungserfolges darstellt, da mit ihr die Reversibilität der Veränderungen aufgezeigt werden konnte und dem Pferdezüchter ein sinnvoller Zeitpunkt für eine neue Bedeckung der Stute vorgeschlagen werden kann. Es ist bekannt, dass nahezu alle Pferde aus dieser Studie nach der Therapie wieder tragend wurden und erfolgreich abfohlten. B. A. journal Personalia Kurz gefasst Prof. Dr. Frank Zöllner, Institut für Kunstgeschichte, erhielt für die französische Ausgabe seines im April 2003 erschienenen Buches „Leonardo da Vinci. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen“ den „Prix Paul Marmottan“ der Académie des Beaux-Arts. Der Preis wurde Zöllner am am 19. November 2003 im Institut de France in Paris verliehen. Er erging erstmals an einen deutschen Kunstwissenschaftler. Prof. Dr. Ulla Fix, Institut für Germanistik, wurde im Rahmen der Vorbereitung des XI. Internationalen Germanistenkongresses 2005, veranstaltet von der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) in Paris, mit der inhaltlichen Organisation und der Leitung der Sektion „Deutsche Sprache und Literatur nach der Wende“ beauftragt. Dr. Wolfram Herold hat nochmals verlängert und bleibt bis Ende des Wintersemesters Ausländerbeauftragter der Universität Leipzig. Er steht allerdings nur noch eingeschränkt für diese Funktion, die er seit 1991 ausübt, zur Verfügung. Er ist dienstags von 10 bis 16 Uhr im Raum 430 im Akademischen Auslandsamt, Goethestraße 6, anzutreffen. Seine Telefonnummer lautet: 9 73 20 33. Dr. Elizabeth Millan-Zaibert (State University of New York in Buffalo, USA) kommt ab 1. Juli dieses Jahres für ein Jahr als Gastwissenschaftlerin an das Institut für Philosophie und wird dort unter der Betreuung von Professor Pirmin SteckelerWeithofer arbeiten. Die Humboldt-Stiftung hat der Wissenschaftlerin ein Forschungsstipendium verliehen. Im November 2003 wurde der Architekt Burkhard Pahl, Professor für Entwerfen und Konstruktives Gestalten, bereits zum zweiten Mal für die Konzeption der Weltcup-Skisprungschanze in Willingen ausgezeichnet. Hatte ihn ein Jahr zuvor der Deutsche Stahlbautag geehrt, so waren es diesmal das International Olympic Committee (IOC) und die International Association for Sports and Leisure Facilities (IAKS). In sechs Kategorien wurden weltweit 27 Architekten für beispielhafte Sportstätten der letzten fünf Jahre mit dem IOC/IAKSHeft 1/2004 Award ausgezeichnet. Neben den Olympiabauten in Sidney/Australien waren herausragende Konzepte aus den USA, Chile, Japan, Neuseeland und Deutschland unter den Preisträgern. Die Verleihung des Awards erfolgte in einer Feierstunde durch Dr. Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Prof. Carlos Vera Guardia PhD, Ehrenpräsident des Instituto Panamericano de Educatión Fisica und Dr. Stephan J. Holthoff-Pförtner, Präsident der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen e.V. Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg, Dekan der Theologischen Fakultät, wurde vom Bewilligungsausschuss für die Allgemeine Forschungsförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft für zwei weitere Jahre zum Mitglied des Bibliotheksausschusses gewählt. Die Bangladesh Society for Veterinary Education and Research hat Prof. Dr. Hermann Müller, Direktor des Instituts für Virologie, im vergangenen Jahr anlässlich seines Besuches der Bangladesh Agricultural University in Mymensingh (Bangladesh) mit dem Annual Lecture Award ausgezeichnet. PD Dr. Attila Tarnok, Klinik für Kinderkardiologie, Herzzentrum Leipzig, wurde von der amerikanischen Fachzeitschrift Cytometry, dem Organ der International Society for Cytology (ISAC, www.isacnet.org), zum Associate Editor berufen. Mit den meisten Stimmen wurde Prof. Dr. Anette G. Beck Sickinger, Institut für Biochemie an der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie, in den Vorstand der Gesellschaft Deutscher Chemiker gewählt. PD Dr. Martin U. Schuhmann, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, erhielt auf dem 32nd Annual Meeting of the AANS/CNS, Section on Pediatric Neurological Surgery in Salt Lake City den Hydrocephalus Association Award 2003. Der für den Beitrag „Serum and CSF C-Reactive Proteine in Shunt Infection Management“ vergebene Preis wird gestiftet von der US-amerikanischen Hydrocephalus Association für den besten Beitrag eines jüngeren Neurochirurgen zum Themengebiet Hydrocephalus und ist mit 500 $ dotiert. Nestor der Kinderchirurgie verstorben Kurz vor der Drucklegung erhielt die Redaktion die traurige Nachricht, dass Prof. em. Dr. Dr. h.c. Fritz Meißner am 16. Januar im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Der erste Direktor der Klinik für Kinderchirurgie wird der Universität stets als herausragender Mediziner, exzellenter Wissenschaftler und leidenschaftlicher Hochschullehrer in Erinnerung bleiben. Meißners Schüler und Nachfolger Prof. em. Dr. Joachim Bennek wird die Lebensleistung des Nestors der Leipziger Kinderchirurgie in der nächsten JournalAusgabe ausführlich würdigen. r. Neuer Kustos am Botanischen Garten ist PD. Dr. Martin Freiberg, Spezialist für Gesneriaceae und Kronenforschung. Zu seinem Aufgaben gehören die wissenschaftliche Betreuung der lebenden Sammlungen, Öffentlichkeitsarbeit, Vorlesungen und die Betreuung von Praktika im Garten. Das Lateinamerikazentrum finanziert jetzt gemeinsam mit dem UFZ eine Drittmittelstelle, die Mag. Marianne Gaese, Spezialistin für internationale Studien, innehat. Zu ihren Aufgaben gehören Machbarkeitsstudien zu Studiengängen und Interdisziplinären Projekten sowie Fundraising. OA Dr. Dirk Winkler, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, erhielt eines der zwei Stipendien des Stiftungsrates „Neurochirurgische Forschung“ in Höhe von 10 000 Euro für seine Arbeit „Transplantation humaner neuraler Stammzellen im 6-OHDA-Rattenmodell des Morbus Parkinson“. Das Geld soll der Komplettierung der Grundausstattung und der Themenbearbeitung innerhalb der Arbeitsgruppe um Prof. Johannes Schwarz, Klinik und Poliklinik für Neurologie, dienen, um gemeinsame Projekte zu bearbeiten. 31 Personalia Grenzen überschreiten nach dem Vorbild der Literatur Ehrendoktorwürde für den Lateinamerikanisten Carlos Rincón Die Philologische Fakultät verlieh am 17. 12. 2003 die Ehrendoktorwürde an den namhaften Literatur- und Kulturtheoretiker Prof. Dr. Carlos Rincón, Emeritus des Lateinamerika-Instituts der Freien Universität Berlin. Wie Dekanin Prof. Dr. Zybatow und Rektor Prof. Dr. Häuser zur Feier der Ehrenpromotion im Alten Senatssaal eingangs hervorhoben, galt die Ehrung auch einem Wissenschaftler, der enge Beziehungen zur Leipziger Universität besitzt. Nicht nur, dass er Mitte der 60er Jahre bei Werner Bahner und Werner Krauss studiert und promoviert hat, er hat auch bei dem Neuaufbau der Leipziger Lateinamerikanistik, insbesondere des Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars, in den 90er Jahren wertvolle Unterstützung gegeben. Gewürdigt wurden auch seine großen Verdienste als Vermittler zwischen den Kulturen der Iberischen Halbinsel und Lateinamerika einerseits und Europa und Deutschland andererseits. In der Tradition von Werner Krauss den gesellschaftlichen und geschichtlichen Auftrag der Geisteswissenschaften verfolgend hat Carlos Rincón Wesentliches zu einer Erneuerung der Literaturwissenschaft und Lateinamerikanistik und deren Umformung zu einer Kulturwissenschaft beigetragen. Und dies zu einer Zeit, da von Kulturstudien in den Philologien noch keine Rede war. Die Laudatio von Prof. Dr. Vittoria Borsò (Universität Düsseldorf) skizzierte die verschiedenen Seiten von Rincóns Wirken – als Historiker, Theoretiker, Interpret, Kulturvermittler und akademischer Lehrer – und wandte sich insbesondere der erkenntnistheoretischen Schärfe seines Denkens zu. Das schöpfe aus verschiedenen Quellen: der Philosophie und der Kunst, der Literatur und der „profanen Kultur“. Die fortwährende Grenzüberschreitung sei Programm. Auf die globalisierte Welt bezogen, so sein Credo, müsse das Denken die querlaufenden Bewegungen zwischen den Disziplinen wie zwischen den Kulturen vollziehen. Prof. Dr. Alfonso de Toro (r.) gratuliert Prof. Dr. Carlos Rincón. 32 Foto: Kühne An europäische Denktraditionen anknüpfend wie etwa an den Goetheschen Begriff der Universalliteratur, deute er das Universelle um als Dialog zwischen dem Partikulären, Regionalen einerseits und dem Gobalen andererseits. Rincón komme zur Konzeption eines gemeinsamen Raumes, in dem die Region den grenzüberschreitenden Teil einer gemeinsamen globalisierten Lebenswelt darstellt. Der subversive Zug dieses Denkens liege in der Relativierung des Nationalen aus der Sicht eines globalen Zusammenhangs und des Gobalen aus der Sicht lokaler Existenzen. Die Laudatorin verwies abschließend darauf, dass bei der Überschreitung nationaler, regionaler oder disziplinärer Grenzen für Rincón die Literaturen der Welt das Vorbild sind. „Sie sind jene Regionen der Welt, die überall zu Hause sind. Diese Freiheit ist die Signatur des Denkens von Carlos Rincón selbst.“ Ehe der Geehrte in seiner Danksagung für den zweiten Leipziger Doktortitel Erinnerungen des jungen kolumbianischen Stipendiaten an die Jahre in Leipzig lebendig werden ließ, verlas der Direktor des IberoAmerikanischen Forschungsseminars, Prof. Dr. Alfonso de Toro, einen Text mit der einen Buchtitel von Rincón aufgreifenden, dennoch geheimnisvoll bleibenden Überschrift: „Auf der Suche nach einem Buch; wonach sonst! Oder die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“. Was die Zuhörer anfänglich mit Verwunderung, zunehmend mit Vergnügen und schließlich mit großem Beifall aufnahmen, offenbarte sich als eine phantastische Geschichte literarischen Ranges und der Vortrag gewissermaßen als Überreichung des wohl schönsten und persönlichsten Geschenks an den verehrten Kollegen und Förderer. Wenn man so will auch eine Grenzüberschreitung an diesem Nachmittag: von der akademischen zur poetischen Welt. Volker Schulte journal Personalia Martina Drucker zum 100. Geburtstag Kinderärztin von großem Format Die Ehrendoktor-Urkunde empfing Günther Wartenberg aus den Händen von Andrei Marga, Rektor der Babes-Bolyai-Universität. Foto: Universität Günther Wartenberg Ehrendoktor in Rumänien Der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, wurde Ende 2003 von der Babes-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca (Klausenburg) in Rumänien mit dem Ehrendoktortitel auf dem Gebiet Kirchengeschichte und Literaturgeschichte ausgezeichnet. Gewürdigt wurden damit seine, wie es in der Urkunde heißt, „hervorragende wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Kirchengeschichte sowie die erwiesene Unterstützung bei der Entwicklung der reformierten theologischen Ausbildung an der Babes-BolyaiUniversität, in der Forschung sowie bei der Entwicklung von Bildungsinhalten“. Verliehen hat den Dr. h. c. der Senat der Universität auf Antrag der Reformierten Theologischen Fakultät. Die Urkunde empfing Günther Wartenberg auf einer festlich-akademischen Feier in der Aula magna der Universität aus den Händen von Rektor Prof. Andrei Marga. Gleichzeitig mit der Ehrenpromotion des Leipziger Theologen wurde auch dem ungarischen Bischof Dr. Gusztáv Böleskei, Debrecen, die Ehrendoktorwürde verliehen. Die Universität Leipzig ist seit drei Jahren durch einen Vertrag mit der Babes-BolyaiUniversität verbunden. Die Zusammenarbeit vollzieht sich v. a. in den Fächern Theologie, Germanistik, Romanistik, Kommunikations- und Medienwissenschaft und Mathematik. Die aufstrebende Hohe Schule, die 1872 gegründet wurde und auf ein Jesuitenkolleg von 1581 zurückgeht, verfügt jetzt über 44 000 Studierende und bietet neben den rumänischen auch ungarische und deutsche Studiengänge an. An der Reformierten Theologischen Fakultät sind etwa 200 Studierende mit dem Schwerpunkt Lehrerausbildung für den Religionsunterricht eingeschrieben. Sie beging jetzt ihr zehnjähriges Bestehen, zu dessen Feierlichkeiten neben den Ehrenpromotionen auch eine internationale wissenschaftliche Tagung zur Theologie im 21. Jahrhundert gehörte. r. Am 29. Dezember 1903 wurde Martina Drucker als Tochter des bekannten Rechtsanwaltes Dr. Martin Drucker und seiner Ehefrau Margarethe, geb. Mannsfeld, in Leipzig geboren. Nach dem Besuch des Schillerrealgymnasiums studierte sie in München, Heidelberg und Leipzig Medizin und bestand 1930 das medizinische Staatexamen mit „gut“. Nach dem praktischen Jahr als Medizinalpraktikantin an der Universitätskinderklinik war sie als Volontärassistentin an der medizinischen Universitäts-Poliklinik bis November 1932 angestellt. Anschließend wollte sie mit der Fachausbildung an der Kinderklinik beginnen und beschäftigte sich zunächst mit ihrer Doktorarbeit zu einem Thema aus der Kinderheilkunde. In einem Zeugnis vom 31. Juli 1931 schreibt der Pädiater Prof. Georg Bessau: „Ihr bestimmtes Auftreten sicherte ihr die Autorität gegenüber dem Pflegepersonal und ihre stete Hilfsbereitschaft die Sympathie ihrer Kollegen“. Unter dem NS-Regime gelang es ihr nicht, als „jüdischer Mischling II. Grades“ eine Anstellung als Ärztin zu bekommen oder ihre Doktorarbeit zu vollenden, sodass sie notgedrungen eine Stelle als Sprechstundenhilfe annahm. Als ihr jüdischer Chef, der Internist Dr. Abraham Adler, Ende Geburtstage Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 65. Geburtstag Prof. Dr. Adolf Wagner, Institut für Empirische Wirtschaftsforschung, Dekan von Okt. 1996 bis Okt. 1999, am 25. Februar Medizinische Fakultät 65. Geburtstag Prof. Dr. med. Friedrich-Hugo Kamprad, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, am 23. Januar 75. Geburtstag Prof. Dr. med. Ulrich Fuchs, ehem. Institut für Pathologie, am 9. Februar Heft 1/2004 Fakultät für Physik und Geowissenschaften 65. Geburtstag Prof. Dr. Hans Neumeister, Institut für Geographie, am 16. Januar Der Rektor der Universität Leipzig und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich. (Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.) Martina Drucker Foto: Uni-Archiv 33 Personalia | Habilitationen und Promotionen 1937 emigrieren musste, führte sie während der Krankheit und nach dem Tode ihrer Mutter den Haushalt für ihren Vater, ihre zwei Brüder Heinrich und Peter sowie für ihre jüngere Schwester Renate. Wiederholte Versuche, eine Anstellung als Ärztin zu bekommen blieben erfolglos. Erst 1941 gelang es ihr, eine Vertretungsstelle als Assistenzärztin an der Kinderheilstätte Kolberg (heute: Kołobrzeg) in Pommern zu erhalten. Schließlich wurde sie von der pommerschen Ärztekammer an das Kreiskrankenhaus Schlawe (heute: Sławno) „notdienstverpflichtet“. Dort arbeitete sie von 1941 bis März 1945 unter schwierigsten Bedingungen als einzige Assistentin neben dem Chefarzt. Nach einem halbjährigen Aufenthalt im sowjetischen Kriegsgefangenenlager Thorn (heute: Toru ń), kehrte sie über Frankfurt/O. im Dezember 1945 in das zerstörte Leipzig zurück. Ihre beiden Brüder waren im Krieg gefallen und ihr Zuhause zerbombt. Freunde wie die Historiker Herbert Grundmann und Hermann Mau oder Verwandte wie Ernst Mannsfeld blieben zunächst nicht erreichbar. Der Neuanfang war für Martina Drucker besonders schwer. Seit April 1946 vertrat sie eine Assistentenstelle an der Universitätskinderklinik, die im Mai 1947 in eine feste Assistenz umgewandelt wurde. Sie versorgte einen großen Patientenkreis in vorbildlicher Weise. „Die Sicherheit ihrer Diagnose“, so ihr Chef Prof. Albrecht Peiper 1953, „und die guten Behandlungserfolge lassen sie zu einer sehr wertvollen Mitarbeiterin werden, sodass sie den Oberarzt der Poliklinik bei Abwesenheit vertritt.“ Nach über zehn erfolgreichen Jahren an der Universitätskinderklinik, insbesondere auch in der Abteilung für Frühgeburten, wagte Martina Drucker im Januar 1957 einen Neuanfang: Sie übernahm die Leitung der Kinderabteilung in der Poliklinik LeipzigLeutzsch und hat ihr Arbeitsfeld noch einmal erweitert. Die kleine, zierliche Person war hart gegen sich selbst, aber auch streng und unnachgiebig gegenüber den Eltern, die nach ihrer Auffassung nicht alles oder nicht das Richtige für ihre kranken Kinder taten. Die Kinder aber liebten sie. Sie lebte seit ihrer Rückkehr nach Leipzig zusammen mit ihrer Schwester Renate, der späteren Universitätsarchivarin, und ihrer Nichte Constanze in einem Haushalt. Liebe- und respektvoll sprachen alle, die sie kannten von „Tante Ina“; sie ist am 28. April 1992 in Leipzig gestorben. Gerald Wiemers 34 Habilitationen Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Dr. Frank Häußler (12/03): Der Zusammenhang zwischen gemessenen Neutronenstreukurven und der Porosität im Hinblick auf die Zementsteineigenschaften Permeabilität und Dauerhaftigkeit Medizinische Fakultät Dr. med. Stefan Hammerschmidt (12/03): Oxidativer Stress durch neutrophile Granulozyten als Pathomechanismus im kardiopulmonalen System Dr. med. Matthias Orth (12/03): Molekulare Effekte des Multifunktionsproteins ApoE Promotionen Theologische Fakultät Oliver Schmalz (11/03): Kirchenpolitik unter dem Vorzeichen des Volksnomos – Wilhelm Stapel im Dritten Reich Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie Dietmar Bastian (11/03): Institutional Change in Rent-Seeking Environments: The efforts of Eastern European Governments to Coordinate Transnational Networks of Economic Assistance Fakultät für Chemie und Mineralogie Andrea Schisler (10/03): Synthese, Charakterisierung und Reaktionen neuartiger Cyclopentaphosphanid-Anionen Harbi Al-Masri (10/03): Synthesis, Characterization, and Reactivity of Novel Intramolecularly Base-stabilized Boron Compounds. Structures of Novel Organic Ligands, Lithium Alkoxides an Lithium Aylamides jeweils 11/03: Andreas Krödel: Enzymatischer Baeyer-Villinger-Oxidation mit Cyclohexanon-Monooxygenase aus Acintebacter NCIMB 9871, Cofaktorregenerierung mit FomiatDehydrogenase aus Pseudomonas sp. 101 Elke Zwanziger: Untersuchungen zur Spurenanalyse von Antibiotika in Wasser mittels Kombination von Festphasenextraktion und Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie Tobias Kind: Kombination von GC-MS und Chemometrie zur Analyse der Inhaltsstoffe komplexer Umweltproben Hendrik Weidmüller: Löse- und Stabilitätsuntersuchungen von Mineralbestandteilen präkambrischer Grauwaken im alkalischen Milieu Fakultät für Mathematik und Informatik Gert Wollny (11/03): Analysis of changes in time series of medical images Sami Beydeda (12/03): The Self-Testing COTS Components (STECC) Method Maike Löhndorf (12/03): Effiziente Behandlung von Integraloperatoren mit H2-Matrizen variabler Ordnung Juristenfakultät jeweils 12/03: Ines Altenkirch: Die Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a BGB Jana Glock: Der Einfluss des Völkerrechts und des Europarechts auf das deutsche Tierschutzrecht unter besonderer Berücksichtigung des Staatszieles Tierschutz Gabriele Grimm: Besitzlose Sicherungsrechte an beweglichen Sachen im europäischen, deutschen und spanischen Insolvenzverfahren Thomas Hartwig: Beiderseits zu verantwortende Pflichtverletzung beim gegenseitigen Vertrag Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät jeweils 12/03: Ingo Kock: Management Support System Patientenzufriedenheit als Anwendungsbaustein eines Krankenhausinformationssystems Luong Ngoc Thanh: Grundlagen einer arbeitsmarktpolitischen Analyse in Transformationsländern, dargestellt am Beispiel der Länder Vietnam und Ostdeutschland Stefan Utsch: Kaufmotive und Nutzungsverhalten bezogen auf ‘Overengineered Products’ am Beispiel von Sonderausstattungen in der Automobilindustrie Philologische Fakultät Gundhild Winkler (12/03): Genetivische Ortsnamen in Ostmitteldeutschland und in angrenzenden Gebieten Fakultät für Physik und Geowissenschaften jeweils 1/04: Harald Heinrich: Finite barotrope Instabilität unter synoptischem Antrieb Heidrun Schüring: Mechanische und optische Untersuchungen freitragender smektischer Filme Robert Duclair Fomekong: Zur Interpretation des Cole-Cole Parameters a der dielektrischen ß-Dispersion biologischer Objekte Robin Faulwetter: Zur Anwendbarkeit des Fluktuations-DissipationsTheorems Gunnar Leibiger: AIIIBV – Mischkristallbildung mit Stickstoff und Bor Medizinische Fakultät jeweils 10/03: Sven Lehmann: Mittelfristige Ergebnisse nach gerüstfreien Mitralklappenersatz im Vergleich zu konventionellen Therapiestandards Matthias Leistner: Das Metastasierungsverhalten von Karzinomen in Abhängigkeit von der pT-Kategorie, dem Differenzierungsgrad und dem histologischem Tumortyp Eszter Leitner: Expression des C-Typ natriuretischen Peptids (CNP) in reproduktiven Geweben der Maus Jana Mladek: Faktor V Leiden Mutation, Prothrombinmutation sowie die Gerinnungsfaktoren IX und XI als neue Risikofaktoren für den Schlaganfall Nadja Monem: GvL-Effekt in der Frühphase nach modifizierter allogener Blutstammzelltransplantation Ulla Müller: Vergleichende Untersuchungen differenter DosisZeit-Schemata hinsichtlich akuter und später Reaktionen des Larynxkarzinoms journal Essay Karikatur: Oliver Weiss Konsum ergo sum Über Konsumkultur und Identitätskonstruktion Von Prof. Dr. Joachim Schwend, Institut für Anglistik Der Wahlspruch weist auf eine europäische Tradition mit der Abänderung von René Descartes Diktum. Unsere Konsumkultur trägt zur Konstruktion unserer Identität bei und diese Konstruktion ist als ein nie abgeschlossener Prozess zu sehen. Ich bin, was ich trage, esse, konsumiere. Wir konsumieren alle, mit Genuss oder weil es nötig ist. Der Schwabe liest am liebsten in seinem Sparbuch, aber auch er muss ab und zu einkaufen, also konsumieren. Der stereotypische Schotte ist als sparsam bekannt, aber auch er konsumiert: Whisky oder Porridge. Ein amerikanischer Aufkleber verkündet: „born to shop“. Haben wir uns vom „workaholic“ zum „shopaholic“ entwickelt? Konsum und Konsumkulturen sind ein wichtiges Thema für die Kulturwissenschaften geworden, die British Cultural Studies greifen das Thema auf und untersuchen Konsum und Konsumverhalten auf den Britischen Inseln. Konsum bedeutet bewusste Entscheidungen fällen, die über den rein persönlichen Bereich hinausgehen und die Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Wir entscheiden uns für eine bestimmte Marke, einen „brand name“, ein bestimmtes Logo und den damit signalisierten Lebensstil. Mit unseren bewussten Konsum-Entscheidungen agieren wir als so genannte „citizen consumer“, wir übernehmen gesellschaftliche Verantwortung und machen diese in unserem Konsumverhalten deutlich. Der Heft 1/2004 Begriff Boycott kommt aus der irischen Kultur und war der Name eines Verwalters des anglo-irischen Grundbesitzers Lord Erne im County Mayo, der von der irischen Bevölkerung „boykottiert“ wurde, d. h. er wurde aus der Gesellschaft ausgeschlossen und man hat ihm jede Art von Dienstleistung verweigert. Der Boykott gegen Captain Hugh Boycott in den 1880er Jahren war sehr effektiv und hat diesen letztendlich gezwungen, Irland zu verlassen. Die Boston Tea Party im Jahr 1773 war eine Entscheidung britischer Bürger zugunsten des Freihandels und gegen englische Zollschranken. Im Juli 1999 publizierte die New Labour Regierung ein Manifest mit dem Titel „Modern Markets: Confident Consumers“ – die Einsicht der britischen Regierung kam spät, aber sie kam doch. Das Logo für den Lebensstil Wir leben in einer Welt, die von Zeichensystemen beherrscht wird, wir kommunizieren mit Zeichen und in unserem Konsumverhalten benutzen wir Zeichen, um unsere Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu demonstrieren. Die Universität Leipzig arbeitet an einer „corporate identity“: „Marke? Universität!“ (Uni-Journal, 7/2003) Es ist ja beruhigend, dass die UniBasecap die Aufschrift „brain“ trägt und man kann nur hoffen, dass auch eines unter der Kappe arbeitet. Aber im Grunde ge- nommen ist es gleichgültig, was auf der Basecap steht, wenn sie nur als eine der Universität erkannt wird, so wie wir alle den „Swoosh“ von Nike erkennen, oder den Marlboro Mann an seinem Lagerfeuer. Nicht das Produkt ist wirklich relevant, sondern das Logo als Bedeutungsträger. Es steht für einen Lebensstil den wir anstreben und vertreten indem wir das Logo sichtbar tragen. Oder den wir ablehnen, wenn wir uns bewusst gegen ein Logo und den damit verbundenen „brand“ entscheiden: No logo lautet der Titel des Weltbestsellers von Naomi Klein. Mit dem Bekenntnis zu einem Logo stellen wir uns in eine Gruppe Gleichgesinnter, z. B. alle die zur Universität Leipzig gehören und sich ihr zugehörig fühlen, indem sie die entsprechende Kappe tragen. Jean Baudrillard spricht vom Mythos der Stammeszugehörigkeit; der Konsum schafft neue Gruppen und neue Identitäten, die wir bewusst annehmen oder ablehnen. In einer immer unsicherer werdenden, postmodernen Gesellschaft suchen wir nach Bindungen, die wir unter anderem durch unser Konsumverhalten zum Ausdruck bringen. Wir bekennen uns zu jenen, die einen vergleichbaren Konsum praktizieren oder die am „buy-nothing-day“ bewusst auf Konsum verzichten, einen „buycott“ praktizieren. Der Kultursemiotiker Roland Barthes sieht im Tragen bestimmter Kleidungsstücke semiotische Strukturen, die gelesen werden müssen. Die Kleidung ist Teil einer materiellen Kultur und symbolisiert ein komplexes System der Kommunikation, die wiederum auf Grund des gemeinsamen kulturellen Codes funktioniert. Die Rhetorik des Konsums ist dabei zentraler Bestandteil unserer Identitätskonstruktion. Kommunikation mit Hilfe von Zeichen bedeutet auch, dass gewisse Normen und Regeln unseres kulturellen Umfelds berücksichtigt werden müssen. Wir können sie akzeptieren oder gegen sie verstoßen: Skandal und Anpassung. Der so genannte „peer pressure“ ist dabei ein zentrales Faktum. Welches Logo muss auf der Jacke sein, um dazu zu gehören? In der Konsumgesellschaft können wir entscheiden, zu welcher Gruppe wir gehören möchten. Die Blue Jeans begann ihren Siegeszug als Arbeitshose, wurde mit James Dean zum Symbol der rebellischen Jugend und ist heute Alltagshose. Sie wurde „demokratisiert“. Als Objekt des Konsums ist sie ein 35 Essay distinktives Zeichen und Teil eines kulturellen Codes, ihre Bedeutung ist relativ und epochenspezifisch. Die Arbeit als Identifizierungsmöglichkeit funktioniert in unserer Gesellschaft nicht mehr, weil die alten Klassenschranken ins Wanken geraten sind und Arbeit allein nicht mehr ausreicht für die Identitätskonstruktion. Das Zeitalter der Produktion wurde durch das Zeitalter der Konsumption ersetzt und die Spaßgesellschaft brachte neue Präferenzen. Nach der Enthaltsamkeit und dem puritanischen Vertrauen auf ein besseres Leben im Jenseits, eine Einstellung, die den Materialismus des Viktorianischen Zeitalters in England prägte, soll nun das Leben im Hier und Jetzt genossen werden, denn Konsum hat mit Freude am Konsumieren zu tun. Schottland: Whisky, Dudelsack und Kilt Der amerikanische Soziologe Thorstein Veblen sprach bereits Ende des 19. Jahrhunderts von der „leisure class“, die Gesellschaftsschicht, die sich Muße leisten kann und die auch zeigt, dass sie freie Zeit zum Genießen hat: „conspicuous leisure“. „Conspicuous“ ist das Schlüsselwort, denn es ist wichtig, dass das Freizeitverhalten gesehen und als solches im Rahmen des kulturellen Codes verstanden wird. Der Nachbar soll sehen, dass wir uns einen Urlaub auf den Malediven leisten können. Sinnstiftende Zeichensysteme und „brands“ als Symbole von Lebensstilen sind wichtig in der Konsumgesellschaft. Identitätskonstruktionen finden jedoch nicht nur im persönlichen Bereich statt, sondern auch im regionalen oder nationalen. Die vier Nationen der Britischen In- seln verkaufen sich unter anderem für den Tourismus. David McCrone hat ein wichtiges Buch über Scotland the brand (1995) geschrieben. Schottland wirbt mit schöner Landschaft, mit Whisky-trinkenden, Dudelsack-spielenden, Kilt-tragenden und Baumstämme-werfenden Schotten, die zudem sparsam bis geizig sind und die Engländer nicht leiden können. Stereotype spielen eine wichtige Rolle wenn es darum geht, eine Nation zu verkaufen oder eine nationale bzw. regionale Identität zu konstruieren. Im September 2003 hat die schottische Zeitung „The Scotsman“ das schottische Tourismusbüro ermahnt, dass Whisky allein nicht als Werbeträger ausreiche. „Disneyfication“ ist das Gebot der Stunde. Schottland wird aufgearbeitet zu einem für den Konsumenten verträglichen und leicht verdaulichen „brand“, der möglichst bequem konsumiert werden kann. Die schottische „heritage industry“ mit ihrer Vermarktung der schottischen Vergangenheit widmet sich diesem Projekt unter anderem mit Shortbread Dosen mit dem Royal Stuart Schottenkaro. „Selling Scotland“ (auch Wales, Irland oder England) ist angesagt. Mel Gibson verkauft als William Wallace im Hollywoodfilm „Braveheart“ Schottland als geeinte Nation im Kampf gegen den bösen Nachbarn. Es geht um enorme Summen die unter anderem der so genannte „ethnic tourism“ verspricht. Vor allem unter Amerikanern ist die Suche nach den Spuren der Vorfahren ein sehr beliebtes Unterfangen im „alten Europa“. Die irische nationalistische Frauenorganisation „Cumann na mBan“ kämpfte in den 1930er Jahren für Irland mit einer „Buy Irish“-Kampagne. Die Frauen machten durch den Konsum irischer Produkte eine eindeutige politische Aussage. Entspre- chendes findet sich im 20. Jahrhundert immer wieder, wenn wir nur an den Boykott von Shell denken aus Anlass der BrentSpar-Affäre. Der Prozess der zunehmenden Regionalisierung als Gegenbewegung zur voranschreitender Globalisierung lässt es immer wichtiger werden, ein regionales Bewusstsein zu schaffen, wie es der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen, Professor Kurt Biedenkopf, einst gefordert hat. Die Menschen sollen sich mit ihrer Region identifizieren, und wenn wir unser Fleisch beim „Metzger unseres Vertrauens“ kaufen, dann unter anderem auch deshalb, weil das Fleisch und die Wurst aus der Region kommen. Der Mitteldeutsche Rundfunk wirbt mit dem Slogan „der Heimatsender“. Der Kauf von Ostprodukten ist Teil unserer Identität und inzwischen ist die Herkunft aus den Neuen Ländern ein wichtiges Verkaufsargument in der Werbung. Konsum ist eine aktive Form der Kommunikation in unserer Gesellschaft. Der Mensch als Konsument ist zugleich Objekt und Subjekt seiner Kultur, denn er trifft bewusste Entscheidungen, er wird aber auch von seiner Kultur beeinflusst. Der Wohlstand, so Jean Baudrillard, ist im Grunde genommen nur die Anhäufung von Symbolen unseres Glücklichseins. Was unser Glück ausmacht, das entscheiden wir letzten Endes selbst. Im November 2003 fand am Institut für Anglistik, Bereich Kulturstudien Großbritanniens, eine internationale Tagung zu Konsum und Konsumkulturen mit Wissenschaftlern aus Großbritannien, Österreich und Deutschland statt. Der Autor hat die Tagung zusammen mit Dr. Dietmar Böhnke organisiert. Anzeige 36 journal Jubiläum 2009 Die Wurzeln der ökonomischen Forschung und Lehre an der Uni Leipzig Von Daniel Gottfried Schreber bis Felix Burkhardt Von Prof. Dr. Rolf H. Hasse, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, und Dr. Friedrun Quaas, Institut für Wirtschaftspolitik Im November 2003 feierte die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig das zehnjährige Jubiläum ihrer Wiedergründung. Aus diesem Anlass hatte die Fakultät zur Erforschung der Geschichte der ökonomischen Wissenschaften Diplomthemen vergeben, in denen für verschiedene Epochen des ökonomischen Denkens der Beitrag der Leipziger Wissenschaftslandschaft zu rekonstruieren war. Im Ergebnis dieser Forschungsarbeiten lässt sich das bisherige Bild der Geschichte der Leipziger Wirtschaftswissenschaften konkretisieren. Einige der bislang vorhandenen Informationen verdichten sich zu einem durch zusätzliche Quellen abgesicherten Kenntnisstand, bisher nicht bekannte Details bereichern den Eindruck des facettenreichen ökonomischen Lehrund Forschungsgebäudes, das über die Jahrhunderte hinweg entstanden und sowohl von allgemeinen Entwicklungen als auch durch eine Leipziger Spezifik geprägt ist. Von den Anfängen eines systematischen ökonomischen Denkens lässt sich mit dogmenhistorischer Berechtigung seit der Phase des Merkantilismus sprechen, den Deutschland als Kameralismus erlebte. Eine auf die Interessen der Landesfürsten und ihre Kassen ausgerichtete Politik benötigte zwar keinerlei zusätzliche Legitimation, denn diese war durch die absolutistischen Herrschaftsmechanismen mehr oder weniger vorausgesetzt, sie rechnete aber sehr wohl mit einer entsprechenden theoretischen Unterstützung, um die Beschaffung und Verwaltung der erzielten Einnahmen und Reichtümer bestmöglich abzusichern. Dies wurde umgesetzt, indem die dazu notwendigen praktischen Methoden einer theoretischen Darstellung und ausgeklügelten Verfeinerung unterzogen wurden. Auf diese Weise entstanden die Heft 1/2004 Kameralwissenschaften samt ihrer Verkörperung durch die ersten Lehrstühle mit ökonomischer Ausrichtung. In die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt die Einrichtung von kameralistischen Lehrstühlen in Deutschland, 1727 in Halle und Frankfurt an der Oder, 1730 in Rinteln, 1752 in Wien, 1755 in Göttingen und Jena. Die Anfänge im 18. Jahrhundert Der Leipziger Lehrstuhl für Kameralwissenschaften wurde per Dekret des Kurfürsten Friedrich August zwar erst am 13. Januar 1764 mit Daniel Gottfried Schreber besetzt, vorbereitet und aufgebaut wurde das Fach allerdings bereits durch Georg Heinrich Zincke, der jedoch zumindest in Leipzig nicht zu professoralen Würden gelangte. Zincke las ab 1742 in Leipzig „Über die Rechte und Cameralwissenschaft“ und war seitdem Herausgeber der zweiten kameralistischen Zeitschrift überhaupt, nämlich der „Leipziger Sammlungen von wirthschaftlichen, Polizey-, Cammer- und Finanz-Sachen“, die bis in die 1760er Jahre hinein erschien. In das Jahr 1764 fällt auch die Gründung der Leipziger Oeconomischen Societät, der neben Landwirten, Kaufleuten, Handwerkern und Manufakturbesitzern auch Gelehrte der Universität als Mitglieder angehörten. Die Antrittsvorlesung von Schreber, dem ersten ordentlichen Professor für Ökonomie und Kameralwissenschaften, stand unter dem Thema „Von den Schäden, welche als Folgen der vernachlässigten ökonomischen Wissenschaften anzusehen sind“ und scheint in Anbetracht der Anwesenheit von Ministern und Beamten im Auditorium fast jene Mahnungen zu antizipieren, die in den Titelseite von Daniel Gottfried Schrebers Werk „Historische, physische und öconomische Beschreibung des Waidtes“, Halle 1752. Mit der Wiederbelebung des Anbaus der Färberpflanze Waidt in Deutschland wollte Schreber nach merkantilistischem Vorbild den Import von teurem Indigo einschränken. Original heißt das bei Schreber so: „… daß künftig viel Geld in Teutschland bliebe, und zum allgemeinen Besten darinnen circulirete, welches itzo für den Indigo an auswärtige Orte geschicket wird.“ nachfolgenden Jahrhunderten durch Vertreter der ökonomischen Zunft an die Adresse von Politik und Gesellschaft gerichtet worden sind. Exemplarisch für die älteren Kameralwissenschaften ist dabei die enge Verbindung der Ökonomie zu den landwirtschaftlichen Disziplinen. In einer gut ausgebauten Ackerbau- und Viehwirtschaft und deren angemessener Verwaltung wird eine besonders gute Grundlage für den Wohlstand des Landes gesehen. Die ersten Ökonomiestudenten an der Leipziger Universität hatten daher auch Vorlesungen zu hören, die auf den Naturwissenschaften aufbauten: Ökonomische Zoologie und Ökonomische Botanik, aber auch angewandte Mechanik und Technologie. Hinzu 37 Jubiläum 2009 kamen die historisch-juristischen Fächer und die im eigentlichen Sinne wirtschaftlichen Disziplinen, wobei die Prioritäten nicht zwangsläufig auf den letzteren lagen. Lehrstuhl umbenannt in „Professur für Landwirtschaft“ Diese Besonderheit spiegelt sich auch in einer Entwicklung wider, in deren Verlauf der kameralistische Lehrstuhl im Jahre 1816 in „Professur für Ökonomie und Technologie“ (Johann Friedrich Pohl) und 1867 in „Professur für Landwirtschaft“ (Friedrich Birnbaum) umbenannt und besetzt wurde. Parallel dazu wurde die ökonomische Ausbildung verbreitert. 1842 wurde der letztlich aus der Professur für Moral und Politik hervorgegangene Lehrstuhl für praktische Staats- und Kameralwissenschaften installiert und zunächst mit Georg Hanssen besetzt, der Nationalökonomie und Statistik lehrte. Von 1848 bis 1894 war Wilhelm Roscher der Inhaber des genannten Lehrstuhls. Roscher als einer der geistigen Väter und führender Repräsentant der Jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie machte Leipzig zum Zentrum der von einem historischen Standpunkt aus betriebenen Volkswirtschaftslehre. Er zog Gelehrte wie Lujo Brentano, August von Miaskowski, Karl Bücher und Wilhelm Stieda an, die sämtlich als Vertreter der Jüngeren Historischen Schule in der Nachfolge von Roscher standen und zum Teil noch parallel zu ihm lehrten. Brentano blieb zwar nur relativ kurz an der Universität Leipzig, nämlich vom Wintersemester 1888/89 bis Wintersemester 1890/91, bevor er nach München ging – doch gilt er als eine der Hauptgestalten der Jüngeren Historischen Schule und seine Verweildauer in Leipzig ist daher ebenfalls von dogmenhistorischen Interesse, besonders da er als liberaler Historiker galt, für den der Interventionismus lediglich als ergänzendes Hilfsmittel der Politik erachtet wurde. Zusätzlich zur Nachbesetzung der rasch wieder vakant gewordenen Professur Brentanos mit seinem unmittelbaren Nachfolger August von Miaskowski wurde noch ein zweiter Lehrstuhl für Nationalökonomie (und Statistik) eingerichtet, den nach einigem Für und Wider schließlich Karl Bücher besetzte, und zwar von 1892 bis 1916/17. Vom zuständigen Dresdener Ministerium war Bücher wegen „sozialistischer Gesinnung“ verdächtigt und zu38 Feier zur Wiedergründung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät im Alten Rathaus am 27. Oktober 1993. Foto: Armin Kühne nächst abgelehnt worden, während Gelehrte wie Karl Lamprecht, Friedrich Ratzel und Wilhelm Wundt sich um seine Berufung bemüht haben; so schätzt dies Bücher selbst jedenfalls in seinen persönlichen Lebenserinnerungen ein. Karl Bücher war bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden aus der Wirtschaftswissenschaft – er gründete 1916 das Leipziger Institut für Zeitungswissenschaft – einer ihrer engagiertesten und produktivsten Hochschullehrer. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg zeigt sich, wie die Vorherrschaft der Historischen Schule in Leipzig allmählich zu bröckeln beginnt. Ludwig Pohle distanzierte sich bereits 1911 mit seiner Bestandsaufnahme „Die gegenwärtige Krisis der deutschen Volkswirtschaftslehre“ und der hieran anschließenden Forderung nach einer Abkehr vom „politisch-moralischen Kathedersozialismus“ definitiv von der „wertenden und politisierenden Nationalökonomie“ und nähert sich in der Konsequenz der durch die angelsächsische Literatur determinierten Neoklassik an. Gerichtet war seine Schrift besonders gegen Gustav Schmoller und seine Positionen, die im berühmten Methodenstreit zwischen Jüngerer Historischer Schule und Grenznutzentheorie ihren Niederschlag gefunden hatten. Alleinherrschaft der Historischen Schule gebrochen In der Folgezeit bedeutete die sich abzeichnende Haltung für die Leipziger Universität konkret, dass die Widerstände aus den eigenen Reihen gegen die Einrichtung eines Lehrstuhls für Sozialpolitik immens waren. In der Konsequenz wurde der dritte Lehrstuhl für Nationalökonomie zwar geschaffen, aber statt, wie ursprünglich geplant, war er nicht sozialpolitisch, sondern finanzwissenschaftlich ausgerichtet. Lehrstuhlinhaber war ab 1921 Bruno Moll, der durch die nationalsozialistische Diktatur im Jahre 1934 aus diesem Amt entlassen wurde. Dass die Alleinherrschaft der Historischen Schule in der Lehre nunmehr gebrochen war, spiegelt sich zu Beginn der 30er Jahre auch in den Empfehlungen zum Studium der Volkswirtschaftslehre wider, empfohlen werden u. a. die Schriften von Schumpeter, Cassel, Marshall und Philippovich, die sämtlich anderen ökonomischen Schulen zuzuordnen sind. Die Machtübernahme durch die NSDAP bringt eine gravierende Veränderung der universitären Strukturen. Die Instrumentalisierung von Lehre und Forschung im Sinne der neuen deutschen Interessen führte insgesamt zu Ausleseprozessen, von denen sowohl der Lehrkörper als auch die Studentenschaft betroffen waren. Wenig rühmliche Aktivitäten wie die heroische Verkündung des Opfers der akademischen Freiheit oder die fast an allen Universitäten stattfindenden Bücherverbrennungen führten schließlich dazu, dass Hochschullehrer, die wegen ihrer mangelnden Nähe zum Regime nicht mehr erwünscht waren, von ihren Wirkungsstätten vertrieben wurden. Opfer der „Säuberungen“ wurden auch Nationalökonomen. Sowohl der Finanzwissenschaftler und Gegner der Historischen Schule, Bruno Moll, als auch der Sozialpolitiker und Repräsentant der Jüngeren Historischen Schule, Gerhard Kessler, verloren bald nach Machtantritt der NSDAP ihre Ämter und mussten die Universität verlassen. Bei der Diskussion um die Nachfolge des Lehrstuhls von Kessler waren u. a. Alfred Müller-Armack, Walter journal Jubiläum 2009 Eucken und Adolf Weber im Gespräch. Müller-Armack, der als theoretischer Begründer des späteren Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft und damit einer der Väter unserer Wirtschaftsordnung gilt, wurde u. a. abgelehnt, weil seine Position zu Marx und zum Marxismus keineswegs so sei, dass man ihn als einen Vorkämpfer des Nationalsozialismus sehen könne. Den umstrittenen Lehrstuhl bekam schließlich Hans-Jürgen Seraphim, dessen Werk und Wirken sich vor allem auf die Begründung einer Theorie der Wirtschaftspolitik ausrichtete. Die betriebswirtschaftliche Lehre im Nationalsozialismus, stand unter der Verpflichtung, die Unternehmen so zur Produktion zu motivieren, wie es volkswirtschaftlich wünschenswert wäre. Hier ist vor allem Alexander Hoffmann zu erwähnen, der in Leipzig während der gesamten nationalsozialistischen Diktatur Professor bleiben konnte, und sich dennoch mit geschickter wissenschaftlicher Argumentation diesem Diktum entzog und statt dessen im Einklang mit der internationalen Betriebswirtschaftslehre dem Rentabilitäts- und Ertragsprinzip als Motiv den Vorzug gab und seine betriebswirtschaftliche Lehre auch danach ausrichtete.m Die Bedingungen, mit denen die Universität Leipzig unmittelbar nach dem Krieg zu kämpfen hatte – zu 64 Prozent zerstörte Hörsäle, Institute und Laboratorien sowie ein stark dezimierter Bestand an Lehrkräften, der außerdem noch vor dem Prozess der Entnazifizierung stand – waren alles andere als günstig für einen normalen Wissenschafts- und Lehrbetrieb. Die Wiedereröffnung der Alma Mater Lipsiensis im Februar 1946 war von Restriktionen begleitet, die auch die institutionelle Struktur für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre in Leipzig beeinflussten. Prägend war zunächst die Eingliederung der Handelshochschule in die Universität. Die Gründung einer Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, die die schon bestehende Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät im Juni 1949 integrierte, war bereits im Dezember 1946 vom Obersten Chef der Sowjetischen Militäradministration beschlossen worden. Gründungsdekan war Fritz Behrens, der bis zu seinem Weggang an die Humboldt-Universität Berlin im Jahre 1955 in Leipzig Politische Ökonomie und Statistik lehrte und zugleich zum Nestor der theoriehistorischen Forschung wurde, die dann bis 1990 im Wissenschaftsbereich Wirtschaftsgeschichte/Geschichte der Politischen Ökonomie wahrgenommen wurde. Kurzfristig, von seiner Berufung 1948 bis zu seinem Tode im Jahre 1950, lehrte auch Henryk Grossmann in Leipzig Politische Ökonomie, der zuvor von 1924 bis zu seiner Emigration 1933 Professor an der Universität Frankfurt war. Die Emanzipation der Fakultät Bereits 1951 erfolgte die Auflösung der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät und eine damit verbundene Emanzipation der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit dem Institut für politische Ökonomie sowie Lehrstühlen für Industrie-, Arbeits-, Verkehrs-, Binnenhandels- und Außenhandelsökonomik. Die starke Ausrichtung auf den Handel zeigte sich auch in der Gründung der Leipziger Hochschule für Binnenhandel im Jahre 1953, die nach zehn Jahren allerdings schon wieder geschlossen wurde. Stattdessen wurde per Politbürobeschluss die Handelshochschule neu gegründet und die Weiterführung der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung an der Universität war nur unter einer veränderten Struktur möglich, da die Ausrichtung auf den Handel weggefallen war. Ge- gründet wurde die Sektion Politische Ökonomie/marxistisch-leninistische Organisationswissenschaft, die ab 1972 dann bis 1989 Sektion Wirtschaftswissenschaften hieß. Die Kernbereiche Politische Ökonomie und Rechnungsführung und Statistik blieben ebenfalls bis dahin erhalten, die Bereiche Organisationswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre wurden später zum Bereich Arbeitsökonomie zusammengeführt. Ein herausragender Gelehrter der Universität Leipzig in jener Zeit ist zweifellos der Statistiker Felix Burkhardt gewesen. Die Übernahme der Funktion als Direktor der Instituts für Statistik im Jahre 1952 war für Leipzig ein Glücksfall, Burkhardt galt international als ausgezeichneter Mathematiker, Ökonom und Demograph, der schulenbildend wirkte und dessen statistische Methodenlehre ein bleibender Platz in der Statistik gebührt. Auch lange nach seiner Emeritierung lehrte er noch und nach seinem Tode im Jahre 1973 waren aus der Schar seiner Schüler eine Reihe namhafter Wissenschaftler hervorgegangen, die sein Werk fortsetzten. Überarbeitete Fassungen der zur Erforschung der Geschichte der ökonomischen Wissenschaften vergebenen Diplomarbeiten der Studierenden Frank Anders, Marius Grabe, Sylvia Reichardt und Christine Thalheim erscheinen in Kürze in der Reihe „Diskussionsbeiträge“ der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Die Fakultät würdigte die beste Arbeit mit einem Preis (dotiert mit 500 Euro), den Dekan Hasse während der Feierlichkeiten zur Wiedergründung der Fakultät an Christine Thalheim übergab. Sie hatte sich mit der „Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945“ beschäftigt. Links: Die Nachwende-Dekane der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät: (v. l.) Rolf Hasse, Hans Günter Rautenberg, Adolf Wagner und Dieter Ehrenberg. Foto: Fakultät Rechts: Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät an ihrem heutigen Standort in der Jahnallee. Foto: Sylvia Dorn Heft 1/2004 39 Jubiläum 2009 Der Machsor für die Maus Leipziger Prachtcodex wurde digitalisiert Von Christoph Mackert, Universitätsbibliothek Mittelalter ist „in“. Jede Großausstellung, ob sie nun den Ottonen oder dem Nibelungenlied gewidmet ist, erweist sich als Publikumsmagnet. Stets besonders umlagert sind die Vitrinen mit den reich ausgemalten Handschriften in ihrer fragilen Pracht, die ansonsten in den Tresoren der Bibliotheken verschlossen liegen. Im gedämmten Licht unter Panzerglas ist für kurze Zeit eine Doppelseite zu sehen, der Rest des Buches bleibt den Blicken verborgen. So entzieht sich das Objekt noch in seiner Präsentation und wird umso mehr zum Faszinosum. Zu den besonderen Kostbarkeiten des umfangreichen mittelalterlichen Bestandes, der von der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) verwahrt wird, gehört eine zweibändige hebräische Pergamenthandschrift aus dem frühen 14. Jahrhundert, die in der Vergangenheit mehrfach als ein solches Ausstellungshighlight fungiert hat. Es handelt sich um einen großformatigen Prachtcodex (Ms. Vollers 1102), der als „Machsor Lipsiae“ („Leipziger Machsor“) international bekannt ist. Ein Machsor – das hebräische Wort bedeutet Wiederholung, Zyklus – enthält die Gebete sowie ausgewählte Bibelstellen für die jüdischen Fest- und Feiertage in der Ordnung des Jahreskreises. Aus dem deutschen Mittelalter ist eine kleine Gruppe von Machsor-Handschriften überliefert, die alle dem ausgehenden 13. oder beginnenden 14. Jahrhundert zugehören, zumeist aufwendig mit Buchmalerei ausgestattet sind und sich Gebieten längs der Rheinschiene zuweisen lassen. Sie geben Zeugnis von der kulturellen Blüte der jüdischen Gemeinden im deutschen Reich kurz vor deren weitgehender Vernichtung nach dem Ausbruch der Pest 1348/49. Der „Leipziger Machsor“ gilt als der schönste dieser mittelalterlichen Machsorim. Die beiden mächtigen Bände in Großfolio (404 Blätter, 49 × 36 cm) sind reich mit Illuminationen in farbenprächtigen Deckfarben und Gold versehen. Aber auch die reinen Textseiten sind künstlerisch gestaltet, indem jede ein individuelles kalli40 Beispiel für die kalligraphische und zugleich bedeutungstragende Gestaltung der Textseiten. graphisches Layout besitzt: Einzelne Wörter oder Partien sind in unterschiedlichen Schriftgrößen geschrieben, eingerückt, zentriert oder in verschiedene Spalten gesetzt, das komplexe Schriftgeflecht zusätzlich durch den Einsatz roter und schwarzer Tinte strukturiert. Dieses aufwändige Seitendesign, das die Bedeutung des Textes augenfällig werden lässt, muss ernorme Vorausberechnungen erfordert haben und verdeutlicht ebenso wie die Verwendung von sehr großen Pergamentbögen und die kostenintensive Ausmalung den repräsentativen Prunkcharakter des Exemplars. Entstanden ist der „Leipziger Machsor“ wohl im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in Südwestdeutschland. Lokalisierung und Datierung stützen sich wesentlich auf den Bildschmuck, der sich der oberrheinischen Buchmalerei um 1300 zuordnen lässt. Ein anderes Werk aus diesem Umkreis ist die berühmte Manessische Liederhandschrift, eine der Hauptüberlieferungen für den deutschen Minnesang. Die Besitzgeschichte des Leipziger Codex liegt weitgehend im Dunkeln, auch wann und auf welchem Weg er im 19. Jahrhundert in die UB Leipzig gelangte, ist derzeit unbekannt. Der jahrhundertelange Gebrauch zu liturgischen Zwecken ist am „Leipziger Machsor“ nicht spurlos vorübergegangen. Dass die Handschrift immer wieder vorgezeigt und ausgestellt wurde, dürfte gerade die Malereien weiter in Mitleidenschaft gezogen haben. Die Faksimilierung der Bildseiten 1964 hat die Benutzung des Originals zusätzlich intensiviert. Heute ist der Zustand insbesondere im Bereich des Buchschmucks ernst: Ein Vergleich mit dem 40 Jahre alten Faksimile erbrachte 2002, dass die Malschichten teilweise lose auf dem Pergament aufliegen und vereinzelt sogar Verlust von Farbschollen eingetreten war. Die Handschrift musste für die weitere Benutzung gesperrt werden. In dieser Situation erhielt die Universitätsbibliothek vom Deutschen Historischen Museum zu Berlin das Angebot, in einem Gemeinschaftsprojekt ein virtuelles Vollfaksimile des Machsor zu realisieren. Hintergrund dieses Vorstoßes: Das Museum bereitet unter der Regie der Sammlungsleiterin Heidemarie Anderlik für seine Dauerausstellung die Präsentation von elf digitalisierten Handschriften aus dem deutschen Bereich im Rahmen einer „Virtuellen Bibliothek des Mittelalters“ vor. Die Auswahl versammelt u. a. solche hochkarätigen Stücke wie den erwähnten Codex Manesse, den Wolfenbütteler „Sachsenspiegel“ oder das Wiener Exemplar der „Goldenen Bulle“. Ziel der Digitalisierung ist nicht einfach nur ein computergestütztes Vollfaksimile in höchster Qualität. Die virtuellen Faksimiles sollen auch einen direkten inhaltlichen Zugang ohne besondere Vorkenntnisse ermöglichen. Deshalb werden die Texte mit zeilengenauen Übersetzungen versehen, die per Mausklick abrufbar sind. Ebenfalls einblenden lassen sich Erläuterungen zu den Bildern sowie eine Lupe, mit der die Einzelheiten der Malereien so nah betrachtet werden können, wie dies an den Originalen aus Schutzgründen nicht (oder nur mit Mundschutz) möglich ist. Dass beim Blättern in den Codices die Seiten „wirklich“ umschlagen, ist eine effektvolle Spielerei am Rande. Verschiedene Register ergänzen das Angebot. Seit Oktober 2003 ist das Ergebnis des Projektes in der Bibliotheca Albertina am journal Jubiläum 2009 Bildschirm zu sehen. Die zeilengetreue Übersetzung des Textes erwies sich als besonders aufwändig und schwierig, weil eine enorme Textmenge zu bewältigen war und das spezielle Layout nachgeahmt werden sollte. Ein Team am Institutum Judaicum der Universität Tübingen um Prof. Stefan Schreiner hat diese Aufgabe in mehrmonatiger Arbeit bewältigt. Großzügige Unterstützung erhielt das Projekt hierfür von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung sowie der Leipziger Sparkasse. Als einziges Digitalisat der „Virtuellen Bibliothek“ enthält das Machsor-Faksimile außerdem Tondokumente: Der Landesrabbiner von Sachsen, Dr. Salomon AlmekiasSiegl, hat verschiedene Gebete in Anlehnung an die Leipziger Überlieferung gesungen, so dass ein Eindruck vom Leben des Textes in der Liturgie möglich ist. Mit dem virtuellen Faksimile des „Leipziger Machsor“ steht ein Produkt zur Verfügung, das sowohl ideale Voraussetzungen für die wissenschaftliche Untersuchung bietet als auch dem breiteren Publikum die Handschrift erschließt. Was aussteht, ist eine CD-ROM-Ausgabe, für die noch Verlagspartner gesucht werden. Im Oktober 2004 jedenfalls werden die Besucher der Ausstellung „Europas Juden im Mittelalter“ nicht mehr eine schwach beleuchtete Doppelseite hinter Glas bestaunen müssen, sondern die Handschrift am PC direkt studieren können: ein neues Faszinosum. Samsons Kampf mit dem Löwen. Miniatur zu Beginn des „Leipziger Machsor“. Das Heilslicht der Seligen, mit Treue Gerüsteten, ihn will ich preisen, inmitten seiner Lieblinge, wie sie einst sangen Zu ihm zieht mich die stärkste Sehnsucht, meine Speicher füllte er einst mit reichem Überfluss, Wir sind vor allen Völkern durch dein Öl gesegnet worden, du hast uns mit köstlichem Dufte gesalbt, Die in deinem Hause weilten als Fürsten, wo einst die Richter saßen, das Lied der Lieder. er erquickt den lechzenden Ermatteten, möchte er mich wiederum liebkosen. eingesetzt über die geheimen Schätze deiner Lehre, mit deinen duftenden Ölen. siehe, sie kehren zu dir zurück, zum herrlichen Palaste, o bringe uns dir nahe. Schmuckseite zum ersten Tag des Pessach-Festes mit Darstellung des Durchzugs durch das Rote Meer. Deutlich sind die Schäden an den Malschichten zu erkennen. Daneben: zeilen- und layoutgetreue Übersetzung aus dem virtuellen Faksimile. Fotos: Universitätsbibliothek Heft 1/2004 41 Titel-H_02_2 07.04.2004 11:56 Uhr Seite 1 C April 2004 M Y CM Heft 2/2004 MY CY CMY K ISSN 0947-1049 Belastungen für junge Sänger: Meine Stimme und ich Ostasiatisches Institut: Ein interkulturelles Trainingslager Einfacher zur Konferenz: Software erleichtert Organisation Medizin-Psychologe Brähler im Interview: „Der Weg über die Medien ist wichtig“ Das „Gefäß der Bestimmung“ auf der „Böhmischen Tafel“ Neues Logo, neue Homepage: Der StuRa hat sein Gewand gewechselt journal Der Wettbewerb ist abgeschlossen – jetzt geht’s los Eine „reiche Architektur“ für den neuen Campus Probedruck EDITORIAL Inhalt Das eigene Gesicht UniVersum Der lange Schatten von Bologna Beirat für „Das Sonntagsgespräch“ „Erklärung zum Europalehrer“ Bilanz des Ausländerbeauftragten Software für Konferenz-Organisation 2 3 3 4 5 Gremien Senatssitzungen Februar/März 6/7 Forschung Geschichte Grimmas bewahren Virtuelle Realität für den Chirurgen Belastungen für junge Sänger Medizin-Psychologe Brähler im Interview Kleinwüchsigkeit: Erfolg bei Ursachen-Suche Forschung von und zu Frauen Borges als Vordenker und Wegweiser 8 8 9 10 12 12 14 UniCentral Campus-Wettbewerb: Ablauf und Ergebnis Kurzinterview mit dem Sieger van Egeraat Die Entscheidung für die „fünfte Fassade“ Erste Diskussion bei Buchmesseakademie Campus-Neubau beginnt mit der Mensa Kunstwerke für die neue Mitte Mit Bildern predigen 16 17 18 19 20 22 24 Fakultäten und Institute Interkulturelles Trainingslager Religion und Gewalt / Tutorenschulung Frühjahrsuniversität / Neuer Alumni-Verein Niederlandistik an Literatur-Reihe beteiligt 25 26 27 28 Studiosi „Leipziger Initiative für Bildung“ StuRa: neues Logo und neue Homepage 29 31 Personalia Neu berufen Insulaner in Leipzig / Preis für Mediziner Geburtstage / Verabschiedung Kirchgässners Kurz gefasst Nachrichten / Nachrufe 32 33 34–36 37 38–41 Jubiläum 2009 Neue Serie: Gesichter der Uni Die „Böhmische Tafel“ 43 44 Habilitationen und Promotionen Am Rande Nomen Impressum 41 29 32 2 Titelfoto: Repro von Armin Kühne Die Jury hat entschieden, die Universität kann zufrieden sein. So lautet jedenfalls mein Fazit aus einem langwierigen, auch von Irritationen und überbordenden Emotionen geprägten, aber schließlich zum guten Ende geführten Architektenwettbewerb, genauer: Qualifizierungsverfahren, für den Neubau des Aula/Kirche-Gebäudes am Augustusplatz. Dieses „Paulinum“ wird nun also nach den Plänen des namhaften Rotterdamer Architekturbüros Erick van Egeraat entstehen. In einem ersten Kommentar nach der entscheidenden JurySitzung, die mit 10 : 3 Stimmen zu einem eindeutigen Votum gekommen ist, habe ich von Erleichterung und Freude gesprochen. Erleichterung, dass der bisweilen quälende, von Querschüssen begleitete, mit einem Jahr Verzögerung behaftete Prozess der Entscheidungsfindung abgeschlossen ist. Freude, dass die Universität ein Bauwerk erhält, das ihr ein eigenes Gesicht zurückgibt, mehr noch, das sich nicht lediglich in das Bauensemble am ersten Platz der Stadt integriert, sondern diesen selbst mit einer Wirkung in die ganze Innenstadt hinein prägt und dominiert. Die expressive Architektur stellt zweifellos etwas Besonderes dar, und um etwas Besonderes ist es uns auch zu tun. Das Projekt ist in gutem Sinne spektakulär. Schließlich steht die Universität Leipzig für eine große Vergangenheit, wie sie kaum eine zweite Hohe Schule in Deutschland aufzuweisen hat, und verkörpert ein Stück Zukunft, ohne das eine gedeihliche Entwicklung von Stadt und Region undenkbar ist. Wichtig war und ist uns, dass der Entwurf den hohen Anforderungen, die wir an die Verbesserung der Bedingungen für Forschung, Studium und Lehre stellen, entspricht und gleichzeitig eine angemessene Erinnerung an die Universitätskirche und ihre Sprengung darstellt. Ich stimme van Egeraat zu, wenn er erklärt, sein Entwurf kopiere die ehemalige Architektur nicht, aber versuche sie in moderner Form zurückzubringen. Kein Nachbau, aber ein Leitmotiv für die gesamte Planung des Neubaus. Jetzt geht es darum, sehr schnell ein planungsreifes, weiter qualifiziertes Projekt auf den Tisch zu bekommen. Unerlässlich wird dabei sein, dass zwischen den Architekten und den anderen Beteiligten ein offener, kritischer, konstruktiver Dialog geführt wird. Dieser Dialog wird sich zuvörderst mit einem ins Leben gerufenen Planungsbeirat vollziehen, in dem Universität, Stadt und Freistaat vertreten sind. Eine Aufgabe wird es beispielsweise sein, wie das auch schon in ersten Empfehlungen der Jury ausgesprochen wurde, den Charakter der Aula deutlicher nachzuweisen, also der Mehrfunktionalität des Innenraumes besondere Beachtung zu schenken. Aber schon jetzt darf man mit den Worten des Jury-Vorsitzenden Prof. Zlonicky sagen: Von diesem Entwurf, indem er Brücken baut in dem Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen zwischen Rekonstruktion und Neuinterpretation, geht eine friedenstiftende Wirkung aus. Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor 1 UniVersum Der lange Schatten von Bologna Lehramtsausbildung im „Leipziger Modell“ Von Prof. Dr. Charlotte Schubert, Prorektorin für Lehre und Studium Der Bologna-Prozess (Schaffung eines einheitlichen europäischen Bildungsraums) stellt die deutschen Hochschulen vor die größte Herausforderung seit der Humboldtschen Reform vor fast 200 Jahren: die Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Impressum Herausgeber: Der Rektor Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig, Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29, E-mail: [email protected] V. i. S. d. P.: Volker Schulte Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Satz und Lithographie: DZA Satz und Bild GmbH, Altenburg Druck und Binden: Druckerei zu Altenburg GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550 Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbH Augustusplatz 10/11, 04109 Leipzig Tel./Fax: 0341/9900440 Einzelheft: 1,50 e Jahresabonnement (sieben Hefte): 13,– e In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Sie sich bitte an die Redaktion, in Fragen, die den Vertrieb betreffen, an den Verlag. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplare erbeten. Redaktionsschluss: 26. 3. 2004 ISSN 0947-1049 2 Einführung der neuen Abschlüsse Bachelor (nach einem dreijährigen Studium) und Master (i. d. R. ein zweijähriges Studium, das schon einen berufsqualifizierenden Abschluss voraussetzt). Diese neue Struktur anstelle der bisher praktizierten, die ein vier- oder fünfjähriges Studium bis zum ersten Abschluss vorsieht, wird die gesamte Hochschulausbildung verändern. Alle Magisterstudiengänge werden auf die Bachelor-/Masterstruktur umgestellt werden. Den Diplomstudiengängen wird von der Kultusministerkonferenz derzeit noch eine Ausnahmestellung eingeräumt, so dass sie zumindest bis 2010 den Abschluss „Diplom“ erhalten können. Doch müssen sie, um zumindest die Kompatibilität mit den anderen Fächern beibehalten zu können und auch den internationalen Anschluss in Europa nicht zu verlieren, ebenfalls an den wesentlichen inhaltlichen Schritten dieser Reform teilnehmen. Die Universität Leipzig stellt sich dieser Herausforderung, indem sie ein Gesamtkonzept entwickelt hat, das eine vollständige Umstellung der Magisterstudiengänge zum WS 2006/7 vorbereitet und dabei die enge Verbindung zwischen den heutigen Magister- und Diplomstudiengängen in die neue Struktur integriert. Welche Auswirkungen wird dies auf die Lehramtsausbildung haben? Das Lehramt steht heute sowohl im Schatten des Bologna-Prozesses als auch der seit „Pisa“ neu aufgeflammten Forderung nach einer Qualitätssteigerung in der Lehrerausbildung. Das Lehramtsstudium schließt mit dem ersten Staatsexamen ab, einige Bundesländer haben stattdessen aber jetzt schon den Masterabschluss eingeführt und alle Bundesländer haben sich verpflichtet, diese Masterabschlüsse als gleichwertig zu ihrem eigenen Staatsexamen anzuerkennen. Gerade die Lehramtsstudiengänge blicken in Deutschland auf eine alte und bewährte Tradition zurück. Generell gilt aber heute für alle Fächer, dass die Lehramtstudiengänge und die jeweiligen Fachdisziplinen das gleiche wissenschaftliche Fundament haben. Für die Universität Leipzig ist es daher ein besonderes Anliegen, diese inhaltliche Verflechtung zwischen den Lehramtstudiengängen und allen „Mutterdisziplinen“ auch weiterhin zu bewahren. Daher hat die Einbindung der Lehramtsstudiengänge in die neue Studienstruktur an der UL einen hohen Stellenwert! Ausgehend von der bewährten ZweifächerKombination im Lehramt wird an der Uni- versität Leipzig die in der fachlichen Hoheit der Universität liegende Gestaltung der Lehramtsausbildung parallel zu der neuen Bachelor/Master-Ausbildung eingerichtet: Auf der Bachelor-Ebene wird im Sinne der Einführung von Kerncurricula in jeder Fachdisziplin für die Lehrämter eine breite und solide Grundausbildung gemäß dem Humboldt’schen Prinzip „Lehre aus Forschung“ realisiert. Auf der MasterEbene wird dies vertieft. Am Ende wird dann jedoch kein Masterabschluss stehen, sondern das bewährte 1. Staatsexamen. Um die heute höheren Ansprüche an die Berufspraxis des Lehramts zu erfüllen, wird der erziehungswissenschaftliche Anteil der Ausbildung sowohl quantitativ als auch qualitativ im Vergleich zu bisherigen Lehramtsstudiengängen aufgewertet. Hierzu soll durch das „Leipziger Modell“ eine weitgehende Koordinierung der bisher strikt getrennten 1. und 2. Ausbildungsphase (Studium und Referendariat) stattfinden. Eine größere Praxisnähe der Lehramtsausbildung wird durch eine neue und verpflichtende Struktur schulpraktischer Studien in drei jeweils vierwöchigen Blöcken gewährleistet werden, die alle Studierenden der Lehramtstudiengänge an den ihrem Studiengang entsprechenden Schultypen absolvieren. Dies soll in enger Zusammenarbeit mit dem Studienseminar organisiert werden. Eine besondere Rolle wird dabei dem Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung zukommen, dessen Gründung im Sommersemester 2004 an der Universität Leipzig bevorsteht. Fachwissenschaftler, Fachdidaktiker und Erziehungswissenschaftler werden hier, auch in Zusammenarbeit mit dem Studienseminar, die Kompetenzen bündeln. Damit wird eine Struktur geschaffen, die einerseits allen Studierenden der Lehramtsstudiengänge, andererseits den Lehrenden als Plattform dient für die notwendige Koordination aller Aspekte des Lehramtes von Lehre, Studium und Forschung bis zur Fort- und Weiterbildung . Mit dieser Einbettung in das Gesamtkonzept ihrer Studienreform wird die Universität Leipzig auch in Zukunft die der hohen gesellschaftlichen Bedeutung des Lehramts angemessene Qualität der Lehrerausbildung gewährleisten können. Die neuen Abschlüsse Bachelor und Master und die dafür erdorderlichen neuen Strukturen werden UniCentral-Thema der nächsten Journal-Ausgabe sein. journal UniVersum Beirat für „Sonntagsgespräch“ Unter Federführung der Prorektorin für Lehre und Studium, Prof. Dr. Charlotte Schubert, hat sich am 11. März für die neue Veranstaltungsreihe „Das Sonntagsgespräch mit der Universität Leipzig“ ein Beirat konstituiert. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Georg Meggle. Neben den beiden Genannten gehören dem Beirat von Universitätsseite noch Prof. Dr. Klaus Bente (Studium universale) sowie Dr. Ralf Schulze/Volker Schulte (Dezernat für Öffentlichkeitsarbeit und Forschungsförderung/Pressestelle) an. Externe Vertreter sind Prof. Dr. Gerhardt Wolff/Dr. Walter Altmann (Vereinigung der Förderer und Freunde der Universität Leipzig), Dr. Ulrich Brieler (Stadt Leipzig, Referat Grundsatzfragen), Dr. Hans-Werner Schmidt (Museum der bildenden Künste), Christian Wolff (Kirchen in Leipzig) und Bernhard Wiedemann (Mitteldeutscher Rundfunk). Bekräftigt wurde der Grundgedanke, mit dem „Sonntagsgepräch“ dem offenen, meinungsfreiheitlichen und furchtlosen Nachdenken über brisante Fragen der Zeit und zukunftsrelevante Probleme eine Bühne zu geben. Getreu der Devise: Universitäten sind kein Ort für Denkverbote. „Das Sonntagsgepräch“ begreift sich als ein Medium für Streitgespräche mit Tiefgang. Die nächsten drei Veranstaltungen stehen bereits fest: 16. Mai 2004, 14 Uhr im Zoo: Prof. Dr. Michael Tomasello (Leipzig): „Menschen = Affen?“; 13. Juni 2004: Prof. Dr. Monika Krüger und Prof. Dr. Jörg Gertel (Leipzig): „Weizen als Waffe?“ und 27. Juni 2004, Veranstaltung für Schulkinder: Prof. Dr. Manfred Frank (Tübingen): „Warum bin ich ich?“ Wenn man so will, findet „Das Sonntagsgespräch“ nicht nur an Sonntagen statt. Gesprächswillige können über die Adresse [email protected] mit den Verantwortlichen jederzeit in Verbindung treten, sei es mit Anfragen und weiteren Themenvorschlägen, sei es in Form von Kommentaren oder Kritik. V. S. „Das Sonntagsgespräch” im Internet: www.uni-leipzig.de/~sonntag Heft 2/2004 „Erklärung zum Europalehrer“ Leipziger Initiative für länderübergreifende Ausbildung Die Universität Leipzig hat sich in Geschichte und Gegenwart für grenzüberschreitende Forschung und Lehre eingesetzt. Der Arbeitsbereich „Schulpädagogik“ der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät betreut seit drei Jahren im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien ein Projekt der Europäischen Union, das Lehrer, Schüler, Eltern, Schulverwaltungen und die regionalen Hochschulen in einem Netzwerk zusammenführt. Parallel dazu führt der Bereich Vergleichende Pädagogik Drittmittelprojekte zur europäischen Dimension in den Lehrplänen und bei den Lehrern dieser Länder durch. Damit leisten die beiden Arbeitsbereiche der Uni Leipzig einen entscheidenden Beitrag für das Wachsen einer europäischen Identität über Ländergrenzen hinweg. Die „Leipziger Erklärung zum Europalehrer“ wurde zum Abschluss der internationalen Fachtagung „Lehrerbildung in Europa – Lehrerbildung für Europa“ verabschiedet. Sie bekundet zusammenfassend das Vorhaben, länderübergreifende und gemeinsame Studienabschlüsse für Lehrer gemeinsam mit den Kollegen anderer europäischer Länder zu entwickeln und stellt das Leipziger Modell zum „Europalehrer“ als ModellAngebot dar. An der Universität Leipzig soll demnächst ein solcher Studiengang eingerichtet werden. Die zweitägige Tagung wurde Ende Januar von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität veranstaltet, gemeinsam mit dem Zentrum zur Erforschung und Entwicklung pädagogischer Berufspraxis, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Vereinigung der Förderer und Freunde der Universität und der Verbundnetz Gas AG. Über 80 Vertreter aus Politik, Forschung und Bildungspraxis aus Deutschland, Spanien, Polen und Lettland nahmen daran teil. Die außergewöhnlich große Zustimmung dieser Zusammenarbeit sowie das Erfordernis der Europäisierung des Bildungswesens auch im Schulbereich ermutigt die Universität Leipzig, länderübergreifende Studiengänge und gemeinsame Studienabschlüsse für Lehrer vorzuschlagen, die prinzipiell in allen Ländern unterrichten können. Diese „Europalehrer“ sollen helfen, die seit 1993 bestehende Freizügigkeit für alle Berufsgruppen auch im Schulbereich zu stärken. Eine fundierte Ausbildung in europäischer Kultur und in europäischen Sprachen soll den Europalehrer befähigen, Kindern und Jugendlichen die „europäische Idee“ näher zu bringen und sie für die gemeinsamen Ziele einer europäischen Wertegemeinschaft zu gewinnen. Die international besetzte Fachtagung „Lehrerbildung in Europa – Lehrerbildung für Europa“ am 24./25. Januar 2004 in Leipzig hat ein praxisnahes Modell zum „Europalehrer“ mit dem Abschluss eines „Master of Arts“ entwickelt und vorgestellt. Zugleich wird den Hochschulen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Angebot unterbreitet, hieran mitzuwirken. Die Universität Leipzig wird diesen innovativen Studiengang in absehbarer Zeit einrichten. Am Vorabend des Beitritts von zehn weiteren Ländern in die EU setzt die Universität Leipzig ein Zeichen und ergreift die Initiative auf diesem wichtigen Feld des kulturellen und sozialen Zusammenlebens der Völker im geeinten Europa. Prof. Dr. Aı̄da Krūze, Direktor des Instituts für Pädagogik und Psychologie der Universität Lettlands, Riga / Prof. Dr. Miroslaw Szymański, Dekan der Pädagogischen Fakultät der Universität Warschau / Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schulz, Direktor des Instituts für Allgemeine und Vergleichende Pädagogik und Psychologie, Schulpädagogik und Pädagogische Psychologie der Universität Leipzig 3 UniVersum Dank für das Vertrauen Wolfram Herold mit einer Bilanz seiner Betreuung von Ausländern Zum 31. März verabschiedete sich der langjährige Ausländerbeauftragte der Universität, Dr. Wolfram Herold, aus seinem Amt und übergab seine Aufgaben an die vom Senat bestätigte Nachfolgerin (siehe folgende Seite). Unmittelbar nach der Beendigung seines Physikstudiums im Jahre 1962 und der Einstellung als wissenschaftlicher Assistent wurde Herold von seiner Dienststelle, dem Institut für Biophysik der Medizinischen Fakultät, mit der fachlichen Betreuung der ausländischen Medizinstudenten, die damals einen weit größeren Anteil als heute ausmachten, beauftragt. Aufgrund seiner Einsatzbereitschaft und seiner Akzeptanz betraute man ihn bald mit der Mitarbeit in der Kommission für ausländische Studierende der Fakultät, die unter Leitung des allseits geschätzten Pharmakologieprofessors Reinhard Ludewig stand. Er wurde sein Stellvertreter und später sein Nachfolger im Amt. Damit wurde er gleichzeitig auch Mitglied der „Kommission Ausländerstudium“ für die gesamte Universität. Nach der Wende wurde er von den ausländischen Studierenden in einer Direktwahl als Ausländerbeauftragter der Universität gewählt und von Rektor und Senat in diesem Amt immer wieder neu bestätigt. Mit 42 Jahren Betreuungstätigkeit dürfte er der wohl am längsten ununterbrochen tätige Ausländerbetreuer an deutschen Universitäten sein. In nebenstehendem Beitrag zieht er eine persönliche Bilanz. 4 Eines von vielen hundert Erinnerungsbildern: Dr. Wolfram Herold 1999 mit zwei Leipziger Absolventen aus Ghana, zu denen er – wie zu vielen anderen auch – Kontakt hält: Dr. Asiwome (Jerry) Seneadza (l.), der sich auch als DJ in der Moritzbastei betätigte, und dessen Bruder Oswald. Foto: privat Von Jugend an hatte ich für andere Kulturen und Mentalitäten ein großes Interesse, das angestrebte Studienfach Ethnologie wurde mir aber verwehrt. Trotz meiner Funktionen und meiner wissenschaftlichen Entwicklung war ich nie Reisekader und freute mich deshalb sehr, auf dem Wege der Betreuung wenigstens teilweise durch Kontakte mit Ausländern meinen Drang nach direkten Informationen aus einer anderen Welt und dem Bedürfnis nach fachlicher und sozialer Unterstützung von ausländischen Studierenden erfüllen zu können. Obwohl es in mancher Hinsicht vor der Wende wegen der weitgehenden sozialen Absicherung nicht die gleichen Probleme für ausländische Studierende gab wie heute, gab es anders gelagerte Sorgen. Es gibt auch jetzt noch eine große Zahl von Verbindungen aus dieser Zeit, die persönlich oder über das Alumni-Programm der Universität gepflegt werden. Besonders groß ist die Freude, wenn sich Kinder von ehemaligen Leipziger Studenten melden und Grüße von ihren Eltern übermitteln. Nach der Wende kommt die Hauptklientel des Ausländerbeauftragten aus Entwicklungsländern und Osteuropa. Trotz aller staatlichen und universitären Fürsorge haben sie sich wegen ihrer meist finanziell bedingten Schwierigkeiten mit einer Menge von Nachfolgeproblemen auseinander zu setzen, die weder von ihnen noch vom Akademischen Auslandsamt allein gelöst werden können. Deshalb ist das Amt eines unabhängigen Ausländerbeauftragten, der Vertrauen genießt und Vertraulichkeit gewährt, außerordentlich wichtig. Die Positionen und Kompetenzen beider Stellen ergänzen sich und haben nur ganz selten zu Kontroversen geführt. Vielen Dank an dieser Stelle den Mitarbeitern des Akademischen Auslandsamtes für die gute Zusammenarbeit! Die Aufgaben des Ausländerbeauftragten sind vielfältig und lassen sich nur anhand einer stichwortartigen Aufzählung von Einzelbeispielen erläutern, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann. Dazu gehören Unterstützung bei der Suche nach begrenzten Hilfsmaßnahmen (z. B. Förderverein, DAAD, Studentengemeinden, Stiftungen, Referat Ausländischer Studierender), Hilfe bei der Klärung von Aufenthaltsproblemen bei Dienststellen wie Ausländerbehörde, Polizei, Versicherungen, Sozialamt, Jugendamt, Gerichten, Arbeitgebern, Studentenwerk und anderen Vermietern, Ärzten, deutschen und ausländischen Botschaften, ggf. natürlich auch bei Uni-Dienststellen bzw. dem Lehrkörper. Das kann u. a. durch Gutachten, Argumentation, Klärung von umstrittenen Sachverhalten oder Bitte um Ausnutzung von Ermessensspielräumen und Härtefallregelungen erreicht werden – eine Entscheidungskompetenz besitzt der Ausländerbeauftragte nicht! Letztendlich wird er auch bei der Regelung privater Probleme um Rat gebeten. Abschließend möchte ich mit eigenen Worten noch einige Gesichtspunkte hervorheben, die mir bei meiner Amtsübergabe am Herzen liegen. Die Universität Leipzig ist aus meiner, vor allem aber aus der Sicht ihrer ausländischen Studierenden eine weltoffene und ausländerfreundliche Universität, die auch unter diesem Aspekt einen guten Platz innerhalb der großen deutschen Universitäten einnimmt. Die Universitätsleitung und alle Mitarbeiter stehen den Problemen unserer Ausländer aufgeschlossen gegenüber und helfen, wo es irgendwie möglich ist. Schwierigkeiten treten weniger mit dem Studium an der Universität als bei der Bewältigung der allgemeinen Lebensumstände auf. Der Ausländerbeauftragte kann dabei helfen, die Probleme zu verringern. In diesem Sinne wünsche ich meiner Nachfolgerin erfolgreiches Wirken. Vielleicht gelingt es journal UniVersum ihr auch, die institutionelle Zusammenarbeit mit den Fakultätsverantwortlichen für Ausländer zu intensivieren, die in den letzten Jahren leider etwas in den Hintergrund getreten ist. Abschließend möchte ich mich noch einmal bei allen herzlich bedanken, die mich in- und außerhalb der Universität bei meiner Tätigkeit unterstützt haben, besonders natürlich auch bei den Ausländern selbst, die vertrauensvoll meine Hilfe in Anspruch genommen und mir mit ihrer Dankbarkeit ausgedrückt haben, dass meine Tätigkeit von Nutzen gewesen ist. Die Nachfolgerin: Birgit Jänichen Auf Dr. Wolfram Herold folgt eine Frau: Dr. Birgit Jänichen ist Sachbearbeiterin im Zentralen Prüfungsamt der philosophischen Fakultät, zuständig für die Politikwissenschaft. Diese Tätigkeit übt die 45-Jährige seit August 2001 aus – und wird es auch weiterhin tun, die Aufgabe als Ausländerbeauftragte kommt hinzu. „Ich freue mich natürlich, dass das Rektorat an mich herangetreten ist und übernehme die Aufgabe gern“, sagt Birgit Jänichen. „Wie ich sie konkret umsetzen werde, kann ich aber noch nicht sagen, dazu muss ich mich erst einmal einarbeiten.“ In jedem Fall möchte sie rege Kontakte zu Fakultäten und Instituten sowie zum Akademischen Auslandsamt pflegen. Die Diplom-Slawistin kennt die Probleme, die ausländische Studierende oft beschäftigen, zu einem guten Teil aus eigener Erfahrung. Sie hat ihr gesamtes Studium in Sofia absolviert. „Da hätte ich mir oft einen entsprechenden Ansprechpartner gewünscht“, sagte sie. Generelle Probleme ausländischer Mitbürger erfahre sie zudem während ihrer Nebentätigkeit: Sie lehrt Deutsch als Fremdsprache bei einem freien Bildungsträger. Ihre genauen Sprechzeiten will Jänichen in Kürze festlegen. Der Dienstagvormittag (9 bis 12 Uhr) soll auf jeden Fall dabei sein. Die Ausländerbeauftragte ist im bekannten Büro in der Goethestraße 6 (Zimmer 430) zu finden, auch die Telefonnummer bleibt: 9 73 20 33. C. H. Heft 2/2004 Einfacher zur Konferenz Wie eine Software die Organisation erleichtern kann Wer möchte nicht mal Albert Einstein sein? Nichts leichter als das: mit „Paperdyne“. Dabei handelt es sich um ein Computerprogramm, in dessen Demo-Version im Internet man sich unter anderem als Albert Einstein einloggen kann. Tut man das, ist man zwar nicht auf dem Weg zu genialen Eingebungen à la Relativitätstheorie, aber immerhin zu einer sehr nützlichen Erkenntnis. Die da lautet: Wissenschaftliche Konferenzen lassen sich einfacher vorbereiten als mit vielen bekannten Systemen. Bei „Paperdyne“ handelt es sich um eine Software, die dem „Programme Committee Chair“ (PCC) – also dem Leiter der Programmkommission, die eine Konferenz vorbereitet – als Hilfsmittel vor allem für die Kommunikation mit Autoren und Gutachtern von Konferenzbeiträgen dient. „In Sachen Kommunikation hat unser Tool anderen Systemen einiges voraus“, sagt Diplom-Informatiker Clemens Schäfer vom Lehrstuhl für Angewandte Telematik / e-Business, an dem das Projekt beheimatet ist. Vor einer Konferenz ist viel zu tun: Aufsätze müssen eingefordert werden, dann können sich die Gutachter entscheiden, welche davon sie unter die Lupe nehmen wollen. Der Koordinator verteilt die Aufsätze auf die Gutachter und muss dabei auch Interessenskonflikte berücksichtigen, die für bestimmte Gutachter bei bestimmten Autoren auftreten könnten. Natürlich müssen die Gutachter auch oft ermahnt werden, doch endlich ihr Gutachten zu liefern. Schon diese wenigen beispielhaften Ausführungen zeigen, was viele Professoren auch aus eigener Erfahrung wissen: Der Kommunikationsaufwand ist enorm. „Viele Programme Committee Chairs machen das dann mit ihrem handelsüblichen Mail-Programm und haben somit sehr viel Arbeit“, konstatiert Clemens Schäfer. „Mit ‚Paperdyne‘ kann man hingegen selbst individuelle und personalisierte Massenmails erzeugen. Vor inhaltlichen Konflikten warnt das Programm, lässt aber auch die Freiheit, ein Gutachten trotz eines Konfliktes zu vergeben. Fortschrittsanzeigen gibt es natürlich auch. Und Erinnerungsmails kosten nur noch einen Mausklick.“ Ohnehin sei „Paperdyne“ einfach zu bedienen, wirbt Schäfer weiter. Und trotz aller arbeitserleichternden Automatismen bleibe der Koordinator immer Herr des Geschehens. Erste Erfahrungen mit dem System für das Konferenzmanagement sind im Vorfeld einiger Konferenzen bereits gemacht worden. Schließlich gibt es das Grundprogramm auch bereits seit 2001, als es als studentisches Entwicklungsprojekt an der Universität Dortmund entstand. Prof. Dr. Volker Gruhn, heute Lehrstuhlinhaber in Leipzig, hatte damals in Dortmund eine Konferenz zu organisieren – „und unsere Gruppe bekam dann eben ein entsprechendes Projektthema“, erinnert sich Clemens Schäfer, der seinem damaligen Lehrer im Februar 2003 nach Leipzig folgte. „Die erste Software-Version war vielversprechend. Die wollten wir nicht wegwerfen.“ Daher habe er das Programm gewissermaßen „mitgenommen“. „Jetzt haben wir noch ein paar Dinge geradegezogen und 5 UniVersum | Gremien verbessern das Ganze kontinuierlich weiter. Zudem können wir es zu Forschungszwecken einsetzen, zum Beispiel im Bereich Sicherheitstechnik.“ In Leipzig hat das Kind auch seinen aktuellen (Kunst-) Namen bekommen, bestehend aus dem englischen Wort für Aufsatz, „paper“, und dem Zusatz „dyne“, was für Dynamik stehen soll. Wenn Schäfer „wir“ sagt, dann meint er sich und den weiteren Lehrstuhl-Mitarbeiter Dirk Peters sowie zwei studentische Hilfskräfte. Sie bieten den Angehörigen der Universität Leipzig nun an, „Paperdyne“ kostenlos für eine Konferenzvorbereitung zu nutzen und dabei ihre Unterstützung zu erfahren. Nicht ganz ohne Hintergedanken, wie Clemens Schäfer verrät: „Wir wollen das irgendwann kommerziell einsetzen. Dafür brauchen wir gute Referenzen.“ Carsten Heckmann Weitere Informationen Das Konferenzmanagement-System „Paperdyne“ ist im Internet zu finden unter: www.paperdyne.de Mit Fragen kann man sich wenden an Clemens Schäfer, Lehrstuhl für Angewandte Telematik / e-Business, Tel.: 03 41/9 73 23 34, E-Mail: [email protected] Des weiteren hat das Dezernat für Öffentlichkeitsarbeit und Forschungsförderung im Internet eine ganze Reihe von grundlegenden Informationen für die Organisatoren von wissenschaftlichen Veranstaltungen zusammengestellt, zu finden unter www.uni-leipzig.de/dezernat5/ veranstalten Die Informationen umfassen auch das Rahmenprogramm von solchen Veranstaltungen, Protokollfragen sowie das Thema Unterkünfte. Eine „Checkliste Tagungsorganisation“ steht zum Download bereit. 6 Stellenabbau zwingt zu Aufhebung Sitzung des Senats am 3. 2. 1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; das betraf Ausschreibung und Berufungskommission für „Stahlbau/Holzbau“ (C3/befristet bis 30. 9. 2008), „Stoffwechselbiochemie/Enzymologie“ (C3); Verfahrenseinstellung, Neuausschreibung und Berufungskommission für „Kinderchirurgie“ (C4) (Nachfolge Prof. Bennek); Verfahrenseinstellung und Denominationsänderung sowie Neuausschreibung und Berufungskommission für „Organische Chemie/Chemische Diversität und Funktion“ (C3). Der Senat billigte die Berufungsvorschläge für „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere externe Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung“ (C4) und für „Angewandte Mathematik“ (C4). Der Senat stimmte vier Anträgen der Medizinischen Fakultät auf Verleihung des Rechts zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßige Professorin“ bzw. „außerplanmäßiger Professor“ zu, und zwar für PD Dr. rer. nat. habil Gabriela Aust (Institut für Anatomie), PD Dr. med. habil. Eva Robel-Tillig (Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche), PD Dr. rer. nat. habil. Kurt Engeland (Medizinische Klinik und Poliklinik II) und PD Dr. med. habil. Harald Lenk (Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche). 2. Der Rektor informierte über den Stand der Erarbeitung von Entwicklungsvereinbarungen, die zwischen dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und den einzelnen Universitäten in Erfüllung des Hochschulvertrages abgeschlossen werden. Das Rektoratskollegium habe noch keinen Entwurf einer solchen Entwicklungsvereinbarung ausarbeiten können, weil von den Integrationskommissionen, bestehend aus Vertretern der abgebenden und der aufnehmenden Einrichtungen, noch kein abschließender Bericht vorliegt. Das Prorektorat für strukturelle Entwick- lung und eine Rektoratskommission, der Vertreter der von der Konzentration von Studiengängen in Sachsen betroffenen Fakultäten angehören, haben jedoch ein Arbeitspapier erstellt, das nunmehr noch durch Hinweise und Ergänzungen aus dem Senat und den Fakultäten präzisiert werden soll. 3. Der Senat beschloss mehrheitlich die Aufhebung des Studienganges MagisterNebenfach Niederlandistik. Betont wurde, dass dies nicht aus fachlichen Gründen geschähe, sondern wegen des verordneten Stellenabbaus in der Philologischen Fakultät (24 Stellen) und im Institut für Germanistik (14,5 Stellen). Der Senat folgte damit auch einem Beschluss der Fakultät, mit dem sie ihrer Schwerpunktsetzung und dem vorrangigen Anliegen, die Arbeitsfähigkeit des mit 3000 Studierenden überlasteten Instituts für Germanistik zu erhalten, entsprach. 4. Der Senat stimmte dem Antrag auf Weiterförderung des Sonderforschungsbereiches 586 „Differenz und Integration“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft zu. Für die zweite Bewilligungsperiode (1. 7. 2004 bis 30. 6. 2008) des gemeinsam mit Halle betriebenen SFB wurden für die Universität Leipzig rund 2 Millionen EUR an Personal- und Sachmitteln beantragt. 5. Der Senat bestätigte in Vorbereitung der Wahlen 2004 der studentischen Vertreter für den Fakultätsrat, den Fachschaftsrat und das Konzil den Zeitplan und die Sitzverteilung für die Gruppenvertreter der Studierenden im Konzil (insgesamt 73). 6. Der Senat beschloss eine Reihe von Studiendokumenten: die Studienordnung für den Studiengang Medizin sowie Prüfungs- und Studienordnung und die Eignungsprüfung für den Bachelor-Studiengang Kunstpädagogik. 7. Der Senat nahm zustimmend Kenntnis von Veränderungen in der Zusammensetjournal Gremien zung der Forschungskommission (Vorsitz: Prorektor Prof. Schlegel als Nachfolger von Prof. Papp, Prof. Sibold statt Prof. Tetzlaff, Prof. Hörner statt Prof. HoppeGraff und zusätzlich PD Dr. Middell als ständiger Gast mit beratender Stimme) und der Graduiertenkommission (Vorsitz: Prof. Schlegel als Nachfolger von Prof. Papp). 8. Der Rektor als Mitglied der Jury informierte über den Stand im Architektenwett- bewerb zur „Neu- und Umgestaltung des innerstädtischen Universitätskomplexes am Augustusplatz – Qualifizierungsverfahren zum Bereich ehemaliger Standort Paulinerkirche zur Neubebauung mit einer Aula/Kirche“. Nachdem die Jury am 13. Januar aus den zehn eingereichten Arbeiten vier zur weiteren Qualifizierung ausgewählt hat, fand am 20. Januar ein Kolloquium mit den im Wettbewerb ver- bliebenen Architektenbüros statt. In Einzelgesprächen wurden den Architekten weitere Anregungen vermittelt, die danach vor der Aufgabe standen, ihre Entwürfe bis zum Abgabetermin Anfang März zu überarbeiten. Die abschließende Sitzung der Jury findet am 24. März statt, anschließend werden alle zehn Entwürfe der Öffentlichkeit in einer Ausstellung vorgestellt. Entwicklungsvereinbarung verabschiedet Sitzung des Senats am 9. März 1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; im einzelnen: Ausschreibung und Berufungskommission für „Musikpädagogik und Musikdidaktik“ (C4), die Berufungsvorschläge für „Allgemeine Sprachwissenschaft“ (C4) (Nachfolge Frau Prof. Steube), „Soziologie mit Schwerpunkt Vergleich moderner Gegenwartsgesellschaften“ (C3), „Public Health“ (C3), „Physische Geographie“ (C4) (Nachfolge Prof. Neumeister), „Anthropogeographie“ (C4) (Nachfolge Frau Prof. Schmidt). Der Senat stimmte Anträgen der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften und der Medizinischen Fakultät zu, PD Dr. theol. Dr. phil. habil. Detlef Döring, PD Dr. med. habil. Andreas Hagendorff und PD Dr. rer. nat. habil. Jürgen Kratzsch das Recht zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen. Ebenfalls stimmte der Senat dem Antrag der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu, Dr. jur. Thomas Pfeiffer, Präsident des Sächsischen Finanzgerichts und des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen, zum Honorarprofessor für Steuerrechtslehre zu bestellen. 2. Der Senat verabschiedete nach ausgiebiger Diskussion die Entwicklungsvereinbarung zwischen der Universität Leipzig und der Sächsischen Staatsregierung. Ihr Entwurf war zuvor in den Fakultäten mit Änderungsvorschlägen und Ergänzungen versehen worden. Die Diskussion im Senat zeigte die Bereitschaft, den Diskurs über die Entwicklungslinien und Forschungsschwerpunkte der Universität Leipzig weiterzuführen, um zu möglichst noch präziseren Aussagen zu gelangen. Der Senat Heft 2/2004 war sich aber auch einig darin und beauftragte den Rektor, dies in einem Begleitschreiben zur Entwicklungsvereinbarung gegenüber dem Staatsministerium zum Ausdruck zu bringen, dass der Text einen aktuellen Ausgangspunkt für den Verfolg solcher Entwicklungslinien darstellt, gleichzeitig aber im Sinne der Freiheit der Forschung eine Entwicklungsoffenheit nicht beeinträchtigen darf. Das gilt beispielsweise für Abreden, die auf dem „Leipziger Forschungsgipfel“ getroffen wurden und auf den Ausbau der Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Bildung regionaler Forschungscluster, die Kompetenzbündelung auf dem Gebiet Ostmitteleuropa und die Internationalisierung der Studienstruktur zielen. Das Schreiben sollte auch die Erwartung an das Staatsministerium formulieren, dass die Universität Leipzig bei der Umsetzung der Studienreform mit der breiten Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und neuer internationaler Promotionsstudiengänge wie auch bei der Umsetzung der Strukturvorgaben der Hochschulvereinbarung unterstützt wird. 3. Der Senat dankte dem langjährigen Ausländerbeauftragten PD Dr. Wolfram Herold, der diese Funktion bis zum 31. 3. wahrnimmt, und bestellte Dr. Birgit Jänichen vom Zentralen Prüfungsamt für die Philologische Fakultät, die Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften und die Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie zur neuen Beauftragten für ausländische Studierende und Mitarbeiter (Ausländerbeauftragte) der Universität. 4. Der Senat beschloss die Aufhebung des Aufbaustudienganges Umweltchemie wegen mangelnder Nachfrage sowie des Diplomstudienganges Mineralogie und des Magisterstudienganges Logik und Wissenschaftstheorie zum Wintersemester 2004/ 2005 in Umsetzung der in der Hochschulvereinbarung enthaltenen Strukturveränderungen. Die Diskussion hierzu ergab, dass damit in keinem Falle absolute Kompetenzverluste verbunden sind. Der Umweltaspekt ist integraler Bestandteil des Chemie-Studiums; Mineralogie-Studenten können nach drei Jahren bruchlos in den vorgesehenen Masterstudiengang übernommen werden; die Logik erhält eine Perspektive in dem neu einzurichtenden Bachelor-Studiengang „Angewandte Logik“ im Kernfach. 5. Die Gruppe der studentischen Mitglieder des Senats wählte Daniel Röthig von der Fachschaft Politikwissenschaft zum studentischen Mitglied des Ordnungsausschusses der Universität Leipzig. 6. Der Senat genehmigte die Fakultätsordnung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie eine Änderung in der Ordnung des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung, wonach dem Vorstand nur noch drei Hochschulprofessoren/ innen (zuvor 5) und 1 Mitarbeiter/in (zuvor 2) angehören. 7. Der Senat entschied in einem Widerspruchsverfahren, das gegen die Ablehnung eines Antrags auf ein Promotionsstipendium durch die Graduiertenkommission eingeleitet worden war. Prof. Dr. F. Häuser V. Schulte Rektor Pressesprecher 7 Forschung DFG-gefördertes Projekt zu Verlagen und Presse Geschichte Grimmas bewahren Die Stadt Grimma spielte in der deutschen und insbesondere in der sächsischen Verlags- und Pressegeschichte eine ganz besondere Rolle. Eine erste Buchdruckerei existierte dort bereits von 1522 bis 1524, ab 1795 etablierte sich das Druckgewerbe dauerhaft. Bedeutende Verlegerpersönlichkeiten wirkten in Grimma, darunter Joachim Georg Göschen, Dr. Carl Ferdinand Philippi, Ferdinand Stolle und Julius Moritz Gebhardt. Unter ihrer Ägide entwickelte sich ein breit gefächertes Pressewesen. „Für das 19. Jahrhundert darf Grimma neben Leipzig und Dresden als das sächsische Pressezentrum gelten und sogar als die Hochburg der sächsischen oppositionellen Presse“, sagt der Historiker Dr. Matthias John, der derzeit die entsprechenden Quellenbestände Grimmas erschließt. Das Projekt wird inzwischen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens unterstützt. Den Förderantrag hatten die Leiterin des Grimmaer Stadtarchivs Marita Schön und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Fach, Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, gestellt. Fach hat die fachlich-inhaltliche Betreuung des Projekts übernommen. Das Projekt besitzt auf Grund der Hochwasserkatastrophe im August 2002 neben der wissenschaftlichen auch eine politische Dimension: Das Grimmaer Stadtarchiv war so schwer betroffen, dass Wissenschaftlern quellenmäßig fundierte Forschungsarbeiten zur dortigen Geschichte kaum noch möglich erschienen. Um so wichtiger ist es, dass durch DFG-Förderung ein Mitarbeiter finanziert wird, der in mühevoller Erfassungs- und Rekonstruktionsarbeit Archivalien erschließt, auswertet und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Ohne diese Förderung würden wichtige Quellenbestände für die Nachwelt unwiderruflich verloren gehen. Die DFG zahlt zudem Sachkosten in Höhe von 10 700 Euro. Das Stadtarchiv wird im Herbst dieses Jahres wiedereröffnet. Die Arbeitsergebnisse des Presse-Projekts sollen 2005 veröffentlicht werden. C.H. 8 Virtuelle Realität für den Chirurgen Mit Haptic-IO auf der CeBIT Im BMBF-geförderten Projekt Haptic-IO hat die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Bildgestützte Chirurgische Navigation (IGSN) der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig als Projektpartner gemeinsam mit dem Institut für Angewandte Informatik des Forschungszentrums Karlruhe ein virtuelles Simulationssystem für operative Eingriffe in der Neurochirurgie und HNO-Chirurgie entwickelt. Dieses System wurde im März auch auf der Computermesse CeBIT vorgestellt. Eine innovative Besonderheit stellt dabei die Integration haptischer Information in das VRTrainingssystem dar. Mikrochirurgische bzw. minimalinvasive innovative Operationsverfahren stellen besondere Anforderungen an den Operateur. Sowohl der Umgang mit hochmodernem OP-Instrumentarium als auch die operativen Schritte selbst müssen vor Anwendung am Patienten erlernt werden. Konventionelle assistierende Ausbildungskonzepte sind für das Erlernen solcher Operationsmethoden häufig nicht optimal. Eine Lösung dieses Problems besteht in der Anwendung Virtueller Trainings- und Ausbildungssysteme. Die Mehrzahl der bisherigen OP-Systeme im Bereich der Virtuellen Realität (VR) ermöglichen eine visuelle Kontrolle, verzichten jedoch auf die für die Entwicklung operativer Fertigkeit notwendige taktile Information. Ein Schwerpunkt des BMBF-Projektes für HNO-Eingriffe war die Simulation mikrochirurgischer Fräsverfahren an der lateralen Schädelbasis. Aufgrund der komplexen Anatomie des Felsenbeins sind Eingriffe in diesem Bereich mit einem hohen Risiko von Verletzungen von Gefäß- bzw. Nervenstrukturen verbunden. In einem weiteren Schwerpunkt wurde für die Neurochirurgie ein Simulationsszenario einer minimalinvasiven Neuroendoskopie im Bereich des Hirnventrikelsystems entwickelt. Dies ermöglicht das Training eines innovativen endoskopischen Operationsverfahrens für ausgewählte Formen des Hydrocephalus. Bei diesem Monitor-kontrollierten OP- Verfahren ist eine konventionelle „assisitierende“ Ausbildung besonders problematisch, Trainingsmethoden anhand von Modellen oder Präparationen an Leichen sind aufgrund der völlig differenten Gewebeeigenschaften wenig geeignet. Die entwickelten virtuellen Trainingssysteme erlauben dagegen eine realitätsnahe Ausbildung einschließlich taktiler Information und ein Training der operativen Prozedur unabhängig vom Patienten und können daher zu einer Verringerung des Operationsrisikos für den Patienten führen. Damit sind zwei wesentliche Forderungen an virtuelle Trainingssysteme realisiert. 1. die Möglichkeit der Simulation der operativen Prozedur im Rahmen der operativen Ausbildung 2. die Möglichkeit der individuellen Planung des Eingriffes durch den erfahrenen Operateur unmittelbar vor der eigentlichen Operation Über diese Funktionen erlauben derartige VR-Systeme, Lerneffekte qualitativ zu erfassen und darüber hinaus zu quantifizieren. Dies eröffnet perspektivisch die Möglichkeit, überprüfbare und messbare Standards für die operative Ausbildung zu entwickeln. Aufgabe des Forschungsteams der IGSN an der Universität Leipzig im Rahmen des Projektes „Haptic IO“ war es, im engen Dialog mit dem Kooperationspartner die Anforderungen an ein solches VR-System aus der Sicht des Operateurs sowie die spezifischen medizinischen anatomischen, funktionellen und strukturellen Details umzusetzen. Der unmittelbare Ideenaustausch zwischen Medizinern, Computergraphikern, Technikern und Ingenieuren war eine Voraussetzung für das Gelingen des Projektes. Ziel weiterer Forschungen sind die Entwicklung weiterer Operationsszenarien, etwa im Bereich der frontalen Schädelbasis, sowie die weitere Individualisierung des VR-Modells, so dass OPTraining und OP-Planung optimal patientenindividuell möglich werden. Christos Trantakis journal Meine Stimme und ich Belastungen für junge Sänger Von Dr. Michael Fuchs, Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde/Plastische Operationen Für die Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie ist die klinische Betreuung und die Erforschung der Kinder- und Jugendstimme seit vielen Jahrzehnten (ausgehend von den Aktivitäten ihres früheren Leiters, Prof. Dr. Wolfram Behrendt) ein zentrales Thema der wissenschaftlichen Arbeit. Derzeit beschäftigen sich mehrere parallele Studien mit biopsychosozialen Aspekten der Entwicklung der kindlichen und jugendlichen Stimme. Bei insgesamt 230 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 9 und 16 Jahren, von denen die Hälfte Mitglieder des Leipziger Thomanerchores, des Gewandhaus-Kinderchores und der Schola cantorum waren, wurden HNO-ärztliche und phoniatrische Untersuchungen durchgeführt (s. Foto), der Stimmumfang und andere Stimmleistungsund -qualitätsparameter bestimmt und digitale Aufnahmen ihrer Stimmen vorgeIm Februar leitete Dr. Michael Fuchs das 2. Symposium zur Kinder- und Jugendstimme. Es stand unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Rau. Knapp 200 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz diskutierten über den Klang der Kinderund Jugendstimme. Veranstalter war die Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik und Poliklinik für HNOHeilkunde/Plastische Operationen in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater und dem Arbeitskreis Musik in der Jugend. Beim Symposium 2005 wird es um die sängerische Haltung bei Kindern und Jugendlichen gehen. Heft 2/2004 Dr. Michael Fuchs bestimmt bei der 11-jährigen Luisa Stimmleistungsparameter und führt computergestützte Stimmklang-Analysen durch. Foto: Grubitzsch nommen, die nun computergestützt analysiert werden. Außerdem beantworteten die Teilnehmer dieser Pilotstudie knapp 200 Fragen eines in Zusammenarbeit mit Psychologen eigens dafür entwickelten Fragebogens zur Eigenwahrnehmung der Stimme und zum Umgang mit ihr sowie beispielsweise zur sozialen Kompetenz und anderen psychologischen Parametern. Die Ergebnisse werden hinsichtlich der Unterschiede zwischen sängerisch aktiven und nicht aktiven Kindern ausgewertet und zeigen beispielsweise signifikant größere Stimmumfänge und bessere Stimmleistungsparameter bei den Chormitgliedern. Erste Stimmklanganalysen haben gezeigt, dass der so genannte Sängerformant – ein Qualitätsmerkmal der geschulten Stimme – nur bei den Knaben nach dem Stimmwechsel eine Rolle spielt, während Jungen vor dem Stimmwechsel und Mädchen offensichtlich andere Resonanzstrategien nutzen, um ihre Stimme klangschön und tragfähig zu machen. In einer Folgestudie mit ca. 1000 jungen Chorsängern in ganz Deutschland wird der neu entwickelte Fragebogen zurzeit weiter evaluiert und soll später Chorleitern und Gesangspädagogen Hinweise geben, inwieweit ein Kind aus psychosozialer Sicht für die Mitgliedschaft in den zum Teil professionellen Kinder- und Jugendchören mit hohen musikalischen, schulischen und sozialen Ansprüchen geeignet ist. In der dritten Phase des Projektes soll der Fragebogen mit Hilfe des Arbeitskreises Musik in der Jugend an ca. 8000 Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Die Leipziger Arbeitsgruppe hat in Zusammenarbeit mit dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Universität eine Klassifikation der sängerischen Aktivität bei Kindern und Jugendlichen entwickelt, die die Intensität der stimmlichen Belastung, die Qualität der gesangspädagogischen Betreuung und eine mög- liche Doppelbelastung bei gleichzeitigem Spiel eines Hochdruck-Blasinstrumentes berücksichtigt. Im ersten Abschnitt der Studie wird zurzeit die Reproduzierbarkeit der Klassifikation untersucht. Dazu untersuchten Phoniater und Logopäden aus Leipzig, Berlin, Wien und Freiburg knapp 200 Kinder aus ganz Baden-Württemberg. Deren Teilnahme war in einer beispiellosen Aktion vom Kultusministerium in Stuttgart und dem Bündnis Singen mit Kindern vorbereitet und organisiert worden. Das Spektrum reichte vom gar nicht singenden Kind, das nur mit Schwierigkeiten einen vorgegebenen Ton nachsingen konnte, bis zu Mitgliedern hervorragender Kinder- und Jugendchöre und kleinen Gesangssolisten. Die Ergebnisse werden in die Verbesserung der phoniatrischen und gesangspädagogischen Betreuung der Kinder- und Jugendstimme einfließen. Ein drittes größeres Projekt beschäftigt sich – sozusagen als phoniatrische Grundlagenforschung – mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der stimmlichen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen in Europa im Vergleich zu Asien und Afrika. Dafür konnten bereits Studenten der Sinologie unter der Leitung des Institutsleiters, Prof. Dr. R. Moritz, gewonnen werden, die, ausgerüstet mit digitalen Aufzeichnungsgeräten, während ihres Studienaufenthaltes Aufnahmen von Kinderstimmen in China sammelten. Die Universität Peking kooperiert auf medizinischem Sektor. Außerdem werden Untersuchungen in Äthiopien vorbereitet. Ein Ziel in näherer Zukunft ist die Etablierung eines Kompetenzzentrums für die Kinder- und Jugendstimme in Leipzig, das Spezialisten aus verschiedenen medizinischen und gesangspädagogischen Bereichen vereint und die hervorragende Zusammenarbeit mit den Leipziger Kinderund Jugendchören sowie mit der Hochschule für Musik und Theater nutzen soll. 9 Forschung „Der Weg über die Medien ist wichtig“ Medizin-Psychologe Elmar Brähler über seine Themen und ihre Präsentation Die Zahl der unfruchtbaren Menschen in Deutschland ist überraschend niedrig. Die Deutschen überschätzen zudem die Zahl der ungewollt Kinderlosen genauso wie die Erfolgsraten einer reproduktionsmedizinischen Behandlung und die Einsatzmöglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik (PID). Dies sind einige ausgewählte Ergebnisse der jüngsten Studie von Prof. Dr. Elmar Brähler, Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Medizinischen Fakultät. Im Januar und Februar berichteten darüber viele Medien, darunter „Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“, aber auch die „Bild“-Zeitung. Mit seinen zahlreichen Studien sorgt Brähler immer wieder bundesweit für Schlagzeilen. Die Bandbreite der Befragungen ist groß: Ur-medizinische Themen wie jüngst Reproduktionsmedizin und PID stehen Themen wie Terrorängste, Rechtsextremismus und Menschenrechte gegenüber (s. Beitrag auf der folgenden Seite). Grund genug, Professor Brähler einmal zu Themenfindung und -verbreitung zu befragen. Herr Professor Brähler, Sie tauchen immer wieder in der Medienlandschaft auf, mit ganz unterschiedlichen Themen – wie kommen Sie zu diesen Themen? Mein Haupttätigkeitsfeld ist eigentlich die Psychodiagnostik. Ich bin Testautor und auch Herausgeber des 2000 Seiten starken Standardwerkes „Brickenkamp Handbuch psychologischer und pädagogischer Tests“. Solche Tests werden ja in vielen Bereichen verwandt. Ich habe sehr viele Testverfahren publiziert und einige Verfahren standardisiert. Diese Tätigkeit wirft viele Fragestellungen mit ab. Ob es um Geschlechterunterschiede geht, die für Testautoren sehr interessant sind, oder regionale Unterschiede, zum Beispiel bei Ost-West-Untersuchungen. Es geht dabei manchmal auch in Bereiche hinein wie den Rechtsextremismus … 10 ziert, in irgendeinem Journal, das niemand liest. Sondern dass man die Ergebnisse seiner Forschung möglichst schnell öffentlich macht. Denn was nützt am Ende alle wissenschaftliche Erkenntnis, wenn sie nicht umgesetzt wird? Und ich glaube, der Weg über die Medien ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Wissenschaft spielt sich nicht im luftleeren Raum ab. Sie wird, gerade was Geldflüsse angeht, auch durch Medieninteresse gesteuert. Deshalb finde ich es wichtig, diese Art von Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Prof. Dr. Elmar Brähler … woraufhin sich dann manch einer fragt: Was hat das mit Medizin zu tun? Da gibt es mehr Berührungspunkte als man denkt. Rechtsextremismus ist ein wichtiges Konstrukt zum Beispiel bei Einstellungen zur Reproduktionsmedizin. Sozialdarwinismus ist ein Teilaspekt des Rechtsextremismus. Es geht zudem um den Bereich der Stigmatisierung von psychisch Kranken. Menschenrechte wiederum haben viel zu tun mit Lebenszufriedenheit und den Werten, die die Menschen haben – da geht es dann um psychische Bedingungen. Man muss zudem sehen: Eine Erkrankung ist oft nicht nur biochemisch und individualpsychologisch zu erklären, sondern es kommt immer wieder auch auf sozialpsychologische Bezüge an, Bezüge zum Umfeld. Daher ist der Gießen-Test, der diese Bezüge einschließt, in der medizinischen Psychologie schon so oft angewandt worden. Die Themenwahl ist das eine. Hinzu kommt die Präsentation eines Themas. Es fällt auf, dass Sie eine sehr offensive Medienpolitik betreiben. Ich finde es wichtig, dass man, wenn man eine Befragung zur Reproduktionsmedizin macht, sie nicht erst in drei Jahren publi- Ihnen fällt Öffentlichkeitsarbeit offenbar leichter als anderen. Ich habe ein bisschen Vorbildung. Ich war sieben, acht Jahre Pressesprecher des deutschen Kollegiums für psychosomatische Medizin. Da habe ich Erfahrungen gewonnen: Was interessiert die Presse? Mit welchen Informationen kommt man an? Wann macht man eine Pressekonferenz? Das sind handwerkliche Sachen, die ich kenne. Aber man kann auch nicht alles planen. Manche Dinge laufen auch überhaupt nicht. Ich hatte eine Studie gemacht zu den Folgen von Ausbombung und Vertreibung in der älteren Generation. Dazu ist auch eine Meldung der Deutschen Presse Agentur rausgegangen – nur leider hat sie überhaupt keine Resonanz gefunden. Oft ist so was eben situationsabhängig. Bei so vielen medienwirksamen Aktivitäten fragt sich natürlich auch: Wie werden die Studien eigentlich finanziert? Die letzte Befragung zur Reproduktionsmedizin wurde vom Bundesforschungsministerium gefördert. Für eine neue Befragung in diesem Jahr habe ich Geld bei der Volkswagen-Stiftung beantragt. Manchmal gibt es Geld von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder von der Bertelsmannstiftung. Wichtig sind auch Partner, also Kollegen, mit denen man zusammenarbeiten kann. Ein Kooperationsjournal Forschung netzwerk ist unabdingbar – und auch Organisationstalent. Außerdem ist es ja nicht so, dass ich nur Pressearbeit mache. Ich schreibe auch viel für wissenschaftliche Publikationen, ich mache auch Studien, die eher für den medizinischen Betrieb als für eine breite Öffentlichkeit interessant sind. Es gibt also den normalen Wissenschaftsbetrieb mit Mitteln aus dem ganz normalen Rahmen.m Natürlich muss man auch sehen: Die Kosten für meine Studien sind nicht so eminent hoch wie in anderen Bereichen. Zum Schluss ein Blick voraus: Welchen Themen sind Ihre nächsten Pressekonferenzen gewidmet? Ich habe schon noch Befragungen in der Schublade. Aber für dieses Jahr habe ich persönlich noch keine Presseaktivitäten geplant. Mir liegt jedoch auch die Fakultät am Herzen. Da gibt es ja eine PR-Kommission, die ich leite. Das heißt, wir müssen insgesamt Themen aus der Fakultät noch mehr nach außen tragen. Das Interview führte Carsten Heckmann. Bildungslücke bei Menschenrechten Ergebnisse zweier Studien Von Prof. Dr. Gert Sommer und Jost Stellmacher, Klinische Psychologie, Universität Marburg, und Prof. Dr. Elmar Brähler, Medizinische Psychologie, Universität Leipzig Die wichtigsten Dokumente der Vereinten Nationen, die Menschenrechte weltweit für alle Menschen festlegen, sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 mit ihren 30 Artikeln, die Zwillingspakte von 1966 („Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ sowie „Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“) und die Konvention über die Rechte des Kindes von 1989. Zu den Menschenrechten gehören danach u. a. Recht auf Leben, Schutz vor Folter, Meinungsund Informationsfreiheit, Schutz vor Arbeitslosigkeit, Recht auf Nahrung, Recht auf Bildung. Menschenrechtsbildung ist ein bedeutendes Ziel der Vereinten Nationen, zu dem sie anlässlich der UN-Dekade der Menschenrechtserziehung (1995–2004) erklärten: „… jede Frau, jeder Mann und jedes Kind (müssen) in Kenntnis aller ihrer Menschenrechte – bürgerlicher, kultureller, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Art – gesetzt werden …, um ihr volles menschliches Potenzial entwickeln zu können.“ Prof. Dr. Gert Sommer und Dr. Jost Stellmacher von der Universität Marburg sowie Prof. Dr. Elmar Brähler von der Universität Leipzig haben in zwei repräsentativen Studien in Deutschland das Wissen und die Einstellung bzgl. Menschenrechten in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut Heft 2/2004 für Menschenrechte untersucht. Die Studien wurden durch das Meinungsforschungsinstitut USUMA im April 2002 und Oktober 2003 durchgeführt. Die Ergebnisse der beiden Studien zeigen erhebliche Defizite in der Menschenrechtsbildung in Deutschland. Das Wissen über Menschenrechte und Menschenrechtsdokumente ist äußerst gering. Insgesamt konnten die Befragten im Durchschnitt weniger als drei Menschenrechte spontan benennen; dies waren in erster Linie bürgerliche und politische Rechte, nämlich Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Recht auf Leben. Nur jeder zweite Deutsche konnte überhaupt ein wirtschaftliches, soziales oder kulturelles Recht benennen. Ebenso große Defizite waren auch beim Wissen über Menschenrechtsdokumente der Vereinten Nationen zu erkennen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde so gut wie gar nicht genannt; nur 4,1% der Deutschen nannten „UNOMenschenrechtscharta“ bzw. „-konvention“. Ein positives Ergebnis der Studien war aber, dass die „Verwirklichung von Menschenrechten“ pauschal von der großen Mehrheit der Befragten (76%) als äußerst wichtig bewertet wurde. Diese positive Bewertung von Menschenrechten korrespondiert allerdings nicht mit der Bereitschaft, sich aktiv für Menschenrechte einzusetzen. Zwar äußerte ein durchaus substanzieller Anteil der deutschen Bevölkerung seine grundsätzliche Bereitschaft, sich in einer Menschenrechtsorganisation zu engagieren (41%) oder für eine Menschenrechtsorganisation Geld zu spenden (42%). Die zeigt sich aber nicht im tatsächlichen Verhalten: Lediglich 4,3% gaben an, sich in den letzten fünf Jahren tatsächlich in einer Menschenrechtsorganisation engagiert zu haben. Aber auch dieser Prozentsatz stellt – als subjektive Aussage – wahrscheinlich noch eine Überschätzung dar. Es gab einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen: • Ostdeutsche konnten spontan mehr wirtschaftliche Rechte benennen; dies waren Recht auf soziale Sicherheit; Recht auf Nahrung, Kleidung, Wohnung und ärztliche Versorgung; Schutz vor Arbeitslosigkeit; gleicher Lohn für gleiche Arbeit; Recht auf Bildung. • Ostdeutsche bewerteten wirtschaftliche Rechte etwas wichtiger und bürgerliche Rechte etwas weniger wichtig. • Ostdeutsche äußerten eine geringere Bereitschaft zum Einsatz für Menschenrechte. Als Fazit kann somit festgehalten werden, dass die Ziele der UN-Dekade für Menschenrechte in Deutschland kaum erreicht wurden. Gravierend ist das Wissensdefizit über Menschenrechtsdokumente und über konkrete Menschenrechte, hier besonders über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Dadurch wird das zunächst positiv erscheinende Ergebnis, die Verwirklichung von Menschenrechten als äußerst wichtig zu bewerten, relativiert: Es stellt sich die Frage, was dann als äußerst wichtig bewertet wird. Darüber hinaus wäre auch ein größerer Einsatz für Menschenrechte wünschenswert. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse sei nochmals auf die große Bedeutung der Menschenrechtsbildung – im Rahmen demokratischer Bildung – hingewiesen. Dazu gehören: • ein breites Wissen und eine positive Bewertung bezüglich der Menschenrechte möglichst früh zu vermitteln, und Menschenrechte als wichtigen Maßstab zur Beurteilung gesellschaftlicher Verhältnisse zu nutzen; • die Bereitschaft zum Einsatz für (einzelne) Menschenrechte zu fördern; und • die Bereitschaft zu fördern, Verletzungen von Menschenrechten offen zu legen und sich diesen Verletzungen zu widersetzen. 11 Forschung Ein wichtiger Schlüssel ist entdeckt Forschung von und zu Frauen Erfolg bei der Suche nach den Ursachen für Kleinwüchsigkeit Förderung für Stellen und Projekte erreicht Wissenschaftler der Universian den Rezeptoren liegen, die tätskinderklinik Leipzig wiegewissermaßen das Schloss sen jetzt erstmals eine Mutafür die Schlüsselhormone biltion des IGF-I-Rezeptors als den. Wenn man also nachweieine Ursache für Kleinwüchsen könnte, dass einer der Resigkeit nach. Die im „New zeptoren so verändert ist, dass England Journal of Medicine“ das Schloss-Schlüssel-Prinzip veröffentlichte Entdeckung nicht funktioniert, kann natürkönnte der Schlüssel für die lich auch die entsprechende weitere Erforschung von noch Botschaft nicht weitergetranicht bekannten Ursachen der gen werden. Genau diesen Kleinwüchsigkeit sein. Nachweis haben die Leipziger Klinikchef Professor Etwa zehn Prozent der Kinder, Wieland Kiess Forscher erbracht. die bereits im Mutterleib Sie untersuchten zwei GrupWachstumsstörungen haben, bleiben auch pen von 42 bzw. 50 + 9 Kindern mit Wachsspäter zu klein. In vielen Fällen ist die Ur- tumsstörungen unklarer Herkunft gezielt sache des Kleinwuchses unklar, so dass die auf Abnormalitäten im IGF-IR Gen. Als Therapie häufig erfolglos bleibt. Wenn Kontrollgruppe unterzog man 43 Kinder man weiß, dass diesen Kindern daraus mit normalem Geburtsgewicht den gleigesundheitliche und soziale Probleme er- chen Untersuchungen. In dieser Kontrollwachsen können, scheint Handlung gebo- gruppe konnten keine Veränderungen des ten. IGF-I-Rezeptors festgestellt werden, woAn der Medizinischen Fakultät beschäftigt hingegen in der ersten Gruppe ein Mädman sich unter den verschiedensten As- chen mit IGF-I-Rezeptor-Mutation auffiel pekten mit dem Problem der Kleinwüch- und in der zweiten ein Junge. Damit war sigkeit. Das von Prof. Eberhard Keller an erstmals der Nachweis für eine Wachsder Klinik und Poliklinik für Kinder und tumsstörung erbracht, die zurückzuführen Jugendliche entwickelte Crescnet bietet ist auf eine Rezeptoranomalität. auf Grund der anonymen Erfassung eines Wie wichtig diese Entdeckung für die wisumfangreichen Datenmaterials von Kin- senschaftliche Welt und letztendlich für die dern beste Voraussetzungen für gezielte betroffenen Kinder ist, zeigen die VeröfUntersuchungen auch im Hinblick auf fentlichung in einem der renommiertesten Kleinwüchsigkeit. Das Team um Klinik- Wissenschaftsjournale auf dem Gebiet der chef Prof. Wieland Kiess konnte so erfolg- Medizin, dem „New England Journal of reich der Hypothese nachgehen, dass Mu- Medicine“, und die Anfragen aus aller tationen im Gen für den Insulin-ähnlichen Welt. Die Wissenschaftler wollen jetzt aber Wachstumsfaktor I-Rezeptor (IGF-IR), noch einen Schritt weitergehen. Sie wollen eine Ursache für vor- und nachgeburtliche die Eiweißstrukturen untersuchen, die mit Wachstumsstörungen sein könnten.m dem Rezeptor verbunden sind, denn, so Ausgangspunkt für die Hypothese ist das Prof. Kiess, „es könnte ja der Rezeptor in Wissen um Hormone als Botenstoffe, die Ordnung sein, nicht aber die daran gekopdas Signal für das Wachstum geben. Ob das pelten Verbindungswege“. funktioniert oder nicht, könnte wiederum Dr. Bärbel Adams 12 Die Bund-Länder-Vereinbarung zur Fortsetzung des Hochschul- und Wissenschaftsprogramms (HWP) in den Jahren 2003–2006 wurde am 17. Dezember 2003 von Bundeskanzler Gerhard Schröder unterzeichnet. Um einen unverzüglichen Förderbeginn im Rahmen des Artikels 1, Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre, gewährleisten zu können, hatte das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die sächsischen Hochschulen bereits vorab Anfang November auf die geplanten Fördermöglichkeiten aufmerksam gemacht, die innerhalb der Universität Leipzig unverzüglich ausgeschrieben wurden. Durch engagierten Einsatz aller Beteiligten (darunter die Gleichstellungsbeauftragten der Fakultäten und der Universität, die Graduiertenkommission sowie die einschlägigen Fakultätsvertreter in der Forschungskommission) war es möglich, ab 1. Januar 2004 acht Stellen für die Qualifikation von Wissenschaftlerinnen auf eine Professur einzurichten, zehn Promotionsstipendien zu vergeben und für insgesamt vier Maßnahmen der Frauen-/Genderforschung bzw. zur Steigerung des Anteils von Frauen in naturwissenschaftlichen/technischen Studiengängen eine Förderung zu erhalten. Mitte Februar empfing Prof. Dr. Martin Schlegel, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, die Wissenschaftlerinnen, die sich in den nächsten Jahren im Rahmen des HWP für eine Professur qualifizieren, zu einem ersten Treffen, dem weitere folgen sollen. Mit dabei war auch Dr. Constanze Farda, deren Habilitationsvorhaben im vorigen HWP (2001–2003) gefördert werden konnte. Angesichts der Neufassung des Hochjournal Forschung schulrahmengesetzes stand insbesondere auch der Stellenwert von Habilitationsvorhaben zur Diskussion. In diesem Zusammenhang wurde großes Interesse an einer Kooperation mit der Gruppe der inzwischen 19 künftigen Juniorprofessoren an der Universität Leipzig geäußert, in die nach Möglichkeit auch die bereits von 2001 bis 2003 im Rahmen des HWP geförderten Habilitandinnen eingebunden werden könnten. Bei den Maßnahmen der Frauen-/Genderforschung kamen übrigens von 13 aus ganz Sachsen eingereichten Anträgen allein zehn von der Universität Leipzig. Fünf Vorhaben werden in ganz Sachsen gefördert, drei davon an der Universität Leipzig: • Die Verwaltung der Prostitution: Sachsen-Polen-Tschechien (Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr, Theologische Fakultät, Prof. Dr. Wolfgang Fach, Dr. Rebecca Pates, Daniel Schmidt, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie) • Vergleichende Forschung zu Geschlechterverhältnissen in Frankreich, Deutschland und England im 20. Jahrhundert und die Implementierung der Arbeitsergebnisse in interkulturell angelegten Studiengängen der Universität Leipzig (Dr. Matthias Middell, Zentrum für Höhere Studien) • Diversität-GeschlechterordnungenMachtbeziehungen (Prof. Dr. Barbara Lange, Fakultät für Geschichte-, Kunstund Orientwissenschaften) Ein weiteres der zehn von der Universität Leipzig vorgeschlagenen Projekte wurde auf Anregung des SMWK zu einem universitätsübergreifenden Gemeinschaftsvorhaben zur Förderung des Frauenanteils in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen zum Thema „Förderung und Vernetzung weiblicher Eliten aus naturund ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen an sächsischen Universitäten und Hochschulen“ weiterentwickelt. An ihm sind neben der Universität Leipzig (Prof. Dr. Dorothée Alfermann, Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung) die TU Dresden, die HTW Dresden, die HTWK Leipzig, die TU Chemnitz und die FH Zittau Görlitz beteiligt. Ein erfreuliches Ergebnis dieser Aktion ist, dass die Universität Leipzig zum Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung für den gesamten Freistaat Sachsen entwickelt werden soll. Dr. Sylvia Richter Heft 2/2004 Oben: Dr. Martina Steul, Dr. Annegret Kujat, Dr. Constanze Farda, Dr. Julia Katharina Koch, Dr. Susanne Uhlmann und Dr. Helke Rausch (v. l.). Foto: Randy Kühn Unten: Dr. Jeanette Kohl, Dr. Cornelia Kopp-Scheinpflug, Dr. Andrea Schisler (v. l.). Die Habilitationsvorhaben Dr. Julia Katharina Koch (Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften): Mobilität der Geschlechter. Dr. Jeanette Kohl (Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften): Kultobjekt, role model, objet d’amour. Weibliche Büstenbildnisse des 14. und 15. Jahrhunderts. Dr. Cornelia Kopp-Scheinpflug (Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie): Einfluss spezifischer Membraneigenschaften und modulatorischer Synapsen auf die Präzision des neuronalen Codes: Untersuchungen an einem transgenen Tiermodell. Dr. Annegret Kujat (Medizinische Fakultät): Untersuchung zur Identifizierung kryptischer Chromosomenaberrationen in der prä- und postnatalen Zytogenetik mittels zytogenetischer und molekularzytogenetischer Methoden. Dr. Helke Rausch (Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie): Amerika im Europadiskurs der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs und Großbritanniens, 1945 bis Mitte der 1970er Jahre. Dr. Andrea Schisler (Fakultät für Chemie und Mineralogie): Synthese, Charakterisierung und katalytische Eigenschaften ein- und mehrkerniger Lanthanoid-Komplexe. Dr. Martina Steul (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät): Vertragliche Vertriebssysteme und Dienstleistungsorientierung. Dr. Susanne Uhlmann (Medizinische Fakultät): Bedeutung des α2-Makroblobulin/LPR-Systems für die Physiopathogenese, Prophylace und Behandlung der experimentellen Proliferativen Vitreoretinopathie und von Ischämie/Reperfusionsschäden. 13 Forschung Vordenker und Wegweiser J. L. Borges als Ausgangspunkt für neue Konzepte Von Prof. Dr. Alfonso de Toro, Direktor des Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars (IAFSL) Das Denken und wissenschaftliche Vorgehen, die Theorie und Methodologie des IAFSL gingen von der Position aus, dass Wissenschaft transdisziplinär betrieben werden muss und sich nach Fragestellungen und nicht nach regional bedingten Fragen organisieren muss. So hat das IAFSL von Beginn an Fragestellungen in einem transdisziplinären und internationalen Kontext formuliert, was mit dem Konzept einer „transversal-hybriden Wissenschaft“ umschrieben worden ist. Erst dann wurden Fragestellungen, je nach erworbener Kompetenz, verortet und somit neue Felder erschlossen und alte neu gedacht. Die Leipziger lateinamerikaorientierte Kultur- und Theaterwissenschaft sowie die Borges-Forschung stellen die wichtigsten Schwerpunkte des IAFSL dar, und es war daher kein Zufall, dass das Universalwerk des Argentiniers Jorge Luis Borges, der wie kaum ein zweiter die Literatur und das Denken im 20. Jahrhundert revolutioniert hat, zum privilegierten Ausgangspunkt für Erneuerung wurde. Von seinem Werk aus wurden die Bereiche der ‚Postmodernität‘ und ‚Postkolonialität‘, Kultursemiotik, Sprach- und Geschichtsphilosophie und allgemeine Fragen der Kulturtheorie aufgenommen und weitergeführt, die dann in die aktuelle Diskussion über Hybridität, Transdisziplinarität, Transkulturalität, Transversalität und Transmedialität, Körper und Gender einmündeten. Die Aufgabe bestand darin, einerseits die Wanderungen von Borges durch unterschiedliche Problemfelder, verortet in verschiedenen Disziplinbereichen und Kulturen, und deren Überkreuzung zu zeigen, und andererseits die Notwendigkeit der Vernetzung von Disziplinen und das Überwinden der eigenen Disziplin, um Borges’Werk zu interpretieren. So konnte aufgezeigt werden, wie Borges die Aufgaben der Literaturwissenschaft, Kategorien wie Literatur, Fiktionalität und Wissenschaft, Konzepte wie Realität, Literatur in Frage stellte und einen breiten Paradigmenwechsel einleitetete, der sich dann weltweit ausbreitete und der sich in den Werken des nouveau roman und der nouvelle critic, in der nordamerikanischen Literatur der 60er Jahre, in Calvino und Eco, im Bereich der Semiotik, der Rezeptionsforschung, des Poststrukturalismus und der postmodernen Philosophie, in den Werken von Foucault, Derrida, Baudrillard, Deleuze und Vattimo, in der neueren Geschichtsphilosophie eines Whites niederschlug. So wurde schnell klar, dass Borges lange vor White die Faktizität des historischen Wissens als Spezifik der Geschichtsschreibung in Frage stellte und auf den Konstruktcharakter, auf die Subjektivität und die pragmatisch-historische Abhängigkeit jeglicher Äußerung hinwies. Man musste die Literaturwissenschaft in Richtung Philosophie, Geschichtswissenschaft und -philosophie hin öffnen. Damit leitete das IAFSL den Übergang von einer literaturwissenschaftlich ausgerichteten Philologie zu einer transtextuellen und transdisziplinären Kulturwissenschaft ein. Das war ein erster Schritt. Borges war der erste, lange vor Said und Ashcroft et alii, der in den 20er Jahren schon, v. a. in „Der argentinische Schriftsteller und die Tradition“, einen nicht nur postkolonialen Diskurs zur Überwindung Zehn Jahre Ibero-Amerikanisches Forschungsseminar Das Ibero-Amerikanische Forschungsseminar der Universität Leipzig (IAFSL) wurde am 18. Januar 1994 als transdisziplinäre Forschungseinrichtung für die Vertretung der spanisch- und portugiesischsprachigen Literatur, Sprache und Kultur gegründet, kann also in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiern. Das IAFSL wirkt als integrierende und vernetzende Einrichtung, die sich für eine intensive Kooperation und den Austausch mit zahlreichen Universitäten und Institutionen in Deutschland, europaweit und weltweit einsetzt. Dazu gehört die enge Zusammenarbeit mit Botschaften sowie Regierungsstellen und anderen Institutionen auf Landes- und Bundesebene. Eine der Hauptaufgaben besteht darin, die vorhandene breite Kompetenz und Erfahrung in den Dienst der bilateralen Beziehungen zwischen den lateinamerikanischen Staaten und Deutschland, speziell Sachsen, zu stellen. 14 Neben einem beachtlichen Forschungsertrag, der sich in fünf wissenschaftlichen Reihen mit über 50 sorgfältig ausgewählten Publikationen, 13 internationalen Kolloquia und Kongressen, zahlreichen Dissertationen und Habilitationen sowie Forschungsprojekten niederschlägt, wurden Initiativen und Aktivitäten zur Förderung und Verbreitung der spanischen, lateinamerikanischen, portugiesischen und brasilianischen Kultur umgesetzt, so dass sich die Hispanistik, Lusitanistik und Lateinamerikanistik in Leipzig und in Sachsen gut entwickelt. Von den 2060 Studierenden im Institut für Romanistik studieren über 900 Hispanistik und über 140 Lusitanistik (Brasilien bildet neben SpanischAmerika einen Schwerpunkt) – Tendenz steigend. Besonders erwähnenswert ist das von Professor Alfonso de Toro geleitete Forschungsprojekt „Interkulturelle und inter- disziplinäre Kommunikation. Lateinamerika und die Vielfalt der Diskurse. Erzählliteratur, Kulturtheorie und Theater“, das von 1997 bis 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von 2001 bis 2004 mit Sponsorenmitteln gefördert wurde und wird. Insgesamt wurden mehr als 400000 Euro eingeworben. Die Ergebnisse werden in elf Bänden publiziert, fünf sind bereits erschienen, vier befinden sich in Druckvorbereitung, die verbleibenden drei werden im Laufe dieses Jahres erscheinen. Einen bedeutenden internationalen Beitrag stellen darüber hinaus die Projekte der Professoren Eberhard Gärtner und Gerd Wotjak dar. IAFSL-Direktor Prof. Dr. Alfonso de Toro zeigt in seinem Beitrag am Beispiel der Borges-Forschung auf, was das Wirken des Forschungsseminars kennzeichnet und wie es sich seinen guten Ruf in der Fachwelt erarbeitet hat. r. journal Forschung der Dichotomien von Peripherie und Zentrum einleitet, sondern diese Kategorien durch hybrides Denken und hybride Strategien ersetzt und die Konstrukthaftigkeit von Kultur und die Unsinnigkeit und Unergiebigkeit von nationalen, kolonialen (Identitäts-) Kategorien zeigt und wertende Hierarchien bloßstellt, wie jene, die das Zentrum als „Originalproduzenten“ und die Peripherien als „Nachahmer“ postulieren. Die Verortung der Kultur wird von Borges seit dem Beginn seiner Tätigkeit als Schriftsteller offen gedacht und erlebt. In „Das Ausmaß meiner Hoffnung“ bekundet er: „Kreolismus ja, aber ein Kreolismus, der mit der Welt spricht und mit dem Ich spricht“. Von Borges aus wurde im IAFSL der zweite Schritt dann im Jahre 1996 eingeleitet, die Entwicklung einer transkulturellen (nicht regionalen) Kulturwissenschaft auf der Basis eines Konzeptes, nicht von Postkolonialismus, sondern von ‚Postkolonialität‘ als „Teil des postmodernen Denkens, verstanden als eine diskursiv-kulturelle Strategie, die Vergangenheit und Gegenwart rekodifiziert und zu einer Zukunft verwindet, charakterisiert durch ein differentes, heterogenes, hybrides und subjektives Denken, das von Besonderheit, und Andersheit geprägt ist; Postkolonialität als diskursive Strategie der Repräsentationen, der Widersprüche, Pluralität, Brüche und Diskontinuitäten der Geschichte und Kultur“. Dieses Konzept wird dann die Basis des DFG-Projekts „Diskursvielfalt“ bilden. Borges Analyse der literarischen Tradition Argentiniens eingeteilt in Dichotomien ist zugleich die Behandlung der Beziehung zwischen Peripherie und Zentrum, ein postkoloniales Problem im Sinne Bhabhas bzw. Spivaks, das bis dahin in der internationalen Lateinamerikaforschung die gebührende Aufmerksamkeit weitestgehend nicht genoss. Für Borges ist die dualistisch ausgrenzende Diskussion des Eigenen bzw. einer essentialistischen Identität deshalb falsch, weil sie anstelle von Diskontinuität und Altarität „das ewige Problem des Determinismus“ und die Frage nach dem Ursprung, nach einem einigenden Entwurf, nach der Kontinuität in der Zeit reflektiere. Borges tritt für eine dezentrierte Form von Identität ein, die der postmodernen, postkolonialen Diskussion, insbesondere jener der poststrukturalen Prägung, und stellt fest: „[…] unser Erbteil [ist] das Universum; wir müssen uns an allen Themen versuchen […].“ Das Zitat ist eine beispielhafte DefiHeft 2/2004 nition dessen, was im IAFSL zunächst mit Postkolonialität, dann mit Hybridität bezeichnet wurde, das Verhältnis des eigenen Kontextes mit anderen außerhalb des eigenen örtlichen Umfeldes, die Aneignung und die Förderung von Diskursen und kulturellen Phänomenen in einem Spannungsverhältnis der Potenzierung der Differaenz in der Annerkennung, Kultur als Eigentum aller und nicht nur einer kulturellen Region, wo diese verortet ist. Borges zeigte den Weg aus Anachronismen und Aporien, indem er sich auf die Produktivität und Potenzialität der Kultur und Wissenschaft konzentrierte, was das IAFSL, in einem zweiten Schritt, als zentralen Teil seiner Theoriebildung aufnahm. Die Bereiche der Simulation, Virtualität, Dekonstruktion werden allesamt im Borges’ Werk vorgedacht und vollentwickelt, so in „Die analytische Sprache von John Wilkins“, in „Der Garten der Pfade, die sich verzweigen“, in „Das Aleph“ oder in „Das Sandbuch“. Borges gelangt an die Grenze des Undenkbaren (so Foucault) und produziert eine Literatur der Abwesenheit oder eine rhizomatische Literatur, wo die Vorstellungen von Unendlichkeit, Zeitund Raumlosigkeit bzw. der Gleichzeitigkeit und die Erschaffung von virtuellen Welten, die das moderne Web gründen (v. a. im „Sandbuch“), im Zentrum stehen. Borges entwickelt ein Konzept von Literatur, Kultur und Wissenschaft als Zirkulation, ohne festen Ort und Eigentümer, ohne präfigurierten Sinn, ohne Ursprung; Literatur und Kultur als Verweise von Zeichen auf eine unendliche Zahl von anderen Zeichen. Um zu diesen Analysen und Schlussfolgerungen zu kommen, mussten die engen Grenzen der Literaturwissenschaft und der Borges-Forschung wesentlich überschritten werden, um Phänomene zu entdecken, die Grundfragen des Denkens im 20. Jahrhundert ausmachen und die die IAFSLBorges-Forschung aufgrund einer erworbenen transdisziplinären und transkulturellen Kompetenz beschreiben konnte, die sich außerhalb der traditionellen Disziplin Literaturwissenschaft oder Komparatistik befindet: u. a. in der postmodernen und poststrukturalen Philosophie Frankreichs und der angelsächsischen postkolonialen Debatte. Diese Untersuchungen haben im IAFSL, in einem dritten Schritt, zu der Entwicklung eines transdisziplinären/ transversalen Wissenschaftsbegriffs zur Interpretation kultureller Objekte in einem globalen Kontext geführt. Theorie wird nun nach ihrer Produktivität und nicht nach ihrer Herkunft ausgewählt, da kulturelle Objekte in der Regel translokale Elemente aufweisen. Dabei handelt es sich um zwei simultane Prozesse, die Potentialität (Erklärungspotential) und ihre Rekodifizierungsfähigkeit, (Verortungs- und Anwendungsfähigkeit, Offenheit). Eine transversale Disziplin wird demnach als ein interrelationales Geflecht oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen Disziplinen oder Teilen von diesen aufgefasst, derart, dass die Grenzen der eigenen Disziplin überschritten werden. Projekt mit Medienkünstler „Borges virtuell“ Auf der Leipziger Buchmesse Ende März wurde das Projekt „Borges virtuell“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich um den Versuch des Romanisten Prof. Dr. Alfonso de Toro und des Medienkünstlers Jürgen Meier, die Gedankenwelt, den literarischen Kosmos des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (1899–1986) visuell zu erfassen. Sprache und Schrift werden in eine Bildwelt verwandelt. Der Betrachter wird zum Besucher einer Welt, die sich als virtuelle Bühne darstellt. Prof. de Toro erklärt: „Es geht um das Denken und um die Darstellung von Zeit- und Raumlosigkeit sowie von Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Systeme auf einem Fleck, um den ewigen Augenblick, um die simultane und damit zeitlose Verdichtung des Universums in einem punktuellen, eben virtuellen Raum. Alles geschieht und verschwindet, es gibt kein Zentrum und damit keine Richtungen.“m Damit wird etwas thematisiert, was für Borges die „Verzweiflung als Schriftsteller“ ausmacht: „Wie soll ich anderen das unendliche Aleph mitteilen, das mein furchtsames Gedächtnis kaum erfasst? … Überdies ist das Kernproblem unlösbar: die Aufzählung, wenn auch nur die teilweise, eines unendlichen Ganzen. In diesem gigantischen Augenblick habe ich Millionen köstlicher oder grässlicher Vorgänge gesehen; … alle fanden in demselben Punkt statt, ohne Überlagerung und ohne Transparenz. Was mein Auge sah, war simultan: was ich beschreiben werde, ist sukzessiv, weil die Sprache es ist. Etwas davon will ich gleichwohl festhalten.“ r 15 UniCentral Der Sieger heißt Erick van Egeraat. Der Entwurf des Niederländers für das Areal des neuen Uni-Campus, das direkt am Augustusplatz liegt (kurz: das „Paulinum“), wurde von der Jury am 24. März mit zehn zu drei Stimmen favorisiert. Der restliche Campus-Bereich wird bekanntlich nach den Plänen des Münsteraner Büros Behet, Bondzio und Lin realisiert. Deren Entwurf für den Bau am Augustusplatz kam in der Endrunde auf Platz drei, nach dem Vorschlag von Peter Kulka, aber vor dem von Hans-Günther Merz. Auf dieser und den folgenden Seiten (sowie auf S. 1) informiert Sie das Journal über das Ergebnis des Wettbewerbs, aber auch über die ersten Baumaßnahmen und die Zukunft der Kunstschätze aus der zerstörten Universitätskirche. Modell des Siegerentwurfs. Repro: Armin Kühne Ein Vertrauensbruch – und eine anspruchsvolle Vision Prof. Dipl.-Ing. Architekt Burkhard Pahl über den Ablauf und das Ergebnis des Campus-Wettbewerbs Die Würfel sind gefallen. Am 24. März hat die Jury im zweiphasigen Vergabeverfahren zur „Neu- und Umgestaltung des innerstädtischen Universitätskomplexes am Augustusplatz“ ihre Entscheidung getroffen. Die Universität Leipzig ist damit ihrer Herzensangelegenheit der Realisierung einer Aula/Kirche am ehemaligen Standort der Paulinerkirche einen großen Schritt vorangekommen. Verpflichtend für die Teilnehmer war: – Die funktionalen Anforderungen der Universität Leipzig und die städtebauliche Einbindung in das Gesamtareal (innerstädtischer Campus). – Eine architektonisch hochwertige Lösung, welche in würdiger und angemessener Weise an die kulturhistorische Bedeutung des Standortes, der qualitätvollen historischen Bauten aber auch an deren Sprengung erinnert. – Die Prozesshaftigkeit von baugeschichtlicher Entwicklung, welche die Ablesbarkeit von historischen Brüchen, Veränderungen und Kontinuitäten (auch zukünftigen Generationen) aufzeigt. 16 – Die Ansprüche der heutigen universitären Welt und Gesellschaft an einen innerstädtischen Campus, dessen äußere Erkennbarkeit (einschl. Bedürfnis nach Selbstdarstellung) und Öffentlichkeit des Ortes. – Die Lösungsmöglichkeiten umfassen damit das Spektrum von der Neuinterpretation in einer zeitgemäßen Gestaltung unter Berücksichtigung einer angemessenen Erinnerungshaltung an die ehemalige Paulinerkirche bis hin zur Orientierung am historischen Erscheinungsbild der Paulinerkirche. Nachdem bereits vor zwei Jahren der städtebauliche Rahmen, das funktionale und gestalterische Grundkonzept für das Gesamtareal entschieden sowie der historische Standort der Paulinerkirche für die neu zu erstellende Aula/Kirche gesichert werden konnte, ging es im jetzt entschiedenen Verfahren um das kontrovers diskutierte Erscheinungsbild zum Augustusplatz, die architektonische Ausformung des Erinnerns und um innere Qualitäten. Hierzu erhielten die teilnehmenden Archi- tekten ausführliche Dokumentationen der Vorgeschichte bis hin zu Darstellungen der geretteten Kunstschätze. Darüber hinaus wurden mehrere Qualifizierungsschritte durchgeführt: Nach öffentlicher Ausschreibung der Planungsaufgabe wurden die Teilnehmer nach fachlichen Kriterien ausgewählt und alle Preisträger des vorangegangenen Wettbewerbes zusätzlich eingeladen, am Verfahren teilzunehmen. Aus einer breiten Palette von Lösungsansätzen wurden am 13. Januar vier Erfolg versprechende Entwürfe, welche die Kriterien und Erwartungen der Auslobung erfüllten, zur weiteren Bearbeitung ausgewählt. Diese sollten die Chance erhalten, wesentliche Hinweise und Anregungen der Jury, unbeeinflusst von den anderen Zwischenergebnissen, aufzunehmen und planerisch bis März umzusetzen. Auf Basis dieser ausgearbeiteten Entwürfe traf die Jury am 24. März mit großer Mehrheit die Entscheidung zugunsten des Entwurfs von Erick van Egeraat Architekten, Rotterdam. Der Entwurf versöhnt die journal UniCentral unterschiedlichen Ansprüche an die Erinnerung der gesprengten Universitätskirche miteinander und vermittelt der Universität einen eigenständigen und selbstbewussten Auftritt am Augustusplatz. Das international renommierte Architekturbüro van Egeraat hat in Bauten für die TU Delft, in Kopenhagen und Budapest gezeigt, dass es in der Lage ist, komplexe Aufgaben im Sinne des Auslobers zu lösen. Alle vier Architekturbüros der Endrunde des Qualifizierungsverfahrens haben herausragende Architekturbeispiele realisiert. Aus gegebenem Anlass einige Worte zum Verfahren: Alle Beteiligten, d. h. die Universität Leipzig, der Freistaat Sachsen, die Stadt Leipzig und der Paulinerverein hatten sich im Vorfeld auf das oben beschriebene Regelverfahren und die daran teilnehmenden Akteure und Jury-Mitglieder verständigt. Dazu gehörte auch die Vereinbarung, alle eingereichten Beiträge nach Abschluss des Wettbewerbsverfahrens Ende März vollständig und im Original der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (seit 25. März im Gewandhausfoyer). Bei dem Verfahren handelt es sich um ein in vielen Jahren erprobtes Vergabeverfahren mit klaren Mehrheitsentscheidungen und Regeln. Sie sind Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie und Baukultur. Für die Öffentliche Hand sind solche Vergabeinstrumente ohnehin verbindlich anzuwenden. Nach gleichem Prinzip wurde zum Beispiel beim Neubau des BMW-Werkes in Leipzig oder der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main und bei zahlreichen anderen bedeutenden Bauaufgaben entschieden. Die Universität als der künftige Nutzer hatte begreiflicherweise ein großes Interesse daran, dass in dem zweiphasigen Vergabeverfahren auch der letzte Qualifizierungsschritt, in dem die architektonischen Entwürfe auf der Grundlage von Hinweisen der Jury zur endgültigen Ausformung gelangen, in aller Sorgfalt vollzogen wurde. Es war dabei wichtig, dass offene Fragen zum städtebaulichen Erscheinungsbild, zu Funktionsabläufen, zum Erinnerungswert und zur räumlichen Qualität im Verfahren und konkurrierend geklärt werden. Durch einen gravierenden Vertrauensbruch der Vertreterin des Paulinervereins in der Jury hatte es in einigen Medien bereits Veröffentlichungen von Wettbewerbsbeiträgen vor Abschluss des Verfahrens gegeben. Damit waren Vorverurteilungen von WettbeHeft 2/2004 werbsbeiträgen, Diffamierungen von Personen und des Verfahrens verbunden, welche in der Sache nicht weitergeholfen haben. Dieser Vorgang ist in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Wettbewerbsund Vergabewesens einzigartig und zeugt von mangelndem Verständnis demokratischer Spielregeln und Instrumente. Der teilnehmende Architekt Kulka sprach in diesem Zusammenhang von einem Eingriff in ein anonymes Verfahren, welcher nicht nur eine Unzumutbarkeit für die Architekten darstellt. Die Jury hat in der abschließenden Sitzung eine klare Rüge an die Vertreterin des Paulinervereins ausgesprochen und im Sinne der vereinbarten Regeln das Verfahren zu einem glücklichen Abschluss gebracht. Das hier dokumentierte Ergebnis ist ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein der universitären Wiederbelebung am Augustusplatz und einer zielgerichteten Diskussion über seine mögliche Ausgestaltung. Der erstrangig prämierte Entwurf ist eine anspruchsvolle Vision, eine Arbeitsgrundlage. Wir sollten diese Chance nutzen. Die Ausstellung im Gewandhausfoyer dauert bis Ende April. Die Öffnungszeiten: werktags 9–18 Uhr, am Wochenende 9–15 Uhr. Erick van Egeraat im Kurzinterview „Wir wollen eine reiche Architektur“ Erick van Egeraat, geboren 1956 in Amsterdam, hat an der Technischen Universität in Delft Architektur studiert und steht seit nunmehr 23 Jahren im Beruf. Er gilt inzwischen als der Top-Architekt der Niederlande. Sein Büro mit 120 Mitarbeiten zeichnet unter anderem für das Hauptquartier der ING & NNH Bank in Budapest verantwortlich. Zum Qualifizierungswettbewerb für den Campus war er von der Universität eingeladen worden. Dem Journal beantwortete der von Journalisten verständlicherweise umlagerte Egeraat drei kurze Fragen. Herr van Egeraat, glauben Sie, dass Ihr Modell so verwirklicht wird, wie es jetzt zu sehen ist? Natürlich kann ich nicht in die Zukunft sehen. Ich kann nur sagen: Wir sind dieses Projekt mit großen Ambitionen angegangen. Wir wollen eine reiche Architektur für Leipzig und seine Universität. Und die wird nun kommen. Unsere Mittel, also Glas, Stahl, edler Stein, künden davon. Ein stolzer Sieger: Erick van Egeraat zeigt sein Modell. Foto: Armin Kühne Ist dieser Reichtum zu bezahlen? Land, Stadt, Universität wollen sich das leisten. Es ist auch angemessen für einen Campus im Herzen der Stadt. Und so komplex sind unsere Elemente nun auch wieder nicht. Sie haben großen Wert auf die Erinnerung an die Paulinerkirche gelegt … … aber nicht als Rekonstruktion. Wir brauchen nicht nachzubauen, um den gleichen Reichtum realisieren zu können. C. H. 17 UniCentral Die Entscheidung für die „fünfte Fassade“ 1. Platz: Erick van Egeraat www.eea-architects.com „Mit Respekt vor dem Vorhandenen und Bezugnahme auf geschichtliche Ereignisse wird mit dem vorgeschlagenen Konzept eine Neudefinition des Ortes geschaffen“, heißt es in der Eigenbeschreibung des Sieger-Konzepts, in der außerdem die „expressive Formensprache“ betont wird, die „zukunftsweisende Zeichen“ setze. „Die ausdrucksvolle Dachfläche wird am Platz zur fünften Fassade und prägt den Stadtraum.“ Die Jury freute sich über die „gestalterische Kraft einer neuen Architektur“. Von einem Bau, der identitätsstiftend wirken könne, war die Rede. Zugleich wurden Bedenken u. a. hinsichtlich des Kostenaufwandes und der Brandschutzvorschriften geäußert, die jedoch vom Gesamteindruck überstrahlt würden. Für die weitere Qualifizierung des Entwurfs sprach die Jury Empfehlungen aus. Eine Aufgabe für den Architekten wird es beispielsweise sein, den Charakter der Aula stärker nachzuweisen. Was bedeuten dürfte, der Funktionalität des Innenraums, der den Eindruck einer dreischiffigen Hallenkirche vermittelt (s. Abb. rechts), größere Beachtung zu schenken. Des weiteren sollen Form und Material der Fassaden und des Daches in Alternativen dargestellt werden. Zudem soll das Raum- und Flächenangebot reduziert werden – van Egeraat war im Bauvolumen über die Ausschreibung hinausgegangen. Die für das Dach- geschoss vorgesehen Nutzungen sollen überprüft werden, um „qualitätsvolle, nutzbare Lösungen zu finden“. Außerdem ist der Aufwand für die Bewirtschaftung zu reduzieren und das technische Konzept im Hinblick auf die Realisierbarkeit weiterzuentwickeln. Der Dialog mit dem Architekten über die weitere Entwicklung wird sich wahrscheinlich in einem Planungsbeirat vollziehen, in dem Universität, Stadt und Freistaat vertreten sein werden. Höhen- und Breitenmaße sollten „in einem harmonischen Verhältnis“ zueinander stehen, heißt es darin. „Der Verzicht auf formalistische Detail-Applikationen steigert den Ausdruck und die Würde der Architektur.“ In der Tat attestierte auch die Jury dem Kulka-Entwurf eine ruhige Front zum Augustusplatz hin. Auch die Proportionen gefielen den Juroren – im Gegensatz zur „Materialität der geschlossenen Fassadenelemente“. 2. Platz: Peter Kulka www.peterkulka.de „Unser Ziel bei der Ausarbeitung des Konzeptsentwurfs war es, die Silhouette der historischen Universität mit Kirche wiederzubeleben, ohne sie historisierend zu kopieren“, schrieben Peter Kulka und seine Mitarbeiter in ihren Erläuterungstext. 18 journal UniCentral Die Münsteraner Architekten Behet, Bondzio und Lin entwickelten ihren Entwurf aus der ersten Wettbewerbsphase vor allem hinsichtlich der Aula/Kirche weiter. „Die Idee der transluzenten Marmorhaut wird zugunsten einer transparenten Glasskulptur aufgegeben“, erklärten sie dazu. Ein Konzept, das bei der Jury einen zwiespältigen Eindruck hinterließ. Sie bemängelte zudem, dass die klare Gliederung der Fassade verlorengegangen sei und vermisste ein schlüssiges städtebauliches Bild. 3. Platz: Behet, Bondzio, Lin www.2bxl.com Hans-Günther Merz wollte dort, wo einst die Paulinerkirche stand, „diese schmerzhafte Lücke durch einen prägnanten Neubau würdig schließen, ohne die Vergangenheit ungeschehen aussehen zu lassen“. Diesem neuen Gebäude sollte eine „Leitfunktion als Repräsentant der Universität“ zukommen, „ohne als Solitär zu erscheinen“ – ein „primus inter pares“. Eine „moderne und gleichzeitig irritierende Geste“, befand die Jury und attestierte dem neuen Aula-/Kirchgebäude „eine gewisse Zufälligkeit“. Gewürdigt wurde die Glasfassade und die technische Aufarbeitung. Den Ansprüchen an eine moderne Universität im Dialog mit der Erinnerung an die zerstörte Kirche habe der Beitrag aber nicht genügen können. 4. Platz: Hans-Günther Merz www.hgmerz.com Die Buchmesseakademie bot die erste Gelegenheit zur Diskussion „Eine Antwort auf die Fassade finden“ Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee fand nach der Jury-Sitzung die größten Worte: „Es ist ein historischer Tag für die Universität und die Stadt. Es ist der große Wurf.“ Wenn auch andere Teilnehmer der Sitzung leisere Töne anschlugen: Zufriedenheit zeigten sie alle, geradezu demonstrativ. Am nächsten Tag wurden sie in dieser Haltung bestärkt, und zwar von der Mehrheit jener Leipziger Bürger, die sich als erste die Ausstellung der Entwürfe im Gewandhaus (noch bis 30. April) angesehen hatten. Tim Tepper, Sprecher des StudentInnenRates, sah das Ergebnis hingegen kritisch: „Der aus dem Wettbewerb hervorgegangene Siegerentwurf zum AulaNeubau am Leipziger Augustusplatz ist kein großer Wurf, sondern bestenfalls das kleinste, gemeinsame Übel.“ Gleich am Tag nach der Entscheidung stand bei der Buchmesseakademie die Diskussion zur Frage „Brauchen Universitäten ein Zentralgebäude?“ auf dem Programm – Heft 2/2004 die erste Gelegenheit also zur öffentlichen Debatte über den Sieger-Entwurf. Während sich Prof. Dr. Charlotte Schubert, Prorektorin für Studium und Lehre, vor den gut gefüllten Rängen des Auditoriums hocherfreut zeigte, kam mehr oder minder großer Widerspruch von einem MännerTrio: „Das Problem ist, dass alle zufrieden sind“, sagte Philosophie-Professor Pirmin Stekeler-Weithofer. „Das ist keine demokratische Architektur“, meinte der Leipziger Architekt Steffen Kühn. „Dieses Sakralgebäude übertrumpft sein Vorbild. Der Augustusplatz wird aus dem Gleichgewicht kippen“, erklärte Dieter Bartetzko, Architekturkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Schnell einig waren sich die Diskutanten, zu denen auch Wolfgang Matschke, ehemaliger Kanzler der Martin-Luther-Universität Halle, zählte, dagegen in ihrer Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit eines Zentralgebäudes. Moderator Dr. Matthias Middell, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums für Höhere Studien an der Universität Leipzig, und die Zuhörer durften mehrfach ein eindeutiges „ja“ vernehmen. Doch das eigentlich Spannende war, dass unter direkter Bezugnahme auf den Siegerentwurf für das neue „Paulinum“ eine ganz neue Frage aufgeworfen wurde: „Die Debatte darüber, was in dieses Gebäude wirklich hineinkommt, kann meiner Meinung nach jetzt erst richtig losgehen“, sagte Pirmin Stekeler-Weithofer. „Die Universität ist jetzt gefordert, eine Antwort auf die Fassade zu finden. Auch wenn das eine andere Reihenfolge ist, als man sie sich normalerweise wünscht.“ Charlotte Schubert nahm den Gedanken auf und erklärte: „Vielleicht könnte sogar das Rektorat dort einziehen? Bedenkenswert wäre das.“ Texte: Carsten Heckmann Entwürfe: Architekturbüros 19 UniCentral Campus-Neubau beginnt mit der Mensa Leibniz zieht um Das Leibniz-Denkmal, das zurzeit noch an der Moritzbastei steht. Vielleicht findet es ein Interim-Domizil an der Universitätsbibliothek. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 –1716) studierte nach dem Besuch der Nicolaischule in Leipzig an den Universitäten Leipzig und Jena Philosophie und Jurisprudenz. Die Universität Leipzig ließ den 18-jährigen wegen seiner Jugend nicht zur Promotion zu. Deshalb schloss er das Jurastudium 1667 mit der Promotion in Altdorf (bei Nürnberg) ab. Foto: Sylvia Dorn Von Carsten Heckmann Manch einer mag zuletzt bereits gedacht haben: Wollen die noch bis 2009 diskutieren? Der Eindruck, dass viel geredet und nichts getan wird, konnte ob der medialen Begeleiterscheinungen in der Tat entstehen. Aber so ist es ganz und gar nicht. Während die interessierte Öffentlichkeit sich in den letzten Monaten ausschließlich mit den künftigen Gebäuden am Augustusplatz beschäftigte, waren die Fachleute fleißig dabei, den Baubeginn für das Areal an der Moritzbastei, wo die neue Mensa stehen wird, vorzubereiten. In diesen Tagen wird es immer mehr sichtbare Zeichen geben, die zeigen: Es geht los. „Zunächst schafft der Bauherr, also der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), Baufreiheit an der Rückseite des Hörsaalgebäudes“, erklärt Wolfgang Engel, Leiter des Uni-Dezernats Planung und Technik. Bäume werden gerodet bzw. umgesetzt, erste Bauzäune werden im Frühsommer folgen. Im Mai werden die Leipziger fürs erste Abschied von Leibniz nehmen müssen und auch vom Schinkeltor. Die Denkmäler werden eingelagert und saniert, ehe sie einen neuen, bestimmt repräsentativen Platz auf dem neuen Campus bekommen werden. Die ersten Bagger sollen dann im Spätsommer anrücken. Ihnen folgen zunächst die Archäologen. Die Bau-Abfolge sieht nicht umsonst die Mensa an erster Stelle vor. Schließlich kann erst nach Fertigstellung der neuen Mensa der Abriss der alten erfolgen, die derzeit nur noch mit einer Sondergenehmigung genutzt werden kann. Dann erst können die weiteren Vorhaben umgesetzt werden: der Neubau des Institutsgebäudes für die Wirtschaftswissenschaften an der 20 Grimmaischen Straße, des Großen Hörsaals und des „Paulinums“ am Augustusplatz (inklusive des Umbaus des bisherigen Hauptgebäudes) sowie die Grundsanierung und Modernisierung des Hörsaal- und des Seminargebäudes an der Universitätsstraße. „Spätestens zum 600. Jahrestag der Gründung der Universität am 2. Dezember 2009 muss alles fertig sein, da beißt die Maus keinen Faden ab“, weiß Wolfgang Engel. Und gebaut wird bei laufendem Betrieb. „Da drohen Probleme, aber das ist kein Problem“, erklärt Engel. Was paradox klingt, soll einfach heißen: Es ist zu schaffen. „Okay, es wird Baulärm geben, wir werden keine optimalen Bedingungen haben, im Hörsaalgebäude steht nur die halbe Kapazität zur Verfügung. Das heißt, wir müssen kompensieren, wir müssen auslagern.“ Wohl auch eines der Themen für die Baukommission, die in Kürze beim Rektorat eingerichtet wird. Ihre Hauptaufgabe wird sein, die nutzerspezifischen Anforderungen der Fakultäten so sachkundig und präzise wie möglich zu formulieren und als verbindliche Vorgaben an den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilienund Baumanagement (Niederlassung Leipzig II) weiterzureichen. In der Kommission werden daher auch alle Nutzer vertreten sein: die Mathematik, die Informatik, die Wirtschaftswissenschaften, der Kustos, der Universitätsmusikdirektor, der Universitätsprediger. Hinzu kommen der Kanzler und Vertreter des Bau-Dezernats. Denn das Hauptziel, das in der Diskussion um die Paulinerkirche zuletzt kaum angesprochen wurde, lautet: Der neue Campus muss funktional sein, er muss optimale Bedingungen bieten. Daher der große Hörsaal mit 800 Plätzen, den die Juristen und die Wirtschaftswissenschaftler benötigen. Letztere leiden derzeit unter einem erheblichen Flächendefizit (4340 Quadratmeter fehlen), ebenso wie die Mathematik/Informatik (1130 Quadratmeter). Kaum noch tragbar sind derzeit auch die Studienbedingungen für die Erziehungswissenschaften in der Karl-Heine-Straße. journal UniCentral 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Q Q R R s s 0 P O J 2. L 4. K 1. G G H H J K L M M N N O P 5. F E A B B C C D D E F 3. A Sie werden nach dem Auszug der Wirtschaftswissenschaften an die Jahnallee umziehen. Es ist viel zu tun, soviel ist klar. Daher wurde und wird auch schon viel gewerkelt – wenn auch noch nicht in Baugruben, sondern an Schreibtischen. Die Architekten Behet, Bondzio und Lin entwickeln ihren Gesamtentwurf weiter, mit dem sie den Architekturwettbewerb gewonnen hatten (das Uni-Journal berichtete). Sie wirkten auch mit an der Infrastrukturplanung, die das SIB gemacht hat. „Dabei geht es um die Ver- und Entsorgung des ganzen Komplexes während der Bauphase und später. Also Fernwärme, Strom, Wasser, Müll. Auch für die einzelnen Bauabschnitte liegt diese Planung nun vor“, erläutert Dr. Horst Schlemmbach, Leiter der Abteilung Planung und Bau im zuständigen Dezernat der Universität. Noch zu klären ist die Frage, ob beide Einfahrten in die Tiefgarage auch künftig gebraucht werden oder nur eine davon – was dann mehr Möglichkeiten für die Mensa-Ausgestaltung ließe. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Die Bauabschnitte: 1. Mensa 2. Institutsgebäude Grimmaische Straße 3. Hauptgebäude mit Aula/Kirche 4. Hörsaalgebäude (Obwohl hier als 4. Abschnitt gekennzeichnet, wird das Hörsaalgebäude bereits parallel zu vorherigen Abschnitten saniert.) 5. Seminargebäude Universitätsstraße und Innenhof Grafik: SIB Die neue Mensa Das liebe Geld … 104,2 Millionen Euro betragen die geschätzten Gesamtkosten für das Campus-Vorhaben. Den größten Einzelposten stellt mit 30 Millionen Euro der Komplex mit dem großen Hörsaal und der Aula sowie dem Neubau des Institutsgebäudes für die Wirtschaftswissenschaften dar. Baubeginn dafür wird 2006 sein, nach Inbetriebnahme der neuen Mensa. Die Grundsanierung und Modernisierung des Hörsaalgebäudes (ab 2005) schlägt mit 26,2 Millionen Euro zu Buche, das Seminargebäude, das im Zuge der Sanierung erweitert wird (letzter Bauabschnitt im Campus), mit 20 Millionen Euro. 17,6 Millionen Euro kostet die neue Mensa. Umbau und Sanierung des Hauptgebäudes machen 10,4 Millionen Euro aus und sind baulich natürlich nicht von Hörsaal und Aula zu trennen. (Die Zahlen basieren auf der ersten Anmeldung des Freistaates Sachsen zum 34. Rahmenplan für den Hochschulbau beim Bundesministerium für Bildung und Forschung und werden noch durch den Wissenschaftsrat geprüft.) Heft 2/2004 So könnte die neue Mensa aussehen. (Blick vom Leuschnerplatz kommend. Entwicklungsstand: Ende März) Entwurf: Behet, Bondzio und Lin „Das wird Erlebnisgastronomie“, sagt Dezernent Wolfgang Engel augenzwinkernd, wenn er nach der neuen Mensa gefragt wird. Wie die Mensa genau aussehen wird, vor allem innen, steht indes noch gar nicht fest. Klar ist aber, dass sie zwischen Hörsaalgebäude und Moritzbastei stehen und auf 3800 Quadratmetern und drei Etagen rund 890 Plätze haben wird. Am Tag sollen 3800 Essensportionen ausgegeben werden, so viele sind es ungefähr auch momentan. Die Mensa wird sich direkt an das Hörsaalgebäude anschließen, von dort wird es auch einen entsprechenden Zugang geben. 21 UniCentral Kunstwerke für die neue Mitte Das „Paulinum“ als Heimat für Epitaphien und Co Im Interview mit dem Journal erläutert der Kustos der Kunstsammlungen der Universität, Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, seine Ideen für die Integration geretteter Schätze aus der Paulinerkirche in das neue „Paulinum“. Welche Vorstellungen, Hoffnungen, Erwartungen verbindet der Hüter der Kunstschätze der Universität mit der Campus-Neugestaltung? Meine Hoffnungen beziehen sich auf die Überwindung eines Verlustes. Ich glaube, die Universität hat mit der Zerstörung ihrer Kirche durch die DDR-Machthaber ihre geistig-geistliche Mitte verloren. Ihre Identität erscheint irgendwie fragmentiert. Die Neugestaltung eröffnet nun die Möglichkeit, der Alma mater eine neue Mitte zu geben. Dabei kommt den aus der Paulinerkirche geretteten historischen Kunstwerken eine zentrale Rolle zu. Einfach deshalb, weil sie die geschichtliche Dimension dieser Universität anschaulich machen können. Aus meiner Sicht sollte die neu zu bauende Aula in ihrer baulichen Form an die zerstörte Kirche sehr konkret erinnern. Ich denke an einen Raum, der unmittelbar kirchliche Assoziationen weckt und der damit die besten Voraussetzungen liefert, um über die Wiederaufstellung der Kunstwerke den eingangs genannten Zweck zu erfüllen. Die Epitaphien aus der Paulinerkirche, vor allem die konservatorisch unbedenklichen Steinmonumente sollten im Mittelpunkt stehen; ihnen sollte auch in Bezug auf die Wiederanbringung „historische Gerechtigkeit“ widerfahren. Ich glaube, dass sie keinen Ort finden werden, wenn sie nicht in der künftigen Aula/Kirche hängen werden. Das ergibt sich schon formal aus ihrer Größe. Bei einer Eigenhöhe von fünf Metern und einer Anbringungshöhe von drei Metern über dem Boden ergibt das schon eine Raumhöhe von zehn Metern. Solche Räume werden Sie sonst nirgends im neuen Campus finden. 22 Bei diesen beiden Engeln/Putten handelt es sich um Figuren vom Epitaph des Wilhelm von Ryssel (1634 –1703), vermutlich erst um 1715 entstanden, Caspar Friedrich Löbelt zugeschrieben, ehemals an der Südwand des Hauptchores der Kirche St. Pauli. Fotos der Kunstwerke: Tschawdar Michalkow und Mirko Vieser, Kustodie Bei weiteren Kunstwerken, etwa aus dem Augusteum, kann man die Frage nach dem künftigen Ort flexibler beantworten, hier kann man sich das Foyer oder den Großen Hörsaal vorstellen. Anders gesagt: Ich bin gegen eine „bunte Mischung“. Wir haben doch an der Universität die betrübliche Situation, über keine alten Gebäude mehr zu verfügen. Mit der Konsequenz, dass die meisten historischen Kunstwerke, speziell des Mittelalters und der Renaissance, aber auch des Barock, im Grunde ihren Ort verloren haben und so „herrenlos“ herumdriften. Uns ist die Aufgabe gestellt, wieder Sinn zu stiften und alte Zusammenhänge wieder neu herzustellen. Meiner Ansicht nach sollte daher in der Aula eine barocke, also relativ dichte Hängung unter Ausnützung der Raumhöhe erfolgen. Das Ganze sollte also aus einer gewissen Fülle leben. Neben diesem Gestaltungsprinzip stehen konservatorische Erwägungen. Werke aus Holz und aus Leinwand verlangen eine relativ konstante Luftfeuchtigkeit und Temperatur, und da ist dann schon grundsätzlich zu fragen, inwieweit solche Anforderungen mit einer Nutzung als Aula zu vereinbaren sind, die sich vielleicht binnen einer halben Stunde mit 500 Personen füllt oder leert. Also wird man auch über Vitrinenlösungen nachdenken müssen oder über die Anbringung solcher Kunstwerke in einem separaten Raum. In welchem Zustand befinden sich die zumeist in letzter Not geretteten Kunstwerke, wie viele bedürfen der Restaurierung? Bei den Steinmonumenten ist die Restaurierungsarbeit in sehr weitgehendem Maße erst noch zu leisten. Man kann sagen, dass drei Viertel der geborgenen Kunstwerke noch restauriert werden müssen. Es gibt Epitaphien, deren Schädigung darin liegt, dass sie einfach nur fragmentarisch geborjournal UniCentral gen wurden. Während man offenbar am Anfang der Bergungsarbeiten ziemlich gründlich zu Werke gegangen ist und versucht hat, auch die Aufhängung zu retten, die ganze Epitapharchitektur zu erhalten, wurden dann später nur noch die Figuren mitgenommen. In solchen Fällen müsste dann an Hand alter Fotos eine neue Auflage für das Kunstwerk gebaut werden. Dann gibt es auch Situationen, wo Teile abgebrochen oder Figuren in der Mitte zersprungen sind. Sie lassen sich mit heutigen Restaurierungsmethoden ganz gut bewältigen. Hier könnte man bereits im Vorfeld des Neubaus tätig werden. Aber die Restaurierung des gesamten Epitaphs macht erst dann Sinn, wenn man weiß, wo es seinen Platz finden wird. Das betrifft ja zum Beispiel auch Fragen der Oberflächenreinigung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Dinge „auseinanderrestauriert“ werden. Wenn etwa Restaurator x scharf reinigt, Restaurator y aber die Patina belässt. Ich meine, die Werke sollten ihr historisches Erscheinungsbild behalten. Man sollte auch genau überlegen, wo man einen fragmentarischen Zustand ergänzt, fehlende Teile wieder anbringt - und wo nicht. Der heutige Zustand ist eben Teil der Geschichtlichkeit dieser Objekte, ist Folge der Bergungsumstände oder eben auch der jahrzehntelangen Lagerung. Meiner Meinung nach kann man auch auf diesem Gebiet nicht so tun, als wäre im Jahre 1968 nichts geschehen. Seit Sommer 2002 arbeiten wir sehr eng mit der Hochschule für bildende Künste Dresden, speziell mit der Fachklasse Restaurierung unter Leitung von Prof. Ulrich Schießl, zusammen. Daraus ist eine Seminararbeit von Herrn Johannes Schäfer aus Altenburg hervorgegangen, in der in mühevoller Kleinarbeit die Kunstwerke neu gesichtet und in ihrem Erhaltungszustand erfasst werden. Das ermöglichte dann auch Entscheidungen darüber, ob im Einzelfall eine partielle Notfestigung, insbesondere bei den Holzskulpturen, für den anstehenden Transport erforderlich war. Transport meint hier den Umzug aus dem Kirchendepot in ein eigenes Depot, das die Universität in der Innenstadt angemietet hat. Damit ist nun ein schneller Zugang zu den Hunderten von Objekten möglich, sodass deren Restaurierung zielgerichtet vorbereitet werden kann. Aus der Zusammenarbeit mit der Dresdner Hochschule und Herrn Schäfer ist dann auch dessen Diplomarbeit erwachsen, die sich mit der Restaurierung des kunst- und universitätsgeschichtlich bedeutenden Epitaphs für Heinrich Heideck (1570–1603) befasst. Das ist ein Beispiel. Wenn man die Menge der Objekte sieht, dann müssten noch viele Diplomarbeiten in Angriff genommen werden … Das Hauptproblem sehe ich darin, dass qualifizierte Restauratoren nicht in unbegrenzter Zahl zur Verfügung stehen und dass wir selbst nicht in der Lage sind, unbegrenzt viele Restaurierungen zeitgleich zu begleiten. Schließlich handelt es sich hier um einen Prozess mit mehreren auf- Das Epitaph des Hieronymus Cronmeier und seiner Ehefrau Anna Justina geb. Schwendendörfer, möglicherweise ein Werk Johann Jakob Löbelts, ehem. an der Südwand des Hauptchores. Heft 2/2004 Dr. Hiller mit dem Fragment eines Epitaphs. Foto: Mirko Vieser, Kustodie einander abzustimmenden Teilschritten. Der Restaurator untersucht das Objekt, das führt zu einer Anamnese, einer Krankengeschichte wie beim Arzt, dann wird die Heilungsstrategie entwickelt, die mit dem Auftraggeber abgestimmt werden muss, es folgen viele Diskussionen, ehe die Arbeiten ausgeführt werden, die wiederum genau dokumentiert werden müssen. Ein gigantisches Projekt, schließlich soll etwas entstehen, was für die späteren Nutzer des Gebäudes einen wichtigen Teil des Selbstbildes der Universität vermittelt. Und es muss auch noch über die Finanzierung gesprochen werden. Genaue Kalkulationen stehen noch aus. Aus den Baugeldern müssen meines Erachtens auch Summen für diese Restaurierungsarbeiten bereitgestellt werden. Man sollte auch darüber nachdenken, ob nicht Mittel aus dem Fonds „Kunst am Bau“ kommen können. Was ja nicht ausschließt, dass auch ein Auftragswerk an einen zeitgenössischen Künstler vergeben wird. Ein anderer Punkt ist: Auch wenn der Neubau kein Museumsneubau wird, natürlich nicht, so sollte doch an prominenter Stelle auch Raum für eine kleine Dauerausstellung sein, in der die Zerstörung der Kirche und der Widerstand dagegen dokumentiert wird. Alles in allem: Es besteht noch beträchtlicher Planungsbedarf. Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass die Architekten für diese Integration der Kunstwerke als Sinnträger des Gesamtbaus selbst einen Sinn entwickeln und gesprächsbereit sind. Insofern freue ich mich auf viele gute Gespräche. Mit Dr. Hiller von Gaertringen sprach Volker Schulte. 23 UniCentral Mit Bildern predigen Kunstschätze der Uni-Kirche im Gottesdienst Im Streit um den Neubau am Augustusplatz ist immer wieder einmal von den Kunstschätzen zu hören, die in der früheren Universitätskirche ihren Ort hatten und gerettet werden konnten. Doch wer weiß schon, um welche es sich dabei handelt? Im Predigerkonvent entstand die Idee, sich im Sommersemester 2004 in einer Predigtreihe von vier Sonntagen (Beginn jeweils 11:15 Uhr, St. Nikolai) jeweils einem Gemälde bzw. einer Plastik zuzuwenden, die in der Dauerausstellung der Kustodie in der Ritterstraße ihr derzeitiges Domizil gefunden haben. Der Kustos und seine Mitarbeiter werden durch Reproduktionen der Bilder und kunstgeschichtliche Informationen die Gottesdienste mit vorbereiten helfen. Dozenten bzw. Dozentinnen der Theologischen Fakultät werden in ihrer Predigt einen Brückenschlag vom alten Bild in die heutige Zeit bzw. vom heutigen Erleben und Verstehen in die Bildersymbolik damals versuchen. Am 18. April wird mit „Jesus und die Kinder“ ein Bild aus der Schule von Lucas Cranach im Mittelpunkt stehen (Predigerin: Prof. Dr. Gunda Schneider), am 2. Mai ein Epitaph mit der Darstellung der Auf- 24 erweckung des „Jünglings zu Nain“ (Predigerin: Dr. Irene Mildenberger). Am 16. Mai geht es um das Epitaph von J. Camerarius, dessen Bildmotiv umstritten ist (Predigerin: Dr. Doris Hiller). Am Pfingstsonntag, 30. Mai, wird im Rahmen dieses Gottesdienstes an die Zerstörung der Universitätskirche im Jahr 1968 erinnert. Dabei wird die aus ihr geborgene Paulus-Plastik im Mittelpunkt stehen (Prediger: Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann). Die Verantwortlichen hoffen, dass sie damit nicht nur ein Beitrag leisten, die universitären Kunstschätze in ihrem künstlerischen und religiösen Wert in der Öffentlichkeit besser bewusst zu machen. Sie erwarten zugleich, dass die alten Kunstwerke auf ihre Weise helfen werden, eine Predigtsprache zu finden, die Menschen von heute mit ihren Erfahrungen in das dargestellte biblische und religiöse Geschehen aufregend oder anregend verstrickt. In einer medialen Gesellschaft mit einer neuen Liebe zum Bild sollte es vielleicht öfters einmal heißen: „Mit Bildern predigen“. Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann, Institut für Praktische Theologie Statue des Hl. Paulus von der Universitätskirche St. Paul in Leipzig. Werk eines unbekannten mitteldeutschen Steinmetzes des frühen 15. Jh. Kunstbesitz der Universität Leipzig. Epitaph der Familie Lewe („Jüngling zu Nain“). Mitteldeutscher (Leipziger?) Maler aus dem Umkreis der CranachSchule, 1546. Kunstbesitz der Universität Leipzig. Fotos: Kustodie journal Fakultäten und Institute Interkulturelles Trainingslager Arbeitskreis entwickelt Konzepte für Kommunikation Von Thomas Tabery, Ostasiatisches Institut Begegnung, Kommunikation und Kooperation zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen schaffen Grenzsituationen, in denen die handelnden Personen besonderen Anforderungen ausgesetzt sind. Durch die Globalisierung des Wirtschaftslebens und die ständig wachsende Zahl von internationalen Kooperationen und Partnerschaften in Kultur und Wissenschaft nimmt nicht nur die Anzahl interkultureller Begegnungen ständig zu, auch die Ansprüche an die Qualität, mit der solche Situationen bewältigt werden, steigen. Angesichts dieser Entwicklung kommt interkultureller Kompetenz mehr und mehr die Rolle einer Schlüsselqualifikation zu. In Bezug auf Ostasien sind vor allem Sinologen und Japanologen als diejenigen gefragt, die Auskunft über kulturspezifische Verhaltensweisen, Denk- und Kommunikationsmuster geben können. Als Vermittler interkultureller Kompetenz finden sie ein zunehmend wichtiges Betätigungsfeld. Aus diesem Grund hat das Ostasiatische Institut am Lehrstuhl für klassische Sinologie bereits im SS 2001 die Seminarreihe „Interkulturelles Training“ in sein Lehrprogramm aufgenommen, die den Studenten zu einem tieferen Verständnis für kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten verhelfen, ihre Handlungskompetenz in interkulturellen Kontexten verbessern und sie somit auf eine berufliche Tätigkeit in Institutionen und Unternehmen mit Chinakontakten vorbereiten möchte. Seit kurzem wird vom Ostasiatischen Institut aus eine weitere Brücke in die Praxis geschlagen: Auf Initiative der Sinologin Thekla Wiebusch, die als Übersetzerin, Projektleiterin, interkulturelle Trainerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin auf vielfältige Weise mit interkulturellen Fragen konfrontiert war, hat sich zu Beginn dieses Jahres am Ostasiatischen Institut der „Arbeitskreis Interkulturelle Kommunikation Ostasien“ gegründet. Heft 2/2004 Zu den Mitgliedern des Arbeitskreises zählen neben Mitarbeitern und Studenten der Sinologie und Japanologie auch Psychologen, Pädagogen, Wirtschaftswissenschaftler sowie freie Trainer für die interkulturelle Vorbereitung auf Ostasien. „Die Zusammensetzung des Arbeitskreises spiegelt den interdisziplinären Charakter interkultureller Studien wider“, so Thekla Wiebusch. „Bei aller Unterschiedlichkeit des fachlichen Hintergrunds ist den Mitgliedern jedoch ein wissenschaftlicher oder praktischer Bezug zu Ostasien gemein.“ Ziel ist es, aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Bereich der interkulturellen Kommunikation mit den vielfältigen Erfahrungen der Mitglieder des Arbeitskreises zusammenzuführen und für die praktische Vermittlung aufzubereiten. Konkret bedeutet das die Entwicklung von Konzepten und Schulungsunterlagen für interkulturelle Trainings. Dabei konzentrieren sich die Anstrengungen im Moment auf China, da die erarbeiteten Konzepte die Grundlage für Trainings darstellen, die der Arbeitskreis in regelmäßigen Abständen in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Chinesischen Zentrum Leipzig e.V. durchführen wird. Im Fokus der Schulungen und Trainings stehen Fach- und Führungskräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Durch Vorträge, Erfahrungsberichte, Fallbeispiele, Kommunikationsübungen und Rollenspiele sollen sie auf eine Zusammenarbeit mit Angehörigen des chinesischen Kulturkreises vorbereitet werden. Jedes Training beinhaltet einen allgemeinen Überblick über Geschichte, Philosophie und Landeskunde Chinas, sowie über Grundregeln der Höflichkeit und besondere Kommunikations- und Verhaltensmuster. Ob darüber hinaus spezielle Themen wie Verhandlungsführung, Qualitätsmanagement oder interkulturelle Didaktik Behandlung finden, richtet sich nach dem konkreten Bedarf der Teilnehmer. Je nach Zielgruppe ergeben sich somit unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte. Im Rahmen des „Projekts zur Förderung der Marktchancen und Kompetenzen der mitteldeutschen Wirtschaft in China“ erfährt der Arbeitskreis finanzielle Unterstützung von der „Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer“, die damit die Relevanz interkultureller Kompetenz für ein erfolgreiches Chinaengagement unterstreicht. Für die nähere Zukunft sind ein eigener Internetauftritt und eine Vortragsreihe zu ostasiatischer Geschäftskultur und Wirtschaftsentwicklung geplant. Kontakt: [email protected] Nicht nur auf internationalen Messen – hier eine Szene von der Handelsmesse in Xiamen in der chinesischen Provinz Fujian – ist interkulturelle Kompetenz gefordert. Foto: Thomas Rötting 25 Fakultäten und Institute Religion und Gewalt Fazit einer Ringvorlesung der Theologischen Fakultät Spätestens seit dem 11. September 2001 und der Kriegserklärung des amerikanischen Präsidenten an den Terrorismus dürfte allen Menschen klar geworden sein, dass mit dem neuen Jahrtausend eine Welle der Eskalation von Gewalt Einzug gehalten hat. Wir erschrecken wohl alle immer wieder über Bilder von brutalen Selbstmordattentaten oder von militärischen Strafaktionen, die stets nur die Gewaltbereitschaft verstärken. Ich erlebe dabei oft ein doppeltes Erschrecken: Es ist nicht nur die Brutalität der Gewalt als solche, die mich entsetzt, sondern zugleich auch die Tatsache, dass oft religiöser Glaube mit solcher Gewalt verbunden ist. Muss man nicht von den christlichen Kirchen und von den Religionen überhaupt statt dessen Initiativen zur Überwindung der Gewalt erwarten? Um solchen Fragen nachzugehen, veranstaltete die Theologische Fakultät im Wintersemester 03/04 eine Ringvorlesung, bei der Leipziger Theologen ebenso mitwirkten wie Kollegen aus Halle, Jena und Erfurt, unterstützt von Religionswissenschaftlern der genannten Universitäten. Intensiv wurden elementare Texte des christlichen Glaubens (zum Beispiel alttestamentliche Gottesvorstellungen, Deutungen des Kreuzestodes Jesu) und Ereignisse in der Geschichte des Christentums (Judenprogrome, Hexenverfolgungen, Inquisition, Stellung zum Krieg) ebenso untersucht wie die Positionen des Islam oder fernöstlicher Religionen zum Thema Gewalt. Fragen einer sachgerechten Erziehung im Kontext von Gewalt oder der Sinn des Gebets um den Frieden spielten ebenso ein Rolle wie verantwortliche Möglichkeiten der Transformation des Gebots der Feindesliebe in politische Konzepte der Minimierung von Gewalt, Untersuchungen zur Gewaltthematik in christlich-fundamentalistischen Bewegungen usw. 26 Am Ende der Vorlesungsreihe gab es keine offizielle Bilanz, wohl aber werden viele Teilnehmende aus den Vorträgen ihre eigenen subjektiven Schlüsse gezogen haben. Mich haben viele Beiträge im Blick auf eine mögliche Nähe von Religion und Frieden eher ernüchtert: Die Bereitschaft zur Gewalt liegt offenbar so tief im Menschen, dass auch der religiöse Glaube häufig zum Medium gewaltsamer Überzeugungen und Handlungen werden konnte und auch heute immer wieder werden kann. Aber um so mehr kommt es darauf an, die Potenzen des Friedens zu erschließen, die ebenfalls in vielen religiösen Überlieferungen zu Hause sind. Darin liegt eine wichtige Aufgabe verantwortlicher Theologie, die zu einer Hermeneutik des Friedens gegen mögliche „religiöse“ Rechtfertigungen von Gewalt beizutragen hat. Dass gerade im zuweilen als aggressiv gedeuteten Kreuzessymbol der tiefste Grund der christlichen Hoffnung auf Frieden und Barmherzigkeit liegt, stellte Frau Prof. Gunda Schneider, Leipzig, im letzten Vortrag der Vorlesungsreihe heraus – eine These, die vielleicht nicht jeden Zuhörer überzeugte, wohl aber jedem zu denken gab. Es wäre gut, wenn auch bei künftigen Ringvorlesungen in der Universität das Gewaltproblem eine angemessene Beachtung fände. Ich würde es begrüßen, wenn dabei die Perspektiven anderer Wissenschaften, zum Beispiel die der Pädagogik, Psychologie, Philosophie und der Politikwissenschaft zur Sprache kämen und wenn sie mit einigen theologischen bzw. religionswissenschaftlichen Überlegungen konfrontiert würden, die in der abgeschlossenen Vorlesungsreihe zur Sprache gekommen sind. Wolfgang Ratzmann, Institut für Praktische Theologie Mediziner lernen jetzt problemorientiert Tutoren werden geschult Mit der neuen Approbationsordnung, die seit Oktober 2002 in Kraft ist, werden an der Medizinischen Fakultät jetzt innovative Wege in der Ausbildung der Medizinstudenten gegangen. Die Zauberworte sind problemorientiertes Lernen (POL) und interdisziplinäre, patientenbezogene Tutorials zum Abschluss jedes klinischen Studienjahrs. In dem POL-Kurs erarbeiten sich die Studierenden selbständig einen strukturierten medizinischen „Fall“ von der Befunderhebung, Diagnostik, Therapie, bis hin zur Pathogenese und Beurteilung des Krankheitsverlaufs. Die Studenten lernen dabei auch, wie im Team zusammengearbeitet wird, wie man mit Konflikten umgeht und natürlich welche Schritte für eine erfolgreiche Behandlung notwendig sind. Die POL-Arbeitsgruppe der Medizinischen Fakultät orientiert sich bei der Neueinführung des POL-Unterrichts an den erfolgreichen Vorarbeiten des „Münchner Modells“, das in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School Boston/USA aufgebaut worden ist. Das hierzu notwendige Training der Hochschullehrer und Tutoren findet in einer engen Kooperation der Leipziger und der Münchner Medizinischen Fakultät statt. Die Leipziger POL-Kurse sind im Unterschied zu ähnlichen Unterrichtsformen anderer Universitäten so aufgebaut und strukturiert, dass sie thematisch ein klinisches Studienjahr abschließen, d. h. die Studenten können erstmals ihr erworbenes Wissen an einem tatsächlichen klinischen Problem, an einem Patientenfall anwenden. Der im Juni/Juli 2004 stattfindende erste Leipziger POL-Kurs beschäftigt sich mit dem klinisch wichtigen Thema „Entzündung und Abwehr“. Die Studenten des 3. Studienjahrs sind dafür bereits durch systematische Kurse und Vorlesungen gut vorbeitet. Dies betrifft die Infektologie (Mikrobiologie, Virologie) und Immunologie, die Pathologie und Pathophysiologie der Krankheitsentstehung, die Klinische Chemie, die bildgebende Diagnostik, klinische Untersuchungsmethoden sowie Pharmakologie und Toxikologie. Die Kurse erfolgen in kleinen, nach dem Zufallsprinzip zusammengestellten Gruppen von je journal Fakultäten und Institute sieben Studenten und werden von einem speziell ausgebildeten Tutor geleitet. D. h. man braucht eine große Zahl qualifizierter Tutoren, um ein Studienjahr, das mehr als 300 Studenten umfasst, entsprechend auszubilden. Die erste Schulung von 50 Tutoren fand vom 1. bis 4. März statt und wurde von den Hochschullehrern mit Begeisterung angenommen. Der nächste Ausbildungskurs und zwei weitere POL-Kurse sind bereits in Vorbereitung. B. A. Westslavisten mit Frühjahrsund Sommeruniversität Ende März/Anfang April fand in der Fachrichtung Westslavistik im Institut für Slavistik die nunmehr vierte Westslavistische Frühjahrsuniversität statt. Schwerpunkt war Polnisch. Die Veranstaltung ist Teil der von den Leipziger Professoren Danuta Rytel-Kuc und Wolfgang F. Schwarz begründeten Reihe „Westslavistische Frühjahrs- und Sommeruniversität“. Die Kurse für mäßig Fortgeschrittene und Fortgeschrittene werden von Gastlektoren im Sokrates/ErasmusProgramm unterstützt. Sie geben Studierenden und Wissenschaftlern der Universität die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse in Polnisch und Tschechisch außerhalb des Semesterstresses zu vertiefen und zu aktivieren. Die fünfte Westslavistische Sommeruniversität mit Schwerpunkt Tschechisch ist für September geplant. Da Polnisch und Tschechisch bis jetzt noch nicht als Schulsprachen zum Studium mitgebracht werden, ist das regelmäßige Zusatzangebot in der vorlesungsfreien Zeit eine Hilfe für das Studium und die spätere Berufspraxis, ein Beitrag, um einen ausgewählten Kreis von Interessierten für die Situation nach dem EU-Beitritt der Nachbarländer Sachsens fitter zu machen. Zu diesem Zweck haben die Leipziger Westslavisten mit Unterstützung des Sächsischen Schulministeriums im Oktober 2003 auch ein Weiterbildungsprogramm für Lehrer aufgelegt, das bis zum Ende des Sommersemesters 2006 läuft. r. Weitere Informationen im Internet unter: www.uni-leipzig.de/%7Eslav (unter „Aktuelles“) Heft 2/2004 Mediziner gründen Alumni-Verein Die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig gründete jetzt einen Alumni-Verein. Damit können Assistenten, Hochschullehrer, Studenten und Absolventen der Medizinischen Fakultät, aber auch Einrichtungen, die den Alumni-Verein unterstützen wollen, ihre Mitgliedschaft anmelden. Der bekannte Leipziger Chirurg Prof. Dr. med. Manfred Schönfelder hat sich für das Projekt „Alumni der Leipziger Medizinischen Fakultät e. V.“, kurz ALM genannt, engagiert und den Verein auf den Weg gebracht: „Wir kommen damit einem vielfach geäußerten Wunsch nach, die Verbundenheit zu einer Einrichtung zu dokumentieren, die für einen wichtigen Lebensabschnitt unsere Heimstatt war und ist.“ Aus dieser Absicht ergeben sich die Ziele des Alumni-Vereins, der gegenwärtige, ehemalige und zukünftige Studierende, Mitarbeiter der Fakultät und interessierte Einrichtungen zusammenführen will. Er will den Kontakt der Mitglieder untereinander und mit ihrer Hochschule aufbauen und fördern, zum Wohle der Lehre, der Weiter- und Fortbildung arbeiten und die Traditionen einer ehrwürdigen Universität fortführen. Das soll erreicht werden über einen engen persönlichen Kontakt zwischen Studierenden, Assistenten, Hochschullehrern und Absolventen, indem man Podien für eine verstärkte Kommunikation schafft und das berufliche Fortkommen unterstützt. „ALM ist aber nicht nur eine Bereicherung für die Mitglieder, sondern er ist auch wichtig für das Selbstverständnis unserer Medizinischen Fakultät.“, so Schönfelder. Schließlich könne eine Fakultät, die wisse, was aus ihren Absolventen geworden sei, Rückschlüsse auf die Qualität ihrer Ausbildung ziehen. Und nicht zuletzt ist die enge Verbundenheit der „Ehemaligen“ zu ihrer Einrichtung förderlich für das Image der Fakultät als einer Institution, die so gut ist, dass man gern an sie zurückdenkt. Dass das umgekehrt auch gut ist für das Image des Absolventen liegt auf der Hand. Die Mitgliedsbeiträge sind niedrig und damit für alle erschwinglich. So bezahlen Studenten 5 e, Assistenten 10 e und Hochschullehrer 20 e im Jahr. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Wieland Kiess, als Vorsitzender von ALM lädt alle mit Leipzig verbundenen Mediziner herzlich ein, Mitglied im Verein zu werden. B. A. Das Logo des neuen Alumni-Vereins. Als Ansprechpartner steht zur Verfügung der Verwaltungsleiter der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Wulfdieter Schöpp, Tel.: 0341/9715910, Fax: 0341/9715919, E-Mail: [email protected]. Anmeldungsformulare können auch aus dem Internet heruntergeladen werden: www.uni-leipzig.de/~ukl/ fakultaetklinikum/download/ antrag_alumni.pdf Weitere Informationen: www.uni-leipzig.de/~ukl/ fakultaetklinikum/fak_alumni.html 27 Fakultäten und Institute „Prendeloor – nimm das Gold“ Niederlandistik mit zwei Projekten an der BIMILI-Reihe beteiligt Von Dr. Rita Schlusemann, Niederlandistik Die BIMILI-Reihe (Bibliothek mittelniederländischer Literatur) ist eine auf zwölf Bände angelegte Reihe, bei der sich insgesamt 20 belgische, deutsche und niederländische Germanisten und Niederlandisten zusammenfinden, um die bekanntesten mittelalterlichen Texte aus dem niederländischen Sprachraum zu edieren, zu kommentieren und ins Deutsche zu übersetzen. Beteiligt sind u. a. Prof. Claassens aus Leuven, Prof. Winkelman aus Amsterdam und Prof. Wolf aus Bayreuth. Angeregt wurde die BIMILI-Arbeit von Dr. Bart Besamusca (Utrecht) und Dr. Carla Dauven-Van Knippenberg (Amsterdam), die auch die Koordination der Arbeiten auf sich genommen haben. Zu den 12 Texten gehören so berühmte Werke wie das Karlsepos Karel ende Elegast, der Artusroman Walewein oder die Legende Beatrijs. Die Leipziger Niederlandistik, die mit der Servatiuslegende des Heinrich von Veldeke und mit Reynaerts historie betraut ist, betrachtet es als eine große Ehre, an dieser Reihe mit zwei Projekten beteiligt sein zu dürfen. Die BIMILI-Reihe, die der agenda Verlag in Münster herausgibt, wendet sich an interkulturell Interessierte ebenso wie an Studierende und Wissenschaftler. Zu jedem Band gehören ein Stellenkommentar und ein Nachwort zum literar- und kulturhistorischen Kontext der Texte sowie ihrer Rezeption im deutschen Sprachgebiet. An der Universität Leipzig betreue ich die beiden für 18 Monate von der Niederländischen Sprachenunion geförderten Projekte zur Servatiuslegende und zu Reynaerts historie. Die beiden Bände entstehen in enger Zusammenarbeit mit Dr. Ludo Jongen und Dr. Norbert Voorwinden aus Leiden und Prof. Dr. Paul Wackers aus Utrecht. Seit Oktober 2003 sind Ulrike Wuttke und Prisca Tütermann unterstützend im Leipziger Projekt tätig. In zwei mehrtägigen Workshops diskutierten die 28 BIMILI-Kollegen zunächst in Amsterdam (Juni 2002) und ein Jahr später in der Villa Tillmanns (Juni 2003) ausführlich über die Richtlinien der Reihe. Forschungen zum Werk von Hendrik van Veldeke (Geburtsort war das Dorf Veldeke unweit von Hasselt im heutigen Belgien) haben in Leipzig eine lange Tradition. Theodor Frings und Gabriele Schieb legten zum Teil bahnbrechende Studien vor, deren Wert erst in neuerer Zeit wieder mehr anerkannt wird. Für die heutige Betreuerin des Projekts ist es daher eine besondere Freude, an die Tradition anknüpfen zu dürfen. Die Servatiuslegende aus dem 12. Jahrhundert erzählt in lebhafter Weise vom Leben, Wirken und Sterben des Heiligen Servatius, einem der drei Eisheiligen, an dessen Sterbetag man sich auch noch heute erinnert (13. Mai). Dieser erste Bischof von Maastricht wurde bis weit ins deutsche Sprachgebiet verehrt (zur Servatiuskirche in Maastricht auch auf englisch www.sintservaas.nl). Nach den Arbeiten von Studenten in Groningen und Oldenburg beugten sich im vergangenen Wintersemester Leipziger Studenten der Germanistik und Niederlandistik über die restlichen der 6500 Verse. Auch wurde zusammen mit den Projektkollegen aus Leiden angeregt über den Stellenkommentar der Servatiusausgabe diskutiert. Mancher Seminarteilnehmer stellte fest, dass er oder sie durch diese direkte Form der Mitarbeit auch für andere Fächer ganz neue Einblicke in die wissenschaftliche Forschung gewonnen habe. Eine Exkursion zum St. Servatiusstift nach Quedlinburg schloss das fruchtbare Lehrveranstaltung ab, die auf diese Weise auch beabsichtigte, den oftmals vernachlässigten engen Zusammenhang zwischen literarischen Texten der Vergangenheit und gegenwärtigen literarischen und kulturellen Denkmälern zu verdeutlichen. Im SS 2004 obliegt Leipziger Studenten die Überprüfung der bisherigen Übersetzung und die Kommentierung der Geschichte über die wohl berühmteste europäische Tierfigur, den Fuchs Reinart. Der niederländische Text Reynaerts historie (14. Jh.) erzählt über den Prozess gegen den Fuchs am Hof des Löwen. Indem er in kluger Rede und Gegenrede und dann auch tatkräftig die Schwächen der jeweiligen Gegner auszunutzen weiß, gelingt es dem Fuchs durch einen Sieg gegen seinen Widersacher, den Wolf Isegrim, am Ende die zweite Position im Staat zu erlangen. Als Repräsentanten der zukünftigen Leser der BIMILI-Reihe sollen die Leipziger Studenten mithelfen, folgende Fragen zu beantworten: Wie sollen sprechende Namen wie Prendeloor (wörtlich: nimm das Gold) für einen Bischof oder Julocke (euch locke ich) für die Frau des Pastors übersetzt werden? Auf welche Weise und wie ausführlich sollen religiöse oder juristische Symbole erklärt werden? Wie bearbeitet der niederdeutsche Dichter des Reynke de vos (1498) die Quelle und wie Goethe in seinem Reineke Fuchs? Was ist für einen deutschen Leser im Hinblick auf die europäische und im besonderen deutsche Tradition des Reynaert-Stoffes notwendig bzw. interessant? Ende Juni dieses Jahres wird als ausgewiesener Kenner der Reynaert-Tradition Prof. Wackers nach Leipzig kommen, der Ende der 80er Jahre die Dissertation der Leipziger Projektleiterin zu den spätmittelalterlichen Prosadrucken der niederländischen und englischen Reinartromane mit betreute. Im Jahre 2002 gab er eine Edition der mittelniederländischen Reynaerts historie heraus, die mit als Basis für die jetzigen Arbeiten dient. Die Edition beider Bände ist für das kommende Jahr geplant, in dem auch ein großer Kongress der International Reynard Society stattfinden wird. journal „Initiative für Bildung“ Streikkomitee auch in der Semesterpause aktiv Seit dem 7. Januar wird die Universität Leipzig bestreikt, nachdem schon Ende des letzten Jahres auf einer Vollversammlung der „konstruktive Streik“ beschlossen und auf einer Demonstration aller mitteldeutschen Studierenden am 13. Dezember 2003 die Missstände in der Bildungspolitik angeprangert wurden (das Journal berichtete). Nicht nur die schon längst vergessenen Weihnachtsferien haben die Studentenproteste überstanden, auch über die Semesterferien war der Streik an der Universität Leipzig nur ausgesetzt. Zur nächsten Vollversammlung am 14. April im Innenhof der Universität wird über die Art des Fortganges des Streiks entschieden. Der Fachschaftsrat der Politikwissenschaften will dabei einen Vollstreik beantragen. Von Resignation und Passivität war über der Semesterferien im Streikkomitee nichts zu spüren, während sich die Politiker des Bundes und des Landes gegenseitig den schwarzen Peter für die Missere in der Bildungspolitik zuschoben und für die studentischen Forderungen bisher kein offenes Ohr zeigten. Somit bleibt den Mitgliedern des Streikkomitees nicht nur der Protest als Möglichkeit des demokratischen Einwirkens auf die Politik des sächsischen Landtages, sondern auch die der inhaltlichen Arbeit. Auf Initiative des Streikkomitees der Universität gründete sich deshalb die „Leipziger Initiative für Bildung“, deren Arbeit sich gegen die derzeitige sächsische Bildungs- und Sozialpolitik richtet. Neben dem Streikkomitee arbeiten in der Initiative unter anderem die sächsischen Oppositionsparteien, Vertreter der Gewerkschaften DGB, verdi, und GEW sowie weiterer Verbände, die sich für eine bessere Bildungspolitik einsetzen In Form einer Massenpetition werden nun die Defizite in der sächsischen Bildungsund Sozialpolitik an die Öffentlichkeit geHeft 2/2004 tragen, dazu wurde ein Forderungskatalog an die sächsische Staatsregierung verfasst, der nicht nur die klassischen Institutionen der Bildung, also Schule und Hochschule einbezieht, sondern darüber hinaus die Missstände in Kindertagesstätten, in der Jugendhilfe und der betrieblichen Ausbildung, bei der Erwachsenenbildung, dem kulturellen Lernen sowie der Bildung von Erwerbslosen und Migranten anprangert.m Hohe Wellen schlug außerdem während der Semesterferien die Klage des Präsidenten des sächsischen Landtages, Erich Iltgen, gegen 14 Studierende der Universität – weil diese dem sächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst, Matthias Rößler, während seiner Rede langanhaltend applaudierten. Im Rahmen einer Demonstration von sächsischen Studierenden vor dem Landtag in Dresden im Januar durften diese Studierenden die heiligen Hallen von Innen bewundern und einer Debatte der Delegierten zur Bildungspolitik beiwohnen. Als Rößler zu einer Lobrede auf seine Politik anhob, die in der Bemerkung gipfelte, das die Verdoppelung der Anstrengungen der sächsischen Landesregierung beim BAföG dazu geführt habe, dass die Studierenden mehr Geld in der Tasche haben, klatschten die Angeklagten zynisch Beifall. Bisher wurde konstruktiv gestreikt, alle Lehrveranstaltungen liefen im vollen Umfang weiter, untermalt durch kreative Proteste. Diesen Protesten konnten sich weder die Mitarbeiter des Rektorates, die Zuständigen im Sächsischen Ministerium für Bildung und Kunst noch Bundesbildungsministerin Bulmahn entziehen. Auch das Echo in der Leipziger Bevölkerung war ein durch und durch positives: „Es ist an der Zeit, Demokratie zu leben“ war zu hören, „die Studenten tun das, was längst in ganz Deutschland geschehen müsste“. Diana Schmidt, Streikkomitee Am Rande Sie gehen nicht länger nur baden wie die Bildung. Oder tragen die Bildung zu Grabe. Nein, sie geben ihr letztes Hemd. Sie ziehen sich aus. Aus Protest natürlich. Wenn Studenten heutzutage zeigen wollen, dass die Bildung „im Arsch“ ist, dann zeigen sie selbigen. Sie rennen, wie in Berlin geschehen, im Adamskostüm über Weihnachtsmärkte. Manche Medien freut’s. „Warum zieht ihr euch aus, statt zu lernen?“, fragte mit einem unüberlesbaren Anschein von Scheinheiligkeit die „Bild“-Zeitung Anfang des Jahres. Bremer Sportstudenten erregten Aufsehen, als sie mit einem Aktkalender gegen die Studienbedingungen an ihrer Hochschule protestierten. Mit dem Erlös wollen sie Fachliteratur kaufen. Protest-Portraits für 19,90 Euro. Sex sells. Der Trend zur nackten Haut, das hat auch „Das Magazin“ in seiner aktuellen Ausgabe erkannt, hat endgültig die Bildungsstandorte erreicht. Das muss nicht immer etwas mit Protest zu tun haben. So ist inzwischen möglich, dass die Kollegen vom „Dresdner Universitätsjournal“ (halb-)nackte Tatsachen (um genau zu sein: String-TangaAnsichten) präsentieren, wenn sie über Übergewicht schreiben. So zeigen acht Studentinnen aus der ganzen Republik ihre Körper im „Playboy“, der das dann verkauft als „Uni-Elite: Auditorium Eroticum“. Im Internet lief dazu passend das Erfolg versprechende Ratespiel „Welcher Po gehört zu welcher Studentin?“. Kein Wunder, dass – um zum Protest zurückzukommen – Leipziger Studenten in Sachen Nacktheit nicht nachstehen wollten. Sie drehten gleich einen „Softporno“, direkt unter dem MarxRelief am Uni-Hauptgebäude (das Journal berichtete). Das Medieninteresse war erwünscht, die Begeisterung der Kommilitonen ebenso einkalkuliert. Der Titel: „Bildung ist nicht die Hure der Wirtschaft“. Inzwischen fragt sich im Angesicht der Akte, wann die Gegenbewegung einsetzt. Möglicher Arbeitstitel: Bildung ist nicht die Hure der Niveaulosigkeit. Carsten Heckmann Anzeige 30 Studiosi Neues Logo, neue Homepage Der StuRa hat sein Gewand gewechselt „In der Interpretation der Kreisbögen als Plenum ist das Stimmengewicht stark linkslastig. Passend koloriert in rot. Besser hätte man es dem StuRa nicht anpassen können.“ Okay, dieses Lob im InternetForum war hinterhältig, um nicht zu sagen sarkastisch. Aber ein gewisser „Martin“ hatte eben diesen ersten Eindruck vom neuen Logo des StudentInnenRates (StuRa) der Universität Leipzig bekommen. „Da hab ich schon geschmunzelt“, sagt Sebastian Enkelmann, StuRa-KulturReferent und als solcher verantwortlich für den Logo-Wettbewerb. Das sei dann doch eine, wenn auch gelungene, Überinterpretation des neuen Logo-Looks. Obwohl man natürlich nicht bestreiten könne, dass viele StuRa-Mitglieder mit ihren politischen Ansichten eher im linken Spektrum anzusiedeln seien. Wie auch immer. Kilian Krug, der das neue StuRa-Logo kreiert hat, hat dabei nach eigener Aussage weniger an solche politischen Implikationen gedacht. Der PlenumGedanke hingegen ist schon richtig: „Die unterbrochenen Kreise sollen das StuRaPlenum repräsentieren. Aber eben als Sinnbild einer flexiblen Struktur, nicht so statisch. Schließlich ist der StuRa ja eine lockere Organisation“, erläutert Krug. Die Verwendung der Farben Schwarz, Weiß und Rot war eine Vorbedingung in der Logo-Ausschreibung, unter anderem um eine Wirkung auch als Schwarz-WeißKopie zu gewährleisten. „Das Logo soll auffallen, aber zugleich Seriosität ausstrahlen – und das ist beim Siegerentwurf beides der Fall“, meint Sebastian Enkelmann. Und praktikabel müsse es sein, beim alten Logo habe schließlich „immer irgendwas schief gestanden“. Spätestens mit dem Auszug der Uni aus dem im alten Logo stilisiert vorhandenen Hochhaus am Augustusplatz sei dann die Diskussion um ein neues Logo entbrannt, aber eben erst jetzt zu einem Ergebnis geführt worden. 200 Logo-Entwürfe aus der Feder von 67 Einsendern begutachtete die fünfköpfige Jury, die das StuRa-Plenum gewählt hatte. Heft 2/2004 Die besten fünf Entwürfe standen im Plenum zur Abstimmung, Krugs Idee fand dort eine breite Mehrheit. Somit durfte sich der 25-jährige Student der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst über die Siegprämie von 600 Euro freuen. Insgesamt hatte der StuRa für die ersten Fünf 1000 Euro ausgelobt. Im StuRa-Internet-Forum warfen gleich zwei Schreiber Kilian Krug indirekt vor, abgekupfert zu haben. „Gewisse Bezüge“ seien festzustellen zum Logo der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig und zum Logo des Studentenwerks Jena. Dazu sagte Krug, er habe diesmal entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten „gar nicht groß geschaut, was andere machen. Echte Ähnlichkeiten sehe ich auch höchstens beim Jenaer Logo – aber auch das musste ich jetzt erst mal noch im Internet raussuchen“. Sebastian Enkelmann glaubt auch nicht an IdeenKlau: „Natürlich treten bei den Unmengen von Logos mal Ähnlichkeiten auf. Aber man kann das Rad eben auch nicht jedes Mal ganz neu erfinden.“ Das neue Logo steht natürlich auch auf der neuen StuRa-Homepage, die inzwischen online sein sollte (zu Redaktionsschluss war sie es noch nicht). Für Programmierung und Gestaltung verantwortlich waren Informatik-Student Steffen Eckardt, Student der Informatik, und Matthias Schulz, Student der Verlagsherstellung an der HTWK. Ihr Anspruch: Die neue Webseite soll bedienfreundlich und verständlich sein, sodass der Nutzer alle Informationen schnell findet. „Das Design ist übersichtlich und funktional und dient vorrangig dem Nutzen“, erläutert Matthias Schulz. Die Seite solle dabei „gut und ein wenig seriös“ aussehen. „Das Ziel war, unter den StuRa-Seiten eine außergewöhnlich gute Webseite zu bauen.“ Ob das Ziel erreicht wurde? Sehen Sie selbst! Carsten Heckmann Die neue StuRa-Homepage findet sich unter der altbekannten Adresse: www.stura.uni-leipzig.de Auch Designer Kilian Krug hat eine Homepage: www.hgb-leipzig.de/~kilian Das Portfolio von Matthias Schulz steht unter: www.jash.de Oben: Das neue Logo des Leipziger StudentInnenRates. Kritische Geister wiesen gleich auf Ähnlichkeiten zu den Logos der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (Mitte) sowie des Studentenwerks Jena-Weimar hin. 31 Personalia Neu berufen: Neu berufen: Ludger Tillmann Michael Stumvoll „Jede Wahrheit ist nur so lange gültig bis ein Phänomen auftritt, dass mit dieser Wahrheit nicht vereinbar ist.“ Das ist die Devise des aus Hannover kommenden C3-Professors für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie/Hepatologie, Hans Ludger Tillmann, in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II, der schon vielfach mit anerkannten Regeln brach und der dennoch oder gerade deswegen schon bedeutende Preise bekam: 2002 Dr. Ernst Wiethoff-Preis und Aids-Forschungspreis der Dt. Gesellschaft für Infektiologie, 2003 Forschungspreis für Klinische Infektiologie der gleichen Gesellschaft. Seine Thesen muten oft geradezu paradox an oder wie ist es zu bewerten, wenn er davon spricht, dass Virus-Infektionen vorteilhaft sein können? Oder dass eine antivirale Therapie die Virusreplikation stimulieren kann? Oder dass Hepatitis C-Infektionen weniger zu Erkrankungen der Leber als zu neurokognitiven Erkrankungen führen sollen? Die Richtigkeit der ersten zwei Thesen hat er inzwischen nachgewiesen und dafür die besagten Preise bekommen. Der dritten These geht er jetzt nach und freut sich über das ideale wissenschaftliche Umfeld in Leipzig. Tillmann geht davon aus, dass bis heute wissenschaftlich nicht belegt ist, dass Menschen mit Hepatitis C früher sterben als andere. Die Ansicht, sie sei besonders gefährlich, sieht er darin begründet, dass man das Virus bislang fast nur von der Seite der lebererkrankten Patienten kenne. Es gebe aber viele Hepatitis C-Infizierte, die keine signifikante Lebererkrankung aufweisen, wohl aber in etwa 50 Prozent der Fälle Einschränkungen im Wohlbefinden angeben. Dies scheint nach ersten Daten auch durch eine Viruselimination nicht modifiziert zu werden, so dass ein der Prionenerkrankung ähnlicher Mechanismus zu diskutieren wäre. Bei so viel Neuland hält die Forschung den neuberufenen Professor so gefangen, dass kaum Zeit für seine Hobbies bleibt: Kochen, Reisen und klassische Musik. B. A. 32 C4-Professor Michael Stumvoll hat das Direktorat der Medizinischen Klinik und Poliklinik III übernommen und will in Leipzig inhaltlich verwandte Strukturen bündeln, um auf dem Gebiet der Diabetesund Adipositasforschung „eine schlagkräftige, international konkurrenzfähige Mannschaft auf- und auszubauen.“ Der zuletzt in Tübingen tätige Mediziner ist auf der Suche nach Methoden, mit denen Erkenntnisse der Grundlagenforschung in vitro sichtbar gemacht werden können. Da kommen ihm die personellen, institutionellen und technischen Möglichkeiten in Leipzig gerade recht. Auf seiner Spurensuche nach den biochemischen Strukturen und Beziehungen des menschlichen Organismus machte er eine Entdeckung: Nicht nur die Leber produziert Glukose, also Zucker, sondern auch die Niere! Damit konnte geklärt werden, warum Dialysepatienten immer unterzuckert sind. Mit dem Thema Übergewicht oder Adipositas will Prof. Stumvoll ganz neue Wege beschreiten. „Warum tun sich manche Leute so schwer, Gewicht abzunehmen?“, fragt er und er sucht die Antwort in den Hormonen, genauer gesagt in der Achse Darm-Hormon-Gehirn. Offensichtlich gibt es im Gehirn Abläufe, die die Appetitkontrolle unterbinden. „Hier spielen uns die Gene unserer Vorfahren aus der Steinzeit einen üblen Streich.“, erklärt Prof. Stumvoll. „Damals war es überlebensnotwendig, nach Erlegen eines Tieres z. B. möglichst viel essen zu können und die überschüssige Energie als Fett zu speichern, um dann wieder längere Phasen ohne Nahrung zu überstehen.“ Jetzt, wo wir immer Nahrung im Überschuss haben, erweist sich diese Veranlagung als Crux. Vielleicht kann man eines Tages, hofft Stumvoll, die Wirkung der Darmhormone verstärken, damit das Gehirn registriert: Ich bin satt.m Privat betreibt Stumvoll Wissenschaftsgeschichte, Skifahren und Bergsteigen, und er reist gern, am liebsten mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. B. A. NOMEN Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur Herkunft des Namens „Stumvoll“ Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern (Stand: 1998) ist der Familienname Stumvoll 97mal belegt. Es gibt nur diese Variante, eine Form Stummvoll ist nicht bezeugt. Der Name ist fast ausschließlich in Süddeutschland bezeugt, so etwa bei Stuttgart, München und Passau. Die heutige sprachliche Interpretation aus dt. stumm + voll ergibt keine sinnvolle Erklärung. Es ist ein Notbehelf, einem durch sprachliche Veränderungen umgestalteten Namen in der Sprache neu zu verankern (Volksetymologie, sekundäre semantische Motivierung). Die Lösung für den Namen steht bei J. K. Brechenmacher, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen, Bd. 2, Limburg 1963, S. 698: Er sieht in dem Namen Stum(m)voll eine „Kümmerform“ aus Stubenvoll, gemeint ist eine verkürzte, gestutzte Form. Bestätigt wird diese Annahme durch folgende Namenbelege: auf dem Hof Stummvoll in Oberösterreich siedelt 1434 ein Wernhard Subenfol; 1695 ist in Salzburg bezeugt Joh. Stumbvoll; Innsbruck hat 1944 Stubenvoll neben Stumfohl. Daraus ergibt sich: neben Stum(m)voll steht Stubenvoll, -fol. Die Deutung hat von diesen Formen auszugehen, da im Deutschen etwa Verbindungen wie Stubenfliege, Stubenfenster mit Ausstoß des -b- gesprochen werden: Stuumfliege, Stuumfenster. Brechenmacher erklärt den Ausgangsnamen Stubenvoll wie folgt (S. 695): Es ist ein sogenannter Übername für einen Wirt. Noch zu Anfang des 19. Jh. gab es in München eine Künstlerkneipe „Zum Stubenvoll“. Der Name ist von einer offenbar gut gehenden Gastwirtschaft auf den Betreiber oder Wirt übertragen worden. journal Personalia Engagement für spanisch-deutsche Zusammenarbeit Insulaner mit Herz für Leipzig Wo trifft man schon einen klassischen Philologen, einen voll ausgebildeten Juristen und einen in der hispanistischen Linguistik bewanderten Wissenschaftler in einer Person? Man trifft ihn in Prof. Dr. José Juan Batista Rodríguez, und man trifft ihn semesterweise an der Universität Leipzig. „Ein Glücksfall für uns“, konstatiert Prof. Gerd Wotjak, Direktor des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie, lapidar. Der erste Kontakt ergab sich 1984, als Gerd Wotjak auch wissenschaftliche Vorträge an der Universidad de La Laguna auf Teneriffa hielt. Hier hatte der junge Dr. Batista Rodríguez gerade eine Dissertation über Homer, Platon und Sophokles abgeschlossen, für einen Insulaner, der nach eigenen Aussagen immer das Gefühl hat, einen Mangel, einen Verlust kompensieren zu müssen, etwa durch ein besonderes Streben nach Bildung und Horizonterweiterung, natürlich viel zu wenig. Also erwarb er noch die Zusatzqualifikation als Jurist und beschäftigte sich intensiv mit der Hispanistik. Und sein Interesse galt dem deutschen Kulturkreis mit dem konkreten Wunsch, dass seine beiden Kinder neben der spanischen auch die deutsche Sprache, Literatur und Lebensweise kennen lernen. 1996 war es soweit, dass ihn seine Wege auch nach Leipzig führten. Von da an war er ständiger Gast an der Alma mater Lipsiensis. Von Kollegen und Studierenden hoch geschätzt, hat er zur Neuprofilierung der Ausbildung von Spanisch-Übersetzern und Dolmetschern Wesentliches beigetragen. In fast jedem Wintersemester hat er, inzwischen selbst Professor an seiner Heimatuniversität La Laguna in der Klassischen Philologie, seither am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) Lehrveranstaltungen zum Übersetzen juristischer Texte aus dem Deutschen ins Spanische sowie Vorlesungen und Seminare zum Vergleich der Rechtssysteme Spaniens und Deutschlands gehalten. Die fanden einen Riesenzulauf, nicht nur von Studierenden der Translatologie, sondern auch der Rechtswissenschaft und Romanistik. In gewisser Weise wurde mit ihm auch eine Barriere übersprungen, und zwar die, einen Juristen für die Ausbildung von Übersetzern zu gewinnen. Weiter übernahm er die Betreuung von Diplomarbeiten und wirkte er mit großer Geduld und Akribie als kompetenter Konsultant auf linguistischem Gebiet und bei der stilistischen Endredaktion für spanische Fachtexte aus der Feder Leipziger Mitarbeiter.m Damit nicht genug. Prof. Batista Rodríguez ist auch ein unermüdlicher „Propagandist“ von Stadt und Universität Leipzig. Ihm ist es zu danken, dass sich ein Sokrates-Austausch zwischen La Laguna und Leipzig entwickelt hat oder dass seit 2003 eine ausgebildete Volljuristin, überdies promoviert in hispanistischer Linguistik, ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am IALT aufgenommen hat. Die Beschäftigung mit juristischen Fachtexten als eine Spezialisierungsrichtung, wie sie an anderen universitären Ausbildungszentren in Deutschland so nicht vorhanden ist, wird damit in der Leipziger Übersetzer- und Dolmetscherausbildung weiter garantiert. Und ihm es zu danken, dass am Anfang dieses Jahres erstmalig ein gemeinsames interdisziplinäres Kolloquium von IALT und Juristenfakultät zur juristischen Übersetzung und zum Vergleich der Rechtssysteme stattfinden konnte. Ab 2005 soll auch erstmals eine Weiterbildung auf diesem Gebiet angeboten werden. Bei diesem Engagement für die Universität Leipzig schien es nur recht und billig, dass ihn Rektor Prof. Dr. Franz Häuser zum Ende des Wintersemesters empfangen und ihm herzlich gedankt hat. Muss man sich wundern, dass der Wunsch eingeschlossen war, Prof. Batista Rodríguez möge auch in künftigen Jahren mit seinem großen Wissen, seiner menschlichen Wärme und Integrationskraft und seinem uneigennützigen Einsatz für Lehre und Forschung an der Universität Leipzig präsent sein? V. S. Rektor Franz Häuser (r.) dankte Batista Rodríguez am Ende des Wintersemesters für sein Engagement. Foto: Kühne Arbeit zu Mundgesundheit und Lebensqualität Lilly-Preis für Zahnmediziner Der Lilly Quality of Life Preis 2003 wurde jetzt an den Leipziger Zahnmediziner PD Dr. med. dent. Mike John MPH PhD verliehen. Der mit insgesamt 10 000 Euro dotierte Preis zur Lebensqualitätsforschung wird von Lilly Deutschland gestiftet. John, von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, wurde für seine Arbeit zur Entwicklung von Grundlagen mundgesundheitsbezogener Lebensqualität (MLQ) in Deutschland ausgezeichnet. Er entwickelte ein Instrument zur Messung dieses Bereichs der Lebensqualität, die ein integraler Bestandteil der Zahnmedizin und Ziel zahnärztlicher Interventionen ist. Des Weiteren untersuchte er bundesweit bei 2 050 Patientinnen und Patienten im Alter von 16 bis 79 Jahren das Auftreten (Prävalenz) einer eingeschränkten mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität (MLQ) und erarbeitete Daten zur Normierung eingeschränkter MLQ. Dabei berücksichtigte er auch den Zusammenhang zwischen soziodemografischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Wohnort), der Art der Versorgung mit Zahnersatz und der Einschränkung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Zusammenfassend wies er darauf hin, dass der Einfluss der Zahnmedizin auf die Lebensqualität in Deutschland bereits erkannt wurde. Durch das Fehlen eines Instrumentes konnte sie jedoch bislang nicht in ihrer vollen Ausprägung erfasst und in die klinische Praxis und Forschung integriert werden. Mit dem jährlich ausgeschriebenen Preis unterstützt das pharmazeutische Unternehmen Lilly Deutschland die Lebensqualitätsforschung mit dem Ziel, den Aspekt der Lebensqualität verstärkt in die Therapieentscheidung zu integrieren. Dabei sollen sowohl die Entwicklung neuer Messinstrumente zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als auch die innovative Anwendung von bereits vorhandenen Messinstrumenten gefördert werden. Der Preisträger wurde von einer fünfköpfigen Jury bestimmt, darunter Professor Elmar Brähler aus Leipzig. B. A. 33 Personalia Friedrich Kamprad zum 65. Geburtstag Große Verdienste um Strahlentherapie Am 23. Januar beging Prof. Dr. med. habil. Friedrich Kamprad seinen 65. Geburtstag. In Leipzig geboren und aufgewachsen, studierte er hier Humanmedizin. Seine Facharztausbildung im Fach Radiologie absolvierte er bei seinem akademischen Lehrer, Professor Wilhelm Oelßner, der fortan seinen beruflichen und wissenschaftlichen Weg nicht unwesentlich mit geprägt hat. Seit 1995 leitet er als C4-Professor die Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Leipziger Universität. Während dieser Zeit hat er an der jahrelangen baulichen Neugestaltung, Renovierung und Umstrukturierung der Einrichtung zu einer modernen und technisch exzellent ausgestatteten Klinik für Radioonkologie entscheidend mitgewirkt. Der berufliche Werdegang von Professor Friedrich Kamprad ist eng mit der Entwicklung der Strahlentherapie an der Leipziger Medizinischen Fakultät über nahezu vier Jahrzehnte verbunden. Neben seinem großen Engagement für die interdisziplinäre onkologische Betreuung von Tumorpatienten hat er sich insbesondere große Verdienste bei der Entwicklung moderner Bestrahlungsplanungs- und Simulations- methoden, der Ganzkörperbestrahlung und der Bearbeitung experimenteller strahlenbiologischer Fragestellungen erworben, die in zahlreichen Publikationen und wissenschaftlichen Vorträgen ihren Ausdruck fanden. Über Jahrzehnte hinweg war er der kompetente Ansprechpartner bei vielen onkologischen Fragestellungen für zahlreiche Kollegen aus den benachbarten Fachdisziplinen. Die Ehrenmitgliedschaften in der Ungarischen Gesellschaft für Radioonkologie und der Ungarischen Krebsgesellschaft, die Verleihung des Krompecher Preises der Ungarischen Krebsgesellschaft, die Kongresspräsidentschaft des 3. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie in Leipzig und die Aufnahme als Mitglied der Gesellschaft der Naturwissenschaftler und Ärzte, Leopoldina, sind weitere Meilensteine im wissenschaftlichen Leben von Professor Kamprad. Durch seine aktive Mitarbeit in der Deutschen Krebsgesellschaft als Leiter des Arbeitskreises „Klinische Krebsforschung“ der Arbeitsgemeinschaft Radioonkologie (ARO), Vorstandsmitgliedschaften in der ARO, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) und der Sächsischen Radiologischen Gesellschaft (SRG), Redaktionsmitgliedschaften in onkologischen Fachzeitschriften, als Mitglied der Zerti- fizierungskommission Hochdosistherapie (Knochenmarktransplantation) sowie als Leitungsmitglied der German-JapaneseRadiological-Affiliation war er stets um das klinische, wissenschaftliche und berufspolitische Vorankommen seines Fachgebietes bemüht. Als Mitglied der Arbeitsgruppe „Neufassung der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin“ im Bundesministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit hat er an der Novellierung der Strahlenschutzverordnung bis zu deren Inkrafttreten aktiv mitgewirkt und dabei unermüdlich und beharrlich die Interessen der Radioonkologie fachkundig und angemessen zu vertreten gesucht. Seit Anfang des Jahres 2004 übernahm Professor Kamprad in diesem Zusammenhang die Leitung der neu einzurichtenden Ärztlichen Stelle nach Strahlenschutzverordnung (§ 83) für den Freistaat Sachsen und wird diese Funktion auch in Zukunft wahrnehmen. Dank seiner pädagogischen Fähigkeiten konnte er das Fachgebiet Radioonkologie einer großen Zahl von Medizinstudenten nahe bringen und vielen jungen Kollegen während der Facharztweiterbildung entscheidende Impulse für ihre weitere berufliche Entwicklung vermitteln. Guido Hildebrandt, Ulrich Wolf Joachim Pfeiffer zum 80. Geburtstag Immer geschätzt, nachträglich gewürdigt Am 24. März feierte Prof. Dr. Joachim Pfeiffer seinen 80. Geburtstag. In Chemnitz geboren verlebte er die Jahre bis zum Abitur in dieser Stadt und wurde 1942 unmittelbar danach zur Wehrmacht eingezogen. Sein Studium der Medizin nahm er in einer Studentenkompanie auf, immer wieder unterbrochen durch Einsätze an der Front. Nach Stationen in Berlin, Innsbruck und Mainz beendete er 1949 sein Studium mit Approbation und Promotion. Bis 1954 folgten internistische und radiologische Ausbildung sowie die Anerkennung als Facharzt. Prof. Pfeiffer wechselte in diesem Jahr an die Radiologische Klinik der Universität 34 Leipzig, in der er bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden im Jahre 1987 tätig war. Die Ernennung zum 1. Oberarzt der Klinik sowie die Habilitation 1963 sind weitere Stationen seines Werdegangs. Wegen der damaligen politischen Verhältnisse konnte er ehrenvollen Berufungen auf Lehrstühle im Ausland wie auch Ehrenmitgliedschaften ausländischer Fachgesellschaften nicht folgen, auch blieb ihm eine weitere berufliche Entwicklung in der DDR versagt. Trotz dieser repressiven Maßnahmen belegen drei Monographien und Lehrbuchbeiträge sowie 164 Veröffentlichungen und Vorträge seine stetige wissenschaftliche Aktivität. Besonders hervorzuheben ist seine hohe onkologische Kompetenz als Strahlentherapeut, die ihn bereits 1968 zur Gründung interdisziplinärer Sprechstunden führte und eine neue Qualität der onkologischen Behandlung ermöglichte. In den Jahren seiner Tätigkeit als Leiter der Strahlentherapieabteilung war er vielen jungen Kollegen, die in dieser Abteilung arbeiteten und lernten, Vorbild in seiner hohen fachlichen Kompetenz und in seiner Zuwendung zum Patienten.m Erst nach Ende der DDR wurde seine verdienstvolle, jahrzehntelange Tätigkeit an der Universität mit Verleihung einer apl. Professur gewürdigt. Sein 80. Geburtstag, den Herr Prof. Pfeiffer in beneidenswerter körperlicher und geistiger Frische begehen konnte, ist Anlass, ihm im Namen seiner vielen Schüler für sein Wirken Dank zu sagen. Prof. Friedrich-H. Kamprad journal Personalia Klaus Weise wurde 75 Die Psychiatrie geprägt Am 1. März wurde Klaus Weise 75 Jahre alt, der wie kein anderer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute die Leipziger Psychiatrielandschaft geprägt hat. In Freiburg-Breisgau geboren wuchs er seit seiner frühen Kindheit in Leipzig auf. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er ab 1953 in Leipzig, Rodewisch/ Vogtland und dann nach seinem Facharztabschluss für Psychiatrie und Neurologie wieder in Leipzig, wo er 1973 Direktor der erst 1971 gegründeten Universitätsklinik für Psychiatrie wurde. 1995 wurde er emeritiert. Mit den Entwicklungen seit 1975 hat die Leipziger Klinik von Weise als universitäre Einrichtung für den deutschsprachigen Raum Schrittmacherdienste für eine kommunal orientierte psychiatrische Betreuungsorganisation und eine weitere Integration der Psychiatrie im Konzert der medizinischen Fächer geleistet. Noch heute ist bewundernswert, wie es ihm, getragen von sozialen Visionen, in einer eher staatssozialistischen Herrschaftsbürokratie der DDR gelang, emanzipatorische Entwicklungen in der Patient-Arzt-Begegnung und damit eine Humanisierung in der psychiatrischen Betreuungspraxis zu befördern. Weise erkannte auch frühzeitig die therapeutisch bewegende Kraft von Kommunikation und entwickelte die Leipziger Psychiatrie seit Mitte der 70er Jahre zu einem Zentrum der gesprächspsychotherapeutischen Weiterbildung. So wie er in seiner Praxis stets bemüht war, alle neuen biologischen Erkenntnisse einfließen zu lassen, so stand er einer einseitigen reparaturorientierten Medizin stets distanziert gegenüber und verstummt bis heute nicht darin, eine Medizin der mitmenschlichen Beziehungen zu befördern. Bis heute ist er ein aktiver Verfechter eines Trialogs zwischen Patient, dessen Angehörigen und seinen professionellen Helfern. Nach Versetzung in seinen Ruhestand ist er bis heute vor allem in Betroffenen- und Selbsthilfevereinen tätig und belebt deren Arbeit mit seinen langen Lebens- und professionellen Erfahrungen. Matthias Uhle Heft 2/2004 Sportlich in den Ruhestand Foto: Armin Kühne Mit einer im doppelten Sinne zu Herzen gehenden, also Gemüt und Kreislauf ansprechenden Sportshow verabschiedeten Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Bewegungs- und Trainingswissenschaft der Sportarten ihren Direktor und darüber hinaus die Sportwissenschaftliche Fakultät ihren langjährigen Dekan Prof. Dr. Helmut Kirchgässner am 28. Januar in den Ruhestand. Unter der Regie von Dr. Hobusch wurde ein mitreißendes Pogramm als Querschnitt der Ausbildung in den Sportarten Turnen, Tanz, Bo- xen, Tennis, Hand- und Fußball, Judo und Taekwondo geboten. Und mittenmang der künftige Emeritus (im Bild als Handballer), der es sich als „Box-Professor“ und Hobby-Tennisspieler nicht nehmen ließ, zu einem Sparringkampf in den Ring zu steigen und mit Magnifizenz Häuser am Tennis-Netz die Schläger zu kreuzen. Mit dem Dank von Dekan Krug und besten Wünschen von allen Seiten kam ein bisschen Wehmut auf – aber bitte, Sportfreunde: als Olympiabeauftragter der Universität bleibt er uns doch erhalten. V. S. Harry Pfeifer zum 75. Geburtstag Weiterhin aktiv für die Physik Prof. Dr. Dr. h.c. Harry Pfeifer feierte am 25. Februar seinen 75. Geburtstag. Seit seinem Physikstudium in Leipzig ist er seiner Universität aufs engste verbunden geblieben. Sein unermüdliches Wirken als Hochschullehrer und Forscher hat Generationen von Physikern, verwandten Naturwissenschaftlern und Lehrern geprägt und hat ganz wesentlich zu den Profillinien der Fakultät beigetragen. Sein wissenschaftliches Werk ist eng mit der Entwicklung der kernmagnetischen Resonanz (NMR) verbunden. Ihm gelang in einer von Artur Lösche ausgegebenen Diplomarbeit, erstmalig in Deutschland und möglicherweise sogar erstmalig in Europa, der Nachweis dieses Phänomens, das kurz zuvor in den USA entdeckt worden war. Harry Pfeifer hat die NMR stets in ihrer gesamten Breite im Auge gehabt, selbst zu wesentlichen Entwicklungen beigetragen und insbesondere auf seinem eigenen Forschungsgebiet, der Molekül- und Grenzflächen- physik, ein breites Anwendungspotential erschlossen. So ist es bezeichnend, dass bereits kurz nach ihrer Einführung durch Lauterbur und Mansfield Harry Pfeifer in seiner Gruppe wohl erstmalig die Möglichkeiten der Magnetresonanz-Tomographie in der Verfahrenstechnik einsetzte. Dass Harry Pfeifer bis zum heutigen Tag voller Aktivität seiner Fakultät verbunden geblieben ist, beweist insbesondere auch sein Engagement für den „Kompaktkurs Physik“ als Erweiterung und Überarbeitung des Lehrbuchs „Grundwissen Experimentalphysik“ aus dem Jahr 1997, mit dessen Erscheinen noch in diesem Jahr zu rechnen ist. Es ist aus seinen sehr beliebten, nun schon fast legendären Vorlesungen zur Experimentalphysik hervorgegangen.m Für Harry Pfeifer war der internationale Kontakt wesentliche Quelle und entscheidender Gradmesser für die Erfolge in der wissenschaftlichen Arbeit seiner Gruppe. Das betraf insbesondere den Kontakt mit führenden Wissenschaftlern der Sowjetunion, aber auch mit der gesamten internationalen Wissenschaftlergemeinschaft. Douglas M. Ruthven, Dieter Michel, Dieter Freude, Jörg Kärger 35 Personalia Geburtstage Philologische Fakultät 60. Geburtstag Dr. Lothar Schmiedel, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie, am 28. April Sportwissenschaftliche Fakultät 60. Geburtstag Dr. Frank Kutschke, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik, am 6. März Medizinische Fakultät 65. Geburtstag Doz. Dr. med. Reinhard Keitel, Chirurgische Klinik und Poliklinik I, am 22. März Doz. Dr. rer. Heinz Schaffernicht, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, am 4. April Prof. Dr. med. Christoph Vogtmann, Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, 17. April Prof. Dr. med. Joachim Schauer, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am 25. April 75. Geburtstag Prof. Dr. med. Klaus Weise, ehem. Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, am 1. März 80. Geburtstag Prof. Dr. med. Wolfgang Dürwald, ehem. Institut für Rechtsmedizin, am 13. Januar Prof. Dr. med. Joachim Pfeiffer, ehem. Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, am 24. März Fakultät für Physik und Geowissenschaften 60. Geburtstag Prof. Dr. Walter Gläßer, Institut für Geophysik und Geologie, am 7. März 65. Geburtstag Prof. Dr. Dieter Geschke, Institut für Experimentelle Physik I, am 9. März Prof. Dr. Helga Schmidt, Institut für Geographie, am 7. April Fakultät für Chemie und Mineralogie 65. Geburtstag Prof. Dr. Gerhard Wendt, Institut für Technische Chemie, am 21. Februar 70. Geburtstag Prof. Dr. Klaus Schulze, Institut für Organische Chemie, am 10. April 75. Geburtstag Prof. Dr. Manfred Mühlstädt, Institut für Organische Chemie, am 28. Februar Ehem. Institut für Tropische Landwirtschaft 75. Geburtstag Prof. Dr. Gerd Fröhlich am 28. März Der Rektor der Universität Leipzig und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich. (Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.) 36 Zum 90. Geburtstag von Hans Bayer alias Thaddäus Troll 100. Geburtstag des Institutsgründers Hans Schulze „Postum zufrieden“ Kunsterziehung vorangebracht Sein Großvater war Seifensiedemeister in Cannstatt bei Stuttgart und sein Vater übte das gleiche Gewerbe aus. Eigentlich sollte der Berufsweg des Jungen, der auf den schlichten Namen Hans Bayer hörte, vorgezeichnet sein. Aber es kam anders. 1932 bestand er die Reifeprüfung am Realgymnasium in Stuttgart-Bad Cannstatt und studierte in Tübingen, München, Halle/S. und Leipzig Zeitungswissenschaften, Kunstgeschichte, Geschichte, Germanistik, und ein wenig neuere Sprachen, Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft. In Leipzig beschäftigte er sich besonders mit vergleichender Literaturwissenschaft und kam so in nähere Beziehungen zu André Jolles. Nach zehn Studiensemestern legte Bayer seine Dissertation vor: „Presseund Nachrichtenwesen der im Weltkrieg kriegsgefangenen Deutschen“ und promoviert zum Dr. phil. Hans Bayer, inzwischen zum Kriegsdienst eingezogen, erhält die Urkunde, datiert am 22. Dezember 1939, zugeschickt. Die Gutachter sind voll des Lobes, die Note lautet „sehr gut“. Hans Bayer hat sich als Schriftsteller in seiner schwäbischen Heimat und weit darüber hinaus einen Namen gemacht. Er schrieb Theaterkritiken, Essays, Satiren, Feuilletons oder bearbeitete Theaterstücke, freilich unter dem Pseudonym Thaddäus Troll. Es gab aber auch den sozialkritischen Schriftsteller und engagierten Demokraten, der sich für die Belange seiner Kollegen einsetzte. Als Hans Bayer 1980 seinem Leben in einer depressiven Phase ein Ende setzte, schrieb Günther Grass: „Er war immer so bescheiden, dass mir jetzt erst richtig bewusst geworden ist, wie wichtig Thaddäus Troll für uns alle war.“m Vor 90 Jahren, am 18. März, ist Hans Bayer in Cannstatt geboren. Als Thaddäus Troll schrieb er einen Nachruf zu Lebzeiten: „Er hat niemandem Furcht eingeflößt. Könnte man diese üble Nachrede auch auf Thaddäus Troll anwenden, wahrlich, er wäre postum mit seinem Leben zufrieden.“ Gerald Wiemers Am 3. März wäre Hans Schulze 100 Jahre geworden. Für sein künstlerisches Werk über viele Jahre mehrmals ausgezeichnet, konnte vor anderthalb Jahren auch seine herausragende Rolle bei der Gründung des Institutes für Kunstpädagogik der Universität Leipzig im Kontext dessen 50-jährigen Jubiläums 2002 gefeiert werden. Hans Schulze, geboren in Dittersbach (Schlesien), studierte 1923–1929 in Breslau an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe im neueingerichteten Studiengang für das künstlerische Lehramt an höheren Schulen. Namhafte Dozenten wie Eduard Kaempfer, Otto Mueller, Oskar Moll, Konrad v. Karsdorff, Hans Schlemmer und Alexander Kanoldt unterrichteten ihn und bestimmten vor allem seinen künstlerischen Weg. Ab 1929 war er als Lehrer und Ausbilder für Neulehrer tätig. 1948 folgte er dem Ruf nach Dresden, wo er an der Technischen Hochschule die Errichtung eines Institutes für Kunsterziehung übernahm. Diesen einschneidenden neuen Weg einer wissenschaftlich universitären Richtung setzte er 1950 an der Universität Leipzig fort. Dort gelang ihm 1952 die Gründung des Institutes für Kunsterziehung. Innerhalb weniger Jahre konnte er als Direktor und Lehrer dieses Institutes den Auf- und Ausbau vorantreiben. Gerade die schwierigen Anfangsjahre des Institutes für Kunsterziehung, wo es galt, materiellen und personellen Engpässen sowie strukturellen Vorgaben zu begegnen, prägte Hans Schulze durch seine Vielseitigkeit als Künstler, Wissenschaftler und Pädagoge. Seine Mitarbeit an der Konzeption wichtiger Bereiche der Kunsterziehung wie der Methodik und Kunstgeschichte waren maßgebend für die ersten zwei Jahrzehnte des Institutes für Kunsterziehung der Universität Leipzig. Nach der Aufgabe seines Amtes als Institutsdirektor blieb er dennoch dem Institut für Kunsterziehung bis zu seinem Tode am 7. September 1982 in Leipzig verbunden. Katja Weber, Institut für Kunstpädagogik journal Personalia Kurz gefasst Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Leber (GASL) am 16. und 17. Januar in Freiburg wurde Prof. Dr. rer. nat. Rolf Gebhardt, Institut für Biochemie, zum Präsidenten für die Periode 2005/2006 gewählt. Damit verbunden ist die Ausrichtung der 22. Jahrestagung der GASL im Januar 2006 in Leipzig. Über ein Semester kostenloses Studium in Queensland, Australien, kann sich die Studentin der Medienwissenschaft Angela Höppner freuen. Die 25-Jährige hat das Stipendium des „Queensland Scholarship Program“ bekommen und wird in den kommenden Monaten an der Queensland University of Technology studieren. Weitere Informationen zum Stipendium und zum Studium in Australien generell gibt es auf der Internetseite des International Education Centre: www.ieconline.net Prof. Dr. Stefan Troebst, Institut für Slavistik und GWZO (Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas), ist in den Fachbeirat Wissenschaft der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin berufen worden. Zudem hat das EU-geförderte europaweite Historikernetzwerk CLIOHnet Professor Troebst zum Koordinator für die Universität Leipzig ernannt. CLIOHnet, das für „Creative Links and Innovative Overviews to Enhance Historical Perspectives in European Culture“ steht, organisiert Workshops und finanziert Buchpublikationen zur europäischen Geschichte. Und da aller guten Dinge drei sind: Professor Troebst ist auch zum Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der in Großbritannien erscheinenden internationalen Zeitschrift „European Review of History/ Revue europeenne d’histoire“ berufen worden. Thematische Schwerpunkte dieser 1993 von französischen, ungarischen und britischen Historikern gegründeten Zeitschrift sind die transnationale Historiographiegeschichte sowie die Reflexion über Strukturmerkmale und Grenzen Europas. Prof. Dr. Bernhard Meier, Institut für Germanistik, ist zum Präsidenten der Erich-Kästner-Gesellschaft gewählt worden. Heft 2/2004 Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr, Institut für Praktische Theologie, ist beteiligt an einem neuen Promotionsschwerpunkt des Evangelischen Studienwerks Villigst zum Thema „Macht – Religion – Moral“. Das Studienwerk fördert generell Promotionsvorhaben besonders begabter Wissenschaftler. Ein Teil dieser Promotionen wird stets in Promotionsschwerpunkten unter einem übergreifenden Forschungsthema gebündelt. In einem solchen Schwerpunkt kooperieren Hochschullehrer für die Dauer von fünf Jahren mit dem Evangelischen Studienwerk. Informationen über den Promotionsschwerpunkt gibt es im Internet unter: www.evstudienwerk.de/profil/ machtreligionmoral.pdf Dr. Tim Rose, Facharzt an der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungsund Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Leipzig, erhielt den Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Er und seine Koautoren aus Pittsburgh in den Vereinigten Staaten erfüllten mit ihrer Arbeit „Die Verbesserung der Knochenleitung im osteoporotischen Rattenmodell durch die zellvermittelte Expression von Bone Morphogenetic Protein 4 (BMP-4) nach ex-vivo Gentherapie“ am besten die Kriterien, nach denen der Preis vergeben wird. Wichtigstes Vergabekriterium ist der klinische Nutzen der Forschung. Prof. Dr. Gottfried Alber, Direktor des Instituts für Immunologie der Veterinärmedizinischen Fakultät wurde auf Antrag der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Zürich zum Titularprofessor ernannt. PD Mike John MPH PhD, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, wurde als Affiliate Assistant Professor an die University of Washington, Department of Oral Medicine, berufen. Die Abteilung ist eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Erforschung von Kiefergelenk- und Kaumuskelschmerzen. Dr. John arbeitet dort an mehreren gemeinsamen Forschungsprojekten und Publikationen mit und gelegentlich auch in der Lehre. Fach Religionswissenschaft: Prof. Dr. Hubert Seiwert, Religionswissenschaftliches Institut; Fachkollegium „Medizin“, Fach Klinische Chemie Pathobiochemie/Klinische Chemie Prof. Dr. Joachim Thiery, Medizinische Fakultät; Fachkollegium „Medizin“, Fach Innere Medizin – Gastro-Enterologie/Stoffwechsel: Prof. Dr. Joachim Mössner, Medizinische Fakultät; Fachkollegium „Grundlagen der Biologie und Medizin“, Fach Biochemie: Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie; Fachkollegium „Psychologie“, Fach Allgemeine und physiologische Psychologie, Biopsychologie, Methodenlehre: Prof. Erich Schröger, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie; Fachkollegium „Psychologie“, Fach Klinische, differentielle und diagnostische Psychologie: Prof. Dr. Elmar Brähler, Medizinische Fakultät; Fachkollegium „Pflanzenwissenschaften“, Fach Allelobotanik: Prof. Dr. Francois Buscot, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie; Fachkollegium „Agrar-, Forstwissenschaften, Gartenbau und Tiermedizin“, Fach Diagnostik und Therapie am lebenden Tier: Prof. Dr. Maria-Elisabeth KrautwaldJunghanns, Veterinärmedizinische Fakultät; Fachkollegium „Analytik, Methodenentwicklung“, Fach Analytik, Methodenentwicklung: Prof. Dr. Stefan Berger, Fakultät für Chemie und Mineralogie. Die Wahl in die Fachkollegien erfolgte erstmals. Die Fachkollegien sollen in allen Förderverfahren der DFG dafür Sorge tragen, dass die Begutachtung allein nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgt und in allen Verfahren gleiche Qualitätsmaßstäbe angelegt werden. Dr. med. Daniel Teupser, Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, wurde zum assoziierten Mitglied (Member of the Adjunct Faculty) der Rockefeller University, New York, ernannt. In Fachkollegien der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurden gewählt: Fachkollegium „Ethnologie, Außereuropäische Kulturen, Religionswissenschaft“, 37 Personalia Förderpreis für Andrea Sinz Die BBZ-Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Andrea Sinz wurde von der Dt. Gesellschaft für Massenspektrometrie mit dem Mattauch-Herzog-Preis ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft am Umweltforschungszentrum in Leipzig statt. Dr. Andrea Sinz erhielt den mit 12 500 Euro dotierten Förderpreis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet von Strukturuntersuchungen an Proteinen und Proteinkomplexen mithilfe der FTICR (Fourier Transformation Ionen-CyclotronResonanz)-Massenspektrometrie. Die Nachwuchsgruppe „Protein-LigandWechselwirkung mittels Ionen-CyclotronResonanz-Massenspektrometrie“, die von Dr. Sinz geleitet wird, arbeitet daran, Methoden zur Untersuchung dreidimensionaler Proteinstrukturen zu entwickeln, die auf chemischem Cross-Linking und hochauflösender Massenspektrometrie basieren. Massenspektrometrie ist eine leistungsfähige analytische Technik, die zur Identifizierung von unbekannten chemischen Verbindungen dient, und die die Struktur und die chemischen Eigenschaften von Molekülen nachweisen kann. Die Ergebnisse der Massenspektrometrie finden Anwendung z. B. in der Medizin, Forensik, Biologie, Physik und Astronomie. B.A. Beliebt, bestechend, beharrlich Nachruf für Fritz Meißner, Nestor der Leipziger Kinderchirurgie Von Prof. Dr. med. Joachim Bennek, em. Ordinarius für Kinderchirurgie Organist geht nach Lübeck Professor Arvid Gast, ein Jahrzehnt lang Leipziger Universitätsorganist, ist einem Ruf nach Lübeck gefolgt. Er hat eine Professur an der dortigen Musikhochschule angenommen. Im Universitätsgottesdienst am 1. Februar wurde er verabschiedet. Der zweite Universitätsprediger Prof. Dr. Rüdiger Lux sprach Gast ein großes Lob für seine künstlerischen Qualitäten aus. Er habe den Gottesdiensten Glanz verliehen, sagte Lux und fügte hinzu: „Nach einer alten jüdischen Legende ist die unterste Halle des Himmels die Halle der Musik. Sie haben uns diese Halle zuweilen auf die Erde geholt.“ Auch sonst, außerhalb der Gottesdienste, sei Gast ein großer Gewinn für die Universität gewesen, habe „schlicht geräuschlos, unprätentiös und in großer Bescheidenheit das getan, was in diesem Amt des Universitätsorganisten zu tun war.“ r. 38 In der Weihnachtszeit führten wir ein letztes persönliches Gespräch. Fritz Meißners Worte „Jeder Tag ist in meinem Alter ein Geschenk“ bleiben für mich unvergessen. Auch die herzlich geschriebenen Weihnachts- und Neujahrsgrüße deuten das an. „Wir hoffen auf eine noch kleine gemeinsame Wegstrecke. Die Kongressbesuche in München und Bonn mussten ausfallen, das Herz hält mich an kurzer Leine“. Der traditionelle Stammtisch der ältesten Schüler mit Fritz Meißner und seiner lieben Frau Elfriede am Silvestervortag sollte der letzte sein. Fritz Meißner starb am 16. Januar. In Naunhof bei Leipzig aufgewachsen, studierte Fritz Meißner Medizin in Leipzig. Seine Ausbildung erhielt er bei den Chirurgen Ernst Heller und Herbert Uebermuth sowie dem Internisten Max Bürger. 1945 promovierte er – übrigens unter dem Rektorat des berühmten Philosophen Hans-Georg Gadamer. 1956 habilitierte er, 1958 wurde er zum Oberarzt ernannt, 1959 begründete Fritz Meißner die Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie der Universität Leipzig. 1961 schließlich erfolgte die Ernennung zum Professor mit Lehrauftrag für das Fachgebiet Kinderchirurgie. Meißners Einstellung war es, den wachsenden und reifenden Organismus des Kindes in seiner Komplexität zu betrachten und spezielle Methoden der Diagnostik, Operationstechnik sowie der Vor- und Nachbehandlung dem Alter anzupassen. Mit Nachdruck setzte er dieses Prinzip immer wieder durch, und dafür sind alle seine Schüler ihm besonders dankbar. Seine Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft beim Umsetzen neuer Ideen waren unübertroffen. Hier denken seine Schüler insbesondere an die Einführung des Prinzips der Dringlichkeit mit aufgeschobener Operation, das heute zum Standard kinderchirurgischen Handelns gehört. Sein souveränes operatives Können hat alle, die ihn erlebt haben, begeistert. Fritz Meißner war ein beliebter Hochschullehrer. Sprichwörtlich berühmt waren seine Vorlesungen, die sich durch hohe Originalität und didaktisches Geschick auszeichneten. Auch er liebte die Studenten.m Wissenschaftliche Kongresse lebten mit ihm. Sein Auftreten war bestechend durch unerreichbare Rhetorik, scharfe und treffende Formulierungen, humorvolle Verknüpfungen und klare zukunftsweisende Gedanken. Seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen sind vielfältig gewürdigt worden. Die junge Kinderchirurjournal Personalia gengeneration ahnt kaum, an wie viel Themen Fritz Meißner gearbeitet hat und welche Fundamente ihm zu verdanken sind. Seine Bücher, Buchbeiträge und über 300 Originalarbeiten zählen zu den Standardwerken der Kinderchirurgie. Immer galt seine Vorliebe der Neugeborenen- und Säuglingschirurgie sowie der Thoraxchirurgie und Traumatologie. Er beeinflusste maßgebend die Entwicklung der ambulanten Kinderchirurgie und der kinderchirurgischen Intensivtherapie. Sein Prinzip, Verantwortung setzt Qualifizierung voraus, wirkte sich nicht nur auf die Weiter- und Fortbildung der Kinderchirurgen, sondern auch auf die Säuglingsund Kinderkrankenschwestern sowie Operationsschwestern aus. Die von ihm vorangetriebene Spezialisierung der Kinderchirurgie sah er nie als Selbstzweck an, sondern er hatte immer das kranke Kind als Ganzes im Auge. Beharrlich setzte er sich deshalb in Leipzig für ein Zentrum für Kindermedizin ein, dessen erster Leiter er war. Fritz Meißner bemühte sich, die Kinderchirurgen der ehemaligen DDR organisatorisch zunächst in der Gesellschaft für Chirurgie zu vereinigen. Auf sein Bestreben wurde 1964 die Sektion Kinderchirurgie der Gesellschaft für Chirurgie der DDR gegründet, die er bis 1972 leitete. Mit der Gründung der Gesellschaft für Kinder- chirurgie der DDR 1985 wurde Fritz Meißner zu deren 1. Vorsitzenden gewählt. Seit 1990 ist er Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Er hat wesentlich zur Vereinigung der Kinderchirurgen in Deutschland beigetragen. Als Klinikchef war Fritz Meißner gefürchtet und geliebt. Seine intellektuelle Ehrlichkeit, Toleranz, Geradlinigkeit, seine Strenge und Gutmütigkeit hielten die emotionelle Waage und waren Lehrbeispiel für seine Schüler. Bildung bedeutete für ihn intellektuelle Bescheidenheit und humane Existenz, seine größte politische Sorge war die Erosion der Grundwerte. Musik war sein Schlüssel für das andere, entspannte Ich. Aber er pflegte auch den persönlichen Kontakt und den geselligen Umgang. Fröhliche Runden bleiben in Erinnerung und mancher Rat an solchen Abenden hat den eigenen Weg bestimmt. Der Alma mater Lipsiensis war Prof. Meißner 60 Jahre lang verbunden. Als Ehrensenator nahm er aktiv am Universitätsleben teil. 1995 verlieh die Leipziger Universität Fritz Meißner den Titel eines Dr. honoris causa für besondere Verdienste. Selbst als 83-jähriger, inzwischen leicht nach vorn geneigter großer Mann, beeindruckte er durch seine Ausstrahlung und sein Interesse an allen Angelegenheiten seiner Universität. Die Sepp-Herberger-Frage … Folgender Brief von Dr. Barbara Herberger erreichte die Journal-Redaktion nach der Todesnachricht im vergangenen Heft: Am frühen Abend des 6. Mai 2003 nach dem Festakt im Leipziger Alten Rathaus (Die Juristenfakultät hatte Hans-Dietrich Genscher die Ehrendoktorwürde verliehen, d. Red.) überquerte vor mir in einiger Entfernung ein festlich gekleideter Mann mühsam gehend und immer wieder stehen bleibend den Platz vor der Uni. Ich beeilte mich, näher zu kommen, um eventuell helfen zu können. Da erkannte ich Professor Meißner, dessen Studentin ich früher war. Ich sprach ihn an, er blieb stehen. Auch er kam vom Festakt. Es war bewegend, zu sehen, wie sich sein anfangs von Schmerzen gezeichnetes Gesicht im Laufe des Gespräches entspannte und seine Augen manchmal geradezu spitzbübisch blitzten. Ich hatte nämlich ein Geheimnis, das ich nun preisgab: Ich verriet ihm, dass ich ihn als junge StudenHeft 2/2004 tin zur Chirurgieprüfung angeschwindelt hatte. Er hatte nämlich damals, als er meinen Namen auf dem Prüfungsbogen las, gefragt, ob ich mit dem berühmten Sepp Herberger verwandt sei. Blitzschnell kam mir der Gedanke, dass es nur von Vorteil sein könne, einem Fußballfan, wie er einer war, diese Frage zu bejahen, wenn auch zu Unrecht und mit schlechtem Gewissen. Die Prüfung verlief glanzvoll. Jetzt, nach fast 40 Jahren, lachte Professor Meißner herzlich über diese Anekdote und erteilte mir auf der Stelle Absolution. Wir schwatzten noch ein paar Minuten, doch dann sagte er: „So, ich muss weiter, gleich wird das Champions-League-Spiel Juventus Turin gegen Real Madrid übertragen das muss ich sehen. Machen Sie’s gut!“ Heute weiß ich, weshalb ich damals lachend und weinend zur Straßenbahn lief – ich ahnte, dass es meine letzte Begegnung mit diesem wunderbaren Menschen sein würde. Nachruf für Kinderkardiologen Bock Gefürchtete Visiten Im Alter von 81 Jahren verstarb in Leipzig am 7. Januar Prof. Dr. Karl Bock. Er wurde in Brandis geboren und studierte in Jena, Halle und Leipzig Medizin. Nach einer Assistenzzeit am St. Georg ging er 1951 an die Universitätskinderklinik Leipzig unter Prof. Albrecht Peiper. Karl Bock gehörte zu den ersten Kinderärzten Deutschlands, die das gerade entstehendem Gebiet der Kinderkardiologie maßgeblich prägten. Wegzeichen dieser Entwicklung sind seine Habilitationsschrift „Die vektorielle Deutung des EKG bei angeborenen Vitien“ (1960) und die Monographie „Missbildungen des Herzens und der großen Gefäße“(1974) – das Ergebnis der Arbeit in der Leipziger kardiologischen Arbeitsgemeinschaft mit dem Kardiologen H. Trenckmann, dem Pathologen F. Spreer und dem Herzchirurgen M. Herbst. Nach vorbereitenden Bemühungen unter Leitung von Bock entstand Anfang der 70er Jahre aus einer Arbeitsgruppe die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Kardiologie in der Gesellschaft für Pädiatrie der DDR. Trotz aller Schwierigkeiten gelang es Bock, internationale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Als 1. Oberarzt und Stellvertretender Klinikdirektor hat Bock über viele Jahre seinen Schwerpunkt nicht nur in der Kinderkardiologie gesehen, sondern sich für die gesamte Pädiatrie verantwortlich gefühlt und ein großes Spektrum an klinischen und organisatorischen Aufgaben bewältigt. Berühmt und von manchen gefürchtet waren seine Visiten, bei denen er stets den klinischen Befund in den Mittelpunkt stellte, kritisch hinterfragte und oft genug selbst erhob. Das Themenspektrum seiner Publikationen reichte weit über die Kinderkardiologie hinaus. Zudem betreute er zahlreiche Doktoranden. Karl Bock war nicht der Mensch, der sich von Widrigkeiten klein kriegen ließ. Sie forderten ihn heraus. Und er lebte unermüdlich vor, wie man mit Konsequenz, Einsatz, Bescheidenheit und strenger Disziplin die anstehenden Aufgaben und Probleme bewältigt und prägte so nachhaltig seine Mitarbeiter. Prof. Dr. Peter Schneider 39 Personalia Bedeutende Impulse, bedeutende Ehrungen Nachruf für den Veterinärmediziner Professor Herbert Gürtler Am 10. Februar verstarb nach schwerer Krankheit Prof. Dr. med. vet. habil. Dr. h.c. mult. Herbert Gürtler im Alter von 71 Jahren. Die Universität Leipzig und ihre Veterinärmedizinische Fakultät haben einen herausragenden Wissenschaftler und Hochschullehrer verloren, der als Gründungsdekan die Weichen dafür stellte, dass die Fakultät wieder einen hervorragenden Platz unter den Veterinärmedizinischen Fakultäten Deutschlands einnimmt. Herbert Gürtler blieb seiner Fakultät von Beginn seiner akademischen Laufbahn bis zu seiner Emeritierung verbunden. Er studierte in Leipzig Veterinärmedizin und wurde hier wissenschaftlicher Assistent. Zu seinen verehrten Lehrern gehörten Prof. Dr. Lucas Felixmüller und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wilhelm Schulze. Von 1957 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben 1997 durchlief er seine wissenschaftliche Karriere am Veterinär-Physiologisch-Chemischen Institut, zunächst als Leiter der Abteilung für Ernährungsphysiologie (1960–1969), nach Habilitation (1966) als Dozent für Tierbiochemie (1970) und außerordentlicher Professor (1980) und schließlich als Professor für Physiologische Chemie (1992) und Leiter des Instituts. Er war ein begeisterter und begeisternder akademischer Lehrer und Wissenschaftler, Herausgeber und Mitautor grundlegender veterinärmedizinischer Lehr- und Handbücher, Mitglied von Beiräten und Redaktionen wissenschaftlicher Zeitschriften und Autor von mehr als 200 Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften des In- und Auslandes. Seine profunden Kenntnisse und akademischen Erfahrungen brachte er als Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien ein, z. B. in der Deutschen Akademie der Naturforscher (Leopoldina) und in der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Als Dekan gestaltete er entscheidend die Wiederbegründung einer selbstständigen 40 Veterinärmedizinischen Fakultät. Er bewältigte die schwere Aufgabe der strukturellen und personellen Erneuerung der Fakultät, eine Tätigkeit, die ihn oft an die Grenzen der Gesundheit brachte. Dies alles gelang ihm ohne die studentische Ausbildung, die Forschungsarbeit sowie die tierärztliche Dienstleistung für die Bevölkerung der Stadt Leipzig und des Umlandes zu vernachlässigen. Unter seiner Leitung wurde die Mehrzahl der vakanten bzw. neu geschaffenen Professuren mit kompetenten Fachvertretern besetzt. Die bauliche Erneuerung der großenteils unter Denkmalschutz stehenden Gebäude wurde tatkräftig in Angriff genommen. Mit der Erarbeitung der Zielplanung wurde das gegenwärtige moderne Gesicht der Fakultät vorbereitet. Wichtige Impulse setzte er mit der Wiederbelebung akademischer Traditionen wie der Auszeichnung mit Ehrenpromotionen, die Verleihung des Goldenen Doktordiploms, der Verleihung der „Oskar-Röder-Ehrenplakette“ an verdiente Persönlichkeiten. Auf seine Initiative hin wurde auch der Freundeskreis Tiermedizin der Veterinärmedizinischen Fakultät e.V. berufen und die „Fakultätsumschau“ als Publikationsorgan begründet. Seine Verdienste um die Wiederbegründung und demokratische Erneuerung der Fakultät nach 1990 wurden durch die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (1996) und mit der CasparBorner-Medaille der Universität Leipzig (1994) besonders gewürdigt.m Darüber hinaus unterstützte er als Dekan die sich entwickelnde berufsständische Selbstverwaltung im Land Sachsen. Dafür wurde er mit der Verdienstmedaille der Sächsischen Landestierärztekammer für besondere Verdienste um den tierärztlichen Berufsstand ausgezeichnet. Für seine herausragenden Leistungen als akademischer Lehrer und für sein gesamtes wissenschaftliches Werk, welches der Beförderung der veterinärmedizinischen Wissenschaften diente, wurde Prof. Gürtler 1998 die Würde und der Grad eines Doctor medicinae veterinariae honoris causa des Fachbereiches Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin sowie der Universität für Veterinärmedizin und Pharmazie in Brno verliehen. Die bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen von Prof. Gürtler für die veterinärmedizinische Wissenschaft fanden Anerkennung durch die Verleihung der Oskar-Röder-Ehrenplakette (Leipzig, 1980), der Jozsef-Marek-Gedenkmedaille der Veterinärmedizinischen Universität Budapest (1987), der Friedrich-Müssemeier-Medaille (Humboldt-Universität Berlin, 1990) und des Martin-Lerche-Forschungspreises der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (1993). Durch seinen festen Charakter, seine lautere Gesinnung und sein ehrliches Wesen hat er in seinem langen Berufsleben viele Freunde im In- und Ausland gefunden, mit denen er bis zuletzt enge Verbindungen gepflegt hat. Gotthold Gäbel, Herbert Fuhrmann, Eberhard Grün journal Personalia | Habilitationen und Promotionen Mitglied der BelterGruppe verstorben Zum Tode Rolf Grünbergers In den Jahren 1953 bis 1955 kehrten immer wieder ehemalige Leipziger Studenten aus der Sowjetunion nach Deutschland zurück. Es waren keine Kriegsgefangene, auch hatten sie keine Verbrechen in der Sowjetunion verübt. Zu diesen unschuldig Inhaftierten und Verschleppten gehörte auch der 1929 geborene Rolf Grünberger, der kürzlich am 12. Februar in Niederkassel-Rheidt gestorben ist. Mit dem Neuaufbau nach dem Krieg erhoffte er sich, wie so viele andere, Verbesserungen hin zu einer demokratischen Welt, die er nur aus Berichten Dritter kannte. Im Juli 1949 bestand er das Abitur an der Lessingschule in Kamenz und konnte am 13. 10. 1949 sein Studium an der Universität Leipzig, an der damaligen Philosophischen Fakultät II, im Fach Chemie beginnen. Damit nahm er sein Studium in Leipzig in einer Zeit voller Umbrüche und Wirren auf. Wenn sich auch langsam abzeichnet, welchen Weg die Universität Leipzig in den nächsten Jahren bis hin zur Karl-MarxUniversität Leipzig gehen würde, so ist doch noch vieles offen und bürgerliche Professoren konnten den Studenten ihre Lebenserfahrungen und ihr Demokratieverständnis mit auf den Weg geben. Hinzu kamen politische Ungerechtigkeiten und Repressalien: nach der letzten großen Verhaftungswelle unter den Studenten 1948 war öffentlicher Protest nicht mehr möglich. Die militante Indoktrinierung bewirkte jedoch auch Gegendruck: Eine Schar Gleichgesinnter um den Studenten Herbert Belter, tauschte die vom RIAS in Berlin erhaltenen Informationen aus und lieferte Berichte über die tatsächlichen Vorgänge in Leipzig. Belter will mit einer Flugblattaktion gegen den geplanten Wahlbetrug bei den ersten Volkskammerwahlen 1950 auf die neue, diesmal rote Diktatur aufmerksam machen, wird dabei jedoch verhaftet. In den nächsHeft 2/2004 ten Tagen konstruiert daraus der russische Geheimdienst „antisowjetische Gruppenbildung und Spionage.“ Gemeinsam mit sieben weiteren Kommilitonen und einem Handwerker wird Rolf Grünberg im Januar 1950 von einem russischen Militärgericht zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und nach Workuta verschleppt. Herbert Belter wird zum Tode verurteilt und später in Moskau erschossen. Die künftigen Zwangsarbeiter werden in den „Archipel Gulag“ verschleppt. Rolf Grünberg kommt nach Workuta, wo er unter katastrophal harten Bedingung auf Baustellen und im Steinkohlebergbau arbeiten muss. Erst 1953 kann er mir seinen Angehörigen erstmals Kontakt aufnehmen – durch eine zensierte Postkarte. Rolf Grünberg gehörte zu den Glücklichen, die bereits 1953 in die Heimat zurückkehren durften. Aber auch dort findet er keine Ruhe: „Im Januar 1954 Flucht nach Westberlin, nachdem der Staatssicherheitsdienst versucht hatte mich als IM anzuwerben; er versuchte mich zu erpressen, da ich ‚nur‘ dreieinviertel Jahre statt 25 Jahre verbüßt hatte.“ In Westdeutschland schließt er eine Ausbildung als Chemotechniker ab und arbeitet bis zum Jahr 1986 in der chemischen Industrie. Von 1975 bis 1989 ist er als Mitglied des Stadtrates von Niederkassel tätig. Rolf Grünberg war verheiratet und hat einen Sohn. Im Jahre 1994 erhielt er endlich, wie alle unschuldig Inhaftierten der Belter-Gruppe, den offiziellen Rehabilitierungsbescheid durch die russische Justiz. Die Universität Leipzig widmete ihren verfolgten, inhaftierten und ermordeten Angehörigen bereits 1996 eine größere Ausstellung. In der Universitätsbibliothek befindet sich im öffentlichen Bereich das Ehrenbuch der Universität, in dem auch der Name und das Schicksal von Rolf Grünberg verzeichnet sind. Jens Blecher und Gerald Wiemers Habilitationen Medizinische Fakultät Dr. Rüdiger Lessig (1/04): Y-chromosomale DNA-Polymorphismen Dr. Daniel Huster (3/04): Festkörper-NMR-Untersuchungen zur Struktur und Dynamik membrangebundener und fibrillenbildender Proteine Philologische Fakultät Dr. Andreas Herzog (1/04): Judentum und Modernekritik. Figurationen des ,JudeSeins‘ in Romanen deutschsprachiger jüdischer Schriftsteller Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie Dr. Peter Gärtner (1/04): Demokratie im Dilemma der Wiederholbarkeit. Ausformung und Überwindung der zentralamerikanischen Regimebifurkation im historischen Langzeitvergleich Dr. Heidrun Zinecker (1/04): Kolumbien und El Salvador im longitudinalen Vergleich – ein kritischer Beitrag zur Transitionsforschung aus historisch-struktureller und handlungstheoretischer Perspektive Fakultät für Geschichte, Kunstund Orientwissenschaften Dr. Joost Hazenbos (12/03): „Wir stellen eine Orakelfrage“: Untersuchungen zu den hethitischen Orakeltexten Dr. Uwe Schirmer (12/03): Kursächsische Staatsfinanzen (1456–1656). Strukturen – Verfassung – Funktionseliten Theologische Fakultät Dr. Martina Böhm (2/04): Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria Promotionen Erziehungswissenschaftliche Fakultät Monika Dietzold (4/03): Geschlechterverhältnisse in mathematischen und naturwissenschaftlichen Lernfeldern. Eine international vergleichende Untersuchung. Solveig Jobst (4/03): Bestimmungselemente europäischen Bewusstseins und deren Verankerung im intendierten Curriculum sächsischer und tschechischer Schulen – theoretische Diskussion und vergleichende Analyse. Nicole Lamm-Hanel (7/03): Mutter-Kind-Interaktion in Überschreitungssituationen: Kritik, empirische Überprüfung und Weiterentwicklung von M. L. Hoffmans Taxonomie mütterlicher Erziehungsmaßnahmen. Claudia Nounla (12/03): Selbst und unterstützt. Erwachsenenlernen im Spannungsfeld von Eigenaktivität und institutionellem Angebot. Dessu Wirtu Hunde (12/03): Erwachsenbildung und ethnische Politik: Zu Problemen bildungspolitischer und demokratischer Entwicklung in Äthiopien. Philologische Fakultät René Ceballos (1/04): Der transversalhistorische Roman in Lateinamerika m Beispiel von Augusto Roa Bastos, Gabriel Garcia Marquez und Abel Posse 41 Habilitationen und Promotionen Dorothea Uhle (1/04): Der Erzählzyklus Boži muka von Karel Čapek zwischen Avantgarde, Zivilisationskritik und amerikanischem Pragmatismus Alexandra Lembert (2/04): Alchemy in Contemporary English Literature Untersuchung über die bulgarische Herrschaft in Vardar-Makedonien 1915 –1918 und 1941–1944 Britta Schülein (2/04): Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln bei den Yoruba. Ein Beitrag zur raumtheoretischen Diskussion in Westafrika Fakultät für Mathematik und Informatik Ursula Beate Ludwig (1/04): Morsetheorie auf stratifizierten Räumen Theologische Fakultät Thomas Böttrich (1/04): Schuld bekennen – Versöhnung feiern: Die Beichte im lutherischen Gottesdienst Harald Rabe (1/04): Die Veränderung im Freiheitsverständnis von Franz Volkmar Reinhard durch die Aufnahme lutherischer Theologie Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie jeweils 1/04: Ronny Kraus: Abstraktion und abstrakte Gegenstände. Zur Explikation des Begriffs der Abstraktion Uwe Wiedemann geb. Haase: Theorie der epistemischen Rechtfertigung Achim Arnal: Die Bedeutung ökonomischer Faktoren bei der Bildung strategischer Allianzen zwischen Nationalstaaten – Eine Untersuchung des Axelrod-Benett-Modells Elmar Janssen: Die USA, die EU und das Ziel einer nahöstlichen Friedensordnung: Differierende Transformationsansätze und gemeinsame Dilemmata unter besonderer Berücksichtigung konfliktimmanenter Regionalstrukturen, 1991–2002 Sportwissenschaftliche Fakultät jeweils 1/04: Silke Graf: Wettkampfanalyse in der Rhythmischen Sportgymnastik – Anteil der leistungskennzeichnenden Merkmale Choreographie und individueller Ausdruck an der Wettkampfleistung Jörg Hagenah: Sportrezeption und Medienwirkung Heike Streicher: Effekte einer therapeutischen Rückenschule unter besonderer Berücksichtigung eines propriozeptivkoordinativen Trainings Fakultät für Geschichte, Kunstund Orientwissenschaften Regine Qualmann (10/03): South Africas Reintegration Into World and Regional Markets. Trade Liberalisation and Emerging Patterns of Specialisation in the Post-Apartheid Era Anja Morgenstern (11/03): Die Oratorien von Johann Simon Mayr (1763–1845). Studien zu Biographie, Quellen und Rezeption Birgit Mitzscherlich (11/03): Diktatur und Diaspora. Das Bistum Meißen 1932 bis 1951 Sabine Borchert (11/03): Herzog Otto von Northeim (um 1025–1083). Reichspolitik und personelle Netzwerke Zhenjing Li (12/03): Das chinesische Innovationssystem – Eine Analyse der Informations- und Elektronikindustrie in Qingdao Katharina Susanne Schleif (12/03): Mündliche Kompetenz im akademischen Arabischunterricht – Analyse zur Vermittelbarkeit der arabischen Sprachvarietäten Andreas Wagner (1/04): „Machtergreifung“ in Sachsen. NSDAP und Landesverwaltung in der Endphase der Weimarer Republik und im beginnenden NS-Staat (1930–1935) Björn Opfer (2/04): Im Schatten des Krieges. Besatzung oder Anschluss – Befreiung oder Unterdrückung? Eine komparative 42 Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Heiko Dietz (01/04): Marktnahe Arbeitsformen – eine ökonomisch-rechtliche Analyse Markus Bartscherer (02/04): Investor Relations in Versicherungsunternehmen (-konzernen) Fakultät für Physik und Geowissenschaften jeweils 2/04: Norbert Klitzsch: Ableitung von Gesteinseigenschaften aus Messungen der spektralen induzierten Polarisation (SIP) an Sedimentgesteinen Martin Schubert: 3D-Ultraschallmikroskopie – Neue Möglichkeiten in der konfokalen Akustischen Mikroskopie mit Amplituden- und Phasenkontrast Igor Drozdov: Vacuum Energy of Quantum Fields in Classical Background Configurations Medizinische Fakultät jeweils 10/03: Ulrike Müller: Endoskopische Lokalinstillation von Amphotericin B zur Behandlung der invasiven pulmonalen Aspergillose Volker Rathke: Fast-track intensivtherapie nach herzchirurgischem Eingriff in Zusammenhang mit präoperativem Scoring Wibke Reinhard: Feinanalyse des Cyclin B2 Promoters Ulrike Roschlau: Prognoserelevante Faktoren bei Zervixkarzinomen der FIGO-Stadien III und IV Helko Sander: Die Bluttransfusion in der Deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) Elke Schlenzig: Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines Ausbildungsprogrammes zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Sterben und Tod für Medizinund Psychologiestudenten Markus Schreder: Etablierung einer kombinierten zytologisch-zytogenteischen Methode (PAPP-FISH) am Beispiel der Erfassung des Chimärismus nach modifizierter peripherer Blutstammzelltransplantation Mark Sellmann: Odontogene Entzündungen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich. Eine Untersuchung unter sozio-demographischen Aspekten Enrico Semmer: Experimentelle Untersuchungen zur Bestimmung von Leistung und Standzeit diamantierter Präparationsinstrumente Thomas Senft: Polarisationsoptische, morphometrische und immunhistochemische Untersuchungen an den kollagenen Strukturen in arteriellen Gefäßen bei Ratten Claudius Erik G. Soukup: Muskelfasertypen, Myosin-Isoformen und kontraktile Eigenschaften des M. digastricus der Ratte Thomas Wiener: BSP-Antikörper: Optimierung der Anwendung in vitro und im Schnitt Thomas Zenker: Rekanalisation chronisch verschlossener Koronararterien mittels Laserdraht – Akutergebnisse und klinischer Langzeitverlauf Oliver Sinnreich: Rolle des Alpha-2-Makroglobulins – ein Proteinaseinhibitor und Zytokinbindungsprotein – in der Pathogenese des Prostatakarzinoms Dipl.-Psych. Angela Werrmann: Fatigue und Depressivität bei Depressiven und in der Allgemeinbevölkerung Annett Kobler: Stereotaktischer Hirnatlas der Wachtel (Coturnix japonica) Heiko Hänel: Detektion von Mutationen in den Tumorsuppressorgenen p53, p21, p16 sowie dem Apoptoseagonisten BAX und Korrelation zu den klinischen Prognosefaktoren bei nichtkleinzelligen Lungentumoren Matthias Dittmann: Elektromedizinische Apparate im 19. Jahrhundert unter Berücksichtigung entsprechender Exponate der Medizinhistorischen Sammlung des Karl-SudhoffInstituts Susanne Kichmann: Untersuchungen zum vorzeitigen Blasensprung bei Zwillingsgeburten vor 37.0 Schwangerschaftswochen Kerstin Eggers: Häufigkeit vancomycinresistenter Enterokokken am Universitätsklinikum Leipzig Angela Seidel: Untersuchungen zu Kinetik und Toxizitätsprofil von Bendamustin unter den Bedingungen von mittelgradig bis schwerem Tumor-/Metastasenbefall und Funktionseinschränkungen der Leber Astrid Kruppa: Untersuchungen zur Avidität spezifischer IgG-Antikörper mit dem Enzyme-Linked-ImmunosorbentAssay (ELISA) bei Syphillis Kathrin Hodak: Immunpräzipitation von Thyreotropin-RezeptorAntikörpern mit in vitro synthetisiertem ThyrotropinRezeptor und Nutzung der Methode für Epitopstudien Antje Gerbeth: Perinatales Risiko bei Blutungen in der Schwangerschaft Pia Richter: Die ersten wissenschaftlichen Assistentinnen und Habilitandinnen der Leipziger Medizinischen Fakultät Katrin Schuchardt: Molekularbiologische Untersuchungen des Natrium/ Jodid-Symporters in kalten Schilddrüsenknoten Kai Kendziorra: Evaluierung myokardialer Perfusionsveränderungen durch Ausdauertraining im Vergleich zu perkutaner transluminaler koronarer Angioplastie (PTCA) bei Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung – eine randomisierte klinische Studie journal Jubiläum 2009 Kommission stellt sich vor Historie im Blick Ein Leipziger Student rühmt 1570 seine Universität als einen zentralen Umschlagplatz („emporium“) der Wissenschaften und ihrer Disziplinen. In vielen Phasen ihrer bald 600-jährigen Geschichte ist die Alma mater Lipsiensis diesem Ruf gerecht geworden. Als zweitälteste akademische Institution ihrer Art in der Bundesrepublik Deutschland hat sie mit kontinuierlicher Ausstrahlung wissenschaftliche und kulturelle Ausdifferenzierungsprozesse, aber auch politische und gesellschaftliche Wandlungsprozesse nicht nur „erlebt“, sondern mitgestaltet. Dies lässt sich an den hohen Immatrikulationszahlen von Studenten ebenso ablesen wie am hohen wissenschaftlichen Profil der Hochschullehrer zu allen Zeiten. Dieses Erbe rückt mit dem nahenden Jubiläum verstärkt ins Bewusstsein. Um den interdisziplinären Austausch, dem Wissenschafts- und Universitätsgeschichte heute gerecht werden müssen, zu fördern, hat die Universitätsleitung zunächst eine Arbeitsgruppe, seit Anfang 2003 die „Kommission zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“ ins Leben berufen. Ihre Mitglieder sind: Prof. Dr. Enno Bünz, PD Dr. Dr. Detlef Döring, Prof. Dr. Ulrich von Hehl, Prof. Dr. Günther Heydemann, Prof. Dr. BerndRüdiger Kern, Prof. Dr. Dieter Michel, Prof. Dr. Dr. Ortrun Riha, Prof. Dr. Manfred Rudersdorf (stellv. Vorsitz), Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg (Vorsitz), Prof. Dr. Gerald Wiemers, Prof. Dr. Hartmut Zwahr. Als wissenschaftliches Forum erscheint seit 2002 die Reihe „Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“ (BLUWiG). In Kooperation mit der Redaktion des Uni-Journals sollen in zukünftigen Heften in regelmäßigen Abständen Beiträge mit kurzen Portraits in der neuen Reihe „Gesichter der Uni“ erscheinen und so die Rubrik Jubiläum 2009 weitere Bereicherung finden. Dabei sind unter anderem regelmäßige Kurzbiographien von Universitätsangehörigen verschiedenster Jahrhunderte geplant, darunter auch der Opfer der Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Andreas Gößner, Kommission Heft 2/2004 Die neue Journal-Serie: Gesichter der Uni Valentin Friderici (aus der Porträtsammlung der Universitätsbibliothek) Die Kommission ist in ihrer gesamten Arbeit auf Impulse aller Angehörigen und disziplinären Einrichtungen der Universität angewiesen. Ihre Mitglieder wollen sich deshalb nachdrücklich um Austausch bemühen, die Kontakte zur Kommission erhalten sie über die Mitglieder oder über die folgenden Mailadressen: [email protected] [email protected] Valentin Friderici begann sein Berufsleben als Messerschmied. Als 15-jähriger immatrikulierte sich der gebürtige Schmalkaldener 1645 an der Universität Leipzig und erwarb dort 1653 den Magistergrad. Daran schloss sich eine fast 50jährige Lehrtätigkeit an der Universität in der Messestadt an. Die nächste Station seiner akademischen Laufbahn war 1664 die Ernennung zum Assessor an der Philosophischen Fakultät, später wurde er Kollegiat am Großen Fürstenkolleg, eine Stellung, die ihm an der Universität den Unterhalt sicherte. Seit Mitte der 1660er Jahre sind unter seinem Vorsitz zahlreiche Disputationen zu philosophisch-moralischen, philologisch-hebraistischen und theologischen Themen veranstaltet worden und später auch im Druck erschienen. Zu den bemerkenswertesten Schriften dieser Art gehört der Disputationsdruck „Über die Duldung der Religionen“ von 1669. Die hierin enthaltene zentrale These ist die der Toleranz gegenüber allen Religionen seitens der politisch Verantwortlichen, und zwar ohne den Standpunkt der Religionsgemeinschaften zu verletzen. Bei dieser Disputation Fridericis war Theophil Lessing, der Großvater des Schriftstellers der Aufklärung Gotthold Ephraim Lessing, als sogenannter Respondent maßgeblich beteiligt. Seine wissenschaftliche Arbeit führte Friderici auch zum Erwerb akademischer Grade an der Theologischen Fakultät, an der er 1666 zum Baccalaureus und 1698 zum Licentiaten promoviert wurde. Seit 1692 hatte er die mit der Theologischen Fakultät eng verbundene Professur für Hebräische Sprache inne. In leitenden Funktionen finden wir Friderici zwischen 1668 und 1696 fünfmal als Dekan der Philosophischen Fakultät sowie 1700 als Rektor magnificus. Der unverheiratete Friderici stiftete testamentarisch sein Vermögen für drei wohltätige Zwecke: die Stiftung eines Freitisches im Konvikt, die Stiftung einer Geldsumme zugunsten der Witwenkasse der Philosophischen Fakultät und die Stiftung von Büchern für die Ratsschule. Seine Grabplatte aus Sandstein in Gestalt einer von zwei Putten und einem Totenkopf bekrönten Tuchdraperie trägt eine lateinische Inschrift, die seine Ämter und seine Wohltätigkeit würdigt. Sie befindet sich heute unter den Grabplatten, die am Universitätshauptgebäude in der Grimmaischen Straße hinter Glas für die Öffentlichkeit sichtbar ausgestellt sind. Andreas Gößner 43 Jubiläum 2009 Das „Gefäß der Bestimmung“ Über die bedeutsame „Böhmische Tafel“ in der Kunstsammlung der Universität Von Prof. Dr. Frank Zöllner, Institut für Kunstgeschichte Kein anderes Werk aus dem Kunstbesitz der Universität Leipzig ist mit deren Gründungsmythos so eng verknüpft wie die sogenannte „Böhmische Tafel“: Im Jahre 1409, mit dem Auszug der „Angehörigen Deutscher Nation“ aus Prag, sei die Tafel mit nach Leipzig gelangt und später zu einem wichtigen Element der „Identifikation der heutigen Universität mit ihrer fast sechshundertjährigen Geschichte“ geworden. Für diese und andere Legenden fehlen allerdings konkrete Anhaltspunkte. Außer Frage steht lediglich die überragende Bedeutung der Tafel: Sie ist ein wichtiges Zeugnis mittelalterlicher Kunst in Leipzig und nimmt in der Ikonographie des Mittelalters eine Sonderstellung ein. Bereits die Herkunft des Gemäldes gibt Rätsel auf. Im 19. Jahrhundert war die „Böhmische Tafel“ zwischenzeitlich zum Mittelbild eines Altarretabels umfunktioniert worden. Aus dieser Zeit stammt auch die Annahme, das Gemälde sei ursprünglich Teil eines größeren Retabels gewesen. Eine solche Annahme ist unbegründet, zumal wir kaum etwas darüber wissen, wo genau sich das Gemälde vor dem 19. Jahrhundert befunden hat. Einige ikonographische Besonderheiten allerdings legen die Vermutung nahe, dass die „Böhmische Tafel“ in einem dominikanisch geprägten Umfeld wie der Leipziger Paulinerkirche entstanden ist. Die ohne den neuzeitlichen Rahmen 115,5 auf 126,5 cm messende Holztafel ist beidseitig bemalt. Auf der heute dem Betrachter abgewandten Seite findet sich eine Darstellung der Verkündigung (untere Abb. S. 45): Der Erzengel Gabriel tritt von links an die Jungfrau Maria heran, die rechte Hand zum Gruß erhoben, in der linken das Schriftband mit den Grußworten „Ave 44 gratia plena dominus tecum“. Gegenüber dem Erzengel sitzt Maria unter einer baldachinartigen Architektur. Den Blick etwas versonnen vom eigentlichen Geschehen abgewandt, empfängt sie die Nachricht ihrer Bestimmung, den Gottsohn zu gebären. Ihr einziges Requisit ist ein Buch, das ungefähr im Zentrum des Bildes auf einem steinernen Lesepult ruht. Die reichliche Verwendung von Gold für den Hintergrund und die Nimben der Figuren sowie deren symmetrische Anordnung vermitteln einen archaischen Eindruck. Rätselhaft mutet auch das Geschehen auf der anderen Bildseite an (obere Abb. S. 45): Links im Bild hat sich eine nimbierte und rot gewandete junge Frau auf einer steinernen Bank niedergelassen. Mit beiden Händen hält sie ein Gefäß, das sie einem rechts neben ihr sitzenden Dominikanermönch zu präsentieren scheint. Der junge Mann registriert das Geschehen mit verhaltenem Blick, verharrt ansonsten aber hinter seinem Lesepult. Mit der linken Hand drückt er die noch unbeschriebene Seite eines Buches nieder, mit einer Feder in seiner rechten setzt er zum Schreiben an. Die symmetrische Anordnung der beiden Figuren ähnelt der Gegenüberstellung von Gabriel und Maria auf der anderen Seite der Tafel. Allerdings gibt es auch einige Unterschiede. An die Stelle des Goldgrundes tritt ein grüner Hintergrund, das Kolorit wirkt insgesamt heller, was u. a. damit zusammenhängt, dass die Verkündigung an Maria weitgehend in Öl gemalt ist, die Seite mit dem Dominikanermönch hingegen mit Tempera. In der Forschung hat sich die Meinung festgesetzt, dass die mit Tempera ausgeführte Seite den hl. Dominikus zusammen mit Maria Magdalena darstelle und dass es sich bei dem „geheimnisvollen“ Gefäß um das „vas electionis“ als Symbol der Unbefleckten Empfängnis Mariens handele. Hier sind offenbar Dinge durcheinandergeraten, die nichts miteinander zu tun haben: Maria Magdalena, „Vas electionis“ und Unbefleckte Empfängnis. Wahrscheinlich lag August Schmarsow, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, richtig mit seiner 1903 publizierten Annahme, dass es sich bei der jungen Frau nicht um Maria Magdalena handele, sondern um Maria, die dem hl. Dominikus das „vas electionis“ überreiche. Dieses „Gefäß“ der Erwählung, das Schmarsow wahrscheinlich von einer Paulusdarstellung auf Filaretes Bronzetür in St. Peter zu Rom kannte, entstammt der paulinischen Ikonographie und hat seinen Ursprung in jenem Teil der Apostelgeschichte, in dem es um die Bekehrung des Christenverfolgers Saulus zum Apostel Paulus geht. In der entsprechenden Episode der Apostelgeschichte (Apg 9.15) sagt Gott über den kurz vor seiner Bekehrung zum Christentum stehenden Saulus: „… dieser ist mein auserwähltes Werkzeug (vas electionis), dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel“.m Die korrekte Bezeichnung der heute in der Kustodie als Vorderseite der „Böhmischen Tafel“ ausgestellten Darstellung müsste also lauten: Maria präsentiert einem Dominikaner das „vas electionis“. Bei dem Dominikanermönch handelt es sich wahrscheinlich um den hl. Dominikus selbst, und zwar im sogenannte „milden“ Typ, der seit dem 14. Jahrhundert die „ernste“ Variante ablöste. Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich wäre auch eine Identifizierung der Figur mit dem hl. Thomas von Aquin, dessen bekannte Gelehrsamkeit dann in dem dargestellten Buch zum Ausdruck käme. Wichtig für die Bildidee ist jedoch vor allem, dass Maria das aus der Apostelgeschichte bekannte „Gefäß der Bestimmung“ einem Dominikaner präsentiert. Der tiefere Sinn dieser Darstellung wird unmittelbar deutlich, wenn man sich sowohl den Inhalt der Apostelgeschichte als auch das Aufgabenspektrum des Dominikanerordens vor Augen hält. Im biblischen Bericht geht es nicht nur um die Bekehrung des Saulus zum Paulus, sondern auch um den Beginn seiner Missionsund Predigtätigkeit als Heidenapostel. An diesem Punkt der „Bestimmung“ des Paulus ergibt sich eine deutliche Parallele zu den Dominikanern, deren Kirche in Leipzig dem Apostel Paulus gewidmet war. Tatjournal Die „Böhmische Tafel“ eines unbekannten Meisters des späten 14. Jahrhunderts. Oben die Vorderseite: Maria Magdalena und Heiliger Dominicus/ Vas electionis. Unten die Rückseite: Verkündigung. Um 1390, historischer Besitz aus der Paulinerkirche, bis 1944 Nordwand Nordchor. Kunstbesitz der Universität Leipzig. Fotos: Kustodie sächlich agierten der hl. Dominikus und die Brüder seines 1215 gegründeten „Ordo fratrum praedicatorum“ ebenso wie Paulus als Prediger und Missionare. Paulus als Heidenapostel war für die Dominikaner mithin eine ideale frühchristliche Identifikationsfigur. Es ist daher nur folgerichtig, dass der hl. Dominikus auf der „Böhmischen Tafel“ von Maria das „paulinische“ Heft 2/2004 Gefäß als Symbol seiner Bestimmung präsentiert bekommt. Wenn die Präsentation des „Gefäßes der Bestimmung“ an Dominikus eine geschickte Kombination paulinischer und dominikanischer Denkformen ist, dann korrespondiert damit auch das Geschehen auf der anderen Seite des Bildes mit der „Verkündigung an Maria“: Ebenso wie Maria vom Erzengel Gabriel ihre Bestimmung mitgeteilt bekommt, wird dem hl. Dominikus und damit dem Dominikanerorden von der Jungfrau Maria durch das „vas electionis“ die missionarische Aufgabe im Sinne des Paulus bedeutet. Die inhaltlichen Bezüge zwischen Vorderund Rückseite der „Böhmischen Tafel“ hinsichtlich der Bestimmung Mariens einerseits und den Aufgaben der Dominikaner andererseits lassen ein durchdachtes inhaltliches Konzept erkennen. Von einem nicht geringeren gedanklichen Niveau zeugen vielleicht sogar die formalen Unterschiede zwischen den beiden Seiten der Tafel. So wirkt der Goldgrund in der Verkündigung an Maria aufgrund der Kostbarkeit des verwendeten Materials insgesamt prächtiger als das lichtere Kolorit auf der Gegenseite. Generell signalisiert ein Goldgrund einen archaischeren Stilmodus, und dieses altertümelnde Stilelement entspricht der höheren Würde der Darstellung. Tatsächlich ist die „Verkündigung an Maria“ hierarchisch betrachtet die vornehmere der beiden Szenen, denn sie markiert den Beginn der Inkarnation, die Menschwerdung Gottes, während Dominikus als „neuer“ Heiliger einer viel späteren Zeit angehört und daher in einem anderen, weniger kostbar wirkenden Stilmodus dargestellt werden konnte. Der archaische Gestaltungsmodus mit Goldgrund war also der „Verkündigung“ als der höherwertigen Szene vorbehalten. Auch wenn Fragen nach der ursprünglichen Funktion und dem ersten Aufstellungsort der „Böhmischen Tafel“ hier noch nicht beantwortet und die theologischen Dimensionen etwa des „vas electionis“ nur gestreift werden konnten, bleibt festzuhalten, dass der Zusammenhang zwischen den beiden Seiten des Gemäldes von einem hohen intellektuellen Niveau und einer ästhetischen Kompetenz der damaligen Auftraggeber zeugt – sicherlich kein Stoff für Legenden, aber immerhin Ansporn für einen intellektuell anspruchsvollen und ästhetisch kompetenten Umgang mit dem kulturellen Erbe der Universität. Die Anregung für den vorliegenden Artikel ergab sich aus einer gemeinsam mit dem Kustos der Universität, Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, veranstalteten Seminarübung. 45 Titel-H_03 18.05.2004 11:04 Uhr Seite 1 C Mai/Juni 2004 M Y CM MY Heft 3/2004 CY CMY K ISSN 0947-1049 Uni-Orchester vor Gewandhaus-Konzert: „Mit großem Eifer dabei“ Eine Annäherung an Ernst Bloch: Spuren in Leipzig Universitätssammlungen: Fundstücke von Fach zu Fach Folge der Gesundheitsreform: Probleme für das Präparieren Essay zum Thema Schönheit: Schnittmuster für die Identität Sorabistik-Institut im Aufwind: Eine Orchidee mit Zukunft journal Eine Studienreform zwischen Vision und Oktroi „Bologna“ in Leipzig Probedruck EDITORIAL Inhalt Bologna-Ballade UniVersum Der Campus-Tag Campus-Neugestaltung: Rektor im Interview Enger mit Chile kooperieren 2 3 4 Gremien Sitzung des Senats am 6. April 5 Forschung Optische Finger Nachrichten 7 8 Fakultäten und Institute Probleme für das Präparieren Pharmazeuten kooperieren mit Bundeswehr Französisch-sächsische Kulturgeschichte Sorabistik-Institut im Aufwind UniCentral Studienreform zwischen Vision und Oktroi Konsekutive Studiengänge und Schlüsselqualifikationen Der Osnabrücker Zwei-Fach-Bachelor Das Bielefelder Konsekutivmodell Mit dem „Checkheft“ zum Bachelor of Arts Ein Clownfisch im Bologna-See Information und Diskussion 9 10 11 12 14 16 18 19 20 21 22 Studiosi Laufen für Olympia / Postkarten für Bildung Sprecher des Uni-Orchesters im Interview 23 24 Personalia Nachrufe Geburtstage Volker Bigl ins Amt eingeführt Kurz gefasst Ernst Bloch: Spuren in Leipzig 200. Geburtstag von Otto Linné Erdmann Neu berufen Koreaner Kang ist neuer Leibniz-Professor Geschäftskonzepte prämiert 25–27 27/28 28 29 30 32 34 35 35 Essay Schönheit – Schnittmuster für die Identität 36 Jubiläum 2009 Fundstücke von Fach zu Fach Gesichter der Uni: Alfred Doren 75 Jahre Musikinstrumentenmuseum 38 39 40 Habilitationen und Promotionen Am Rande Nomen Impressum 37 6 12 2 Zum deutschen Bildungsschatz gehört Goethes Parabel vom Zauberlehrling, der die Abwesenheit seines Meisters nützt, um endlich einmal selbst zu zaubern. Ein Besen dient ihm als Versuchsobjekt: „Und nun komm Du alter Besen! Nimm die schlechten Lumpenhüllen; bist schon lange Knecht gewesen: Nun erfülle meinen Willen!“ Statt Schmutz zu kehren, soll er Wasser tragen. Es klappt tatsächlich und zwar so gut, dass eine gewaltige Überschwemmung droht. Voller Schrecken merkt der Möchtegern-Magier, dass ihm das rechte Wort fehlt, um den Spuk wieder zu stoppen: „Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister, hör mich rufen! – Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!“ Man könnte Goethes Opus auch Bologna-Ballade nennen: die fatale Geschichte mutwillig freigesetzter Energien, die außer Kontrolle geraten. Nur das Ende stimmt nicht: „In die Ecke, Besen! Besen!“ – auf diesen Befehl und den Meister, der ihn geben könnte, warten wir heute vergeblich. Doch sollte man darüber verzweifeln? Kann man klaren Sinnes wollen, dass die Universität wieder in der Ecke zu landet? Als abgenutzter Besen in lumpigen Hüllen, die schon lange nicht mehr erkennen lassen, was sie einmal waren: ein stattliches Gewand nach dem Schnittmuster Humboldts. Sicher, der Bologna-Prozess hat noch etwas von jener nassen Flut, die dem Zauberlehrling fast zum Verhängnis geworden wäre. Doch je schneller die Universität ihre Fassung wieder findet, desto eher kann aus der überraschenden Not eine „nachhaltige“ Tugend werden: dadurch, dass etwas Eigenes entsteht, bevor fremde Zwänge sich sammeln und verlorenes Terrain zurück erobern. Allem Anschein nach wird dieser Zeitpunkt auch genutzt, nicht immer zwar, doch immer öfter. Hochfliegende Ziele, seit ewigen Zeiten ein beliebtes Futter für großspurige Präambeln und wortmächtige Reden, spiegeln sich unversehens im schrittweisen Wandel der Universitätswelt wider: Berührungsängste schwinden, gemeinsame Projekte werden entdeckt, man wagt Risiken und findet Gefallen an Fremdem, sogar das bürokratische Gehäuse bröckelt. Kurzum: Wo Lumpen waren, zieht Leben ein. Unerhörtes passiert und wird bald Routine sein. Besen oder Bologna – das ist keine Frage mehr. Prof. Dr. Charlotte Schubert, Prorektorin für Lehre und Studium Zeichnung auf der Titelseite: oweiss.com 1 UniVersum campus 2004 Massen auf dem Markt der Möglichkeiten Ganz nah ran: Die Bienen-Exponate der Veterinärmediziner erfreuten sich großer Beliebtheit. Eine besondere sportliche Erfahrung: Basketballspielen im Rollstuhl sitzend. Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Impressum Herausgeber: Der Rektor Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig, Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29, E-mail: [email protected] V. i. S. d. P.: Volker Schulte Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Satz und Lithographie: DZA Satz und Bild GmbH, Altenburg Druck und Binden: Druckerei zu Altenburg GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550 Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbH Augustusplatz 10/11, 04109 Leipzig Tel./Fax: 0341/9900440 Einzelheft: 1,50 e Jahresabonnement (sieben Hefte): 13,– e In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Sie sich bitte an die Redaktion, in Fragen, die den Vertrieb betreffen, an den Verlag. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplare erbeten. Redaktionsschluss: 5. 5. 2004 ISSN 0947-1049 2 Am 15. Mai war es wieder soweit: Die Universität stellte sich vor, öffentlich und vielfältig, in Grimmaischer Straße, Uni-Innenhof, Hörsaal- und Seminargebäude. Tausende Leipziger und Auswärtige kamen, um die „Grenzüberschreitungen“ – so das Motto von campus 2004 – zu erleben. Grund genug, um nach Redaktionsschluss noch diese Seite ins Journal einzufügen und somit ein paar Impressionen zu vermitteln. „Es war immer voll“ – dieser Satz war bei einer ersten Auswertungsrunde gegen Ende des Campus-Tags mehrfach zu hören. In der Tat war der Universitätsmarkt den ganzen Tag über gut besucht. Auch die Angebote beim zum zweiten Mal zur gleichen Zeit stattfindenden Studieninformationstag wurden rege genutzt. „An Klientel mangelte es nun wirklich nicht, und die Schüler waren gut vorbereitet und fragten ganz gezielt“, freute sich Dr. Solvejg Rhinow, Leiterin der Zentralen Studienberatung. Selbst der Regen, der gegen 14 Uhr einsetzte, beeinträchtige die Veranstaltung nur unwesentlich. Natürlich litten fortan die Redner, Tänzer und Co. auf der Bühne unter etwas weniger Aufmerksamkeit als zuvor u. a. die Chemie-Experimentalvorlesung und die Podiumsdiskussion zur Campus-Neugestaltung für sich verbuchen durften. Bei letztgenannter erklärte der holländische Architekt Erick van Egeraat übrigens selbstbewusst, „das schönste Gebäude Leipzigs“ bauen zu wollen (lesen Sie zu diesem Thema auch das Interview auf der folgenden Seite). An der Diskussion beteiligt waren außerdem der Architekt Martin Behet und Rektor Franz Häuser; moderiert wurde das Gespräch von LVZChefredakteur Bernd Hilder. Was es sonst gab? Ein „Kino intim“ und Kohlendioxyd-Duschen, Pilze und Pyramiden, Gipsabdrücke und Graffiti-Schauprozesse. Und vieles mehr – zu sehen auch auf unzähligen Fotos. Davon hat hier nur ein ganz kleiner Teil Platz gefunden, mehr Bilder stehen im Internet unter www.uni-leipzig.de/campus2009/2004 C. H. Lange Schlangen: Viele Schüler wollten beim Studieninformationstag gleich Bewerbungsunterlagen mitnehmen. Schön geschrieben: Chinesische und arabische Studierende übertrugen Besuchernamen in ihre Sprachen. Sportlich: Das Bungee-Trampolin war eine der Attraktionen bei Uni2 im Innenhof. Fotos: Kornelia Tröschel journal UniVersum Auf das Dramatische folgt das Pragmatische Rektor Häuser zur Campus-Neugestaltung Seit Ende März steht endgültig fest, wie der neue Campus der Universität am Augustusplatz aussehen wird (das Uni-Journal berichtete ausführlich). Im Interview äußert sich der Rektor Prof. Dr. Franz Häuser rückblickend zum Verfahren und vorausblickend zum Neubau. Über der Freude und Erleichterung, dass der Qualifizierungswettbewerb am Ende ein überzeugendes Ergebnis erbracht hat, ist die Dramatik, die Zuspitzung im Verfahren in den Hintergrund getreten. Was waren für Sie die kritischen, aber auch die Wendepunkte? Das Gesamtprojekt war gefährdet, als der Freistaat überraschend von dem bislang gemeinsam beschrittenen Weg abwich und im Widerspruch zu den Beschlüssen der Universitätsgremien den Wiederaufbau der Paulinerkirche favorisierte. Es entstand eine Blockadesituation, die in dem Rücktritt von Prof. Bigl und den Prorektoren kulminierte. Die Aufgabe des neuen Rektorats bestand nun darin, eine Lage herbeizuführen, die den Fortgang des Bauprojektes ermöglichte. Als es gelang, sich in Dresden auf die Kompromissformel einer „Aula-Kirche“ zu einigen, die in zeitgemäßer Bauweise zu errichten ist, gab es einen Rückschlag, eine „Eiszeit“, als diese Vereinbarung von den Medien als Rückzug der Staatsregierung bewertet wurde. Ein neuer Anlauf musste unternommen werden, um doch noch einen alle Seiten, vor allem natürlich den künftigen Nutzer, die Universität, zufriedenstellenden Text für einen ergänzenden Architektenwettbewerb zu formulieren. Dieser Abstimmungsprozess ist über viele Sitzungen und kontroverse Gespräche hinweg schließlich am 7. Juli 2003 zu einem befriedigenden, im Rückblick sogar glücklichen Ende gekommen. Eine neue Gefahr ergab sich aus der Haltung des Paulinervereins, der offenbar das inzwischen eingeleitete Auswahlverfahren durch Indiskretionen zum Scheitern zu bringen suchte, nachdem sich eine seinen Vorstellungen nicht entsprechende EntHeft 3/2004 wicklung abzeichnete. Den mühsam gefundenen Kompromiss, der doch ein attraktives architektonisches Angebot ermöglichte, wieder aufs Spiel zu setzen, war für mich unvorstellbar. Deshalb hat Franz Häuser die Universität, aber auch die Stadt und schließlich auch das Land bis in die letzte Jury-Sitzung hinein alles daran gesetzt, den zweiten Wettbewerb zu einem guten Ende zu führen. Irritierend freilich ist es, wenn jetzt gelegentlich zu vernehmen ist, dass es der inszenierte Eklat gewesen sei, der zur Qualitätsverbesserung des Wettbewerbsergebnisses beigetragen habe. Das Gegenteil ist richtig: Es wurde trotz dieses Eklats erreicht! Für die Universität ist es im Übrigen wichtig, bei dem Blick auf das erfreuliche Jury-Ergebnis nicht aus dem Auge zu verlieren, dass es ihr immer um die Gesamtbebauung am Augustusplatz ging und geht, denn die Verbesserung der Arbeitsund Studienbedingungen wird in erster Linie durch den Neu- und Umbau der Fakultäts-, Hörsaal- und Seminargebäude sowie der Mensa erreicht. Als sichtbares Zeichen dafür, dass es mit dem Bau losgeht, war jetzt der Abbau des Leibniz-Denkmals, das restauriert und nach einem noch zu bestimmenden Interim im Jahr 2009 am neuen Campus am Augustusplatz wieder aufgestellt wird. Aber fünf Jahre Zeit hat die Universität bei keiner anderen bauvorbereitenden Maßnahme. Was sind die nächsten Schritte? Die Genugtuung und Zufriedenheit über das Ausschreibungsergebnis werden ganz schnell überholt durch pragmatisch zu entscheidende Fragen wie die Bildung von Bauabschnitten, die Kooperation mit dem Investor MIB im Bereich der Grimmaischen Straße, die Abstimmung der betei- ligten Architekturbüros van Egeraat und Behet, Bondzio und Lin, die Zusammenarbeit mit dem Staatsbetrieb SIB, der die Bauherrenfunktion ausübt. Wichtig ist, dass nicht Entwicklungen eintreten, die an den Beteiligten vorbeilaufen und zu irreparablen Entscheidungen führen. Deshalb hat inzwischen eine universitäre Baukommission unter Vorsitz von Prof. Pahl ihre Arbeit aufgenommen, die vor allem die Interessen der künftigen Nutzer, also der Studierenden, der beiden einziehenden Fakultäten, des Universitätsgottesdienstes und der Universitätsmusik, vertreten. Es müssen nunmehr Anforderungen an die Gebäude in einer Präzision formuliert werden, wie das bisher noch nicht geschehen ist. Eingeschlossen ist die Beantwortung der noch offenen Frage, welche zentralen Einrichtungen der Universität – auch das Rektorat? – hier untergebracht werden sollten. Über allem und auf allen lastet der heilsame Druck, dass die Universität im Jahr 2009 ihre Feiern zum 600. Geburtstag an ihrem alten neuen Standort durchführen möchte. Auf diesem Weg ist jeder einzelne Schritt wichtig. So wurde jetzt gemeinsam von Studentenwerk, Universität und den Vertretern des Freistaates entschieden, welche der beiden von Behet, Bondzio und Lin angebotenen Varianten für die Mensa gebaut wird. Nach 30 Jahren ungünstiger Erfahrungen mit einer Küche im Keller wurde jene Variante ausgewählt, die den Küchentrakt im Erdgeschoss unterbringt, was neben den entscheidenden technologischen Vorteilen noch den Vorzug hat, dass dadurch im künftigen Mensakeller eine Fahrradtiefgarage mit 750 Stellplätzen eingerichtet werden kann. Man kann davon ausgehen, dass im Herbst die Baugrube für die Mensa ausgehoben wird, die dann erst einmal für zwei, drei Monate den Archäologen gehört, da dort Teile der alten Stadtmauer anzutreffen sind. Danach, also zu Beginn des nächsten Jahres, wird mit dem Bau richtig begonnen werden. Interview: Volker Schulte 3 UniVersum Enger mit Chile kooperieren Botschafter zu Gast „Eine große Freude“ empfand Rektor Professor Franz Häuser Ende April, als er Dr. Mario Adolfo Fernandéz Baeza, Botschafter der Republik Chile, begrüßte. An diesem Tag ging es nicht nur ihm so: Der Botschafter traf sich mit Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee, Vertretern der Leipziger Messe, mit Dekanen und weiteren Fakultätsvertretern sowie mit allen drei Prorektoren der Universität. Er war einer Einladung des Direktors des Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars der Universität Leipzig (IAFSL), Prof. Dr. Alfonso de Toro, in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden des International Relation & Diplomatic Clubs Leipzig e.V., Norbert Kühn, gefolgt. Die Prorektoren machten in ihrem Gespräch mit Baeza deutlich, wie sehr die Universität an einem Ausbau der Beziehungen nach Chile interessiert ist. Seit zwei Jahren besteht bereits eine Partnerschaft mit der Universität in Santiago. Ein Professoren- und Studentenaustausch fin- det statt. Am DFG-geförderten IAFSLProjekt zur Diskursvielfalt arbeiteten zahlreiche Chilenen mit. Die Ergebnisse dieses Projekts werden gegen Jahresende veröffentlicht. Weitere Kooperationen sollen folgen. So brachte Professor de Toro weitere „Sandwich-Promotionen“ ins Gespräch, bei denen jeweils ein deutscher und ein chilenischer Professor die Betreuung übernehmen (s. a. weiterer Text auf dieser Seite). Baez erklärte, er könne sich gemeinsame Studiengänge vorstellen. Der Botschafter und die Prorektoren waren sich aber einig, dass für eine Zusammenarbeit bürokratische Hürden abgebaut und Sponsoren gefunden werden sollten. „Ich sehe die Initiierung wissenschaftlicher Kooperationen als wichtigen Teil meiner Arbeit an“, sagte Baez, der nach seinem Jura-Studium in Chile von 1975 bis 1979 an der Universität Heidelberg Politikwissenschaft studiert und dort anschließend bis 1981 als wissenschaftlicher Mit- Erfolgreiche „Sandwich-Promotion“ Mit „summa cum laude“ wurde am 22. 4. der Chemiker Wilfredo Hernández Gorritti, aus der Schule von Prof. Dr. Jorge Angulo Cornejo, Universidad Nacional Mayor de San Marcos Lima (UNMSM) / Perú, kommend, an der Universidad de Chile (UC) in Santiago de Chile zum Dr. rer nat. promoviert. Betreuer waren Prof. Dr. Evgenia Spodine (UC) und Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Beyer (Universität Leipzig). Wilfredo Hernández Gorritti promovierte zum Thema „Synthese und Charakterisierung der Platin(II)- und Kupfer(II)Komplexe mit Derivaten von Acylthioharnstoffen als Liganden und deren Antitumoraktivität gegenüber dem Adenocarcinom TA3 der Brust in Mäusen“ (Titel übersetzt aus dem Spanischen). Im Rahmen eines DAAD-„Sandwich“Doktorandenprogramms mit Zentrum in der chilenischen Hauptstadt werden befähigte Absolventen verschiedener latein- amerikanischer Universitäten und bevorzugt naturwissenschaftlicher Disziplinen in einem drei- bis vierjährigen Studium zur Promotion gebracht. Auf eine einjährige theoretische Intensivausbildung in Chile folgt die experimentelle Bearbeitung des Dissertationsthemas an der Universidad de Chile mit begleitenden Kursen in der Theorie und Forschungsaufenthalten an einer deutschen Universität. Dr. Wilfredo Hernández Gorritti arbeitete 2002 und 2003 jeweils mehrere Monate im Laboratorium des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Leipzig. Diese konkrete und effektive Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses aus lateinamerikanischen Entwicklungsländern ist nicht zuletzt ein Ergebnis des Abkommens der Universität Leipzig mit der UNMSM Lima, das 1999 unterzeichnet und kürzlich für weitere fünf Jahre verlängert wurde, und des Abkommens mit der Universidad de Chile. 4 Nach seinem Gespräch mit den Prorektoren (stehend v. l.: Martin Schlegel, Charlotte Schubert und Peter Wiedemann) trug sich Mario Adolfo Fernandéz Baeza in das Gästebuch der Universität ein. Foto: Armin Kühne arbeiter gewirkt hat. Später übernahm er abwechselnd politische und wissenschaftliche Funktionen. So hatte der 57-Jährige in seiner Heimat Professuren für Politische Wissenschaft und Öffentliches Recht inne, bevor er im Jahr 2000 Verteidigungsminister, 2002 Minister im Präsidialamt und 2003 Botschafter seines Landes in Deutschland wurde. Für die Universität Leipzig fand Mario Adolfo Fernandéz Baeza einige lobende Worte. Während die Lateinamerika-Forschung andernorts heruntergefahren werde, sei Leipzig in dieser Hinsicht „gut gerüstet“. Nicht umsonst verwies Rektor Häuser vor einem Vortrag des Botschafters in der Universitätsbibliothek darauf, dass „an unserer Universität ein Master für Lateinamerikastudien kommen wird“. C. H. Dr. Wilfredo Hernández Gorritti gewann im März 2004 den Wettbewerb um eine ausgeschriebene Professur für Bioanorganische Chemie an der Universidad Nacional de Ingeniería Lima (UNI) und hat dort inzwischen die Lehrtätigkeit aufgenommen. Ein weiterer Schüler von Prof. Dr. Jorge Angulo Cornejo, zur Zeit ebenfalls Promotionsstudent an der Universidad de Chile, der Chemiker Aldo Guzman, forscht seit Januar dieses Jahres im Laboratorium des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Leipzig unter der Betreuung von Prof. Dr. Harald Krautscheid. Das Lateinamerikazentrum der Uni Leipzig initiiert, unterstützt und koordiniert gemäß seiner Zielstellung solche und weitere nützliche Ausbildungs- und interdisziplinäre Forschungsvorhaben. Prof. Dr. Dr. h. c. Lothar Beyer, Institut für Anorganische Chemie und Lateinamerikazentrum der Universität Leipzig journal Gremien Weitere Studiengänge aufgehoben Sitzung des Senats am 6. April 1. Eingangs hieß der Rektor den neugewählten Dekan der Philologischen Fakultät, Prof. Tschirner, als neuen Senator willkommen. 2. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; das betraf Ausschreibung und Berufungskommission für „Körperbehindertenpädagogik“ (C4), „Nuklearmedizin“ (C3), „Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie“ (C3) sowie – nach Denominationsänderung – für „Theoretische Physik – Gravitationstheorie“ (C3); Berufungsvorschläge für „Alttestamentliche Wissenschaft: Schwerpunkt Geschichte und Religionsgeschichte Israels und seine Umwelt“ (C4), „Stochastische Prozesse“ (C3), „Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik“ (C4), „Chemiedidaktik“ (C3), „Ernährungsphysiologie (Veterinärmedizin)“ (C3), „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzierung und Investition“ (C4), „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere externe Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung“ (C4). Der Senat stimmte dem Antrag der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie zu, PD Dr. Johannes Schneider das Recht zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen, ebenso dem Antrag der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, apl. Prof. Dr. Bernd Rheinländer die mitgliedschaftsrechtliche Stellung eines Hochschullehrers zu übertragen. 3. Der Senat stimmte der Neugliederung der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie zu. Danach wird die Professur für Mikrobiologie dem Institut für Biochemie, die Professur für Genetik dem Institut für Biologie II (bisher Institut für Zoologie), die Professur für Entwicklungspsychologie dem Institut für Psychologie I (bisher Institut für Allgemeine Psychologie), die Professur für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik und die Professur für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Intervention (zukünftig wegfallend) Heft 3/2004 dem Institut für Psychologie II (bisher Institut für Angewandte Psychologie) zugeordnet. Das Institut für Entwicklungsund Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik wird aufgelöst, das Institut für Botanik in Institut für Biologie I umbenannt. 4. Der bisherige Ausländerbeauftragte der Universität, Dr. Herold, erstattete dem Senat seinen Abschlussbericht, der in dem Fazit mündete, dass die Universität Leipzig nach wie vor bei den ausländischen Studierenden einen sehr guten Ruf genießt. Der Senat dankte Dr. Herold für sein engagiertes Wirken, 12 Jahre als Ausländerbeauftragter und 42 Jahre in der Betreuung ausländischer Studierender (s. a. Journal 2/2004, S. 4). 5. Der Senat stimmte den für das Akademische Jahr 2004/2005 von der Prorektorin für Lehre und Studium vorgeschlagenen Zulassungsbeschränkungen und Zulassungszahlen für Studierende zu. Grundlage dafür bilden vorrangig die Kapazitätsberechnungen und die Bewerbernachfrage. Ein universitätsinterner Numerus clausus wurde neu beantragt für die Fächer Germanistik, Sportwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache sowie die Lehramtsfächer Gemeinschaftskunde und Ethik/Philosophie. 6. In Umsetzung des Hochschulvertrages stimmte der Senat nach ausführlicher Diskussion mehrheitlich für die Aufhebung der Diplomstudiengänge Geologie/Paläontologie und Geophysik an der Fakultät für Physik und Geowissenschaften und der Studiengänge Bauingenieurwesen und Wirtschaftsingenieurwesen in der Fachrichtung Bauwesen (Diplom sowie B. Sc. und M. Sc.) an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zum Wintersemester 2004/2005 zu. Dabei gilt der Vertrauensschutz bei begonnenen konsekutiven Studiengängen auch für die zweite, die Master-Stufe. In der Diskussion spielte auch Gegen die Aufhebung der Diplomstudiengänge Geologie/Paläontologie und Geophysik protestierten am 5. Mai über 50 Studenten und Dozenten im Rektorat. Foto: Carsten Heckmann 5 Am Rande Ach, was waren das noch für Zeiten, als „Melissa“ sich an uns ranschlich oder ein Unbekannter „I love you“ durchs Datennetz hauchte. Aber die Viren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Aggressiv sind sie geworden, heißen auch gleich martialisch „my doom“ (mein Schicksal/Verhängnis/Untergang) oder, wie jüngst, nahezu technokratisch „Sasser.B“ oder „Sasser.C“. Und nicht mal die Maxime „Bloß keine verdächtigen Anlagen öffnen“ hilft in jedem Fall. Der Mai war gekommen, ein ganz neuer Virus gleich mit. So wollten denn auch etliche Uni-Mitarbeiter morgens ihre E-Mails lesen, fuhren ihren Rechner hoch – und mussten mit ansehen, dass er, oh Schreck, gleich wieder die Feierabend-Zeremonie begann. Wen wundert’s, dass das Rechenzentrum erst viele Anrufe und dann viel Arbeit bekam. Schuld sind – na klar – die Viren-Terroristen und die Firma, die mit „M“ anfängt und ganz weich aufhört. „Ich kenn mich doch nicht mit Computern aus, woher sollte ich das wissen“, bekommen die Mitarbeiter des Rechenzentrums dann meist zu hören, wenn sich wieder etwas ins System gefressen hat, was nicht hineingehört. „Ich kann mich ja nicht auch noch mit dem Innenleben dieses Dings auseinandersetzen.“ Schon recht. Aber fahren nicht die meisten von uns Auto, ohne zu verstehen, was genau sich unter der Motorhaube abspielt? Und dennoch in Kenntnis der Verkehrsregeln und möglichst Vollkasko versichert? Das Rechenzentrum bietet wirksamen Schutz vor Virenbefall und vor der Korrumpierung des Systems. Werkzeuge mit Aktualisierungsautomatik. Für alle, die wollen (siehe www.uni-leipzig.de/ sophos). Aber viele wollen nicht. Sie wollen die volle Hoheit für sich selbst über alles. Über das Stück Blech unterm Schreibtisch ebenso wie das Stück Blech auf der Straße. Ein deutscher Professor (nicht von der Uni Leipzig) hat sich gar gegen automatische Datensicherungen gewehrt. Ein weiterer Mitspieler in der Tragödie mit dem Titel „Die Unbelehrbaren“? Nicht ganz: Selbiger Professor ist inzwischen ein glühender Verfechter der Backup-Automatik – seit sein Institut eines Nachts abgebrannt ist. Carsten Heckmann eine den Senatsmitgliedern vorliegende Erklärung von Hochschullehrern, Mitarbeitern und Studenten der Studiengänge Geologie/Paläontologie und Geophysik eine Rolle, wonach aufgrund der in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Immatrikulationszahlen ein konsekutiver Studiengang Geowissenschaften eingerichtet werden sollte. Der Antrag eines studentischen Senators, der Senat solle eine entsprechende Konzeption aus der Fakultät unterstützen, fand keine Mehrheit. 7. Der Senat nahm die vom Prorektor für strukturelle Entwicklung gegebene Information über das Entscheidungsverfahren und die Vorgehensweise des Rektoratskollegiums beim Personalstellenabbau und der Einrichtung eines Innovationsstellenpools zur Kenntnis. Die 78 Personalstellen, die in Jahresscheiben abzubauen sind, sollen nach jetzigem Stand in den Bereichen Zentralverwaltung (20), Bau- und Wirtschaftsingenieurwesen (9), Geowissenschaften (18) sowie aus den bereits identifizierten Stellen des Innovationspools gewonnen werden. Die neu zu identifizierenden, befristet eingerichteten Innovationsstellen werden durch die Dekane benannt und nach eigenen Maßstäben der Fakultäten bewertet. Je nachdem, wie die Bewertung nach zwei Jahren ausfällt, können diese Stellen zwischen den Fakultäten wandern. Die Diskussion offenbarte noch Klärungsbedarf, etwa inwieweit diese Stellen sich auf Schwerpunkte der Universität insgesamt oder nur der Fakultäten beziehen und wie einheitlich die Bewertungskriterien aufgestellt werden sollten. 8. Der Rektor informierte den Senat über das Ergebnis des Qualifizierungsverfahrens zum Neubau eines Aula/Kirche-Gebäudes im Bereich des ehemaligen Standortes der Paulinerkirche (s. a. Interview mit Prof. Häuser auf S. 3). 9. Der Senat beschloss eine Reihe von Studienordnungen zu den Fächern Hispanistik, Französistik, Italianistik, Lusitanistik sowie zu den Lehramtsfächern Spanisch, Italienisch und Französisch. 10. Der Senat nahm den vom Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs vorgestellten Antrag auf Einrichtung des Graduiertenkollegs „Interdisziplinäre Ansätze in den zellulären Neurowissenschaften – Interneuro“ bei der DFG zur Kenntnis. Das geplante Graduiertenkolleg, an dem drei Fakultäten und das MaxPlanck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften beteiligt sind, bildet eine der vier Säulen des ebenfalls eingereichten Antrags auf Einrichtung eines internationalen Promotionsstudienganges „Von der Signalverarbeitung zum Verhalten“ im Rahmen des DAAD/DFG-Programms „Promotion an Hochschulen in Deutschland“ (PHD). Des weiteren informierte der Prorektor, dass eine weitere Säule dieses Promotionsstudienganges eine International Max Planck Research School „Human Origins“ darstellt, deren Einrichtung jetzt gleichfalls beantragt wurde, und zwar gemeinsam von der Universität Leipzig und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Im Rahmen des genannten PHD-Programms hat die Universität auch die Einrichtung des internationalen Promotionsstudienganges „Wissenstransfer und Fachkommunikation im Zeitalter der Globalisierung“ an der Philologischen Fakultät beantragt. 11. Der Senat entschied in zwei Widerspruchsverfahren, die gegen die Ablehnung von Anträgen auf ein Promotionsstipendium durch die Graduiertenkommission eingeleitet worden waren. 12. Der Senat stimmte der Auflösung der Entwicklungsplanungskommission (EPK) zu. Bis zum Ende des Sommersemesters soll geklärt werden, in welcher Form und mit welchem Konzept eine neue EPK zu installieren ist. 13. Der Senat nahm Informationen der Prorektorin für Lehre und Studium über Einschränkungen in den Öffnungszeiten der Zweigstellen der Universitätsbibliothek, verursacht durch die 25-prozentige Haushaltssperre, ebenso zur Kenntnis wie Informationen über geplante Maßnahmen zur Absicherung des Lehr- und Studienbetriebs im Zusammenhang mit den im Wintersemester beginnenden Baumaßnahmen im Südflügel des Hörsaalgebäudes. Sie appellierte an die nicht betroffenen Fakultäten, zur Lösung der Raumprobleme durch Bereitstellung von Raumkapazitäten beizutragen. 14. Der Rektor informierte den Senat über die Ausschreibung der Stelle des Direktors der Universitätsbibliothek ab 1. 4. 2005. Prof. Dr. F. Häuser Rektor journal V. Schulte Pressesprecher Forschung Optische Finger Berührungslose Manipulation von biologischen Zellen Von Prof. Dr. Josef Käs, Institut für Experimentelle Physik I Zum Thema „Optische Finger“ hielt der Autor des nebenstehenden Textes kürzlich einen Vortrag bei einem Kolloquium der Fakultät für Physik und Geowissenschaften. Das Kolloquium diente auch dazu, das verdienstvolle Wirken von Prof. Dr. Dieter Geschke anlässlich seines Übergangs in den Ruhestand zu würdigen. Prof. Dr. Dieter Geschke arbeitete von Februar 1977 bis zu seiner Emeritierung im März 2004 als Hochschullehrer für Experimentalphysik an der Universität Leipzig. Nach seinem Ruf auf die Professor für Experimentalphysik/ Polymerphysik im Jahr 1992 bearbeitete er acht von der Deutschen Forschungsgesellschaft und dem Bundesministerium Dieter Geschke für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekte. Durch 90 Publikationen und 50 Vorträge auf wissenschaftlichen Konferenzen erwarb er internationale Anerkennung. Prof. Geschke war mehrere Wahlperioden Mitglied des Fakultätsrates und Studiendekan für Physik, Geophysik und Meteorologie. Dabei arbeitete er aktiv an der Einführung des englischsprachigen Studienganges Physik mit. Neben der Lehre auf den Gebieten Molekül- und Polymerphysik leitete Prof. Geschke das Physikalische Anfängerpraktikum und gab mehrere Auflagen des Lehrbuchs „Physikalisches Praktikum“ heraus. Heft 3/2004 In diesem Jahrhundert werden Biotechnologie und Biomedizin eine zentrale Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Die Biologie hat in den letzten 25 Jahren einen Quantensprung gemacht. Jedoch ist der Technologietransfer, gemessen am wissenschaftlichen Fortschritt, gering. Dies belegen die relativ hohen Arbeitslosenzahlen bei Biologen. Eine Ursache besteht darin, dass das oft auf phänomenologischer Beschreibung beruhende Wissen und die arbeitsintensiven Techniken in der Biologie nicht direkt in kommerzielle Technologien übersetzt werden können. Erforderlich sind vielmehr quantitative Modelle der biologischen Prozesse und neue Verfahren, um biologische Zellen, Proteine, DNS und RNS zu manipulieren und zu analysieren. Biologische Physik wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Die Biologische Physik wird nicht nur ein Zuträger neuer Technologien sein, sondern auch entscheidend zur Klärung der grundlegenden Phänomene beitragen. Die molekularen Prozesse in einer Zelle sind das ideale Beispiel wie aktive und passive Nanoelemente (d. h. Proteine) zu multifunktionalen Komplexen zusammengefasst werden können. Jedoch muten aufgrund der hohen Komplexität der intrazellulären Prozesse Versuche, diese durch komplizierte Bionetzwerke zu beschreiben oft ähnlich an, wie der Versuch, Vielteilchensysteme durch Newtonsche Bewegungsgleichungen zu beschreiben. Die statistische Physik, oder – um genauer zu sein – die Physik der weichen Materie, hat uns am Beispiel der Polymerwissenschaften gezeigt, wie die Physik zur quantitativen Beschreibung dieser Systeme beitragen kann. Natürlich ist dabei die bereits existierende Physik der weichen Materie nicht ausreichend, um zelluläre Prozesse zu beschreiben. Dazu braucht es eine neue Physik, die biologische Physik, Polymer- physik, Nanowissenschaften und Nichtgleichgewichtsphysik vereint. Jedoch genau diese Anforderung, eine neue Physik zu erschaffen, macht dieses Arbeitsgebiet so interessant. Ein gutes Beispiel dafür ist die Aufklärung der Zellbewegung. Der Abteilung für die Physik der weichen Materie ist es kürzlich erstmals gelungen, die durch Polymerisation getriebenen Kräfte, die eine bewegliche Zelle vorantreiben, genau zu vermessen. Bei der Entwicklung neuer Biotechnologien ist es ein wichtiges Element, wie biologische Zellen und deren intrazelluläre Bausteine manipuliert werden können. Eine einzelne Zelle ist 100-mal kleiner als ein Stecknadelkopf. Dies macht die mechanische Mikro- und Nanomanipulation aufwendig und kompliziert. Die Abteilung für die Physik der weichen Materie konzentriert sich deshalb auf die Manipulation mit Licht, da Laserlicht zerstörungs- frei Kraft auf Zellen und intrazelluläre Komponenten, wie z. B. das Zytoskelett, ausüben kann und somit berührungslose Finger für Zellen gestalten kann. Dabei gelang es, eine neue optische Falle, den Optical Stretcher, zu entwickeln, der einzelne Zellen deformieren kann. Die Verformbarkeit der Zellen kann als nicht invasiver Zellmarker verwendet werden, der zum Beispiel zur Diagnose des Fortschreitens von Krebs oder bei der Isolierung von adulten Stammzellen zum Einsatz kommen kann. Des Weiteren ist es der Abteilung erstmals gelungen, mit einer optischen Pinzette das Wachstum einzelner Nerven zu kontrollieren. Dabei werden optische Gradientenkräfte verwendet, um die grundlegenden molekularen Prozesse der Zellbewegung zu beeinflussen. Nerven an der Laserleine. Die Wachstumsspitze eines Nervs wird mittels einer optischen Laserpinzette geführt. 7 Forschung | Fakultäten und Institute VW-Stiftung unterstützt „Formen des Lebens“ Die Volkswagen-Stiftung hat 913 200 Euro für das Vorhaben „Formen des Lebens. Philosophische Dimensionen der aktuellen biomedizinischen Forschung“ von Prof. Dr. Barry Smith vom Institut für formale Ontologie und medizinische Informationswissenschaften (IFOMIS) der Universität Leipzig bewilligt. Smith führt das Projekt zusammen mit Prof. Dr. Heinz Sass vom Lehrstuhl für Genetik der Universität Leipzig und Prof. Dr. Pirmin Stekeler-Weithofer vom Institut für Philosophie durch. Grundlegendes Ziel von Smith und seinem interdisziplinär zusammengesetzten Team – bestehend aus Biologen, Philosophen, Bio- und Medizininformatikern – ist eine Klärung jener Grundbegriffe des Lebens, mit denen sich der Mensch die Prozesse des Lebendigen verständlich macht. Denn die elektronische Informationsverarbeitung erobert immer neue Anwendungsgebiete und dringt in bestehende tiefer ein. Gerade in der biomedizinischen Forschung unterstützt sie einige Bahn brechende Ergebnisse – wie beispielsweise die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. An einem Projekt dieser Art sind dabei meist mehrere Disziplinen beteiligt, die mit verschiedenen Informations- und Begriffssystemen arbeiten. Ein Faktum, das die Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern erheblich erschwert. Am Ende des nun geförderten Vorhabens soll daher eine neue Gesamttheorie der wichtigsten biomedizinischen Grundbegriffe stehen: Art, Spezies, Teil, Ganzes, Funktion etc. – Begriffe, die zum Basisverständnis jedes Lebenswissenschaftlers gehören. Die Ergebnisse dienen dann später als Grundlage für neue Strategien zur Organisation und Integration von Informationen im Bereich der biomedizinischen Informatik, sodass nicht zuletzt auch die Kommunikation zwischen wissenschaftlichen Disziplinen erleichtert wird. Eine Vermittlerrolle zwischen Biologie und Informatik kommt der angewandten Ontologie zu, einer letztlich auf Aristoteles gründenden philosophischen Disziplin, die in den vergangenen Jahren in der Bioinformatik an Bedeutung gewonnen hat. B. A. 8 EU fördert neues Projekt Solarzellenforschung mit Osteuropa Die Europäische Union hat auf der Basis einer seit sechs Jahren laufenden Zusammenarbeit des Instituts für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaften der Universität Leipzig (Direktor: Prof. Dr. Klaus Bente) mit Partnern aus Minsk und bei Federführung des Antrags durch die Weißrussen 400 000 US-Dollar für ein neues Projekt genehmigt. In diesem über 30 Monate laufenden Projekt, das auf einem bereits bisher erfolgreichen EUProjekt und ergänzenden Förderungen des Wissenschaftleraustausches mit Osteuropa durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst aufbaut, sind zudem die Firma Solarion (Leipzig) sowie Prof. Möller (Freiberg) eingebunden. Das Projekt beschäftigt sich mit Solarzellen auf flexiblen Substraten, wobei die Absorber aus Material bestehen, die auf Mineraltypen wie Zinkblende (ZnS) und insbesondere Roquesit (CuInS2) zurückgehen. Die Arbeiten werden im Verbund von Mineralogie, Chemie und Physik durchgeführt, wobei die eigens hierfür entwickelte Herstellung solcher Zellen ohne gesundheits- gefährdende Gase mittlerweile in Russland und Weißrussland patentiert wurde. Während die Produktion entsprechender Solarzellensysteme vorwiegend in Minsk mit Unterstützung von Solarion stattfindet, wird die auf Halbleiter ausgerichtete analytische Kompetenz von Leipziger Forschern insbesondere des Instituts für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaften eingebracht. Diese sind überwiegend in der fächerübergreifenden Arbeitsgemeinschaft Halbleiterforschung Leipzig zusammengeschlossen. Im Wechselspiel von charakteristischen Messdaten und Herstellungsparametern werden in dem Projekt Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad und für die Anwendung angepassten Formen durch Verwendung flexibler Substrate produziert. Analoge Zellen mit Absorbern einer Kupfer-Indium-Gallium-Selen-Verbindung auf Glassubstraten haben bereits zu Wirkungsgraden von 11% geführt und sind Grundlage der Entwicklungen flexibler Zellen. Das Projekt macht deutlich, welche Potenziale Forschungskooperationen mit Osteuropa bieten. r. Physik als Anziehungspunkt für junge Wissenschaftler Letzten Sommer leitete Prof. Jörg Kärger, Leiter der Abteilung Grenzflächenphysik an der Fakultät für Physik und Geowissenschaften gemeinsam mit dem Hannoveraner Physiker Prof. Paul Heitjans die Arbeitsgruppe „Diffusion – ein Zufallsprozess mit bemerkenswerten Gesetzmäßigkeiten“ im Rahmen der Sommeruniversität der Studienstiftung des Deutschen Volkes in Alpbach. Diese Sommeruniversität ist eine Form der Eliteförderung, die ausgewiesene Wissenschaftler mit motivierten Studierenden auf unkonventionelle Weise ins Gespräch kommen lässt. Die Studienstiftung bietet darüber hinaus interessierten Gruppen der Sommerakademie die Möglichkeit eines Nachtreffens, das von dem Alpbacher Diffusionskurs wahrgenommen wurde, der sich in Leipzig zum verlängerten Wochenende vom 2. zum 5. April wieder zusammengefunden hat. Prof. Kärger wertet dies als Zeichen des Renommees der Leipziger Physik und der Anziehungskraft der Stadt. So nutzten die jungen Leute die Reise nach Leipzig nicht nur für die Diskussion ihrer eigenen Arbeiten seit der Sommeruniversität und für die Begutachtung der Leipziger physikalischen Forschung, sondern auch für eine von Prof. Kärger persönlich geführte Besichtigung der Stadt. r. Jörg Kärger mit Studenten am Kernspinresonanz-Spektrometer. Foto: Fakultät journal Fakultäten und Institute Probleme für das Präparieren Ein unerwarteter Aspekt der Gesundheitsreform Von Prof. Dr. Katharina Spanel-Borowski, Direktorin des Instituts für Anatomie Die öffentlichen Kassen, die das Gesundheitssystem tragen und die Renten sichern, sind leer und zwingen zu neuen Wegen der Einsparung. Sie werden gegangen, ohne alle Aspekte durchdacht zu haben. Zur Einsparung öffentlicher Gelder soll die Streichung von Bestattungsgeldern beitragen, das sind ca. 1000 Euro für jeden Verstorbenen. Am Institut für Anatomie spürt man die Folgen der Reform im Bereich des Präparierkurses. Bisher werden von den Krankenkassen die Gelder eingefordert, mit denen die Bestattung der Körperspender finanziert werden. Die Streichung der Gelder kann die Qualität des Präparierkurses gefährden. Seit dem revolutionären Werk von Andreas Vesal „De humani corporis fabrica – über den Körperbau des Menschen“, erarbeitet in den Jahren 1539/40, wird die mensch- liche Anatomie durch praxisnahe Präparation vermittelt. Bis in die Gegenwart sind verurteilte Verbrecher ungefragt für die Körpersektion unter der Vorgabe genommen worden, dass diese Menschen Böses der Gesellschaft angetan haben und durch das Überlassen des Körpers ihre schlechten Taten posthum sühnen. Mit der Tötung unschuldiger Menschen in Kriegslagern ist die Sensibilität gegenüber anonymen Verstorbenen gewachsen und die Öffentlichkeit verlangt mit Recht höchste Korrektheit im Umgang mit Toten. Heute kann jedes Institut für Anatomie die Herkunft seiner Körperspender durch testamentarische Verfügungen belegen. Den Körperspendern wird zu Lebzeiten eine würdige Behandlung auch im Tod zugesichert. Sie findet in Leipzig ihren Ausdruck in der feierlichen Gedenkfeier zu Ende jedes Präpa- rierkurses und in der Gedenkstätte auf dem Südfriedhof. Körperspender erhalten zu Lebzeiten kein Geld für ihr Vermächtnis, doch die Übernahme aller Bestattungskosten ist ihnen bisher zugesichert. Die Gesundheitsreform macht diese Zusicherung ungültig. Ab 2005 werden an der Leipziger Anatomie etwa 60 000 Euro für die Bestattung der Körperspender und den Unterhalt der Gedenkstätte auf dem Südfriedhof fehlen. Mit der Autonomie der Universitäten geht in Deutschland jedes Institut für Anatomie seinen eigenen Weg der Unkostensicherung. 1) Von jedem Studierenden wird eine kostendeckende Gebühr für die Teilnahme am Präparierkurs verlangt. 2) Die Medizinische Fakultät übernimmt die gesamten Bestattungskosten und bezahlt den Betrag aus Landesmitteln. Diese Körperspender sorgen dafür, dass die menschliche Anatomie durch praxisnahe Präparation vermittelt werden kann. Hier ein Beispiel aus dem interaktiven Lernprogramm zum Leipziger Präparierkurs: eine Achselhöhle unpräpariert und präpariert. Fotos: Institut für Anatomie Heft 3/2004 9 Fakultäten und Institute Variante ist bei Fakultäten mit 200 Studierenden pro Jahr denkbar, jedoch nicht an einer Massenuniversität mit über 500 Zulassungen jährlich. 3) Potentielle Körperspender werden per Vertrag verpflichtet, die Sterbegelder in Höhe von etwa 1200 Euro zu garantieren und eine Versicherung zu Lebzeiten abzuschließen. Wir haben 255 Körperspender schriftlich gefragt, ob die eigenen Bestattungskosten übernommen werden. Etwa 50 Prozent lehnten dies brüsk ab. Das Institut für Anatomie in Leipzig schließt sich dieser Meinung an. Nach unserem Empfinden ist es ethisch unvertretbar, dass ein Mensch seinen Körper für die ärztliche Aus- und Weiterbildung der Gesellschaft schenkt und, damit das Geschenk angenommen wird, die eigenen Bestattungskosten zu Lebzeiten absichert. In Friedenszeiten kümmern sich die Hinterbliebenen um die Verstorbenen. In gewissen Sinn zählen die Studierenden zu Hinterbliebenen und haben für die Verstorbenen Sorge zu tragen. Denn das testamentarische Vermächtnis der Körperspender ermöglicht das praxisnahe Studium der menschlichen Anatomie, das für zukünftige Ärzte unerlässlich ist. Auch im Zeitalter der virtuellen Anatomie mit didaktisch exzellenten PC-Programmen steht und fällt die Qualität der ärztlichen Aus-und Weiterbildung im Fach Anatomie mit dem Zugang zum „Original“. Die Darstellung von Organbeziehungen vermittelt manuelle Fertigkeiten, die bei der Bedienung eines Power Point Programms ausbleiben. Der menschliche Körperbau ist im Detail variantenreich. Seine vielfältigen Abweichungen von der Norm gehen weit über den Inhalt eines Lehrbuches hinaus und lassen sich nur durch die eigene Beobachtung begreifen. Der ideelle Wert des Präparierkurses darf nicht unterschätzt werden, denn die Begegnung mit dem toten menschlichen Körper kann neue Bewusstseinsebenen des eigenen Erlebens eröffnen. Aus diesem Grund scheint eine Gebühr seitens der Studierenden zur Entlastung von Fakultät und lebender Körperspender angebracht. Es geht nicht um Humanität im hochtrabenden Sinn, sondern um die schlichte Fähigkeit, sich als junger Mensch für ein großes Geschenk in der rechten inneren Haltung zu bedanken. Im weiteren Sinn geht es nicht um Geld, sondern um die ausgewogene Balance zwischen Nehmen und Geben. Doch hier ist der Konflikt mit dem Gesetz gebahnt, das zwischen Lehrmittel (wie dem Aktmodell bei der Ausbildung zum akademischen Maler) und Lernmittel (wie der Beschaffung von Pinsel, Farbe und Leinwand) streng unterscheidet. Im juristischen Sinn zählt der Präparierkurs zu den Lehrmitteln und ist damit gebührenfrei von der Medizinischen Fakultät anzubieten. Die knapp bemessenen Landesmittel zwingen die Medizinische Fakultät Leipzig zum Sparen. Um auch in Zukunft den kostenintensiven Präparierkurs in verantwortlicher Haltung auf hohem Niveau anbieten zu können, versucht das Institut für Anatomie diesem Dilemma zwischen fallendem Zuschuss bei steigenden Kosten konstruktiv zu begegnen. Im Informationsblatt für zukünftige Körperspender ist folgender Passus aufgenommen: „Wenn Sie in der Lage sind, uns zu unterstützen, bitten wir Sie, uns freiwillig den Betrag, den Sie beitragen können, zu Lebzeiten zu überweisen“. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Wieland Kiess, versicherte: „Bei uns übernimmt die Fakultät die Bestattungsgelder, aber es belastet den ohnehin knappen Haushalt sehr.“ Mit dieser Zusicherung ist die Medizinische Fakultät einen ethisch vertretbaren Kompromiss eingegangen. Doch nur der Zuschuss wird benötigt, der über die Spenden nicht gedeckt ist. Bei der in naher Zukunft verstärkten Konkurrenz der Hochschulen untereinander wird dieser Kompromiss positiv gewertet werden. Anzeige Krankenkasse wählen im Internet: Alles was Sie schon immer über Ihre Krankenversicherung wissen wollten ! www.financialport.de FINANCIALPORT • Carlo-Schmid-Weg 13 • D 25337 Elmshorn Tel.: +49 (0) 41 21- 45 09 15 • Fax: +49 (0) 41 21- 45 09 14 • E-Mail: [email protected] 10 Pharmazeuten kooperieren mit Bundeswehr Erstmals in Deutschland wurde jetzt ein Kooperationsvertrag zwischen einem Pharmazeutischen Institut und der Bundeswehr unterzeichnet. Auf Initiative des Direktors des Instituts für Pharmazie, Prof. Dr. Kurt Eger, und des Leiters der Bundeswehrkrankenhausapotheke, Flottillenapotheker Michael Boehm, wurde vor zwei Jahren eine solche Kooperation zwischen beiden Einrichtungen vereinbart. Ziel war es, das Bundeswehrkrankenhaus Leipzig, welches bereits die Anerkennung eines Lehrkrankenhauses für Medizin hat, auch als Lehrkrankenhaus für Pharmazie zu etablieren. Eine derartige Vereinbarung zwischen einem Pharmazeutischen Institut und der Bundeswehr ist bisher die einzige in Deutschland. Auf universitärer Seite wurde das Zustandekommen vom Dekan der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie, Prof. Dr. Kurt Eger, und dem Rektor der Universität, Prof. Dr. Franz Häuser, unterstützt. Von Seiten der Bundeswehr erhielt die Initiative die tatkräftige Hilfe vom Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Admiraloberstabsarzt Dr. Karsten Ocker, und dem Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses Leipzig, Flottenarzt Dr. Hans-Thomas Schmidt. Welchen Nutzen ziehen beide Institutionen aus der Vereinbarung? Im Rahmen der Ausbildung in Pharmazeutischer Technologie (Krankenhauspharmazie) erhalten die Studenten bereits seit 2002 einen umfangreichen Einblick in die Arbeiten in einem Sterillabor zur Herstellung von Parenteralia und Augentropfen sowie der Arzneimittelfertigung im Großmaßstab. Im Bereich der Klinischen Pharmazie werden ab 2004 Stationsbegehungen im Bundeswehrkrankenhaus sowie die Teilnahme an Visiten mit dem Ziel der Erarbeitung von Therapievorschlägen angeboten, wodurch die Ausbildung praxisnäher und patientenorientierter gestaltet wird. Die Bundeswehr benötigt im Rahmen ihres neuen Auftrags, des Einsatzes in aller Welt, hauptsächlich qualifizierten Nachwuchs in den heilberuflichen Fächern. Hier bietet die Kooperation die Chance, diese Aufgaben wertfrei und neutral zu vermitteln. B. A. journal Fakultäten und Institute Walter Hammer: „Café français“. Die Zeichnung zeigt die Mobilmachung am Augutsusplatz/Ecke Grimmaische Straße 1914. Rendezvous der Kulturen Französisch-sächsische Kulturgeschichte Von Alke Hollwedel, Koordinatorin im Frankreich-Zentrum für die Ausstellung „Passage Frankreich–Sachsen“ Das „Café français“ am Augustusplatz neben der Paulinerkirche und der Alma mater Lipsiensis war über hundert Jahre einer der gesellschaftlichen Treffpunkte in Leipzig. Die wechselvolle Geschichte des Kaffeehauses, das bereits mit seinem Namen einen Ort französischer Lebensqualität verhieß, stand auch in Momenten der Abgrenzung von Frankreich im Fokus der Bevölkerung. Am Vorabend des ersten Weltkrieges formierten sich die Leipziger zum Sturm auf das Café und zwangen einen Kellner dazu, den Schriftzug von der Fassade abzuschlagen, wie eine Zeichnung des Künstlers Walter Hammer dokumentiert (s. oben). Darauf wurde es nach dem Namen seines Besitzers in „Café Felsche“ umbenannt. In naher Zukunft wird auf dem erneuerten Uni-Campus das Kaffeehaus an seiner historischen Stätte wieder eröffnet, vielleicht sogar unter seinem traditionsreichen Namen „Café français“. Das Beispiel des Cafés ist nur eines von weiteren, das die vielfältigen kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich und Sachsen verdeutlicht. Heute gilt es, diese teils vergessenen Spuren und KulturgeHeft 3/2004 schichten in Leipzig und Sachsen neu zu entdecken. Wie fruchtbar es sein kann, den Blick über lokale und regionale Kontexte hinaus auf eine europäische Geschichtsschreibung zu weiten, das zeigen die Ergebnisse der Kulturtransferforschung. In zehnjähriger Forschung und durch den Austausch zwischen dem Zentrum für Höhere Studien der Universität Leipzig mit der Pariser École Normale Supérieur entstand eine ganze Reihe von Publikationen. An der anschaulichen Vermittlung von Theorien des Kulturtransfers arbeitete das Zentrum in zwei studentischen Projektseminaren seit 2002. Dabei wurde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der auch die praktische Arbeit mit Objekten und Quellen aus musealen Sammlungen integriert. Aus der Kooperation mit dem Stadtgeschichtlichen Museum erwuchs der Plan eines gemeinsamen Ausstellungsprojektes. Mit dem Hauptstaatsarchiv Dresden und den Sächsischen Schlössern und Gärten konnten weitere kompetente Partner gewonnen werden. Nach zweijähriger Vorbereitung wurde Anfang März der Neubau des Stadtgeschichtlichen Museums mit der Ausstellung „Passage Frankreich-Sachsen. Kulturgeschichte einer Beziehung 1700 bis 2000“ eröffnet. Noch bis Mitte Juni wird die Schau dort zu sehen sein, im Anschluss daran gastiert sie in Schloss Moritzburg bei Dresden. Mehr als 280 Exponate veranschaulichen die Themen Migration, Politik, Handel, Wissenschaft und Literatur, Kunst und Kultur sowie das Bild des Anderen. Von kulturellen Vor- bis hin zu Feindbildern verdeutlichen sie die vielfältige Rezeption französischer Kultur in den letzten 300 Jahren. Die Ausstellung macht bewusst, dass nicht alles, was heute als sächsisches Kulturerbe gilt, ursprünglich auch sächsischer Herkunft ist. In Hinblick auf die wachsende Bedeutung der europäischen Realität wird die historische Präsentation durch ein Veranstaltungsprogramm ergänzt, das dank der Unterstützung des Institut Français de Leipzig und der Französischen Botschaft in Berlin organisiert werden konnte. Dazu gehört auch die öffentliche Ringvorlesung des Kulturwissenschaftlers Dr. Matthias Middell mit Gästen aus Universität und Museum. Wie die Bilanz dieses Versuchs ausfällt, eine europäisch ausgerichtete Stadt- und Regionalgeschichte darzustellen, wird von Partnern und mit dem Publikum auf der abschließenden Tagung im Juli diskutiert werden. Die positiven Erfahrungen aus der Zusammenarbeit von Universität, Museum und Archiv sprechen jetzt schon für die Möglichkeit, künftig über ein neues überregionales und interdisziplinäres Profil gemeinsam nachzudenken. Die Ausstellung „Passage FrankreichSachsen. Kulturgeschichte einer Beziehung 1700 bis 2000“ ist bis zum 13. Juni im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig (Neubau) zu sehen (dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr), vom 25. Juni bis zum 13. August in Schloss Moritzburg. Der Ausstellungskatalog (ISBN 3-89812-217-4) ist für 15 € in der Ausstellung erhältlich, im Buchhandel kostet er 25 €. Die dazugehörige Ringvorlesung findet donnerstags von 17 bis 18:30 Uhr im Museum statt. Weitere Informationen im Internet: www.passage-frankreich-sachsen.de Lesen Sie hierzu auch Nomen auf der folgenden Seite. 11 Fakultäten und Institute NOMEN Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur Herkunft des Namens „Hollwedel“ Eine Telefon-CD Deutschlands, die ca. 35 Millionen Eintragungen enthält, verzeichnet für den Familiennamen Hollwedel 186 Einträge. Eine Verbreitungskarte gibt zu erkennen, dass der Name bei Bremen ein deutliches Zentrum aufweist. Daneben sind Einträge in Ostfriesland auffällig. Es gibt auch Familiennamen, die ähnlich lauten: Hollwede ist fünfzehnmal zwischen Osnabrück und Minden bezeugt, Holwede findet sich zehnmal, vor allem im östlichen Niedersachsen. Konzentrationen wie die bei Hollwedel gehen entweder auf ein dialektal gebräuchliches Wort oder auf einen Ortsnamen zurück. Im vorliegenden Fall ist ein Ortsname die Basis des Familiennamens, es liegt ein sogenannter Herkunftsname vor: Es ist die Doppelsiedlung Groß Hollwedel und Klein Hollwedel bei Bassum (Kr. Diepholz), deren Namen nach G. Lutosch (Die Siedlungsnamen des Landkreises Diepholz, Syke 1983, S. 121f.) wie folgt belegt sind: um 1300 Holwedele, 1302 (Gr.) Holwedele, ca. 1370 Lutteken Holwedelle. In Hol(l)wedel liegt ein Kompositum vor, dessen erster Teil (Bestimmungswort) zu niederdeutsch holl „Loch, Öffnung“, „Hohlraum, Vertiefung, Höhlung“ (U. Scheuermann, Flurnamenforschung, Melle 1995, S. 126) gehört. Der zweite Teil, das Grundwort, enthält ein altertümliches, heute nur noch in Ortsnamen bewahrtes germanisches Wort „Furt, seichte Stelle zum Hinüberwaten“, vgl. mittelniederdeutsch wedel, altsächsisch widil, altnordisch vadhell, vadhall, vadhill, norweg. val, vaul, das verwandt ist mit Watt und waten. Es liegt in zahlreichen Ortsnamen wie Bruchwedel, Langwedel, Nordwedel, Osterwedel, Salzwedel, Weddel und Wedel vor (ausführlich behandelt bei J. Udolph, Namenkundliche Studien zum Germanenproblem, Berlin–New York 1994, S. 892–906). Die Orte Klein Hollwedel und Groß Hollwedel liegen am Dünsener Bach, knapp zwei Kilometer voneinander entfernt, und dürften ihren Namen der Lage der Senke verdanken, durch die der Bach fließt. 12 Eine Orchidee mit Zukunft Einziges Sorabistik-Institut Deutschlands im Aufwind Von Tobias D. Höhn Es gibt Fächer, die lassen sich an nahezu jeder Hochschule in Ost wie West studieren. Andere Studiengänge hingegen sind rar gesät, es gibt nicht einmal ein Dutzend Angebote im Bundesgebiet. Und manche dieser „Orchideenfächer“ sind einzigartig – so wie Sorabistik. Das einzige, an einer deutschen Hochschule angesiedelte Institut für das Sorbische sitzt in Leipzig und verbucht zunehmendes Interesse aus dem In- und Ausland. „Das Nischendasein ist für uns eine Chance“, sagt Institutsleiter Prof. Dr. Eduard Werner. „So können wir gezielt auf die Anforderungen der Studenten eingehen und sie intensiv betreuen.“ Außerdem gehe es in den Seminaren auch familiärer zu als in den Riesenhörsälen typischer Massenstudiengänge. Insgesamt gibt es derzeit 25 Studierende aus allen Semestern. Die Lehramtsstudenten stammen aus der Lausitz, wobei nicht alle sorbischer Abstimmung sind. Dass eine sorbische Familienherkunft für die Begeisterung an Leipzigs kleinstem Studiengang nicht nötig ist, macht Werner vor. Der 37-Jährige folgte vor gut einem Jahr dem Ruf an die Alma mater Lipsiensis. Bereits 1991 zog es den gebürtigen Rheinland-Pfälzer in den Osten. Zwei Jahre später wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Sprachwissenschaft des Sorbischen Institutes in Bautzen und legte 1994 seine Dissertation mit „Studien zum sorbischen Verbum“ vor. „Das Sorbische muss auch im Alltag lebendig bleiben“, heißt Werners Credo. Von seinen häufigen Besuchen in den kleinen Dörfern zwischen Oder und Neiße, wo die Sorben seit 1400 Jahren leben, weiß er, dass sich viele Menschen ihrer Abstammung schämen und ihre Sprache verleugnen. „Über Jahrzehnte hinweg wurden den Menschen von Deutschen immer wieder gesagt, ihre Sprache sei nichts wert und sie wurden ständig wegen sprachlicher Unzu- Die Sorben Mit der großen Völkerwanderung siedelten etwa im sechsten Jahrhundert verschiedene slawische Stämme zwischen Oder und Neiße und Saale und Elbe, zwischen Erzgebirge und Ostsee an. Zu diesen westslawischen Stämmen zählten die Milzener und Lusizer in der heutigen Ober- und Niederlausitz, als deren Nachfahren sich die Sorben verstehen. Trotz des Verlustes der politischen Selbständigkeit und der Verringerung des Siedlungsgebietes durch Assimilation und Germanisierung, konnte die sorbische Sprache und Kultur bis zum heutigen Tag bewahrt bleiben. In der Oberlausitz nennen sich die Sorben „Serbja“ und in der Niederlausitz „Serby“. Neben der Universität Leipzig kümmern sich in Sachsen verschiedene Einrichtungen auf wissenschaftlicher und praktischer Ebene um die Pflege der sorbischen Kultur. So besteht in Bautzen/Budyšin das zweisprachige Theater, das Sorbische Nationalensemble, das Sorbische Museum und das Sorbische Institut e. V. – ein Forschungsinstitut für Sorabistik, wo alle zwei Jahre Sommerkurse stattfinden, mit einer Außenstelle in Cottbus. Zum Erhalt und zur Revitalisierung der sorbischen Sprache wurde 1998 das Witaj-Sprachzentrum ins Leben gerufen. Hier erlernen Kinder in Kindertagesstätten spielerisch die Sprache ihrer Ahnen. Dachverband der sorbischen Vereine ist die Domowina. Tdh journal Fakultäten und Institute Wissenschaftler und Studenten in der Region zwischen Erzgebirge und Ostsee zuhauf. Und das Bermerkenswerte an dem Leipziger Studiengang: Die Ausbildung findet komplett in Ober- und Niedersorbisch statt. Nur bei Sprachkursen für Anfänger wird Deutsch gesprochen. Neben der reinen Sprachwissenschaft, Praxis und Fachdidaktik konzentrieren sich die Forscher auch auf Literaturwissenschaft und -geschichte. Schließlich beschäftigten die Sorben schon Autoren und Gelehrte vergangener Jahrhunderte. Während der Wittenberger Reformator Martin Luther sich in seinen Tischreden abfällig über „die schlechteste aller Nationen“ äußerte, schuf Gotthold Ephraim Lessing in seinem „Jungen Gelehrten“ erstmals eine sorbische BühProf. Dr. Eduard Werner leitet das Institut für Soranenfigur. bistik und bewahrt im kleinsten Studiengang der Die deutsche Politik Universität Leipzig Sprache und Kultur der Sorben. Foto: Tobias D. Höhn schwankte indes zwischen Unterdrückung, Duldung und länglichkeiten kritisiert“, so Werner. Dabei vorsichtiger Förderung. Im Kaiserreich birgt das an der Universität Leipzig ge- widerstanden sie der Verfolgung als lehrte Ober- und Niedersorbische einen Reichsfeinde, in dem sie sorbische Kulturungeahnten Facettenreichtum. vereine bildeten. Diese gründeten am 13. Die Sorbischausbildung an der Universität Oktober 1912 die Domowina, was poetisch Leipzig hat Tradition und reicht bis ins gesprochen so viel wie „Heimat“ bedeutet. 18. Jahrhundert zurück. Der Grundstein Nach Jahrzehnten der Unterdrückung wurde bereits im Jahr 1716 mit der Grün- sollte sie demokratisch nationale Interesdung des Wendischen Predigerkollegiums sen vertreten sowie Kultur und Sprache (Serbske prědarske towarstwo) gelegt. pflegen helfen. Doch die sorbische VolksNach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte bewegung wurde 1932 widerrechtlich von sich das Institut von 1951 an zunächst auf der Weimarer Republik überwacht und die Ausbildung von Sorbischlehrern und 1937 durch die Nationalsozialisten verbovon Fachpersonal für sorbische Institutio- ten. Damals dürfte es vermutlich mehr als nen. Angesichts der wachsenden Bedeu- 100 000 Sorben gegeben haben. tung und Anerkennung von Minderheiten „Die Sorben wehrten sich vehement. Und und kleinen Völkern wurde die Palette der die Nazis antworteten auf den Widerstand möglichen Berufsprofile rasch erweitert. mit Repressionen zur Vernichtung des „Die Sorabistik an der Universität Leipzig Volkes“, weiß Werner. Die Domowina kam versteht sich traditionell als Ausbildungs- in die Illegalität, viele Persönlichkeiten fach einer muttersprachlichen Slavine, ist kamen in Konzentrationslager, sorbische aber gleichzeitig in die deutsche und inter- Ortsnamen wurden eingedeutscht. Wenn nationale Slavistik und europäische auch Kriegswirren die von den Nazis geMinderheitenforschung eingebunden“, so plante Deportation von Sorben verhinderWerner. ten, blieben Spuren der regressiven Politik: Die Kontakte zu slavischen Einrichtungen Der Gebrauch des Sorbischen als Alltagsund Organisationen in Mittel- und Ost- sprache ging zurück. „Viele Sorben europa, aber auch zum Bund der Sorben, scheuen sich, ihre Sprache öffentlich zu sind für das Institut der Philologischen Fa- sprechen und sind misstrauisch gegenüber kultät wichtig. Praxisnahe Beispiele finden öffentlichen Institutionen“, sagt Werner. Heft 3/2004 Für die Rechte der – je nach Schätzung – 20 000 in der Niederlausitz und 40 000 in der Oberlausitz lebenden Sorben tritt seit mehr als 90 Jahren die Domowina ein. Die am 10. Mai 1945 als erste demokratischen Organisation in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegründete Interessenvereinigung hält Traditionen und Bräuche der Sorben und ihrer slavischen Kultur hoch – über alle Regime hinweg. In der DDR folgte dann die Vereinnahmung durch SED, die die Domowina zur „sozialistischen nationalen Organisation“ deklarierte und ihre kulturelle Arbeit zugunsten politischer Aktivitäten zurückdrängte. Nach der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch des SED-Regimes erklärte sich die Domowina zur unabhängigen nationalen Organisation des sorbischen Volkes und vertritt seither 7 300 Mitglieder in 154 Ortsgruppen und Vereinen. Auch die sorbischen Institutionen in der Lausitz sind in die Ausbildung eingebunden. Schließlich haben Wissenschaftler wie Vereine das gleiche Ziel: Den Erhalt der Sprache. Das in der sächsischen und brandenburgischen Landesverfassung verankerte Recht auf Schutz und Förderung der eigenen Identität hilft Deutschlands kleinster Minderheit wenig. Darin heißt es, dass jedes Kind mit zwei Sprachen aufwachsen kann. Alles graue Theorie, meinen Experten. Denn in den zweisprachigen Schulen der Lausitz, in Bautzen und Cottbus fehlen in allen Bereichen sprachsichere Lehrer. Selbst für das Fach Sorbisch fehlt es an Muttersprachlern. Die Grund- und Mittelschule, aber auch das bilinguale Gymnasium in Bautzen brauchen dringend sorbische Fachlehrer. Müssen Studenten bei anderen Orchideenfächern fürchten, nach dem Examen Taxifahren oder Kellnern zu gehen, kommt ein Examen in Sorabistik einem Arbeitsvertrag gleich. Und das die slavische Sprache künftig ein ähnliches Dasein fristen könnte wie das von vielen Kritikern als „tot“ bezeichnete Latein, ist ein Vorurteil, wie Professor Werner eindrucksvoll widerlegt: Er übersetzte nicht nur den Kinderbuchklassiker „Winnie-the-Pooh“ aus dem Englischen ins Obersorbische, sondern kümmert sich jetzt auch um die Sprachanpassung von Computer-Benutzeroberflächen. Mit den Machern der weltweit führenden Suchmaschine google.de hat er bereits Kontakt aufgenommen. 13 UniCentral Eine Studienreform zwischen Vision und Oktroi „Bologna“ in Leipzig Von Prof. Dr. Charlotte Schubert, Prorektorin für Lehre und Studium Warum trägt die derzeitige Studienreform das Etikett „Bologna“? Steht nicht der Name dieser Stadt mit einer der ältesten europäischen Universitäten für den Aufstieg des wissenschaftlichen Studiums und der europäischen Universitäten seit dem Mittelalter? Ist aber nicht „Bologna“ heute, nach der 1999 von den europäischen Bildungsministern unterzeichneten Erklärung zur Vereinheitlichung des Universitätsstudiums in Europa in den Augen Vieler zum Markenzeichen des universitären Verfalls geworden? Oder noch schlimmer: Geht es wieder einmal um eine der verpönten „Reformen von oben“? Immerhin handelt es sich um Beschlüsse, die die nationalen Kultus- oder Bildungsminister auf europäischer Ebene gefasst haben – also weit weg von den länder- und lokalspezifisch geprägten Interessenlagen der jeweiligen deutschen Universitäten. So entstehen dann leicht Situationen, in denen sich der Eindruck verfestigt, dass man dem Neuen kaum mehr entrinnen, es höchstens ertragen könne. Ein genauer Blick auf Ziele, Chancen und Risiken kann die Zweifel derjenigen, die heute den Untergang der alten europäischen Universität befürchten, sicher nicht entkräften, aber er kann zumindest deutlich machen, dass eine neue europäische Universitätslandschaft im Werden ist, die die Chance bietet, das Studium attraktiver und besser zu gestalten. Was ist das Ziel? Die europäischen Bildungsminister haben im September 2003 in Berlin noch einmal folgende Punkte der Reform als Ziele hervorgehoben: • Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse, auch durch die Einführung des Diplomzusatzes (Diploma Supplement) • Einführung eines Studiensystems, das sich im Wesentlichen auf zwei Hauptzyklen stützt • Leistungspunktsystem und Modularisierung • Förderung der Mobilität durch Überwindung der Hindernisse, die der Freizügigkeit in der Praxis im Wege stehen • Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung • Förderung der erforderlichen europäischen Dimensionen im Hochschulbereich Der politische Impetus der Bologna-Deklaration liegt vor allem in der Harmonisierung der Studienstrukturen in Europa und in einer verbesserten Diplomanerkennung auf dem internationalen Arbeitsmarkt sowie in einer erhöhten Mobilität von Studierenden und Dozenten. Die Globalisierung und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Arbeitsmarktes verlangen vergleichbare Abschlüsse. Die Harmoni- Systembewertung durch die Akkreditierungsagentur Die Zeitschiene Eckwerte/Rahmenempfehlungen im Senat für 1) Einführung der konsekutiven Studiengänge 2) die Modularisierung und Einführung des ECTS SS 2004 14 sierung und Internationalisierung der Abschlussstruktur ist ein auch für Deutschland einleuchtendes Ziel: Die bisherige Situation war, dass deutsche Studierende, die mit einem herkömmlichen MagisterAbschluss nach vier- bis fünfjährigem Studium in einem System nach dem konsekutiven Modell von Bachelor/Master wie die Absolventen des dreijährigen BachelorStudienganges eingestuft wurden, weil beides eben der „erste“ berufsqualifizierende Abschluss ist. Das Studium bis zum Bachelor-Abschluss wird aber auch ganz neue Möglichkeiten zum „Ausstieg“ in den Arbeitsmarkt bzw. zum Umstieg in das Studium einer spezialisierteren und/oder verwandten Fachrichtung bieten – es kann dann sofort oder nach einigen Berufsjahren ein Studium bis zum Master folgen. Ein ebenso unmittelbar einleuchtendes Ziel ist die Erhöhung der Mobilität, wenngleich gerade dies in dem neuen System einen erhöhten Organisationsaufwand für die Universitäten mit sich bringen wird. Es wird sich auch kaum jemand der Einsicht verschließen, dass die heutigen Studierenden von ihren Hochschulen ein übersichtlich strukturiertes, vom Zeitaufwand her genau kalkuliertes und berufsfeldbezogenes Studienangebot erwarten sowie klar umrissene Studienziele und Studierbarkeit. Dass dies schließlich im europäischen Rahmen zu schaffen ist, kann ebenfalls nur begrüßt werden. Beginn des Gremienweges (Genehmigung der Studiengänge und Studiendokumente) für: – Bachelor-Studiengänge – Master-Studiengänge I WS 2004/5 Vorprüfung des Konzeptes durch die Akkreditierungsagentur SS 2005 Master-Studiengänge II: Gremienweg Antrag auf Aufhebung der Magisterstudiengänge zum WS 06/07 und Antrag auf Einrichtung der Bachelor- und Masterstudiengänge ab WS 2006/7 Anzeige der Studiendokumente im SMWK WS 2005/6 journal UniCentral Was ist das Neue? Es werden nun also nicht nur neue Namen für die akademischen Abschlüsse eingeführt (Bachelor und Master), sondern damit auch neue Strukturen: Verstand man sich bisher auf ein grundständiges Studium von vier oder fünf Jahren, so ist dies in Zukunft der i. d. R. dreijährige BachelorStudiengang, der berufsqualifizierend sein soll. An ihn kann, muss jedoch nicht, ein i. d. R. zweijähriger Master-Studiengang anschließen. Master-Studiengänge können die gleiche Fachausrichtung haben wie die entsprechenden Bachelor-Studiengänge (konsekutiver Master), sie können allerdings auch ein eigenständiges (nicht-konsekutives) bzw. interdisziplinär konstruiertes Studienangebot darstellen, und schließlich auch weiterbildend für diejenigen sein, die aus der Berufswelt an die Universität zurückkehren wollen. Alle drei Formen sind an eine Gesamtstudiendauer von fünf Jahren gebunden, womit ein Bachelor/ Master-Studium insgesamt in etwa der Regelstudienzeit herkömmlicher Studiengänge entspricht. Der eigentliche Paradigmenwechsel verbirgt sich jedoch in den eher technokratisch anmutenden Kürzeln „Modularisierung“ und „ECTS“ (das European Credit Transfer System, auf das sich die deutschen Kultusminister festgelegt haben). Ließe sich die Modularisierung noch eher unverbindlich als thematische und zeitliche Bündelung von Lehrveranstaltungen beschreiben, so legt das ECTS der neuen Studienstruktur einen fest geregelten Rahmen auf: Nicht mehr wie bisher in Deputatsstunden der Hochschullehrer (in SWS) wird gerechnet, sondern ausschließlich in Stunden studentischer Arbeitszeit (workload). Der studentische Lernprozess steht nun im Mittelpunkt und ist die Grundlage der Planung: Für jede studentische Lehr- und Lernaktivität (Vorbereitung der Lehrveranstaltungen, Arbeitsaufwand für Hausarbei- Akkreditierungsbericht Frühjahr 2006 Heft 3/2004 ten, Prüfungsvorbereitungen etc.) ist das entsprechende Zeitkontingent zu beschreiben – und da das ECTS gleichzeitig eine maximale studentische Arbeitszeit zwischen 1600 und 1800 Stunden im Jahr annimmt, bedeutet dies, dass ca. 900 Stunden im Semester (1800 im Jahr, umgerechnet in credits: 1 credit = 30 Stunden, also 60 Punkte im Jahr) zugrunde gelegt werden. Modularisierung und ECTS sind also die eigentlichen „Motoren“ der Veränderung! Ziel muss immer die Wettbewerbsfähigkeit der Universität und die Förderung der Mobilität der Studierenden und ihres Denkens bleiben. Die Chance dazu liegt darin, aus dem neuen Studienmodell ein höheres Maß an Flexibilität, bessere Studierbarkeit im Ablauf und in den Ergebnissen, mehr Transparenz in Wissensvermittlung, Qualifikationen und Kompetenzen zu gewinnen und in einer intelligenten und phantasievollen Modularisierung die Studienangebote neu zuzuschneiden. Chancen und Risiken? Wie geht es weiter an der Universität Leipzig? Ein unübersehbares Risiko der Reform liegt in der Möglichkeit, die BachelorStufe vom Zusammenhang eines wissenschaftlichen Studiums wegen deren Ausrichtung auf die Berufstätigkeit abzukoppeln. Damit würde nicht nur das wissenschaftliche Profil der Universität gegenüber der Fachhochschule verwischt, sondern auch die Qualität der universitären Ausbildung gefährdet werden. Das wäre in der Tat dann der berüchtigte „Schmalspurakademiker“, den viele Skeptiker vor Augen haben, wenn sie an die neuen dreijährigen Studiengänge denken. In der Möglichkeit, nach dem Prinzip „Lehre aus Forschung“ Studieninhalte in neue Formen zu bringen und mit veränderten Inhalten zu praktizieren, liegt demgegenüber die Chance der Reform. Es ist dabei aber vor allem zu berücksichtigen, dass die Studienreform für verschiedene Fachgebiete Unterschiedliches bedeuten kann. In bisher sehr verschulten Fächern geht der Zug in Richtung einer höheren Selbständigkeit der Studierenden, während in den bisher weniger strukturierten Geistes-, Kultur und Sozialwissenschaften eine straffere Organisation der Studien zu erwarten ist. Wichtig ist hier vor allem, die Einführung neuer Strukturen nicht als Zweck, sondern nur als Mittel zu betrachten. Beginn der Evaluation und Akkreditierung SS 2006 Studienbeginn der neuen BA/MA Nachdem im Dezember 2003 allen Fakultäten vom Prorektorat für Lehre und Studium ein Eckwerte-Papier mit Überlegungen zur neuen Studien- und Modulstruktur als Grundlage der weiteren Gespräche über die Studienreform übergeben wurde, sind von April bis Anfang Mai mit allen Fakultäten, die an dem Bologna-Prozess beteiligt sind, öffentliche Diskussionsveranstaltungen durchgeführt worden (s. a. S. 22). Parallel dazu sind mit dem SMWK sowie dem SMK Verhandlungen aufgenommen worden, um die Ausbildung in den Lehramtstudiengängen in diese neue Struktur zu integrieren. Nachdem hierzu bereits ein grundsätzlicher Konsens im Hinblick auf den Rahmen der Umstellung erzielt werden konnte (Beibehaltung der ZweifächerStruktur und des 1. Staatsexamens, Integration der LAPO in die Etablierung der Bachelor/Master-Studiengänge), werden die weiteren Schritte parallel zu der an der Universität Leipzig geplanten Gesamtumstellung der Magisterstudiengänge im WS 2006/7 sowie einer einheitlichen Modularisierung aller Studiengänge geplant und abgestimmt werden. Auf diesen Grundlagen wird das Prorektorat entsprechende Rahmenempfehlungen für eine formal einheitliche Umsetzung der neuen Studiengänge vorbereiten, die im SS 2004 dem Senat der Universität zur Verabschiedung vorgelegt werden (siehe auch Zeitschiene). Chancen können genutzt oder vertan werden: Für die Universität Leipzig bietet der Bologna-Prozess jetzt die Chance, den neuen Rahmen in weitestgehend eigener Handlungsfreiheit im Sinne des Mottos „Aus Tradition Grenzen überschreiten“ auszufüllen. WS 2006/7 15 UniCentral Theologie für Naturwissenschaftler Konsekutive Studiengänge und Schlüsselqualifikationen Von Prof. Dr. Pirmin Stekeler-Weithofer, geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie und Sprecher des Direktoriums des Zentrums für Höhere Studien I. Prognostische und normative Thesen 1. Obgleich es angesichts einer Dauerreform im Bildungswesen und der neuen Zumutungen verständlich ist, dass die Studierenden, Lehrenden, Institute und Fakultäten am liebsten den status quo auf die eine oder andere Weise verteidigen oder sich bestenfalls passiv ins Unvermeintliche fügen, sollte die anstehende Studienreform ganz und gar ernst genommen werden. Es ist einfach eine Illusion, man könne sich am Ende auch im neuen Rahmen den gewohnten Stiefel schnüren. Denn wie die Universitäten und Hochschulen in Deutschland insgesamt aussehen werden und wie sich unsere Universität dabei platziert, hängt wesentlich davon ab, wie jetzt geplant und entschieden wird. 2. Schon nach dem Wintersemester 2005 werden sich keine Studierenden an unserer Universität in einen Magisterstudiengang einschreiben können. Die Zahl der Diplomstudiengänge wird sich drastisch reduzieren, sofern sich diese überhaupt in der alten Form sinnvoll erhalten lassen, auch und gerade in den Naturwissenschaften. Bis dahin zu leisten ist insbesondere die Einbettung der entsprechenden BA-Studiengänge in ein konsekutives Konzept der höheren Bildung überhaupt, der gestuften Lehrerausbildung nach dem „Y-Modell“ im Besonderen. Das heißt, es sollte nicht schon gleich nach dem Abitur entschieden werden, ob die Schülerin Lehrerin wird. Vielmehr setzen nach der BA-Ebene die Geeignetsten die weitere Ausbildung bis zum Staatsexamen fort. Von den 180 bzw. 120 Leistungspunkten („credit points“ oder „LPs“) – das sind 18 bzw. 12 Module – entfallen dann in den BA- bzw. MA-Studiengängen je 60 bzw. 40 LPs (also 6 bzw. 16 4 Module) auf zwei Fachdisziplinen und je 60 bzw. 40 LPs auf den bildungswissenschaftlichen Anteil, inklusive Praktika, Fachdidaktik und Schlüsselqualifikationen wie z. B. Sprecherziehung und Rhetorik. Ein wesentlicher Schritt nach vorn bestünde zusätzlich darin, dass auch die Grundschullehrer erst nach einem dreijährigen BA ihre Spezialausbildung in einem zweijährigen Masterstudiengang erhalten und mit einem Staatsexamensabschluss analog zu einem „Master of Education“ beenden könnten – mit der Option, sich ggf. später weiterzubilden. Die entsprechenden Entwicklungschancen bedeuten eine wesentliche Verbesserung der Lage der Lehrer und erhöhen die Attraktivität des Lehrerberufs zusammen mit dem Projekt, an die Universität zur Betreuung von Praktika abgeordneten Lehrern die Promotion zu ermöglichen. 3. Der Stand eines Faches bzw. Instituts, einer Fakultät oder Universität wird sich an der Attraktion der MA- und PhD-Studiengänge bemessen. Entscheidend ist daher die Qualitätssicherung auf höchstem Niveau besonders in den methodenorientierten Disziplinen wir den naturwissenschaftlichen Fächern, den Gesellschaftswissenschaften, Geschichts- und Kulturwissenschaften unter Einschluss der Philologien und nicht zuletzt der miteinander verwandten und doch so unterschiedlichen Strukturwissenschaften wie der Mathematik und Logik bzw. Wissenschaftsmethodik und Philosophie. Daher dürfen in einer klassischen Universität wie der Leipziger die Ressourcen auf diesen Ebene nicht zu knapp werden, wenn man vermeiden will, zum bloßen Zulieferer für Anbieter der ersten Liga zu werden. Andererseits brauchen wir einen selbsttragenden Unterbau in den BA-Studiengängen. Nur beide Phasen zusammen sind Ersatz für die noch vorhandenen einphasigen Magister- und Diplomstudiengänge. Deren Nachteil war die illusionäre Unterstellung, es bedürfe keiner weiteren Vorprüfung nach dem Abitur, ob ein Studierender auch tauglich ist für ein akademisch ausgerichtetes Studium. Diese Illusion hat im noch bestehenden System die erwartbare Folge eines enormen Schwundes an Studierenden, da diese auf die eine oder andere Art „herausgeprüft“ werden. 4. Es ist nicht schwer zu prognostizieren, dass eine der wesentlichen Evaluationskriterien der Zukunft die Proportion zwischen der Anzahl der Studienanfänger und der Anzahl der bestandenen Abschlussexamina auf der BA-Ebene und die absolute Anzahl der Absolventen auf der MA- und PhD-Ebene sein wird. Wir alle tun daher gut daran, uns schon jetzt darauf einzustellen. Das Festhalten an den bisherigen einphasigen Diplomstudiengängen ist dabei nicht hilfreich, auch wenn man, falls man unbedingt will, die „höchste“ Stufe der Vertiefung auf der Graduiertenebene, also im MA-Studium mit disziplinärem Schwerpunkt, sagen wir im Fach Mathematik, Soziologie oder Biologie, „Diplom“ nennen kann. II. Verbünde 1. Für die BA-Studiengänge ergibt sich nicht zuletzt aus dem Zwang zur Nutzung von Synergieeffekten die Notwendigkeit von Ausbildungsverbünden. So favorisiert die Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie neben einem eher berufsorientierten BA/MA-Modell Journalistik und Medienwissenschaften einen gemeinsamen Bachelor-Studiengang mit dem Titel „Gesellschaftswissenschaft und Philosojournal UniCentral phie“. Sein Thema sind die Strukturen und Probleme individuellen und institutionellen Handelns. Unter seinem Dach lassen sich die Schwerpunktfächer Politik, Philosophie, Kultur oder Soziologie studieren, wobei mindestens 60 (optional natürlich auch mehr) LPs als Voraussetzung fixiert werden können für ein postgraduales Studium im Lehramt Gemeinschaftskunde oder Ethik/Philosophie bzw. in einem disziplinären Masterstudiengang Kulturwissenschaften, Philosophie, Politikwissenschaften oder Soziologie. 2. Entsprechende Verbünde wird es in der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften geben. Sie lassen sich durchaus auch für die Naturwissenschaften vorstellen, zumal ein partiell gemeinsames naturwissenschaftliches Grundstudium den Interessen von Studierenden der Fächer Chemie, Biologie und durchaus auch der Physik und Medizin entgegenkommen würde. Denn die größere Durchlässigkeit der Fächer in den ersten Semestern hat Vorteile und sollte nicht nach der gegebenen Situation mit Blick auf die Probleme des Numerus Clausus beurteilt, werden: Die Entscheidung, wer auf der MA-Ebene weiter in diesem oder jenem Fach studiert, wird erst nach Abschluss des BA getroffen. III. Schlüsselqualifikationen 1. Einen zentralen Bestandteil der gestuften Studiengänge stellen die Schlüsselqualifikationen dar. Die Universität Leipzig sollte dabei gerade nicht auf soft skills wie die Beherrschung der Maus in PowerPointPräsentationen setzen. Das bringen sich Studierende selbst schneller bei als ein Computerkurs für mäßig Fortgeschrittene. Stattdessen ist die Departementalisierung der Universität – das Wort ist übrigens so hässlich wie die Sache – partiell aufzuheben. Denn die wesentlichen Schlüsselqualifikationen gerade für eine natur- und technikwissenschaftliche Karriere liegen im Komplementärbereich einer passiven und aktiven Sprachbeherrschung auf hohem Niveau und einem vertieften Verständnis sozialer und kommunikativer Prozesse unter Einschluss des rechtlichen und ethischen Urteilens. Umgekehrt verlangt die Ausbildung in einer Geistes-, Sozialoder Strukturwissenschaft die Ergänzung durch ein Verständnis der Methode, Denkweise und Leistung der Technik- und Naturwissenschaften. Der Wahlpflichtanteil der Schlüsselqualifikationen in der BAHeft 3/2004 Informationen im Netz Das Dezernat 2 (Akademische Verwaltung) hat im Intranet eine neue Seite eingerichtet: Unter www.uni-leipzig.de/studref sind grundlegende Informationen zu den konsekutiven Studiengängen ebenso zu finden wie Dokumente zur Umsetzung der Studienreform an der Universität Leipzig (u. a. Zeitschiene, Arbeitsschritte, Arbeitsunterlagen). Zudem gibt es einen Link zur Arbeitsgruppe „Studiendokumente Bachelor/Master“ (AG Studo BaMa), die Muster-Studien- und -Prüfungsordnungen vorbereitet. Phase beträgt mindestens 30 LPs (3 Module). Dabei sind es wesentlich zwei Aspektbereiche, welche die Schlüsselqualifikationen charakterisieren, die interdisziplinäre bzw. transakademische Kommunikation und Kooperation und die transnationale bzw. interkulturelle Kommunikation und Kooperation. 2. Da je nach Fach andersartige Ergänzungen und Vertiefungen nötig werden, sollten die Angebote zu diesem Ausbildungsbereich aus den verschiedenen Fakultäten durch eine zentrale Organisation koordiniert werden. Zu denken wäre an „eingefärbte“ Fachgruppen und Angebote, so dass von Studierenden der Natur- und Technikwissenschaften nur Angebote der Sprach-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften bzw. aus dem Bereich der Lehrerbildung („Bildungswissenschaften“) gewählt werden dürfen, und in gewissem Maß auch umgekehrt. Dazu wären freilich Angebote des Typs „Mathematik/ Ökonomie für Nichtmathematiker/Nichtökonomen“ ebenso nötig wie zum Beispiel „Ethik für Mediziner“, „Wissenschaftslogik und methodisches Denken für Naturwissenschaftler“ oder auch, und warum nicht, „Theologie für Naturwissenschaftler (und Atheisten)“. Weitere wichtige Bereiche für Schlüsselqualifikationen sind: „Rhetorik und rationales Argumentieren“ oder „Wissenschafts- und Kulturgeschichte“. Auch durch „Sprecherziehung und Drama“ ließe sich eine zentrale, in Großbritannien und den USA schon ab dem Kindergarten intensiv geförderte Schlüsselkompetenz besser entwickeln. 3. Insgesamt hat dabei die Universität Leipzig einen Standortvorteil aufgrund ihres außerordentlich breiten Fächerangebotes. Für fachübergreifend ausgerichtete Lehrangebote gibt es ideale Voraussetzungen. Gerade auch aufgrund der zahlreichen Disziplinen, die sich mit außereuropäischen Kulturen beschäftigen, gibt es ein in dieser Art deutschlandweit einmaliges Konzept der Ergänzung der Ausbildung im Bereich interkultureller Praxis und Kommunikation. Dazu sollte es nach Möglichkeit in den neuen BA/MA Studienordnungen verankerte Auslandsaufenthalte (auch Praktika) geben, etwa organisiert durch ein internationales Hochschulkolleg. Hinzu kommt eine vollintegrierte Sprachausbildung, organisiert durch ein Sprachenzentrum, das angebunden ist an die Philologische Fakultät. 4. Die zentrale Schlüsselqualifikation echter Bildung ist die Kompetenz des lebenslangen Lernens. Aus ihr erst ergibt sich das Auftreten als Person mit der Fähigkeit zum strukturellen Denken und zur Personalführung – weswegen sich das amerikanische BA-MA-Modell (trotz aller eigenen Probleme etwa mit dem Standard der Highschool) zu Recht immer noch am Ideal der Humboldtschen Universität orientiert und (anders als etwa das britische) die bloß „professionelle“ Fachkompetenz (zum Beispiel eines Informatikers oder forschungsorientierten Physikers) entsprechend ergänzt. Denn diese ist nicht bloß für die Lehrerausbildung zu wenig: Sie reicht auch nach einer entsprechenden Anlernzeit bestenfalls für die ersten zehn Jahre Beschäftigung als Sachbearbeiter, nicht für ein ganzes Berufsleben, jedenfalls nicht in unserer Zeit. Dieser Diagnose widerspricht nicht, dass wir auf einen gewissen Exporterfolg höchst kompetent ausgebildeter Akademiker etwa nach Großbritannien, in die USA und in viele andere Länder verweisen können. Das Problem ist nicht (nur) die Ausbildung derer, die das Studium mit einem sehr guten Diplom oder gar Promotion abschließen, sondern (auch) die Bildung derer, die nicht auf der akademischen Leiter gewissermaßen in professorale Höhen steigen und für welche die universitäre Ausbildung eigentlich und in ihrer Mehrheit da ist. Die Mehrzahl dieser Studierenden verlässt die deutsche Universität bis heute sogar ohne jeden formellen Abschluss, und zwar sowohl in den Diplomals auch in den Magisterstudiengängen. Das ist der eigentliche Skandal des bisherigen Systems der höheren Bildung in diesem Land. 17 UniCentral Der Osnabrücker Zwei-Fach-Bachelor Integration und Profilierungschancen Ein Gastbeitrag von Dr. Yoshiro Nakamura, Universität Osnabrück Wiewohl der Bologna-Prozess weniger einen qualitativen Studienreformprozess als vielmehr die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums zum Ziel hat, ist es der hochschulpolitischen Diskussion gelungen, die Struktur-Debatte hinsichtlich der Abschlüsse mit Studienreformdebatten substantiell zu verknüpfen und diese Verknüpfung mit der Einführung des Instrumentes der Akkreditierung institutionell abzusichern. Es handelt sich zwar zu großen Teilen um Reformmaßnahmen, die unabhängig von der Stufung der Abschlüsse wirken könnten, jedoch durch die Diskussion um Bachelor- und Masterabschlüsse beschleunigt, verstärkt und durchsetzbar wurden. Im Kern handelt es um einen Wechsel des Organisationsprinzips von Studiengängen: Modularisierung: Über die Organisation von Studienprogrammen in modulare Einheiten verständigen sich Fächer über den Kern ihres Faches; Studienprogramme werden nicht entlang fachsystematisch gebotenen Wissensbeständen strukturiert, sondern an der Organisation des Erwerbs von Kompetenzen, welche das Expertenwissen mit der Fähigkeit ihrer Anwendung Der Zwei-Fach-Bachelor ist ein Modell, das wahrscheinlich auch in Leipzig Einzug halten wird. Alles über den Osnabrücker Zwei-Fach-Bachelor ist ausführlich in einer Broschüre nachzulesen, die im Internet zur Verfügung steht: www.blk.uni-osnabrueck.de/ OSBeitraege_2.pdf Weitere Informationen zur Studienreform in Osnabrück unter: www.blk.uni-osnabrueck.de 18 in theoretischen wie praktischen Zusammenhängen verknüpfen. ECTS: Die Einführung eines Leistungspunktsystems bewirkt, dass Studienprogramme nicht mehr nach dem Lehraufwand (SWS), sondern nach dem notwendigen Studienaufwand organisiert werden und trägt damit erheblich zur Studierbarkeit der Studienprogramme bei. Mit diesen und weiteren Maßnahmen wie Studien begleitenden Prüfungssystemen reagiert die Reform auf die beiden wesentlichen Querschnittsprobleme im Bereich Studium und Lehre: Langzeitstudierende und Studienabbrecher. Weitere Vorteile zeigen sich u. a. in kürzeren Ausbildungszyklen mit größerer Flexibilität und in besserer Planbarkeit interdisziplinärer Studienprogramme. Will man allerdings eine solche Reform nicht nur in spezialisierten Nischen-Studiengängen, sondern für die überwiegend nachgefragten Diplom-, Magister- und Lehramtsstudiengänge erreichen, stellen sich erhebliche Anforderungen an die zu planende Studiengang-Struktur. Insbesondere die kapazitären Rahmenbedingungen machen ein hoch flexibles StudiengangSystem erforderlich, das in der Lage ist, die unterschiedlichen Fachkulturen aufzufangen, sie strukturell zu integrieren und verschiedene Bildungs- und Ausbildungsprofile auf einer gemeinsamen Grundlage zu entwickeln. Am Beispiel Lehramt wird die Spannung besonders deutlich: Hier stehen Anforderungen an frühe, praxisorientierte Prägung auf den Lehrerberuf in einem Gegensatz zur Forderung nach hohem theoretischen Niveau und den Vorteilen einer konzentrierten, zusammenhängenden und forschungsbasiert-professionalisierenden Ausbildungsphase auf Master-Niveau. Wie aber kann eine wissenschaftspropädeutische Grundausbildung so strukturiert werden, dass sie sowohl auf eine Lehramtsprofessionalisierung als auch auf eine fachwissenschaftliche Vertiefung vorbereitet und dabei zugleich einen eigenständigen berufsqualifizierenden Abschluss bildet? Wenn Lehramtsprofessionalisierung und fachwissenschaftliche Vertiefung echte Alternativen bieten sollen, muss eine Integration von Fachkulturen erreicht werden, die ihre Anforderungen an Ein-Fach-Studienprogrammen (Diplom) bzw. an ZweiFächer-Studienprogrammen (Magister und Lehramt) orientieren. Zugleich sind diese Fachkulturen jeweils mittels der Definition von Kompetenzprofilen neu auszurichten.m Mit diesen Überlegungen rückt der Begriff der Polyvalenz in den Mittelpunkt der strukturellen Überlegungen. Hierzu hat die Universität Osnabrück in Abstimmung mit den niedersächsischen Verbunduniversitäten ein Modell entwickelt, das im kommenden Wintersemester vollständig die gymnasialen Lehramtsstudiengänge und die Magisterstudiengänge, mittelfristig wahrscheinlich auch die Diplomstudiengänge ablösen wird. Schon die Grundanlage zeigt die Ausrichtung auf Flexibilität: Es können zwei Varianten im Bachelor studiert werden, die zum gleichen Abschluss führen: Entweder ein Hauptfach/ Nebenfach-Modell oder ein Modell mit zwei Fächern gleichen Umfangs (Kernfächer). Beide Varianten sind wiederum anschlussfähig an diverse Masterprogramme. Die Fächer bieten im Bachelor in der Regel fakultativ Didaktik und Schulpraktika an, so dass für Lehramtsinteressenten eine frühe Ausrichtung möglich ist. Der Bachelor bietet erhebliche Wahlmöglichkeiten, die der Studierende an den Zugangsbedingungen der angestrebten Masterstudiengänge ausrichtet. Ein Baustein der Polyvalenz zwischen Lehramt, Fachwissenschaft und Berufsbefähigung ist ein dritter Studienbereich: der sogenannte „Professionalisierungsbereich“. Für diejenigen, die einen Lehramtsabschluss anstreben, steht hier ein interdisziplinäres, integriertes Lehramtscurriculum bereit, das unter Beteiligung von Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaft, Philosophie sowie diversen Fachdidaktiken entstanden ist und im Lehrer-Master fortgeführt wird. Bei anderer Orientierung und Ausrichtung werden in diesem Bereich allgemeine Schlüsselqualifikationen oder fachlichwissenschaftliche Vertiefungen angeboten. Dr. Yoshiro Nakamura arbeitete bis vor kurzem als Referent für Studium und Lehre im Planungsdezernat der Universität Osnabrück und ist nun am dortigen Zentrum für Lehrerbildung tätig. journal UniCentral Das Bielefelder Konsekutivmodell Gute Erfahrungen seit 2002 Ein Gastbeitrag von Dr. Andrea Frank, Universität Bielefeld Die Universität Bielefeld hat im Rahmen des Modellversuchs „Konsekutive Lehrerausbildung“ des Landes Nordrhein-Westfalen zum WS 2002/03 alle Lehramts- und Magisterstudiengänge sowie erste Diplomstudiengänge in die Bachelor/MasterStruktur überführt. Hierfür wurden mit dem „Bielefelder Konsekutivmodell“ eine einheitliche Studienstrukturmodell entwickelt und eine allgemeine Prüfungs- und Studienordnung für das Bachelorstudium an der Universität Bielefeld erarbeitet. Das Konzept sieht vor, dass im Bachelorstudium ein wissenschaftliches Kernfach (120 LP) und ein Nebenfach (60 LP) studiert werden. Dieses Modell ermöglicht auch sogenannte Ein-Fach-Bachelor und damit die Umstellung von (weiteren) Diplomstudiengängen, indem das Kernfach im Rahmen des Nebenfachs durch fachspezifische Vertiefungen ergänzt wird. Jedes Bachelor- Fach ist gegliedert in fachliche Basis, alternative berufsfeldspezifische (u. a. lehramtsbezogene bzw. lehramtsrelevante) Profile und umfasst im Kernfach individuelle Vertiefungs- und Ergänzungsstudien. Die Kernfächer sind für die integrierte Vermittlung von Schlüsselqualifikationen verantwortlich und sehen orientierende und profilbezogene Praxisstudien vor. Die Lehramtsausbildung Das Kernfach hat gemäß den Vorgaben der Kultusministerkonferenz für ein Gymnasial-Lehramt erforderlichen Mindestumfang von 60 SWS, das Nebenfach einen Umfang von mindestens 40 SWS für ein GHR-Lehramt (Grund-, Haupt- und Realschule). Studierende, die mit ihrer Ausbildung als zusätzlichen Abschluss das Zeugnis der Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt anstreben, wählen entweder zwei für schulische Unterrichtsfächer relevante Disziplinen oder (im Kernfach) eine relevante Disziplin und als Nebenfach Erziehungswissenschaft (40 SWS). Die Festlegung auf das Berufsziel Lehrer sollte bis zum vierten Semester des Bachelorstu- Grundstruktur des Bachelor-Studiums im Bielefelder Konsekutivmodell Lehrerbildender Master A Fachwissenschaftlicher Master B Berufstätigkeit Bachelor dreijährig 180 LP diums erfolgen, um eine Verlängerung der Studienzeit zu vermeiden. Nach Abschluss des Bachelorstudiums haben die Absolventinnen und Absolventen neben der Option, in eine Berufstätigkeit zu wechseln, die Möglichkeit, ihr Studium in einem fachwissenschaftlichen Masterstudiengang oder mit dem Master of Education fortzusetzen; mit dem letztgenannten Abschluss ist bei Erfüllen der Voraussetzungen auch die Vergabe eines Zeugnisses einer Ersten Staatsprüfung für das gewählte Lehramt verbunden. Zugangsvoraussetzung zum Master of Education ist eine obligatorische Beratung, in der verbindlich festgelegt wird, welche Studienleistungen im Masterstudium erforderlich sind, damit die Äquivalenz mit den Anforderungen einer Ersten Staatsprüfung für ein Lehramt an Schulen sichergestellt ist. Die Beratung wird gemeinsam von dem zuständigen Prüfungsamt der Universität Bielefeld und dem Staatlichen Prüfungsamt sowie unter Beteiligung der jeweils zuständigen Fakultäten durchgeführt. Der Modellversuch ist mit weiteren Reformelementen verbunden (insbesondere der Einführung einer Assistant Teachership zwischen Bachelor-Abschluss und Aufnahme des Lehramts-Masterstudiums), die derzeit mit den zuständigen Institutionen (Ministerium, Staatliches Prüfungsamt, Studienseminar) abgestimmt werden. Die Erfahrungen Die neue Studienstruktur wird von Studierenden sehr gut angenommen, inzwischen beginnen mehr als die Hälfte der Studienanfänger in einem Bachelorstudiengang. Die Studienorganisation erfordert allerdings eine intensive Koordination zwischen den Fakultäten. Die Einführung eines elektronischen Veranstaltungsverzeichnisses hilft dabei, Überschneidungen von Pflichtveranstaltungen zumindest in häufigst gewählten Fächerkombinationen zu vermeiden. Die Einführung eines einheitlichen Studienstrukturmodells hat sich bewährt, dennoch stellt sie erst den Anfang eines umfassenden Studienreformprozesses dar. Weitere Informationen im Internet: www.uni-bielefeld.de/ bielefelder-modell/index.html A: Kernfach und Nebenfach in verschiedenen Fächern Heft 3/2004 B: Nebenfach als Vertiefung des Kernfachs („Ein-Fach-Bachelor”) Dr. Andrea Frank ist Referentin für Studium und Lehre in der entsprechenden Kommission der Universität Bielefeld. 19 UniCentral Mit dem „Checkheft“ zum Bachelor of Arts Das Institut für Kunstpädagogik führte im Wintersemester einen neuen Studiengang ein Von Carsten Heckmann Im Malsaal im zweiten Stock des Instituts für Kunstpädagogik hängen vier farbenfrohe Collagen an der Wand. Wenige Schritte davon entfernt haben die Dozenten Renate Herfurth und Markus Laube auf einem großen Tisch blassgraue Zeichnungen ausgebreitet. Die geschwungenen Bleistift-Linien finden Gefallen: „Sehr schön, und das im ersten Semester“, sagt Renate Herfurth. Die Szene an sich ist alles andere als ungewöhnlich. Künstlerische Arbeiten werden hier schließlich regelmäßig gesichtet und bewertet. Und doch haftet sowohl den Collagen an der Wand als auch den Zeichnungen auf dem Tisch etwas Besonderes an: Es sind die ersten sichtbaren Ergebnisse des ersten Bachelor-Studiengangs der Universität Leipzig, des „Pioniers der Universität“, wie Prorektorin Prof. Dr. Charlotte Schubert konstatiert. „Kunstpädagogik für außerschulische Arbeit“ lautet dessen vollständiger Titel. Im vergangenen Wintersemester haben 27 junge Menschen dieses Bachelor-Studium aufgenommen, 11 von ihnen wechselten in diesen Studiengang, 16 sind Studienanfänger. „Inzwischen hat es sich herumgesprochen und für das kommende Wintersemester haben wir schon Dutzende Bewerbungsmappen bekommen“, berichtet Renate Herfurth. „Wir haben auch Anfragen von Kollegen aus Bayern und NordrheinWestfalen, die sich erkundigen, wie wir den Studiengang organisieren“, ergänzt Prof. Dr. Frank Schulz, Direktor des Instituts für Kunstpädagogik. Die Idee, einen Studiengang ins Leben zu rufen, der auf den außerschulischen Bereich abzielt, kam im Institut vor drei Jahren auf. „Kunstpädagogik findet ja lange nicht nur in Schulen statt“, erläutert Professor Schulz. „Da gibt es noch den Freizeitbereich, die Arbeit mit Senioren, therapeutische Arbeit, Verlage und einiges 20 Renate Herfurth begutachtet Werke der ersten Studierenden des Bachelor-Studiengangs Kunstpädagogik. Was aus Werbung werden kann: Collage von Conny Schreiber. Fotos: Carsten Heckmann mehr.“ Im neuen Bachelor-Studium könnten die Studenten alles ausprobieren und sich dann spezialisieren, wirbt Schulz. Der Kunstpädagogik-Bachelor ist ein voller Bachelor mit 180 ECTS-Punkten. Der Studiengang wurde komplett neu entwickelt und weist laut Professor Schulz „ein in Deutschland einmaliges Profil“ auf. An der Universität Leipzig ist er mit den Leistungspunkten nach ECTS, der Berechnung des studentischen „Workloads“ und der Modularisierung derzeit singulär. Inhaltlich dreht sich alles um die Entwicklung einer fachlichen Kompetenz im künstlerischen Arbeiten, um Methodenwissen, vor allem eine Vermittlungskompetenz, sowie um die Ausbildung der Persönlichkeit des Einzelnen. „Die Schwerpunktmodule im späteren Studienverlauf können dann fach- oder berufsfeldspezifisch gewählt journal UniCentral werden, man kann sich also zum Beispiel für das Fachgebiet Neue Medien entscheiden oder für das Praxisgebiet Ausstellungsgestaltung“, erklärt Frank Schulz. „Die Skeptiker befürchten ja immer, dass ein Bachelor zu Verschulung führt. Ich denke, bei uns ist das nicht so.“ Studierende und Lehrende bekämen die Freiheit, die sie brauchen, aber zugleich eine organisatorische Sicherheit. „Natürlich gibt es eine größere Verbindlichkeit, aber das ist auch positiv zu sehen. Es gibt einen Stundenplan ohne Überschneidungen, und es gibt ein Prüfungssystem, das keine formalen Hürden aufbaut und nicht von der inhaltlichen Arbeit ablenkt.“ Letzteres habe man mit großem Aufwand durchgespielt. Eine völlige Neuheit ist ein mit dem Prüfungsamt abgesprochenes Sammelscheinsystem und ein „Checkheft“ mit Beteiligungsnachweisen, das jeder Studierende erhält. Auch neu: ein Gemeinschaftsmodul „bildende Kunst und Musik“ mit dem Institut für Musikpädagogik. In Planung: der weiterführende Master-Studiengang. Institutsleiter Schulz ist überzeugt, dass „sich das Ganze vom Ansatz her aufs Lehramt übertragen lässt, auch dort mit einem inhaltlichen Gewinn“. Zu diesem Gewinn zählt Schulz auch die Kooperation mit Partnern aus der Praxis. „Wir arbeiten bereits zusammen mit dem BIP Kreativitätsschulzentrum Leipzig, mit dem Klett Verlag Leipzig, mit weiteren Verlagen und mit therapeutischen Einrichtungen. Viele dieser Partner werden die Absolventen mit dem Bachelor of Arts gerne nehmen.“ Einen Motivations- und einen Innovationsschub hat Schulz an seinem Institut ausgemacht. Und Renate Herfurth hat zum Abschluss des Wintersemesters die Studierenden ihre ersten Eindrücke aufschreiben lassen. „Die Resonanz ist durchweg positiv“, berichtet sie. Und mit einem Blick auf die frischen Werke ihrer frischen Studierenden fügt sie hinzu: „Ich habe ein gutes Gefühl“. Das Institut für Kunstpädagogik im Internet: www.uni-leipzig.de/studienart Im Internet zur Verfügung steht auch die Studienordnung Bachelor Kunstpädagogik mit Studienablaufplan und Modulbeschreibungen: www.uni-leipzig.de/artdoc/ jahresplanung/ BA-Studienord-Fakul.pdf Heft 3/2004 Ein Clownfisch im Bologna-See Tauchgang der Politikwissenschaft Repräsentation u. Partizipation Theoriengeschichte Handlungstheorie Verfassung und politische Systeme Mehrebenensystem Ordnungstheorie Theorie der Politik In der aktuellen Diskussion um die Einführung von BA/MA-Studiengängen wird häufig der Vorwurf einer „Verschulung“ des Studiums geäußert. Gemeint ist, dass die Studienabläufe strikt reglementiert werden. Die Studierenden hätten weniger Wahlfreiheit. Taucht man jedoch tiefer in das noch etwas trübe Bologna-Gewässer, wird man finden, dass das Bildungsmenü sich keineswegs weniger abwechslungsreich gestalten wird – es wird nur anders serviert werden. Bisher muss der durch das Meer des Wissens schwimmende Studierende seinen Bildungshunger an allen angebotenen Algen (oder Anemonen) – respektive in allen Lehrbereichen eines Fachs – stillen. Dabei steht es ihm frei zu entscheiden, welches Blatt er verspeist, also welche Lehrveranstaltung er auswählt. In Zukunft werden die Algen, nunmehr „Module“ genannt, quasi gekreuzt. Das heißt, jede Pflanze besteht aus zusammengepfropften Blättern zuvor verschiedener Governance I: „Deutschland in Europa“ Pflanzen. Unser studentischer Fisch kann sich aus dem Angebot der Algen die für ihn schmackhafteste auswählen, ist dann aber angehalten, sie von oben bis unten zu verspeisen. Also: Alle in einem Modul angebotenen Lehrveranstaltungen müssen absolviert werden. In der Essenz bedeutet das BA/MA-System, dass die Studierenden sich RundumPakete mit zusammengeschnürten Veranstaltungen wählen, anstatt sich mühsam unsystematische Studienpläne zusammenstellen zu müssen. Nemo, Marlin und Co. werden auch im Bologna-See genauso satt werden oder hungrig bleiben wie zuvor. Text: Dr. Daniel Schmidt, Institut für Politikwissenschaft Abbildung: Esther Donat (Der Clownfisch ist Marlin aus dem Trickfilm „Findet Nemo“ – © 2002 Disney/Pixar. Die DVD ist soeben mit großem Erfolg auf dem deutschen Markt erschienen.) 21 UniCentral „Der Zug rollt“ Information und Diskussion über Bachelor/Master Von Carsten Heckmann Der Journal-Redaktion sind natürlich jegliche Meinungsäußerungen zum Thema Umstellung auf konsekutive Studiengänge willkommen. Bitte haben Sie aber dafür Verständnis, dass nicht jeder Leserbrief abgedruckt werden kann bzw. mitunter nur gekürzt im Uni-Journal Platz findet. 22 Vom Sonnenlicht durchflutet war der Vortragsraum der Universitätsbibliothek bei jeder der drei Veranstaltungen, die das Prorektorat für Lehre und Studium im April und im Mai zum Thema Bachelor/Master anbot. Und die anwesenden Fakultätsvertreter versprachen sich auch erhellende Informationen. Sie bekamen sie von Prorektorin Prof. Dr. Charlotte Schubert, unter anderem in Form von Rahmenempfehlungen, aufgezeigten Struktur-Möglichkeiten, zeitlichen Vorgaben und Angaben zur geplanten Cluster-Akkreditierung. Dekane und Studiendekane stellten zudem selbst den Stand der Diskussion in ihren Einrichtungen dar und nutzten wie auch die z. T. zahlreich erschienenen interessierten Universitätsangehörigen im Publikum die Gelegenheit zur Diskussion mit Prof. Schubert. Klare Bekenntnisse zur Umstellung auf die neuen Studiengänge kamen aus fast allen Fakultäten – wenn sie auch nicht überall aus persönlicher Überzeugung erwachsen waren. „Ich besteige diesen Zug ungern. Aber es ist der einzige Zug, der fährt“, erklärte Prof. Dr. Klaus Schildberger, Studiendekan der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie. „Und der Zug rollt bereits“, sagte Prof. Dr. Charlotte Schubert nach den Gesprächsrunden, im Bild bleibend und sichtlich zufrieden. „Dass die Naturwissenschaften dabei sind, freut mich. So haben wir eine echte Chance, die Reform als Projekt der ganzen Universität zu entwickeln!“ Die Prorektorin verwies immer wieder darauf, dass sich die Universität ohnehin „keine Insellösungen leisten können wird“. Dennoch: Mindestens einzelne Punkte werden von vielen Beteiligten noch skeptisch gesehen. Der Dekan der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Prof. Dr. Gerd Tetzlaff, warnte z. B. vor zuviel Bürokratisierung. Dem Studiendekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Wolfgang Pelzl, macht bei den Bachelor-Studiengängen die mögliche Konkurrenzsituation zu den Fachhochschulen zu schaffen: „Das ist an unserer Fakultät ein großes Thema. Der Unterschied zu den Fachhochschulen muss klar sein.“ Prorektorin Schubert sorgt sich in dieser Hinsicht nicht so sehr: „Wenn wir bei unserem Prinzip ‚Lehre aus Forschung‘ bleiben, müssen wir nicht viel befürchten.“ Auch zu der mehrfach geäußerten Befürchtung, in vielen Fällen werde einem alten Studiengang nur ein neues „Bachelor“-Schild aufgeklebt, also alter Wein in neuen Schläuchen verkauft (andernorts eine durchaus prakti- zierte Maßnahme), äußerte sich Prof. Schubert: „Ich denke, das liegt an uns. Wir sollten sicherstellen, dass wir uns selbst im Spiegel anschauen können.“ Ein großes Thema in den Gesprächsrunden waren die Schlüsselqualifikationen, die den Studierenden zukünftig als integraler Bestandteil des Studiums vermittelt werden sollen. Prof. Dr. Thomas Topfstedt vom Institut für Kunstgeschichte sagte: „Es ist dringend nötig, diese Dinge auch inhaltlich zu qualifizieren.“ Erste klare Wünsche wurden in dieser Hinsicht formuliert, vor allem Sprachkompetenzen sind demnach erwünscht. Auch äußerten Vertreter u. a. der Bereiche Psychologie, Erziehungswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften erste Ideen für fachübergreifende Studienangebote. Das Thema werde eine ganz entscheidende Rolle für den Erfolg der Studienreform spielen, konstatierte Charlotte Schubert – ebenso wie die Frage, welche Zulassungsvoraussetzungen für ein Master-Studium gelten sollen. Auch Studierende meldeten sich zu Wort. Sie kritisierten vor allem, dass an der Universität Leipzig mit 1800 Stunden pro Jahr und Student das Höchstmaß an studentischem „Workload“ angesetzt werden soll. Germanistik-Studentin Katrin Henzel und Anja Pohl, Promovendin in Geschichte, waren sich einig: „Das ist nicht machbar. Ein Großteil der Studierenden muss nebenbei arbeiten gehen, manche haben Kinder, viele engagieren sich außeruniversitär – was auch wichtig ist, wenn man schon über Schlüsselqualifikationen redet.“ Natürlich wurde auch über Master-Studiengänge geredet. Der Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Jürgen Krug, sagte dazu: „Das MasterStudium sollten wir von Anfang an so konzipieren, dass wir interdisziplinäre Komplexe bilden können, bei uns zum Beispiel Sportjournalismus und Sportmanagement.“ Dazu werde es nötig sein, die Fakultäten noch mehr als bisher zusammenzuführen. Klar ist: Vor den Fakultäten liegt viel Arbeit. Vor allem, wenn sie sich die visionären Worte des Dekans der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Prof. Dr. Wolfgang Fach, zu eigen machen wollen. Fach stellte seinen Ausführungen die 400 Jahre alte Utopie des „Sonnenstaats“ von Campanella voran. „Ich zeige jetzt sozusagen die ‚Sonnenfakultät‘, also die ideale Fakultät“, sagte er. „Es gibt aber einen gravierenden Unterschied: Der Sonnenstaat musste nicht akkreditiert werden.“ journal Laufen für Olympia Sie liefen volle 36 Tage und Nächte lang – 864 Stunden – vom 12. April, dem Jahrestag der deutschen Olympiaentscheidung, bis zum 18. Mai, als Leipzig leider in der internationalen Vorauswahl scheiterte: Über 10000 Läufer nahmen an der NonStop-Staffel teil, die Leipziger Sportstudenten unter dem Motto „Laufe für Olympia 2012“ initiiert hatten. Stündlich begaben sich neue Läufer auf die sieben Kilometer lange Strecke, die wesentliche Teile der Runde aus dem Bewerbungsvideo Leipzigs umfasste. Unterstützt wurde die studentische Aktion von der Olympia GmbH, dem Verein „Leipzig für Olympia“ Foto: Holger Strubberg und natürlich von der Sportwissenschaftlichen Fakultät, die Umkleideräume und Duschen zur Verfügung stellte. Immer wieder machten sich auch Prominente auf den Weg, u. a. am 28. April: Unser Bild zeigt unter anderem den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Dr. Klaus Steinbach (links, mit Staffel- stab), Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (rechts daneben), den Geschäftsführer der Olympia GmbH, Mike de Vries (weiter hinten mit Kappe), Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier (leicht verdeckt), IOC-Mitglied Roland Baar (mit Sonnenbrille auf dem Kopf) und Joachim Horn vom Olympia-Bürgerverein (rechts). C. H. Postkarten für Bildung Bei der studentischen Vollversammlung Mitte April entschied sich eine knappe Mehrheit der Anwesenden gegen einen Vollstreik an der Universität Leipzig. Aber das Streikkomitee, das sich während des sogenannten „konstruktiven Streiks“ gebildet hatte, ist weiter aktiv: Die von diesem Komitee angeregte „Leipziger Initiative für Bildung“ hat jetzt eine Postkartenaktion gestartet, die in eine Massenpetition gegen die derzeitige sächsische Bildungs- und Sozialpolitik münden soll. Die Karten wurden von Studierenden der Hochschule für Heft 3/2004 Grafik und Buchkunst gestaltet. Auf den Rückseiten ist jeweils ein Punkt aus dem Forderungskatalog der „Initiative für Bildung“ angeführt, der sich um Bildung als öffentliches Gut und soziale Gerechtigkeit dreht. Diesen Forderungspunkt kann ein jeder unterstützen, indem er seine Unterschrift darunter setzt und die Karte auf den Weg zum vorgedruckten Empfänger bringt: Landtagspräsident Erich Iltgen. Die Kampagne soll bis zur Landtagswahl im September laufen und von Veranstaltungen begleitet werden. Der „Leipziger Initiative für Bildung“ haben sich die sächsischen Oppositionsparteien SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen ebenso angeschlossen wie die Gewerkschaften DGB, ver.di und GEW sowie weitere Verbände (das Uni-Journal berichtete darüber bereits in der vergangenen Ausgabe auf S. 29). C. H. Weitere Informationen im Internet: www.bildungsbündnis.de Drei der Postkarten-Motive, die die „Leipziger Initiative für Bildung“ in Umlauf gebracht hat. 23 Studiosi „Großer Eifer“ Der Vorstandssprecher des Uni-Orchesters im Interview Im Wintersemester hatte es sich gegründet, sein erstes Konzert war ein riesiger Erfolg (das Uni-Journal berichtete), es ist weiter gewachsen und trägt seit Februar einen neuen Namen: Das studentische Orchester ist nach einem entsprechenden Rektoratsbeschluss jetzt das Leipziger Universitätsorchester. Die inzwischen 72 Musiker stecken derzeit mitten in der Probenphase für ihr Festkonzert zur Namensgebung. Im Interview mit dem Journal berichtet der Vorstandssprecher des Orchesters, der Medizinstudent und Cellist Julian Bindewald, über Erfolg, Probleme und Zukunftsaussichten der Musiker-Gemeinschaft. Leipziger Universitätsorchester ist ein großer Name. Wie empfinden Sie das? Das ist eine ganz tolle Sache. Ich muss aber zugeben, dass uns der Erfolg wirklich ein bisschen überrollt hat. Okay, wir haben gleich zu Anfang gemerkt, dass der Bedarf für so ein studentisches Orchester wirklich da ist. Im Dezember hatten wir Professor Unger gefragt, ob nicht die Möglichkeit einer Anbindung an die Uni besteht, auch vor dem Hintergrund, dass es seit der Wende kein Uni-Orchester mehr gab. Herr Unger signalisierte Interesse. Wir haben uns ins Zeug gelegt und nach dem Konzert im Januar kam es dann zur positiven Entscheidung. Der Vorstand des Leipziger Universitätsorchesters. Untere Reihe v. l.: Susanne Brakmann, Britta Glaser, Julian Bindewald, Muriel Baum. Obere Reihe v. l.: Christiane Quendt, Björn Mäurer, Malte Hinzpeter, Alexandra Haubner. Foto: Ephraim Beck Zunächst waren es 43 Musiker, jetzt sind es 72, dazu der Titel Universitätsorchester – was bedeutet das für die Organisation? Es hat schon auch einige Schwierigkeiten mit sich gebracht. Zunächst einmal mussten wir die Aufgaben im Vorstand viel klarer verteilen. Andererseits wollen wir auch in Zukunft wichtige Dinge nur gemeinsam entscheiden, basisdemokratisch. Dann brauchen wir natürlich mehr Platz zum Proben. Wir haben zunächst im Krochhaus geprobt, dann in der PhysikAula. Momentan proben wir im Evangelischen Schulzentrum, aber für Stimmproben mussten wir uns auch schon wieder andere Räume suchen. Wahrscheinlich werden wir nun in den Mensa-Komplex in der Jahnallee umziehen und auch Räume in der benachbarten Sport-Fakultät nutzen können, das ist noch nicht endgültig geklärt. Wie steht es um Ihre Finanzen? Nun, wir brauchen natürlich Geld, vor allem für Werbung und Verwaltung. Und Probenräume außerhalb der Universität kosten Miete. Dann machen wir unsere Stimmproben mit sieben Dozenten aus dem MDR-Sinfonieorchester, da ist auch ein Honorar fällig, wenn auch ein niedriges. Glücklicherweise haben wir von der Universität ein Startkapital von 3000 Euro bekommen. Für Instrumente haben wir zudem eine Spende erhalten vom AlumniVerein der Medizinischen Fakultät. Davon werden wir demnächst eine Piccolo-Flöte kaufen. Laienflötisten besitzen so ein Instrument normalerweise nicht. Und wenn das kommende Konzert gut läuft, dann können wir vielleicht auch unserem Dirigenten ein kleines Honorar zahlen. Den Dirigenten wollen Sie regelmäßig wechseln, dem Nachwuchs am Pult immer wieder Das Festkonzert zur Namensgebung findet am 27. Juni um 20 Uhr im Großen Saal des Gewandhauses statt. Der Kartenvorverkauf an der Gewandhauskasse und den angeschlossenen Vorverkaufsstellen läuft. Die Karten kosten 7 bis 14 Euro (zzgl. Vorverkaufsgebühr), Ermäßigungsberechtigte zahlen die Hälfte. eine Chance geben. Wer dirigiert denn das Festkonzert? Wir haben Probedirigate gemacht und Anna Shefelbine ausgewählt. Sie kommt aus den USA, ist aber seit neun Jahren in Deutschland, hat an der Hans-EichlerMusikhochschule in Berlin studiert und ist Stipendiatin des Deutschen Musikrates. Sie holt unheimlich viel aus den Stücken raus, eine ganz tolle Dirigentin. Was erwartet die bis zu 1900 Besucher des Festkonzerts? Eine Menge Spaß, denke ich. Denn wir alle werden mit großem Eifer dabei sein. Für uns ist das ja äußerst spannend. Spielen werden wir Claude Debussys stimmungsvolle Petite Suite, das relativ frühe 1. Klavierkonzert von Sergej Prokofjew mit unserem Solisten Christian Girbhardt und Antonin Dvořáks 8. Sinfonie – ein romantisches Stück par excellence, da kann man richtig schwärmen. Und was darf man in Zukunft noch erwarten vom Leipziger Universitätsorchester? Wir haben jetzt ein sinfonisches Orchester, das einmal in der Woche probt. Der Aufwand ist also für Studenten zu schaffen, einen gewissen Anspruch können wir dennoch erheben. So haben wir uns das vorgestellt. Ich hoffe, wir können das in dieser Form weiterführen. Es wird dabei bleiben, dass wir pro Semester ein Programm einstudieren und damit ein oder mehrere Konzerte geben. Auf lange Sicht denken wir natürlich auch an Konzertreisen, das wäre schön. Mitte Juni machen wir immerhin ein Probenwochenende in der Jugendherberge Windischleuba. Ansonsten wird es auch Kammermusik geben von zwei Streichquartetten, die sich aus Orchestermitgliedern gebildet haben. Im Oktober umrahmen wir die Immatrikulationsfeier der Universität. Interview: Carsten Heckmann Weitere Informationen im Internet: www.uni-leipzig.de/orchester journal Personalia Ein Leben für die Musik Zum Tode des Universitätsmusikdirektors Wolfgang Unger Von Detlef Schneider, Vorsitzender des Förderkreises Leipziger Universitätschor e. V., Chordirektor ADC Die Universität trauert um ihren am 19. April verstorbenen Universitätsmusikdirektor Professor Wolfgang Unger. Sie verliert mit ihm einen begnadeten Künstler, einen hoch geachteten und erfolgreichen Hochschullehrer und einen liebenswerten Menschen. Durch sein Wirken erhöhte er das Ansehen unserer Alma mater im In- und Ausland. Wolfgang Unger wurde am 31. 12. 1948 in Eibenstock geboren. Seine erste musikalische Prägung verdankte er Rudolf Mauersberger im Dresdner Kreuzchor. Nach dem Abitur ging er zum Chorleitungs- und Kapellmeisterstudium nach Weimar. 1969 gründete er den Thüringischen Akademischen Singkreis, den er bis 1996 mit großem Erfolg leitete. 1973 wurde er Kapellmeister und Chordirektor der Halleschen Philharmonie und Direktor der RobertFranz-Singakademie. 1985 erhielt er den Händelpreis der Stadt Halle. 1987 kam er nach Leipzig, um die künstlerische Leitung des Leipziger Universitätschores zu übernehmen. An gewachsene Traditionen des Chores anknüpfend, setzte er neue Akzente. Erinnert sei u. a. an die Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ in der Peterskirche und die szenischen Aufführungen von Bachs Passionen. Das Repertoire des Universitätschores unter seiner Leitung war bemerkenswert vielseitig und beinhaltete Chormusik aller Epochen und Stile. Für die Einspielung von Distlers „Liturgischen Sätzen“ erhielt der Chor Heft 3/2004 Wolfgang Unger in Aktion. Dieses Bild ist in der Festschrift „75 Jahre Leipziger Universitätschor“ erschienen. Foto: Universitätschor/Gert Mothes 2001 den Klassik-Echo-Preis. Zahlreiche Gastspiele führten den Chor in viele Länder Europas und die USA. 1991 wurde Wolfgang Unger folgerichtig zum Universitätsmusikdirektor ernannt, denn seit Beginn seines Wirkens in Leipzig fühlte er sich für das gesamte Musikleben an der Universität verantwortlich. So führte er mit der Wende die musikalische Ausgestaltung der Universitäts-Gottesdienste durch den Chor wieder ein, gründete 1992 das Pauliner Kammerorchester und 1994 das Pauliner Barockorchester und konzipierte 1993 die „Universitäts-Christvesper“. Die unter seiner Leitung seit 1994 im zweijährigen Turnus stattfindenden Leipziger Universitätsmusiktage wurden Podium für studentisches Musizieren. 1995 initiierte er den „Orgel-Punkt-Zwölf“ in der Peterskirche, und auch die Universitätsvespern am Paulineraltar in der Thomaskirche verdanken wir ihm. Erwähnt werden soll auch seine Arbeit als Thomaskantor ad interim 1991/1992. Als gesuchter Lehrer im Fach Chorleitung/Dirigieren unterrichtete er an der Universität und der Hochschule für Musik und Theater, wie auch an anderen Ausbildungsstätten im In- und Ausland. 2003 erschien sein Lehrbuch „Wege zum Dirigieren“. Im gleichen Jahr wurde ihm der Titel „Außerplanmäßiger Professor“ verliehen. Sich nie in den Mittelpunkt stellend und im tiefen Bekenntnis zu den geistlichen und geistig-kulturellen Wurzeln unseres Volkes suchte und fand er stets neue Wege, sie der jungen Generation in zeitgerechter Form zu erschließen. Bewunderung verdient vor allem seine Fähigkeit, junge Menschen zur ernsthaften, aber auch lustvollen Erarbeitung von Chormusik zu motivieren und sie zu künstlerischen Höchstleistungen zu befähigen. Bei aller Beharrlichkeit, ja Unnachgiebigkeit in der Durchsetzung seiner Konzeption war seine Methodik von Humor, Güte und Verständnis für seine Schüler und Sänger geprägt. Unter seiner Leitung hat der Leipziger Universitätschor seinen Ruf als Spitzenchor gefestigt. Er hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass der Wiederaufbau der Paulinerkirche für ihn Herzenssache war. So brachte er für den Neubau der Universität am Augustusplatz sehr detaillierte Vorstellungen zu funktionalen Anforderungen für die Universitätsmusik und zur architektonischen Form ein. Als besonderes Geschenk für das Universitätsjubiläum 2009 hatte er die Einspielung aller 20 von Bach für die Universität komponierten Festmusiken vorbereitet. Acht verloren Gegangene sollten von zeitgenössischen Komponisten in neuer Form nachgeschaffen werden. Leider war es ihm nur vergönnt, eine erste CD zu produzieren. Durch den Tod von Wolfgang Unger ist die Universität ärmer geworden. Ihre Leitung hat es in der Hand, diesen Verlust in Grenzen zu halten, denn der Universitätsmusikdirektor hat ein reiches Erbe hinterlassen. 25 Personalia Große Verdienste um die Leipziger Analysis Zum Tode des Mathematikers Herbert Beckert Von Prof. Dr. Klaus Beyer und Prof. Dr. Matthias Günther, Mathematisches Institut Am 24. März dieses Jahres verstarb Professor Dr. phil. habil. Dr. h.c. Herbert Beckert. Die Universität Leipzig verliert mit Herbert Beckert einen herausragenden Mathematiker und Hochschullehrer, der seit 1945 die Entwicklung und wissenschaftliche Ausstrahlung des Mathematischen Instituts, dessen Direktor er von 1959 bis 1969 war, entscheidend geprägt hat. 1920 geboren, gehörte er zu einer Generation, deren berufliche Entwicklung durch Krieg und Militärdienst nachhaltig beeinflusst wurde. Nach Kriegsende führte er sein Mathematikstudium in Leipzig in kürzester Zeit zu Ende, promovierte 1947 und habilitierte sich 1949 bei Ernst Hölder. 1951 wurde er zum Professor an der Universität Leipzig berufen und hat bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1986 in über 75 Dozentensemestern ohne Unterbrechungen Vorlesungen und Seminare gehalten. Seit 1969 ist Herbert Beckert Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle gewesen, seit 1975 auch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und gehörte einen großen Teil dieser Zeit sogar zu ihren beständigen Sekretaren. Für seine großen Verdienste um die Angewandte Mathematik hat ihm die Technische Universität Chemnitz den Titel eines Ehrendoktors verliehen. In seinen Dissertations- und Habilitationsschriften hatte sich Herbert Beckert mit Differenzenverfahren zur Lösung hyperbolischer Differentialgleichungen beschäftigt. Solche Gleichungen beschreiben zeitabhängige Prozesse in vielen Gebieten der Physik und Technik und sind meistens nicht explizit lösbar. Ihre numerische Lösung ist daher von besonderem Interesse. Die einzelnen Rechenschritte eines derartigen Differenzenverfahrens erfordern die Einhaltung bestimmter Verhältnisse zwischen Raum- und Zeitschritten. Die Beiträge von Herbert Beckert zur Analyse dieser Verhältnisse erhalten heute im 26 Herbert Beckert Lichte der modernen rechentechnischen Entwicklungen eine erneute Aktualität. In den fünfziger Jahren wandte er sich elliptischen Differentialgleichungen zu und bereicherte deren Theorie mit fundamentalen Beiträgen. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte Leon Lichtenstein am Leipziger Mathematischen Institut seine berühmten hydrodynamischen Untersuchungen über Gleichgewichtsfiguren rotierender Flüssigkeiten veröffentlicht. Daran knüpfen Herbert Beckerts Arbeiten über Oberflächenwellen auf Flüssigkeiten unter dem Einfluss der Erdanziehung und der Kapillarität an. Derartige Probleme haben die charakteristische Schwierigkeit, dass neben der Lösung einer Differentialgleichung im Flüssigkeitsgebiet der von vornherein unbekannte, sogenannte freie Rand der Flüssigkeit mitbestimmt werden muss. 1962 entwickelte Herbert Beckert einen eleganten Zugang zur Existenztheorie für derartige Strömungen. Die Beschreibung seiner wissenschaftlichen Arbeiten muss notwendigerweise lückenhaft bleiben. Im Ganzen gesehen beeindruckt Herbert Beckerts mathematisches Werk nicht nur durch die benutzte moderne mathematische Technik, sondern vielmehr durch seine vielseitigen und erfindungsreichen Strategien, die immer wieder imponieren und zu verblüffenden Lösungen führen. Die Würdigung wäre aber einseitig ohne die Erinnerung an den akademischen Lehrer Herbert Beckert. Er gehörte zu denjenigen Hochschullehrern, denen neben der Fähigkeit zu herausragender Forschung auch die Gabe zur lebendigen Vermittlung ihres Fachs an Studenten und Nachwuchswissenschaftler gegeben war. Seine Vorlesungen waren nicht immer einfach, aber stets anregend; er verstand es hervorragend, seine Zuhörer zum aktiven Mitdenken zu inspirieren und ihnen den Weg zu schwierigen Zusammenhängen zu ebnen. Generationen von Mathematik- und Physikstudenten haben bei Herbert Beckert das mathematische Handwerkszeug gelernt, zahlreiche davon hat er bis zu Promotion und Habilitation geführt. Sein weiter Interessenkreis erlaubte es ihm, eine Fülle von erfolgversprechenden Forschungsthemen uneigennützig an seine Schüler weiterzugeben. Bei ihren Studien begleitete er sie behutsam. Für talentierte Studenten hat er sich nachdrücklich eingesetzt, oftmals auch gegen äußere Widerstände. Seinem wissenschaftlichen Weitblick und seiner auch in schwierigen Zeiten letztlich optimistischen Grundhaltung ist es zu verdanken, dass die mathematische Lehr- und Forschungstätigkeit in Leipzig nach dem Zweiten Weltkrieg trotz diverser Hochschulreformen und staatlicher Zwangseingriffe auf einem hohen Niveau und ohne Abkopplung von der internationalen Entwicklung fortgeführt werden konnte. Immer die Wissenschaft voranstellend, hat er zusammen mit einigen Kollegen das Institut auch durch schwieriges Fahrwasser gesteuert. Noch 1992, längst emeritiert, beförderte er als Mitglied der außerordentlichen Berufungskommission Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Leipzig mit seinen Erfahrungen die Neustrukturierung der Universität Leipzig. In seiner menschlichen Haltung war er ein Vorbild für Kollegen und Studenten. journal Personalia Zum Tode des Psychologen Jürgen Guthke Horst Wilde im Ruhestand Mit Sachlichkeit und Augenmaß Verdienstvoller Chemiker Jürgen Guthke Am 11. April verstarb nach schwerer Krankheit Prof. Dr. phil. habil. Jürgen Guthke im Alter von 65 Jahren. Damit verliert die Universität Leipzig eine hoch renommierte Forscherpersönlichkeit und einen leidenschaftlichen Hochschullehrer, die wissenschaftliche Psychologie in Deutschland einen prominenten und hoch geachteten Vertreter ihrer Profession. Jürgen Guthkes Schaffen war fast 50 Jahre mit der Leipziger Universität verbunden. Nach Studium und Promotion in Leipzig habilitierte er sich 1971 mit einer Schrift zur Erfassung der intellektuellen Lernfähigkeit, welche 1972 in der damaligen DDR beim Deutschen Verlag der Wissenschaften und darüber hinaus 1977 auch in der damaligen BRD verlegt wurde. Ab 1975 Hochschuldozent wurde Guthke 1978 zum ordentlicher Professor für Klinische Psychologie berufen. Als erster aus dem Kreis der „DDR-Professoren“ im Bereich Psychologie an der Universität Leipzig erhielt Jürgen Guthke nach der deutschen Wiedervereinigung den Ruf als Professor Neuen Rechts auf die C4-Professur für Differentielle Psychologie und Psychodiagnostik, den er bis zu seiner Emeritierung inne hatte. Er leistete in zahlreichen Berufungskommissionen auch über Leipzig hinaus wertvolle administrative Arbeit. In der ihm eigenen Integrität im Umgang mit Kollegen und mit Sachlichkeit und Augenmaß bewältigte Jürgen Guthke auch als Leiter des Fachbereichs Psychologie die verantwortungsvolle Aufgabe der Neustrukturierung der Leipziger Psychologischen Institute. Während seiner langen Leipziger Dienstzeit war Prof. Guthke Mitglied verschiedener Fakultätsräte, an der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie auch Prodekan. Heft 3/2004 Jürgen Guthke war mit Leib und Seele Wissenschaftler und engagierter Hochschullehrer – prägendes Vorbild für seine zahlreichen Schülerinnen und Schüler. Er wurde bereits im Sommer 1991 Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2001 wurde er mit dem Alfred Binet Preis durch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde ihm auch die Hugo-Münsterberg-Medaille durch den Berufsverband deutscher Psychologen verliehen. Seine Forschungsarbeiten sind thematisch weit gefächert. Vor allem seine innovativen Forschungen auf dem Gebiet der Intelligenzund Lernfähigkeitsdiagnostik genießen sowohl national, als auch international als „Leipziger Schule“ höchstes Renommee.m Jürgen Guthke hatte Gastprofessuren an den Universitäten in Bern, Mexiko City und Osnabrück inne, war Mitherausgeber der Psychologischen Rundschau und war bis zu seinem viel zu frühen Tode Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates zahlreicher Fachzeitschriften. Seine umfangreiche Bibliographie umfasst 17 Bücher, 6 psychologische Testverfahren, über 120 Zeitschriftenartikel und Beiträge in Sammelwerken. Von ihm wurden ungezählte Diplomarbeiten, mehr als 35 Promotionen und 6 Habilitationen wissenschaftlich betreut. Für seine Qualität als hervorragender Hochschullehrer spricht unter vielen anderen, dass ihm – noch bevor Lehrevaluation zum universitären Standard zählte – das „Goldene Ohr“, als Auszeichnung für gute Lehre, durch die Studentenschaft verliehen wurde. Als eine weitere Wertschätzung in diesem Sinne wurde er 2003 von der Bundesvereinigung der Psychologiestudenten zum Schirmherrn des 8. Bundestreffens der Psychologiestudierenden gewählt, welches an der Leipziger Universität – und somit erstmals an einer Universität in den neuen Bundesländern – stattfand.m Mitarbeiter und Kollegen schätzten vor allem seine von wissenschaftlicher Neugier getragene Offenheit für fachlichen Meinungsaustausch, auch über den Rahmen eigener Forschungsschwerpunkte hinaus. Seinen Schülern war und bleibt Jürgen Guthke nicht nur ein hervorragender wissenschaftlicher Lehrer, sondern auch ein Vorbild an menschlicher Integrität. Jens F. Beckmann, Yale University, USA Am 21. 12. 2003 wurde Prof. Dr. rer. nat. habil. Horst Wilde 65 Jahre alt. Seit seinem Lehramtsstudium der Chemie und Physik 1956–1961 in Leipzig ist er der Universität sehr verbunden. So hat er seit 1965 dank seiner pädagogischen Fähigkeiten als wissenschaftlicher Assistent, Oberassistent, Dozent und ab 1992 als Professor die Studenten des Lehrerstudiums, der Chemie und Biologie in der Grund- und Spezialausbildung in organischer Chemie sowie während der Diplom- und Doktorarbeit erfolgreich betreut. Post-doc-Aufenthalte 1970 in Kiew bei Prof. Babitschew (UdSSR), 1974/75 bei Prof. Katritzky in Norwich (Großbritannien) und eine Gastdozentur in Blida (Algerien) 1987–1990 waren sehr prägend für seine Entwicklung. In der Forschung hat er sich mit der Synthese von Heterocyclen, speziell mit Farbstoffen und bioaktiven Verbindungen, beschäftigt. Besonders hervorzuheben sind seine Leistungen für die Universität in der akademischen Selbstverwaltung. So hat er als Direktor der Sektion Chemie ab 1991 und dann als Leiter des Fachbereiches Chemie und Mineralogie, bedingt durch die politische Wende 1989, die großen Veränderungen der Neubesetzung aller wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Stellen, der ersten Berufungsverfahren und die Neuordnung der Lehre mit Sachverstand gemeistert. Seine hervorragende Arbeit als Studiendekan 1993–1999 hat nachhaltige Wirkung, sodass seine Mitarbeit u. a. in der Kommission für Internationale Angelegenheiten der Hochschulrektorenkonferenz und als Mitglied der Studienreformkonferenz der Gesellschaft Deutscher Chemiker aufgrund seiner klaren und sachlichen Urteile sehr geschätzt war. Durch seine Mitarbeit für die Modernisierung und Internationalisierung des Chemie-Studiums zählt Leipzig seit Jahren zu den deutschen Universitäten mit den kürzesten Studienzeiten. Seine verdienstvolle, jahrzehntelange Lehr- und Forschungstätigkeit für die Weiterentwicklung der Fakultät Chemieund Mineralogie sowie das Ansehen der Universität Leipzig wurde 2001 mit der Verleihung der Caspar-Borner-Medaille gewürdigt. Bärbel Schulze, Peter Welzel 27 Personalia Joachim Schauer zum 65. Frühjahrssitzung der Akademie der Wissenschaften Pneumologie etabliert Volker Bigl ins Amt eingeführt Prof. Dr. med. Joachim Schauer wurde am 25. 4. 1939 in Magdeburg geboren. Er studierte Humanmedizin in Leipzig, legte 1963 das Staatsexamen ab und promovierte zum Dr. med. 1965–1970 absolvierte er seine Facharztausbildung für Innere Medizin, 1976 habilitierte er sich. Als Oberarzt der Klinik für Innere Medizin wurde er 1983 Leiter der Abteilung Pneumologie, 1988 außerordentlicher Professor, 1990 ordentlicher Professor und Direktor der Klinik für Innere Medizin. In dieser Zeit war er als Prodekan wesentlich an der akademischen Neugestaltung der Medizinischen Fakultät beteiligt. 1993 wurde er zum Geschäftsführenden Direktor des Zentrums für Innere Medizin und zum Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I ernannt. 1995–2000 war er Leitender Ärztlicher Direktor, 2000 bis 2001 Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums. Als Mitglied des Vorstandes der Sächsischen Gesellschaft für Innere Medizin wurde er später deren Vorsitzender. Die von ihm mit begründete Mitteldeutsche Gesellschaft für Pneumologie wählte ihn für die Jahre 1999 bis 2002 zu ihrem Präsidenten. Schauer ist es gelungen, das Fach Pneumologie an der Universität Leipzig in Lehre, Forschung und klinischer Betreuung zu etablieren. Sein besonderer Schwerpunkt war das Gebiet der kardiopulmonalen Interaktionen, insbesondere die pulmonale Hypertonie. Unter seiner Leitung wurde Leipzig eines der führenden Zentren für dieses komplexe Krankheitsbild in Deutschland. Zahlreiche Publikationen, ungezählte Vorträge und die Integration in anerkannte Forschergruppen bezeugen die erfolgreiche Arbeit einer eng am Patienten orientierten Forschung. Als Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Pneumologie an der Universität Leipzig hat Professor Schauer die Etablierung eines hochwertigen pneumologischen Forschungslabors wesentlich unterstützt. Begeisterte Studenten, eine große Zahl anspruchsvoller Dissertationen und erfolgreiche Habilitationen seiner Mitarbeiter zeugen von seinem erfolgreichem Wirken als Hochschullehrer. G. Hoheisel, J. Winkler, H. Wirtz 28 Nachdem Prof. Dr. Volker Bigl im Oktober vorigen Jahres zum Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt worden war, wurde er auf der Frühjahrssitzung der Akademie am 23. April durch den Sächsischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Dr. Matthias Rößler, mit der Überreichung der Berufungsurkunde in das Amt eingeführt. Die Sitzung im vollbesetzten Großen Senatssaal des Bundesverwaltungsgerichts bot Gelegenheit zur Preisverleihung und zur Vorstellung der neuen Akademiemitglieder. Den gemeinsam von Akademie und Universität Leipzig vergebenen TheodorFrings-Preis 2004 für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Germanistik überreichten Volker Bigl und Rektor Franz Häuser an Dr. phil. Dagmar Helm. Die Schülerin und langjährige Mitarbeiterin von Frings erhielt die Auszeichnung für ihre herausragende Arbeit in der Dialektforschung und ihren persönlichen Einsatz für die Fertigstellung des vierbändigen „Wörterbuchs der obersächsischen Mundarten“, das nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit Ende 2003 abgeschlossen wurde. Für die moderne Regionalitätsforschung besitzt die Erschließung der Quellen der Volkssprache einen besonderen Wert. Die Wilhelm-Ostwald-Medaille verlieh die Akademie an Prof. Dr. Janis Stradins. Von der Universität Leipzig waren Prof. Dr. med. Uwe Frithjof Haustein zum Sekretar der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse und Prof. Dr. Manfred Rudersdorf zum Stellv. Sekretar der Philologisch-historischen Klasse gewählt worden. Zu den neu zugewählten Akademiemitgliedern gehören Prof. Dr. Bernhard Streck, Professor für Ethnologie an der Universität Leipzig, Prof. Dr. Svante Pääbo, Direktor am Leipziger MaxPlanck-Institut für evolutionäre Anthropologie, und Prof. Dr. Sebastian Lentz, Direktor des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig. Neben der Mundarten-Publikation konnte Prof. Bigl in seinem Referat noch den Abschluss eines weiteren großen WörterbuchProjektes verkünden, des „Poggendorff“, in dem über 145 Jahre hinweg „biographisch-literarisch“ 28 000 Gelehrte der „exakten Naturwissenschaften“ erfasst wurden. Wer außer der Akademie kann solche zeitaufwendige, akribische, für die weitere Forschung unerlässliche Grundlagenarbeit noch leisten? Mit der Bearbeitung von 20 Projekten durch 100 Mitarbeiter erweise sich die Gelehrtengesellschaft als eine echte Arbeitsakademie, so der Präsident, der aber keinen Zweifel daran ließ, dass die Akademie einer weiteren Öffnung zur Gesellschaft heute und ihren Ansprüchen bedürfe. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftseinrichtungen, nicht zuletzt den Universitäten, werde dies befördern. Volker Schulte Geburtstage Philologische Fakultät 60. Geburtstag Prof. Dr. Bernhard Meier, Institut für Germanistik, 27. Mai Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 65. Geburtstag Prof. Dr. Gerd Goldammer, Institut für Software- und Systementwicklung, am 18. Mai Sportwissenschaftliche Fakultät 60. Geburtstag Dr. Rüdiger Kuntoff, Institut für Bewegungsund Trainingswissenschaft der Sportarten, am 15. Juni Medizinische Fakultät 60. Geburtstag Prof. Dr. med. Lothar Engelmann, Medizinische Klinik und Poliklinik I, am 18. Mai 65. Geburtstag Prof. Dr. med. Peter Stiehl, Institut für Pathologie, am 9. Mai 70. Geburtstag Prof. Dr. med. Wilhelm Haake, ehem. Universitätsfrauenklinik, am 6. Mai Prof. Dr. med. Frank Wohlrab, ehem. Institut für Pathologie, am 17. Juni Fakultät f. Physik u. Geowissenschaften 65. Geburtstag Prof. Dr. Peter Bräuer, Institut für Experimentelle Physik I, am 21. Mai Der Rektor der Universität und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich. (Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.) journal Personalia Kurz gefasst Der Direktor des Instituts für Germanistik der Universität Leipzig, Prof. Dr. Bernhard Meier, ist neuer Präsident der Deutschen Erich Kästner Gesellschaft. In seiner vier Jahre dauernden Amtsperiode möchte der Wissenschaftler den Fokus der Öffentlichkeit vor allem auf das belletristische und journalistische Wirken Kästners (1899–1974) legen. Insbesondere die Jahre des Autors in Leipzig 1919–1927, wo er sich mit bissigen Zeitungskommentaren nicht immer zur Freude der Stadtoberen in die Ratsgeschichte eingemischt habe, seien noch weitgehend unerforscht. In den erlauchten Kreis der amerikanischen National Academy of Sciences ist jetzt der geschäftsführende Direktor des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und Honorarprofessor am Institut für Zoologie, Prof. Dr. Svante Pääbo, berufen worden. Prof. Dr. Klaus Bochmann, Leiter des Instituts für Romansitik, wurde am 5. Mai von der rumänischen Universität Alba Iulia die Ehrendoktorwürde verliehen. Prof. Dr. Siegfried Gottwald, Institut für Logik und Wissenschaftstheorie, ist jetzt Mitglied der Herausgebergremien der internationalen Zeitschriften „Studia Logica“ und „Information Sciences“. Außerdem ist er für drei weitere Jahre Herausgeber für das Themengebiet „Non-classical logics and fuzzy set theory“ der internationalen Zeitschrift „Fuzzy Sets and Systems“. Das Präsidium der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat Prof. Dr. Werner Ehrmann, Institut für Geophysik und Geologie, in den Landesausschuss für das Scientific Committee on Antarctic Research und für das International Arctic Science Committee (SCAR/IASC) berufen. Prof. Dr. Reinhard Wießner, Institut für Geographie, wurde von der Ungarischen Geographischen Gesellschaft in Anerkennung seiner stadtgeographischen Forschungen und seiner Tätigkeit für eine bessere Zusammenarbeit deutscher und ungarischer Universitäten zum Ehrenmitglied gewählt. Prof. Dr. Zoltán Kovác, Ungarische Akademie der Wissenschaften und Eötvös Loránd Universität Budapest, hat für das Heft 3/2004 SS 2004 eine vom DAAD geförderte Gastdozentur am Institut für Geographie übernommen. Kovács hält Lehrveranstaltungen zur Politischen Geographie und zur Transformation in Ostmitteleuropa. Im Bereich der Forschung wird die langjährige Kooperation Budapester und Leipziger Geographen auf dem Gebiet der Stadt- und Wohnungsmarktforschung vertieft. Am 5. April verstarb 97-jährig der am 15. April 1906 geborene Prof. Dr. HansJürgen Troll. Er war lange Jahre als Professor für Pflanzenzüchtung an der Universität Leipzig tätig und arbeitete einst beim führenden Vererbungs- und Züchtungsforscher Erwin Baur in Müncheberg. Trolls Züchtungsarbeit war besonders herausragend bei der Futterpflanze Gelbe Lupine (Lupinus lutens). PD Dr. Annette Zeyner, Oberassistentin am Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik der Veterinärmedizinischen Fakultät, erhielt den Förderpreis der Henneberg-Lehmann-Stiftung der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. Der Preis wurde 2004 an drei Wissenschaftler vergeben. Dr. Zeyner erhielt den Preis in Anerkennung ihrer systematischen und grundlegenden Arbeiten zur Pferdeernährung sowie herausragender Leistungen in der Lehrtätigkeit. Prof. Dr. med. Joachim Thiery, Direktor des Institutes für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, wurde von der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Arterioskleroseforschung Münster für eine Amtszeit von vier Jahren in den Wissenschaftlichen Beirat des Leibniz-Institutes für Arterioskleroseforschung der Universität Münster berufen. Der Wissenschaftliche Beirat spielt eine herausragende Rolle bei der Initiierung und der Evaluation der Forschungsleistungen des Institutes. Prof. Dr. med. Ursula Froster, Direktorin des Institutes für Humangenetik, wurde in den Vorstand der Hochschulverbandsgruppe Leipzig gewählt. Die Verbandsgruppen werden auf Beschluss des Erweiterten Präsidiums des Deutschen Hochschulverbandes an den wissenschaftlichen Hochschulen in Deutschland gebildet. Prof. Dr. med. Henry Alexander wurde mit Wirkung vom 1. April 2004 zum Mit- glied der Sachverständigenkommissionen des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen ernannt. Die Medizinische Fakultät hat der Verlängerung der Gastprofessur für Prof. Frieder Berr, Salzburg, zugestimmt. Berr arbeitet auf dem Gebiet der photodynamischen Lasertherapie des Gallengangskarzinoms und der Hepatologie mit der Medizinischen Klinik und Poliklinik II zusammen. Die von Prof. Hans-Jürgen Glander geleitete Abteilung für Andrologie an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Veneralogie und Allergologie ist von der Deutschen Gesellschaft für Andrologie zum Ausbildungszentrum für Sachsen ernannt worden. Die führungsfähige Zusatzweiterbildung „Andrologie“ wurde erst kürzlich von der Bundesärztekammer beschlossen. Die Andrologie umfasst Prävention, Diagnostik, konservative Behandlung und Rehabilitation von Fertilitäts-, Ejakulations- und Erektionsstörungen, den sekundären Hypogonadismus, die Pubertas tarda sowie die Seneszenz des Mannes und partnerschaftliche Störungen. Prof. Dr. Peter Illes, Direktor des RudolfBoehm-Institutes für Pharmakologie und Toxikologie, wurde zum Ehrenmitglied der Ungarischen Pharmakologischen Gesellschaft berufen. In diesem Semester nahm das Internationale Graduiertenkolleg „Diffusion in Porous Materials“, in dem Arbeitsgruppen der Universitäten Amsterdam, Delft und Eindhoven mit Studenten und Wissenschaftlern der Leipziger Fakultäten für Physik und Geowissenschaften sowie Chemie und Mineralogie zusammenarbeiten, seine Arbeit auf. Den Auftakt gab Prof. Dr. Freek Kapteijn, Delft University of Technology, holländischer Sprecher des Graduiertenkollegs, mit einem Sonderkolloquium zum Thema „Zeolite Membranes: What are they good for?“. Im Anschluss an den Vortrag präsentierten sich die ersten Bewerber für die Doktoranden- bzw. Postdoktorandenplätze des Kollegs. Prof. Dr. Klaus Lange vom Institut für Empirische Wirtschaftsforschung hat vom Präsidenten der Universität Lyon die „Médaille de l’Université Lyon 2“ für seine Verdienste beim Aufbau des deutsch-französischen Doppeldiplomstudienganges Wirtschaftswissenschaften verliehen bekommen. 29 Ernst Bloch schreibend in Leipzig im Garten der Wilhelm-Wild-Straße 8. Foto: Ernst-Bloch-Zentrum Ludwigshafen Spuren in Leipzig Eine Annäherung an das Wirken Ernst Blochs Von Dr. Wilfried Korngiebel (Bochum), Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie Im April 1949 verlässt das polnische Schiff „Batory“ den Hafen von New York, sein Zielhafen ist Gdynia. Unter den Passagieren: der Verleger und Schriftsteller Wieland Herzfelde mit seiner Familie und – zunächst noch ohne seine Angehörigen – der Philosoph und politische Publizist Ernst Bloch. Ihre Rückkehr aus dem Exil wird sie über Berlin nach Leipzig führen. Beide folgen ihrem Ruf an die Universität Leipzig, Herzfelde tritt eine Professur für Soziologie der neueren Literatur an, Bloch wird Ordinarius für Philosophie und Direktor des Philosophischen Instituts. Ausstellung zu den Leipziger Jahren Ernst Bloch lehrte zwischen 1948 und 1957 an der Universität Leipzig. Anknüpfend an die Ehrung Blochs durch die Stadt Leipzig im Jahr 2002 würdigt nun auch die Universität sein Werk. Bis zum 17. Juli zeigt die Kustodie unter dem Titel „Denken ist Überschreiten. Ernst Bloch in Leipzig“ eine Ausstellung, die Blochs Leipziger Jahre anhand seiner Publikationen sowie durch Tonund Bildmaterial (Zeitzeugen-Interviews, Fotos) und Akten, z. B. die StasiUnterlagen, dokumentiert. Die Ausstellung in der Galerie im Hörsaalbau soll zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit und der jüngeren Geschichte der Leipziger Universität anregen. Sie ist montags 12–17 Uhr, dienstags bis freitags 9–17 Uhr und samstags 9–12 Uhr geöffnet. 30 Im April 1944 hatten Herzfelde und Bloch gemeinsam mit neun anderen Schriftstellern in New York den Autoren-Verlag „Aurora“ für deutschsprachige Literatur gegründet. Der Verlag verstand sich als eine Tribüne der antifaschistischen Exilliteratur und wollte „nach dem Zusammenbruch des Hitlerregimes“, wie es in der Gründungserklärung hieß, „am kulturellen Wiederaufbau“ in Deutschland und Österreich teilnehmen. Der Neubeginn von 1945 stellte die Hitlergegner in ihren Exilländern vor eine schwere Wahl. Während Schriftsteller wie H. Mann oder der Philosoph Marcuse in den USA blieben, gingen andere Intellektuelle wie Horkheimer, Adorno und Sonnemann in die Bundesrepublik, um sich konsequent dem Programm einer „Erziehung nach Auschwitz“ zu widmen. Wie Brecht, Herzfelde, Eisler, Heym, Kofler u. a. entschied sich auch Bloch in einer noch offenen Situation für die DDR, die den Antifaschismus auf ihre Fahnen geschrieben hatte. An der Universität begann Bloch mit seinen Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie. Zugleich bearbeitete er die Tausenden von Manuskriptseiten, die er im Exil geschrieben hatte, zur Veröffentlichung. Seit „Erbschaft dieser Zeit“ (Zürich, Okt. 1934) hatte Bloch lediglich Aufsätze veröffentlichen können, mit Ausnahme der knapp 200 Seiten starken Studie „Freiheit und Ordnung. Abriss der Sozialutopien“, die 1946 in New York bei „Aurora“ erschienen war und später als 36. Kapitel in „Das Prinzip Hoffnung“ eingegliedert wurde. Die Leipziger Jahre wurden zu einer Zeit fruchtbaren Schaffens. Nun erschienen Blochs Schriften Schlag auf Schlag. Die große Hegel-Studie „SubjektObjekt“ wurde 1951 veröffentlicht, 1952 erschien die kleine Schrift „Avicenna und die Aristotelische Linke“. Mit einer weiteren kleinen, gesellschaftlich hochaktuellen Studie „Christian Thomasius, ein deutscher Gelehrter ohne Misere“, 1953 publiziert, erinnerte Bloch an den Leipziger Frühaufklärer. 1955 folgte die Broschüre „Differenzierungen im Begriff Fortschritt“. 1954, 1955 und 1959 erschienen die drei Bände des Blochschen Hauptwerks „Das Prinzip Hoffnung“. Zudem wurde 1960 „Thomas Münzer als Theologe der Revolution“ (1921) neu aufgelegt. Doch noch bevor der dritte Band des Hauptwerks in der DDR veröffentlicht werden konnte, sollte sich bereits die gesellschaftliche Misere des deutschen Gelehrten Bloch zeigen. Auch im „Prinzip Hoffnung“ fällt der Blick nicht nur immer wieder auf Abseitiges, scheinbar Marginales, sondern auch auf zu Unrecht oder mit Absicht Vergessenes. In dieser enzyklopädisch angelegten Phänomenologie des „Noch-Nicht“ will Bloch im Rekurs auf den jungen Marx zeigen, „dass die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von dem sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen“. Bloch entfaltet sein grundlegendes Theorem des „antizipierenden Bewusstseins“, der imaginären und gedanklichen Vorwegnahme des noch Ungewordenen, in Auseinandersetzung mit der journal Personalia Psychoanalyse. Geradezu ins Auge springt dabei seine äußerst vehemente Kritik am archaisch-phylogenetischen Paradigma der Archetypen-Lehre des abtrünnigen FreudSchülers C. G. Jung, dem Bloch seine eigene, historisch gesellschaftlich ausgerichtete Theorie kollektiver „Grundbilder der Phantasie“ entgegenstellt. Freilich geht es um mehr. Ebenso wenig wie Adorno oder Marcuse wollte Bloch vergessen, dass der Schweizer Jung mit dem deutschen Faschismus kollaboriert hatte. Die Schärfe der Polemik Blochs erklärt sich vor diesem Hintergrund und gilt allgemeiner einem Intellektuellentypus, der sich durch Kollaboration wie durch spätere Distanzierung eine Kontinuität seines Einflusses sicherte. Allerdings gab es im Weltbild des Antifaschisten Bloch einen politisch blinden Fleck. Zwar hatte sich Bloch auf dem philosophischen Gebiet des Marxismus stets als ein Streiter gegen Dogmatismus und „dummen Materialismus“ erwiesen. Doch anders als bei seinen Freunden Walter Benjamin, Brecht und Eisler sind von ihm auch im Privaten keine grundsätzlich kritischen Äußerungen über das Stalinsche System, dessen Politik und Justizpraxis bekannt geworden. Erst in der DDR-Zeit vollzog sich bei ihm eine Wende, eine Neubestimmung seiner linksintellektuellen Position. Die halben Enthüllungen des XX. Parteitags der KPdSU vom Februar 1956 haben ihn wie ein Schock getroffen. Nach der Verarbeitung dieser Erkenntnis wagte er sich weit vor, seine Kritik an bürokratischen Zuständen in der DDR wurde deutlicher, er erhoffte Reformen, ein „Tauwetter“, das nicht kam, und geriet in die Schusslinie der Obrigkeit. Bloch wurde unbequem, man entdeckte in seinem Denken der „konkreten Utopie“ Ausrichtungen, die mit dem Staatsmarxismus nicht vereinbar waren. Der Leipziger Philosoph Rugard Otto Gropp hatte 1949/50 bereits zum Sturz Leo Koflers an der Universität Halle beigetragen. Nun tat er sich unter denen hervor, die Bloch einer „Revision des Marxismus“, d. h. eines „humanistischen Sozialismus“ und „Utopismus“ bezichtigten. Bloch musste in dieser Auseinandersetzung mit der SED-Hierarchie unterliegen: 1957 erfolgte seine Zwangsemeritierung. Im August 1961 auf einer Westreise vom Bau der Mauer überrascht, kehrte er nicht mehr zurück. Als außerplanmäßiger Professor in Tübingen wurde er dann zum Mentor der antiautoritären Protestbewegung, trat angesichts des Vietnamkrieges, der Niederschlagung des Prager Frühlings und der bundesdeutschen Notstandsgesetzgebung als Warner und Mahner in Erscheinung – und als Autor bahnbrechender philosophischer Spätwerke. Bloch blieb ein nonkonformistischer Intellektueller, der die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis keiner Doktrin beugen wollte. Dr. Wilfried Korngiebel, geb. 1956, Literaturwissenschaftler und Philosoph, ist Mitglied der Ernst Bloch Gesellschaft. Im laufenden Semester leitet der Bochumer am Institut für Philosophie der Universität Leipzig ein Seminar zu „Geschichte und Hoffnung – Ernst Blochs Philosophie des Utopischen“. Der Leipziger Olaf Miemiec bietet ein weiteres Seminar an: „Ernst Blochs Haltung zur Philosophie“. Eine Rezension zur neuesten Bloch-Biographie von Arno Münster In kräftigen Farben Arno Münster, deutscher Philosophieprofessor im französischen Amiens, legt eine Biografie vor zu Ernst Bloch (1885–1977), die sich politisch nennt; der französische Originaltitel von 2001 bleibt da bescheidener und letztlich auch überzeugender am Leben und Werk des deutsch-jüdischen Philosophen: „L’utopie concréte d’Ernst Bloch – une biografie“. Münster setzt durchaus Maßstäbe. In 38 Kapiteln portraitiert er, gewiss nicht immer mit hinreichender Distanz, Blochs Werdegang vom antifaschistischen Emigranten zum Nationalpreisträger, vom aufbrausenden, auch selbstgefälligen Jüngling zum Weltweisen, vom Beobachter eines funkelnden Alltags bis zum Schöpfer einer monumentalen Enzyklopädie. Eine politische Biografie ist Münsters Text wohl kaum zu nennen. Zu dicht bleibt sie an der faszinierenden Persönlichkeit, zu sehr werden zeitgeschichtliche Kontexte nur en passant ausgeleuchtet. Der Forschungsbedarf ist erheblich – die bei Suhrkamp verlegte Gesamtausgabe bedarf dringend einer Aufarbeitung. In kräftigen Farben beschreibt Münster, wie Bloch die Früchte seines philosophischen Schaffens „seinem Leben geradezu abgetrotzt hat“. Besonders anschaulich gelingt Heft 3/2004 es ihm am Beispiel der vielen Exilstationen. Mit 64 Jahren wird Ernst Bloch aus seinem US-Exil auf den Lehrstuhl für Philosophie der Universität Leipzig berufen; in einem Alter, wo sich andere auf die Emeritierung vorbereiten, kommt er endlich in Kontakt mit Studenten, mit denen er sich „schnell auf das Beste verband, weil er sie allesamt an Jugendlichkeit übertraf“, wie sein Schüler Jürgen Teller berichtet. „Lese im großen Hörsaal: Philosophische Grundfragen. Seminar über den Stoff der Vorlesung. All das fällt mir recht leicht, kostet mich nicht viel Zeit. Habe ein schönes, altmodisch-klösterliches Institut, mit 5 Zimmern, großem Seminarraum. Der Professorentitel bricht bei den servilen Deutschen das Eis, indem ich mich wohlfühlte“. 1957 in Ungnade gefallen und zur Emeritierung veranlasst, kam er 1961, überrascht vom Mauerbau, von einem Besuch der Bayreuther Festspiele nicht zurück. In seinem letzten Exil in Tübingen blieb der inzwischen hochbetagte und hochverehrte zornige Prophet der Hoffnung unbequem und wurde zu einem Mentor der 68er-Bewegung. In Leipzig lebte Ernst Bloch von 1949 bis 1961 und bewohnte mit seiner Familie eine kleine Villa in der Wilhelm-Wild-Straße in Schleußig. „Was aber hat schließlich die Messestadt Leipzig wegen jener acht Jahre öffentlicher Wirksamkeit Blochs mit dieser Philosophie zu tun? Oder was hat sie von ihr gehabt? Zu tun hatte sie damit durch die Leute, die Bloch kannten, ihm wohl wollten oder an den Kragen. Von ihm gehabt hatten Leipzig und seine Studenten einen bedeutenden Lehrer und Gelehrten und eine Leitfigur für denkerische Konsequenz sowie für Unbotmäßigkeit in einer Zeit geistiger Mäßigkeit und widerwärtiger politischer Willkür. Und für alle, wenn sie nur wollen, die docta spes, die begreifbare, lernbare Hoffnung in eine Welt, die sie braucht wie nie zuvor.“ Jürgen Teller, sein leidgeprüfter Assistent aus den 50er Jahren, sah in ihm einen großen Leipziger. Münster hat mit seiner Biografie einen wichtigen, systematisierenden Beitrag geleistet; für Blochs Werk und Wirken, auch für und in Leipzig. Sie ist gewiss nicht der letztgültige Wurf. Gelungen und lesenswert ist sie allemal. Dr. Siegfried Haller, Initiator des „Leipziger Bloch Freundeskreises“, Jugendamtsleiter Arno Münster: Ernst Bloch. Eine politische Biographie. Philo & Philo Fine Arts 2004. 442 S., 29,90 €, ISBN 3-8257-0357-6 31 Personalia Ein Mann, der „aufs Vollkommenste“ wirkte Zum 200. Geburtstag des Chemikers und viermaligen Uni-Rektors Otto Linné Erdmann Von Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Beyer, Fakultät für Chemie und Mineralogie, und Prof. Dr. Horst Remane, Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg „Genie ohne Fleiss hat in den Wissenschaften noch nie Grosses geleistet und andererseits, wenn irgend Etwas das Genie in den Wissenschaften ersetzen kann, so ist es der Fleiss.“ O. L. Erdmann, 1861 Am 11. April jährte sich zum 200. Male der Geburtstag von Otto Linné Erdmann, der von 1830 bis 1869 das Ordinariat für (Technische) Chemie an der Universität Leipzig bekleidete (Er starb am 9. Oktober 1869). Erdmann zählt zu den bedeutenden Wegbereitern der Chemie und engagierte sich mit nachhaltigem Erfolg für die Universität und darüber hinaus für die Stadt Leipzig und die Region. Sein Wirken fiel in eine Zeit, die durch tiefgreifende Umbrüche gekennzeichnet ist. Die Chemie, traditionell als Hilfswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universitäten angesiedelt, gewann mit ihrem Transfer in die sich etablierende Philosophische Fakultät zunehmend ihre disziplinäre Eigenständigkeit. Erst Mitte der 1820er Jahre hatte der Ordinarius für Chemie an der Universität Gießen Justus Liebig mit der Einführung des modernen Laboratoriumsunterrichts eine neuartige und spezifische Chemikerausbildung eingeführt. Er hat damit das Berufsbild des Chemikers begründet. Erdmann setzte das Prinzip von Liebig mit Erfolg in Leipzig um. Im Jahre 1861 veröffentlichte er in der von seinem Fachkollegen Hermann Kolbe so bezeichneten „lichtvollen kleinen Schrift“ „Ueber das Studium der Chemie“ eigene Erfahrungen und grundlegende Gedanken über Ziele und Wege der Chemikerausbildung, von denen viele bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben: „Wer die Methoden der Wissenschaft nicht kennt, der muss ihre Lehren nur auf die Autorität grosser Na32 Fakultät ein zweites Ordinariat für Technische Chemie neben der im gleichen Jahr erfolgten Umwandlung des Extraordinariats für Chemie in das Ordinariat für Allgemeine (Theoretische) Chemie mit der Besetzung von Otto Bernhard Kühn als Nachfolger von Christian Gotthold Eschenbach. Erdmanns Ordinariat ging 1835 endgültig in die Philosophische Fakultät über. Somit hatte die Leipziger Universität frühzeitig zwei exponierte Vertreter der Chemie und etablierte sich im Vorderfeld der deutschen Universitäten bei der Entwicklung dieses Wissenszweiges. Nachhaltiger Einfluss auf die Entwicklung der Chemie Otto Linné Erdmann men hin annehmen, Beweise hat er nicht, denn die Beweiskraft des Experiments existiert nur für den, der genaue Kenntnisse von der Art seiner Anwendung hat, wie sie allein durch die Erfahrung gewonnen wird.“ Diese Aussage gewinnt zusätzlich an Bedeutung wenn man berücksichtigt, dass die Chemie eine noch junge Wissenschaft war. Die klassische Chemie etablierte sich mit zunehmendem Erfolg. Erdmann war in diesem Prozess Zeitzeuge und engagierter Mitgestalter, welcher in engem Kontakt mit führenden Chemikern seiner Zeit, so mit Friedrich Wöhler, stand. Tiefgreifende Veränderungen vollzogen sich auch an der Universität, die aus der Universitätsreform von 1830 resultierten. Mit der Berufung von Erdmann im Jahre 1830 bekam die Universität Leipzig in der Medizinischen Als Forscher leistete Erdmann Bedeutendes. Am Anfang seiner Tätigkeit stand eine Schrift über das Nickel. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen, die er als Leiter der Nickelhütte Hasserode gesammelt hat, gibt er detaillierte Anleitungen zur Gewinnung von Nickel und dessen Verarbeitung zu Legierungen, darunter zu Weißkupfer. Dabei spielen neben der Chemie und der Analytik Aspekte der Verfahrensoptimierung eine dominierende Rolle. Von nachhaltigem Einfluss auf die Entwicklung der Chemie waren die exakten Atommassebestimmungen, die Erdmann gemeinsam mit Richard Felix Marchand ausführte. Bestimmungen von relativen Atommassen chemischer Elemente waren seit der Begründung der chemischen Atomtheorie durch den Engländer John Dalton im Jahre 1808 ein Kernstück der sich etablierenden quantitativen Chemie. Im Jahre 1814 hatte der Schwede Jöns Jacob Berzelius eine Tabelle mit Atommassen von erstaunlicher Genauigkeit veröffentlicht, die er später noch weiter präzisieren konnte. journal Personalia Als im Jahre 1841 der Franzose Jean-Baptiste André Dumas zusammen mit dem Belgier Jean Servais Stas die Atommasse des Kohlenstoffs berichtigten, kam es zum Streit mit Berzelius, denn der neue Wert für Kohlenstoff zog eine Korrektur aller anderen bekannten relativen Atommassen nach sich. Erdmann und Marchand konnten die Ergebnisse von Dumas und Stas als exakt bestätigen. Darüber hinaus haben sie weitere Atommassen-Bestimmungen vorgenommen, u. a. von Wasserstoff, Calcium, Quecksilber, Schwefel, Eisen und Kupfer, die 1861 von Erdmann in klärende Diskussionen auf dem I. Internationalen Chemikerkongress in Karlsruhe eingebracht wurden. Diese Arbeiten gingen konform mit Erdmanns zahlreich vorgenommenen Analysen von Erzen, Mineralien und Schlacken. So ist es nur folgerichtig, dass sich der Hüttenchemiker aus dem Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel bei Aue, der später berühmte Entdecker des chemischen Elementes Germanium, Clemens Winkler, an dessen 100. Todestag erinnert sei, durch Vermittlung von Erdmann zwei Abhandlungen bei der Fakultät einreichte und damit in Leipzig am 7. 2. 1864 mit einem sehr positiv gehaltenen Hauptgutachten unseres Jubilars promoviert wurde. Mit der Synthese der Verbindung Ammonium-diammintetra-nitrocobalt(III), die später Erdmannsches Salz genannt wurde, gelang ihm ein früher Einstieg in die an der Universität Leipzig traditionell gewachsene Komplexchemie. Besondere Verdienste von Erdmann betreffen das Gebiet der Organischen Chemie. Unabhängig von dem Franzosen Augustin Laurent entdeckte er bei seinen Untersuchungen über Indigo den Farbstoff Isatin und die Isatinsäure. Im Jahre 1846 konnte Erdmann durch Einwirkung von Salpetersäure auf verschiedene Harze Styphninsäure gewinnen. Der Name Erdmann ist verbunden mit zahlreichen wissenschaftsorganisatorischen Tätigkeiten. Hervorhebenswert ist die Begründung der Fachzeitschrift „Journal für praktische Chemie“ im Jahre 1834. Immerhin hat er dieses bedeutende Leipziger Chemie-Journal bis zu seinem Ableben geführt, und es hat bis zum Jahre 2000 existiert. Durch sein Engagement entstand ein für die damalige Zeit modernes chemisches Laboratorium im Friedericianum, das im Jahre 1843 bezogen werden konnte. Die Entwürfe für das Friedericianum – ehemals gegenüber der heutigen MoritzHeft 3/2004 Das Friedericianum, ehemals gegenüber der heutigen Moritzbastei gelegen. Durch Erdmanns Engagement entstand hier ein für die damalige Zeit modernes chemisches Laboratorium, das im Jahre 1843 bezogen werden konnte. Unten: Faksimile des Deckblatts des ersten Bandes des „Journals für praktische Chemie“. Quelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig bastei gelegen – stammen vom Universitäts- und Stadtbaumeister Albert Geutebrück, während Erdmann an der Planung, Durchsetzung der Finanzierung und Umsetzung der Pläne maßgeblich beteiligt war. Insgesamt viermal, in den Jahren 1848, 1854, 1855 und 1862, stand er als Rektor der Universität vor. Dazu schrieb Kolbe im Nekrolog: „Wie er seine Stellung als Lehrer aufs Vollkommenste ausfüllte, so auch die Ehrenstellen, welche die Universität wiederholt ihm übertrug. Unter den schwierigen Bedingungen der Jahre 1848 und 1849 gelang es ihm, als Rector magnificus sich im Ansehen zu erhalten und Vertrauen zu erwerben […].“ Neben seiner Tätigkeit an der Universität war Erdmann Lehrer der Naturwissenschaften an der öffentlichen Handels-Lehranstalt und engagierte sich mit Sonntagsvorlesungen über Gewerbetechnik und Chemie für die Weiterbildung Leipziger Bürger. Im Direktorium der Leipzig-Dresdener-Eisenbahn-Gesellschaft und durch angewandte Forschung zum Ersatz von teurem englischen Steinkohlenkoks durch preiswerten sächsischen mittels Zuschlag von Kalkhydrat zur Entschwefelung und besseren Asche-Verschlackung half er, die enorm wichtige und 1837 realisierte erste deutsche Fernbahnverbindung vorzubereiten und funktionsfähig zu machen. Als Vorsitzender der Polytechnischen Gesellschaft zu Leipzig gehörte er zu den 20 Mitgliedern des Gründungsvereins der am 1. Juli 1846 gebildeten Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Schließlich sei noch aus der Vielzahl wahrgenommener Funktionen die des Vorsitzes des Leipziger Kunstvereins hervorgehoben, nicht nur durch die „Behandlung geschäftlicher Gegenstände“, sondern auch durch eigene wissenschaftliche Aufsätze und Vorträge über Kunst und künstlerische Fragen. So erhellt sich das Bild eines hervorragenden Gelehrten der Alma mater Lipsiensis, dessen Andenken in Ehren gehalten und dessen Vermächtnis durch die Fakultät für Chemie und Mineralogie mit Leben erfüllt wird. 33 Personalia Neu berufen: Neu berufen: Neu berufen: Andreas Dietz Wolfgang Kühn Frank Kalter Er bekennt sich als leidenschaftlicher „Networker“, der aus der Zusammenarbeit immer neue Ideen schöpft und in sein Fachgebiet einbringt. Leipzig mit seinen vielen Vernetzungen kommt ihm da gerade recht, so dass er sich gern um den Lehrstuhl bewarb. Die Rede ist von Andreas Dietz, Professor für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde/Plastische Operationen und neuer Direktor der gleichnamigen Uni-Klinik. Der gebürtige Darmstädter studierte in Budapest und Gießen Medizin und legte das 3. Staatsexamen an der Universität Heidelberg ab. Hier promovierte und habilitierte er sich und spezialisierte sich bald auf die Onkologie. Dabei hat er sich besonders dem Organerhalt bei Krebs verschrieben, wenn es das Krankheitsbild irgend zulässt. Insbesondere beim Kehlkopfkrebs kann er auf gute Ergebnisse verweisen: Eine multizentrische Studie ergab, dass 70% der Patienten, die organerhaltend behandelt wurden, bisher eine Drei-JahresÜberlebensrate bei guter Lebensqualität haben. Das wichtigste für die Patienten: Ihnen blieb sowohl ihre Stimme erhalten als auch die Fähigkeit des Schluckens. Jetzt gehe man daran, die erfolgreichen Methoden im internationalen Kontext zu testen. Sein wissenschaftliches Interesse schließt grundsätzliche onkologische Fragestellungen wie die Epidemiologie von Kopf-HalsTumoren, insbesondere die Risikofaktorenanalyse, Tumoroxygenierung und die Tumor-Stroma-Interaktion ebenso mit ein wie Fragen des Qualitätsmanagements, der Prozessstrukturierung und der Effektivitätsanalyse. Entsprechend seiner Neigung zur interdisziplinären Zusammenarbeit will er sich wissenschaftlich einbringen in bestehende Zentren am Universitätsklinikum. Zur Seite steht ihm seine Familie: seine Frau und seine vier Kinder, die demnächst nach Leipzig nachkommen. Ihre Heimstatt haben die sechs schon gefunden. Da hat er trotz aller Arbeit sicher auch Gelegenheit, sein Schlagzeug zu spielen. B. A. leitet seit 1. März den Lehrstuhl „Verkehrsbau und Verkehrssystemtechnik“ an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Diesen Lehrstuhl „mit ganzheitlicher Lehre und Forschung“ aufzubauen, darin liegt für ihn der Reiz seiner Aufgabe. Er will ein „Kompetenzzentrum Verkehrsbau“ etablieren, das bei der Entwicklung des Verkehrswesens in Sachsen wissenschaftlich mitwirken soll. Prof. Dr.-Ing. habil. Kühn hat sich spezialisiert auf die Planung und den Entwurf von Straßenverkehrsanlagen und Verkehrsbauten. 1990 gründete er das Architektur- und Ingenieurbüro Delta-Plan, das inzwischen über Niederlassungen in Plauen, Chemnitz, Jena und Leipzig verfügt. Dort ist er weiterhin tätig und kann somit Lehre und Forschung gut mit der Praxis vernetzen. Verschiedenste Bauprojekte v. a. in Sachsen und Thüringen, aber auch in anderen Bundesländern, tragen Kühns Handschrift. 1994 wurde ihm für die Gestaltungskonzeption des Pflegeheims Jößnitz ein Architekturpreis verliehen. Für hervorragende städtebauliche Leistungen beim Stadtumbau Ost wurde er 2003 mit dem Innovationspreis des Landes Thüringen geehrt. Wissenschaftlich war Kühn bereits in Weimar, Magdeburg und Glauchau tätig – und vor allem in Dresden. 2002 bekam er den „Friedrich-List-Preis“ der TU Dresden für hervorragende wissenschaftliche Leistungen im Verkehrsbau. An der TU habilitierte er sich zuvor im gleichen Jahr mit einer Arbeit zum Thema „Neuartige mathematische Modelle und Verfahren – ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Entwurfsmethodik von Straßen“. In Dresden hat Kühn auch studiert: Von 1973 bis 1977 absolvierte er sein Studium an der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“. Geboren wurde der inzwischen 49-Jährige aber im thüringischen Mühlhausen. Kühn ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seine Hobbys: Lesen, Radfahren und Tennisspielen. C. H. Bereits im Wintersemester hatte er die Professur für Soziologie vertretungsweise übernommen, nun hat er sie inne: Frank Kalter, der in diesen Tagen seinen 40. Geburtstag feiert, ist in Leipzig hängen geblieben. „Zum einen hat mir die Stadt auf Anhieb gefallen, zum anderen bietet das Institut für Soziologie ein ideales Umfeld für mich, vor allem weil es im Bereich der quantitativen Sozialforschung stark profiliert ist und eine umfassende Methodenausbildung betreibt“, sagt Prof. Kalter. „Wie schon mein Vorgänger möchte ich das wichtige Programm einer ‚erklärenden‘ Soziologie und einer theoriegeleiteten empirischen Sozialforschung hier weiterverfolgen“, fügt der gebürtige Koblenzer hinzu. „Inhaltlich will ich dabei vor allem auf dem Gebiet der Migration und der Integration von ethnischen Minderheiten beitragen.“ In diesem Bereich hat sich Kalter in seiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit bereits stark profiliert. Sein besonderes Augenmerk gilt dabei Mechanismen, die in Bereichen wie dem Arbeitsmarkt oder dem Bildungssystem zu einer Verfestigung von ethnischen Ungleichheiten führen. In seiner Habilitation unternahm er einen interessanten Ausflug in die Welt des deutschen Ligenfußballs, um auch hier Prozesse der strukturellen Assimilation von Migranten zu untersuchen. Die Arbeit wurde 2003 im Westdeutschen Verlag unter dem Titel „Chancen, Fouls und Abseitsfallen“ veröffentlicht. In Mannheim hat Kalter in den 1990er Jahren und zuletzt 2003 am universitären Zentrum für Europäische Sozialforschung gearbeitet. 1997–2002 war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre der Universität Mannheim. Studiert hat er allerdings in Köln, Mathematik und Sozialwissenschaften auf Lehramt. Lehraufträge führten ihn später nach Bern und Heidelberg. In seiner Freizeit treibt er gern Sport (früher Fußball, heute Tennis und Radfahren) und kümmert sich um seinen Beagle. C. H. 34 journal Personalia „Soziales Sprachrohr auf wissenschaftlicher Ebene“ Der Koreaner Kang ist neuer Leibniz-Professor Sang Jung Kang ist ein Zugpferd. Das wissen japanische Fernsehsender, die ihn immer wieder in politische Talkshows einladen. Und das zeigte sich auch, als er Ende April seine Antrittsvorlesung als LeibnizProfessor hielt: Der Vortragssaal der Universitätsbibliothek war bis auf den letzten Platz gefüllt, auch viele Japanologie-Studenten hatten sich eingefunden. Professor Kang sparte in dieser Vorlesung nicht mit Kritik an Japan, wo er sich als Vertreter der koreanischen Minderheit regelmäßig für deren Belange einsetzt. Vor allem die USA-zentrierte Politik Japans findet Kang bedenklich. Europa hingegen, so sehr es auch selbst vor Problemen stehe, stelle für die Supermacht USA eine Herausforderung dar. Kang sprach über „America’s Japan, Japan’s Japan and Asia’s Japan“ – letzteres müsse sich erst noch entwickeln. „Die Beziehungen Japans zu seinen Nachbarn sind noch viel zu instabil“, so Professor Kang. Der 53-Jährige zählt in Japan zum linksliberalen Lager und findet mit seiner kritischen Haltung seit langem im Ausland Beachtung. Er ist der erste in Japan lebende Koreaner, der Professor an der Universität von Tokio wurde. Zuvor hatte er nach sei- Sang Jung Kang Foto: Armin Kühne ner Promotion in politischer Philosophie und der intensiven Auseinandersetzung mit Max Weber an mehreren japanischen Universitäten als Lektor und Assistenzprofessor gearbeitet. Jetzt beschäftigt er sich am „Institut für Sozialinformation und Kommunikationswissenschaft“ u. a. mit der Rezeption Asiens und des „Westens“ in der japanischen Öffentlichkeit sowie dem Me- diensystem des Nachkriegsjapans im Zusammenhang mit Nationalismus, nationaler Identität und der Aufarbeitung der Kriegesvergangenheit. Im Gespräch mit dem Journal bezeichnete sich Kang selbst als „soziales Sprachrohr auf wissenschaftlicher Ebene“. Er sehe sich „irgendwo zwischen akademischer Welt und Journalismus“. Ein streitbarer Mann, der mit seinen Themen, so erklärte Prof. Dr. Steffi Richter, Direktorin des Ostasiatischen Instituts, „unsere Studierenden nicht kalt lassen dürfte“. Auf die Diskussion mit den Studierenden freut sich Kang, der vor 20 Jahren für ein Jahr als Postgraduiertenstudent in Nürnberg lebte, denn auch besonders. „Mit ihnen möchte ich über die zukünftige Weltordnung reden – wie sie sein könnte, wie sie sein sollte“, kündigte Professor Kang an. „Die Gelegenheit dazu gibt mir diese so wichtige Berufung, die ich als eine große Ehre empfinde.“ Carsten Heckmann Die Leibniz-Professur ist eine Einrichtung am Zentrum für Höhere Studien. Weitere Informationen gibt es im Internet: www.uni-leipzig.de/zhs/zhs/leibniz Bekannte Enzyme werden exklusive Produkte Zu den zehn besten Geschäfts- und Marketing-Konzepten, die in der Phase zwei des Business-Wettbewerbs „futureSAX – Gründen und Wachsen in Sachsen“ prämiert und mit je 1500 Euro belohnt wurden, gehört das der c-LEcta GmbH, in deren Team jetzige und ehemalige Angehörige der Universität Leipzig arbeiten. Wissenschaftlicher Leiter der c-LEctaGmbH ist Dr. Thomas Greiner Stöffele, Leiter der Nachwuchsgruppe Protein Engineering am Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum (BBZ) der Universität Leipzig, Geschäftsführer ist Dr. Marc Struhalla, ehemals Universität Leipzig, der im Zuge der genannten Initiative die Ausgründung leitet. Heft 3/2004 Die c-LEcta-GmbH verändert bekannte Enzyme zu exklusiven Produkten mit breiter Anwendung für den Enzymmarkt. Diese reicht von der Nutzung von Enzymen als Werkzeuge der Gentechnik bis zu deren Einsatz in Waschmitteln im Haushalt oder als Biokatalysatoren in der chemischen Industrie. Da natürlich entwickelte Enzyme nur selten genau die Eigenschaften aufweisen, die für eine wirtschaftliche Anwendung von Vorteil sind, müssen sie verändert und somit angepasst werden. Die neue Technologie der c-LEcta GmbH erlaubt die Durchführung dieser Anpassung mit einem Bruchteil des Kosten- und Zeitaufwandes verglichen zu am Markt etablierten Methoden. Zu den Preisträgern zählt außerdem die NeuroProgen GmbH, zu der u. a. Universitätsprofessor Johannes Schwarz gehört. Die NeuroProgen GmbH arbeitet an einer restaurativen Zellersatztherapie mit humanen neuronalen Vorläuferzellen für die Parkinsonsche Erkrankung. Nach erfolgreichen „proof of preclinical concept“ plant das junge Unternehmen jetzt die GMP-gerechte Herstellung und die klinischen Studien für die Zulassung des Zell Therapeutikums zu realisieren. Die Firma wurde 2001 gegründet und beschäftigt fünf Mitarbeiter. Im Rahmen des „StartUp“-Wettbewerbs erhielt sie die Auszeichnung zum Landessieger Sachsen 2002 und wurde für den Gründerpreis Deutschland nominiert. B. A. 35 Essay Schnittmuster für die Identität Eine Annäherung an das Konzept Schönheit Von Enrico Wolf, Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung Schönheit, Schön-Sein sind Konzepte, die heute mehr denn je Determinanten unserer Identität darstellen. Teils bewusst, teils unbewusst unterziehen wir uns tagtäglich mannigfaltiger Rituale der Selbstverschönerung. Diäten, modische Kleidung, Problemzonen-Gymnastik, Entfernen von Körperbehaarung, ein Piercing, ein Tattoo und wenn alles nichts hilft vielleicht sogar der Gang zum Chirurgen. Das Spektrum reicht von der Ernährungskultur bis zur sogenannten Schönheitschirurgie: Gerade die sich momentan als Leitwissenschaft etablierende Molekulargenetik nährt Fantasien, wie mit Hilfe gentechnischer Verfahren „schöne“ Menschen hergestellt und „hässliche“ Menschen vermieden werden können. Doch wie lässt sich Schönheit wissenschaftlich konzeptionalisieren. Es gibt eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Phänomen Schönheit beschäftigen. Allen voran und mit po- Im Dezember 2003 veranstaltete das Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (FraGes) der Universität Leipzig eine Tagung zum Thema „Schön oder hässlich? Normierung, Abweichung und Überschreitung geschlechtlicher Identitäten“, auf der kulturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche und medizinisch-naturwissenschaftliche Aspekte dieses Themas zur Sprache gebracht wurden. Das Zentrum arbeitet seit 2001 an der Vernetzung und Entwicklung von Projekten auf dem Gebiet der Frauenund Geschlechterforschung. Dabei werden insbesondere Nachwuchswissenschaftler und Studierende im Bereich Geschlechterforschung. wissenschaftlich unterstützt. 36 pulärer Breitenwirkung die Psychobiologie, die sich zum Beispiel damit beschäftigt, auf welche Gesichter Frauen oder Männer reagieren. Die Ergebnisse ähneln sich: „Männer suchen schöne Frauen, Frauen suchen reiche Männer“. Männer bevorzugen demnach Frauen mit vollen Lippen, dezentem Kinn und hohen Wangenknochen – Geschlechtsmerkmale, deren Konditionierung auf der Ausschüttung des weiblichen Sexualhormons Östrogen beruht, die also Fruchtbarkeit versprechen. Frauen dagegen reagieren differenzierter: Maskuline Typen sind während des Menstruationszyklus besonders gefragt, in den Phasen dazwischen finden aber die „Softies“ Absatz, versprechen sie doch einen Grad an Verlässlichkeit und Versorgungsqualitäten. Ungeachtet der Relevanz solcher Ergebnisse, verraten sie relativ wenig über die kulturelle Konditionierung der Reaktionen, die hier als Ergebnis präsentiert werden. Interessante Antworten dazu kommen aus dem Bereich der Gender- und Cultural Studies, die mittlerweile in vielen Genderforschungszentren an deutschen Universitäten institutionalisiert sind. Auch am Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig wird auf diesem Gebiet geforscht. Worauf beruhen unsere Vorstellungen von Schönheit, was legitimiert unser Schönheitshandeln und in welcher Beziehung stehen diese Komponenten zum Medium solcher Inszenierungen: zu unserem Körper? Identität vermittelt sich immer stärker durch das selbst entworfene Bild, das von anderen wahrgenommen wird. Das korreliert auf einer anderen Ebene mit dem zunehmenden Zwang zur Selbstdarstellung und Selbstinszenierung. Schönheit wird zum Erfolgsmuster für sozialen Status und persönliches Glück. Körperliche Fitness versinnbildlicht Flexibilität und Dynamik, Schönheit verspricht sozialen Erfolg. In unseren Vorstellungen über Schönheit, und der in ihr implizit mitgedachten Hässlichkeit ist ein Subjektverständnis eingeschrieben, das sowohl Geschlechterhierarchien als auch nationale und ethnische Hierarchisierungen transportiert. Dabei zeigt der ästhetische Begriff des Schönen definitorische Problematik. Hört man bei Definitionsversuchen oft den Satz „Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe“, so scheint für den Begriff der Schönheit das Element des nicht Beschreibbaren konstitutiv. Schönheit ist diskursiv, sie ist historisch veränderlich. Hier kommen kulturelle Konzepte wie Vorstellungsvermögen, kulturell verankerte Erklärungs- und Deutungsmuster usw. zum Tragen. Körper werden anhand gängiger Dichotomien als gesunde und kranke, richtige und falsche, alte und junge, schöne und hässliche, oder männliche und weibliche präsentiert. Auffällig ist der Konnex zwischen den Konzepten Schönheit und Geschlecht. Schönheit meint zuerst immer weibliche Schönheit. Wie der Begriff des „schönen Geschlechts“ belegt, verweisen die traditionellen Assoziationen auf die im Vordergrund stehende ästhetische Bewertung der physischen Attribute der Frau. Die Idealisierung der weiblichen Schönheit hält die Frau im Bereich der geist- und sprachlosen Natur, der Bild- und Dingwelt fest. Maskuline Schönheit erscheint hingegen eher als Modus der Kraft- und Machtrepräsentation, definiert durch seine ökonomische und politische Stellung. Gerade die in diesem Zusammenhang so oft thematisierte Schönheitschirurgie scheint dabei mit Widersprüchen behaftet, wie z. B. die Leipziger Medizinsoziologin Ada Borkenhagen untersuchte. Einerseits gilt sie als Unterdrückungsinstrument, andererseits erleben Patientinnen sich als aktiv Handelnde und diese Betonung der selbstbestimmten Agentenschaft gewinnt im Legitimationsdiskurs der Frauen an entscheidender Bedeutung. Einerseits haftet ihren Erfolgen etwas Künstliches an, andererseits geht es den Patientinnen um die Herstellung von Normalität. Einerseits vermittelt die Schönheitschirurgie ein Gefühl von Selbstkontrolle und Selbstbemächtigung, andererseits verweist sie auf das Verhältnis von Weiblichkeit, Körperlichkeit und Narzissmus und die diesem Verhältnis entspringende Verschränkung von Identität und Verkörperung, die in viel radikalerer Weise für Frauen als für Männer gilt. Einerseits ist der eigene Körper ein Ort der journal Essay | Habilitationen und Promotionen Habilitationen Medizinische Fakultät Dr. Dirk Uhlmann (4/04): Bedeutung und therapeutische Beeinflussung des Endothelin/Stickstoffmonoxid-Systems im Ischämie/ Reperfusionsschaden von Leber und Pankreas Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie Dr. Thomas Schuster (4/04): Märkte und Medien. Die Finanzmärkte im Zeitalter globaler Nachrichtennetze Promotionen Karikatur: oweiss.com Gefangenschaft und der Entfremdung, andererseits das vorrangige Ausdrucks- und Kontrollmittel des eigenen Selbst. Die in unserer Kultur oszillierenden Vorstellungen von Schönheit werden durch Werbung und Medien perpetuiert und zugleich unterlaufen. Ein diesbezüglich interessantes Phänomen ist die moderne Hardcore-Pornografie. Sie stellt heute ohne jeden Zweifel ein massenkulturelles Phänomen dar. Generell setzt sich die für das Alltägliche geltende Kontextualisierung des nackten Körpers im Film fort. So empfinden wir sexuelle Geschlechtlichkeit als schön, wenn sie vieldeutbar gestaltet als Erotik dem Charakter des Anspruchsvollen entspricht. Pornografie hingegen muss den Vorwurf ungestalteter Primitivität ertragen. Doch wie generiert sich dieser Kult des Profanen im pornografischen Film? Der pornografische Film steht im direkten Zusammenhang mit dem MainstreamFilm. So markiert Pornografie einen Bereich der Subversion, insbesondere der Subversion der im klassischen Kino perpetuierten gesellschaftlichen Klischees und Stereotype. Er verschreibt sich dabei einer „Ästhetik des Hässlichen“; zum einen thematisch, zum anderen strukturell. Zentral ist hier die Werthaftigkeit der Darstellung des Sexuellen. Die Verletzung der Scham, die Brechung des Schönen scheinen für den pornografischen Film konstitutiv. Auf der anderen Seite findet sich im pornografischen Film aber auch die Subversion des eigenen Genres. War der pornografische Film lange Zeit ein Genre, an dem sämtliche filmtechnische Neuerungen vorbeizuziehen schienen, so zeigt er seit den Heft 3/2004 siebziger Jahren Tendenzen sich dem Spielfilm ästhetisch anzunähern. Insbesondere Faktoren des production value, die Kategorien attraktiver Filme zu fassen suchen (z. B. Darsteller, Kostüme, Kulissen, Dramaturgie, Maske, Lichtgestaltung, Kameraführung, etc.), erfahren in den pornografischen Filmen eine Aufwertung. Es werden „schöne“ pornografische Filme produziert. In gleicher Weise wie jedoch der pornografische Film sich dem Mainstream-Film annähert, bringt das Genre Filme hervor, die diesen Annäherungsversuchen zuwiderlaufen und die Ästhetik der Hässlichkeit zur gestalterischen Maxime ausgeben. Was sich in dieser Diskussion zeigt, ist die Verbindung von Ästhetik und Moral und die Auffassung, dass das Schöne gut und das Hässliche schlecht ist. Ästhetische und moralische Kategorien sind miteinander verbunden und beziehen sich aufeinander. Diese symbolische Auseinandersetzung begründet die Randposition der Pornografie und betreibt gleichzeitig ihre interne Differenzierung, etwa in schöne und hässliche Pornografie und schafft somit ein Abbild der sozialen Hierarchie. Enrico Wolf M.A. ist Mitglied im Vorstand des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung. Er studierte in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaft, Kulturwissenschaften und Niederländische Philologie und arbeitet zurzeit an seiner Dissertation über die Ästhetik des pornografischen Films an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie. Juristenfakultät Dr. Matthias Korff (1/04): Beschlussmängelstreitigkeiten der Kapitalgesellschaft im Schiedsverfahren jeweils 2/04: Dana Bautzmann: Der Begriff des Vorteils im sächsischen Anschlussbeitragsrecht und die daraus resultierenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Globalberechung nach dem SächsKAG Dr. Kilian Friemel: Die Betriebsvereinbarung über Arbeitnehmererfindungen und technische Verbesserungsvorschläge Dr. Gunther Joachim Rieger: Umweltstandards im integrierten Umweltschutz Fakultät für Mathematik und Informatik Olaf Müller (4/04): Natural Geometric Quantization of First-Order Field Theories Sikiru Adigun Sanni (4/04): A coupled system of the Reynolds’, κ–ε and scalar concentration equations Fakultät für Chemie und Mineralogie Paolo Barzaghi (1/04): Kinetics and Mechanisms of the Reactions of OH and NO3 with Phenol and substituted Phenols in Aqueous Solution Stefan Schmidt (2/04): Synthese und Reaktionen von nichtnatürlichen Zucker-a-aminosäuren ausgehend von fermentativ gewonnener 2-Oxo-D-gluconsäure A. Iwan Hastiawan (2/04): Determination of Rare Earth Elements (REE) in minerals by ICP-atomic emission spectrometry using CCD-detection subsequent to microwave-assisted sample dissolution jeweils 3/04: Markus Jeschke: Neue Synthesestrategien und Untersuchungen zur Morphologie mesoporöser Materialien des Typs MCM-41 Stefan Gerber: Synthese, Kristallstrukturen und Untersuchungen von thiocyanato- und selenocyanatoverbrückten Übergangsmetallkomplexen Gábor Radics: Synthesis of New Types of a-Amino, (-Hydroxy and (-Mercapto Acid Derivatives and their Application for Peptide Modification Shaoying Wen: Kinetic and Spectroscopic Study of Probe Reactions in Solutions of Vesicle-forming Amphiphiles 37 Jubiläum 2009 Fundstücke von Fach zu Fach Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen zwei Universitätssammlungen Von Susanne Grunwald, Historisches Seminar (Ur- und Frühgeschichte), und Frank Bach, Institut für Geophysik und Geologie Durch eine glückliche Kooperation innerhalb der Leipziger Universität erfuhr die ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Alma mater 2002 und 2003 eine nicht hoch genug zu bewertende Ergänzung ihrer Bestände durch eine Übergabe aus der universitätseigenen Geologisch-Paläontologischen Sammlung. Es handelt Johannes Felix sich dabei um mehr als titut begonnen, und bis 2500 vornehmlich jungzu seiner Pensionierung paläolithische und neoli1933 leitete Felix auch thische Steingeräte des das Paläontologische Mu30. bis 3. Jahrtausends v. seum. Auf seinen zahlChr. sowie um verschiereichen Forschungsreisen denste Objekte aus sogesammelte er eigenhännannten Pfahlbausiedlundig eine außerordentlich gen der Schweiz und Südgroße Zahl geologischer, deutschlands (4. Jahrtaupaläontologischer und präsend bis 850 v. Chr.). historischer Objekte, die Nicht zuletzt die hervorer in guter alter Kustoragende Zusammenarbeit Gruppenbild mit Stein- und Knochengeräten. dentradition „seinem“ Painnerhalb der Arbeits- Nach der Überführung alter Bestände aus der geologisch-paläontololäontologischen Institut gruppe „Museen und gischen in die ur- und frühgeschichtliche Lehrsammlung ist die „Sammübereignete. Erwähnt sei Sammlungen“ unter Lei- lung Osborne“ wieder vereint. Aufgrund der gleichartigen Etiketten die Sammlung des sächsischen Rentiers und passionierten hier besonders eine eintung des Dezernats 5 für konnte Hobbyarchäologen Wilhelm Osborne aus dem 19. Jahrhundert identizigartige Sammlung mit Öffentlichkeitsarbeit und fiziert werden. Foto: M. Weicker 24 000 fossilen Korallen, Forschungsförderung hat einen zügigen und unbürokratischen Trans- universitäres Lehrfach dazu geführt, dass die nach kürzlich erfolgter wissenschaftfer der wertvollen Stücke ermöglicht. Er bis zur Einrichtung einer Professur für Ur- licher Neubearbeitung und Aufnahme in wird wohl nicht der letzte seiner Art gewe- und Frühgeschichte (1934) archäologische ein modernes Datenbanksystem wieder der sen sein, denn bei Revisionsarbeiten in den Themenbereiche unter anderem von der internationalen Fachwelt zur Verfügung Magazinen der Geologisch-Paläontologi- Professur für Geologie vertreten wurden. stehen. Auch einige spektakuläre Großschen Sammlung ist durchaus noch mit Eine außerordentliche Professur für Geo- fossilien wurden von Felix gesponsert. weiteren, für die Archäologie interessanten logie und Paläontologie hatte Johannes Ende 1936 genehmigte das Sächsische Felix (1859–1941) seit 1891 inne. In der Ministerium für Volksbildung der jungen „Funden“ zu rechnen. Diese Zusammenarbeit der beiden Fächer Leipziger Öffentlichkeit wurde Felix durch Professur für Ur- und Frühgeschichte Geologie und Ur- und frühgeschichtliche die Bergung, Präparation und Aufstellung 1 300 RM, u. a. „zum Ankauf der Samm(prähistorische) Archäologie hat Tradition. eines bei Borna gefundenen Mammuts lung heimischer Altertümer des Prof. FeSie reicht zurück bis in die Frühphase der bekannt, das eine der Hauptattraktionen lix“, die so zum Grundstock der zukünftibeiden Disziplinen und ist bis heute uner- des Grassi-Museums darstellte. Die wis- gen Lehr- und Studiensammlung beitrug. lässlich im Bereich der Quartärarchäolo- senschaftliche Laufbahn von Felix hatte zu Derart finanziert, gingen Ende der 1930er gie. In Leipzig hatte die relativ späte Eta- Beginn des I. Weltkrieges als Oberassis- Jahre 750 Tongefäße, eine kleine Anzahl blierung der Ur- und Frühgeschichte als tent am Geologisch-Paläontologischen Ins- von Scherben, „einige Dutzend Steingeräte 38 journal Jubiläum 2009 und an die 100 Bronzegegenstände“ an das urgeschichtliche Seminar über. Die zahlreichen Stein- und Knochengeräte der Sammlung Felix verblieben vorläufig im Geologisch-Paläontologischen Institut. Die prähistorische Sammlung erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Verluste, die einen Neubeginn erforderlich machten. Im Sommer 1948 stieß der neue Lehrstuhlinhaber Prof. Friedrich Behn in den Magazinen des Lehrstuhls für Geologie auf die zahlreichen prähistorischen Steinwerkzeuge, die zur Sammlung Felix gehörten. Da dieser Lehrstuhl zum damaligen Zeitpunkt unbesetzt war, wandte Behn sich mit der Bitte um eine Dauerleihgabe an den Rektor der Universität. Der Bitte wurde stattgegeben. Behn wählte zahlreiche „Hämmer, Messer, Schaber, Keile usw.“ aus Feuerstein und Felsgestein aus, die unter anderem ursprünglich aus dem Besitz des sächsischen Rentiers und passionierten Hobbyarchäologen Wilhelm Osborne stammten und wahrscheinlich um die Jahrhundertwende von Felix angekauft worden waren. Mit diesen insgesamt 214 Stücken trug die Sammlung Felix zum zweiten Mal zum Aufbau der ur- und frühgeschichtlichen Lehrsammlung bei. Die in den beiden letzten Jahren übergebenen Fundstücke aus süddeutschen und schweizerischen Feuchtbodensiedlungen stellen eine Kollektion dar, die durch ihre unterschiedliche Provenienz, ihre vielfältigen Materialien (Stein, Keramik, Knochen, Geweih, botanische Reste) sowie das breite zeitliche Spektrum vom Neolithikum bis zur Bronzezeit typisch für die Sammlertätigkeit um die Jahrhundertwende ist. Der seit 2002 schrittweise erfolgte geschlossene Übergang der Sammlung Felix an die prähistorische Lehrsammlung bedeutet nicht nur eine Entlastung für die mit ca. 400 000 Objekten (das sind immerhin deutlich über 300 m Schrankstellfläche) überaus reiche Sammlung für Geologie und Paläontologie, sondern bietet auch die Möglichkeit der wissenschaftlichen Aufarbeitung einer forschungsgeschichtlich bedeutsamen archäologischen Sammlung. Nach einer Schnellinventarisierung ist damit bereits begonnen worden. Derzeit werden die Funde einer neolithischen Feuchtbodensiedlung aus Überlingen am nordwestlichen Bodenseeufer bearbeitet. Dieser wichtige Fundplatz ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollständig, allerdings methodisch nur unzureichend ergraben worden und steht heute für Nachuntersuchungen nicht mehr zur Verfügung. Heft 3/2004 Gesichter der Uni Alfred Doren (1869–1934) Korrektur Manch einer wird es bemerkt haben: In Heft 2/2004 wurden auf S. 45 versehentlich die alten, fehlerhaften Beschreibungen zu den Abbildungen der „Böhmischen Tafel“ gedruckt. Laut Prof. Dr. Frank Zöllner vom Institut für Kunstgeschichte zeigt die Vorderseite der Tafel wahrscheinlich Maria, die dem hl. Dominikus das „vas electionis“ überreicht. Auf der Rückseite sind der Erzengel Gabriel und die Jungfrau Maria zu sehen (s. a. Text von Professor Zöllner, S. 44/45). Die Redaktion bittet, den Fehler zu entschuldigen. Das Historische Seminar gedenkt in diesem Jahr des 70. Todestages des renommierten Leipziger Wirtschafts- und Sozialhistorikers Alfred Doren. Am 15. Mai 1869 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Adolph Doctor in Frankfurt am Main geboren, studierte Doren, der seinen Namen nach der Promotion aus ersichtlichen Gründen änderte, in Bonn und Berlin Geschichte und Nationalökonomie. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten Karl Lamprecht, Heinrich von Treitschke und vor allem der bedeutende Nationalökonom der Historischen Schule Gustav von Schmoller, bei dem er 1892 mit einer wirtschaftshistorischen Arbeit promoviert wurde. Schmoller war es auch, der Doren für einen mehrjährigen Forschungsaufenthalt in Italien empfahl. Die Jahre in Italien und die gründliche Erforschung seiner Archive und Bibliotheken begründeten Dorens lebenslanges Interesse an der italienischen Wirtschaftsgeschichte. Schon hier begann er an seinem Hauptwerk zu arbeiten, den zweibändigen „Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte“. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habilitierte er sich in Leipzig und wurde 1908 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor ernannt. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Doren, immerhin schon 45-jährig, freiwillig zum Militärdienst. Nach dem plötzlichen Tod seines akademischen Lehrers Karl Lamprecht wurde ihm aber die kommissarische Leitung des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte übertragen. Ende 1915 wurde Doren in die Politische Abteilung des Generalgouvernements Belgien berufen, wo er an der Auswertung erbeuteter Akten aus belgischen Archiven beteiligt war. Die herausgegebenen und von Doren mitbearbeiteten Studien zur belgischen Wirtschafts- und Kolonialpolitik trugen aber deutlich propagandistische und agitatorische Züge. Nach dem Ende des Krieges war Doren zeitweise in Berlin tätig, bevor er 1923 auf das neu gegründete Extraordinariat für Wirtschaftsgeschichte der Universität Leipzig berufen wurde. Nach zehn Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit gehörte Alfred Doren zu den ersten Leipziger Hochschullehrern, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten im Herbst 1933 entlassen wurden. Er starb kurze Zeit später am 28. Juli 1934. Ronald Lambrecht, Historisches Seminar 39 Jubiläum 2009 Reich an Klanggeräten dank 800 000 Goldmark 75 Jahre Musikinstrumentenmuseum Von Birgit Heise, Musikinstrumentenmuseum Deutschlands größte Sammlung für historische Musikinstrumente befindet sich an der Leipziger Universität. Vor genau 75 Jahren gelang der Ankauf des berühmten Musikhistorischen Museums von Wilhelm Heyer aus Köln, konnte eine umfangreiche Kollektion von Klanggeräten des 16. bis 20. Jahrhunderts in die Messestadt überführt werden. Große internationale Beachtung wurde der feierlichen Eröffnung im Nordflügel des Grassimuseums am 29. Mai 1929 entgegen gebracht. Dank des Verhandlungsgeschicks und der Beharrlichkeit des Ordinarius für Musikwissenschaft Prof. Dr. Theodor Kroyer (1873–1945) erfuhr das hiesige Institut eine derart einmalige Bereicherung. Hinzu kam das Glück, dass ein großzügiger Spender ein Viertel der 800 000 Goldmark umfassenden Kaufsumme sofort zur Verfügung stellte. Der Verlagsinhaber von „Edition Peters“, Henri Hinrichsen (1868–1942), hatte sich bereits als Förderer zahlreicher Institutionen sowie als Gönner von Komponisten wie Edvard Grieg und Max Reger hervorgetan. Ihm wurde für seine Verdienste um das Museum die Ehrendoktorwürde der Universität verliehen; ein Saal erhielt seinen Namen. Das Leben dieses jüdischen Bürgers endete auf gewaltsame Weise in Auschwitz. Ungezählt waren die Schikanen der Nazis gegenüber der Familie Hinrichsen, aber die Universität leistete insofern Widerstand, als man sich weigerte, dem Ehrendoktor dessen Titel abzuerkennen. Von 1929 an bestand also an der Leipziger Universität die Möglichkeit, anhand originaler alter Klanggeräte das musische Ideal vergangener Epochen zu studieren. Kroyer, Musikwissenschaftler und Spezialist für die Renaissance, nutzte diese Möglichkeit ebenso wie seine Nachfolger ausgiebig. Seit nunmehr 75 Jahren findet Unterricht in der Sammlung statt, sei es in Instrumentenkunde, Aufführungspraxis oder 40 Henri-Hinrichsen-Saal im Grassimuseum, 1929 Professor Theodor Kroyer mit Studenten, ebenfalls 1929 journal Akustik, sei es für Studenten der Universität, der Musikhochschule oder Institutionen anderer Städte. Zu Kriegs- und Nachkriegszeiten musste der Unterrichtsbetrieb jedoch für mehrere Jahre reduziert werden. Der Bombenhagel im Dezember 1943 verursachte katastrophale Schäden; das Gebäude brannte vollständig aus. Glücklicherweise waren die meisten Instrumente zuvor in verschiedene Schlösser der Leipziger Umgebung ausgelagert worden, so dass etwa die Hälfte des Sammlungsgutes den Krieg überdauerte. Zur Zeit wird das Grassimuseum einer grundlegenden Rekonstruktion unterzogen. Die inzwischen über 5000 Exponate umfassende Kollektion ist ausgelagert. Ein kleiner Teil des Bestandes findet im Interim am Thomaskirchhof 20 vorübergehende Bleibe. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums präsentiert das Museum hier 75 Musikinstrumente aus aller Welt, die bisher noch nicht oder vor langer Zeit zu sehen waren. Verschieden gestaltete Exponate von der Apachen-Geige und Jugendstil-Balalaika bis zum Schweizer Alphorn erscheinen nach aufwändiger Restaurierung im neuen Licht. Entsprechend ihrer Klangerzeugung sind sie als Blas-, Schlag-, Streichund Zupfinstrumente nebeneinander gestellt. Sie lassen erahnen, wie vielfältig und doch auch wiederum ähnlich man in den verschiedenen Erdteilen Instrumente baute und darauf musizierte. Es ist geplant, im Verlaufe des Jahres 2005 wieder den Nordflügel sowie weitere Bereiche des Grassimuseums zu beziehen. Hier finden sich beste Bedingungen für die Verwaltung, die Restaurierungs-Werkstatt, das Depot und natürlich die großzügig erHeft 3/2004 weiterte Ausstellung: Ein Rundgang durch das Erdgeschoss zeigt Musikinstrumente aus fünf Jahrhunderten in historischer Anordnung. Neu ist das Vorhandensein eines Konzertsaales mit zwei Orgeln und wenigen, den Zimelien vorbehaltenen Vitrinen. Im Obergeschoss trifft der Besucher auf ein Klanglabor, in dem viele Instrumente selbst ausprobiert werden können, sowie auf einen Seminarraum und die Studiensammlung mit Instrumenten aus aller Welt, geordnet nach der Art der Klangerzeugung. Doch bis dahin sind noch viele Aufgaben zu erledigen, laufen die Vorbereitungen „hinter den Kulissen“ auf Hochtouren. Studenten erhalten nach wie vor Unterricht, und einige dürfen Erfahrungen als Führungspersonal sammeln bzw. sich direkt an der instrumentenkundlichen Arbeit beteiligen. So laufen momentan mehrere interessante Projekte wie das Übersetzen von asiatischen Schriftzeichen auf alten Instrumenten und das Recherchieren weiterer archivarischer Unterlagen zur Museumsgeschichte. Im Mittelpunkt aller Tätigkeiten aber steht bis auf weiteres das Konzipieren und Vorbereiten der künftigen Dauerausstellung im Grassimuseum; eine großartige Chance, die sich wohl nur alle 75 Jahre ergibt. Oben: Koto (Sō), Japan, 19. Jahrhundert Mitte: Apachen-Geige, Arizona, 19. Jahrhundert Unten: Pūngı̄ (Doppelklarinette der Schlangenbeschwörer) Indien, 19. Jahrhundert Fotos: Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig Bis Ende 2005 läuft im Musikinstrumentenmuseum am Thomaskirchhof 20 (Interim) die Ausstellung „Von der Apachen-Geige bis zum Zink: Alte Schätze neu entdeckt“. Ausstellung und Klanglabor sind von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen finden in der Regel sonntags um 11 Uhr statt. Am 28. Mai wird am gleichen Ort um 17 Uhr die Kabinettausstellung „… mehr als bloßer Zeitvertreib…: 75 Jahre Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig“ eröffnet. Es gelten die gleichen Öffnungszeiten. Eintrittspreise: Erwachsene 3 €, ermäßigt 1,50 € 41 Titel2 06.07.2004 11:35 Uhr Seite 1 C Juli 2004 M Heft 4/2004 Y CM MY CY CMY K ISSN 0947-1049 Ein Philosoph im Gespräch: Denker im (ins) Abseits? Bibliothek und Gemälde als Geschenk: „Die Rückkehr“ von Levin L. Schücking Mephisto-Chefin im Interview: Per Anhalter ins neue Europa Wirtschaftspädagogik: Uni-Know-how für BMW Mit Hermiona in Bradavice: Harry Potters Namenwelt in der Übersetzung Ein „Pillendreher“ auf dem Südfriedhof journal Das „Jahr der Technik“ An den Schaltstellen der Universität Probedruck EDITORIAL Universität und Technik Inhalt UniVersum Denker im (ins) Abseits? Zahlen und Fakten aus der Uni-Bibliothek Schinkel-Tor abgebaut 2 4 5 Gremien Sitzungen des Senats am 11. 5. und am 15. 6. 5/6 Forschung Umweltforschung: Vertrag mit Uni Peking Zentrum f. Kognitions-/Neurowissenschaften 6 7 Fakultäten und Institute Nahrungsmittelsicherheit/-sicherung Uni-Know-how für BMW Neues Management für schrumpfende Städte Nachrichten Ostmitteldeutsch in historischer Tiefe Harry Potters Namenwelt in der Übersetzung 8 9 10 11 12 13 UniCentral Eine Sprache für die Computer-Chirurgie Uni Leipzig koordiniert Exzellenz-Netzwerk Ultraschallaufnahmen von trächtigen Tieren Über Proteine zur Diagnose Im Schussfeld der Ionen Organismen im Bioreaktor Untersuchungen zu ultrahochfestem Beton Computerelektronik bei Ausgrabungen Technik in Gewächshäusern Die Betriebstechniker der Universität Hinter den Kulissen des Rechenzentrums 14 15 16 16 17 18 19 20 21 22 24 Studiosi Per Anhalter ins neue Europa Deutschsprachige Zeitungen in Russland Journalistik-Studierende in St. Petersburg Online-Magazin von Studierenden 25 26 27 28 Personalia 70. Todestag von Erich Everth Geburtstage / 100. Todestag von P. Neruda Neu berufen / Kurz gefasst Klaus Bochmann wurde 65 28 29 30/31 32 Jubiläum 2009 Uni-Geschichte in Bildern „Die Rückkehr“ von Levin L. Schücking Gesichter der Uni: Dietrich von Bocksdorf Wach – ein Grenzgänger der Wissenschaften 90 Jahre Ostasiatisches Seminar Das Grab Felsches und sein besonderer Stein 35 36 37 38 39 40 Habilitationen und Promotionen Am Rande Nomen Impressum 33 6 40 5 Titelbild (aufgenommen im Botanischen Garten): Kornelia Tröschel Verstand man im klassischen Sinne Technik als Kunst oder Fertigkeit, wird sie heute im engeren Sinne als konstruktives Schaffen von Erzeugnissen, Vorrichtungen und Verfahren unter Benutzung der Kräfte und Stoffe der Natur verstanden. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ und dem Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine (DVT) wurde das Jahr 2004 zum „Jahr der Technik“ erklärt. Gefördert werden soll der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sowie das Verständnis für den Einsatz von Technik. In Leipzig machte im März die Veranstaltungsreihe „Bewegungssignale – Maschinen und Welten“ Station. Vor wenigen Tagen wurde im Neuen Rathaus die Wanderausstellung „In die Tiefe gehen“ eröffnet, die sich, mit Unterstützung durch die Universität Leipzig, dem Schutz des unterirdischen Raumes widmet. Mit ihrer in den letzten Jahren erfolgten Schwerpunktbildung im biomedizinisch-biotechnologischen Bereich hat die Universität eine Entwicklung verfolgt, die nach Meinung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie prägend für das künftige Wirtschaftswachstum sein wird. Moderne Techniken haben über ihre traditionellen Anwendungsbereiche hinaus längst Einzug in die Geisteswissenschaften gehalten. Vielleicht setzt unsere Alma mater mit ihrer traditionellen Fächerstruktur und dem hohen geistes- und sozialwissenschaftlichen Anteil hier ganz besondere Akzente. So nutzt das Ägyptische Museum den Computertomographen zur Untersuchung von Mumien. Naturwissenschaftliche Techniken verhelfen zu neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Klassischen Archäologie, auch wenn sich im Ergebnis herausstellt, dass das vermeintlich vergoldete Bronzegefäß doch nicht vergoldet war. Neue Untersuchungsmethoden mithilfe von Lasertechniken geben Aufschluss über früher angewandte Techniken, z. B. bei der Lackierung von Musikinstrumenten. Dieses Uni-Journal berichtet u. a. über Technik in der Ur- und Frühgeschichte und in der Biotechnologie, Bereiche, die auch in unseren Forschungsschwerpunkten enthalten sind. Ende Februar hatte das Rektoratskollegium angesichts des avisierten BMBF-Wettbewerbs um Spitzenuniversitäten und Exzellenzzentren die Leipziger Forschungseinrichtungen zu einem „Leipziger Forschungsgipfel“ eingeladen, um ausgehend von unserem durch eine Vielzahl außeruniversitärer Forschungseinrichtungen gegebenen Standortvorteil herausragende Forschungscluster zu identifizieren und die Konzeption für eine mögliche Bewerbung im Wettbewerb zu entwerfen. Die im Ergebnis unter Mitwirkung der Forschungskommission gebildeten Arbeitsgruppen machen im Augenblick ihre abschließenden Hausaufgaben. Deutlich wird bereits, dass in jedem dieser Fakultäts- und Universitätsgrenzen überschreitenden Cluster der Bereich der Technik, mehr oder weniger ausgeprägt, unverzichtbar ist. Universitas litterarum und Technik bedingen einander. Prof. Dr. Martin Schlegel Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs 1 UniVersum Denker im (ins) Abseits? Interview mit Pirmin StekelerWeithofer Im praktischen Umweltschutz weiß man genau, wie man mit Altlasten umzugehen hat. Sie sind zu entsorgen. In den Geisteswissenschaften fragt man sich eher sorgenvoll, wer oder was Altlasten sind. Die Frage ist, ob sich an den Universitäten überhaupt eine Entsorgungsfrage stellt – Volker Schulte hat Philosophie-Professor Pirmin Stekeler-Weithofer gefragt. Ist der ehemalige, allerdings zwangsverordnete Namensstifter der Universität Leipzig, Karl Marx, eine zu entsorgende Altlast? Es gibt seit der Antike eine interessante Tradition, große und einflussreiche Denker entweder für alles Üble in der Welt verantwortlich zu machen – nach dem Motto: post hoc ergo propter hoc: weil etwas nach ihnen passiert ist, ist es wegen ihrer Aussagen und Theorien passiert –, oder sie kleinzureden, totzuschweigen und gar nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen. Das Kleinreden kennen wir, seit Diogenes Laertius Platon als Plagiator darstellt. Wir sehen es auch in den zum Teil verharmlosenden Leben-Jesu-Geschichten aus dem 19. Jahrhundert. Die Verwandlung von Vordenkern in Sündenböcke ist Methode in Sir Karl Poppers populärer Streitschrift „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. In dieser einfach gestrickten Freund-FeindPhilosophie wird Platon zum Antidemokraten und nicht als antiker Begründer jeder späteren Politikwissenschaft begriffen. Hegel wird als Apologet preußischer Reaktion dargestellt und nicht als Verteidiger des Primats des Rechtsstaats, vor aller demokratischen Mitbestimmung und insbesondere vor jedem Mehrheitsentscheid. Marx schließlich erscheint als Ideologe des Sozialismus und wird nicht als methoden2 Zu einem Höhepunkt bei der Vorbereitung des Republikgeburtstages an der KarlMarx-Universität und in der Stadt Leipzig gestaltete sich die feierliche Enthüllung des Reliefs am Hauptgebäude der Universität am vergangenen Sonnabend sowie das Treffen von Universitätsangehörigen mit Leipziger Bürgern. Foto und Text aus: Universitätszeitung Nr. 36/1974, 10. Oktober 1974 kritischer Wirtschaftswissenschaftler erkannt, dessen „philosophische“ Basiseinsicht gerade darin besteht, dass die Ökonomie, ob sie es wahrhaben will oder nicht, keine rein deskriptive und explanative, sondern immer auch normative und handlungsorientierende Wissenschaft ist und bleiben wird. Wenn sie dies nicht wahrhaben will, ist sie schon ideologisch. Popper macht alle drei Genannten mitverantwortlich für die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, für Nationalsozialismus und Stalinismus – und übersieht, dass diese vielmehr Nebenfolgen der Unterschätzung von möglichen Problemen im Demokratisierungsprozesses waren, vor welcher gerade Platon und Hegel gewarnt hatten. Auf die Frage nach der Notwendigkeit der Entsorgung von Marx kann ich dann nur eine Antwort geben: Nicht die Texte und Überlegungen der großen und größten Denker der Antike oder Neuzeit – im 19. Jahrhundert also von Hegel, Marx und Nietzsche – sind zu entsorgen, sondern die Ursachen dafür sind aufzuheben, die dazu geführt haben, dass ihre Gedanken nicht nur nicht angemessen begriffen wurden, sondern in ihr Gegenteil verkehrt werden konnten. Diese Ursachen liegen nicht zuletzt darin, dass diejenigen, welche sich auf diese Autoren später berufen haben, kaum genügend gebildet waren, um die Texte mit Verstand und Urteilskraft zu lesen, geschweige denn den Sinn der Überlegungen voll zu begreifen. Denn dazu gehört, erstens, die Zeitbedingtheit der Textent- stehung angemessen zu berücksichtigen, zweitens, die Gesamtintention nicht aus den Augen zu verlieren – nicht aber, auf lokale Probleme oder Irrtümer zu fokussieren, wie sie bei allen Autoren vorkommen, gerade wenn es um die Einrichtung und das Verständnis einer guten und allgemein anerkennungswürdigen Gesellschaftsformation geht. Wer einer Auseinandersetzung mit vermeintlichen Altlasten unserer Kulturtradition aus dem Weg geht, wird sogar mit einiger Sicherheit sowohl Fehler des gleichen Typs begehen wie diejenigen, welche die Autoren vermeiden wollten, als auch Fehler des Typs, welche diejenigen begangen haben, welche diese Autoren für ihre Projekte apologetisch und damit ideologisch gebraucht und missbraucht haben. Am Ende wird die beobachtbare Tendenz zur (Selbst-)Abschaffung einer kritischen Geistes- oder besser Strukturwissenschaft und einer entsprechenden Bildung (samt der nötigen Breite der Bildung im höheren Lesen und Schreiben) zu einer unbemerkten Zerstörung freiheitlicher Kultur und damit der Grundlagen unserer eigenen Lebensform führen. Die ist freilich nur in einer „langen Sicht“ zu erwarten, wie sie einer rein empirischen, kurzfristigen Sozial- und Kulturwissenschaft unzugänglich bleibt. Strukturwissenschaftliche Einsichten wie die von Hegel oder Marx können dagegen ihrerseits nicht unmittelbar in kurzfristig wirksame Handlungsanweisungen verwandelt werden. journal UniVersum Aber muss man nicht auch Unterschiede sehen, inwieweit sich das auf die Gesellschaft bezogene Denken für Zwangssysteme instrumentalisieren lässt? Inwieweit es überhaupt den Anspruch erhebt, verwirklicht zu werden, vielleicht gar deshalb, weil ihm naturgesetzliche Allmacht zukomme? Hegel hat immer gegen die Allmachtphantasien argumentiert, welche eine Revolution der Verhältnisse durch Kader einer Partei nach Art von Robespierres „Berg“ in der französischen Nationalversammlung zwangsweise herstellt. Sozialpolitische und ökonomisch-kulturelle Entwicklungen sind zunächst als Phänomene des gemeinsamen Handelns und Anerkennens zu verstehen bzw. zu „interpretieren“. Als Einzelne können wir wenig direkt zielgerichtet tun, bestenfalls durch Kritik und Ideen ein wenig steuernd Einfluss nehmen. Die Abkehr von dieser Einsicht dokumentiert die elfte Feuerbachthese. Marx meint da, es komme darauf an, die Welt handelnd zu verändern. Das Marxrelief an der Universität Leipzig ist daher viel weniger problematisch als der denkmalgeschützte Spruch im Foyer der Humboldt-Universität. Allerdings ist Marx nicht so töricht wie die meisten seiner Leser. Diese glauben, Marx widerspreche sich schon darin, dass er den Zusammenbruch des Kapitalismus zwar als unausweichlich erwarte, aber zugleich zur tätigen Revolution aufrufe. Marx prognostiziert am Ende nur, dass ohne staatliche Intervention, etwa auch im Rahmen sozialdemokratischer Politik nach dem Vorbild F. D. Roosevelts, die Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit und die Konkurrenzkämpfe zwischen den Unternehmen sich tendenziell verschärfen – zum Nachteil von allen. Angesichts der Tatsache, dass die Universität Leipzig mit der Namensverleihung „Karl Marx“ auf eine kommunistische Programmatik eingeschworen wurde, was mit der systematischen Ausschaltung allen nichtmarxistischen Denkens einherging, war m. E. die Trennung von dem Namen „Karl Marx“ 1991 und die Rückkehr zum alten Namen ein notwendiger, ein richtiger Schritt. Das heißt ja nicht, dass Karl Marx kein Gegenstand der wissenschaftlichen Beschäftigung mehr sein darf. Wie steht es damit in den Leipziger Geistes- und Sozialwissenschaften, in Sonderheit am Institut für Philosophie? Heft 4/2004 Eine Universität wie die der Stadt Leipzig braucht keinen weiteren Namen. In meinem Ohr klang daher die „Karl-Marx-Universität“ gerade so wie die Benennung des Studentenheims „Jenny Marx“ verdächtig nach „Don-Bosco-Haus“ und damit nach unbedarfter Kopie katholischer Heiligenverehrung. Dies passt weder auf die Institution und Tradition dieser Universität, noch auf die Person Karl Marx. Auch die systematische Ausschaltung allen nichtorthodoxen Denkens war wie die Mythisierung des Arbeiters in einem Land von Arbeitnehmern am Ende nur ein Zeichen kleinbürgerlicher Provinzialität. Der Kommunismus, von dem Marx träumte, war freilich eine durchaus problematische Utopie, und zwar, paradoxerweise, aufgrund des absoluten Gegensatzes zu dem, was im Namen „kommunistischer“ Parteien als Sozialismus bzw. Staatsdirigismus verwirklicht wurde. Denn diese Utopie war im Grunde anarchistisch. Es ist dann übrigens kein Wunder, dass Karl Marx als Gegenstand der wissenschaftlichen Beschäftigung von all denen fallengelassen wurde, die sich vorher in Ost oder West auf ihn berufen hatProfessor Pirmin ten. Bestenfalls Stekeler-Weithofer sang man noch einige Requien, ansonsten verlegte man sich auf andere Autoren, auf Kant oder Schelling, Carnap oder Wittgenstein. In den neugegründeten Leipziger Geistesund Sozialwissenschaften, in Sonderheit am Institut für Philosophie, wurde Marx als Thema dagegen neu aufgegriffen. Seit 1992 hat es in jedem Semester ein entsprechendes Seminar gegeben. Ein Grund dafür ist, dass es hier ein Phänomen aufzuklären gilt, das Phänomen nämlich, wie ein in jedem Betracht, nämlich methodisch, philosophisch und ideologisch kritischer, ja oft sogar bis zur Schmerzgrenze polemischer Autor durch Hagiographie zur leeren Ikone eines pseudoreligiösen Volksglaubens werden konnte. Ein weiterer Grund liegt in der zunehmend spürbaren gedanklichen Sterilität im neueren ökonomischen und sozialspieltheoretischen Denken – in dem, wie sich schon Aristoteles in etwas anderem Kontext be- klagt hatte, die Wissenschaft zur bloßen Mathematik, besser: zum bloßen Glauben an die Zahl (Statistik, Messungen aller Art), und damit zu einer exakten Form der rhetorischen Überredung zu werden droht. Begriffs- und theoriekritischere Beiträge von philosophischen Denkern haben es in solchen Zeiten schwer. Gleiches gilt für Versuche, die Einsichten von Autoren wie Marx, Tönnies oder Keynes gegen herrschende Meinungen zu retten – bei aller Kritik etwa an der Arbeitswertlehre oder an der These von einem unabwendbaren Fall der Profitrate bzw. an einem missbräuchlichen „Keynesianismus“. Aber gerade weil diese Themen und Probleme nicht totzuschweigen sind, werden sie bei uns behandelt, etwa im Kontext von Dissertationen wie „Marx und der Begriff der freien Kooperation“ oder, schon allgemeiner, „Paradoxien des geistigen Eigentums“ bzw. in Dissertationen in der Politikwissenschaft zur Rolle der Verrentungsinteressen in einer globalisierten Welt. Auch an der Bloch-Ausstellung der Kustodie hat sich gezeigt, dass Personen historisch problematischer, insbesondere diktatorischer Zeiten Anlass zu vielen kritischen Nachfragen geben, aber an einer Universität nicht zu Fragen nach der Entsorgung, des lautlosen Verschwindens. Oder doch? Was wir aus den Urteilen und Ideen, dem Verhalten und Handeln von Personen aus anderen Zeiten lernen können, ist, wie unsere eigenen Urteile durch die Zeit, den Common Sense einer gerade herrschenden politischen Korrektheit und durch Kompromisse mit den faktischen Verhältnissen bedingt sind. Jede Zeit hat ihre eigenen billigen Selbstgerechtigkeiten und Feigheiten. So korrespondiert die Gewissheit von Ernst Bloch in den 50er Jahren, auf der richtigen Seite im Kampf gegen den Faschismus und für einen demokratischen Sozialismus zu stehen, durchaus mit der heutigen Meinung schöner Seelen, es bedürfe nur der Demokratisierung der Welt und alles werde gut. Dabei gibt es Feigheiten auf Seiten der Kritiker des Kapitalismus ebenso wie auf Seiten der Verteidiger, in welcher Wissenschaft auch immer: Die heiligen Kühe der eigenen Pfründe und Privilegien werden ja weder von denen geschlachtet, welche die Gewerkschaften verteidigen, noch von denen, welche eine an der Kapitalverrentung orientierte Marktwirtschaft für alternativlos richtig halten. 3 UniVersum 5 023 537 Bücher Zahlen und Fakten aus der Universitätsbibliothek Der kürzlich fertiggestellte Jahresbericht der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) enthält wieder interessante Zahlen und Fakten. Das Uni-Journal präsentiert an dieser Stelle einige davon. Den gesamten Bericht gibt es im Internet unter www.ub.uni-leipzig.de Der Zugang an neuerer gekaufter Literatur war in der Universitätsbibliothek im vergangenen Jahr weiter rückläufig. Der Zuwachs von 69 284 Bänden in 2003 (2002: 62 273 Bände) ist auf die Einarbeitung von übernommenen Beständen von Instituten zurückzuführen. Insgesamt stieg die Zahl der Bände im Bibliothekssystem auf 5 023 537 und überschritt damit erstmals die Fünf-Millionen-Grenze. * Für die Erwerbung von Literatur und Informationen standen in 2003 insgesamt 3 373 296 Euro zur Verfügung, davon waren rund 30% eingeworbene Sonder- bzw. Drittmittel (z. B. von der DFG). Dies waren rund 220 000 Euro weniger als im Jahre 2002. * Nicht schlecht steht es um das Angebot von elektronischen Medien, das von den Benutzern in der Regel gut angenommen wurde. In 2003 wurde das Angebot von geisteswissenschaftlichen Datenbanken bewusst ausgebaut. Außerordentlich wichtig und intensiv genutzt wurden die Datenbanken des Web of Science und die unter 4 der SciFinder-Oberfläche nutzbaren naturwissenschaftlichen und medizinischen Datenbanken. Die Universität Leipzig liegt bei der Nutzung des Web of Science mit 11608 Recherchen (Steigerung gegenüber 2002 um 58%) in der Nutzungsstatistik der 53 deutschen Hochschulen immerhin auf dem vierten Platz. * Neben den Online-Datenbanken und den mittels Server ins universitäre Netz gespeisten 128 CD-ROM-Datenbanken konnte die UBL ihren Nutzern 7 679 elektronische Zeitschriften im Volltext zur Verfügung stellen. Diese Zeitschriften sind für die Universität auf der Basis von Verträgen mit Verlagen bzw. in Verbindung mit dem Bezug der Printversion freigeschaltet. Die Zahl der Volltextzugriffe über die Elektronische Zeitschriftenbibliothek EZB sprang in 2003 auf 131 257 (2002: 74 976). * Die Benutzung aller Teile der Universitätsbibliothek Leipzig erfolgt immer stärker durch Lesen in den Freihandbereichen und weniger durch das Ausleihen von Werken in den geschlossenen Magazinen. Waren es in 1997 noch 972 780 ausgeliehene Bände, so betrug deren Zahl im Jahr 2003 nur noch 742 840 Bände. * Für die Benutzer aller Teile der UBL standen Ende 2003 insgesamt 2 606 Arbeitsplätze (davon allein 789 in der Albertina, 521 in der Zweigstelle am Augustusplatz und 440 in der Zweigstelle Rechtswissenschaft) zur Verfügung. Davon waren 279 Computer-Arbeitsplätze. * Die Nutzungsstatistik der Sondersammlungen ist weiter beeindruckend: So wurden in 2003 im Sonderlesesaal 2 136 Benutzer (2002: 1 820) mit insgesamt 5 066 Bänden, darunter 1 999 Handschriften, Inkunabeln, Nachlässe und Autographen, gezählt. * In der Münzsammlung konnten 516 Stücke neu erschlossen und 3 550 Stücke in der Münzdatenbank erfasst werden. Bei den Handschriften begann die Erschließung der eigenen medizinischen, mittelalterlichen Handschriften im Rahmen eines DFG-Projektes, das sich einfügte in die Aktivitäten des Leipziger Handschriftenzentrums zugunsten der Hallenser, Bautzener und Gothaer Handschriftenprojekte. Innerhalb der Papyrus-Sammlung liefen – in Kooperation mit den Partnern in Halle und Jena – die Restaurierungs-, Erschließungs-, Digitalisierungs- und Verfilmungsarbeiten, gefördert von der DFG, voll an. Dabei konnten sich die Partner auf die Datenbankprogrammierung des Leipziger Universitätsrechenzentrums stützen. * Zum Zwecke der Schimmelbekämpfung wurden 3 529 Regalmeter durchgesehen und nach ihrer Behandlung 5 411 geschädigte Bände unter der reinen Werkband gereinigt. In der eigenen Restaurierungswerkstatt wurden 50 Einzelstücke restauriert und die Vorbereitungsarbeiten für die Vergabe von zahlreichen Einzelstücken und Einbänden durch externe Restauratoren getätigt. * Die Mikroverfilmung von historischen Zeitungen und Dissertationen wurde fortgesetzt. Im Interesse des Universitätsjubiläums konnte die Digitalisierung der Vorlesungsverzeichnisse der Universität Leipzig aus den Jahren 1641 bis 1975 abgeschlossen werden; die Aufbereitung für das Internet und die Indexierung sollen in diesem Jahr erfolgen. Zusammenstellung: Dr. Ekkehard Henschke, Direktor der Universitätsbibliothek journal UniVersum | Gremien Campus-Neugestaltung Senatssitzung am 11. Mai Schinkel-Tor abgebaut „Gobal Studies“ kommen Das Schinkel-Tor, eines der wenigen geretteten Zeugnisse des 1968 gesprengten Leipziger Universitäts-Hauptgebäudes, des Augusteums, wurde jetzt im Zuge der Baumaßnahmen zur Neu- und Umgestaltung des Campus durch die Bildhauerfirma Markus Gläser abgebaut. Nach der Einrüstung erfolgte unter Einsatz eines Kranes die Demontage der großen Einzelstücke. Noch offen ist, wie und wo das Bauwerk, das seit 1981 zwischen Seminar- und Hauptgebäude in der Universitätsstraße stand, in den bis 2009 fertigzustellenden neuen Campus integriert wird. Bis dahin wird es nach einer konservatorischen Vorbehandlung durch Markus Gläser an sicherem Ort gut verwahrt. r. 1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten: Ausschreibung und Berufungskommission für „Wirtschaftsinformatik, insbesondere Anwendungssysteme in Wirtschaft und Verwaltung“ (C4), „Experimentalphysik – Festkörperphysik“ (C4), „Experimentalphysik – Physik kondensierter Materie“ (C3) – bisher Polymerphysik, „Bestandsbetreuung und Reproduktionsbiologie (C3) – bisher Reproduktionsbiologie, Andrologie und künstliche Besamung, Juniorprofessur „Computational Algebra und Anwendungen“; Berufungsvorschläge für „Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Neuere und Neueste Kirchengeschichte“ (C4), „Mittelalterliche Geschichte“ (C4 – Nachfolge Prof. Erkens), „Systematische Musikwissenschaft“ (C3 – Nachfolge Prof. Mehner). Der Senat stimmte Anträgen mehrerer Fakultäten auf Verleihung des Rechts zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu: für Dozenten Dr. paed. habil. Jürgen Dietze (Sportwissenschaft), PD Dr. med. habil. Anno Diegeler, PD Dr. med. habil. Karel Caca, PD Dr. med. habil. Josef Fangmann (alle Medizin) und PD Dr. iur. habil. Edin Sarcevic (Juristenfakultät). Ebenso stimmte der Senat Anträgen der Fakultät für Mathematik und Informatik und der Veterinärmedizinischen Fakultät zu, Dr. rer. oec. (PL) Manfred Schlottke zum Honorarprofessor für Management für Informations- und Kommunikationssysteme und Prof. Dr. Dr. med. vet. Andreas Hensel zum Honorarprofessor für Gesundheitlichen Verbraucherschutz und Risikobewertung zu bestellen. 2. Eine Anregung aus der Senatssitzung vom März 2004 aufgreifend, gab der Prorektor für strukturelle Entwicklung einen Überblick über die bislang erfolgten Verleihungen des Rechts zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“. So fanden zwischen Wintersemester 1999/ 2000 und Wintersemester 2003/04 57 Verleihungen statt, davon 29 durch die Medizinische Fakultät. 3. Der Senat fasste nach 1. Lesung den grundsätzlichen Beschluss zur Einrichtung der Betriebseinheit „Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung an der Universität Leipzig“. Gleichzeitig wurde die Einsetzung einer Redaktionskommission Mehr Informationen zum Schinkel-Tor können Sie dem Beitrag „Die Genien der Wissenschaft“ entnehmen, der im Uni-Journal 3/2002, S. 35 – 37, erschienen ist (im Internet unter www.uni-leipzig.de/journal/ 0203.html). Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Impressum Herausgeber: Der Rektor Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig, Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29, E-mail: [email protected] V. i. S. d. P.: Volker Schulte Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Satz und Lithographie: DZA Satz und Bild GmbH, Altenburg Druck und Binden: Druckerei zu Altenburg GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550 Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbH Augustusplatz 10/11, 04109 Leipzig Tel./Fax: 0341/9900440 Einzelheft: 1,50 e Jahresabonnement (sieben Hefte): 13,– e In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Sie sich bitte an die Redaktion, in Fragen, die den Vertrieb betreffen, an den Verlag. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplare erbeten. Redaktionsschluss: 23. 6. 2004 ISSN 0947-1049 Heft 4/2004 beschlossen, die Anregungen aus der Diskussion im Senat in die Ordnung dieses Zentrums einarbeiten soll. Mit der Gründung ist die Zusage des Kultus-Ministeriums verbunden, zur Unterstützung der Arbeit des Zentrums – Wahrnehmung beratender und organisatorischer Aufgaben in der Lehrerausbildung, insbesondere bei den schulpraktischen Studien, sowie der Lehrerweiterbildung – zwölf Lehrer zum 1. 8. 2004 für zwei Jahre an die Universität abzuordnen. Als Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben eingesetzt, soll ihnen die Möglichkeit der Promotion eingeräumt werden. An ihrer Auswahl sollte die Universität maßgeblich beteiligt werden. Die Fachaufsicht sollte bei den jeweiligen Fakultäten/Dekanen liegen. Auch sollten Festlegungen über Evaluation und Rechenschaftspflicht aufgenommen werden. 4. Der Senat stimmte den von der Prorektorin für Lehre und Studium vorgelegten Zulassungsbeschränkungen und -zahlen für das Akademische Jahr 2004/05 in den Studiengängen Medizin und Zahnmedizin sowie in den Studiengängen des Historischen Seminars zu. Entsprechend der errechneten Aufnahmekapazität stehen in der Humanmedizin 300 Voll- und 99 Teilstudienplätze und in der Zahnmedizin 51 Vollund 19 Teilstudienplätze zur Verfügung. Ein universitätsinterner Numerus clausus wurde für die Studiengänge Ur- und Frühgeschichte, Alte Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte, Ost- und Südosteuropäische Geschichte, Historische Hilfswissenschaften/Archivwissenschaft und Geschichte (Lehramt) neu beantragt. 5. Der Senat stimmte dem Vorschlag des StudentInnenRates zu, Volker Rust von der Fakultät für Physik und Geowissenschaften als ständigen Gast der Kommission Lehre/ Studium/Prüfungen zu bestellen. 6. Der Senat stimmte dem Antrag der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie zu, einen internationalen nichtkonsekutiven Master-Studiengang „Global Studies“ zum Wintersemester 2004/05 einzurichten. Nichtkonsekutiv bedeutet hier, dass der Master-Studiengang nicht auf einem namensgleichen Bachelor-Studiengang aufbaut. Interdisziplinär ausgerichtet, vereint er Beiträge aus 15 Instituten in drei Fakultäten sowie aus dem Lateinamerikaund Frankreichzentrum der Universität Leipzig und dem Umweltforschungszentrum Halle-Leipzig. Er vermittelt Kompetenz bei der Beschreibung und analytischen Durchdringung des Globalisierungsprozesses. 5 Am Rande Leipziger Psychologen sind sich sicher: Der Mensch verschenkt seine Aufmerksamkeit zielgerichtet. Da scheint er dann auch nicht anders gestrickt als so mancher Bewohner der Tierwelt. Dort beeindrucken Mandarinenente, Clownfisch oder aber der einheimische Hahn mit prächtigen Farben. Der Schwanz des letzteren ist wiederum der Namensgeber eines ganz besonderen modernen Blickfangs: jener aufsehenerregenden, farbenreichen Mischgetränke, in denen leise bunte Strohhalme baden – der Cocktails. Fürwahr, der Cocktail hat seinen Namen dem Hahnenschwanz bzw. -kampf zu verdanken. Nach beendetem Kampf hatte der Besitzer des Siegerhahnes das Recht, dem getöteten Hahn die bunten Schwanzfedern auszureißen. Beim anschließenden Umtrunk wurde diese Trophäe, mit einem Drink „on the Cock’s tail“ begossen. So brachial muss man sein Privatglück heute nicht mehr feiern. Man setzt sich in eine hübsche Bar und wartet die Happy Hour ab. Dazu kann man hinlänglich die Zutaten und versprochenen Wirkungen studieren. Für Menschen, die sich nach erfolgreicher Arbeit im Tagebau der Wahrheit glücklich fühlen oder die noch immer berauscht sind von der reichen Architektur Erick van Egeraats, empfehlen wir direkt aus der Sektflöte den Peach Tree Smoother oder den Kiss Me Quick. Sollten Sie aber ängstlich sein, weil in Ihrer Phantasie gerade ein Kobold unter dem Bett hervor kriecht und versucht, Ihre Theorieschule mit einem spitzen Bleistift anzubohren oder weil Bachelor und Master vor der Uni-Tür stehen, dann helfen vielleicht stärkere Drinks wie der Brain Hemmorage oder eine Bloody Mary, ausgeschenkt im Shooterglas. Empfinden Sie Ihren Gemütszustand hingegen eher als wütend, weil die Öffentlichkeit nie zu schätzen weiß, was Sie alles für die Wissenschaft leisten oder weil man Ihnen einen Assistenten weggekürzt hat, dann ist es Zeit für einen Pangalaktischen Donnergurgler oder einen Golden Torpedo. Mit welchem Cocktail auch immer Sie Ihre diesjährigen Sommerferien begießen, das Uni-Journal wünscht eine herrliche Zeit. Karsten Steinmetz Senatssitzung am 15. Juni Weg für Reform vorgezeichnet 1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; das betraf die Ausschreibung für „Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik“ (C4) (Nachfolge Prof. Hasse), Ausschreibung und Berufungskommission für „Medizinische Statistik und Bioinformatik“ (C3) und für „Allgemeine Pädiatrie/Neonatologie“ (C3); Berufungsvorschläge für „Wirtschaftsinformatik, insbesondere Softwareentwicklung für Wirtschaft und Verwaltung“ (C4), „Lernbehindertenpädagogik“ (C4), „Grundschulpädagogik“ (C4); Besetzungsvorschlag für die Juniorprofessur „Entwicklungsökonomie – unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Klein- und Mittelunternehmen“; Einstellung des Berufungsverfahrens für „Gynäkologie und Geburtshilfe (C3). 2. Der Senat stimmte nach ausführlicher Diskussion und unter Maßgabe einer redaktionellen Überarbeitung den von der Prorektorin für Lehre und Studium vorgelegten Rahmenempfehlungen zur Einführung von gestuften Studiengängen (Bachelor und Master) zu. Damit wird der Weg vorgezeichnet für die Umsetzung der Studienreform an der Universität, die zum Wintersemester 2006/07 abgeschlossen werden soll. Dazu gehört die vorherige Akkreditierung der Studiengänge ebenso wie die Einführung eines Leistungspunktesystems. Entscheidend ist in erster Linie, so wurde unterstrichen, die Modularisierung der Studienangebote, nicht der Name des Abschlusses (Bachelor, Master, Staatsexamen, Diplom). Einer weiteren inhaltlichen Klärung bedarf der mit der Studienreform verbundene Begriff der Schlüsselqualifikation in Bachelor-Studiengängen, was innerhalb eines Jahres in enger Abstimmung mit den Fakultäten erfolgen soll. 3. Nachdem der Senat im Mai der Einrichtung der Betriebseinheit „Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung“ zugestimmt, aber gleichzeitig die Berücksichtigung einer Reihe von Änderungen in deren Ordnung verlangt hatte, nahm er diese nach der erfolgten redaktionellen Überarbeitung zustimmend zur Kenntnis. 4. Der Senat genehmigte die Ordnung der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie. 5. Der Senat nahm eine neue, modifizierte Fassung der „Satzung der Universität Leipzig über die Zulassung zu Studiengängen nach Auswahlgesprächen“ an. Die alte, die bisher nur für die Studiengänge Medizin und Zahnmedizin galt, war zu verändern, da die Veterinärmedizinische Fakultät beschlossen hat, analog der Praxis an der Medizinischen Fakultät zum Wintersemester 2004/05 die im Rahmen der sog. Hochschulquote des ZVS-Zulassungsverfahrens zu vergebenden Studienplätze im Ergebnis von Auswahlgesprächen zu besetzen. 6. Der Senat bestätigte eine Änderungssatzung zur Prüfungsordnung für den Diplomstudiengang Evangelische Theologie. 7. Der Senat stimmte dem Vorschlag der Veterinärmedizinischen Fakultät zu, dass Prof. Dr. Schoon die Nachfolge von Prof. Dr. Seeger als ständigen Gast der Kommission Lehre/Studium/Prüfungen antritt. 8. Der Rektor informierte, dass das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst endlich die vom Konzil am 5. November 2003 mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Grundordnung der Universität Leipzig genehmigt hat. Empfohlen wurde, auf einer späteren Konzilssitzung den Passus zum Gruppenveto zu ändern. 9. Auf Antrag studentischer Senatoren informierte der Rektor über die Vorfälle im Hof des Rektoratsgebäudes am 5. Mai 2004 im Anschluss an einen Protest von Studierenden und Lehrenden gegen den Stellenabbau in geowissenschaftlichen Fächern gemäß der Hochschulvereinbarung. Prof. Dr. F. Häuser Rektor V. Schulte Pressesprecher Umweltforschung Vertrag mit Uni Peking Zwischen der Universität Peking, College für Umweltwissenschaften, und der Universität Leipzig, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, wurde ein Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Ausbildung abgeschlossen. Auf dem Gebiet der Umweltforschung sollen gemeinsame Projekte bearbeitet sowie der Austausch von Wissenschaftlern und Studenten ermöglicht werden. Für die Nutzung gemeinsam erstellter Projekte bedarf es des Einverständnisses beider Partner. Jede Einrichtung bestimmt einen Projektverantwortlichen für jeweils fünf Jahre. B. A. journal Forschung „Institute bündeln Kapazitäten“ Leipzig wird Zentrum für Kognitions- und Neurowissenschaften Die Max-Planck-Gesellschaft wertet den Standort Leipzig weiter auf. Die Stadt wird zum Zentrum für Kognitions- und Neurowissenschaften in Deutschland. Wie und wann der Ausbau der Aktivitäten vonstatten geht, erläutert Prof. Dr. D. Yves von Cramon, Direktor des Max-Planck-Institutes (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften, im Interview. geistigen Potentials, aus der sich erfahrungsgemäß zusätzliche Synergieeffekte ergeben. Die Wahl für den Standort Leipzig beruht auf dem Konsens der beteiligten Direktoren, die am Ende übereinstimmend für Leipzig plädierten. Die Forschungslandschaft in Sachsen wird damit erheblich gestärkt. Aus dem Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung wurde das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Worauf ist die Namensänderung zurückzuführen? Das Institut änderte nicht einfach nur seinen Namen, sondern es erweitert sein Profil. Zwei vom Forschungsgegenstand her verwandte Institute, das MPI für neuropsychologische Forschung Leipzig Prof. Dr. D. Yves von Cramon und das MPI für psychologische Forschung München, rücken räumlich zusammen und bündeln ihre Forschungskapazitäten. Hinzu kommen zwei weitere wissenschaftliche Abteilungen und der Ausbau unserer Gebäude und technischen Anlagen. In Leipzig sind zwei Arbeitsbereiche angesiedelt, der von Ihnen geleitete Bereich für kognitive Neurologie und der von Prof. Angela Friederici geleitete Bereich für Neuropsychologie. In München leitet Prof. Wolfgang Prinz den Bereich Psychologie. Sie sprachen von zwei weiteren wissenschaftlichen Abteilungen. Wie heißen diese? Ein weiterer Arbeitsbereich wird von einem Wissenschaftler aus dem Bereich Magnetresonanztomografie besetzt werden. So soll unser Ziel, inhaltliche Forschung innovativer mit technologischer Entwicklung zu verbinden, auch personell untermauert werden. Die technischen Voraussetzungen werden durch die Anschaffung eines 7-Tesla Magnetresonanztomografen (MRT) verbessert, der die bereits vorhandenen zwei 3-Tesla MRT ergänzt und mit dem noch feinere Auflösungen von Teilen des Gehirns möglich sind. Der zweite neue Arbeitsbereich wird sich auf die Handlungs- und die soziale Funktion des Gehirns beziehen. Die Namen der Abteilungen werden in Abstimmung mit den Direktoren und einer Auswahlkommission der Max-Planck-Gesellschaft festgelegt. Im Moment sind wir auf der Suche nach den geeigneten Wissenschaftlern für die Besetzung dieser Stellen. Warum kommt das Münchner Institut nach Leipzig? Wir folgen damit einem weltweiten Trend: Die psychologische und neurowissenschaftliche Forschung wird immer stärker in einigen wenigen Standorten konzentriert. Dadurch werden vorhandene Ressourcen besser genutzt. Das hat keineswegs nur etwas mit der besseren Ausnutzung immer teurer werdender Technik zu tun, sondern auch mit der Zusammenführung des Heft 4/2004 Der Bereich kognitive Neurologie ist eng verbunden mit der Tagesklinik für kognitive Neurologie, die Sie in Personal- union leiten. Wo findet sich die Tagesklinik in der neuen Struktur wieder? Wir werden international um diese seltene Symbiose zwischen Grundlagen- und klinischer Forschung beneidet. Während wir am Institut erforschen, wie unser Gehirn die kognitiven Prozesse steuert, behandeln wir an der Tagesklinik Menschen, bei denen durch Unfall oder Krankheit diese Steuerung nicht mehr funktioniert. Das lässt Rückschlüsse auf die Steuerungsmechanismen zu. So lassen sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch zum Nutzen der Patienten umsetzen. Dieses erfolgreiche Zusammenspiel von Wissenschaft und Patientenbetreuung als konstituierendes Element der Hirnforschung in Leipzig wird auch künftig durch gemeinsame Berufungsverfahren mit der Universität beibehalten. In welchem Zeitrahmen sollen die Veränderungen umgesetzt werden, die für ein voll arbeitsfähiges Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften notwendig sind? 2006 wird Prof. Prinz mit seiner Abteilung nach Leipzig umziehen. Etwa zeitgleich sollen die Berufungen für die zwei neuen Abteilungen erfolgt sein. Natürlich erfordern die personelle und technische Erweiterung des Institutes auch mehr Raum. Wir haben uns über einen Erbbauvertrag mit der Stadt Leipzig an unser Institut grenzende Flächen gesichert. Auf diesem Areal werden bis 2008 die Arbeitsräume unserer zukünftigen Kollegen und das Gebäude für den 7-Tesla MRT entstehen. Im Verein mit den universitären Einrichtungen, die sich mit Hirnforschung beschäftigen, entsteht damit in Leipzig ein Zentrum für Kognitions- und Neurowissenschaften in Deutschland, das mit den großen Zentren in Großbritannien und den USA konkurrieren kann. Das Gespräch führte Dr. Bärbel Adams. 7 Fakultäten und Institute Pilze als globales Problem Über Nahrungsmittelsicherheit und -sicherung Von Prof. Dr. Monika Krüger, Direktorin des Instituts für Bakteriologie und Mykologie „Weizen als Waffe“ ist das Thema der fünften Ausgabe der universitären Reihe „Das Sonntagsgespräch“. Die Veranstaltung beginnt am 18. Juli um 11 Uhr im Hörsaalgebäude, Saal 19. Als Experten sind dabei: Prof. Dr. Jörg Gertel vom Orientalischen Institut und Prof. Dr. Monika Krüger, Direktorin des Instituts für Bakteriologie und Mykologie. Die Moderation übernimmt Prof. Dr. Georg Meggle (Institut für Philosophie), der wissenschaftliche Leiter der Reihe. „Das Sonntagsgespräch“ im Internet: www.uni-leipzig.de/sonntag 8 Weltweit unterscheiden sich die einzelnen Bevölkerungsgruppen hinsichtlich ihres Zugangs zu den Nahrungsmitteln. Diese Differenzierung trifft sowohl zwischen den verschiedenen Ländern aus Gründen der nicht ausreichenden Zurverfügungstellung als auch innerhalb eines beliebigen Landes trotz ausreichender Produktion zu. Dort, wo der Hunger auf der Tagesordnung steht, geht es um die Grundsicherung der Versorgung mit essentiellen Nährstoffen wie Wasser, Protein, Fett, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Vitamine. Ist dieses Problem gelöst, stehen Qualität und Nahrungsmittelsicherheit im Vordergrund der Betrachtung. Legt man das Jahrbuch der FAO (Food and Agriculture Organization) von 2003 zugrunde, wird es Ende 2025 ca. acht Milliarden Menschen auf dieser Erde geben. 0,18 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche wird pro Person zur Verfügung stehen, 5,6 Menschen müssen von einem Hektar ernährt werden. Aus physiologischer Sicht sind 0,75 bis 1 g Protein pro kg Körpergewicht und Tag nötig, davon sollten ein Drittel (ca. 30 g) für einen adulten Menschen tierischen Ursprungs sein. Nimmt man diese Zahl zur Basis, ist unter den gegenwärtigen Bedingungen der Tierproduktion bis zu einer Weltpopulation von acht Milliarden Menschen der Eiweißbedarf tierischer Herkunft gedeckt. Innerhalb der Nahrungskette sind Wasser, Boden, bestimmte Nährstoffe wie zum Beispiel Phosphor sowie fossile Brennstoffe limitiert. Deren effektive Nutzung ist eines der Hauptanliegen der Landwirtschaftswissenschaften. Leider ist die Bundesrepublik Deutschland gerade dabei, diese alte Wissenschaftsdisziplin aus Finanzmangel an etlichen Universitäten zu eliminieren bzw. bis zur Unkenntlichkeit zu reduzieren (Halle, Jena, Berlin; Leipzig ist schon seit der Wende abgewickelt). Die weltweit agierende Nahrungsmittelindustrie steht jetzt und in Zukunft vor der Frage, ob sie zur Versorgung der Verbraucher die Futtermittel für die Tierproduktion oder gleich die Nahrungsmittel globalisiert. Beides hat zur Folge, dass das evolutionäre Prinzip der Anpassung von Körper und Geist an den Standort, an seine Mikroflora, an bodenständige Nahrung aufgehoben wird. Dieses hat Konsequenzen für die Homöostase der Magen-Darm-Flora, des Immunsystems, des Nervensystems, des endokrinen Systems und des Stoffwechselsystems. Problematisch wird diese Störung im Gleichgewicht auch dadurch, dass mit den global produzierten Futter- und Nahrungsmitteln am eigenen Standort unbekannte Mikroorganismen zum Beispiel aus Getreiden oder Soja aufgenommen werden, auf die der Mensch oder das Tier noch keine Immunantwort wissen. Diese bildet sich erst in der Auseinandersetzung mit diesen Keimen heraus und benötigt Zeit. Treffen diese Keime auf einen immunologisch inkompetenten Verbraucher (Alte, Kinder, Stoffwechselgeschädigte, Immunsupprimierte) können sich daraus Erkrankungen entwickeln. Zu einem globalen Problem in der Nahrungskette weitet sich die Mykotoxinbelastung von pflanzlichen Nahrungs- und Futtermitteln aus. Heute geht man davon aus, dass 25 Prozent der Weltzerealienproduktion mit Mykotoxinen kontaminiert ist. Gebildet werden diese durch Pilze der Gattungen Fusarium, Penicillium und Aspergillus. Es gibt keinen Ort der Welt, wo diese Pilze und ihre Produkte nicht vorkommen. In bestimmten geographischen Regionen der Welt sind einige Mykotoxine häufiger nachzuweisen als in anderen. Ihre Bildung hängt sehr stark von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ab. So hat in warmen Klimaten (Afrika, Asien, Südamerika, Australien) vor allem das Aflatoxin (vom Schimmelpilz Aspergillus spp. gebildet) Bedeutung, da es bereits in geringen Konzentrationen schwere Schädigungen der Leber, der Nieren und des Immunsystems hervorruft. Aflatoxin wird unter den Klimabedingungen Deutschlands kaum gebildet. Trotzdem können in Weizen und Gerste zur Verarbeitung in Futtermitteln Aflatoxinkonzentrationen, die im Mittelwert aller untersuchten Proben doppelt oder dreifach so hoch sind wie der Grenzwert von 5 ppb (parts per billion). Demzufolge handelt es sich hier um Getreide, das durch den globalisierten Handel in die Nahrungskette gekommen ist bzw. kommen soll. Die von der Europäischen Union vorgeschriebenen Stichprobenkontrollen können hier nur Symbolcharakter besitzen, da Pilze in Nestern wachsen und nicht gleichmäßig über die gesamte Ladung verteilt sind. Aus immunologischer Sicht ist der globale Nahrungsmittelhandel wenig sinnvoll, da er zur Destabilisierung der Körpersysteme führt. Andererseits sind einige Staaten schon nicht mehr in der Lage, sich aus dem eigenen Aufkommen zu ernähren. In diesem Dilemma befindet sich die Welt. journal Fakultäten und Institute Uni-Know-how für BMW Wirtschaftspädagogen helfen, Wissen zu managen Von Volker Born, Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik Der effiziente Umgang mit der Ressource Wissen ist eine zentrale Herausforderung für die Automobilindustrie, so das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in seiner jüngsten Studie. Zunehmende Komplexität der Produkte und Prozesse erschweren die effektive Aufbereitung und permanente Verfügbarkeit dieser Ressource. Auch im BMW Werk Leipzig ist die Notwendigkeit eines strategischen Wissensmanagements erkannt worden. Die Werksleitung hat die Gestaltung betriebsweiter Wissensmanagementprozesse als eine Kernaufgabe definiert. Im Leipziger Werk, in dem mittelfristig bis zu 5500 Mitarbeiter tätig sein sollen, werden bis Mitte 2004 alle Fertigungsbereiche ihren Erprobungsbetrieb aufnehmen. Im Frühjahr 2005 soll die Serienproduktion mit einem täglichen Produktionsziel von 650 Fahrzeugeinheiten starten. Mit dem Projekt „Werksaufbau“ sollen das Wissen und die Erfahrungen der Projektmitarbeiter gesichert und nachfragerorientiert aufbereitet werden. Zudem sind langfristig effiziente Prozesse des Informations- und Wissensaustausch im Werk zu implementieren. An dieser Aufgabenstellung arbeiten der Lehrstuhl für Berufsund Wirtschaftspädagogik der Universität Leipzig (Prof. Dr. Fritz Klauser) und der Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der TU Dresden (Prof. Dr. Bärbel Fürstenau) mit dem BMW Werk Leipzig seit dem Sommersemester 2003 im Rahmen eines Projektes zum betrieblichen Wissensmanagement (s. Journal 4/2003, S. 22). Studenten der Wirtschaftspädagogik beider Hochschulen haben dafür zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen sowie konkrete Vorschläge für Wissensmanagementprojekte erarbeitetet und im BMW Werk Regensburg präsentiert. Als Ergebnis dieser Veranstaltung wurden im WS 2003/4 durch Mitarbeiter der Lehrstühle aus Leipzig und Dresden empirische Daten zu den Heft 4/2004 Problemfeldern des Wissensmanagements im BMW Werk erhoben und konkrete Vorschläge zur effizienten Konstruktion und Umsetzung einer werksweiten Strategie zum Wissensmanagement erarbeitet. Im Zentrum steht dabei die Nutzung bestehender Wissensbestände und Erfahrungen durch die wechselseitige Verknüpfung der Dokumentation mit sozialen Netzwerkstrukturen. Aktuelle Schwerpunkte der Forschungs- und Projektarbeit sind • die Erarbeitung von Kriterien und Verfahren zur strukturellen und inhaltlichen Gestaltung von Dokumenten, • die Optimierung betrieblicher Abläufe durch den effizienten Einsatz prozesssteuernder Dokumentation, • die Sicherung des Erfahrungswissens zum Werksaufbau durch die effiziente Gestaltung von Lessons Learned-Dokumenten • die Förderung der Motivation zur Dokumentation von Erfahrungswissen sowie Kooperationsvertrag geschlossen Am 7. Mai wurde im BMW Werk Leipzig eine Kooperationsvereinbarung der Universität Leipzig und der TU Dresden mit der BMW AG Werk Leipzig unterzeichnet. Die Universität Leipzig wurde vertreten durch den Rektor, Prof. Dr. Franz Häuser, die TU Dresden durch Prof. Dr. Hans-Georg Marquardt, Prorektor für Universitätsplanung, und das BMW Werk Leipzig durch den Werksleiter Peter Claussen. Ziel der Vereinbarung ist es, Unternehmenspraxis und Wissenschaft noch enger miteinander zu verknüpfen. Güte und Praxisbezug von Forschung und Lehre sollen ebenso gesteigert werden wie die Effektivität der Unternehmensprozesse. Es wurde vereinbart auf den folgenden Gebieten zusammenzuarbeiten: • die Erarbeitung von Verfahren zur Nutzung und Gestaltung von werksinternen Wissensnetzwerken. Im Juni wurden die Projektergebnisse auf einem eigens dafür eingerichteten Wissensmanagementtag im Werk Leipzig vorgestellt und deren Übertragbarkeit auf weitere Handlungsfelder diskutiert. Die gemeinsame Projektarbeit von Hochschule und Unternehmen stiftet für beide Seiten einen Nutzen. Das BMW Werk Leipzig kann vom Know-how des Lehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspädagogik zur Analyse und Ausgestaltung wissensintensiver Prozesse in der Unternehmung profitieren. Für die Universität ist die Praxis ein anspruchsvolles Bewährungsfeld und stellt eine große Herausforderung für junge Akademiker dar. Der intensive Kontakt mit der Praxis ermöglicht es, betriebliche Prozesse und Probleme bereits in den Konzeptionen der Forschungsund Qualifikationsarbeiten zu berücksichtigen. Die Kooperation bietet zudem eine hervorragende Möglichkeit, Studierende zeitig an die Praxis heranzuführen. Sie werden mit Themen aus ihren späteren beruflichen Arbeitsfeldern konfrontiert und können Erfahrungen sammeln. Der Kooperationsvertrag, unterzeichnet am 7. Mai (siehe Kasten), bildet eine solide Grundlage für weitere gemeinsame Projekte. Weitere Informationen zur Kooperation im Internet: www.uni-leipzig.de/~wipaed • Planung und Ausführung von gemeinsamen Entwicklungs- und Forschungsprojekten im Bereich Wissensmanagement, • Organisation und Durchführung von gemeinsamen Veranstaltungen im Rahmen der universitären Ausbildung sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Unternehmen, • Durchführung von Praktika für Studierende und Mitarbeiter sowie • Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses. Prof. Dr. Fritz Klauser, Inhaber des Lehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, koordiniert die Zusammenarbeit an der Universität Leipzig. 9 Fakultäten und Institute Stadtentwicklung Ost: leerstehende Plattenbauten bei Vahldorf in SachsenAnhalt im April dieses Jahres. Foto: Silke Weidner Schrumpfende Städte erfordern neues Management Institut entwickelt Instrumentarien Von Silke Weidner, Institut für Baubetriebswesen, Bauwirtschaft und Stadtentwicklung Immer gab es in der Entwicklungsgeschichte von Stadt und in der Praxis des Städtebaus im Zusammenhang mit ökonomischen und demografischen Verschiebungen Umbrüche planerischer Entwicklungslinien. Nun scheint sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein besonders gravierender Bruch zu vollziehen, der gewohnte Entwicklungsmuster ebenso in Frage stellt wie Instrumentarien, die seit Jahrzehnten in der Stadtentwicklungsplanung erfolgreich eingesetzt wurden: Ein Paradigmenwechsel ist eingetreten – eine Vielzahl von Städten verzeichnet kein Wachstum mehr, sondern schrumpft mittel- und langfristig. Dabei finden Transformationsprozesse mit komplexen Bezügen und weit reichenden Zusammenhängen statt. Die aus dem Transformationsprozess zur postindustriellen Gesellschaft entstehenden Veränderungen lassen sich stichwortartig an den derzeitigen Rahmenbedingungen und Prognosen aufzeigen: Demografische Schrumpfung, wirtschaftliche Stagnation und soziokulturelle Krisen führen zu veränderten stadtstrukturellen Gegebenheiten. Nicht mehr die Lösung von Allokationsund Verteilungsproblemen, wie dies unter Wachstumsbedingungen der Fall ist, sondern die Bewältigung von Stagnation und Schrumpfung unter gleichzeitig enger werdenden (finanziellen) Handlungsspielräumen stehen v. a. für die öffentlichen Hände im Vordergrund. Es kommt in vielen Städten und Regionen zu einer Überlagerung von Unterentwicklung (von jeher strukturschwache Gebiete) und Rückentwicklung (Schrumpfung), wodurch sich Planung zunehmend mit einem Überangebot von Flächen und baulichen bzw. technischen 10 Hüllen auseinandersetzen muss. Für die Stadtentwicklungsplanung entsteht die Herausforderung, Rückentwicklung zu planen und qualitativ zu steuern, um Lebensqualität und städtische Funktionsweise nachhaltig zu gewährleisten. Da Stadt in der Vergangenheit immer gleichbedeutend war mit Wachstum, fehlen nun Instrumente, kognitive Orientierungen und Problemlösungsmuster, wie mit Schrumpfung umzugehen ist. Instrumentarien, die helfen, von der bloßen Symptombekämpfung bzw. Anpassung zu einer Ursachenbeseitigung und positiven Steuerung zu gelangen, müssen entwickelt und angewendet werden. Unter diesen Rahmenbedingungen gewinnt auch die Forschung in der Stadtentwicklung an Bedeutung. Am Institut für Baubetriebswesen, Bauwirtschaft und Stadtentwicklung (IBBS) der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gibt es deshalb verschiedenartig gelagerte Aktivitäten, die sich mit dem Oberthema der „schrumpfenden Städte“ auseinandersetzen. Im Rahmen von Drittmittelprojekten, Tagungen und dem Aufbaustudiengang Master of Science in „urban management“ werden Strategien zur Annäherung an die komplexe Thematik und ihre Lösung belegt. Beispielhaft für Teilthemen aus der Institutstätigkeit seien die folgenden Beiden genannt: In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt, das insgesamt mit knapp 1 Mio. € datiert ist, befasst sich das Institut intensiv mit der Entwicklung eines EDV-gestützten Tools zur kommunalseitigen Beobachtung und Bewertung städtischer Prozesse. Dieses Frühwarn- und Kontrollsystem (FKS) kann allen am Stadtumbau Beteiligten helfen, aus den aktuellen Entwicklungen Chancen für die Zukunft von Städten und Regionen datenseitig abzuleiten. Basis dieses Systems ist das Herausfiltern von quantitativen und qualitativen Indikatoren, sie mit entsprechendem Datenmaterial zu belegen und Grenz- sowie Schwellenwerte ihrer Inhalte zu identifizieren. In der Beschäftigung mit schrumpfenden Städten gibt es darüber hinaus einen Themenkomplex, der aus unserem Verständnis heraus nach wie vor zu wenig Beachtung findet. Dies ist die Auseinandersetzung mit der raumstrukturellen Entwicklung der Städte unter dem Vorzeichen rückläufiger Bedarfe und Intensitäten. In Zusammenarbeit mit der Stadt Halle (Saale) haben wir uns diesem Thema sowohl auf theoretischer als auch auf anwendungsbezogener Ebene angenähert. Um sich mit diesen Entwicklungsmodellen in konkretem Stadtbezug auseinandersetzen zu können, ist es nötig, die Physiognomie des jeweiligen Stadtkörpers genau zu betrachten. Zur Ableitung eines Leitbildes gilt es, die Baustrukturtypen als Siedlungsflächen und das Pendant, die Art und Form von Landschaft und Freiflächen zu beleuchten. Für Halle können zunächst abstrakt fünf Bänder über die jeweiligen Hauptfunktionen und Strukturelemente definiert werden. Entsprechende Leitziele und Handlungsschwerpunkte zur Weiterentwicklung der Nutzung, zur zukünftigen Gestaltung und zur Anwendung des Rückbauprinzips leiten sich daraus ab. Darüber hinaus ist das raumstrukturelle Leitbild ein sehr wichtiges Hilfsmittel in der öffentlichen Diskussion wie auch der stadtpolitischen Arbeit. Das Institut für Baubetriebswesen, Bauwirtschaft und Stadtentwicklung veranstaltete im März das 14. Leipziger Bauseminar. Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung „Urban management – Steuerung von Transformationsprozessen in der Stadt“ befasste sich mit den unterschiedlichen Sicht- und Herangehensweisen der zahlreichen Akteure im Stadtumbauprozess in Ost- und Westdeutschland. Die Resonanz der Teilnehmer und Referenten war sehr positiv, so dass eine thematische Fortsetzung im Jahr 2005 geplant ist. journal Fakultäten und Institute Antikenmuseum bekommt Architektur-Modell geschenkt Ein Haus aus Pompeji zum Anfassen 24. August im Jahre 79 v. Chr.: La Casa del Poeta Tragico – das Haus des tragischen Dichters – und andere pompejische Bauwerke versinken unter der Asche des ausbrechenden Vesuvs. Fast 2000 Jahre später werden die Gebäude Stück für Stück frei gelegt. So konnte sich auch der Architekt Nicolas Wood eine Vorstellung von der römischen Bauweise machen und die Casa del Poeta Tragico in einem dreidimensionalen Modell kunstvoll rekonstruieren. Sein Werk gehört seit Herbst 2001 zur Sammlung des Antikenmuseums. Im Juni überbrachte er dem Museum nun ein zweites, für die museumspädagogische Arbeit entworfenes, kleineres Modell (s. Foto). Es besteht aus einer robusten Holzkonstruktion und kann in seine Einzelteile zerlegt werden. An Detailreichtum steht es seinem großen Bruder kaum nach: Mit sehr viel Liebe zum Detail versuchte Wood, die bei der Ausgrabung des Wohnhauses in Pompeji entdeckten Mosaike und Gemälde im Modell umzusetzen. Staunende Gesichter werden also die kleinen Besucher machen, wenn sie nicht nur die Reproduktion des pompejanischen Wohnhauses in einer Vitrine betrachten, sondern spielerisch entdecken, was es mit der römischen Bauweise auf sich hat. Zukünftig können sie so bei Führungen und anderen Veranstaltungen die antike Wohnkultur hautnah erleben. Text und Foto: Kornelia Tröschel Erste Zeugnisse im Masterstudiengang „Deutschlandstudien“ übergeben Der Festsaal der Universität Riga hatte sich in ein Blumenmeer verwandelt; der deutsche Botschafter, der Kulturattaché, Vertreter des Rektorats der Universität Riga, der Leiter des Goethe-Instituts, der Dekan des Fachbereichs für Kultur- und Sozialwissenschaften der FernUniversität in Hagen, DAAD-Lektoren, betreuende Professoren des Masterstudiengangs aus Hagen und Leipzig sowie Freunde und Verwandte der Studierenden aus Estland, Lettland und Litauen feierten am 19. Juni gemeinsam mit den ersten Absolventen des Masterstudiengangs „Deutschlandstudien“. Der im September 2003 akkreditierte Studiengang wurde als eine Maßnahme der deutschen auswärtigen Kulturpolitik von der FernUniversität in Hagen gemeinsam mit dem Seminar für Sprachlehrforschung der Ruhr-Universität Bochum und dem Herder-Institut der Universität Leipzig speziell für Studierende aus den baltischen Staaten, St. Petersburg und Kaliningrad entwickelt. Fachwissenschaftliche Qualifizierung wird im Rahmen dieses Studiengangs mit einem breit angelegten deutschlandkundlichen Studienangebot in EinHeft 4/2004 klang gebracht. Diese Verbindung wird über die Gliederung des Studiengangs in Basismodule und modularisierte Studienschwerpunkte hergestellt. In den für alle Studierenden verbindlichen Basismodulen wird ein breites deutschlandkundliches Wissen vermittelt. Die Studierenden sollen in die Lage versetzt werden, in Deutschland auftretende gesellschaftspolitische Entwicklungen, Strukturen und Organisationsformen erfolgreich zu interpretieren.m Die Universität Leipzig ist über Prof. Dr. Karin Kleppin aus dem Herder-Institut an dem Studienschwerpunkt „Deutsche Sprache und ihre Vermittlung“ beteiligt. Weitere Schwerpunkte sind Germanistik und Gesellschaft, Politik und Kultur. In dem Sprach-Schwerpunkt werden die Studierenden mit den neuesten Methoden, Tendenzen und Diskussionen vertraut gemacht und erhöhen damit ihre Chancen, im schulischen Bereich bzw. an den Hochschulen eine langfristige berufliche Perspektive zu finden. Prof. Dr. Karin Kleppin, Herder-Institut Anzeige Krankenkasse wählen im Internet: Alles was Sie schon immer über Ihre Krankenversicherung wissen wollten! www.financialport.de FINANCIALPORT • Carlo-Schmid-Weg 13 • D 25337 Elmshorn Tel.: +49 (0) 41 21- 45 0915 • Fax: +49 (0) 4121- 45 0914 • E-Mail: [email protected] 11 Fakultäten und Institute Ostmitteldeutsch in historischer Tiefe Im Gespräch mit H. U. Schmid Von Volker Schulte Auch das, nein, gerade das ist Universität. Ein Zettel an der Tür („Die Prüfung in Altnordisch haben bestanden …“) verweist auf ein geistiges Reich hinter dieser Tür, das fernab von hochschulpolitischen Aktivitäten um Forschungscluster und Exzellenzzentren zu liegen scheint. Dieses Reich, legt man die Denomination der Professur zu Grunde, heißt „Historische deutsche Sprachwissenschaft“ und erstreckt sich vom Altnordischen, Gotischen und Altenglischen über das Alt- und Mittelhochdeutsche bis zum Ostmitteldeutschen des Mittelalters und dann weiter zum Neuhochdeutschen. So jedenfalls zieht Prof. Dr. Hans Ulrich Schmid, der kürzlich seine Antrittsvorlesung hielt, gegenwärtig die Reichsgrenzen, geht man von seinen Lehrveranstaltungen und Forschungsvorhaben aus. Ein Stück der Wand des Arbeitsraumes gibt Aufschluss, wer bislang dieses historische Sprachreich in Leipzig regiert hat: Fotoporträts bekannter Germanisten wie Sievers, Frings, Behaghel, Baesecke und Elisabeth Karg-Gasterstädt zeigen an, in welcher bedeutenden Traditionslinie der neuberufene Professor steht. Auf das „Eingangs-Phänomen“ Altnordisch angesprochen, sagt er: „Ich war selbst überrascht, dass der Hörsaal zur ersten Vorlesung voll besetzt war. Bis zum Ende haben dann 25–30 Leute durchgehalten.“ Woher dieses Interesse? „Kenntnisse auf diesem Gebiet ermöglichen es, über die Aufklärung sprachetymologischer Zusammenhänge (Beispiel: deutsch Zaun, engl town) Sprachveränderungen nachzuvollziehen und zugleich eine Brücke zu den nordischen Sprachen in Skandinavien zu schlagen.“ Im Gespräch mit Schmid wird deutlich: Die erwähnte Ahnenreihe ist mehr als bloßer Zimmerschmuck, sie ist Programm. Vor allem insofern, als sich Frings und seine Nachfolger Große und Lerchner, die gleichzeitig Schmids Vor12 gänger sind, um die Erforschung des Ostmitteldeutschen außerordentlich verdient gemacht haben. Das Interesse des Bayern Schmid am Ostmitteldeutschen hat aber nicht nur mit dem Ortswechsel von München nach Leipzig und der Eingliederung in die hiesige Forschungstradition zu tun, sondern ganz einfach mit der zentralen Stellung des Ostmitteldeutschen unter den deutschen Dialekten, schöpfte doch Martin Luther aus dem Fundus der sächsischen, thüringischen und angrenzenden niederdeutschen Dialekte, und das Hochdeutsche wiederum steht auf den Schultern Luthers. Und über das historische Ostmitteldeutsche kann man zudem den Anschluss zu den heute in Sachsen und Thüringen gesprochenen Dialekten gewinnen. Trotz der Vielzahl sprachhistorischer Arbeiten in den 30er bis 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gibt es, so Schmid, noch große Lücken. So ist es sein langfristiges Ziel, eine Reihe von Einzelarbeiten zu einem Wörterbuch des Ostmitteldeutschen, das in die historische Tiefe geht, zusammenzuführen. Ob das dann am Ende als Buch erscheint oder „nur“ ins Internet gestellt wird, sei ihm zweitrangig. Der erste Schritt wird sein, Magisterarbeiten zu diesem Thema auszuschreiben. Dabei könnten bisher unerschlossene Quellen wie umfangreiche Privatbriefe aus dem 16. Jh. für das Projekt ausgewertet werden. Diese sprachhistorische Arbeit wird nicht um ihrer selbst willen, sondern mit Blick auf die sprachliche Gegenwart geleistet. Denn für Prof. Schmid ist unser Hochdeutsch „ein Esperanto auf der Basis alter deutscher Dialekte“. Heutige Sprachgegebenheiten und -entwicklungen allein auf der Grundlage einer allgemeinen Sprachtheorie zu erklären, ist für Schmid ein Graus, vielmehr hält er dafür ein reiches empirisches, grammatikgesättigtes Material für unerlässlich. Provokante Frage an den Sprachhistoriker: Kann es sein, dass der Abschluss dieses Wörterbuchs des Ostmitteldeutschen mit dem Verschwinden der deutschen Sprache im sich vereinigenden Europa zusammenfällt? Angesichts der großen Zahl von Deutsch sprechenden Menschen sei das nicht zu erwarten, ist sich unser Gesprächspartner sicher. „Aber falls Sie auf die zwanghaft scheinende Anglisierung anspielen, die macht mir schon gelegentlich Sorgen. Wenn Germanisten in deutschsprachigen Zeitschriften Beiträge über die deutsche Sprache in Englisch verfassen, dann kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Ist es Imponiergehabe, ist es mangelndes Selbstbewusstsein? Ein englisches Summary täte es doch auch.“ Ansonsten ist Gelassenheit angesagt. Auch in Bezug auf die EU-Erweiterung. Wenn tatsächlich die Gefahr bestünde, dass historisch und kulturell gewachsene Regionen eingeebnet würden, so Schmid, so entstünden auch Gegenbewegungen, für die dann auch die historische Sprachwissenschaft Argumente liefern könnte. Kultur und Sprache gehörten eben zusammen, das Was und Wohin sei nun einmal ohne das Woher nicht erklärbar. Dass die historische deutsche Sprachwissenschaft sich auch auf anderem Felde nützlich machen kann, demonstrierte Hans Ulrich Schmid in seiner Antrittsvorlesung mit dem Titel „Verspelt aver ein man sin gut …“, in der er sich älteren Rechtsbüchern wie dem Sachsenspiegel und dem Schwabenspiegel unter der Intention zuwandte, das unüberschaubare Gestrüpp von Schachtelsätzen zu durchdringen, und zwar durch ein Scharfstellen der grammatikalischen Optik, was eine ganz erstaunliche Fülle verschiedenartigster Konditionalgefüge zu Tage fördert. Natürlich kann jeder Jurist von heute daraus lernen, denn auch bei den modernen Gesetzbüchern handelt es sich überwiegend um Ansammlungen von konditionalen Gefügen nach dem Grundschema wenn – dann. Der Vortragende machte in seiner Vorlesung deutlich, dass mit ihr keineswegs alles zum Thema gesagt sei. Im Gegenteil: Zu einer Erforschung der historischen Rechtssprache, die neben der Lexik auch die Syntax einschließe, seien noch viele materialbezogene Vorarbeiten zu leisten. Hier schlummere noch Stoff für so manche Examens-, Magister- oder Doktorarbeit. Wie wäre es etwa mit dem Thema „Multikonditionale Hypotaxen in älterer deutscher Rechtsprosa“? Wie eingangs gesagt: Auch das, nein, gerade das ist universitas litterarum. journal Fakultäten und Institute Wenn Harrius in Bradavice gegen Tom Elvis kämpft Harry Potters Namenwelt in der Übersetzung Von Dr. Dietlind Krüger, Institut für Slavistik Der 1991 an der Universität Leipzig eingerichtete Magisterstudiengang Nebenfach Namenkunde erfreut sich im dreizehnten Jahr seines Bestehens großer Beliebtheit. Zum Sommersemester 2004 haben sich mehr als 170 Studenten ganz unterschiedlicher Fächerkombinationen eingeschrieben. Um diese Studenten umfassend mit Fragen des Eigennamengebrauchs vertraut zu machen, stehen auch Lehrveranstaltungen zu neueren Themenbereichen der Namenforschung auf dem Lehrplan. Dazu gehören Seminare, die „Namen in Texten“ ganz unterschiedlicher Art analysieren, die somit textlinguistische Methoden in der Namenforschung anwenden. Einen gut etablierten Bereich bildet die „Literarische Onomastik“, die sich seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als eine ernst zu nehmende Disziplin entwickelt hat. Literarische Eigennamen sind künstlerische Gestaltungsmittel besonderer Art. Häufig erbringen sie Leistungen, die über die bloße Benennung von Figuren und Schauplätzen hinausgehen. Werden literarische Texte in andere Sprachen übersetzt, so muss der Übersetzer die vielfältigen Funktionen der literarischen Namen erkennen und versuchen, diese auch im übersetzten Text ankommen zu lassen. Diesem Problemkreis ist im laufenden Sommersemester das Seminar „Eigennamen in der Übersetzung“ gewidmet. Anhand des mittlerweile in mehr als 47 Sprachen übersetzten Welterfolgs „Harry Potter“ von J. K. Rowling werden Probleme der Wiedergabe von Eigennamen bei der Übersetzung diskutiert. Mit Hilfe der Dichotomie Beibehaltung (der Eigennamen) versus Veränderung (unterschiedlichster Art) können die vorgefundenen Übersetzungen namenkundlich ausgewertet werden. Verglichen wurden die deutschen, russischen, niederländischen, polnischen und tschechischen Texte. Die meisten Veränderungen nimmt die niederländische Übersetzerin vor, nur 13% Heft 4/2004 Band 5 der Harry-PotterReihe der Namen des englischen Textes wurden beibehalten, der Rest verändert. So heißt die Zauberschule, in die Harry Potter (in der lateinischen Ausgabe Harrius) mit Ron und Hermione (tschechisch Hermiona) nach seinem elften Geburtstag aufgenommen wird, nicht mehr Hogwarts, sondern Zweinstein. Der englische Name, der „Schweinewarzen“ bedeutet und zur Gruppe der „redenden Namen“ gehört, wird durch einen völlig anderen Namen ersetzt. Der tschechische Übersetzer wählt dagegen die Teilübersetzung Bradavice („Warze“). Klaus Fritz, der die deutsche Übersetzung besorgte, behielt den englischen Namen bei, womit sicherlich bei vielen Lesern die charakterisierende Funktion dieses Namens nicht aktiviert wird. Bei der russischen Übersetzung werden 62% der Namen beibehalten, wobei dazu auch die umschrifteten Namen wie огс und Г о gezählt wurden Für die Wiedergabe von Eigennamen in übersetzten literarischen Texten konnten acht Verfahren erarbeitet werden: Beibehaltung, Umschriftung, Exonyme (bei geographischen Namen, z. B. Scotland: Schottland), einzelsprachlich parallele Namenformen (bei Personennamen), Namenübersetzung (bei redenden Namen), Ersetzung durch andere Namen, Ersetzung durch eine Umschreibung und die Weglassung. Der Konflikt, der beim Übersetzen entsteht, ist, dass bei Veränderungen der Namen oftmals das Lokalkolorit des Ausgangstextes verloren geht (wie es in den niederländischen Harry-Potter-Büchern der Fall ist). Sicherlich ist in manchen Fällen die Veränderung unumgänglich, so zum Beispiel beim Namen Tom Marvolo Riddle, der in der Umstellung den für die Textaussage wichtigen Satz „I am Lord Voldemort“ ergibt und folgerichtig in den Übersetzungen verändert wurde, so deutsch zu Tom Vorlost Riddle (ist Lord Voldemort), niederländisch Marten Asmodom Vilijn. (Mijn naam ist Voldemort) und französisch Tom Elvis Jedusor (Je suis Voldemort). In anderen Fällen ist die Veränderung schwer nachvollziehbar, zumal wenn es um Hauptfiguren geht (aus dem englischen Albus Dumbledor, wird niederländisch Albus Perkamentus) oder dann, wenn dadurch eine heterogene Namenlandschaft entsteht, die halb englisch und halb deutsch ist. Der Übersetzer erweist sich hier nicht nur als Mittler, sondern als eine Art Sekundärautor, der große Macht über die Namen hat. Er interpretiert die Namen für sich und entscheidet über deren Beibehaltung bzw. Veränderung. Vor allem für Studierende, die in ihren Fächern Anglistik, Amerikanistik, Romanistik, Hispanistik oder ähnliches studieren, stellt das Seminar „Namen in der Übersetzung“ eine willkommene Ergänzung dar, werden die Eigennamen doch dort meist nur am Rande behandelt. Außerdem kommen Probleme der modernen Namentheorie zur Sprache, deren neuester Stand kürzlich in dem von zwei Absolventen unseres Studiengangs herausgegebenen, mehr als 1000 Seiten umfassenden Werk „Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik“ (hrsg. von A. und S. Brendler, Hamburg 2004) dargestellt wurde. Eine ausführliche Abhandlung zu den Namen bei den Harry-Potter-Übersetzungen erscheint in den Namenkundlichen Informationen 85/86 (2004) im Leipziger Universitätsverlag. 13 UniCentral Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ und dem Deutschen Verband Technisch-Wissenschaftlicher Vereine wurde das Jahr 2004 zum „Jahr der Technik“ erklärt. Das Uni-Journal wirft daher einige Schlaglichter auf Technik-Anwendungen an der Universität Leipzig. Eine Sprache für die Computer-Chirurgie Innovationszentrum nach Leipzig geholt Von Dr. Bärbel Adams Im Rahmen der BMBF-Innovationsinitiative für die neuen Länder erhielt Leipzig den Zuschlag für den Aufbau eines Zentrums für computer- und robotergestützte Chirurgie, das spezielle Problemstellungen zur Verarbeitung von Biosignalen und Bilddaten, zur Informationsintegration, zur Mechatronik und zur Systemsicherheit bearbeitet. Die Einzigartigkeit des Zentrums liegt in der Verbindung von chirurgischen und informationstechnischen Disziplinen. Mit der Initiative „Zentren für Innovationskompetenz. Exzellenz schaffen – Talente sichern“ will das BMBF universitäre Spitzenzentren in den Neuen Länder för- dern. Das Leipziger Zentrum heißt ICCAS (Innovation Center of Computer Assisted Surgery) und soll ein strategisches Konzept für die zukünftige Gestaltung der computerassistierten Chirurgie entwickeln. Dafür stellt das BMBF vier Millionen Euro über fünf Jahre zur Verfügung. Arbeitsbeginn ist der 1. Januar 2005. Von der Universität Leipzig sind beteiligt: die Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde/Plastische Operationen (Dr. Gero Strauß), die Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Dr. Christos Trantakis), die Klinik für Herzchirurgie (PD Dr. Volkmar Falk) sowie das Institut für Ana- Dr. Volkmar Falk am OP-Roboter im Herzzentrum. 14 tomie (Prof. Wolfgang Schmidt). Beteiligt sind außerdem Prof. Heinz Lemke, Fachgebiet Computer Graphics der Technischen Universität Berlin und Prof. Dr. Tim C. Lueth, Fachgebiet Navigation und Robotik, Universitätsklinikum Charité, Campus Virchow-Klinikum Berlin. Sprecher des ICCAS ist Prof. Jürgen Meixensberger, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie. Die computer- und robotergestützte Chirurgie ist angewiesen auf digitale Daten, die durch sehr unterschiedliche Systeme mit ihrer jeweils eigenen „Sprache“ erhoben und verarbeitet werden. Der Operations- 3-D-Simulation eines OP-Saals der Zukunft. journal UniCentral Übung am Computer: „Haptic IO“ heißt der OP-Simulator für endoskopische Operationen. saal stellt eine Schnittstelle all dieser Daten dar, ohne dass die Kommunikation zwischen ihnen gewährleistet ist. Ein Datensatz stellt für den anderen quasi eine Fremdsprache dar, für deren Verständnis die gemeinsame Basis fehlt. Diese gemeinsame Basis ausgehend von den Anforderungen des Chirurgen zu erarbeiten, ist eine Aufgabe des ICCAS. Dazu müssen die Transparenz der Abläufe hergestellt, Ähnlichkeiten abgesteckt und eine einheitliche Sprache gefunden werden. Die Zusammenarbeit von Chirurgen, Radiologen, Informatikern und Ingenieuren ist erforderlich. Neben der Klärung dieser Grundsatzprobleme wollen die Wissenschaftler die Medizintechnik für die computer- und robotergestützte Chirurgie so verbessern, dass Produkte entwickelt werden, die vielseitig einsetzbar sind und über Module ganz spezifische Verwendungszwecke erfüllen können. Dazu bedarf es zunächst einer Harmonisierung der eingesetzten Technik und einer allgemeinen Verfügbarkeit aller relevanten Bilddaten sowie übergreifender Lösungen. Die Einzeldaten müssten so aufbereitet sein, dass sie als Zusatzinformationen genutzt und durch ein einziges Gerät gelesen werden können. Eingeschlossen ist die Zusammenführung verschiedener Datenquellen, z. B. von Magnetresonanztomografie und Computertomografie. Diese Systeme müssen untereinander kommunizieren können, damit sie im OP zeitgleich präsentierbar sind. Die Leipziger gehen dabei von einem ganz neuartigen Ansatz aus: Im Gegensatz zu früheren Prototypen von NavigationssysHeft 4/2004 Computerbilder ermöglichen navigiertes Operieren an der Schädelbasis. Abbildungen: ICCAS tem, mechatronischen Komponenten oder Bildverarbeitungssoftware steht am Anfang die kritische Durchleuchtung des OPAblaufes und die Suche nach Gemeinsamkeiten bei verwandten Eingriffen anderer chirurgischer Fächer. Durch eine systematische Analyse des OP-Ablaufes kann dieser mit Hilfe moderner IT-Werkzeuge analysiert, visualisiert und virtuell simuliert werden. „Die Chirurgie steht vor einer neuen Herausforderung“, erklärt Professor Meixensberger das Vorhaben. „Eine zunehmende Fülle digitaler Informationen steht uns zur Verfügung, die wir optimal nutzen müssen. Das Interdisziplinäre Zentrum für computer- und robotergestützt Chirurgie kann uns dabei voranbringen.“ Die Forscher laden schon einmal alle interessierten Wissenschaftler zur Mitarbeit ein. Große Firmen hätten ihr Interesse bereits signalisiert. Auch für die Ausbildung von Medizininformatikern könnte sich ein ganz neuer Ausbildungsschwerpunkt entwickeln. Weitere Informationen im Internet: www.iccas.de Leipziger Physiker koordinieren europäisches Exzellenz-Netzwerk Am 17. Juni hat der Kanzler der Universität Leipzig, Peter Gutjahr-Löser, in Anwesenheit von Prorektor Prof. Martin Schlegel und Koordinator Prof. Marius Grundmann einen Vertrag mit der EUKommission in Brüssel unterzeichnet, der über einen strikten dreistufigen Antragsund Evaluationsprozess verhandelt wurde. Darin ist festgeschrieben, dass die Universität Leipzig das europäische Exzellenz-Netzwerk SANDiE (Self-Assembled Semiconductor Nanostructures for new Devices in Photonics and Electronics) auf dem Gebiet der selbstorganisierten Halbleiter-Nanostrukturen koordinieren wird. Koordinator wird der Halbleiterphysiker Prof. Marius Grundmann, Direktor des Institut für Experimentelle Physik II der Universität Leipzig. Das Netzwerk startet offiziell am 1. Juli. In den nächsten vier Jahren wird es mit über 9 Millionen Euro gefördert. Am Netzwerk nehmen neben der Universität Leipzig 27 weitere Partner aus elf Nationen, von Portugal bis Russland teil. Neben 16 Universitäten sind acht Forschungsinstitute beteiligt. Zudem sind vier führende europäische Industriefirmen auf dem Photoniksektor Partner, um eine möglichst effiziente wirtschaftliche Umsetzung neuer wissenschaftlicher Ergebnisse in Europa zu realisieren. K. S. Mehr über das Exzellenz-Netzwerk erfahren Sie im nächsten Uni-Journal. 15 UniCentral Ultraschallaufnahmen von trächtigen Tieren Gebärmutterwand Eihautflüssigkeit Nabelstrang Fötus (unten wahrscheinlich der Kopf des Fötus) Was beim Menschen schon lange möglich ist, gibt es seit einiger Zeit auch für Tiere: Ultraschallaufnahmen, mit denen die Trächtigkeit von Tieren kontrolliert werden kann. Die Aufnahme zeigt einen Pferde-Fötus am 50. Tag der Trächtigkeit. Letztere kann dank der Ultraschalldiagnostik erstmalig zehn Tage nach der Befruchtung festgestellt werden. Darüber hinaus werden an der Ambulatorischen und Geburtshilflichen Tierklinik bei Prof. Dr. Axel Sobiraj erste Schritte getätigt, um den Embryotransfer bei Stuten zu etablieren: Eine wertvolle, bspw. im Training befindliche Stute wird besamt, der Embryo nach acht Tagen aus ihrer Gebärmutter herausgespült, die Stute kann im Training bleiben. Anschließend wird der Embryo auf eine Empfängerstute übertragen, die als „Leihmutter“ das Fohlen austrägt, zur Welt bringt und aufzieht, oder der Embryo wird in flüssigem Stickstoff „auf Eis gelegt“ und später übertragen. B. A. Über Proteine zur Diagnose Das Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik der Uni Leipzig erhält im Rahmen des GenoSNIP-Projektes 332 340 Euro Fördermittel von der Sächsischen Aufbaubank, um in Zusammenarbeit mit der Bruker Daltonik GmbH Leipzig ein diagnostisches Verfahren zum sicheren Nachweis bestimmter Erkrankungen zu entwickeln, das auf dem so genannten „funktionalen Protein-Fingerabdruck“ beruht. Der „genetische Fingerabdruck“ hat inzwischen nicht nur in der Forensik Furore gemacht. Jetzt gehen die Wissenschaftler noch ein Stück weiter: Sie untersuchen die Eiweiße oder Proteine, die aus dem Genom als der Gesamtheit der Gene entstehen und unsere Körperfunktionen steuern. „Sie sind die eigentlichen Player“, erklärt Prof. Dr. Joachim Thiery, Direktor des Institutes für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik. Das Genom ist sozusagen das Programm oder die Software, deren individueller Inhalt die Proteine sind und analog zum Genom als Proteom bezeichnet werden. „Raupe und Schmetterling haben z. B. das gleiche Genom, zeichnen sich aber durch ein unterschiedliches Proteom-Profil und damit anderes Erscheinungsbild aus“, so Thiery. Proteine oder Eiweiße steuern die verschiedensten Körperfunktionen und sind somit maßgeblich verantwortlich für Gesundheit oder Krankheit. Wenn es gelänge, diese funktionale Proteinmuster im Blut präzise zu erfassen und wiederkehrende 16 Merkmale mit bestimmten Krankheitsbildern in Zusammenhang zu bringen, ließen sich vielleicht zuverlässige Marker für diese Krankheiten finden, vor allem dann, wenn sie sich beim Patienten noch nicht mit den üblichen Symptomen bemerkbar machen. Dies würde einer Revolution auf dem Gebiet der Diagnose schwerer Erkrankungen gleichkommen, von deren frühzeitiger Behandlung ihre Heilung abhängen könnte wie z. B. bei Krebs oder Herzerkrankungen. Das waren die Ausgangsüberlegungen der Wissenschaftler. Durch die schnell voranschreitende Entwicklung im Bereich der Proteinanalytik und der Bioinformatik ist heute eine sehr präzise Analyse von komplexen Proteinmustern in Patientenblut mittels MaldiTof-Massenspektrometrie möglich geworden. Vorraussetzung für die Durchführung der Proteinanalyse ist eine Abtrennung der Proteine von der Blutmatrix. Diese erfolgt mittels neu entwickelter magnetischer Mikropartikel mit charakteristischen Oberflächeneigenschaften. Nach der Aufarbeitung der Blutprobe werden die Proteine mit einer chemischen Matrix vermischt und getrocknet auf einer Metallplatte im Massenspektrometer analysiert. Dazu werden durch einen Laser-Impuls die Eiweiße ionisiert und im elektrischen Feld beschleunigt. Von der Fluggeschwindigkeit kann man auf die Masse der einzelnen Eiweißmoleküle schließen und sie somit identifizieren. Dadurch erhält man einen individuellen „Proteinfingerabdruck“, der sich zwischen Gesunden und Kranken unterscheidet. Bei ersten Untersuchungen einer amerikanischen Arbeitsgruppe an Patientinnen mit Eierstock-Krebs gelang es, bereits frühzeitig durch Untersuchung des „funktionalen Proteinfingerprints“ im Blut den Tumor nachzuweisen. Mit den eingeworbenen Mitteln wollen die Wissenschaftler jetzt charakteristische Proteinprofile für bestimmte Krankheiten herausfinden: Das sind 1. Dickdarmkrebs und Bauschspeicheldrüsenkrebs; 2. kardiovaskuläre Erkrankungen und 3. Herz-Insuffizienz. Alle drei Krankheiten werden aufgrund bisher unzureichender labormedizinischer Analysenmethoden in der Regel zu spät erkannt und sind dadurch einer erfolgreichen Behandlung nur sehr schwer zugänglich. Gelänge eine zuverlässige Erstellung des Proteinmusters, könnten die genannten Erkrankungen mit Hilfe einer einfachen Blutuntersuchung frühzeitig diagnostiziert und damit erfolgversprechend behandelt werden. Die Leipziger Wissenschaftler können auf die modernen massenspektrometrischen Analysengeräte von Bruker Daltonik Leipzig zurückgreifen und auf die Unterstützung der internationalen Firma bauen, die mit einer eigenen Fertigungsstrecke in Leipzig vertreten ist. Prof. Thiery hofft, dass die seit Ende 2003 arbeitende interdisziplinäre Forschergruppe, an der Wissenschaftler verschiedener universitärer Einrichtungen beteiligt sind, 2005 valide Ergebnisse vorlegen kann. Dr. B. Adams journal UniCentral Im Schussfeld der Ionen Hightech-Sonde in der experimentellen Physik Von Karsten Steinmetz Die phänomenalen Möglichkeiten, die durch die Hochenergie-Ionennanosonde „Lipsion“ erschlossen werden, sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Denn was mit dieser Technik sichtbar gemacht werden kann, versteckt sich im Nanometerbzw. Milliardstelmeterbereich und hinter einer einzigartigen Apparatur, die sich auf 27 Metern entfaltet. Die Einblicke in Kleinststrukturen, die diese Anordnung erlaubt, sind intensiver und durchdringender, insbesondere bei dickeren Proben als die der Elektronenmikroskopie. So gelang es den Leipziger Forschern um Prof. Tilman Butz, Leiter der Abteilung Nukleare Festkörperphysik des Instituts für Experimentelle Physik II, das Geheimnis der inneren Struktur von Zygosporen, die einigen Pilzarten zur Fortpflanzung dienen, zu enträtseln und dadurch so manchen Biologen zum Umdenken zu bewegen. Damit „Lipsion“ für solche Überraschungen sorgen kann, mussten ungewöhnliche Maßnahmen getroffen werden. So steht die Anlage auf zwei Spezialfundamenten, bestehend aus zehn Meter hohen Betonsäulen, um Schwingungen vorbeifahrender Straßenbahnen abzufangen. Sie ist außerdem in ein ausgeklügeltes technisches System eingebetet, das eine hohe Spannungs-, Luftfeuchtigkeits-, Temperatur- und Energiestabilität bereitstellt. Das alles kostete viel Geld. Allein in die Rekonstruktion des Laborgebäudes, einschließlich Laborinstallationen, wurden rund 10 Mio. DM investiert. Am Anfang der „Lipsion“-Apparatur befindet sich der Teilchenbeschleuniger „Singletron “, der geladene Materie, in diesem Fall Helium- oder Wasserstoffatome, denen Elektronen entrissen wurden, durch elektrische Felder mit drei Mio. Volt auf ein Paar Prozent der Lichtgeschwindigkeit beHeft 4/2004 schleunigt. Im Schussfeld der Ionen befindet sich weiterhin ein Magnet zur Reinigung des Ionenstrahls und am Ende ist die tatsächliche Sonde installiert. Sie verfügt über eine Objektblende, eine Aperturbox und Linsen, die den Durchmesser des Ionenstrahls noch einmal um das 130-fache, auf ein Tausendstel eines Haardurchmessers, verkleinern. In der dahinter liegenden Messkammer werden die maximal 2 mal 2 mal 0,5 Zentimeter großen Proben durch den Ionenstrahl strukturell sichtbar gemacht. Vier Detektoren observieren dabei die Wechselwirkungen zwischen den eingeschossenen Ionen und den Atomkernen und Atomhüllen der Proben. Ein Detektor überwacht die Röntgenstrahlung, ein anderer rückgestreute Teilchen, der dritte weist transmittierte Teilchen des Ionenstrahls nach, und ein vierter misst die Sekundärelektronen, die erzeugt wurden. Mit Hilfe von „Lipsion“ kann man aber nicht nur Kleinstformationen, wie Dünnschichtsolarzellen, mikro- und nanodimensionale Strukturelemente oder Knorpelzellen analysieren, sondern auch Wirkungszusammenhänge erforschen, wie z. B. beim Einzelionen-Beschuss lebender Zellen. Hierbei können die Effekte der Strahlenwirkung, aber auch der Informationsfluss zwischen den Zellen, gezielt auf ihre Anwendbarkeit in der Krebsbehandlung untersucht werden. Die Forscher schaffen durch den Ionenbeschuss aber auch Strukturen, wie z. B. beim maskenlosen Schreiben von Submikrometerstrukturen. Sie erzeugen zudem ferromagnetische Eigenschaften bei Kohlenstoff, was die Fabrikation von Biomagneten und neuen Halbleitern möglich macht. Letztlich kann die Sonde aber auch beim Nachweis der schädlichen Hautpenetration von Nanopartikeln oder aber bei der Analyse von Spurenelementen in Hirnschnitten, also für die Erforschung der Alzheimererkrankung, äußerst hilfreich sein. Bei so vielen Anwendungsmöglichkeiten und der häufigen Nutzung der Anlage durch private und öffentliche Gastwissenschaftler bedauert es Prof. Butz natürlich, dass die Anlage nicht rund um die Uhr für die Forschung nutzbar gemacht werden kann. Aber es gebe im universitären Betrieb zu wenig Personal, insbesondere Strahlenschutzbeauftragte. Insgesamt führe „Lipsion“ aber hervorragend die große, schon zu DDR-Zeiten begonnene Leipziger Tradition der Teilchenbeschleunigung fort. Die „Lipsion“-Apparatur im Labor des Instituts für Experimentelle Physik II. Im Vordergrund ist die Messkammer mit der Sonde zu sehen. Foto: Institut 17 UniCentral Organismen im Bioreaktor Das Institut für Angewandte Biotechnologie Von Marlis Heinz Zarte Pflänzchen gedeihen in gläsernen Kolben, manche in langen Reihen auf Labortischen, andere im lichtüberfluteten Klimaschrank. In anderen Räumen stehen zahllose Behältnisse, in denen Mikroorganismen aufbewahrt oder vermehrt werden. All diese sorgsam gezüchteten Lebewesen treten irgendwann in den Dienst der Wissenschaft, müssen sich auf ihre Gefährlichkeit oder ihren Nutzen für den Menschen untersuchen lassen. Auf dem Gelände des Wissenschaftsparks Permoserstraße in Leipzig hat das Sächsische Institut für Angewandte Biotechnologie (SIAB) seinen Sitz. Es wurde 1997 von Wissenschaftlern der Universität Leipzig mit der Zielstellung gegründet, Ergebnisse aus der biotechnologischen Grundlagenforschung nutzbar zu machen. Das SIAB ist ein eingetragener Verein und ein AnInstitut der Universität Leipzig. Sein Direktor ist Prof. Dr. Kurt Eger, Dekan der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie. Wie bei jeder funktionierenden Symbiose profitieren beide Partner, Universität und An-Institut, von der Gemeinsamkeit. „Für unsere Einrichtung ist es von Vorteil, auf die Infrastruktur der Universität zurückgreifen zu können, also beispielsweise auf das Rechenzentrum, die Datenbanken und die Bibliotheken“, erläutert Dr. Gerhard Kerns, Vorstandsmitglied des Vereins. „Auch das Engagement von Diplomanden und Doktoranden, die in unseren Forschungsprojekten eingebunden sind, wissen wir zu schätzen. Der Universität wiederum helfen wir, indem wir für größere Studentengruppen Labor-Praktika organisieren. So können künftige Pharmazeuten oder Biochemiker hier die Kultivierung von Mikroorganismen untersuchen und deren Stoffwechsel analysieren. Wir haben hier die räumlichen Möglichkeiten und auch die technischen; solche Bioreaktoren im kleintechnischen Maßstab wie bei uns gibt es an der Universität nicht.“ Außerdem halten einige Wissenschaftler des SIAB Vorlesungen an den Fakultäten der Universität. Dr. Jelka Ondruschka, Vorstandsmitglied des Vereins, beispielsweise spricht über die Wechselwirkung von Mikroorganismen und Metallen, was unter anderem beim Versauern von Bergbauseen von Bedeutung ist. Dr. Kerns referiert zu Wirkmechanismen der Bildung von Enzymen und Sekundärmetaboliten in Pflanzen und Pilzen. Eines der neuesten Projekte, die das SIAB gemeinsam mit dem Institut für Nichtklassische Chemie – ebenfalls ein An-Institut der Universität Leipzig – und Industriepartnern in Angriff genommen hat, ist ein Verfahren zur Inaktivierung mikrobieller Kontaminanten (vor allem Bakterien) in Lebensmitteln und Pharmazeutika mittels Druckwechsel. Aufgabe des Instituts für Pharmazie der Universität in diesem Vorhaben ist es, die eventuell veränderte Wirksamkeit der Medikamente nach dieser Druck-Behandlung zu analysieren. Die SIAB-Experten richten ihr Augenmerk auf Mikroorganismen, auf deren Anzahl und Aktivität vor und nach der Behandlung. Dipl.-Ing. Berit Döscher bei Arbeiten am 40-Liter-Bioreaktor. Foto: Dr. S. König In einer losen Reihe stellt das Uni-Journal die An-Institute der Universität vor. Gegenwärtig sind es derer sieben. Sie erweitern in enger Kooperation mit der Universität das Forschungsprofil der Stadt Leipzig. Diesmal geht es – passend zum UniCentral-Thema Technik – um das Sächsische Institut für Angewandte Biotechnologie. Zu den wissenschaftlichen Einrichtungen, die neben der Universität Leipzig mit dem SIAB kooperieren, zählen die Technische Universität Dresden, das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle und verschiedene andere in- und ausländische Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Gemeinsam mit der TU Dresden entwickelte das Institut ein Verfahren, bei dem Lignocellulose-Faserstoffe derart mit Enzymen modifiziert werden, dass bei der Herstellung von Faserplatten der Zusatz von Kunstharzen entfallen kann. Durch diesen neuen Weg können in absehbarer Zeit beispielsweise die gesundheitsgefährdenden Formaldehydharze aus dem WohnUmfeld des Menschen verbannt werden. Zu den Industrieunternehmen, welche die Dienstleistung des SIAB in Anspruch genommen haben, zählt ein Faserhersteller, der seine Brauchwässer im Kreislauf einsetzt. „Wir haben ermittelt“, erläutert Dr. Ondruschka, „in wie vielen Zyklen das Wasser genutzt werden kann, ohne dass die Spinndüsen durch mikrobielle Keime verstopfen. Dadurch konnte der Frischwasserund Energieeinsatz minimiert werden.“ „Solche Partner aus der Industrie, also schlichtweg Kunden, müssen wir noch mehr gewinnen“, so Dr. Kerns. „Allein auf diesem Weg können wir auch wirtschaftlich überleben. Angestrebt ist, dass wir zukünftig unsere Betriebskosten aus Aufträgen für die Wirtschaft finanzieren. Momentan tragen wir uns noch zu etwa einem Drittel aus öffentlichen Mitteln.“ Um den Kundenkreis zu erweitern und in ferner Zukunft einmal eine Existenz als mittelständisches Unternehmen in Angriff nehmen zu können, muss das Sächsische Institut für Angewandte Biotechnologie sein Forschungsprofil schärfen und die Potenzen immer wieder in der Öffentlichkeit vorstellen. Plattform dafür sind unter anderem Messen wie beispielsweise die „Biotechnica“ in Hannover, die wieder im Oktober 2005 ansteht. journal UniCentral Neue Perspektiven für das Bauen Untersuchungen zu ultrahochfestem Beton Von Frank Dehn, Juniorprofessur Werkstoffe im Bauwesen und Prof. Dr. Nguyen Viet Tue, Institut für Massivbau und Baustofftechnologie Die Entwicklung zementgebundener Werkstoffe hat in den letzten Jahren einen stetigen Aufwärtstrend erfahren. Die letzte Steigerungsstufe in dieser Entwicklungsreihe stellt der ultrahochfeste Beton dar, ein aus den Ausgangstoffen Zement, Wasser, Gesteinskörnungen sowie organischen und anorganischen Zusatzstoffen und -mitteln hergestelltes Konglomerat mit Festigkeiten zwischen 150 und 400 N/mm2. Ultrahochfester Beton, kurz UHFB, kann somit in Teilbereichen neue Anwendungsfelder erschließen, die momentan noch anderen Werkstoffen vorbehalten sind, beispielsweise dem Stahl. Vergegenwärtigt man sich, dass Beton üblicherweise mit Druckfestigkeiten im Bereich von 20 bis 50 N/mm2 auf Baustellen und in Fertigteilwerken eingesetzt wird, so ist leicht einsehbar, dass es für ultrahochfesten Beton sowohl hinsichtlich dessen Verwendung aber auch Untersuchung neue Konzepte bedarf. Es ist das Ziel, bereits während der Entwicklungsphase, also vor dem Praxiseinsatz, festzustellen, welche spezifischen Eigenschaften der Beton aufweist, damit man ihn bedarfsgerecht für die Herstellung von z. B. Brücken oder Hochhäusern einsetzen kann. Letztlich müssen die Leistungsmerkmale der ultrahochfesten Betone charakterisiert werden, um Bauteile dimensionieren zu können. Dies geschieht anhand von geeigneten Materialprüfungsmethoden. Gängig sind Prüfverfahren, bei denen in erster Linie die mechanischen Eigenschaften im erhärteten Zustand ermittelt werden. Hier ist insbesondere die Festigkeit im Druckversuch zu erwähnen. Bild 1 zeigt exemplarisch einen ultrahochfesten Beton im zentrischen Druckversuch, bei dem die Probe, meist Würfel, aber auch Zylinder, zwischen eine Presse gespannt werden und die erforderliche Kraft bis zum Versagen Heft 4/2004 Bild 1: Ultrahochfester Beton nach Überschreiten der Festigkeit (Bruchzustand) Bild 2: Großmaßstäbliche Versuche einer sog. Verbundstütze aus Stahl, mit ultrahochfestem Beton gefüllt. Fotos: Institut für Massivbau und Baustofftechnologie des Körpers aufgezeichnet wird. Mittels der Querschnittswerte des Probekörpers kann dann die Festigkeit des UHFB bestimmt werden. Neben den mechanischen Eigenschaften spielt die Dauerhaftigkeit der Betone eine wichtige Rolle. So müssen Betonbauteile oft aggressiveren Umweltbedingungen widerstehen, die zunächst eine Schädigung des Betons und daran anschließend den Kollaps von Bauwerken zur Folge haben können. Auch hierzu ist eine Vielzahl von Kurzzeit- und Langzeitprüfmethoden für UHFB verfügbar, die letztlich dazu dienen, den Beton widerstandsfähiger gegen Sulfat- und Säureangriffe, gegen Verschleiß und auch gegenüber anderen Korrosionserscheinungen zu machen. Dies Untersuchungen sind zumeist kleinmaßstäblich, weil zeit- und kostenintensiv. Im Rahmen der Entwicklung sind auch komplexere Großversuche erforderlich, bei denen das Bauteilverhalten anhand einer speziell konzipierten Messtechnik und Beanspruchungsart simuliert werden soll. Bei diesen sog. Bauteilversuchen wird zwar das eigentliche Tragverhalten idealisiert, aber durch die Online-Erfassung von Verformungen und Kräften im und am Bauteil können Rückschlüsse gezogen werden, wie z. B. der ultrahochfeste Beton in Zusammenwirken mit einem Stahlrohr für hochbeanspruchte Druckglieder in seiner Zusammensetzung verbessert werden muss. Bauteilversuche sind somit eine unabdingbare Notwendigkeit im Rahmen eines Optimierungsprozesses, aber auch, um bei neuen Technologien deren Verhalten unter quasipraktischen Bedingungen genauer zu studieren. Bild 2 zeigt einen Prüfstand, in dem die Versagensbeanspruchung von mit UHFB gefüllten Stahlstützen getestet wird. Nur durch die stetige Weiterentwicklung der Hochleistungsbetone hin zu einem Werkstoff mit für den spezifischen Anwendungsfall optimierten Eigenschaften kann seine optimale Effektivität demonstriert werden. Daraus ergeben sich völlig neue Perspektiven. Die konsequente Umsetzung der zementgebundenen Hochleistungswerkstoffe von der Forschung in die Anwendung ermöglicht langfristig ein kostenoptimiertes und ressourcenschonendes Bauen. Hierfür sind aber experimentelle Untersuchungen mittels Mess- und Prüfgeräten unverzichtbar notwendig, deren Nutzung der Universität Leipzig durch die enge Kooperation mit der MFPA Leipzig GmbH uneingeschränkt zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen. 19 UniCentral Alte Mauern – moderne Technik Computerelektronik bei Ausgrabungen in Frankreich Von Felix Fleischer und Marco Schrickel, Professur für Ur- und Frühgeschichte Ur- und frühgeschichtliche Archäologie beschäftigt sich mit den menschlichen Hinterlassenschaften schriftloser Zeiten. Dies sind Befunde wie Abfallgruben oder Wälle und Fundobjekte wie Scherben. Um die archäologischen Zeugnisse zum Sprechen zu bringen, ist die Dokumentation ihrer Auffindung und Bergung von entscheidender Bedeutung. Immer stärker rücken auch hier moderne Computer- und Messtechnik in den Vordergrund. Bereits seit 1995 führt die Professur für Urund Frühgeschichte der Universität Leipzig Ausgrabungen im französischen Burgund durch. Ziel dieser Ausgrabungen ist die Erforschung keltischer Siedlungsstrukturen des 2.–1. Jh. v. Chr. im Oppidum Bibracte. Dies ist eine der wichtigsten frühstädtischen Siedlungsanlagen des antiken Gallien auf dem Mont Beuvray ca. 125 km südlich von Dijon. Die Ausgrabungen sind eingebunden in ein internationales Forschungsprojekt und werden koordiniert vom Centre archéologique européen du Mont Beuvray (CAE), das ideale Arbeits- und Forschungsbedingungen bietet. 1999 begannen die Ausgrabungen in der so genannten „îlot des Grandes Forges“, einem Steingebäudekomplex im Zentrum des Oppidums. Entdeckt wurden umfangreiche Innenbaustrukturen des Steingebäudes, Spuren hölzener Vorgängerbauten und 20 die bisher größte und fundreichste Ausdehnung einer vorcaesarischen Siedlungsphase. Auf den Grabungen der Leipziger Professur wird seit 1998 ein elektronisches Tachymeter zur Erfassung von Messpunkten verwendet. Dabei werden die im Verlauf der Tagesarbeiten aufgenommenen codierten Messpunkte am Abend auf den Hauptrechner übertragen und ausgewertet. Diese Vermessungstechnik hat sich in der archäologischen Denkmalpflege bereits weitgehend durchgesetzt. In einer internen Arbeitsgruppe haben wir darüber hinaus versucht, mittels eines Laptops über eine Schnittstelle die Messdatensätze des Tachymeters auf der Grabung direkt mit Sachdaten zu verbinden und diese gemeinsamen Datensätze mittels einer Datenbank zu verwalten und vor Ort durch grafische Darstellung zu kontrollieren. Die erste Version dieser Datenbank wurde bereits 2001 getestet. Seither wird das System jährlich auf Funktionalität überprüft und mit neuen Komponenten versehen. Der Messvorgang lässt sich folgendermaßen beschreiben: Bei der Vermessung eines Fundobjektes werden zunächst dessen visuell sichtbare Informationen wie beispielsweise Material, Größe etc. als Textdaten in die Datenbank eingegeben. Dann werden die Punktkoordinaten mit dem Tachymeter gemessen und automatisch in die Datenbank des angekoppelten Laptops übertragen. Dabei handelt es sich um einen speziellen wasserresistenten und stoßfesten Feldrechner. Die Daten werden sofort auf einen Fundzettel gedruckt, der zusammen mit dem Fund verpackt wird. In kürzester Zeit können so große Mengen an Einzelfunden dreidimensional vermessen werden. Schreibfehler entfallen vollständig. Einzelfundeinmessungen dienen vor allem dazu, Informationen über Verteilung und Nutzung einzelner Fundkategorien zu gewinnen. So können beispielsweise Form und Verteilung von eisernen Nägeln bestimmte Konstruktionen anzeigen. Nach dem gleichen System werden auch Baustrukturen vermessen, die mit einer Messserie erfasst werden. Alle Punktkoordinaten werden sofort in ein CAD-Programm (ein Vektorprogramm, CAD steht für Computer Aided Design) übertragen und grafisch dargestellt. Jetzt kann direkt nach der Vermessung kontrolliert werden, ob alle relevanten Punkte vermessen worden sind. Liegt eine besondere Befundsituation vor, kann nun die Grabungsmethodik den neuen Bedingungen angepasst werden. Neben den messtechnischen Daten werden in der Datenbank auch alle anderen für eine Ausgrabung relevanten Daten wie laufende Beobachtungen, Befundnummern, Zeichnungen, Digitalfotos und so weiter erfasst. Damit ist eine lückenlose Erfassung aller Daten direkt auf der Grabung möglich. Auch in diesem Jahr werden die Leipziger Archäologen im französischen Burgund nach keltischen Spuren suchen – mit moderner Technik. Student Dominik Lukas bei einer Vermessung während einer Ausgrabung. Foto: Professur für Ur- und Frühgeschichte journal Technik im Dienste der Natur Die Gewächshäuser im Botanischen Garten Pünktlich zur offiziellen Eröffnung waren sie wieder geschlüpft: die Papilio demoleus, Hypolimnas bolina und Morpho peleides, die exotischen Schmetterlinge, die im Laufe ihrer Existenz eine Metamorphose durchlaufen, die aus eher unansehnlichen Raupen die flatterhaften Geschöpfe der Luft zaubert. Sie finden jetzt beste Bedingungen vor, denn die Gewächshäuser sind ausgestattet mit hochcomputerisierten Benebelungsanlagen, UV-durchlässigen Scheiben sowie automatischer Belüftung und Verdunkelung. Kurz: Die neue Technik hat Einzug gehalten im Botanischen Garten der Universität Leipzig. Der Botanische Garten ist der älteste in Deutschland und gehört neben Pisa, Padua, Florenz und Bologna zu den ältesten der Welt. Im II. Weltkrieg wurde der Garten erheblich zerstört. Erhalten blieb lediglich der Nordbereich mit den Schaugewächshäusern, aber auch mit großen Schäden. Die zwischen 1949 und 1954 wieder hergestellten Anlagen waren aber in den 90er Jahren in einem Zustand, der ihre Überholung dringend erforderlich machte. Am 12. Mai konnte nach rund zehnjähriger Planungs- und Bauzeit der neue Gewächshauskomplex übergeben werden. Der Rektor der Universität Leipzig, Prof. Franz Häuser, kommentierte dieses Ereignis mit dem ihm eigenen Humor: „Wenn auch 10 Jahre lang erscheinen mögen, so darf sich Prof. Morawetz (Direktor des Botanischen Gartens, d. Red.) in jeder Hinsicht glücklich schätzen: Ist er doch einer der wenigen Professoren, die bauliche Berufungszusagen noch vor ihrer Emeritierung vollendet sehen können, ein eher seltenes Ereignis im europäischen Universitätsleben.“ Heft 4/2004 Die neuen Gewächshäuser greifen den klassizistisch geprägten Historismus der alten Anlage auf und ergänzen zur Optimierung der inneren Funktionen und Zusammenhänge das alte Gebäude durch Anbauten. Farblich dezent in Grau- und Weißabstufungen ist die gesamte Anlage gehalten, um die Wirkung der umgebenden Natur nicht zu beeinträchtigen. Die Schaugewächshäuser wurden in einer modernen Stahlkonstruktion nach historischem Vorbild errichtet. Mit dem Mangrovenhaus übernahm man ihre klassische Hausform, nur etwas niedriger. Parallel zum Mangrovenhaus gruppieren sich die Experimentalgewächshäuser. Die Baukosten für das stattliche Ensemble mit rund 2 500 m2 Nutzfläche betrugen gut 8,2 Mio. Euro. „Wir nutzen die Gewächshäuser wie den gesamten Botanischen Garten in erster Linie für Forschung und Lehre“, erklärt Direktor Prof. Dr. Wilfried Morawetz. „Profitieren wird von unseren Möglichkeiten aber auch die Wirtschaft, mit der wir enge Kontakte pflegen. Die gesamte Anlage ist zudem ein Anziehungspunkt für die Leipziger und ihre Nachbarn. Besonders zu den Sonderausstellungen wie der Orchideen- oder Kakteenschau strömen die Besucher in Scharen herbei und sind immer wieder entzückt über die Pflanzenvielfalt, die sich ihnen hier bietet.“ Dr. Bärbel Adams In den Gewächshäusern des Botanischen Gartens (großes Bild oben) steckt jede Menge Technik: Zum Beispiel können einzelne Fenster automatisch ausgestellt (Bild Mitte) und Markisen zur Beschattung ausgefahren werden (Bild links). Fotos: Armin Kühne und Kornelia Tröschel (2) 21 UniCentral Vom Trabi bis zum Mercedes Warten, reparieren, improvisieren – die Betriebstechniker der Universität Von Carsten Heckmann Aus dem sechsten Stock des Uni-Hauptgebäudes hat man einen schönen Blick auf die Dachlandschaft der Leipziger Innenstadt. Wenn man aus dem Fenster schaut. Wieland Flick blickt hier lieber auf Computermonitore – und hat einen Blick auf die gesamte Universität. Bestehend aus Grundrissen, bunten Querverbindungen und Zahlen, Zahlen, Zahlen. Flick ist einer von vier Schichtleitern, die zusammen mit ihren Mitarbeitern rund um die Uhr die Dispatcher-Zentrale der Betriebstechnik besetzen. Man könnte auch sagen: Hier befindet sich das technische Gehirn der Alma mater Lipsiensis. 25 000 Messpunkte sind über die Universität verteilt, jeder von ihnen meldet seine Werte an die Zentrale.m Ob Heizung, Klimaanlage oder Aufzug – fällt etwas aus, dann fällt es Flick und seinen Kollegen sogleich auf. Sie können dann reagieren oder reagieren lassen. Schließlich sind im Bereich Betriebstechnik allein 136 Menschen beschäftigt, die sich um den reibungslosen technischen Ablauf in 289 universitären Gebäuden und deren Umgebung kümmern, darunter Elektriker, Aufzugsmonteure, Klempner, Maurer und sogar ein Dachdecker, der zugleich Fußbodenleger ist. „Vor Ort schätzen unsere Mitarbeiter dann ein: Können wir das selbst? Oder brauchen wir eine Firma?“, erläutert Klaus Joseph, Leiter der Abteilung Betriebstechnik/Betriebsführung im Dezernat für Planung und Technik. „Die kleinen Reparaturen machen wir selbst. Da können wir froh sein, unsere Handwerker zu haben. Würden wir damit jedes Mal eine Firma beauftragen, würde das ein Vielfaches kosten“, so Joseph. „Zudem kennen unsere Leute jeden Wasserhahn und jede Schraube.“ Und sie kennen die typischen Zipperlein der Anlagen. Nicht nur der alten, an denen der Zahn der Zeit zum Teil kräftig genagt hat. Auch nagelneue sind nicht gegen Ausfälle gefeit. „Vor allem ist die Anfälligkeit eher größer geworden. Es steckt ja viel mehr Technik drin“, erläutert Klaus Joseph. „Früher bestand ein Abzug bei den Chemikern aus einem Labortisch mit einem Abfluss und einem Holzgestell. Es waren Scheiben drumherum, drinnen gab’s einen Gas- und einen Wasserhahn. Heute ist so was ein High-Tech-Gerät mit zig Messungen: Unterdruck, Überdruck, Luftqualität und und und. Die Fakultät für Chemie hat fast 400 solcher Digestorien!“ Joseph führt für den mitunter schwierigen Umgang mit der Top-Technik gern folgendes Beispiel an: „Einen Trabi konnte mit ein bisschen technischem Verständnis jeder reparieren. Bei einem Mercedes stehen Sie heute erst mal fast ahnungslos davor. So geht’s uns im Grunde mit den modernen Anlagen.“ Damit die Betriebstechniker aber nicht jedes Mal gleich die Herstellerfirma heranholen müssen, wenn es ein Problem gibt, ist Joseph daran gelegen, dass ganz be- Bücher unterwegs Wird in der Albertina ein Buch bestellt, muss es einen weiten Weg zurück legen. An einer von 27 Stationen wird das Buch zusammen mit anderen, die das gleiche Ziel haben, in einen Behälter gepackt und mittels eines Code-Systems entsprechend adressiert. Dazu wird der Bestimmungsort mit Hilfe von Reglern außen am Behälter eingestellt (Bild links). Der Behälter wird 22 auf das Transportband gestellt und muss warten, bis das System elektronisch ein Fahrwerk ruft. Lädt das Fahrwerk (Bild Mitte) den Behälter auf, erkennt es die Position der Regler, liest also den Code. Dadurch kann es die Bücher auf den Schienen, die sich durch alle acht Etagen des Gebäudes ziehen (Bild rechts), zum Zielort transportieren. Ungefähr 500 Behälter stehen zur Verfügung, die unabhängig von den 25 Fahrwerken befüllt werden können. Somit können die Behälter an beliebiger Stelle eingesetzt werden und die Mitarbeiter müssen die Bücher nicht umladen. Die Buchbeförderungsanlage wird von den Betriebstechnikern der Universität betreut. Text und Fotos: Kornelia Tröschel journal UniCentral stimmte Anlagen in die Uni-Gebäude kommen. Anlagen, auf die seine Leute geschult sind. „Es gibt zum Beispiel zig Hersteller für Leittechnik. Jeder hat seine eigene Schrift, um es mal so auszudrücken. Da wollen wir gern bei einer Schrift bleiben.“ Bei der Gebäudeleittechnik ist das Uni-weit gelungen, für die Campus-Neugestaltung ist der Wunschzettel en détail geschrieben. Das Ziel: keine unbekannten Anlagen, dadurch eine leichtere, weil trainierte Handhabung und auch keine Signalverluste, weil vielleicht eine Messanlage die Signale der anderen nicht versteht. „Bei den meisten Anlagen wird im Vergabeverfahren der günstigste Anbieter ge- Impressionen von den Lüftungsanlagen im Keller des Hörsaalgebäudes am Augustusplatz – nur einer von vielen Arbeitsplätzen der Betriebstechniker. Hier stehen sich Neu und Alt teilweise direkt gegenüber, wie im linken Bild zu sehen. Fotos: Kornelia Tröschel nommen“, berichtet Joseph. „Bei Wasserrohren gibt es Dutzende Presssysteme, mit denen die Rohre verbunden werden. Wir können uns aber nicht 24 verschiedene Presswerkzeuge kaufen. Also müssen wir bei Havarien improvisieren. Da arbeiten wir dann eben mit Schellen und Schraubverbindungen oder es wird gelötet. Bloß, damit es erst mal weitergehen kann.“ Improvisationstalent ist auch gefragt, wenn es keine Ersatzteile mehr gibt für Gerätschaften, die einige Jahrzehnte alt sind. Bestes Beispiel: die Technik unter dem Haupt- und dem Hörsaalgebäude. „Die Schaltzellen in unserer 10-kV-Anlage sind unverwüstlich – aber sie werden nicht mehr hergestellt. Jetzt gehen uns die Ersatzteile aus, die letzten haben wir aus Polen geholt“, erzählt Eckhard Weigt. Der Elektromeister, zuständig für die Betriebstechnik in der Stadtmitte, ist seit 1977 an der Universität tätig. Heft 4/2004 Im gleichen Jahr gingen die Lüftungsanlagen im Hörsaalgebäude in Betrieb. Es gibt auch neue, aber 80 Prozent der Anlagen sind noch die alten. Im Keller unter den Hörsälen verbreiten sie im flauen Licht der Leuchtstoffröhren einen morbiden Charme. Rost frisst sich durch die Metallhäute, die Farbe blättert allenthalben, manchmal tropft Wasser aus einem Rohr. Aber die Lüftung läuft. Ohne regelmäßige Wartung undenkbar. Apropos Wartung: Die Betriebstechnik ist auch dafür zuständig, die 1 675 Brandschutztüren der Universität einmal im Jahr zu warten. Und die 21 000 elektrischen Geräte (dazu zählt sogar jede Tischlampe) nachzusehen, im Turnus von ein oder zwei Jahren, je nach Vorschrift. Dass die 63 Aufzüge immer fahren sollen, ist auch klar. Die Liste könnte noch über einige Zeilen fortgesetzt werden. Aber machen wir’s kurz: Die Mitarbeiter der Betriebstechnik kümmern sich. Sie halten instand, sie reparieren – wenn sie denn von einem Problem erfahren. Bei einem Stromausfall oder einer kaputten Heizung ist das keine Frage. „Aber wenn auf einem WC, das niemandem persönlich zugeordnet ist, der Wasserhahn tropft oder die Toilette verstopft ist, dann meldet sich kaum jemand bei uns. Immer weniger Mitarbeiter denken mit, fühlen sich verantwortlich“, konstatiert Eckhard Weigt. „Dabei sind wir auf ihre Informationen wirklich angewiesen.“ 23 UniCentral Die Feuerwehr vom Augustusplatz Hinter den Kulissen des Uni-Rechenzentrums Von Kornelia Tröschel „Jeder Computer, der in der Universität im Netz ist, hat uns irgendwann einmal Arbeit gemacht und beschert sie uns eventuell mal wieder“, bemerkt Dr. Günter Tomaselli, der stellvertretende Leiter des Universitätsrechenzentrums (URZ). Sein Kollege Wolfram Herwig ergänzt: „Jeder Rechner hat irgendwann ein Problem.“ Über 8 000 Netzobjekte – Computer, Netzwerkdrucker, Server u. a. – betreuen die 41 Mitarbeiter des URZ. Darunter befinden sich allein 5 000 Computer und eine Anzahl zentraler Server (Daten-, Web- und Mailserver). Auf dem Web-Server sind 900 Accounts vergeben, der Mailserver verwaltet ca. 5 000 Accounts. Jeden Tag kommen im Durchschnitt 65000 Mails an den fünf Eingangsservern an. Durch Der 10-Gigabit-Netzknoten Virenscanner werden davon ca. 50 im Rechenzentrum. Foto: Kornelia Tröschel Prozent ausgesondert, der Rest durchläuft eine Spam-Kontrolle, die davon nochmals etwa 40 bis 50 Prozent als Auch wenn das URZ über verschiedene wahrscheinlich wertlose Nachricht kenn- Werkzeuge zur Überwachung des Netzes zeichnet. Die Mitarbeiter des URZ sind verfügt, befindet es sich in einem Ausnahsowohl für die Konzeption, den Aufbau mezustand, erklärt Herwig: „Seit der Pround Betrieb des Netzes und die Funktion blematik mit den Blaster-Würmern vor seiner Dienste als auch für die zentrale und einem Jahr haben wir im Netzwerk im dezentrale Server-Technik und die Nutzer- Grunde einen Kriegszustand. Diese Verbetreuung zuständig. Herwig räumt aller- suche, Rechner und Server auszupusten dings ein: „Das Gewicht hat sich seit und Dienste unverfügbar zu machen, erungefähr einem Jahr fatalerweise zu den schweren uns das Leben.“ Die VirenüberFeuerwehreinsätzen hin verschoben. Wir fälle sind demnach ein Grund für das müssten aber viel mehr Zeit und Kraft manchmal schwerfällig funktionierende haben, um IT-Strukturen aufzubauen, zu Netzwerk. Mitunter wirken sich auch Dawarten, pflegen und weiterzuentwickeln.“ tensicherungen, bei denen in kurzer Zeit Viel Zeit müssen die Mitarbeiter der vier große Datenmengen bewegt werden, lähAbteilungen – Netzwerkbetreuung, Rech- mend aus. Täglich werden Dateien auf der nerbetrieb, Fachberatung/Anwendersoft- Festplatte eines besonderen Servers geware und Arbeitsplatzrechner/Ausbildung spiegelt und zusätzlich in regelmäßigen (vor allem Rechnerpools) – am Telefon Abständen auf ein Magnetband abgezogen, verbringen. Vor allem bei Netzausfällen, so dass bei Problemen die Daten rekonVirenbefall oder anderen Problemen im struiert werden können. Besonders durch Viren kann viel Schaden Netzwerk laufen die Telefone heiß. 24 am Betriebssystem angerichtet werden. Die Systeme nach dem „Stand der Kunst“ zu sichern, d. h. für die Aktualität der Antiviren-Software und die Nachführung von sogenannten Patches für die Sicherheitslücken im Betriebssystem zu sorgen, ist deshalb wichtig, hebt Herwig hervor. Hingearbeitet werde auch auf eine gute Zusammenarbeit mit Hilfskräften oder Mitarbeitern, „die als IT-Gurus vor Ort fungieren“ und so das URZ entlasten können. Ein weiteres Problem, das URZ-Leiter Dr. Thomas Friedrich und seinen Mitarbeitern Kopfzerbrechen bereitet, ist der Campus-Neubau. Die Räume des Rechenzentrums – Rechnerraum, Netzwerklabore, Lagerräume, Pools, Mitarbeiterbüros – befinden sich im Hauptgebäude, im Seminargebäude und im Keller des Hörsaalgebäudes. Wie sie jedoch in den zukünftigen Neubau integriert werden, ist nicht geklärt. Problematisch wird es in jedem Fall während der Bauphase, da die laufende Funktion des im Keller befindlichen Netzknotens rund um die Uhr garantiert werden muss. Es handelt sich um einen Knoten des 10-Gigabit-Forschungsnetzes, von dem nicht nur die Universität Leipzig, sondern fast alle Leipziger Forschungseinrichtungen sowie die Hochschulen Sachsens, Thüringens und z. T. Sachsen-Anhalts versorgt werden. Er muss höchstwahrscheinlich umgesetzt werden – laut Wolfram Herwig ein komplexes, arbeitsaufwändiges Unterfangen. Positives gibt es in Sachen technische Aufrüstung zu berichten: Die URZ-Mitarbeiter hoffen auf die Genehmigung ihres Antrags für einen neuen Hochleistungsrechner. Auch von der Einrichtung eines FunkLAN (Local Area Network) ist die Uni nicht mehr weit entfernt: Die ersten Tests sollen noch dieses Jahr in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erfolgen. journal Studiosi Per Anhalter ins neue Europa Interview mit Anna Driftmeier von Radio mephisto 97,6 Mephisto 97.6, das Lokalradio der Universität Leipzig, organisierte einen unkonventionellen Zugang zu den neuen EU-Ländern. Zehn junge Journalisten des UniRadios trampten in den Pfingstferien von Leipzig aus los, um eine Woche lang per Anhalter die neuen EU-Beitrittsländer zu bereisen. In fünf Teams mit jeweils unterschiedlichen Zielländern waren sie auf der Suche nach interessanten Alltagsgeschichten. Mephisto-Chefredakteurin Anna Driftmeier berichtet im Interview mit dem UniJournal über ihre Erfahrungen und Impressionen aus Tschechien und der Slowakei. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat einmal behauptet, eine Reise gleiche einem Spiel. Es ist immer etwas Gewinn und Verlust dabei – meist von der unerwarteten Seite. Was hat Sie überrascht? Mich hat beeindruckt, wie freundlich die Leute waren und wie problemlos wir vorwärts gekommen sind. Die Leute waren extrem freundlich. Wir sind z. B. mit einem gefahren, der hat sich vor das nächste Auto geschmissen, hat dem Typen auf Tschechisch erklärt, wo wir hin wollten und hat unsere Sachen ins Auto reingeräumt. So etwas habe ich Deutschland noch nie erlebt. Landschaftlich hat mich die Hohe Tatra am meisten beeindruckt, die Slowakei an sich sah ganz anders aus als Tschechien. Wer hat Konzept und Route gestaltet? Unser Programmdirektor Sven Jánszky, der uns mit Rat und Tat zur Seite steht, hat ein Konzept geschrieben, und wir als Chefredaktion fanden das ganz gut. Planungstechnisch gab es noch ein Orga-Team, das zu Hause die Sendezeit koordiniert und die Route nachgezeichnet hat. Wohin wir fahren, haben wir aber immer selbst entschieden. Wir wollten z. B. am ersten Tag nach Pilsen, saßen dann aber in einem Auto, das nach Prag fuhr. Die Slowakei ist leider im Endeffekt zu kurz gekommen, weil es einfach zu wenig Zeit war. Wir haben unterschätzt, dass Trampen so lange dauert. Warum seit ihr getrampt? So war es eben schon zwangsläufig, dass man mit den Leuten in Kontakt, ins Gespräch kommen musste. Wenn man Glück hatte, konnte man noch was unternehmen oder sogar bei ihnen übernachten. Obwohl es auch teilweise unangenehm war. Wir haben mal einen Pfarrer gefragt, ob wir im Eingangsbereich der Kirche oder im Pfarrhaus schlafen könnten. Der hat uns dann eine Moralpredigt gehalten. Oft dachte ich aber: Was sollen die Leute denken, wir kommen aus Deutschland, haben Digitalkameras dabei, aber kein Geld, um irgendwo zu übernachten. Es wäre aber auch anders gegangen. Wir hatten ja Taschengeld, hätten also auch in Hotels schlafen können. Ist es möglich, ein Land in zehn Tagen kennen zu lernen? Nein. Aber das war auch nicht der Anspruch. Das war ja wirklich nur ein Tagebuch, was wir geschrieben haben. Wir konnten nur Ausschnitte bieten aus den Ländern. Die Leute, die da leben, sind aber auch nicht so viel anders als wir. Es heißt, das Reisen führt uns zu uns zurück. Haben Sie davon etwas bemerkt? Na klar, in Form von Sichtweisen. Einfach auf andere Leute zugehen, mehr aus sich rausgehen, als man das sonst tut. Alles geht, man kommt überall weg, man kann alles machen, man kann jeden ansprechen. Man blamiert sich nicht wirklich. Gab es für Sie auch einen handwerklichen Lerneffekt bei dieser Aktion? Auf jeden Fall. Wir sind ja sonst immer in Leipzig. Aber bei der Aktion konnten wir Auslandskorrespondenten sein. Wir hatten jeden Tag, zwischen zehn und zwölf Uhr, Live-Gespräche mit mephisto und beim Deutschlandfunk. Wir haben cross-medial gearbeitet, d. h. noch parallel ein Internettagebuch geführt. Es war auch neu, mit dem Druck zu experimentieren, jeden Abend ein Produkt abzuliefern. Was macht ihr nun mit den Erfahrungen? Jeder von uns hat vier oder fünf Kassetten mit nach Hause gebracht. Daraus haben wir ein Feature gemacht. Dann machen wir noch für die Deutsche Welle ein paar Beiträge. Außerdem hatte die Bundeszentrale für politische Bildung uns Fragebögen zur EU-Osterweiterung mitgegeben. Die Antworten müssen wir transkribieren und aufarbeiten. Wie sahen die Reaktionen im Nachhinein aus? Ja, im Nachhinein war alles super. Es gab vorher einige Skeptiker, aber niemand hat sich verletzt und kein Gerät ist kaputtgegangen. An der Uni habe ich es erlebt, dass irgendwelche Leute im Seminar gesagt haben: Mensch, was ihr da gemacht habt! Also ich glaube, das kam ganz gut an. Das Interview führte Karsten Steinmetz. Anna Driftmeier telefonierend an einer Landstraße in Tschechien. Foto: mephisto 97,6 25 Studiosi Neue Leser dringend gesucht Deutschsprachige Zeitungen in Russland Von Hendrik Sittig, Journalistik-Absolvent Geschichte Deutschsprachige Zeitungen haben in Russland eine lange Tradition. Im Jahr 1727 wurde auf Initiative von Zar Peter dem Großen die St. Petersburgische Zeitung gegründet. Die eigentliche Grundlage für ein deutschsprachiges Pressewesen wurde jedoch erst einige Jahrzehnte später gelegt. Zarin Katharina II., eine deutsche Prinzessin auf dem russischen Thron, ließ in Deutschland Bauern und Handwerker anwerben. Tausende kamen, angelockt mit Steuervorteilen und Befreiung von der Wehrpflicht. Nachdem sich in St. Petersburg und Moskau bereits ein deutschsprachiges Pressewesen herausgebildet hatte, erschienen ab Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Zeitungen der deutschen Siedler. In den beiden großen Siedlungsgebieten der Deutschen, an der Wolga und im Schwarzmeergebiet, entstanden zahlreiche Zeitungen. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Blätter der Deutschen eher russische Zeitungen in deutscher Sprache. Nationale Bekenntnisse waren ihnen fremd. Mit dem I. Weltkrieg wurden jedoch alle Blätter in deutscher Sprache verboten. Nach der Oktoberrevolution erhielten die Zeitungen neue Aufgaben als kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator. Das betraf ebenso die deutschen Zeitungen, die durch die bolschewistische Nationalitätenpolitik wieder erscheinen durften. Entsprechend dem sowjetischen Zentralisierungsbestreben wurde auch das Pressewesen strukturiert. Überwacht von einer Moskauer Deutschen Zentral-Zeitung für alle Sowjetdeutschen und einer Zeitung der 26 deutschen Sowjetrepublik an der Wolga, den Nachrichten, erschienen in den Landkreisen als auch in einzelnen Orten eigene Blätter. Ihren russischen Pendants gleichgeschaltet, verkündeten sie die Erfolge der kommunistischen Idee, propagierten die Kollektivierung der Landwirtschaft und unterstützten die Erfüllung der Fünf-Jahres-Pläne. Mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941 begann der Abstieg der russlanddeutschen Kultur in die staatlich befohlene Bedeutungslosigkeit. Über eine Million Russlanddeutsche wurden zu Landesverrätern gestempelt und nach Sibirien und Zentralasien deportiert. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben. Erst zehn Jahre nach Ende des Krieges wurden die Zwangsmaßnahmen aufgehoben. In der Sowjetunion nach dem II. Weltkrieg erschienen drei deutsche Zeitungen: Ein zentrales Blatt (Neues Leben) aus Moskau mit mehreren Hunderttausend Exemplaren sowie zwei regionale Zeitungen – die Rote Fahne in der Altai Region und die Freundschaft in der Kasachischen Sowjetrepublik. Die Grundlage für diese Blätter wurde 1955 mit der Zeitung Arbeit gelegt, die im westsibirischen Barnaul ihre Redaktion hatte. Sie erschien jedoch nur eineinhalb Jahre. Auch wenn diese Blätter sehr systemangepasst waren, erschienen doch viele deutsche Inhalte. Insbesondere ist ihnen der Erhalt der russlanddeutschen Literatur zu verdanken. Gegenwart Köpfe deutschsprchiger Zeitungen in Russland aus verschiedenen Jahrhunderten. Heute erscheinen in Russland 17 Zeitungen, die mehr oder weniger als deutschsprachig bezeichnet werden können. Zumindest besitzen sie alle deutsche Titel. Herausgegeben werden die meisten Zeitungen von Zentren der deutschen Kultur, die in den von Russlanddeutschen bewohnten Gebieten eingerichtet wurden. Hinzu kommen Zeitungen russlanddeutscher Organisationen sowie von Privatpersonen oder Administrationen. journal Unter den Zeitungen sind nur noch vier, die vollständig auf Deutsch herauskommen. Alle anderen veröffentlichen Beiträge sowohl in deutscher als auch in russischer Sprache. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Assimilierungsprozess der Russlanddeutschen immer weiter fortgeschritten ist. Hinzu kommt, dass seit Anfang der 1990er Jahre fast zwei Millionen Russlanddeutsche nach Deutschland ausgewandert sind. So ist den Zeitungen ihre wichtigste Zielgruppe abhanden gekommen. Neue Leser sind nötig. Deutsch-Lehrer und -Studenten scheinen eine Alternative zu sein. Viele Chefredakteure sehen in dieser Gruppe Hoffnungen für ihre Zeitungen. Weitere Zielgruppen sind deutsche Touristen sowie Deutsche, die in Russland leben. Das schwierigste Problem ist die Finanzierung. Die Zeitungen besitzen meist nur wenige Abonnenten; und Werbung zu akquirieren, ist für sie wegen ihrer niedrigen Auflage und eines engen Leserkreises nahezu unmöglich. Sie sind angewiesen auf finanzielle Zuschüsse aus staatlichen Fördertöpfen. Doch einzig die Moskauer Deutsche Zeitung – mit einer Auflage von über 30 000 Exemplaren die größte unter den Zeitungen – erhält einen finanziellen Grundstock an deutschen Fördergeldern. Die Inhalte der Zeitungen sind nicht einheitlich. Die meisten Zeitungen veröffentlichen vor allem Beiträge, die sich mit dem aktuellen Leben sowie der Geschichte der russlanddeutschen Volksgruppe beschäftigen. Hinzu kommen aktuelle Berichte aus Russland und Deutschland sowie Materialien, die im Deutschunterricht verwendet werden können. Die Zeitungen erfüllen heute drei Aufgaben: Erhalt der russlanddeutschen Volksgruppe, Bildung einer Brücke zwischen Russland und Deutschland sowie eine Orientierungsmöglichkeit für Deutsche in Russland. Die Redakteure wollen verstärkt auf die sehr guten deutschrussischen Beziehungen aufbauen. Durch die kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen werde sich auch die Popularität der deutschen Sprache erhöhen, hoffen sie. Der Autor hat an der Universität Leipzig Journalistik studiert und seine Diplomarbeit über die Geschichte und Gegenwart der deutschsprachigen Zeitungen in Russland geschrieben. Dafür recherchierte er auf einer mehrmonatigen Forschungsreise von Sibirien bis nach Königsberg (Kaliningrad). Heft 4/2004 Leipziger und russische Studierende besuchten gemeinsam die Redaktion der englischsprachigen Sankt Petersburg Times. Foto: Tobias D. Höhn Journalistik-Studierende in St. Petersburg Pressefreiheit? Ein Fremdwort! Fast zwei Jahrzehnte nach dem von Michail Gorbatschow postulierten Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) ist es um die Unabhängigkeit von Rundfunk und Zeitungen in Russland schlecht bestellt. Die in der Verfassung verankerte Medienfreiheit ist eine bloße Worthülse. Dies mussten vier Leipziger JournalistikStudierende bei einem Workshop mit russischen Kommilitonen feststellen. „Die zumeist unkritische Presse finde ich erschreckend, verstehe jedoch ihre Entstehung. Deshalb würde ich den russischen Journalismus nicht als minderwertig bezeichnen, sondern ich akzeptiere vielmehr die sich dahinter verbergenden Ursachen“, sagt die Leipziger Studentin Andrea Röder. Zwar gibt es im Russland des 21. Jahrhunderts eine große Zahl an Medien, doch der größte Teil wird vom Staat gelenkt und vom Fiskus finanziert. Der Kreml kontrolliert, was an die Öffentlichkeit gerät – dessen sind sich auch viele Journalisten bewusst. Eine Studentin der Journalistischen Fakultät der St. Petersburger Staatlichen Universität und Redakteurin einer dortigen Lokalzeitung berichtet, dass sie bei ihrer Arbeit PR-Informationen der Stadtverwaltung als Fakt wahrnehmen müsse. Widerspruch zwecklos. Um den angehenden Journalisten zu zeigen, dass es auch anders geht, lehrt seit einem Jahr die Leipziger Absolventin Cornelia Riedel als Lektorin der RobertBosch-Stiftung in St. Petersburg Journalistik. Sie hatte den deutsch-russischen Gedankenaustausch organisiert. „Ausgehend von meiner eigenen Ausbildung in Leipzig wollte ich den russischen Studenten zeigen, was kritischer Journalismus bedeutet“, sagt die Diplom-Journalistin. In deutsch-russischen Gruppen gingen die Journalistikstudenten in der Fünf-Millionen-Metropole gemeinsam auf Recherche. Sie besuchten ein Kinderheim, interviewten einen Autohändler, der deutsche Wagen vertreibt, und wagten einen Blick hinter die Kulissen der Schatzkammer Russlands, der Eremitage. „Beim Recherchieren ist mir aufgefallen, dass die russischen Studenten wahnsinnig autoritätshörig sind“, bilanziert Student Stephan Radomsky. Am Ende habe ein beiderseitiges Lernen gestanden. Die Russen schauten sich Interviewtechniken und Grundzüge des investigativen Journalismus ab, und die Gäste aus Westeuropa erlebten hautnah, was sie sonst nur aus überregionalen Zeitungen und Fachbüchern wussten: Schikane und Korruption gehören zum Alltag russischer Journalisten, die Zahl der oppositionellen Medien ist verschwindend gering. Wer politisch oder wirtschaftlich brisanten Themen auf den Grund gehen will, muss dies manchmal mit seinem Leben bezahlen. Die Leipziger Absolventin Riedel sagt nach einem Jahr Russland: „Eine Kultur des kritischen Journalismus, in der Medien als vierte Gewalt wie in Deutschland gelten, gibt es nicht.“ Im Gegenteil. Ihr Gehalt von etwa 50 Euro pro Monat bessern sich viele Journalisten in Lokalzeitungen durch bezahlte PR-Artikel auf. Trotz dieser Erfahrungen „aus einer anderen Welt“ könnte sich Journalistikstudent Radomsky eine Arbeit als Auslandskorrespondent vorstellen. „Ich finde es spannend, sich mit der persönlichen Lage von Menschen in anderen Ländern und Kulturen auseinanderzusetzen.“ Neben der Sprachbarriere gelte es aber auch die kulturellen Grenzen zu überwinden, um im Alltag den richtigen Ton anzuschlagen. „Ein Problem, das mir auch in St. Petersburg begegnet ist. Aber mit offenen Augen und ein bisschen Übung glaube ich, dass man die Fettnäpfchen bald kennt und sie umschiffen kann.“ Tobias D. Höhn 27 Studiosi | Personalia Online-Magazin von Journalistik-Studierenden Einheit oder „Scheinheit“? 14 Journalistik-Studierende der Universität Leipzig haben das Online-Magazin www.scheinheit.de gestartet. Es geht der Frage nach, welche Probleme es fast anderthalb Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung im Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland noch gibt. Im Rahmen eines Seminars zum OnlineJournalismus am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Marcel Machill und Diplom-Medienwissenschaftler Markus Beiler blickten die Studierenden aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema. In verschiedenen Beiträgen wird analysiert, wie gespalten Deutschland noch ist. Es wird gezeigt, inwieweit die neuen Länder wirtschaftlich aufgeholt haben und warum viele Ostdeutsche in den Westen abgewandert sind. Die studentischen Chefredakteure Timo Gramer und Florian Treiß fühlten sich durch einen Leitartikel der Leipziger Volkszeitung angespornt: „Die LVZ behauptete im Dezember, dass die Deutschen keine einheitliche Familie seien. Dabei warb Leipzig für Olympia doch gerade mit dem Slogan: one family.“ Das Online-Magazin gibt zudem Rück- blicke auf den Wendeherbst 1989 und Unvergessliches aus 40 Jahren getrennter Geschichte wie Jürgen Sparwassers Jahrhunderttor. Die Studierenden diskutieren auch, inwieweit heute in der Öffentlichkeit sachlich mit Stasi-Kontakten umgegangen wird. Ganz persönliche Einblicke gewähren Interviews mit Spitzen-Sportlern über ihren „Seitenwechsel“ von Ost nach West und umgekehrt. Außerdem hat die Redaktion Studierende besucht: „Ossis“ im Westen und „Wessis“ in Leipzig. Daneben gibt es humoristische Anekdoten zu Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ost- und Westdeutschen – Stichwort: „viertel sieben“. Mit einem nicht ganz ernst gemeinten Quiz können Besucher testen, ob sie eher „Ossi“ oder eher „Wessi“ sind. „Das Online-Magazin verbindet den Anspruch der Universität Leipzig, Journalisten von morgen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auszubilden“, erläutert Prof. Dr. Marcel Machill, „die Studenten haben äußerst engagiert ein hervorragendes Web-Special konzipiert und umgesetzt.“ Finanziell gefördert wurde das Online-Magazin durch die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig. r. Screenshot der „Scheinheit“-Homepage. 28 Zum 70. Todestag von Erich Everth Journalismus als soziale Form gedacht Erich Everth Am 22. 6. 1934 starb Erich Everth, der an der Universität Leipzig die erste ordentliche Professur für Zeitungskunde in Deutschland innehatte. Everth, am 3. 7. 1878 in der Reichshauptstadt Berlin geboren, begann nach dem Abitur, an den Universitäten Berlin und Leipzig Rechtswissenschaft, Philosophie, Kunstwissenschaft und Psychologie zu studieren. Gelehrte wie Ernst Cassirer, Max Dessoir und Georg Simmel gehörten zu seinen Lehrern. Angeregt von Dessoir, arbeitete er an ästhetisch-kunstphilosophischen Fragen und reichte eine Promotionsschrift zu dieser Thematik bei den Kunstwissenschaftlern August Schmarsow und Johannes Volkelt ein. An der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig erwarb er im Mai 1909 seine Doktorwürde. Anschließend arbeitete er als Journalist fast zwei Jahrzehnte für große Zeitungen: Erst war er bei der alldeutschen RheinischWestfälischen Zeitung sowie der liberalen Magdeburgischen Zeitung beschäftigt. Gleich mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 ging er an die Ostfront, danach zur Presseabteilung des Oberbefehlshabers Ost. Gegen Ende des Krieges und in der Weimarer Republik war er beim Berliner Tageblatt, dem Leipziger Tageblatt sowie bei der Vossischen Zeitung wieder journalistisch tätig. Die Artikel für diese Zeitungen verfasste Everth als liberaler Demokrat, der die Weimarer Staats- und Rechtsordnung konsequent vermittelte. Als Everth 1926 die Berufung an das Leipziger Institut für Zeitungskunde bekam und journal Personalia das eben eingerichtete Ordinariat für Zeitungskunde übernahm, hat er sich entschlossen der Definition der genuinen Erkenntnisgegenstände sowie der Methodik, Theorie und Systematik der Zeitungswissenschaft gewidmet. Bereits in der Antrittsvorlesung wies er deutlich die Richtung seines weiteren Programms: Basierend auf einer funktionalen Perspektive dachte er Journalismus und Zeitung als soziale Formen, die mit allen anderen gesellschaftlichen Institutionen und Systemen in Wechselwirkung stehen, und wies ihnen eine zentrale Funktion in Gesellschaft und Öffentlichkeit zu: innerhalb dieser zu vermitteln. 1933 hat er als einziger Zeitungswissenschaftler mutig die Eingriffe der Nationalsozialisten in die Meinungs- und Pressefreiheit kritisiert. Im April 1933 zwangsweise beurlaubt, bat Everth bald um seine Emeritierung und starb im Juni 1934 in Leipzig. Erik Koenen, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft Geburtstage Philologische Fakultät 65. Geburtstag Prof. Dr. Anita Steube, Institut für Linguistik, am 20. 6. 75. Geburtstag Prof. Dr. em. Brunhilde Schrumpf, Institut für Germanistik, am 31. 8. 80. Geburtstag Prof. Dr. em. Rudolf Große, Institut für Germanistik, am 28. 7. Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie 60. Geburtstag Prof. Dr. Georg Meggle, Institut für Philosophie, am 21. 5. Sportwissenschaftliche Fakultät 60. Geburtstag Dr. Sieghart Hofmann, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik, am 8. 7. Prof. Dr. Jürgen Krug, Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakultät, am 17. 8. Fakultät für Chemie und Mineralogie 65. Geburtstag Prof. Dr. Joachim Sieler, Institut für Anorganische Chemie, am 29. 7. Der Rektor der Universität und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich. (Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.) Heft 4/2004 Zum 100. Todestag des Ehrendoktors Nerudas neue Lyrik Am 12. 7. wäre er 100 Jahre alt geworden: Pablo Neruda, der große chilenische Dichter, Nobelpreisträger des Jahres 1971 und bereits seit 1967 Ehrendoktor der Universität Leipzig. Prof. Dr. Alfonso de Toro, Direktor des Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars der Universität (IAFSL) vergleicht Nerudas von Originalität und Erfindungskraft geprägte Rolle im Bereich der Dichtung mit der Picassos in der Malerei. „Pablo Neruda gründete nicht nur eine ‚neue Lyrik‘ in Chile und Lateinamerika, sondern leitete einen Paradigmenwechsel ein“, so de Toro. Er habe sich an die Spitze einer neuen literarischen Bewegung gestellt, die Jaime Alazraki als „Postavantgarde“ im Sinne einer existenziellen, symbolistischen und intimen Lyrik bezeichnete. Folgerichtig trug das zweitägige Kolloquium zu Ehren Nerudas am IAFSL im Juni den Titel „Renovatio und Inventio: Pablo Nerudas Lyrik und ein Paradigmenwechsel“. Prof. de Toro: „Neruda war sich sehr bewusst über die Erneuerung, die seine Lyrik bedeutete, sowohl, was die sprachlichen Mittel als auch den Umgang mit Themen und Gattungen betraf.“ Am Kolloquium nahm auch Prof. Dr. Kurt Schnelle, Emeritus der Universität Leipzig, teil. Er hatte die Ehrenpromotion Nerudas eingefädelt – und lässt die Journal-Leser an seinen Erinnerungen teilhaben: „Die Leipziger Romanistik fand sich durch Nerudas poetische Ausstrahlungskraft und seine menschliche Größe im Ringen um eine bessere Welt aufgerufen, dem wortmächtigen Dichter die Ehrendoktorwürde anzutragen.“ Es begann eine erfolgreiche Reise durch die Welt der Bürokratie, es folgte „eine Reise zu seinem Herzen“, so Prof. Schnelle. In Nerudas Haus in Isla Negra, „einem verlorenen Ort an den Küsten des Pazifik“, trug Schnelle das Anliegen der Alma mater Lipsiensis vor. „Neruda wollte einem anderen Kollegen den Vorrang geben“, berichtet Schnelle, der den Dichter aber überzeugen konnte. „Seine Reise nach Leipzig war für 1967 geplant, konnte je- Pablo Neruda © Archivo Fundación Pablo Neruda. Alle Rechte vorbehalten. doch nicht realisiert werden. Also wurde beschlossen, den Dichter während einer langen Reise durch den Kontinent in Bogotá mit Hilfe der intellektuellen Welt einzufangen und ihm im ‚Athen Amerikas‘ die Urkunde in einem feierlichen Akt zu überreichen.“ Akademiker, Rektoren und ehemalige Außenminister waren am 14. 10. 1968 anwesend. „Neruda hörte aufmerksam der Laudatio zu und dem lateinischen Text der Ehrenurkunde, mit dem sich die Universität Leipzig als würdige Vertreterin humanistischer Traditionen auswies“, erinnert sich Schnelle. Nerudas Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chiles und seine langen Aufenthalte in der Sowjetunion und in China dürften bei der Verleihung der Ehrenpromotion natürlich auch eine Rolle gespielt haben. Später, 1969, nominierte ihn die Partei gar zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Er trat dann zugunsten des von der Unidad Popular aufgestellten Kandidaten Salvador Allende zurück, wurde nach dessen Sieg Botschafter Chiles in Frankreich. 1972 kehrte er nach Chile zurück. Kurz nach dem Sturz und der Ermordung Allendes durch die Pinochet-Junta erlag Neruda am 23. 9. 1973 einem Krebsleiden. Prof. de Toro konstatiert: „Nerudas Werk wird viel zu oft und bis zuletzt vorwiegend mit seiner politischen Tätigkeit in Verbindung gebracht, und er als ein ‚Heimatlyriker‘ und Dichter der Massen gepriesen, so dass sein literarisches Werk und seine Bedeutung als Universaldichter in den Hintergrund gerät.“ Daher wurde beim Kolloquium die „Literarizität“ ins Zentrum gestellt, z. B. mit den Themen Neruda und der Surrealismus, Nerudas Lyrik in der lateinamerikanischen Lyriktradition sowie die Natur in der Lyrik Nerudas. C. H. 29 Personalia Neu berufen: Neu berufen: Neu berufen: Eli Franco U. Heilemann A. T. Wild ist seit 1. April Direktor des Instituts für Indologie und Zentralasienwissenschaften. Der in Tel Aviv geborene Indologie-Professor will die Abteilung für Südasienwissenschaften aufbauen. Franco hat in seiner Heimatstadt Philosophie und jüdische Philosophie studiert. Er bekam 1977 ein Promotionsstipendium der französischen Regierung und ging an die Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der „Lokayata“, der materialistischen Philosophie des klassischen Indien. Als nächstes erhielt Franco ein Stipendium der österreichischen Regierung für einen Aufenthalt am Institut für Indologie der Universität Wien und Studien am dortigen Institut für Tibetologie und Buddhismuskunde. 1982 führte ihn ein Stipendium der Alexander-von-HumboldtStiftung für anderthalb Jahre ans Seminar für Kultur und Geschichte Indiens der Universität Hamburg. Anschließend kehrte er an die Universität von Tel Aviv zurück, wurde dort wissenschaftlicher Mitarbeiter. 1987 ging es zurück nach Deutschland: Franco bekam einen Lehrauftrag am Institut für indische Philologie und Kunstgeschichte der FU Berlin und war erneut als Humboldt-Stipendiat in Hamburg. Es verschlug Franco noch nach Melbourne, Kyoto und Tokyo, bevor er ab 1995 wieder als Gastwissenschaftler in Hamburg tätig wurde – und dort zunächst auch blieb, von kurzen Forschungsaufenthalten anderswo abgesehen. 1997 habilitierte Franco sich im Fachgebiet Indologie an der Universität Hamburg über den indischen Logiker Dharmakirti. 2000 folgte eine weitere Habilitation in Wien, wo er zuletzt – nach neuen Gastspielen in Oslo und Hamburg – Lehraufträge am Institut für Südasien-, Tibet-, und Buddhismuskunde innehatte. Der verheiratete Professor, der im Juni seinen 51. Geburtstag feierte, interessiert sich auch für Paläographie. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Segeln, Tauchen, Krimis und Filmen. C. H. ist seit 1. April Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung. In den Jahren 1994 bis 1996 hatte der gebürtige Leipziger mehrfach als Gastprofessor in Leipzig gewirkt und die „attraktive Fakultät“ ebenso schätzen gelernt wie „hoch motivierte Studenten“. Ihnen will er nun ein attraktives, forderndes Lehrangebot bieten. Zudem will er ein Forschungsprogramm initiieren, das auch handlungsorientiert ist, sich insbesondere der Entwicklung umsetzungsfähiger wirtschaftspolitischer Empfehlungen verpflichtet fühlt. Die Umstände dafür seien in Leipzig günstig, so Ullrich Heilemann. Er treffe hier auf eine „große Aufgeschlossenheit für Neues – bei fester Verankerung in einer großen Tradition und bei viel Selbstbewusstsein der Universität“. Der Professor für Empirische Wirtschaftsforschung/Ökonometrie ist spezialisiert auf Konjunktur-, Regional und Strukturforschung, makroökonometrische Modelle und wirtschaftspolitische Beratung. Er hat nach einer kaufmännischen Lehre von 1969 bis 1973 in Mannheim Volkswirtschaftslehre studiert. Er promovierte 1979 in Münster zur Prognoseleistung makroökonometrischer Konjunkturmodelle für die BRD. Zehn Jahre später habilitierte er sich dort mit einer Arbeit über die Determinanten der westdeutschen Tariflohndynamik 1950 bis 1986. Seine bisherigen beruflichen Stationen sprechen für sich: Ullrich Heilemann war wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilungsleiter, Vorstandsmitglied und Vizepräsident im Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, Privatdozent und apl. Professor in Münster, ord. Professor an der Universität DuisburgEssen, Visiting Scholar an der Harvard University, am Massachusetts Institute of Technology, an der John-Hopkins University in Washington und an der University of Toronto – sowie eben Gastprofessor an der Uni Leipzig. Der 59-Jährige ist verheiratet und beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Architektur, und schönen Büchern. C. H. Der aus Baden-Würtemberg stammende Orthopäde Alexander Thomas Wild ist neu berufener C3-Professor für Orthopädie mit den operativen Schwerpunkten Wirbelsäulenchirurgie und Kinderorthopädie an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie. Zu seinen Spezialgebieten zählt aber auch die Fußchirurgie. Studiert hat der zuletzt in Düsseldorf tätige Mediziner in Würzburg und Nottingham/ Großbritannien, promoviert in Würzburg zu Nervenverletzungen am Handgelenk und sich habilitiert in Düsseldorf zu klinischen, biomechanischen und zellbiologischen Fragestellungen. Biomechanische und zellbiologische Untersuchungen von Wirbelsäulendeformitäten bei Kindern sind nach wie vor sein wissenschaftlicher Schwerpunkt. Dabei interessieren ihn vor allem die sogenannten mesenchymalen Stammzellen. Das sind Vorläuferzellen, die auf Grund ihrer vielseitigen Entwicklungsmöglichkeiten zur Rekonstruktion von Geweben eingesetzt werden können. Hier bahnt sich schon die erste wissenschaftliche Kooperation mit seinem Leipziger Kollegen Prof. Augustinus Bader an, der auf die Gewebeherstellung spezialisiert ist. Auch in der Unfallchirurgie, Neurochirurgie und Pädiatrie macht der Kinderorthopäde potentielle Partner für gemeinsame Projekte aus. Sein Spezialgebiet, deformierte Wirbelsäulen, sieht der 39-Jährige als Ergänzung zu dem, was an der Leipziger Unfallchirurgie und Neurochirurgie an Behandlungsmethoden angeboten wird. Wild hat neben seiner ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit auch verantwortungsvolle leitende Positionen übernommen. So steht er der kinderorthopädischen Abteilung vor und ist stellvertretender Klinikdirektor. Seine Freizeit ist karg bemessen und wird von seinen vier Kindern im Moment fast vollständig in Anspruch genommen. Für seine Jagdleidenschaft bleibt da wenig Zeit. „Aber man muss Prioritäten setzen“, kommentiert er. „Und das sind nun mal meine Kinder.“ B. A. 30 journal Personalia Kurz gefasst Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Christina Weiss, hat Prof. Dr. Stefan Troebst, Institut für Slavistik und Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, in ein internationales Expertengremium berufen, welches ein „Europäisches Netzwerk Zwangsmigration und Vertreibung“ konzipieren soll. Beteiligt sind neben der Bundesrepublik die Kulturministerien Polens, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarns und Österreichs. Zudem hat das Komitee für Migration, Flüchtlinge und Bevölkerung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg Professor Troebst zum Berater eines geplanten „Europäischen Zentrums für nationales Gedenken“ bestellt. Prof. Dr. Hannes Siegrist, Sozial- und Kulturhistoriker am Institut für Kulturwissenschaften, arbeitet bis 31. März 2005 auf Einladung des Präsidenten als Gastprofessor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Er ist für diesen Zeitraum vom Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst beurlaubt worden. Die Vertretung der Professur übernimmt PD Dr. Matthias Middell. Prof. Dr. Dr. Gert König, Ehrenbürger der Universität Leipzig und bis September 2002 Leiter des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie, wurde am 30. Juni von der Technischen Universität Darmstadt die Ehrendoktorwürde verliehen. Rüdiger Thiele, Wissenschaftshistoriker am Sudhoff-Institut und Privatdozent an der Fakultät für Mathematik und Informatik, ist Vizepräsident der Euler-Gesellschaft in den USA. Auf der Jahresversammlung der Gesellschaft im August wird er den Hauptvortrag über die Entwicklung des Funktionenbegriffs bei Euler halten. Anschließend wird ihm am 13. August auf dem MathFest der Mathematical Association of America in Providence der Lester H. Ford Award für seine Arbeit über Hilberts 24. Problem überreicht. Thiele hat im Nachlass von David Hilbert den Entwurf für ein Problem gefunden, das der Mathematiker seinem berühmten Pariser Vortrag von 1900 anfügen wollte und das die Einfachheit von mathematischen Beweisen Heft 4/2004 betrifft. Die Jury hebt die klare und umfassende Behandlung in der entsprechenden Arbeit im „Monthly“ (110 (2003) 1–20) hervor, die mathematische, logische, historische und philosophische Gesichtspunkte einschließt. HD Dr. Ulf Engel, Institut für Afrikanistik, wurde für die Amtszeit 2004-07 in den Vorstand der Africa-Europe Group for Interdisciplinary Studies (AEGIS) gewählt. AEGIS (http://www.aegis-eu.org) ist das europäische Netzwerk universitärer und außeruniversitärer Lehr- und Forschungszentren. Die Organisation ist unter anderem mit der Harmonisierung von Masterstudiengängen befasst und wird 2005 in London die erste European Conference on African Studies veranstalten. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat die Gastdozentur von Prof. Dr. Ian Lerche von der University of South Carolina (USA) am Institut für Geophysik und Geologie um ein Jahr verlängert. Die Lehrveranstaltungen von Prof. Dr. Lerche zu aktuellen Themen der Angewandten Geologie sprechen Studenten der Geowissenschaften im Universitätsverbund Leipzig-Halle-Jena und an der TU Bergakademie Freiberg an. Die Forschungsthemen Lerches sind in den Gebieten der Umweltgeologie, Erdgasproduktion und Risikoabschätzung angesiedelt. Dr. med. Henryk Barthel, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, wurde auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin in Rostock mit dem Georg-von-Hevesy-Preis ausgezeichnet, der erstmalig vergeben wurde und mit 5 000 Euro dotiert ist. Barthel erhielt die Auszeichnung für die Testung einer neuen Methode zum Wirkungsnachweis einer Chemotherapie bei Krebs durch bildgebende Verfahren. Die Stadt Wien verlieh Dr. Ina Nitschke und Prof. Dr. Thomas Reiber aus der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde den Ignatius-NascherFörderpreis für Geriatrie. Der mit 3 635 Euro dotierte Preis wurde verliehen auf dem 7. Wiener Internationalen Geriatriekongresses für die Entwicklung des computergestützten Trainingsprogramms „Gesund im Alter – auch im Mund“. Die Leipziger Zahnmediziner wollen das Preisgeld für ein Projekt mit Leipziger Seniorenheimen verwenden. Leipzig ist eine der sechs deutschen Universitäten, die ein Lehrangebot für Seniorenzahnmedizin bereithalten. Das prämierte Trainingsprogramm wird angeboten auf einer CD und ist individuell einsetzbar. Computerkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Den Zugang erhält man über eine einfache Einführung. Informationen über das Trainingsprogramm sind bei [email protected] abzufragen. Prof. Dr. Josef Käs, Institut für Experimentelle Physik I, und Prof. Ramin Golestanian von der Universität Zanjan/Iran, haben gemeinsam einen dreiwöchigen Sommerkurs mit dem Titel „Weiche und Biomaterie“ organisiert. Die Seminarreihe fand vom 5. 6. bis zum 25. 6. am Insitute for Advanced Studies in Basic Sciences in Zanjan/Iran statt. Zentrale Inhalte der Kurse waren aktuelle experimentelle und theoretische Erkentnisse aus dem Teilbereich der Physik der Weichen Materie, wobei das Hauptaugenmerk auf deren Anwendung in biologischen System lag. Die Sommerschule wurde von der UNESCO finanziell unterstützt. Prof. Dr. Jörg Kärger, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, wurde European Editor von Microporous and Mesoporous Materials (Elsevier), der führenden Fachzeitschrift auf dem Gebiet der Nanotechnologie mit porösen Medien und für die Erforschung der in ihnen ablaufenden Prozesse. Die Monitoring Group zur Antidopingkonvention des Europarates (die Vollversammlung der Vertreter von 43 Mitgliedstaaten in- und außerhalb Europas) hat Prof. R. Klaus Müller für zwei Jahre zu ihrem Präsidenten gewählt. Prof. Müller, ehemals Institut für Rechtsmedizin, ist Bundesbeauftragter für Dopinganalytik und Direktor des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa bei Dresden. Dr. Jens-Uwe Stolzenburg, Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, erhielt auf dem XIX. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Urologie in Wien, der 9000 Teilnehmer hatte, den „Educational Surgery Video Prize“. Der Preis ist mit 1500 Euro dotiert. Das prämierte Video zeigt die von Dr. Stolzenburg entwickelte neue minimalinvasive Technik zur operativen Therapie des Prostatakarzinoms. 31 Personalia | Habilitationen und Promotionen Ehrungen für einen großen Romanisten Klaus Bochmann wurde 65 Prof. Dr. Klaus Bochmann zu Ehren, „dem führenden Rumänisten in Deutschland“, „einem der wenigen Romanisten, die noch das ganze Feld der Romania überschauen“, wie es zu hören war, fand am 18. Juni aus Anlass seines 65. Geburtstages in der „Albertina“ ein Kolloquium zum Thema „Romanistik morgen?“ statt. Das Credo des Jubilars, gegen allen Selbstzweifel der Romanisten gerichtet, ob sich das übergreifende Fach gegen die Nationalphilologien künftig behaupten kann (selbst der „Vollromanist“ beherrscht ja allenfalls ein Zehntel der ungefähr 30 Sprachen innerhalb der Romania): Die Romanistik, vor allem von deutschen Wissenschaftlern begründet und betrieben, stellt einen Standortvorteil dar, den man nicht leichtfertig aufgeben darf. Allerdings sollte man ihr neue Aufgabenfelder zuweisen, die Spezialisierung ausbauen und den Einzelphilologien ein größeres Gewicht beimessen. Seine Abschiedsvorlesung „Sprachwissenschaft als geschichtlicher Auftrag“ am Abend im bis auf den letzten Platz besetzten Großen Hörsaal des Neubaus für die Geisteswissenschaften gewährte dann auch vertiefte Einblicke in seine 42-jährige Lehr- und Forschungsarbeit in der romanischen Sprachwissenschaft. Als Schüler der bedeutenden Romanisten Krauss und Bahner galt sein besonderes Interesse der Verankerung von Sprache im Soziokulturellen. Die frühe Lektüre von Klemperers LTI und Krauss’Aufsätzen zur Sprache des Nazismus hätten ihm verdeutlicht, dass auch der Sprachwissenschaftler einen genuinen geschichtlichen Auftrag hat. Und später habe ihn die Beschäftigung mit Sprachkonflikten im Umkreis der Minderheitensprachen in der Romania, sei es auf Korsika, in Galicien, Kanada, Moldova oder der Ukraine, und der Kontakt mit Intellektuellen dieser Regionen vor Augen geführt, wie dringend geboten das gesellschaftliche Engagement des Linguisten ist. Bereits im Mai war Prof. Bochmann von der rumänischen Universität „1. Dezember 1918“ in Alba Iulia (Karlsburg) die Ehrendoktorwürde auf dem Gebiet der Philolo32 Habilitationen Medizinische Fakultät Dr. Hartmuth B. Bittner (5/04): Auswirkungen von Gehirntod und Spenderherzkonservierung auf die kardiopulmonale Hämodynamik und myokardiale Funktion vor und nach orthotoper Herztransplantation Dr. Ricarda Schubotz (6/04): Human Premotor Cortex: Beyound Motor Performance Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Dr. Helge Petersohn (6/04): Data Mining – Verfahren • Prozess • Anwendungsarchitektur Promotionen Klaus Bochmann bei seinem Abschiedskolloquium. Foto: A. Kühne gie verliehen worden, laut Senatsbeschluss „insbesondere für die Forschungen zur rumänischen Sprache und Kultur und ihrer Integration in das europäische Erbe“. An dem akademischen Festakt in der Aula Magna der Universität nahmen Mitglieder des Rektorats und Senats sowie zahlreiche Professoren und Studenten teil, außerdem der Erzbischof der Orthodoxen Kirche von Siebenbürgen. Die seit zehn Jahren bestehende staatliche Universität hat sich in kurzer Zeit zu einem bedeutenden Zentrum der Forschung und Lehre in Geschichte, Archäologie, Philologie und Soziologie sowie in den Wirtschaftswissenschaften entwickelt und ist, wie Prof. Bochmann berichtet, an einer Zusammenarbeit auf diesen Gebieten mit der Universität Leipzig sehr interessiert. Volker Schulte Fakultät für Physik und Geowissenschaften Bruno Schelhaas (3/04): Institutionelle Geographie auf dem Weg in die wissenschaftspolitische Systemspaltung: Die Geographische Gesellschaft der DDR bis zur III. Hochschulund Akademiereform 1968/69 Ulrich Uhrner (3/04): New Particle Formation and Growth in the Lower Troposphere: A Comparison of Model Results with Observations at a Continental Background Site Roberto Ocaña Pérez (4/04): Thermal Conductivity Tensor in Yba2Cu3O7-x Steffen Jost (4/04): Untersuchung struktureller und dynamischer Eigenschaften von Wasser in Zeolithen am Beispiel von Chabasit mit Hilfe von MD-Simulationen Maike Hoppmann (5/04): Einzelhandel zwischen Eigendynamik und Steuerung – dargestellt am Beispiel der Stadtentwicklung von Leipzig Marc Redepenning (5/04): Systemtheorie und raumbezogene Semantik. Schritte (zu) einer anderen Lesart am Beispiel der critical geopolitics Thomas John (6/04): Experimentelle und theoretische Untersuchungen zur stochastisch getriebenen Elektrokonvektion in nematischen Flüssigkristallen Monika Micheel (6/04): Regionale Kulturpolitik in Sachsen – Zur Etablierung staatlicher Regionalisierungen auf der regionalen Handlungsebene Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Alexander Schumann (4/04): Das Verhältnis Portugals zu Europa zwischen Abkehr und Affirmation: ein Beispiel für den Einfluss informeller Institutionen auf den Systemwandel Andreas Laubach (4/04): Anpassungsfähige Hochhaustragwerke – Machbarkeit und Optimierung Meinolf Pohle (5/04): Staatliche Wirtschaftskriminalität im realen Sozialismus der DDR (1966 –1990). Wirtschaftsspionage, Embargoverstöße und Vermögensverschiebungen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) und des MfS – eine volkswirtschaftliche Untersuchung – Markus Wiedenmann (5/04): Risikomanagement bei der Projektentwicklung von Immobilien und Entwicklung eines Rating unter besonderer Berücksichtigung der Risikoanalyse und journal Habilitationen und Promotionen Risikoquantifizierung im Vorfeld einer Investitionsentscheidung jeweils 6/04: Abid Ali Shah: Experimental Investigation of High Performance/ High Strength Concrete Columns with Intervening Normal Strength Concrete Slabs Stephan Schneider: Integration von Produktions- / Steuerungsprozessen und Anwendungssystemarchitektur im Kreditgeschäft von Banken Bettina Türk: E-Consulting: Der Einsatz webbasierter Technologien in der Unternehmensberatung – eine empirische Untersuchung aus Sicht von Klienten- und Beratungsunternehmen Philologische Fakultät Katrin Löffler (4/04): Anthropologische Konzeptionen in der Literatur der Aufklärung – Leipzig um 1740 Stefanie Neuner-Anfindsen (4/04): Fremdsprachenlernen und Lernerautonomie – Sprachlernbewusstsein, Lernprozessorganisation und Lernstrategien zum Wortschatzlernen in Deutsch als Fremdsprache Astrid Kästner (5/04): Ein integrativer Ansatz zur Fachtextbestimmung von Unternehmenswebseiten unter Berücksichtigung medienspezifischer Besonderheiten (dargestellt an russischen Internetauftritten) Ute Tischer (5/04): Die zeitgenössische Anspielung in der antiken Literaturerklärung Theologische Fakultät Olaf Richter (4/04): Anamnesis – Mimesis – Epiklesis: Religiöse Bildung am Gottesdienst. Liturgietheoretische Grundlagen in praktisch-theologischer Perspektive. David Wagner (6/04): Geist und Tora. Studien zur göttlichen Legitimation und Delegitimation von Herrschaft im Alten Testament anhand der Erzählungen über König Saul. Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie jeweils 4/04: Claus-Dieter Röck: Invasion durch Äther. Die Rundfunkpropaganda der DDR gegen die politische Reformbewegung in der CSSR von 1968 („Prager Frühling“). Struktur, Funktion und Resonanz des Geheimsenders Radio Vltava Daniel Schmidt: Staat und Statistik Altaf Ullah Khan: Profile of Journalists in Peshawar jeweils 5/04: Eva Göbel: Bayern in der modernen Konsumgesellschaft. Regionalisierung der Konsumkultur im 20. Jahrhundert André Klein: Simmel und Lazarus – Kulturwissenschaft und Völkerpsychologie in ihren Beziehungen Gesine Märtens: Der Philosoph wirkt. Die Rezeption der deutschen Übersetzung der Werke José Ortega y Gassets bis 1945 Petra Klein: Die Entgrenzung einer Wissenschaft. Henk Prakke und die Ausweitung der Publizistik – zur Kommunikationswissenschaft in den 1960er Jahren der BRD Heft 4/2004 Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie jeweils 5/04: Barbara Bibiana Seiwald: Differentialpsychologische Analysen zum Verhältnis von schlussfolgerndem Denken und figuralem Arbeitsgedächtnis Ilka Herbinger: Inter-group aggression in wild West African chimpanzees (Pan troglodytes verus): Mechanismus and functions Carsten Voigt: Regulation of TSH receptor expression and function by ß-arrestins and G-protein-coupled receptor kinases and identification of new TSH receptor signaling pathways Khalifa El tayeb Khalafalla: Selection of Gliadin-binding Peptides from Random Peptide Libraries and their Use in Gluten Analyses Richard Cordaux: Molecular genetic variation in tribal populations of India Fakultät für Mathematik und Informatik Matthias Kurzke (5/04): Analysis of boundary vortices in thin magnetic films László Székelyhidi (5/04): Elliptic Regularity versus Rank-One Convexity Medizinische Fakultät jeweils 11/03: Katja Ellmann: Eine klinisch-pathologische Studie am Untersuchungsgut der Jahre 1996 bis 2000 am Städtischen Klinikum „St. Georg“ Leipzig Dirk Klaus Nigg: Hereditäre Fructoseintolerenz oder Fructosemalabsorption – Eine retrospektive Studie der im Zeitraum 1993 – 2002 im Institut für Biochemie durchgeführten molekulargenetischen Untersuchungen an Patienten mit der Verdachtsdiagnose „Fructoseintoleranz“ Konstanze Ander: TH1 und TH2 Zellen bei ungestörter und gestörter Schwangerschaft Gunder Bochmann: Die Beeinflussung von visuell evozierten Bewegungspotentialen und Geschwindigkeitsperzeption durch Adaptationsreize mit unterschiedlicher Geschwindigkeit Ines Fritzsche: Ketonkörper bei stoffwechselgesunden Kindern und Kindern mit hypoglycämischen Stoffwechselstörungen Sonja Grunewald: Untersuchung apoptoseassoziierter Signaltransduktion in humanen Germinalepithel und ejakulierten Spermatozoen Christoph Wolfgang Jaschke: Untersuchung zur Aufklärungsproblematik bei ambulanten Operationen im Kindesalter Judith Pannier: Effekt der anti-CD4-Therapie mit dem anti-CD4mAK RIB5/2 auf die Transplantatakzeptanz im „High-responder“-Lebertransplantationsmodell der Ratte Peggy Mehlhorn: Myosinisoformen und Muskelfasertypen in den äußeren Augenmuskeln des Schweins Andreas Naupert: Ermittlung der altersabhängigen Veränderungen von Muskelfasereigenschaften verschiedener Rattenmuskeln Friederike Preuße: Das Institut für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Leipzig in den Jahren 1945 bis 1961 – Mitarbeiter, Struktur und Tätigkeit Dipl.-Med. Heide Wetzig: Einfluß der Stilldauer auf ausgewählte atopische Krankheitsbilder bis zum 3. Lebensjahr – eine deskriptive Analyse im Rahmen der Leipziger Allergierisikokinder – Studie (LARS) Matthias Jacob: Typisierung von Bilophila wadsworthia-Isolaten aus unterschiedlichen klinischen Materialien mit der PCR-Fingerprint-Methode Kristin Schneider: Mycoplasma pneumoniae-Infektionen des Respirationstraktes im Kinder- und Jugendalter – eine retrospektive Studie von Patienten an der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche in Leipzig im Zeitraum 1991–1996 unter besonderer Berücksichtigung der Röntgenmorphologie Tessa Finkensieper: Untersuchungen zur Spender-gegen-Empfängerreaktion nach allogener Transplantation Ute Irene Haase: Kohlenhydratstoffwechsel bei kleinwüchsigen ehemals hypotrophen Kindern Tino Elouahidi: Wertigkeit von Traumascores bei mehrfachverletzten und polytraumatisierten Kindern und Jugendlichen Jörn Ackermann: Todesursachen bei Verstorbenen nach intensivmedizinischer Behandlung (Grundleiden, direkte Todesursache, iatrogene Befunde) Elena Liwschitz: Einfluss von Noradrenalin, Epidermal growth factor und Interleukin-6 auf die Signaltransduktion in Fibroblasten von Rattenherzen jeweils 12/03: Marcus Meichsner: Untersuchungen zur Herzfrequenzvariabilität bei Gesunden – Normwerterstellung mit dem Analysegerät Vagus 2000 Matthias Deutloff: Messung der maximalen Kieferschließkraft direkt vor und nach Eingliederung eines modifizierten Interzeptors nach Schulte Christine Steger-Arand: Immunogenität und Reaktogenität des Tetanus-Fluidimpfstoffes Tetamun SSW bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Karzinom des Gastrointestinaltrakts unter laufender antineoplastischer Chemotherapie Matthias Berger: Die Qualität in der Versorgung von Gallenstein-Patienten – Eine Analyse der Chirurgischen Klinik der Jahre 1995 –1999 Dipl.-Med. Gert Brandt: Chemoimmuntherapie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom am Onkologischen Fachkrankenhaus Marienstift Schwarzenberg 1993 –1997 Heike Bühnert: Gesundheitsgefahren durch Biostoffe – Ergebnisse einer Untersuchung bei Beschäftigten in einem Unternehmen der Abfallwirtschaft Oliver Burg: Analyse des Schädelaufbaus bei Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen Bernhard Fehling: Zusammenhänge zwischen dem Prä- und postoperativen Krankheitsverlauf und der Krankheitsverarbeitung chirurgisch behandelter Morbus-Crohn-Patienten 33 Habilitationen und Promotionen Dominik Fritzsch: Wertigkeit MRT-gesteuerter Knochenbiopsien an einem offenen Kernspintomographen Benjamin Funke: Photodynamische Therapie einer fibroblasteninduzierten Arthritis der SCID-Maus Susanne Heine: Zur Beurteilung der Mundöffnungsbewegung in Abhängigkeit der verwendeten Hilfsmittel und dem Erfahrungsstand der Untersucher Andreas Knopke: Wertigkeit des zellulären Antigenstimulationstests (CAST) in der Diagnostik nicht-allergischer (pseudoallergischer) Hypersensitivitätsreaktionen auf Medikamente und Farbstoffe Susanne König: Entwicklung und Validierung reformulierter kategorialer Strukturen der Methode des Zentralen Beziehungs-Konflikt-Themas Sophie-Susann Merbecks: Beiträge zum Vorkommen, zur Epidemiologie und zur Herdbekämpfung von Norwalk-like Virus-Infektionen im Freistaat Sachsen Ilka Merte: Komplexe Bewertung einer als Amalgamersatz konzipierten Liner-Komposit-Produktkette – in vitro, in vivo und klinisch. Elisabeth Mottweiler: Einflüsse von Betarezeptorenblockern auf Gedächtnisfunktionen Matthias Müller: Analyse der Behandlung des kolorektalen Karzinoms im Krankenhaus Limbach-Oberfrohna Heike Rössler: Funktionsanalyse von neutrophilen Granulozyten und Monozyten herzchirurgisch operierter Kinder Steffi Helen Stock: Untersuchungen zu postchirurgischen Veränderungen am Gesichtsschädel bzw. am Gesichtsprofil nach Dysgnathieoperationen Thomas Schwäblein: Röntgenbild-gestützte präoperative Planung bei der Implantation von Hüftendoprothesen Klaus-Peter Thiele: Analyse der stationären Verweildauer bei Patientinnen mit operativ behandeltem primären Mammakarzinom im Rahmen der Multicenterstudie „Qualitätssicherung Mammakarzinom“ der Ostdeutschen Arbeitsgemeinschaft „Leistungserfassung und Qualitätssicherung“ in der CAQ der Dt. Gesellschaft für Chirurgie Narzis Vafai: Subjektive Körperbeschwerden von Altenheimbewohnern, im Vergleich zu nichtinstitutinell lebenden Senioren – Eine Ost-West-Erhebung Florian Wegner: Perineuronale Netze der extrazellulären Matrix im parietalen Kortex der Ratte: Beziehung zu zytochemischen und morphologischen Eigenschaften der Neurone Torsten Menzel: Der Einfluss einer niedrigen Creatinsupplementation auf die intermittierende Sprintleistung von Ausdauersportlern Uwe Eppler: Mittelfristige Ergebnisse nach Ellenbogenluxation und Ellenbogenluxationsfrakturen in Abhängigkeit von operativer Therapie sowie von Immobilisation und frühfunktioneller Behandlung Uta Reich: Beitrag zur dreidimensionalen Analyse der Oberkiefermorphologie gesunder Kinder zwischen dem 1. und 36. Lebensmonat 34 Dr. med. Georg O. H. Müller: Beeinflussung der Nasenatmung durch die Radiofrequenzablation der Conchae nasales inferiores jeweils 1/04: Dipl.-Med. Ingrid Börnert: Begegnung mit Sterben und Tod bei Medizinstudenten im Praktischen Jahr und während des Beginns der ärztlichen Tätigkeit Jürgen Feisthammel: Häufigkeiten und Ursachen der Inaktivierung des Tumorsuppressors p16Ink4A in Zelllinien und Primärtumoren von extrahepatischen Gallengangskarzinomen Alexandra Lämmer: Untersuchung vitalen neuronalen Gewebes mittels konfukaler Laser Scanning Mikroskopie und die Darstellung der Müllerzellen in ihrer Eigenschaft als Lichtleiter Magdalena Gotzoll: Apoptose und die Expression von Apoptose-regulierenden Proteinen in Herzmuskelbiopsien nach Herztransplantationen Frank Kolbus: Die dorsale Sonometrie in der Diagnostik der vorderen Kniegelenkinstabilität (Prospektive Studie zur Bewertung der Aussagekraft bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes und nach Rekonstruktion mit autologer Patellarsehne) Axel Christian Kühn: Bestimmung der Lateralisierung von Sprachprozessen unter besonderer Betrachtung des temporalen Cortex, gemessen mit funktioneller Kernspinntomografie Melanie Sonya Maresch: Untersuchungen zur Rolle des MDM2-Onkoproteins in gliogenen Hirntumoren und ihren Rezidiven Markus Mundel: Homocystein und Arteriosklerose – Die Rolle nutritiver Faktoren und der C665T-Mutation der Methylentetrahydrofolatreduktase Florian Rohm: Die Rolle von Adhäsionsmolekülen bei der Rekrutierung von Leukozyten im Ovar Lutz Siegl: Zytomorphometrie der Schilddrüse bei Autonomie und im Alternsgang Albrecht Staemmler: Die Rekurrensparese nach Schilddrüsenoperationen – eine Analyse unter besonderer Beachtung des intraoperativen Neuromonitorings des Nervus laryngeus recurrens Bastian Stichert: CT-volumetrische und funktionelle Quantifizierung der alveolären Rekrutierung unter Open-Lung-Concept beim posttraumatischen Lungenversagen Oliver Marc Weidlich: Morphometrisch-zytologische Befunde an unifokalen Schilddrüsenautonomien bei klinisch definierten Euthyreosen und Hyperthyreosen Kerstin Zückmantel: In vitro-Untersuchungen zum Tissue engineering von Gefäßäquivalenten unter dem Aspekt morphologischer Reifungsparameter Nadja Ott: Steigerung der Zellproliferation bei Schilddrüsenautonomie Monika-Marie Gille: Langzeitcompliance bei CPAP/BiPAP Therapie des Schlafapnoesyndroms Gregor Hans Fitzel: Vergleich der Lebensqualität von Patienten mit Rektum-Karzinom am Beispiel kontinenzerhaltender ver- sus nicht kontinenzerhaltender Operationstechniken Martina Heckel: Die E3-Ligase HectH7 – Subzelluläre Lokalisation und Interaktion mit dem potentiellen Tumorsupressor CDX2 Christian Schubert: Modifikation des oxidativen und antioxidativen Potentials bei akutem Myokardinfarkt durch Fibrinolyse und Reperfusion jeweils 2/04: Karen Marlene Klee: Promotorhypermethylierung der Tumorsuppressorgene E-Cadherin und p14ARF bei extrahepatischen Gallenwegskarzinomen Boris Beil: Charakterisierung des humanen oberen Olivenkomplexes mittels verschiedener immunhistochemischer Marker Berivan Baur: Tissue Engineering von Knorpelgewebe – Proliferation und Differenzierung humaner Chondrozyten in serumfreien Kulturmedien Astrid Böhme: Untersuchungen zum Einfluss der Hypercholesterolämie und kombinierte Hyperlipidämie sowie der extrakorperalen LDL-Apherese-Therapie auf das Fettsäurespektrum der Plasmalipide Falk Brunner: Zum Einfluß langzeitiger, intravenöser L-CarnitinApplikation auf renale Anämie, Eisenstoffwechsel und Erythropoietin-Bedarf von Patienten mit chronischer, hämodialysepflichtiger Niereninsuffizienz Nora Greipel: Einfluss von Katecholaminen auf die Signaltransduktion am Rattenherzen Alexander Jank: Untersuchungen der proliferativen Aktivität bei Karzinomen der Cervix uteri anhand von DNA-zytometrischen und histopathologischen Parametern und des MIB1-Proliferationsindex Andreas Kießling: Untersuchung von Acylcarnitinmustern im Urin von ausgewählten Patientengruppen durch electrosprayionization-(ESI)-Massenspektrometrie Birte Lund: Erwartungshaltungen und innere Modellbildung von Patienten mit intracraniellen Tumoren in der Neurochirurgischen Klinik Thomas Mattausch: Entwicklung, Optimierung und Anwendung von molekulargenetischen Methoden zur Diagnostik der Glycogenose Typ III Falk Moritz: Einfluß von TNF-Gen-Polymorphismen auf klinische Manifestation, Zytokinexpression und auf die Wirkung der TNFalpha-blockierenden Therapie bei der Rheumatoiden Arthritis Christian Mutz: NMR-spektroskopische Untersuchungen der Wirkungen reaktiver Sauerstoffverbindungen auf Knorpel und Knorpelbestandteile Alexander Petzold: Der Einfluß radioaktiver Strahlung auf das Proliferationsverhalten und die Zellbiologie humaner retinaler Pigmentepithelzellen Andreas Schepper: Einfluß akuter respiratorischer Hypoxie auf myokardiale Mikrogefäße diabetischer Ratten mit und ohne antioxidative Protektion Stephan-Sebastian Scherer: Lymphozytenpopulationen, Interleukine und Serumjournal Habilitationen und Promotionen | Jubiläum 2009 proteine als Screeningparameter zur lang- und kurzfristigen Diagnose Akuter Rejektionsepisoden nach allogener Nierentransplantation Miriam Schiller: Effekte des kombinierten Einsatzes von Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobsen und eines Konzentrationstrainingsprogramms in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Rick Schneider: Morphologische und immunhistochemische Untersuchungen am Herzen diabetischer BB/OK-Ratten Constanze Susanne Steingrüber: Einfluss von Umweltbedingungen auf morphologische Alterationen im somatosensorischen Kortex drei Jahre alter Ratten Dipl.-Psych. Astrid Sonntag: Psychopharmakagebrauch in Alten- und Altenpflegeheimen – Individuelle und Institutionelle Determinanten Mattheos Christoforidis: Polymorphismen des low density lipoprotein-receptor related protein (LRP) und die zerebrale Amyloid Angiopathie: genetisch-morphologische Assoziationsstudie Anja Busse: Mild cognitive impairment: prevalence, incidence and outcome according to different diagnostic criteria jeweils 3/04: Gert Grellmann: Stellenwert von akuten exogenen Intoxikationen im Patientengut der Internistischen Intensivstation der II. Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt 1998 – 2001 Frank Breywisch: Fibrosarkome und vaskuläre Sarkome im Kindesalter: Retrospektive Analyse von 23 Patienten und Literaturrecherche Peter Döhler: Das Magenfrühkarzinom im Einsendungsgut des Instituts für Pathologie der Klinikum Chemnitz gGmbH in den Jahren 1991–2000 Claudia Hanke: Die Entwicklung der enossalen Implantologie an der Leipziger Universität in den Jahren 1975 –1992 Mario Hopf: Human-Biomonitoring-Untersuchungen zur Bleibelastung von deutschen und polnischen Schulkindern in Görlitz und Zgorzelec André Hoy: FACS-gesteuerte T-Zell-Charakterisierung im Rahmen der Allotransplantation Denise Richter: Einfluss von Umweltbedingungen auf qualitative und quantitative Änderungen neuronaler sowie glialer Strukturen im Rückenmark alter Ratten Ingo Langer: Spiral-CT-gestüzte Volumetrie der Leber vor und nach Leberteilresektion Sabine Meister: Morphologische und immunhistochemische Untersuchungen zu Veränderungen der Leber durch experimentellen Diabetes und zusätzlicher Hypoxie mit und ohne Protektion durch Ginkgo biloba-Extrakt Beate Sauer: Dysregulation der CD8+ Zellen bei Patienten mit Rheumatoidarthritis Thilo Schallawitz: Peritonealzytologie der Fossa iliaca dextra bei Kindern mit akuter Appendizitis Katrin Scheer: Untersuchungen des Knochenstoffwechsels bei Kindern und Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Heft 4/2004 Darmerkrankungen anhand biochemischer Marker, Dual Energy X-Ray Absorptiometry (DEXA) und Auswertung klinischer Daten Brit Gabler: Die Entwicklung der Feuerbestattung unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Leipzig und des Standpunktes der Rechtsmedizin Bastian Manfred Seidel: Sekretorisches Immunglobulin A im Speichel von Neugeborenen – Neue methodische Ansätze zum Nachweis und Evaluation verschiedener Einflussfaktoren Katrin Boeckler: Charakterisierung des Cochleariskerns des Rhesusaffen mittels verschiedener Marker Wolfram Heinritz: Molekulargenetische Mutationsanalyse des APCGens mittels DHPLC bei Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP) Franca Noack-Wiemers: Leben und wissenschaftliches Werk von Robert Hermann Tillmanns (1844 –1927). Dirk Heinicke: Armenarztwesen und Ziehkinderpflege in Leipzig von Beginn des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts Katharina Krieger: Verhältnis klinischer und angiographischer Befunde zum selbstberichteten Befinden von Patienten beim Follow-up Termin 6 Monate nach PTCA und Stentimplantation jeweils 4/04: Gerd Diederichs: Testung mechanischer Eigenschaften verschiedener Implantate bei distalen Humerusfrakturen. Eine vergleichende in vitro Studie am humanen Präparat Yves Baither: Endotheldysfunktion bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK): Einfluss von regelmäßigem körperlichen Ausdauertraining auf die Endothelfunktion (in vivo- und in in vitro-Untersuchungen) Christine Bauer: Katamnestische Untersuchung bei Persönlichkeitsstörungen nach einer stationären psychodynamischen Psychotherapie Silke Becker: Zahnstautuserhebung und Zahnfocussuche vor Herzoperationen an 500 konsekutiven Patienten der Klinik für Herzchirurgie der Universität Leipzig Almut Brückner: Neuere Erkenntnisse und Probleme der Ethanolkinetik Christiane Eckhardt: Die Wirksamkeit von Moxifloxacin in der Therapie von Sepsis durch Bacteroides fragilis und Escherichia coli im Tiermodell Axel Fröbel: Die Spektrale Eckfrequenz des prozessierten EEG während physiologischen Schlafes und unter Allgemeinanästhesie bei Kindern Ruslan Gamsalijew: Neuronaler Zellverlust in der Kaninchenretina im Verlauf der Reperfusion nach einer temporären Ischämie Dipl.-Med. Michael Heinrich: Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2A – Darstellung des Krankheitsbildes anhand klinischer, pathologisch-anatomischer, genetischer und biochemischer Befunde einer betroffenen Familie Ilka Hertel: Mechanische Stimulation humaner Osteoblasten – physiologische Grundlagen und Untersuchungen in vitro für das Tissue Engineering von Knochen Uni-Geschichte in Bildern 128 reich bebilderte Seiten umfasst das soeben erschienene Buch „Die Universität Leipzig 1409–1943“. Universitätsarchivar Prof. Dr. Gerald Wiemers und sein Mitarbeiter Jens Blecher haben den Bildband erarbeitet. Das Buch enthält 206 bisher weitgehend unveröffentlichte Aufnahmen aus dem Universitätsarchiv, darunter interessante Einblicke in Studentenwohnheime, Hörsäle und Institutsgebäude – leider ausschließlich in schwarz-weiß. Die Autoren erinnern auch an Persönlichkeiten, die in Leipzig studierten oder lehrten. „Mit den dazugehörigen Texten mussten wir uns an die Reihe ‚Campusbilder‘ des Verlags anpassen, sie fallen daher kurz aus“, erklärte Gerald Wiemers bei der Buchvorstellung. Dennoch reichte der Platz bei weitem nicht für alle in Frage kommenden Bilder, es herrschte die Qual der Wahl. „Wir mussten aus 10 000 Fotos auswählen. Da hat uns etwas das Herz geblutet“, sagte Jens Blecher. Das Buch endet 1943 – „dieses Jahr haben wir gewählt, weil es ein spezielles für die Universität war“, so Professor Wiemers. „Im Januar 1943 war die Universität zu 70 Prozent zerstört. Es war der Zusammenbruch, der bauliche, der personelle und der geistige.“ Die beiden Autoren wollen zwei weitere Bände herausbringen, einen, der die Jahre von 1943 bis 1989 umfasst und einen weiteren, der bis in die Gegenwart hineinreicht. Ob es diese Fortsetzungen geben wird, hängt allerdings laut Verlag vom Erfolg des ersten Bandes ab. C. H. Jens Blecher und Gerald Wiemers: Die Universität Leipzig 1409–1943. Sutton Verlag 2004. 128 S., 17,90 €, ISBN 3-89702-652-X. 35 Jubiläum 2009 „Die Rückkehr“ von Levin L. Schücking Universität Leipzig erhält Bibliothek und Gemälde des angesehenen Anglisten als Geschenk Von Peter Gutjahr-Löser, Kanzler der Universität Leipzig Levin L. Schücking (1878 bis 1964), der in Köln und Leipzig. Köln bot ihm neben Dichter Börries von Münchhausen, ein aus einer westfälischen Gelehrten- und dem üblichen Gehalt eine Villa am Rhein altes Familiengut in Windischleuba bei Juristenfamilie stammt, war von 1925 bis als Wohnung an. Daraufhin fragte Schü- Altenburg zurückerworben hatte und ihn 1944 Professor für englische Literatur an cking in Dresden an, ob man ihm in der beschwor, in die Nähe zu ziehen. In diese der Universität Leipzig. Sein Enkel, Bern- Wohnungsfrage ähnlich behilflich sein Freundschaft, die über politische Differenhard Mende, schenkte jetzt der Universität könne. Das Ministerium antwortete, dies zen hinweg bestand und sich in finsterster die Bibliothek des als Shakespeareforscher sei leider nicht der Fall. Aber in Leipzig Zeit bewährte, gestattet der im Jahr 2001 berühmten Anglisten. Außerdem erhielt die seien die Mieten bedeutend niedriger als in von der Tochter Schückings herausgegeUniversität ein Gemälde, das den Gelehr- Köln … bene Briefwechsel zwischen beiden tiefe ten im Jahr 1940 zeigt. Es stammt von dem Dass Schücking sich schließlich für Leip- Einblicke [Beate E. Schücking (Hrsg.) früheren Direktor der „Akademie für gra- zig entschied, hing nicht zuletzt damit „Deine Augen über jedem Verse, den ich phische Künste und Buchgewerbe“, Walter zusammen, dass sein Studienfreund, der schrieb“, Briefwechsel zwischen Börries Tiemann. von Münchhausen und Levin Schücking, der zeitlebens Ludwig Schücking, Oldenüberzeugter Pazifist war, hatte burg, 2001, 378 S.]. große Schwierigkeiten mit Schückings wissenschaftliche den Nazis gehabt. Sein BemüInteressen machten aber nicht hen, deshalb vorzeitig emerian seinen Fachgrenzen Halt. tiert zu werden, war schließZu seinen berühmtesten lich 1944 erfolgreich. RückSchriften gehört sein Buch blickend schrieb er darüber: „Soziologie der literarischen „Zusammen mit meiner EntGeschmacksbildung“ aus dem lassungsurkunde erhielt ich Jahr 1923. Es wurde nacheinein Schreiben des Kanzlers ander ins Russische, Engliund Führers des Deutschen sche und weitere Sprachen Reiches, in dem mir für die übersetzt und in den sechziger dem deutschen Volk geleisteJahren in der Bundesrepublik ten Dienste gedankt wurde. Im neu aufgelegt. umgekehrten Fall hätte ich Dass er sich immer mit den eine solche Bescheinigung politischen Fragen seiner Zeit nicht ausstellen können.“ intensiv auseinandergesetzt Sein internationaler wissenhat, spiegelt sich auch in seischaftlicher Ruhm hatte mit ner rund 1500 Bände umfasder Veröffentlichung „Chasenden Bibliothek. Neben rakterprobleme bei Shakeseiner Reihe älterer Shakespeare“ im Jahr 1919 begonpeare-Ausgaben und seltener nen. Zahlreiche Publikationen älterer englischer Literatur, auf vielen Gebieten der Angseinen eigenen Werken, zu listik machten ihn bald zu denen auch von ihm herauseiner anerkannten Koryphäe. gegebene deutsch-englische Stationen seines Weges waren Shakespeare-Ausgaben gehözunächst die Universitäten in ren, und der einschlägigen Göttingen, Jena und Breslau. Fachliteratur anderer Autoren, 1924/25 erhielt er gleichzeitig Levin L. Schücking im Jahr 1940, gemalt von Walter Tiemann. lässt die Bibliothek erkennen, Foto: Kustodie wie breit die Interessen Schüeinen Ruf an die Universitäten 36 journal Jubiläum 2009 ckings waren: So fällt an der Büchersammlung auf, wie sehr er sich in der Nachkriegszeit mit der Erklärung der NSZeit beschäftigt hat. Die zahlreichen Sonderdrucke von Fachgenossen, besonders aber von Freunden und Weggefährten weit über die Anglistik hinaus, könnten erheblich dazu beitragen, seine wissenschaftlichen und persönlichen Beziehungen aufzudecken und dadurch das Leben und Wirken dieses berühmten Leipziger Professors darzustellen. Deshalb ist es auch erforderlich, die Bibliothek als geschlossenes Depositum zu erhalten. Das Gemälde (siehe Abbildung) gehört ebenfalls in diesen Zusammenhang. Der Maler, Professor Walter Tiemann, war bereits 1926 Ehrendoktor der Universität geworden. Als Direktor der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe (heute: „Hochschule für Grafik und Buchkunst“) hatte er ebenfalls mit den Nationalsozialisten erhebliche Probleme gehabt, weshalb er bereits 1940 sein Lehramt aufgab. Die Wahl dieses Malers aus dem Kreis der Nazi-Gegner lässt Schlüsse auf das Netz zu, dem beide angehörten. Das Werk Tiemanns lebt in Form der Illustration zahlreicher Bücher des Insel-Verlages und der Gestaltung vieler, bis heute vom grafischen Gewerbe genutzter Schriften fort. Der Autor dieses Beitrags besitzt auch persönliche Erinnerungen an Levin Schücking. Als er während seines ersten Studiensemesters im Dezember 1960 in den Weihnachtsferien bei Schücking in Oberbayern einen Besuch machte, fragte dieser, wie es denn an der Universität Bonn gehe. Er erzählte ihm enthusiastisch über einen Pädagogen, der im Alter von achtzig Jahren Vorlesungen für Hörer aller Fakultäten halte und Woche für Woche vor einem übervollen Hörsaal mit rund tausend Plätzen spreche. „Das ist mein Freund Theodor Litt. Bestell ihm mal einen schönen Gruß von mir!“ war Schückings Antwort. – Zu den angesehenen Leipziger Professoren, die als Nazi-Gegner bekannt waren, hatte auch Theodor Litt gehört, der 1947 einem Ruf an die Universität Bonn gefolgt war. Als der Schreiber dieser Zeilen den Gruß ausrichtete, erhielt er eine Einladung zu Litt. So wurde er sein Schüler. Und deshalb ist es ihm später gelungen, den wissenschaftlichen Nachlass Theodor Litts nach Leipzig zu holen. Sein Schulfreund Bernhard Mende wusste darum. Und deshalb hat nun auch die Bibliothek Levin L. Schückings ihren Weg in die Universität Leipzig gefunden. Heft 4/2004 Gesichter der Uni Dietrich von Bocksdorf (um 1410–1466) Das Foto zeigt eine 170 mal 70 cm große Bildnisplatte vom Grabmal Dietrich von Bockdorfs und wurde dem Journal vom Domstiftsarchiv Naumburg (Bildarchiv) zur Verfügung gestellt. Dietrich von Bocksdorf entstammte einem vornehmen Geschlecht, das ursprünglich im Kurkreis und in der Niederlausitz begütert war. Das Familienwappen zeigt einen vorwärts gerichteten Widderkopf. Dort – wahrscheinlich in Zeunitz bei Buckau – wurde Dietrich um 1410 geboren. 1425 bezog er die Leipziger Universität und wurde 1426 baccalaureus artium. 1436/37 hielt er sich an der Universität in Perugia auf. 1439 ist er als Doktor beider Rechte wieder in Leipzig zu finden und stand zudem als Rektor an der Spitze der Universität. Bald darauf erlangte er Ordinariat für kanonisches Recht an der Juristenfakultät. Dietrich von Bocksdorf wirkte bei der Reform der Universitätsstatuten mit, deren Ergebnis er 1445 proklamierte. Bocksdorf wirkte auch als praktischer Jurist, Schiedsrichter und Advokat und saß zudem im Leipziger Schöffenstuhl. Bei diffizilen Rechtsstreitigkeiten suchten auch die sächsischen Kurfürsten Rat bei dem weithin berühmten Rechtsgelehrten, der eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten verfasst hatte. Seine Abhandlungen bestehen insbesondere aus Zusammenstellungen von Gerichtsformeln, die sich auf das sächsische Landrecht, auf das Magdeburger Stadtrecht, aber auch auf das Meißner Rechtsbuch gründen. Von besonderer Bedeutung sind auch jene Schriften, die Bocksdorf als Hilfsmittel für die Benutzung des Sachsenspiegels geschrieben hat. Bocksdorf besaß seit 1448 ein Haus in der Burgstraße. Bereits 1449 war ihm ein Altarlehen in der Peterskirche übertragen worden. Für die Universitätsgeschichte besitzt die Bocksdorfsche Stipendienstiftung besondere Bedeutung. Außerdem stellte er 42 Bücher und Manuskripte zur Verfügung, die für die Studenten der Jurisprudenz zum Selbststudium bereitstanden. Jene Bücher und Faszikel befinden sich heute in der Universitätsbibliothek. Die Aufsicht und Verwaltung der gesamten Stiftung lagen einst beim Leipziger Stadtrat. Dietrich von Bocksdorf besaß Kanonikate in den Kapiteln zu Magdeburg und Naumburg. Im Oktober 1463 wählte ihn das Naumburger Domkapitel zum Bischof. Die Weihe erfolgte im August 1464. In diesem Amt ist er am 9. März 1466 verstorben. Sein Grab befindet sich im Dom zu Naumburg. Uwe Schirmer, Historisches Seminar 37 Jubiläum 2009 Ein Grenzgänger der Wissenschaften Über den Religionswissenschaftler Joachim Wach Von Ronald Lambrecht, Historisches Seminar Zu den weniger bekannten, aber dennoch bemerkenswertesten Angehörigen der Alma mater Lipsiensis gehört der Religionswissenschaftler Joachim Wach. Am 25. 1. 1898 als Sohn des Geheimrats Dr. Felix Wach und seiner Frau Katharina in Chemnitz geboren, war er ein Urenkel des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. Sein Großvater Adolf Wach, Dekan der Juristenfakultät der Universität Leipzig, war mit Lily, der jüngsten Tochter des Komponisten, verheiratet, aber auch Joachim Wachs Mutter Katharina entstammte in direkter Linie dieser berühmten Familie. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Dresden trat Wach 1916 als Kavallerist in das Königlich Sächsischen Gardereiterregiment ein und nahm am Weltkrieg teil. Nach dem Ende des Krieges begann er das Studium der Religionsgeschichte, Philosophie und orientalischen Sprachen, welches ihn nach München, Berlin, Freiburg und Leipzig führte. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten u. a. Hans Haas, Adolf von Harnack, Eduard Spranger, Ernst Troeltsch und Max Weber. 1922 promovierte er in Leipzig mit der Arbeit „Der Erlösungsgedanke und seine Deutung“. Sein Bestreben, die Grenzen seines Fachs zu überschreiten und mit den Erkenntnissen und Methoden benachbarter Wissenschaften vollkommen neue Wege zu gehen, zeigte sich nicht nur in seinem anschließenden Studienaufenthalt bei dem bekannten Literaturhistoriker Friedrich Gundolf, der nachhaltigen Einfluss auf sein weiteres wissenschaftliche Werk haben sollte, sondern auch in seiner Arbeit „Religionswissenschaft. Prolegomena zu ihrer wissenschaftstheoretischen Bedeutung“, mit der er sich 1924 an der Leipziger Philosophischen Fakultät habilitieren wollte. In dieser, damals als solche noch nicht erkannten bahnbrechenden Studie legte Joachim Wach die Grundlage für die Etablierung der Religionswissenschaft als selbständige akademische Disziplin, die er gegenüber der Philosophie und Theologie als eigen38 ständige empirisch-hermeneutische Geisteswissenschaft verstand. Aufgrund dieses neuartigen Ansatzes fielen die Bewertungen seiner Arbeit innerhalb der Fakultät sehr unterschiedlich aus, sie wurde aber trotz mancherlei Widerstands schließlich angenommen, nicht zuletzt dank der Unterstützung seines Mentors Hans Haas. Die von Wach angestrebte zusätzliche Habilitation im Bereich der Philosophie scheiterte jedoch am Einspruch der Fakultät. Ganz nach seiner wissenschaftlichen Veranlagung beschränkte sich Joachim Wach in seiner nun folgenden Lehrtätigkeit nicht nur auf sein Fachgebiet Religionswissenschaft, sondern hielt auch Veranstaltungen zur Geistesgeschichte und zur Geschichtsphilosophie ab, so etwa am Kulturhistorischen Institut der Universität Leipzig. Auch an der Volkshochschule hielt er Veranstaltungen ab. 1926 erschien „Die großen Systeme“, der erste Band seines umfangreichen Werkes „Das Verstehen – Grundzüge einer Geschichte der hermeneutischen Theorien im 19. Jahrhundert“, einer Arbeit zur Geschichtsphilosophie, die erneut das umfassende und grenzüberschreitende Spektrum der wissenschaftlichen Betätigung Wachs unter Beweis stellte. Immer stärker arbeitete er sich zudem auf das noch neue Gebiet der Religionssoziologie ein. Als Folge davon wurde ihm am 20. 6. 1927 ein „Kleiner Lehrauftrag für Religionssoziologie“ zugesprochen, der erste seiner Art an einer deutschen Universität. Am 10. 8. 1929 wurde Wach schließlich zum außerordentlichen Professor berufen. 1930 erwarb er mit dem zweiten Band seines Werkes „Das Verstehen“ mit dem Titel „Die theologische Hermeneutik von Schleiermacher bis Hoffmann“ an der Heidelberger Universität den theologischen Doktorgrad. Drei Jahre später erschien der letzte Band „Das Verstehen in der Historik von Ranke bis zum Positivismus“. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 bedeutete für viele Gelehrte jüdischer Herkunft das Ende ihrer Lehrtätigkeit an deutschen Universitäten. Als ehemaliger Soldat im Weltkrieg vor der ersten „Säuberungswelle“ an den deutschen Hochschulen zunächst noch geschützt, wurde Joachim Wach am 10. April 1935 dennoch die Lehrbefugnis entzogen. Zwar setzten sich in der Sitzung der Leipziger Philosophischen Fakultät am 8. Mai 1935 namentlich der niederländische Mathematiker Baertel van der Waerden sowie die Physiker Friedrich Hund und Werner Heisenberg für Wach ein, doch der Fürsprache der Leipziger Kollegen war kein Erfolg beschieden. Im Wintersemester 1935/36 nahm Joachim Wach eine Gastprofessur für Religionsgeschichte an der Brown University in Providence, Rhode Island, USA, an. Sein religionswissenschaftliches Interesse verlagerte sich dort zunehmend von einer bisher eher wissenschaftstheoretischen Orientierung hin zu einem religionspsychologischen und religionssoziologischen Ansatz. 1946 übernahm er eine Professur für Religionsgeschichte an der Federated Theological Faculty der University of Chicago. Zudem engagierte er sich ehrenamtlich in der World’s Student Christian Federation und hielt mehrere Gastvorlesungen, so u. a. in Indien. 1955 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Universität Marburg, lehnte aber nach reiflicher Überlegung ab. Zu sehr war er seiner neuen Heimat, den Vereinigten Staaten von Amerika, verbunden. Während eines Besuches bei seiner Mutter und Schwester in der Schweiz erlitt Joachim Wach überraschend einen Herzinfarkt und starb am 27. 8. 1955 in Locarno. Seine von ihm begründete, phänomenologisch orientierte Chicago-School hat in der religionswissenschaftlichen Diskussion in den Vereinigten Staaten noch heute spürbaren Einfluss. Ein Foto von Joachim Wach lag der Redaktion leider nicht vor. journal Jubiläum 2009 Bahnbrechendes geleistet 90 Jahre Ostasiatisches Seminar Von Prof. Dr. Ralf Moritz und Prof. Dr. Steffi Richter, Ostasiatisches Institut Vor 90 Jahren – am 28. Mai 1914 – erfolgte auf Beschluss des sächsischen Kultusministeriums die Gründung des Ostasiatischen Seminars an der Universität Leipzig. Es war die erste derartige Einrichtung an einer deutschen Universität. Direktor des Seminars wurde August Conrady (1864–1925), der bereits seit 1897 als außerordentlicher Professor an der Leipziger Universität wirkte und ursprünglich von der Indologie kam. Die Gründung des Ostasiatischen Seminars stellte eine logische Konsequenz der vorangegangenen Entwicklung dar. Immerhin war an der hiesigen Universität im Jahre 1878 die erste ostasienwissenschaftliche Professur im deutschen Sprachraum eingerichtet worden, die der Sprachwissenschaftler Georg Conon von der Gabelentz (1841–1893) innehatte (s. a. Journal 4/03, S. 36). In seiner Nachfolge hatte sich etwa ab 1911 unter Führung von Conrady eine „Leipziger Schule“ der Sinologie herausgebildet. Es gehört zu den glücklichen Umständen akademischer Entwicklung, dass dieser Prozess wissenschaftsgeschichtlich mit dem Wirken des Historikers Karl Lamprecht (1856–1915) in Leipzig zusammentraf. Das Innovative bei Lamprecht war die Idee, Weltgeschichte als Einheit zu betrachten. Von dieser universalgeschichtlichen Perspektive her wurde sein Blick vor allem durch den Sieg Japans im Russisch-Japanischen Krieg 1905 in besonderer Weise auf Ostasien gelenkt und bereits 1906 eine Ostasiatische Abteilung an dem von ihm geleiteten Institut für Kultur- und Universalgeschichte eingerichtet. Diese war vor allem auf japanische Geschichte fokussiert, vertreten von André Wedemeyer (1875 bis 1958), einem Lamprecht-Schüler. Die erfolgreichen Bemühungen Lamprechts, Literatur zu Ostasien zu erwerben, wurden gekrönt durch eine umfangreiche Bücherspende des Pekinger Kaiserhofes. Sie legten einen wichtigen Grundstein für die Bibliothek des späteren Ostasiatischen Seminars, die Wedemeyer 1914 als die „am beHeft 4/2004 sten ausgestattete Bibliothek auf dem europäischen Kontinent“ bezeichnete. Die Gründung des Ostasiatischen Seminars in Leipzig steht in Zusammenhang mit tiefgreifenden geistigen Umbruchprozessen, die in den Jahren vor dem I. Weltkrieg stattfanden und in intellektuellen Ereignissen wie der Einsteinschen Relativitätstheorie, der Psychoanalyse Freuds, der Hermeneutik Diltheys oder auch in der atonalen Musik Schönbergs ihren Ausdruck fanden. Es war damit eine Erweiterung bisheriger Wahrnehmungshorizonte verbunden, was sich nicht zuletzt auch im neuen wissenschaftlichen Ansatz von Lamprecht widerspiegelte. Die „Leipziger Schule“ der Sinologie war durch den Grundsatz bestimmt, China aus sich heraus zu verstehen – verbunden mit dem Prinzip der Achtung vor den Errungenschaften der chinesischen Zivilisation, die nicht als „balsamierte Mumie“ begriffen wurde, sondern als Phänomen mit eigenständiger Entwicklung, das damit auch der christlichen Missionierung nicht bedürfe. Damit stand die „Leipziger Schule“ im Widerspruch zum politischen Zeitgeist, wie er sich vor allem mit der Bewertung des chinesischen „Boxer-Aufstandes“ 1900 verfestigt hatte. Anders verlief die Entwicklung in dem im Februar 1933 gegründeten Japan-Institut. Sein Leiter, der zum Professor für Sprache und Kultur des modernen Japan berufene Johannes Ueberschaar (1885–1965) verflachte die völkerkundlich und sozialpsychologisch fundierte Geschichtstheorie Lamprechts von den Kulturzeitaltern beträchtlich und instrumentalisierte sie letztlich, um die Qualität völkischer Anlagen nachzuweisen, wie sie politischen Großtaten einer Nation zum Ausdruck kämen. In der Sinologie hingegen vollzog sich eine deutliche Akademisierung. Interessen der Praxis wurde hier nicht gedient, und umgekehrt war in der politisch-kommerziellen Praxis eher China-Kenntnis der Nicht-Sinologen gefragt. So wurde indirekt jenseits der Wissenschaft ein Hang zu ungelehrter Vorwitzigkeit gefördert. Zu den modernen Konsequenzen aus der Geschichte des Ostasiatischen Seminars gehörte deshalb die Schlussfolgerung, dass bei aller notwendigen Grundlagenforschung stets auch ein praktischer Sinn zu bewahren ist. Bahnbrechendes wurde in Leipzig geleistet. Für die Anfangsphase der Ostasienwissenschaften stehen dafür das epochale Gabelentzsche Werk „Chinesische Grammatik“ (1881), die gewaltige Arbeit Conradys zur indochinesischen Causativ-Denominativbildung (1896), seine Publikation zur Geschichte Chinas (1910) sowie der „Lehrgang zur chinesischen Schriftsprache“ (1929–33) von Erich Haenisch (1880–1966), der die ostasienwissenschaftliche Professur 1925–1932 innehatte. Dabei wirkte die „Leipziger Schule“ nicht nur über ihre Forschung nach außen sondern auch dadurch, dass Studenten und Doktoranden im Zuge der Emigration vor der NS-Herrschaft ihre Arbeit im Ausland fortsetzten. Auch nach 1945 kamen aus Leipzig – wieder im Zuge der Flucht vor politischen Verhältnissen – wichtige personelle Impulse für die Entwicklung der westdeutschen Sinologie. Die japanologische Lehre und Forschung hingegen konnte sich trotz aller Bemühungen von Wedemeyer (1932 zum Professor am Seminar berufen und 1945 vom Rektor gebeten, das Japan-Institut weiterzuführen) nicht wieder etablieren und hörte bald nach seinem Tod faktisch auf zu existieren. In den 90 Jahren seit der Gründung des Ostasiatischen Seminars stand in der Anfangsphase die Sinologie im Vordergrund, während in der NS-Zeit die Japanologie dominierte. 1952 wurde aus dem Ostasiatischen Seminar unter Führung des von den Nazis gemaßregelten Sinologen Eduard Erkes (1891–1958) das Ostasiatische Institut, das man im Zuge der 3. Hochschulreform Ende der 60er Jahre auflöste. Seine Neugründung erfolgte 1993 und seit 1996 sind Sinologie und Japanologie gleichwertige Säulen ostasienwissenschaftlicher Lehre und Forschung in Leipzig. Die verschiedenen Projekte, an denen derzeit gearbeitet wird, und auch die 445 Studierenden zeugen davon, dass es sich längst um keine kleinen oder gar „Orchideenfächer“ mehr handelt. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Leipziger Ostasiatischen Seminars findet sich bei Christina Leibfried, Sinologie an der Universität Leipzig, Leipzig 2003. 39 Jubiläum 2009 Ein „Pillendreher“ auf dem Südfriedhof Das Grab Carl Felsches und sein besonderer Stein befinden sich in Uni-Obhut Von Prof. em. Dr. Elke Blumenthal, Ägyptologisches Institut/Ägyptisches Museum Auf dem Leipziger Südfriedhof, VI. Abteilung, Wahlstelle 60, steht ein wohlproportionierter querrechteckiger Grabstein von 2 m Breite und 0,90 m Höhe aus hellgrauem Muschelkalk. In der tief ausgearbeiteten Mulde inmitten seines Giebeldreiecks ist ein Skarabäus-Käfer in Aufsicht modelliert, im Mittelfeld symbolisieren die Reliefs einer aufrechten und einer gesenkten Fackel entzündetes und erloschenes Leben. Die vierzeilige Inschrift zwischen den Fackeln nennt den Grabinhaber Carl Felsche, sein Geburtsdatum 9. Oktober 1839, sein Sterbedatum 11. April 1914 und als Stifter des Steins „Die Universität Leipzig in dankbarem Gedenken“. Als Ägyptologe ist man elektrisiert. Denn der Skarabäus (Scarabaeus sacer) galt den alten Ägyptern als das Symbol für die Auferstehung aus dem Tode schlechthin und ist auf Grabwänden und Särgen abgebildet und in zahllosen plastischen Nachbildungen von Lebenden und Toten als heilbringendes Schmuckstück an Ringen und Ketten getragen und in Mumienbinden eingewickelt worden (Abb. 3). Grund dafür ist die Lebensweise der ägyptischen Spielart des Mistkäfers. Der männliche Käfer nämlich rollt aus Dung eine Kugel, die er als Nahrungsvorrat in einem selbst gegrabenen Erdloch deponiert. Dorthin zieht er sich auch mit einem Weibchen zurück, das nach der Befruchtung seinerseits eine Dungbirne formt, sie in eine weitere unterirdische Höhle schleppt und in ihr ein Ei ablegt. Die Larve, die ihm entschlüpft, frisst sich an der Birne satt, verpuppt sich und arbeitet sich, nachdem sie die feste Umhüllung durchbrochen hat, als fertiger Käfer aus der Erde empor. Der Ägypter, der nur die oberirdischen Vorgänge kannte, sah in dem „Pillendreher“ mit der übermächtigen Kugel ein Abbild des allmor- NOMEN Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur Herkunft des Namens „Felsche“ Unter 40 Mio. Telefonteilnehmern (Stand: 1998) ist der Name Felsche 36-mal bezeugt. Im ostfälischen Gebiet, v. a. bei Magdeburg, ist er am häufigsten belegt. Während M. Gottschald, Deutsche Namenkunde, Berlin–New York 1982, S. 182 schwankt, ob man eine Verbindung zu Fal- (dem Element in Westfalen, Ostfalen), zu slav. Vel, Velij „groß“ oder zu dt. Volk, herstellen soll, weist das Material bei R. Zoder, Familiennamen in Ostfalen, Bd. 1, Hildesheim 1968, S. 508f. den wohl richtigen Weg. Unter dem Ansatz Fölsch/Völsch wird eine Kurzform Fols, Vols angesetzt (wobei zu beachten ist, dass -sch für -s erst spät eindringt) und diese zu den Personennamen mit dem Element 40 Volk- gestellt. Hierher gehören etwa Volker, Volkbrecht, Volkhard, die heute als Vor- und Familiennamen wie Vollbrecht, Fulbright, Volker, Folkert, Volkmann, Vollrad, Volkwart u. a. m. fortleben. Zugrunde liegt mittelhdt. volc, althochdt. folc, altsächs. folk, aus germ. fulka- „Volk, Kriegsvolk“, auch in altengl. folc, anord., altfries. folk. R. Zoder bietet u. a. folgende Belege: 1372 Volseke Vischere, 1501 Hans Folssen, 1616 Hans Fölsche, 1727 Fölsche, auch geschrieben Felsche, Föhlsche, Fölsche, woraus klar wird, dass Felsche eine sogenannte entrundete Form mit -e- für ö- ist und letztlich auch zu dt. Volk gestellt werden kann. gendlichen Aufgangs der Leben spendenden Sonne aus Nacht und Unterwelt und im Verschwinden des Käfers in der Erde und seinem Wiederauftauchen ein Vorbild für sein eigenes Begrabenwerden und erhofftes Wiederauferstehen in einer jenseitigen Welt. Merkwürdigerweise hat sich die europäische Ägyptenrezeption des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich zumal auf Friedhöfen der altägyptischen Formen- und Symbolwelt gern bedient hat (auch in Leipzig gibt es Grabmäler mit Pyramiden, Tempelfassaden und Obelisken), das naheliegende Skarabäus-Motiv entgehen lassen. Carl Felsches Grabstein ist ein Unicum. Wer aber war Carl Felsche, und wie kam er zu seinem ungewöhnlichen Grabschmuck? In den Personalakten der Universität ist er nicht nachzuweisen; auch liegt das Grab nicht in den Rabatten mit den Gräbern der Professoren, sondern nahe den monumentalen Grabbauten von Leipziger Patriziern um die Wende des 19./20. Jahrhunderts nahe dem neoromanischen Kapellenkomplex. Mit Felsches Beziehung zur Universität hat es eine andere Bewandtnis. Zwar war er mit der Familie des berühmten Leipziger Kaffeehausgründers gleichen Namens verwandt, hatte aber als Rentier leben können und, da ohne Nachkommen, der Universität sein gesamtes Vermögen vermacht, bestehend aus der Hälfte einer stattlichen Immobilie (Grundstück Dresdener Straße 27 / Grenzstraße 2; die andere Hälfte kaufte die Universität später Felsches Schwester ab), Wertpapieren und einer Sammlung von Blatthornkäfern (Scarabaeidae). Im Gegenzug hatte er die Universität verpflichtet, seine Grabstätte zu gestalten und zu pflegen. Infolge von Unstimmigkeiten bei der Vollstreckung des Testaments und den unsicheren wirtschaftlichen Verhältnissen am Ende des Ersten Weltkriegs ist das Grabjournal Jubiläum 2009 Abb. 1 Der Grabstein Carl Felsches vor der Restaurierung … Foto: Katrin Löffler mal erst 1920 errichtet worden. Damals waren die pompösen Entwürfe, die Felsche hinterlassen hatte, nicht mehr auffindbar, und so entschied sich die Universität für die schlichtere Variante der Leipziger Steinmetzfirma Petzold & Mrusek, die bereits bei der Bauornamentik der Friedhofskapelle mitgewirkt und für ihre Skulpturen am Völkerschlachtdenkmal eine Goldmedaille errungen hatte. Die Grabpflege wurde im Auftrag der Universität besorgt, bis 1949 die ihr unterstellte Carl-FelscheStiftung mit allen anderen privaten Stiftungen in der Sächsischen Sammelstiftung bzw. der 1956 daraus entstandenen Sammelstiftung des Bezirkes Leipzig zusammengefasst wurde, die auch deren Verbindlichkeiten übernahm. Als die Sammelstiftung zum Ende des Jahres 2002 aufgelöst wurde, fiel die Zuständigkeit für die Grabstätte Felsche an die Universität zurück. Im Lauf der Jahrzehnte hatte der Stein, der wegen seiner künstlerischen Qualität bereits 1998 unter Denk- Abb. 2 … und in restauriertem Zustand. malschutz gestellt worden war, durch Setzungen des Erdreichs und Witterungseinflüsse gelitten und bedurfte dringend der Restaurierung (Abb. 1). Dank der großzügigen Finanzierung seitens der Vereinigung von Förderern und Freunden der Universität Leipzig e. V. und der Universitätsleitung konnte im Herbst 2003 der Leipziger Steinbildhauer Markus Gläser dafür gewonnen werden. Auf stabilisiertem Fundament, neu verfugt, mit ergänzten Bruchkanten, gereinigter Oberfläche und farbig ausgelegter Inschrift präsentiert sich das Denkmal nun in würdigem Zustand unter den hervorragenden Grabmonumenten des Historismus in seinem Umfeld (Abb. 2). Der Gedanke, den Grabstein anstelle des ursprünglich vorgesehenen Kreuzes mit einem Skarabäus zu krönen, geht nicht auf Carl Felsche, sondern auf seine Schwester Elise zurück. Nach allem, was über sie zu erfahren war, ist auszuschließen, dass sie ihm einen ägyptischen Sinn unterlegen Foto: Markus Gläser wollte. Vielmehr galt das Motiv allein dem Forschungsgegenstand ihres Bruders, der sich als Skarabäenkenner und -sammler international einen Namen gemacht hatte; seine Käfersammlung umfasste 48 321 Exemplare der Familie Scarabaeidae und mit 11 337 Arten etwa 80 bis 90 Prozent der damals bekannten Blatthornkäfer. Nach seinem Tod hatte das Leipziger Zoologische Institut den Bestand nicht übernommen, weil er zu speziell für die universitäre Forschung und Lehre war, und so ist er 1918 an das Königliche Zoologische und Anthropologisch-Ethnographische Museum in Dresden verkauft worden, in dessen Nachfolgeeinrichtung, dem Staatlichen Museum für Tierkunde, er nach den hier wiedergegebenen Auskünften des entomologischen Kustos Olaf Jäger bis heute einen prominenten Rang einnimmt. Die Universität Leipzig aber hat, ohne es zu beabsichtigen, zugleich mit ihrem Gönner auch einem bedeutenden Privatgelehrten akademische Ehren erwiesen. Ein Foto von Carl Felsche lag der Redaktion leider nicht vor. Liebe Leser, Abb. 3 Kieselkeramik-Skarabäus: (v. l.) Rücken, rechte Seite und Unterseite mit gravierter Bildszene, die Pharao Ramses II. zeigt, während er den Sonnengott anbetet („ägyptische Fayence“, Länge 2,1 cm, Breite 1,6 cm, Höhe 0,9 cm). Der Fundort ist unbekannt. Datierung: Neues Reich (13./12. Jh. v. Chr.). Fotos: Ägyptisches Museum Heft 4/2004 die nächste Ausgabe des Uni-Journals erscheint zu Beginn des Wintersemesters im Oktober. Die Redaktion wünscht Ihnen eine vorlesungsfreie Zeit voller sonniger Urlaubs- und produktiver Arbeitstage. 41 Titel5-04 05.10.2004 11:29 Uhr Seite 1 C Oktober 2004 M Y CM MY Heft 5/2004 CY CMY K ISSN 0947-1049 Uni-Lehrlinge über ihre Ausbildung: „Wissen ist Gold wert“ Karl-Eduard von Schnitzlers Reportagen: Schöne Heimat DDR Problemorientiertes Lernen: Fieber im Tutorium „Denkmal“: Ein Bett nach Maß für einen silbernen Jüngling Interview mit Eduard Beaucamp über Tübkes Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“ Studenten mit Erfindergeist: Der Liegestuhl fürs Buch journal Die Universität bildet Forschungscluster Mit klarem Konzept Kompetenzen zusammenführen Probedruck EDITORIAL Wettbewerb und Selbstfindung Inhalt UniVersum Die Uni-Lehrlinge schätzen ihre Ausbildung Universität, Klinikum und Freistaat schließen Vertrag Gremien Sitzungen des Senats am 13. 7. und 14. 9. 2 4 5/6 Forschung Karl-Eduard von Schnitzlers Reportagen Interview zum Start des Netzwerks SANDiE Mini-„Flüstergalerien“ für Licht Qualität der Spermien geht zurück Schienen gegen das Zähneknirschen 6 8 9 10 10 Fakultäten und Institute Germanistik: Der neue Dornseiff Durch moderne Technik geschützte Kunst Lyrische Stimmen aus Sachsen Russisch lernen per Computer 11 12 13 14 UniCentral Der „Wettbewerb Exzellenzinitiative“ – Chronologie einer Vorbereitung Cluster 1 – Vorstellung und Beispiel Cluster 2 – Vorstellung und Beispiel Cluster 3 – Vorstellung und Beispiel Cluster 4 – Vorstellung und Beispiel Cluster 5 – Vorstellung und Beispiel 15 16/17 18/19 20/21 22/23 24/25 Studiosi Deutsch fürs Studium und fürs Leben Offener Brief an die Studienanfänger Studenten erfinden Buchstütze Problemorientiertes Lernen in der Medizin Gut vorbereitet ins Ausland – mit KISS Neues Stipendiaten-Netzwerk 26 28 29 30 31 32 Personalia Nachrichten Zum 200. Todestag von Christian F. Weiße Neu berufen Nachrufe Kurz gefasst / Geburtstage 32/33 34 36 38 40/41 Jubiläum 2009 Gesichter der Uni: Michael Wirth Interview mit Eduard Beaucamp über Tübkes „Arbeiterklasse und Intelligenz“ Über das Epitaph für Heinrich Heideck Am Rande Nomen Impressum Titelbild: Randy Kühn 41 42 44 29 38 4 Anfang 2004 gab Bundesministerin Edelgard Bulmahn ihre Pläne zur Förderung von Elitenuniversitäten in Deutschland bekannt. Im Rahmen der Innovationsinitiative der Bundesregierung sollten fünf deutsche Universitäten zur internationalen Spitze gefördert werden. Nach anfänglichen, z. T. erheblichen Konfusionen und nach Intervention der Länder zeichnete sich ab, dass für zehn Spitzen-Universitäten sowie für den Ausbau internationaler Spitzenforschung an den Universitäten und Hochschulen (Exzellenzcluster und „Graduiertenschulen“) insgesamt 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollten. Im Bewusstsein des besonderen Leipziger Standortvorteils mit 18 außeruniversitären Forschungseinrichtungen, darunter drei Max-Planck-Instituten, fünf Hochschulen und dem Umweltforschungszentrum wurde im Februar 2004 von der Universität Leipzig zu einem ersten „Leipziger Forschungsgipfel“ eingeladen. Kompetenzbereiche wurden identifiziert, Arbeitsgruppen, geleitet von Mitgliedern der Forschungskommission, gebildet und eine konzeptionelle Arbeit begonnen, die inzwischen nicht nur das Ausmaß einer grundlegenden Forschungsinventur angenommen hat, sondern zugleich zum Erkennen neuer gemeinsamer, interdisziplinärer Forschungsansätze und zur Entwicklung neuer Forschungsvorhaben geführt hat. Eine Selbstfindung, die für sich alleine bereits einen hohen Wert darstellt. Als derzeitiges Zwischenergebnis liegt eine Analyse zu folgenden, besonders erfolgversprechenden Kompetenzbereichen (Clustern) vor: Von Mikro- zu Nanostrukturen: Anwendungen in Chemie und Physik; Mathematik und die exakten Naturwissenschaften; Molekulare und zelluläre Kommunikation, Wachstum und Differenzierung: Biomedizin, Biotechnologie und Bioinformatik; Vom Molekül zum Verhalten; Neue Räume sozialer und kultureller Prozesse. Diese werden im vorliegenden Heft vorgestellt. Es muss dabei betont werden, dass dies sicher nicht die vollständige wissenschaftliche Exzellenz an unserer Universität widerspiegelt, die in ihrer Vielfalt nicht in fünf Clustern abgebildet werden kann. Chancen, im BMBF-Wettbewerb bestehen zu können, sehen wir vor allem bei der Bildung von Exzellenzzentren. Auch durch unsere Erfahrungen mit Graduiertenkollegs und internationalen Promotionsstudiengängen sind wir gut aufgestellt. Sehr erfreulich ist das Engagement der Stadt Leipzig, die unsere Bestrebungen zur Profilierung und internationalen Ausstrahlung des Universitäts- und Wissenschaftsstandortes Leipzig unterstützt und auch finanziell fördert, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei allen Kolleginnen und Kollegen, vor allem in der Forschungskommission und in den Cluster-Arbeitsgruppen, die mit hohem persönlichen Einsatz diesen Prozess in die Wege geleitet haben und ihn weiter vorantreiben. Prof. Dr. Martin Schlegel, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs 1 UniVersum „Wissen ist Gold wert“ Die Lehrlinge der Universität schätzen ihre Ausbildung Text und Fotos von Karsten Steinmetz Sie sind jung, sie sind fast überall und sie werden von Jahr zu Jahr mehr: die Lehrlinge der Universität Leipzig. Sie arbeiten verdeckt, hinter den Kulissen der Wissenschaft, als Feinwerkmechaniker, Bibliothekare, Gärtner etc. und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum universitären Betrieb. Gemeinhin scheint die Universität ja als eine reine Forschungs- und Lehrstätte. Dass hier aber auch Fachausbildungen angeboten werden, ist eine organisatorische Notwendigkeit. Man bedenke zum Beispiel die immense Verwaltungslast, die Ordnung der Bücher oder die Bereitstellung von Computer- und Internetzugängen. Damit solche Leistungen erbracht werden können, wird der dafür nötige Erfahrungsschatz intern weitervermittelt. Dieser Die Universität Leipzig bietet Jugendlichen folgende Ausbildungsberufe: Physiklaborant, Biologielaborant, Chemielaborant, Facharbeiter für Medien und Informationsdienstleistung, Elektroniker, Feinwerkmechaniker, Gärtner, Fachangestellte für Bürokommunikation, Fachinformatiker, Tierarzthelfer, Tierpfleger und Glasapparatebauer. Die jeweilige Lehre beginnt mit einer dreimonatigen Probezeit und kann sich über drei bis dreieinhalb Jahre erstrecken. Die streng am sächsischen Rahmenlehrplan orientierte Ausbildung erfordert Realschul- bzw. Abiturabschluss. 2 Susan Sägenschnitter, Lehrling im Botanischen Garten, beim Gießen. Aspekt, also die Ausbildung von fachspezifischen Lehrlingen, liege der Universität Leipzig ganz besonders am Herzen, sagt Dr. Fritz König, Dezernent für Personalangelegenheiten. „Im letzten Jahrzehnt wurde trotz der administrativen, didaktischen und finanziellen Mehrbelastung die Anzahl der Auszubildenden um 38 Prozent erhöht.“ Der Dezernent betont: „Mit dem im August begonnenen neuen Ausbildungsjahr sind an zwölf Fakultäten immerhin 69 Auszubildende tätig.“ Mario Schreiber, Feinwerkmechaniker in einer Physik- und Medizinwerkstatt, hat seine Lehre an der Universität Leipzig vor Kurzem vollendet. Er lobt die Qualität seiner Ausbildung. „Wir haben Sachen gelernt, die man in den privatwirtschaftlichen Betrieben gar nicht mehr lernen kann, weil dafür keine Zeit ist. Dieses Wissen wird zwar nicht mehr so oft gebraucht, aber bei Spezialapparaturen ist es Gold wert.“ Die Feinwerkmechanikauszubildenden erlernen die Fertigkeiten des Drehens, Fräsens, Feilens, der spannenden Verfahren, aber auch das Treiben oder Spalten von Metallen und von Kunststoffen. Für den Inhalt der Ausbildung ist Frank Eichelbaum, Meister in der Feinmechanikwerkstatt der Physik, zuständig. „Er hat“, so sagt Mario Schreiber, „eine genaue Liste, was man im Lehrjahr machen muss und da lernt man dann wirklich alles.“ Zum Beispiel auch, wie man Röntgenlineale produziert. Dabei handelt es sich um einen Plexiglasstab mit Edelstahldraht darin, der dann in der Orthopädie ange- wandt wird. „Leute mit künstlichen Hüftgelenken werden damit geröntgt und dadurch kann man erkennen, ob die Hüfte schief ist und dann feststellen ob ausgeglichen werden sollte.“ Natürlich sei es bei solchen Maßarbeiten schön, sagt der Lehrling, „dass die Leute einen hinterher noch einmal auf dem Gang sehen, ankommen und sagen: Das war toll, was sie da gemacht haben.“ Es ist die Einzelfertigung, „wo man im Gegensatz zur Serienfertigung immer neu überlegen muss, wie fertigt man das an“ und natürlich „die große Bandbreite der Ausbildung“, die eine Lehre an der Universität Leipzig für Mario Schreiber erstrebenswert gemacht haben. Für die Zeit nach seiner Ausbildung hat der junge Mann bereits große Pläne: „Ich möchte nach meiner Lehre entweder erst zwei, drei Jahre als Geselle schaffen und dann meinen Meister machen oder bei Porsche arbeiten, da suchen sie auch Feinmechaniker.“ Für Kornelia Tripke, eine Auszubildende im Medien- und Informationsdienst an der Bibliotheca Albertina, war ebenfalls die Vielfältigkeit der anfallenden Aufgaben ein positiver Aspekt ihrer Ausbildung. Sie beschreibt einen typischen Arbeitstag so: „Früh morgens wird bibliographiert, das ist fest. Das muss man machen. Danach geht es in die vielen unterschiedlichen Abteilungen: die Auskunft, die Verwaltung, die Benutzung, die Ausleihe, die Fernleihe, das Sekretariat oder den Bereich, in dem man sich um Schenkungen, Austausche und Ankäufe kümmert.“ Die abwechselnden journal UniVersum Stationen müssen dabei nicht nur in der Hauptbibliothek in der Beethovenstraße besetzt werden, sondern die zukünftigen Fachangestellten unterstützen auch die Zweigstellen. Auf die Frage, was sie für ihre Zukunft plant, antwortet Kornelia Tripke: „Ich werde erst einmal ein halbes Jahr übernommen in der Verwaltung. Mal schauen, was ich da mache, und wenn es mir liegt, will ich hoffen, dass ich übernommen werde.“ Das dies eine vage Hoffnung ist, weiß die Personalsachbearbeiterin Gudrun Hesse, die unter anderem die Universitäts-Auszubildenden betreut. „Nach der Ausbildung können meist nur einige wenige der Absolventen in eine feste Anstellung übernommen werden.“ Was aber die Lust auf eine universitäre Lehre nicht mindere, denn „den Lehrlingen gefällt es allen. Weil ja an der Universität die Ausbildung für die Azubis sehr umfangreich und vielseitig ist“. Dies gilt auch für den Botanischen Garten der Universität. „Hier hat man den Vorteil, das man bei der Arbeit wirklich jede Art von Abwechslung hat“, sagt die Gärtnerin Susan Sägenschnitter. Sie wurde bis August im Topfen, Pikieren, Ausputzen, Gießen, Laub kehren, Düngen und im Pflanzenschutz unterrichtet. Ob das jeder kann? Susan meint: „Kommt immer darauf an, wie lernfähig derjenige ist.“ Denn man „hat mit verschiedenen Pflanzen und verschiedenen Leuten zu tun und neben den praktischen Aufgaben muss auch eine Pflanzenliste gelernt werden.“ In ihr, so Sabine Hörig, Lehrling in der Universitätsbibliothek, beim Sortieren von Büchern. Elvira Bierbach, Meisterin und zuständig für die Ausbildung der Lehrlinge im Botanischen Garten, „sind 320 Pflanzen registriert, die der Lehrling kennen muss. Beetund Balkonpflanzen, Gehölze und Unkräuter. Gattung und Artname und den deutschen Namen muss man kennen.“ Die Ausbilderin muss für die Lehre viel Zeit investieren: „Es kann schon mal vorkommen, dass ich mich manchmal auch noch abends hinsetzte und zu Hause die Aufgaben vorbereiten muss. Das mache ich aber gerne. Wenn die Lehrlinge mitmachen, dann macht es Spaß und dann macht man es mit Freude.“ Es ist insbesondere dieses Klima des persönlichen Engagements der Ausbilder, der gesellschaftlichen Verantwortung der Universität und der Motivation der Lehrlinge, die das Auszubildendensystem der Universität Leipzig auszeichnen. Man kann also, so Dr. König, „mit Recht von einem Erfolgsmodell sprechen, das hohe Ausbildungsstandards erzeugt und außerdem zusätzlich garantiert, dass Forschung und Lehre funktionieren.“ Oben: Arbeitsproben zu Facharbeiterprüfungen in der Werkstatt der Feinwerkmechaniker. Rechts: Feinwerkmechanik-Ausbilder Frank Eichelbaum. Heft 5/2004 3 UniVersum Klinikbauten werden nach neuem Modell finanziert Universität und Klinikum schließen Vertrag mit dem Freistaat Vertreter des Freistaats Sachsen, der Universität und des Universitätsklinikums Leipzig unterzeichneten am 13. September einen Vertrag für die Leipziger Hochschulmedizin. Ihr sollen damit umfangreiche Investitionen in kürzeren Zeiträumen ermöglicht werden. Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen und Freunde der Universität Leipzig Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig, Ritterstr. 26, 04109 Leipzig Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig Tel.: 03 41 97-3 50 24, Fax: 03 41 97 - 3 50 29 E-Mail: [email protected] V.i.S.d.P.: Volker Schulte Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Gesamtherstellung: Druckerei zu Altenburg GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Ansprechpartnerin: Ingeborg Keller Tel.: 0 34 47 55 51 53 E-Mail: [email protected] Das Journal kann gegen Übernahme der Versandkosten bezogen werden bei: Leipziger Universitätsverlag GmbH Oststraße 41, 04317 Leipzig Tel./Fax: 03 41 9 90 04 40 E-Mail: [email protected] Die Redaktion behält sich vor, eingesandte Artikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unverlangt eingesandten Manuskripten besteht keine Gewähr für einen Abdruck. Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an die Redaktion wird erbeten. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 24. 9. 2004 ISSN 0947-1049 4 Der dreiseitige Vertrag sichert der Leipziger Hochschulmedizin bis zum Jahre 2014 Mittel in Höhe von 214 Millionen Euro vorrangig für den Bau von zwei neuen Klinikkomplexen. Es handelt sich um die Zentren für Konservative Medizin und für Kinder- und Frauenmedizin. Baubeginn ist noch in diesem Jahr, bis 2008 sollen sie fertiggestellt sein. Dann soll das Universitätsklinikum Leipzig am Standort Liebigstraße zusammen mit dem im Vorjahr eröffneten Operativen Zentrum über einen der modernsten Krankenhauskomplexe in Europa verfügen. Unterzeichnet wurde der zwischen Staatsregierung, Klinikum und Universität für ihre Medizinische Fakultät geschlossene Vertrag durch Finanzminister Dr. Horst Metz, Wissenschaftsminister Dr. Matthias Rößler, den Rektor der Universität Leipzig, Prof. Dr. Franz Häuser, und die beiden Vorstandsmitglieder des Universitätsklinikums, Prof. Dr. Norbert Krüger und Dr. Elmar Keller. „Der Vertrag sichert den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Leipziger Hochschulmedizin auf nachhaltige Weise“, unterstrich Rektor Häuser, Minister Metz sprach von einer „Schlüsselinvestition, die unser Land weiter voranbringen wird“, und Minister Rößler erklärte, der Vertrag gewähre ein hohes Maß an Planungssicherheit und sei „von strategischer Bedeutung für den Aufbau einer bezahlbaren Hochleistungsmedizin“. Beide Minister wie auch die Vertreter des Klinikums würdigten den Einsatz und die Überzeugungskraft des Rektors in seiner Moderatorenrolle zwischen allen Beteiligten, die ganz wesentlich zum Zustandekommen des Vertrages beigetragen habe. Ein Teil der 214 Millionen Euro stammt aus der Gemeinschaftsaufgabe Hochschul- bau und wird vom Bund getragen. Aber auch der Freistaat bindet damit auf Dauer eine beträchtliche Geldsumme. Möglich wird dies, da im Vertrag der Zuschuss zum laufenden Betrieb des Klinikums in Investitionsmittel umgewidmet wird. Das Klinikum seinerseits verpflichtet sich, die entfallenden Mittel durch Effektivitätsgewinne auszugleichen, ohne Abstriche bei den Leistungen für Forschung und Lehre zu machen. Dabei werden die Neubauten hilfreich sein. Leipzig ist damit das erste Universitätsklinikum in Deutschland, das seine Abläufe so optimieren wird, dass es ohne Betriebskostenzuschuss auskommen kann. Ein entscheidender Vorzug des Vertragswerkes ist, dass damit die Klinikbauten deutlich schneller errichtet werden können, als wenn dies nach der klassischen Hochschulbaufinanzierung geschähe. Das Zentrum für Konservative Medizin wird u. a. das Zentrum für Innere Medizin mit den vier Kliniken sowie die Kliniken und Polikliniken für Neurologie, für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, für Psychiatrie und die Tagesklinik für kognitive Neurologie umfassen. Das Zentrum für Kinder- und Frauenmedizin besteht u. a. aus den Kliniken und Polikliniken für Kinder und Jugendliche, für Kinderchirurgie, für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindesund Jugendalters, für Geburtshilfe und Gynäkologie. Der Vertrag zielt aber auch auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und der Förderung innovativer Vorhaben in Forschung und Lehre. So werden der Medizinischen Fakultät vom Freistaat jährlich 5 Millionen Euro über einen Zeitraum von 5 Jahren zur Verfügung gestellt. V. S. journal Gremien Neue Gesichter in EhrenKommissionen doktorSitzung des Senats am 13. Juli würden geplant 1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten: Berufungskommission für „Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik“ (C4) (Nachfolge Prof. Hasse); Ausschreibung und Berufungskommission (nach Denominationsänderung) für „Didaktik der romanischen Sprachen“ (C3), bisher „Kulturstudien der Romania“; (nach Verfahrenseinstellung) „Didaktik des Englischen als Fremdsprache“ (C3); „Stadtentwicklung (Urban Management)“ (C3); „Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie“ (C4); „Theoretische Chemie“ (C4); Berufungsvorschläge für „Stahlbau/Holzbau“ (C3, befristet); „Kinderkardiologie“ (C4); „Entwicklungspsychologie“ (C4), „Theoretische Physik – Physik kondensierter Materie“ (C3); „Technische Chemie der Polymere“ (C4, gemeinsame Berufung mit dem Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung). Der Senat stimmte Anträgen der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie und der Medizinischen Fakultät zu, PD Dr. Nikolaos Psarros sowie PD Dr. med. habil. Lars-Christian Horn und Frau PD Dr. med. habil. Almut Makuch das Recht zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen. Weiterhin stimmte der Senat dem Antrag der Juristenfakultät zu, Prof. Dr. iur. Uwe Berlit, Richter am Bundesverwaltungsgericht, zum Honorarprofessor für das Gebiet „Verfassungs- und Finanzrecht“ zu bestellen. 2. Der Senat bestätigte die Personalvorschläge des Rektoratskollegiums für die Kommission zur Verleihung der Leipziger Universitätsmedaille. Danach werden ihr neben Rektor und Kanzler Prof. Fach, Prof. Eger, Prof. Gäbel, Frau Dr. Emsel und Student B. Schulz angehören. 3. Der Senat beschloss Studiendokumente (Eignungsfeststellungs-, Prüfungs- und Studienordnung) für den Masterstudiengang „Global Studies“ an der Universität Leipzig. Heft 5/2004 4. Der Senat nahm Veränderungen in der Zusammensetzung der Forschungskommission und der Graduiertenkommission zur Kenntnis. In der Forschungskommission wird Prof. Meggle Nachfolger von Prof. Fenner, Prof. Miersemann Nachfolger von Prof. Beyer und Prof. Hörner Nachfolger von Prof. Hoppe-Graff. Der Graduiertenkommission gehören neu an: Frau Prof. Hey-Hawkins (für Prof. Wilde), Frau Czychon (für Frau PD Dr. Quaas) und Studentin S. Buschatz (für Frau S. Franz). 5. Der Senat stimmte dem Antrag auf Weiterförderung des Sonderforschungsbereiches 610 „Proteinzustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz“ für den Zeitraum 2005 bis 2008 und dessen Weiterleitung an die DFG zu. Der Antrag umfasst 19 Teilprojekte, davon 9 an der Universität Leipzig, 6 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und 3 an der Max-Planck-Forschungsstelle „Enzymologie der Proteinfaltung“. 6. Der Senat nahm eine Information des Rektors über die Ausschreibung der zum 1. Mai 2005 neu zu besetzenden Stelle des Kanzlers der Universität Leipzig zur Kenntnis. Herr Gutjahr-Löser scheidet altersbedingt zum 30. 04. 2005 aus dem Amt. 7. Der Senat nahm die durch einen Katalog unterstützte Information des Rektors über die Merchandising-Produkte der Universität Leipzig zur Kenntnis. Auf der kleinen Ausstellung der Artikel im Vorraum war allenthalben der Ruf nach mehr Mut zur Farbe zu hören. Näheres unter www.unishop-leipzig.de Prof. Dr. F. Häuser Rektor V. Schulte Pressesprecher Sitzung des Senats am 14. September 1. Der Rektor hieß eingangs Frau Sabine Klinger (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät), Nachfolgerin des ausgeschiedenen Mittelbau-Vertreters PD Dr. Wolfgang Tröger, im Kreis des Senats willkommen. In einem späteren Tagesordnungspunkt bestellte der Senat in der Nachfolge von PD Dr. Tröger Herrn Volker Rust als Mitglied der Senatskommission Lehre/Studium/ Prüfungen. 2. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten. Im einzelnen betraf das: Ausschreibung und Berufungskommission für „Linguistik des Deutschen als Fremdsprache mit Schwerpunkt Lexikologie“ (C3/Nachfolge von Frau Prof. Wotjak) – vorangegangen war eine Denominationsänderung, „Kultursoziologie“ (C4/Nachfolge von Prof. Gerhards), „Kinderzahnheilkunde und Primärprophylaxe“ (C3). Der Senat stimmte sodann Anträgen der Fakultät für Mathematik und Informatik und der Medizinischen Fakultät zu, PD Dr. rer. nat. habil. Uwe Quasthoff, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik, und PD Dr. med. Jens Oeken, Chefarzt der HNO-Klinik am Klinikum Chemnitz, das Recht zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen. Des weiteren befasste sich der Senat mit Berufungsvorschlägen für „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ (C4) und „Französische/frankophone und italienische Literaturwissenschaft“ (C4) sowie Besetzungsvorschlägen für die Stellen eines wissenschaftlichen Angestellten (Juniorprofessur) für „Medizinische Soziologie“ und für „Psychosoziale Versorgungsforschung“. 5 Gremien | Forschung Der Senat stimmte der Einstellung des Berufungsverfahrens „Veterinärpathologie“ (C4) zu, wodurch der Veterinärmedizinischen Fakultät die Möglichkeit der Neuausschreibung eröffnet wird. 3. Der Senat gab positive Stellungnahmen zu Beschlüssen verschiedener Fakultätsräte zur Verleihung der Ehrendoktorwürde ab. Auf diese Weise ehren wird die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Dr. iur. Dr. h. c. Klaus Murmann für seine gesellschaftspolitischen Aktivitäten, wie sie insbesondere in dem nach ihm benannten Studienförderwerk der Stiftung der Deutschen Wirtschaft zum Ausdruck kommt; die Veterinärmedizinische Fakultät Prof. em. Dr. med. vet. Dr. med. vet. h. c. Hartwig Bostedt, Gießen, Prof. Dr. med. vet. Wilfried Kraft, München, und Prof. Dr. med. vet. Horst Meyer, Jena, für ihre wissenschaftlichen Leistungen und ihre Verdienste um die Leipziger Fakultät; die Erziehungswissenschaftliche Fakultät Peter Gutjahr-Löser, Leipzig, für seine Verdienste um die Pflege und Erforschung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, wie sie insbesondere durch Theodor Litt verkörpert wurde; die Medizinische Fakultät Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Volker Bigl, Leipzig, für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Hirnforschung und für seine Verdienste um die Neugestaltung der Medizinischen Fakultät. 4. Der Senat bestätigte die Ordnung für das MD/PhD-Studium an der Universität Leipzig, das von der Medizinischen Fakultät und der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie getragen wird. Es handelt sich dabei um ein Promotionsstudium mit dem Ziel der Doppel-Promotionen zum Dr. rer. nat. und Dr. med. bzw. Dr. rer. nat und Dr. rer. med. Auf der Urkunde zu dem absolvierten Zusatzstudium erscheint die Angabe Doctor of Philosophy (MD/PhD) für Medizinabsolventen bzw. Doctor of Scientific Medicine (PhD/MD (sci)) für Naturwissenschaftler. 5. Der Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs gab dem Senat zur Kenntnis, dass bei der DFG drei Anträge auf Einrichtung von Graduiertenkollegs eingereicht werden. Einbezogen sind jeweils Wissenschaftler mehrerer Fakultäten der Universität und teilweise auch Leipziger Max-Planck-Institute. Die Graduiertenkollegs tragen die Titel: „Funktion von Aufmerksamkeit bei kognitiven Prozessen“, „Intermolekulare Wechselwirkung beobachtet durch kernmagnetische Resonanz“ und „Gesundheitsrelevante Lebens6 stile: Ernährung und Bewegung“. Die Zustimmung war mit einer allgemeinen Debatte über Finanzierungsfragen, Transparenz der Verfahren und die notwendige allseitige Abstimmung mit den Fakultäten vor der Einrichtung solcher Graduiertenkollegs verbunden. 6. Der Senat stimmte dem Forschungsbericht 2003 der Universität Leipzig zu. Er besteht aus einer Broschüre mit der zusammenfassenden Darstellung der Forschungsaktivitäten. Darin enthalten ist die Aussage, dass in über 200 Einrichtungen annähernd 3100 Forschungsprojekte bearbeitet werden. Alle übrigen Informationen der Institute, Kliniken und Einrichtungen, etwa über Forschungsprojekte und Publikationen, sind über das Internet zugänglich: www.uni-leipzig.de/forschb 7. Der Senat stimmte dem Lehrbericht der Universität Leipzig für das Akademische Jahr 2002/2003 zu. Wie die Prorektorin für Lehre und Studium in Erläuterung der Stellungnahme der Universitätsleitung zum Lehrbericht sagte, hat die diametrale Entwicklung von personellen Ressourcen und Zahl der Studierenden ihren Niederschlag auch darin gefunden, dass der prozentuale Anteil von Studierenden außerhalb der Regelstudienzeit anwuchs und sich die Betreuungsrelation weiter verschlechterte. Gleichwohl seien in der Absolventenstatistik „Schwundquoten“ im Extremfall bis zu 80% und eine „Durchfallquote“ bis zu 40% künftig nicht mehr hinnehmbar. Wenn andere Zulassungsverfahren mit einer stärkeren Auswahl der Studierenden durch die Universität selbst zur Anwendung kommen und dadurch das Überlastproblem erheblich gemildert wird, sollte sich auch eine höhere Absolventenquote ergeben. 8. Der Rektor informierte über den am 13. 9. 2004 zwischen dem Freistaat, der Universität Leipzig für die Medizinische Fakultät und dem Universitätsklinikum abgeschlossenen „Dreiseitenvertrag“ zur Hochschulmedizin. Ihr sollen damit umfangreiche Investitionen in kürzeren Zeiträumen ermöglicht werden. So werden bis zum Jahr 2014 Mittel in Höhe von 214 Millionen Euro vorrangig für den Bau von zwei neuen Klinikkomplexen zur Verfügung stehen. Die Medizinische Fakultät erhält in den Jahren 2005 bis 2009 jährlich 5 Millionen Euro zur Verbesserung ihrer finanziellen Ressourcen und für innovative Vorhaben. Prof. Dr. F. Häuser Rektor V. Schulte Pressesprecher Schöne Heimat DDR Karl-Eduard von Schnitzlers Reportagen über sein Vaterland Von Judith Kretzschmar, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft Karl-Eduard von Schnitzler (1918–2001) wird bis heute als Inbegriff eines maroden DDR-Journalismus gesehen, als polemischer Chef-Kommentator des DDR-Fernsehens und vor allem als Leiter und Moderator der propagandistischen Hetzsendung „Der Schwarze Kanal“, die bis heute synonym für seine Tätigkeit steht. Indessen ist sein politisches und journalistisches Schaffen ungleich umfassender. In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Programmgeschichte des DDR-Fernsehens – komparativ“ wurden deshalb seine wenig bekannten 16 abendfüllenden Heimatreportagen hinsichtlich der Konstruktion des Bildes von Wirklichkeit in der sozialistischen Gesellschaft analytisch-kritisch durchleuchtet und folgende Befunde ermittelt: Seit dem IX. Parteitag der SED 1976 wird in allen gesellschaftlichen Bereichen eine intensive Hinwendung zur Darstellung der DDR mit betont heimatverbundenem Charakter verlangt, um die Identifikation der Bevölkerung mit ihrem sozialistischen Vaterland voranzutreiben, die zunehmenden inneren Spannungen einzudämmen und die Abgrenzungspolitik gegenüber der Bundesrepublik emotional zu stützen. In dieser Zeit beginnt auch Karl-Eduard von Schnitzler, sich seinen DDR-Reportagen zuzuwenden. Er will dem Zuschauer veranschaulichen, was die Heimat DDR bedeutet, welche Fähigkeiten und Kräfte in diesem Land stecken und wie es eine Heimat für alle Menschen darstellen kann. journal Forschung Links: Engagement für die Heimat (oder potemkinsche Dörfer?) – Karl-Eduard von Schnitzler 1981 während der Dreharbeiten zur Reportage über Wermsdorf. Foto: Manfred Marotzke Unten: Karl Eduard von Schnitzler (links) mit Kameramann Harald Krauße (Mitte) im Gespräch mit Bauarbeitern bei Dreharbeiten zu „Rügen – Entdeckung einer Insel“. Ort der Aufnahme: ein Neubaugebiet in Saßnitz. Foto: DRA / Kose Schnitzler zeichnet (pädagogisch und didaktisch motiviert) ein parteiisches Bild von der sozialistischen Heimat – ganz im Sinne der offiziellen Definition, nach der die Heimat nicht lokal begrenzt, sondern das gesamte Vaterland ist. Seine Reportagen sollen zum ideologischen und moralischen Selbstverständnis sowie zur geistigen Bewahrung des kulturellen Erbes beitragen, das Geschichtsbewusstsein fördern und historische Leitbilder vermitteln. Hierzu entwirft er ein farbenfrohes Bild von der DDR, einem Land mit moderner und hochproduktiver Industrie, künstlerischer Vielfalt, mit besten deutschen Traditionen und zufriedenen Einwohnern. Die DDR wird bis hin zum kleinsten Areal als innovativ, kraftvoll und zukunftsträchtig präsentiert. Schnitzler nutzt in den Reportagen gemäß seinem subjektiven und ideologisch eindeutigen Heimatbild fixe inhaltlich-thematische und inhaltlich-dramaturgische Konstanten. Er belichtet mittels Gut-BöseSchablone einzelne Mosaiksteinchen und vermeidet rigoros komplexe Geschichten, die mehr transportieren könnten, als das unmittelbar Gezeigte. Die Protagonisten werden nicht individualisiert, handelnde Personen weder künstlerisch noch emotional näher vorgestellt. Menschen fungieren als Statisten, um die Effizienz der Betriebe zu präsentieren und damit der Wirtschaft eine glänzende Zukunft zu bescheinigen. Von realen Problemen weit entfernt, wird ausschließlich die Überwindung maschineller Schwierigkeiten durch sozialistische Heft 5/2004 Heldentaten thematisiert. Grundgedanke in allen Filmen ist die propagierte Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Erfolge beim Aufbau werden gepriesen, um die Stärke der SED zu untermauern und die Bürger anzuhalten, mit ihrer ganzen Kraft für die Verwirklichung der Pläne der Partei einzutreten. Hierzu dient auch der Blick auf geschichtliche Details, auf die Erbauer des historischen Fundamentes der DDR. Lückenhaft wird das berichtet, was für das ideologische Anliegen verwertbar scheint.m Der inhaltlichen Abfolge der Reportagen fehlt jede Chronologie. Sprunghaft in der Erzählung und doch ermüdend gleichförmig in der Gesamtdarstellung präsentiert Schnitzler „seine“ sozialistische Heimat: Er schildert die Gegenwart aus der Perspektive einer strahlenden Zukunft. Dabei sind die Bilder oft ästhetisch überzogen. Alle untersuchten Filme haben – völlig unabhängig von der Region – einen identischen Bauplan. Regionale Spezifik wird kaum thematisiert und wenn, dann mit der Wirkungsabsicht, die Vielschichtigkeit des kleinen Landes zu zeigen und sie parallel in Bezug zum gesamten Staatsgebilde zu setzen. Das Bild der DDR dient als Beweis für das progressive, bessere Gesellschaftssystem. Die Argumentation stützt sich daher en passant immer auch auf die Abgrenzung zur Bundesrepublik Deutschland. Schnitzlers Filme verfehlten klar die realen Bedürfnisse der Zuschauer. Sie konnten kein Akzeptanzpotenzial für die DDR schaffen, keinen Beitrag zur Identitätsbildung, zum „Wir-Gefühl“ leisten. Kritische Aspekte wurden so offensichtlich verschwiegen, dass den Zuschauern die Vertuschung und Beschönigung zu augenfällig war. Programme, die die (idealisierte) DDR zum Inhalt hatten, fanden ohnedies beim Fernsehpublikum kaum Beachtung, da die Zuschauer wenigstens visuell aus dem eingeengten Lebensbereich entfliehen wollten und die ersehnte weite Welt über das Fernsehen der Bundesrepublik in die Wohnzimmer kam. Die Ergebnisse der Zuschauerforschung untermauern diese Feststellung: Die realitätsfremden HeimatReportagen von Karl-Eduard von Schnitzler haben nur klägliche Einschaltquoten erzielt. 7 Forschung „Aktivitäten bündeln für Weltspitzenleistungen“ Interview mit Marius Grundmann zum Start des Exzellenz-Netzwerks 27 Partner aus 11 Nationen kooperieren im europäischen Exzellenz-Netzwerk SANDiE auf dem Gebiet der selbstorganisierten Halbleiter-Nanostrukturen. In Ausgabe 4/04 berichtete das Uni-Journal über die Vertragsunterzeichnung. Ende September fand in Leipzig die Start-Veranstaltung statt. Prof. Dr. Marius Grundmann, Direktor des Instituts für Experimentelle Physik II, koordiniert das Netzwerk. Mit ihm sprach Dr. Bärbel Adams. Herr Professor Grundmann, über einen strikten dreistufigen Evaluationsprozess ist es Ihnen gelungen, die Koordination von SANDiE, das innerhalb des 6. Rahmenprogrammes der Europäischen Kommission angesiedelt ist, in Leipzig zu etablieren. Was verbirgt sich hinter dem Namen? SANDiE steht für Self-Assembled Semiconductor Nanostructures for new Devices in Photonics and Electronics. In dem Exzellenz-Netzwerk werden also Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet selbstorganisierter Halbleiter-Nanostrukturen gebündelt, indem geistige und materielle Ressourcen zusammengeführt werden, um Weltspitzenleistungen zu sichern. Selbstorganisierte Halbleiter-Nanostrukturen – was muss man sich darunter vorstellen? Nanostrukturen sind kleinste Konstrukte, die 1 bis 100 Milliardstel Meter umfassen. Zum Vergleich: Ein Haar hat einen Durchmesser von ca. 100 000 nm (Nanometern). Halbleiter wiederum sind Stoffe, deren elektrische Leitfähigkeit, genauer gesagt, deren spezifischer Widerstand, zwischen denen eines Leiters und denen eines Isolators liegt. Das Adjektiv „selbstorganisiert“ weist darauf hin, dass entsprechende Halbleiter-Nanostrukturen quasi von selbst während ihres Wachstums entstehen, ohne dass eine zusätzliche Bearbeitung erforderlich ist. Die Nutzung von Selbstorgani8 sations-Mechanismen erlaubt die parallele und preisgünstige Herstellung von Nanostrukturen. Wozu werden selbstorganisierte Halbleiter-Nanostrukturen gebraucht? Selbstorganisierte Halbleiter-Nanostrukturen bilden die Basis für völlig neuartige und in ihren Eigenschaften verbesserte elektronische und photonische Bauelemente. Durch ressourcenschonenden Materialeinsatz und die Potenziale zur Energieeinsparung unter Verwendung nanotechnologischer Bauelemente wird insbesondere ein Beitrag für eine nachhaltige technologische Entwicklung in Massenmärkten wie optischer Kommunikationstechnik, Datenspeicherung und Displaytechnik geleistet. Völlig neuartige Anwendungen sind z. B. Einzelphotonenquellen für Quantenkryptographie. Die Quantenkryptographie ist ein Verfahren zur sicher verschlüsselten Übermittlung von Informationen, das auf der Verschränkung von Photonen beruht. Genauer gesagt, werden mit der Quantenkryptographie nur die „Schlüssel“ für die Ver- und Entschlüsselung der Informationen ausgetauscht. Was wird innerhalb von SANDiE erforscht? Ich möchte nur einige Beispiele nennen: Wir forschen auf dem Gebiet der langwelligen Laser-Emmision von selbstorganisierten Halbleiternanostrukturen; der Übertragung zwischen den Subebenen der Halbleiternanostrukturen; der Einzelphotonenkommunikation; neuer selbstorganisierter Halbleiter- Nanostrukturmaterialien; der Simulation ihres Wachstums; ihrer physikalischen Eigenschaften und des Entwicklungstrends von selbstorganisierten Halbleiternanostrukturen; ihrer gelenkten Herstellung sowie der Nanospintronic mit selbstorganisierten Halbleiternanostrukturen. Mit Spintronic wird dabei ein relativ junges Arbeitsfeld bezeichnet, das Magnetoelektronik mit Halbleiterelektronik verbindet. Die Universität Leipzig koordiniert SANDiE. Wer ist noch beteiligt? Am Netzwerk nehmen neben der Universität Leipzig 27 weitere Partner aus elf Nationen, von Portugal bis Russland teil. Neben 16 Universitäten (z. B. Paris, Madrid, Wien, Lund, Parma) sind acht Forschungsinstitute, z. B. drei Max-PlanckInstitute, das französische Centre National de la Recherche Scientifique und das von Nobelpreisträger Zhores Alferov geleitete Ioffe-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg beteiligt. Zudem sind vier führende europäische Industriefirmen auf dem Photoniksektor Partner, um eine möglichst effiziente wirtschaftliche Umsetzung neuer wissenschaftlicher Ergebnisse in Europa zu realisieren. Und was will SANDiE? Zu den Netzwerkzielen gehören die Koordination von Forschungsaktivitäten und die Entwicklung von Wissen in Schlüsselbereichen sowie eine optimale und abgestimmte Ressourcennutzung auf europäischer Ebene (European Research Area – ERA). Nicht zu vergessen die Entwicklung von Humankapital. Denn die Bedeutung der selbstorganisierten Halbleiter-Nanostrukturen wird eher zunehmen. Und Europa will sich eine weltweit führende Position in der Entwicklung und Herstellung neuartiger Produkte sichern. Wann geht es los? Sofort. Bei der Kick-Off-Veranstaltung am 28. September, zu der alle unsere Partner vertreten waren, wurden die Ziele konkret abgesteckt und koordiniert. Weitere Informationen im Internet: www.sandie.org journal Zinkoxid-Mikrokristalle auf Saphir. Abbildung: Institut für Experimentelle Physik II Mini-„Flüstergalerien“ für Licht Leipziger Halbleiter-Forschern ist es gelungen, die weltweit kleinsten „Flüstergalerien“ für sichtbares Licht herzustellen und zu untersuchen. Es handelt sich um nadelförmige Zinkoxid-Kristalle, deren Durchmesser sich stetig vom Mikrobereich (etwa 1 µm) bis in den Nanobereich (etwa 100 nm) bis herunter auf Null an der Spitze verjüngt. Sogenannte Flüstergalerien haben die Eigenschaft, dass man auf Grund einer besonderen Beschaffenheit schallreflektierender Gewölbe geflüsterte Worte noch zig Meter weiter ohne Probleme verstehen kann. Dieses besonders gern von barocken Baumeistern angewandte Prinzip (z. B. Petersdom Rom, St. Pauls Cathedral London) gilt auch für andere Wellen als Schall, z. B. Licht. In einem Resonator umlaufende Wellen interferieren mit sich selbst und führen zu Resonanzen, wenn der Umlaufweg ein ganzzahliges Vielfaches N (Modenzahl) der Wellenlänge beträgt. Andreas Rahm und Thomas Nobis, Doktoranden in der Abteilung Halbleiterphysik von Prof. Dr. Marius Grundmann am Institut für Experimentelle Physik II haben im Rahmen der Arbeiten in der DFG Forschergruppe 522 „Architektur von mikround nanodimensionalen Strukturelementen“ nadelförmige Zinkoxid- (ZnO-) herHeft 5/2004 gestellt bzw. untersucht, deren Durchmesser sich stetig vom Mikrobereich (etwa 1 µm) bis in den Nanobereich (etwa 100 nm) bis herunter auf Null an der Spitze verjüngt (s. Abb.). Das Licht läuft auf der hexagonalen Querschnittsfläche um. Ein Analogon aus der Welt des Schalls und der Architektur wäre eine Kombination der berühmten Flüstergalerie in der St. Paul’s Kathedrale und des Swiss Re Towers in London. Allerdings sind die untersuchten Lichtwellenlängen und damit die Strukturgrößen etwa zwei Millionen mal kleiner als die Wellenlänge gesprochenen Schalls. Für die Herstellung der ZnO Nanonadeln haben die Leipziger Physiker mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine neuartige Epitaxieanlage gebaut. Diese erlaubt die Züchtung mittels Laserablation bei besonders hohen Gasdrücken, was die Ausbildung von Nanostrukturen ermöglicht. Die Nanostrukturen wachsen in selbstorganisierter (engl.: self-assembled) Art und Weise. Das heißt, dass sie automatisch entstehen, bestimmt durch die eingestellten Wachstumsbedingungen und die mikroskopischen Wachstumsprozesse. Diese Methode heißt auch „bottom-up“ Ansatz. Sie erlaubt die Herstellung großer Mengen gleichartiger Nanostrukturen zu viel geringerem Preis als es mit konven- tionellen Lithographie- und Ätztechniken (dem sogenannten „top-down“ Ansatz) möglich wäre. Bisherige theoretische und experimentelle Arbeiten zu Mikroresonatoren für Licht beschäftigten sich mit vergleichsweise großen Kavitäten (Hohlräumen) mit Modenzahlen N größer als 20. Die Flüstergalerie in der St. Paul’s Kathedrale in London hat zum Beispiel ein N von etwa 100 für Schall. Am Fuß der ZnO Nanonadel passen nur noch N = 6 Lichtwellenlängen in den Umlaufweg. Mit abnehmendem Durchmesser ändert sich die Farbe der optischen Resonanzen. Die ZnO Spitze wird am Ende so dünn, dass N = 1 und ein sogenannter monomodiger Wellenleiter erreicht werden. Die Leipziger Halbleiterphysiker haben zudem gefunden, dass eine von ihnen erarbeitete, vergleichsweise einfache Theorie die Farbe der optischen Resonanzen für alle Durchmesser mit hoher Präzision beschreibt. Diplom-Physiker Thomas Nobis hierzu: „Dies ist zunächst überraschend, da die von uns verwendete Theorie eigentlich nur für Modenzahlen N gelten sollte, die viel größer als 1 sind.“ Die Ergebnisse wurden in der renommierten Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht. Dr. Bärbel Adams 9 Forschung Die Qualität der Wider Spermien junger das Männer geht zurück ZähnePreise für Forschung zum knirschen programmierten Zelltod Junge Wissenschaftler der Universitätshautklinik Leipzig untersuchten die Übertragung von Signalen, die den programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen, an menschlichen Samenzellen (humane Spermatozoen). Sie etablierten ein Selektionssystem für nicht-apoptotische Spermatozoen und entdeckten erstmalig die für die Apoptose verantwortlichen Enzyme (Caspasen) in humanen Spermatozoen. Für ihre Arbeiten wurden sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Wissenschaftler stellten im vergangenen Jahr in der renommierten Fachzeitschrift „Andrologia“ (35/2003) eine Studie vor, die den signifikanten Rückgang der Spermienqualität junger Männer aus dem Leipziger Raum belegte. Die Arbeitsgruppe des von Prof. Hans-Jürgen Glander geleiteten Europäischen Ausbildungszentrums für Andrologie der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie wies kürzlich Phänomene des programmierten Zelltods normaler Körperzellen durch entsprechenden Auslöser während der Übertragung extrazellulärer Signale ins Zellinnere (Signaltransduktion) und durch entsprechende Membranveränderungen auch am Spermium nach. Die Apoptose von Körperzellen ist ein natürlicher Prozess, der für das physiologische Gleichgewicht (Homöostase) mehrzelliger Lebewesen erforderlich ist und durch Erkrankungen fehlgesteuert sein kann. So entstehen zum Beispiel Tumorerkrankungen, Immundefekte oder neurodegenerative Erkrankungen. Im Ejakulat von Patienten fanden die Forscher mehr apoptotische als gesunde Spermien. Die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Spermien war nicht eingeschränkt, obwohl bereits die den Untergang der Zellen einleitenden Enzyme (Caspasen) aktiviert waren. Mit der in anderen medizinischen Bereichen bereits etablierten Methode namens MACS (Magnetic activated cell sor10 ting) konnte die Arbeitsgruppe ein neues Selektionssystem zur Anreicherung nichtapoptotischer Spermien aufbauen, indem sie bestimmte Oberflächeneigenschaften apoptotischer Zellen mit Hilfe eines Proteins namens Annexin V identifizierten. Die Nachwuchswissenschaftlerin der Arbeitsgruppe, Dr. med. Sonja Grunewald, erhielt für ihre Arbeiten bereits zum zweiten Mal den NIH Trainee Award auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Andrologie (ASA) in Baltimore. Zuvor hatte die Arbeitsgruppe bereits den 1. Posterpreis für experimentelle Dermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft auf der Jahrestagung 2003 erhalten. Die Promotionsstudenten Thomas Baumann und Christian Kriegel arbeiten derzeit im Rahmen der seit Jahren etablierten Kooperation mit der andrologischen Arbeitsgruppe an der Cleveland Clinic Foundation, Ohio, USA, bei Prof. Ashok Agarwal, um zusammen mit dem Dermatologen Tamer Said Mahmout in einem speziellen Experimentalansatz die mit der neuen Methode aufbereiteten Spermatozoen auf ihre Zeugungsfähigkeit zu untersuchen. Kürzlich gelang es der Arbeitsgruppe mit PD Dr. med. habil. Uwe Paasch einen von Caspase-1 ausgehenden Signalweg aufzuschlüsseln, der möglicherweise im Rahmen des Aktivierungsprozesses (Kapazitation) des Spermatozoons eine Bedeutung hat. Dieser physiologische Prozess ist notwendig, damit ein Spermatozoon überhaupt eine Eizelle befruchten kann und findet unmittelbar vor Erreichen der Eizelle (Ovum) statt. Die molekularen Zusammenhänge sind weitestgehend unbekannt. Dr. Paasch wurde auf der Tagung in Baltimore für seine Arbeiten der Research Excellence Award der Cleveland Clinic Foundation verliehen. Dr. Bärbel Adams Prüfung von Zahnschienen mit Preis bedacht Muskuläre Verspannungen im Kopf- und Nackenbereich gehen oft einher mit Zähneknirschen und -pressen. Ursache oder Wirkung ist nicht immer klar und für den Betroffenen zweitrangig. Helfen kann ein vom Zahnarzt angepasster Kunststoffüberzug, der fachsprachlich Okklusionsschiene heißt. Diese wird auf die Zähne aufgebracht und verhindert das Zähneknirschen dadurch, dass sie die Aktivität der Muskeln und damit die Überlastung senkt. Für eine Okklusionsschiene nimmt der Zahnarzt einen Abdruck der oberen und unteren Zahnreihe des Patienten und stellt ein Modell her, das auch Registrat genannt wird, um den Zusammenbiss der Zahnreihen zu kennzeichnen. Das ist die Grundlage der Okklusionsschiene für eine der Zahnreihen, die genau an die 2. Zahnreihe angepasst sein muss. Die Schiene muss gut und fest sitzen (Retention) und darf sich während des Gebrauchs nicht ändern, damit die Anpassung an die 2. Zahnreihe (Okklusion) erhalten bleibt. Okklusionsschiene journal Foto: Klinik Forschung | Fakultäten und Institute Üblicherweise stellt der Zahntechniker Schienen für den Zahnarzt entweder aus Kunststoffpulver und -flüssigkeit her (Heiß- oder Kaltpolymerisation) oder aus erwärmter Kunststofffolie (thermoplastisches Verfahren). Der Patient kann den Unterschied in der Herstellung daran erkennen, ob die Schiene sich mit leichter Kraft verbiegen lässt (thermoplastisches Verfahren) oder nicht (Polymerisation). In den Augen der Zahnärzte galt das Retentionsvermögen von thermoplastisch hergestellten Schienen lange Zeit als unzureichend. Sie standen im Ruf, nach kurzem Gebrauch nur noch wenig auf den Zähnen zu halten. Da die Patienten diese Art der Schienen aber als angenehmer empfinden, entwickelte man in den letzten Jahren Materialien, die diesen Nachteil nicht mehr besitzen sollen. Aber ist es wirklich so? Das Team um Prof. Thomas Reiber und Prof. Holger Jakstat von der Poliklinik für Prothetik und Werkstoffkunde der Universität Leipzig untersuchte in aufwändigen Testreihen, ob die Art der Schienenherstellung auf die Retention während der Tragezeit einen merkbaren Einfluss hat. Zu diesem Zweck wurde in einer CAD/CAMMaschine das Aufsetzen und Abnehmen der Schiene möglichst wirklichkeitsnah vorgenommen. Dazu gehört, dass die Alterung der Okklusionsschiene simuliert wird. Das erreichten die Wissenschaftler durch wechselnde Lagerung in einem stark erwärmten und einem abgekühlten Wasserbad, dem sog. Thermocycling. Anschließend wurde die Qualität der mit unterschiedlichen Verfahren hergestellten Schienen bezüglich der Retention verglichen. Das Ergebnis bestätigte die Ebenbürtigkeit der thermoplastisch hergestellten Schienen. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde (DGZPW) überzeugte das Experiment, das von Thomas Nelle, einem jungen Wissenschaftler der Leipziger Poliklinik vorgetragen wurde, so sehr, dass es mit dem Tagungsbestpreis ausgezeichnet wurde. Die Qualitätsuntersuchungen laufen weiter. Jetzt wollen die Wissenschaftler klären, ob auch die „Okklusion“, die Anpassung an die Gegenzähne, unabhängig von der Herstellungsvariante in der Tragezeit stabil bleibt. Sollte auch dieses Ergebnis den Erwartungen entsprechen, könnten die Zahnärzte problemlos die als angenehmer empfundenen thermoplastisch hergestellten Okklusionsschienen anpassen. B. A. Heft 5/2004 Der neue Dornseiff Forscher überarbeitet Lexikon Die Rede ist hier von Franz Dornseiffs „Deutschem Wortschatz nach Sachgruppen“. Dornseiff (1888–1960) lehrte von 1948 bis 1960 an der Universität Leipzig als Ordinarius für klassische Philologie. Unter seinen zahlreichen Arbeiten fanden jene über das Alphabet in Mystik und Magie, über den Stil des griechischen Lyrikers Pindar sowie seine Pindarübersetzung besondere Beachtung; die weiteste Verbreitung jedoch erfuhr das Wörterbuch „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“. 1934 erschien es zuerst im Druck, und bis 1970 folgten sieben, z. T. neu bearbeitete Auflagen. Wer immer sich sprachlich präziser Darstellungsweise befleißigte, dem diente es bei der Suche nach dem rechten Wort, der treffenden Wendung als ein reichhaltiges Repertorium. Seit kurzem liegt nunmehr – auch sie erschienen bei Walter de Gruyter – die „8., völlig neu bearbeitete und mit einem vollständigen alphabetischen Zugriffsregister versehene Auflage von Uwe Quasthoff“ vor. „Mit einer lexikographisch-historischen Einführung und einer ausgewählten Bibliographie zur Lexikographie und Onomasiologie von Herbert Ernst Wiegand.“ Der Leipziger PD Dr. Uwe Quasthoff stützte sich bei seiner Arbeit auf Daten des Projekts Deutscher Wortschatz, die in der Abteilung Automatische Sprachverarbeitung am Institut für Informatik der Universität Leipzig gesammelt und geordnet werden. Aus einem alltags- wie fachsprachliche Texte erfassenden Korpus von rund 230 Millionen laufenden Wörtern wählte er jene aus, die mindestens 20-mal darin erschienen (Sondersprachen etc. fanden dabei jedoch nur bedingt Berücksichtigung), und ordnete sie den betreffenden Sachgruppen zu. Das Buch enthält rund 90 000 Einträge, 970 Sachgruppen sind, durch Querverweise miteinander verbunden, in 22 Hauptgruppen zusammengefasst, deren inhaltliches Spektrum gegenüber den früheren Ausgaben weiter ge- spannt und aktualisiert wurde und sich von „Natur und Umwelt“, „Leben“, „Wesen, Beziehung, Geschehnis“ über „Fühlen, Affekte, Charaktereigenschaften“ zu „Wissenschaft“, „Essen und Trinken“, „Sport und Freizeit“, „Gesellschaft“ sowie „Religion und Übersinnliches“ u. a. erstreckt. Dem Sachgruppenteil stehen drei Beiträge voran, die jeweils gleichsam konzentrisch auf das Werk ausgerichtet sind: Der Heidelberger Linguist Prof. Dr. Wiegand beurteilt in seinen gewichtigen Ausführungen den Dornseiff kritisch unter wissenschaftsgeschichtlichem Aspekt, um dann im Hinblick auf Funktion und Möglichkeiten der Neuausgabe generell festzustellen: „Moderne Sachgruppenlexikographie ist Lexikographie für Gebildete, die das, was sie suchen, längst kennen, und etwas, was sie nicht suchen, dabei entdecken und nutzen können.“ (S. 61f.) In seiner „Methodologischen Einführung“ beschreibt Quasthoff das Verfahren der Neubearbeitung sowie die Anlage der Sachgruppen und Artikel. Beide Autoren verdeutlichen in einem dritten Teil, direkt an die Leser gewandt, die weitreichenden Möglichkeiten zu einer effektiven Nutzung des neuen Dornseiff. Als ein Beispiel sei hier kurz die Sachgruppe „11.29 Verstehen“ (S. 203) vorgestellt: Darin werden zunächst Interjektionen („ach so! aha! in Ordnung!“) verzeichnet, darauf folgen die einschlägigen Substantive („Verständnis, Einsicht, Vernunft, Deuter“ etc.) und Adjektive („aufschlussreich, ergiebig, lehrreich“ usw.), schließlich eine größere Anzahl Verben („verstehen, dämmern, eingehen; begreifen, durchblicken, erfassen, kapieren; klar sehen, begeistert mitgehen“ u. a.) Neben den verschiedenen semantischen Akzentuierungen werden dabei ebenfalls die stilistischen Differenzierungen deutlich. Querverweise auf sechs andere Wortgruppen erweitern die Zugriffsmöglichkeiten. Mit der reichen Fülle des zugrunde liegenden Wortmaterials, mit dessen sorgfältiger und differenzierter begrifflicher Zuordnung, sowie dank seines vollständigen Zugriffsregisters, besitzt der neue Dornseiff alle Vorzüge eines modernen umfassenden Nachschlagwerkes. Sie werden durch wissenschaftliche Darlegungen und eine respektable Bibliographie vermehrt. Zahlreiche Linguisten haben das Projekt unterstützt. Ihnen allen, dem Verlag, vor allem jedoch dem Bearbeiter gebühren dafür Anerkennung und Dank. Prof. em. Dr. Rainer Kößling, Institut für Germanistik 11 Fakultäten und Institute Ein Bett nach Maß für einen silbernen Jüngling Auf der „Denkmal“-Messe: Durch moderne Technik geschützte Kunst Von Carsten Heckmann Das antike Stück ist mehrfach gerissen, die Ränder sind ausgefranst, an einigen Stellen fehlt etwas. Der darauf zu sehende, aufrecht stehende nackte Mann ist jung – und dennoch von heftigen Alterserscheinungen geplagt. Und Invalide ist er auch. Sein rechtes Bein ist nur noch ein Stumpf, der Arm fehlt gleich ganz. Doch mag der erste Anschein auch nicht der beste sein: Bei dem nur 11,58 Zentimeter kleinen, 0,4 Millimeter dünnen und 14,65 Gramm leichten Fragment eines Silberreliefs handelt es sich um „eine der größten Kostbarkeiten des Antikenmuseums unserer Universität“, sagt Dr. Hans-Peter Müller vom Institut für Klassische Archäologie. „Es stammt aus dem späten 4. Jahrhundert nach Christus. Und es ist selten, denn solche Stücke wurden in metallarmen Krisenzeiten häufig eingeschmolzen. Vielleicht geht das Stück sogar auf das Kunstkabinett des Johann Friedrich Christ zurück, der 1735 in Leipzig als erster klassische Archäologie akademisch zu lehren begann.“ So ein Stück möchte man natürlich gerne vorzeigen, auch mal außerhalb des eigenen Museums. Auf der „Denkmal“, der europäischen Messe für Denkmalpflege und Stadterneuerung, wird es vom 27. bis 30. Oktober zu sehen sein – und zum ersten Mal muss sich Dr. Müller keine Sorgen 12 Links: Das Fragment des Silberreliefs, ergänzt durch eine Zeichnung, die den ursprünglichen Zustand andeutet. Rechts: Der Jüngling und sein neues Kunststoff-Bett. (Das Silber ist durch Umwelteinflüsse angelaufen.) Fotos: Antikenmuseum / Montagen: Silvia Schütze mehr machen, dass das gute Stück beim Transport zerbrechen könnte. „Bisher war es immer eine heikle Geschichte, es zu transportieren“, berichtet er. Nun ist der Jüngling optimal gebettet: Die hohle Relief-Form liegt gut geschützt auf einem passgenauen Gegenstück aus Polyacryl – einem durchsichtigen Kunststoff, der schwefelfrei und somit unschädlich ist. Diese maßgeschneiderte Lösung, mit der Kunstschätze bewahrt werden können, ist denn auch das eigentliche „Denkmal“-Exponat. Für die dreidimensionale Unterlage musste die Oberflächenstruktur der Rückseite des Silberblechs erfasst werden. Dabei kam ein Präzisionsscanner zum Einsatz, der die Oberfläche berührungslos abtastete und mit dessen Hilfe im Computer ein 3D-Modell der Rückseite generiert wurde. Mit den entsprechenden Daten wurde eine hochmoderne Fräsmaschine gefüttert, die dann das Polyacryl-Stück herstellte. „Auf die 3D-Vermessungsmethode sind wir bei der ‚Denkmal‘ 2002 am Stand der Universität Erlangen-Nürnberg aufmerksam geworden“, berichtet Hans-Peter Müller. Über diesen Kontakt gelangten die Leipziger Archäologen auch an ihre Kooperationspartner: die 3D-Shape GmbH in Erlangen und die CAD Engineering Gubesch GmbH in Wilhelmsdorf. „Für größere Objekte ist die Methode des Hinterlegens schon länger bekannt“, weiß journal Fakultäten und Institute Grit Karen Friedmann, Restauratorin im Antikenmuseum. „Für unser Objekt hatten die Computer aber ganz schön zu tun. Es musste auf den hundertstel Millimeter gerechnet werden.“ Nun kann der Jüngling also sicher transportiert und präsentiert werden. „Dem Betrachter wird das hinterlegte Stück gar nicht auffallen“, sagt Hans-Peter Müller. Er wird sich wie bisher an der qualitätsvollen Arbeit erfreuen können. Die zu erkennenden Formen wurden von einem unbekannten Meister von hinten in das Silberblech hineingetrieben. Vor allem die plastische Darstellung der athletischen Figur mit einer hohen dreidimensionalen Wirkung ist beeindruckend. „Dass eine Figur so fein gearbeitet wurde, war in der Spätantike gar nicht so üblich“. konstatiert Dr. Müller. Überhaupt sei dieses Stück nicht leicht zu deuten. „Welche Bedeutung und Funktion unser Relief vor einem zunehmend christlichen Hintergrund hatte, lässt sich ohne Herkunftsangabe und Kenntnis des Auftraggebers wie auch weiterer Bildthemen, die möglicherweise an unser Fragment anschlossen, kaum noch ermitteln.“ Fest stehe aber: Der Jüngling stehe noch in der Tradition der heidnischen Antike und lasse die Körperauffassung klassisch-griechischer Skulpturen noch einmal aufleben. Das Standmotiv und der Schild sowie die Lanze, die der Jüngling vermutlich in der rechten Hand hielt, verweisen laut Müller auf den römischen Kriegsgott Mars. Der Adler im Schild stehe für Jupiter, den obersten Kriegsherrn der Römer. Die ebenfalls zu erkennende Meersziege sei vielleicht ein Tierkreiszeichen, das Caprikorn, und somit eine Anspielung auf den ersten römischen Kaiser Augustus. Der Leipziger Jüngling schmückte früher ein Schmuckkästchen einer reichen aristokratischen Familie. Er zeugt somit, da ist sich Hans-Peter Müller sicher, von einem Verständnis der gebildeten Oberschicht der Spätantike für die klassische Kunst. Eine Kunst, von der der Jüngling noch lange künden kann – dank moderner Technik. Noch vor der „Denkmal“-Messe wird am 21. Oktober eine Ausstellung zu klassischer griechischer Zeichenkunst eröffnet, die das Antikenmuseum zusammen mit der Universitätsbibliothek veranstaltet. Die Schau in der Bibliotheca Albertina dauert bis Ende Januar 2005. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 15 bis 20 Uhr, Samstag von 11 bis 16 Uhr. Heft 5/2004 Lyrische Stimmen aus Sachsen Anglistik-Professor Elmar Schenkel in zweisprachiger Anthologie vertreten Wer zarte, aber dennoch engagierte literarische Kost genießen und zugleich den lyrischen Stimmen der Region Sachsen näher kommen will, der sollte die soeben im Verlag Shearsman Books erschiene zweisprachige Anthologie „The Nightingale Question“ erwerben. Der Sammelband präsentiert eine Werksauswahl der Autoren Wulf Kirsten, Uta Mauersberger, Andreas Reimann, Thomas Rosenlöcher – und des Professors für englische Literaturwissenschaft am Institut für Anglistik, Elmar Schenkel. Alle fünf haben in Sachsen ihr Zuhause gefunden und berichten über ihre Erfahrungen und Einsichten in Versform. Das für den englischsprachigen Markt konzipierte Werk beinhaltet sowohl die auf Deutsch verfassten Gedichte als auch die Übersetzungen auf der jeweils gegenüberliegenden Seite. Federführend bei der Umund Übersetzung ins Englische war die schottische Dichterin Tessa Ransford. Sie hatte ein Auslandsstipendium genutzt, um den Sommer 2001 in Leipzig zu verleben und dabei die unterschiedlichen Lyriker kennen gelernt. Die nun vorliegende Anthologie, so schreibt Tessa Ransford in ihrem Vorwort, „bietet Texte und Strukturen, die auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Relevanz entwickeln. Es gibt die sprachliche, kulturelle und natürlich persönliche Dimension. Denn jeder der fünf Autoren hat einen ganz besonderen Weg gefunden, sich in die Welt einzubringen.“ Wenngleich ein gemeinsamer Themenkomplex existiert: die Stadt Leipzig. Sowohl als physischer Ort, aber ebenso als Symbol für die politischen Umwälzungs- prozesse des Herbstes 1989. Die deutsche Wiedervereinigung war für die Autoren, so vermutet Karen Leeder in der Einleitung, „nicht nur eine Wendezeit, sondern auch eine Zeitenwende.“ Prof. Dr. Elmar Schenkel, der nach der Wende nach Leipzig kam, empfand diese besondere „totale Freiheit von Ideologie. Damals war Leipzig noch so auf der Kippe zwischen Alt und Neu. Es setzte besondere Kreativität frei, und vieles war noch völlig undefiniert. In dieser problematischen Zeit am Anfang, wo man kämpfen musste, da entstanden Geschichten aus den Ritzen der Entwicklung.“ In diesem Klima schrieb er unter anderem sein 1996 veröffentlichtes Werk „Leipziger Passagen“. Hieraus wurde die Kurzprosa „Die unsichtbare Passage“, die „eine Impression ist, bei dem ein Bild sich entfaltet“, in die Anthologie aufgenommen. Prof. Schenkel meint: „Gedichte bringen eine Verfeinerung des Bewusstseins oder der sprachlichen Einstellungen. Dadurch bringen Dichter die Leute zurück zu ihrer Sprache. Sie greifen Worte auf, bewahren sie und retten diese dadurch.“ Seiner Meinung nach insbesondere im Hinblick auf die sprachlichen Moden einer wirtschaftlichen Globalisierung: „Es gibt so einen Sprachasphalt, gegen den man sich mal wehren sollte.“ Alles in allem ermöglicht der wunderbar von Joyce Gunn-Cairnes illustrierte Band einen poetischen Überblick über die Situation der sächsischen Lyrik und bietet jedem Interessierten die Möglichkeit zur Entdeckung und Empfindung von Sprache „made in Sachsen“. Karsten Steinmetz 13 Fakultäten und Institute Der Russe von der CD Computer hilft beim Sprachenlernen Von Kornelia Tröschel Der angehende Russisch-Übersetzer sitzt über seinen Hausaufgaben. Er muss sich Gedanken darüber machen, wie er den Weg zur Universität beschreiben kann. In der nächsten Unterrichtsstunde soll er darüber berichten. Anstatt das gute alte Wörterbuch in die Hand zu nehmen, setzt er sich an den Computer und ruft das Lernprogramm „Russisch – der Hör- und Sprechkurs“ auf. Hier findet er nicht nur die entsprechenden Vokabeln und Redewendungen für sein Thema, sondern ihm können die Wörter auch von vier Sprechern vorgesprochen werden. So oder ähnlich sieht derzeit der Studienalltag eines Leipziger Studenten des Dolmetscher- bzw. Übersetzer-Studiums der russischen Sprache während der ersten Semester aus. Am hiesigen Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) arbeiten bereits seit sechs Jahren mehrere Mitarbeiter vom IALT und Universitätsrechenzentrum (URZ) an einer Lernsoftware für die russische Sprache. Zwei abgeschlossene Module im Rahmen des Projektes „Russisch aktuell“ sind das Resultat und können im Handel als Buch und CD-ROM erworben werden. Seit etwas über einem Jahr wird am dritten Modul „Russisch – der Hör- und Sprechkurs“ getüftelt: Horst Rothe vom URZ (computerlinguistische Umsetzung), Dr. Galina Hesse (sprachlich-inhaltliche Betreuung) und Dr. Bernd Bendixen (methodisch-didaktische Konzeption und Gesamtplanung), beide vom IALT, widmen sich der Entwicklung der neuen Software. Akustisch und grafisch-optisch wird der Lernstoff präsentiert, dialogisches Sprechen in Alltagssituationen soll geübt werden. Eine große Aufgabe, die sich die drei Mitarbeiter der Universität Leipzig vorgenommen haben. Die bisherigen Ergebnisse werden bereits von den angehenden Leipziger Dolmetschern und Übersetzern ge14 nutzt. Die Software soll jedoch nicht nur den Studenten eines Dolmetscher- oder Übersetzer-Studienganges an der hiesigen Universität zur Verfügung stehen. Ziel ist es, sie auch in anderen Ausbildungsbereichen und Studiengängen, die sich mit der russischen Sprache beschäftigen, einzusetzen und weiteren erwachsenen RussischLernenden als Lernmittel an die Hand zu geben. Verwendet werden kann die Software begleitend zu Präsenzveranstaltungen oder zum selbstständigen Lernen. Beide Formen praktizieren momentan die Leipziger Studenten des ersten bis vierten Semesters, um ein möglichst muttersprachlernahes Niveau des Russischen zu erlangen. Mit dem Programm HyView wird ein Wörterbuch, ein hypermediales GrammatikNachschlagewerk und viele Übungen im Bereich der Lexik, Phonetik, Orthographie und Grammatik präsentiert. „Da sich die Daten lokal auf einem Server befinden, kann der aktuelle Lösungsstand der Übungsaufgaben eines jeden Nutzers ver- merkt werden“, beschreibt Bernd Bendixen die Möglichkeit zur individuellen Nutzung des Programms. Aber auch die Gestaltung des Text- oder Einzelwortvortrages ist vom Lernenden abhängig: Sprecher, Pausenlänge, Aufzeichnung der eigenen Aussprache etc. können ganz individuell gewählt werden. „Russisch – der Hör- und Sprechkurs“ ist also eine Lernsoftware, die das Lernen der russischen Sprache erleichtern und abwechslungsreicher gestalten kann. Und das nicht zuletzt durch auflockernde Elemente, welche dem Lernenden die russische Kultur etwas näher bringen: Russische Gedichte und Lieder bringen etwas Kurzweil in den manchmal doch recht trockenen Lernstoff. Ein ebensolches Highlight der Software stellen auch die von einer Studentin gemalten Bilder und Grafiken dar, die, mit einer sensibilisierten Oberfläche versehen, die Grundlage für das Bildwörterbuch bilden. Elemente, die es auch Sprachanfängern leichter machen, die Software für sich zu entdecken. Gelegenheit dazu werden sie bekommen, wenn die Lernsoftware als CD erhältlich ist. Zunächst muss jedoch die Entwicklungs- und Testphase des Programms abgeschlossen werden. Dann kann auch der dritte der fünf Teile des Projektes „Russisch aktuell“ außerhalb der Universität Leipzig seine Liebhaber finden. Doch inwieweit das Angebot in seinen Möglichkeiten ausgeschöpft wird, entscheidet jeder Nutzer selbst, denn, so sagt Dr. Bendixen: „Das Programm ist ein Fahrrad, das wir bereitstellen. Es bleibt den Studenten überlassen, ob sie sich draufsetzen und losradeln.“ Screenshot aus dem Programm „Russisch – der Hör- und Sprechkurs“. journal UniCentral Spitzenuniversitäten für Deutschland ... Der „Wettbewerb Exzellenzinitiative“ – Chronologie einer Vorbereitung Bund und Länder Universität und Partner 5./6. Januar 2004 Klausurtagung des SPD-Vorstands in Weimar: Verkündung der „Leitlinien zur Innovations- und Bildungspolitik“ 17. Dezember 2003 Die Uni-Forschungskommission definiert, bedingt durch wachsende Anforderungen an ein effektives Forschungsmanagement, neue Aufgaben und Ziele. 6. Januar 2004 Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der DFG, begrüßt den Vorschlag der SPD zur Stärkung des Bildungsstandortes Deutschland durch Stärkung der Universitäten. 29. März 2004 Bund-Länder-Kommission: Festlegung der weiteren Umsetzung des Wettbewerbs, Ankündigung einer möglichen Ausschreibung noch vor der Sommerpause 8. Juni 2004 Gespräch von Bundesministerin Bulmahn mit den zuständigen Länderministerien: Insgesamt sollen von Bund und Ländern 1,9 Milliarden Euro für Spitzenuniversitäten, Exzellenzzentren und Promotionsstudiengänge zur Verfügung gestellt werden. Die Begutachtung solle durch die DFG erfolgen. Mit einer Ausschreibung sei Anfang Juli 2004 zu rechnen. 17. Juni 2004 Beratung der Regierungschefs auf Länderebene 5. Juli 2004 Die Bund-Länder-Kommission vertagt die Entscheidung zum BMBF-Wettbewerb „Spitzenuniversitäten für Deutschland – Wettbewerb Exzellenzinitiative“ auf den 15. November 2004. Der Wettbewerb soll wie vorgesehen 2005 starten. 7. Juli 2004 Mitgliederversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Der Präsident Professor Winnacker äußert sich besorgt über die Verschiebung des Programms zur Förderung von Spitzenleistungen deutscher Universitäten. Auf den folgenden Seiten werden die fünf Kompetenzbereiche (Forschungscluster) vorgestellt. Zusammenstellung der Chronologie: Dr. Sylvia Richter Heft 5/2004 4. Februar 2004 Klausurberatung des Rektoratskollegiums der Universität Leipzig: Beschluss, einen ersten Leipziger Forschungsgipfel durchzuführen 26. Februar 2004 1. Leipziger Forschungsgipfel mit den Dekanen der Universität Leipzig, den Rektoren der anderen Hochschulen und den Direktoren/Leitern von 17 außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Leipzig: Identifikation von Kompetenzbereichen (Forschungsclustern), die geeignet sind für eine Teilnahme am Wettbewerb; erste Vorschläge für die Bildung von Arbeitgruppen 13. April 2004 Sitzung der Forschungskommission der Universität Leipzig, Spezifizierung der definierten fünf Kompetenzbereiche, Bildung von fünf Arbeitsgruppen 23. April 2004 Information der Dekane Mai/Juni 2004 Arbeit an den Konzeptionsentwürfen 8. Juni 2004 Forschungskommission: Beratung zur Vereinheitlichung der Konzeptionen 17. Juni 2004 Information des Kuratoriums der Universität Leipzig; Anregung von Oberbürgermeister Tiefensee, einen Förderantrag an die Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer zu stellen 8. Juli 2004 Dienstberatung des Rektoratskollegiums mit den Dekanen: Zwischenauswertung der Konzeption von Kompetenzbereichen 13. Juli 2004 Beratung der Forschungskommission: Die konzeptionellen Arbeiten werden auch unabhängig vom avisierten BMBF-Wettbewerb fortgeführt, um eine Forschungsstrategie für die Universität zu entwickeln. 28. Juli 2004 Der Antrag der Universität Leipzig auf Förderung des Projekts „Analyse der Wissenschaftspotenziale des Standortes Leipzig“ wird bei der Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer eingereicht. 30. August 2004 Bewilligung des Antrages der Universität Leipzig durch die Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer 22. September 2004 Beratung der Forschungskommission zur weiteren Vorgehensweise 15 UniCentral Neue intelligente Materialien Cluster 1: Von Mikro- zu Nanostrukturen: Anwendungen in Chemie und Physik Von Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins, Institut für Anorganische Chemie Die Darstellung, Charakterisierung, Reaktivität und Anwendung neuer intelligenter Materialien stehen im Zentrum dieses Clusters, in dem vier Subcluster inhaltlich und strukturell miteinander verbunden sind. Die im Subcluster Nano- und mikrodimensional strukturierte VerbindungsHalbleiter für Elektronik und Photonik untersuchten multifunktionalen Materialien stellen die Basis für verbesserte und neuartige Bauelemente für Elektronik und Photonik dar. Sie sind damit die Grundlage der existierenden und die Voraussetzung der künftigen Infrastruktur der modernen Gesellschaft in Bereichen wie nachhaltiger Energieversorgung (Photovoltaik), Kommunikation (Internet) und Unterhaltung (DVD, Flachdisplays). Im zweiten Subcluster werden die geänderten physikalischen und chemischen Eigenschaften von Molekülen in Wechselwirkung mit fluiden und festen Grenzflächen untersucht, die die Grundlage für zahlreiche technisch relevanten Anwendungen bilden. Diese reichen bei festen Grenzflächen von heterogenen Katalysatoren, über Adsorptionsphänomene bis zur Beständigkeit von Beton und umfassen bei fluiden Grenzflächen auch biochemischmedizinische und zellbiophysikalische, sowie umweltrelevante Fragestellungen. Die Schwerpunkte im Subcluster Polymere liegen im Bereich der Struktur und Dynamik von Polymeren als Schmelze und in Wechselwirkung mit Grenzflächen. Die hier untersuchten Materialien umfassen Homopolymere, Block-Copolymere, polymere und elastomere Flüssigkristalle, Biopolymere, polymere Colloide, semiflexible Polymere, molekulare Motoren und Nanoproben (Quantum dots, Nanokolloide) sowie auf Polymeren basierende biomimetische Materalien (z. B. Nanomuskel). Der Subcluster Molekulare Vorläufer für 16 Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins neue Materialien – Vom Molekül zum Material befasst sich mit der Synthese von Materialien mit optimierten katalytischen oder magnetischen, optischen und/oder elektronischen Eigenschaften. Hier werden einerseits molekulare „Precursoren“ untersucht, die als Zwischenglieder zwischen Molekül und Festkörper bezüglich ihrer Zusammensetzung und Reaktivität für die Bildung des gewünschten Materials optimal angepasst werden können. Andererseits erfolgt die gezielte Darstellung selektiver homogener Katalysatoren, die z. B. bei der Polymerisation von monomeren Bausteinen zu intelligenten oder biologisch abbaubaren Polymeren einsetzbar sind. Auf Grund der Komplexität der Systeme spielt die Entwicklung und Anwendung moderner Untersuchungsmethoden eine große Rolle, die in Leipzig traditionell auf dem Gebiet der Magnetischen Kern- und Elektronenresonanz (vereinigt im Zentrum für Magnetische Resonanz, gegründet 2002), der Oberflächenanalytik und verschiedenen analytischen Methoden liegt. So befinden sich allein im Bereich der Physik und Chemie mehr als zehn Großgeräte mit Anschaffungspreisen von über einer Million Euro pro Gerät, die ergänzt durch eine auch auf anderen Gebieten ausgezeichnete analytische Technik die experimentelle Basis für eine international anerkannte Forschung bilden. Die einzelnen Subcluster sind in umfangreiche regionale, nationale und internationale Kooperationen mit Universitäten, Forschungsinstituten und Industrieunternehmen eingebunden (Technologietransfer). Die Untersuchung der Grundlagen und anwendungsbezogener Aspekte erfolgt innerhalb der Universität in enger und langjähriger Kooperation von Physik, Chemie und Mineralogie innerhalb der Fächerübergreifenden Arbeitsgemeinschaft Halbleiterforschung Leipzig (FAHL), lokal auf dem Gebiet der anwendungsorientierten Grundlagenforschung mit dem Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) und auf dem Gebiet der theoretischen Modellierung mit dem Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig, (MPI-MiN). Die Beteiligung an DFG-Schwerpunktprogrammen, Sonderforschungsbereichen und Forschergruppen, an EU-Projekten sowie zahlreichen Einzelprojekten zeigt die nationale und internationale Bedeutung der Thematik. Umfangreiche BMBF-Förderung, intensive Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen (IOM, MPIMiN, Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, Max-Bürger-Zentrum u. a.) sowie die enge Zusammenarbeit mit der einschlägigen Industrie in der Technologieregion Dresden–Leipzig–Chemnitz–Berlin zeigen den potentiellen Anwendungsaspekt. Exzellente Nachwuchsförderung wird in interdisziplinärem Rahmen durchgeführt. Hier seien beispielhaft Graduiertenkollegs, das Internationale Promotionsprogramm „Forschung in Grenzgebieten der Chemie“, sowie diverse EU geförderte ExzellenzZentren genannt. Neben diesen speziellen Programmen zur Graduiertenförderung wird der Großteil der drittmittelfinanzierten Forschung von Doktoranden und Postdoktoranden durchgeführt. journal UniCentral Mit „intelligenten Materialien“ die Umwelt schonen Chemiker erforschen Katalysatoren Von Friederike Haupt „Der Brückenschlag zwischen idealen und realen Systemen ist unser Ziel“, sagt Prof. Dr. Helmut Papp vom Institut für Technische Chemie und meint damit die Verbindung von Theorie und Praxis in der heterogenen Katalyse. Im Rahmen eines Verbundprojektes in einem bereits seit vier Jahren laufenden Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das er deutschlandweit koordiniert, erforscht Papp mit seinen Chemiker-Kollegen Dr. Cornelia Breitkopf aus Leipzig, Prof. Dr. Johannes A. Lercher aus München, Dr. Friederike Jentoft und Prof. Dr. Joachim Sauer aus Berlin sowie Prof. Dr. Wolf Widdra und Dr. habil. Karl-Michael Schindler aus Halle die Aktivierung gesättigter Kohlenwasserstoffe (Alkane) durch umwandeln, dass zwar die Molekülgröße gleich bleibt, aber die Struktur der Verbindung sich ändert. Die Kohlenwasserstoffe werden von linearen zu verzweigten Molekülen.“ Um diese Strukturänderung möglich zu machen und eine Reaktion herbeizuführen, setze man in der Technik saure Katalysatoren, zum Beispiel Schwefelsäure oder Flusssäure, ein. Dieses Verfahren ist in der Praxis unter anderem für die Gewinnung von Benzin von Bedeutung, da verzweigte Kohlenwasserstoffe die Oktanzahl und damit die Qualität des Treibstoffes steigern. Die im Rahmen des DFG-Projekts und an der Universität Leipzig betriebenen Studien spielen gerade in der Grundlagenforschung eine bedeutende Rolle; Papp: „Uns geht es bei diesem Projekt um Beispiel für veränderte Strukturen durch Isomerisierung. Abbildung: Institut für Technische Chemie Säuren. Dieser Bereich der technischen Chemie ist Teil eines der vier Subcluster des Clusters 1 und baut auf die große Leipziger Traditionslinie in diesem Forschungsgebiet auf: Schon Wilhelm Ostwald, der von 1887 bis 1906 Professor für physikalische Chemie an der Uni Leipzig war, erhielt den Nobelpreis 1909 für seine Forschungen auf dem Gebiet der Katalyse.m Professor Papp erklärt, worum genau es sich bei der von ihm untersuchten Katalyse handelt: „Uns geht es vor allem um die Isomerisierung von Alkanen. Das heißt, dass wir bestimmte Kohlenwasserstoffe so Heft 5/2004 die Erforschung der Mechanismen: Wie läuft eine Reaktion ab und warum? Bei unseren Untersuchungen der Isomerisierung von Kohlenwasserstoffen handelt es sich um Untersuchungen mit Grundlagencharakter, bei der es eben auch um die Verknüpfung von Theorie und Praxis geht.“ Nun wird das Verfahren, hochkonzentrierte Säuren als Katalysatoren einzusetzen, um Alkane umzuwandeln, schon vielfach angewendet. Der Nachteil ist allerdings, dass die Säuren bisher ausschließlich im flüssigen Aggregatzustand eingesetzt wurden; irgendwann verschmutzen sie jedoch und müssen entsorgt werden – mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Prof. Dr. Papp und seine Forschungsgruppe beschäftigen sich mit einer neuen, ökologisch wesentlich schonenderen Art der Katalyse, bei der statt flüssiger feste Säuren, zum Beispiel sulfatiertes Zirconiumdioxid, eingesetzt werden. Für diese Katalyse wird ein sogenannter TAP-Reaktor, eine meterhohe Maschine, eingesetzt (TAP steht für Temporal Analysis of Products), bei dem gasförmige Kohlenwasserstoffe wie etwa n-Butan durch ein Katalysatorbett von nur wenigen Millimetern geleitet werden – die Zwischenstufen der stattfindenden Reaktionen werden mit dem TAP-Reaktor untersucht und lassen sich dann am Computerbildschirm verfolgen. Der Kohlenwasserstoff reagiert an der Oberfläche (der Chemiker spricht hier von Grenzfläche) des Zirconiumdioxides und verändert dadurch seine Strukturformel. Das von Papp und Prof. Dr. Morgner, Dekan der Fakutät für Chemie und Mineralogie, geleitete Subcluster „Moleküle in Wechselwirkung mit fluiden und festen Grenzflächen“ vergleicht also auch die Unterschiede beim Einsatz von flüssigen und festen Katalysatoren; Säuren in Pulverform sind eine wertvolle Alternative, da sie wesentlich länger haltbar, leichter regenerierbar und damit umweltschonender als flüssige Säuren sind. Außerdem, so Papp, isomeriere das n-Butan an den festen Katalysatoren schon bei einer Temperatur von 100 bis 200 Grad Celsius; diese relativ niedrigen Temperaturen seien für die Gewinnung von verzweigten Kohlenwasserstoffen sehr günstig. Wie groß das Interesse an der Isomerisierung ist, zeigt ein Projekt der Universitäten Leipzig und Krakau. Dr. Tomasz Tyszewski, Doktorand beider Universitäten, bekam im Juni dieses Jahres für seine Dissertation „Skeletal Isomerization of n-Hexane on Platinum and Palladium Loaded Sulphated Zirconia Catalysts“ die Note „magna cum laude“. Im Rahmen seiner Promotion, deren deutscher Doktorvater Prof. Papp war, beschäftigte sich Tyszewski mit sulfatiertem Zirconiumdioxid, das er in der Isomerisierung von n-Hexan einsetzte und somit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Subclusters leistete. Auch für die chemische Industrie sind die von Tyszewki untersuchten „intelligenten Materialen“ (Verbindungen, die zu einem bestimmten Zweck hergestellt wurden) von großer Bedeutung, da sie hoch korrosive, umweltschädliche Säuren ersetzen können. 17 UniCentral Flechtwerk aus Abstraktem Cluster 2: Mathematik und die exakten Naturwissenschaften Von Prof. Dr. Klaus Sibold, Institut für Theoretische Physik Unter Mathematical Sciences (MS) fasst man die Wissenschaftsbereiche zusammen, deren Fragestellungen mit strengen mathematischen Methoden behandelt werden können und die umgekehrt auch für die Mathematik interessante Fragen aufwerfen. Gerade dieses Wechselspiel macht ihre Fruchtbarkeit aus. So charakterisiert besteht der Cluster aus Mathematik, theoretischer und mathematischer Physik, theoretischer Chemie, theoretischer Biologie und Bioinformatik. Er strahlt auf andere Wissenschaftsbereiche, wie etwa Kognitions-, aber auch Wirtschafts- und Finanzwissenschaften, und damit auf die anderen Forschungscluster der Universität Leipzig aus. Die MS haben in Leipzig eine lange und ununterbrochene Tradition der Exzellenz, die maßgeblich war für die Gründung des Max-Planck-Instituts für Mathematik in den Naturwissenschaften (MPI-MIS) in Leipzig. In diesem Umfeld hat sich seither an der Universität Leipzig eine stark vernetzte Forschungslandschaft entwickelt, die Leipzig zu einem der attraktivsten Orte für die MS in Deutschland macht. Unsere Qualitätskriterien sind Publikationen in den fachlich angesehensten internationalen Zeitschriften, die externe, insbesondere internationale Zusammenarbeit, die Beachtung, die unsere Arbeiten an den führenden Forschungszentren der Welt und bei internationalen Konferenzen findet, die akademischen Karrieren, die unsere besten Absolventen verfolgen, und die Förderung durch Drittmittel. Die nachfolgende Liste zeichnet ein Bild davon, welche Themenbereiche der Forschung derzeit im Mittelpunkt des zu stellenden Antrags stehen: Partielle Differentialgleichungen, Variationsrechnung; Riemannsche Geometrie, dynamische Systeme, komplexe Analysis; Quantenfeldtheorie, Teilchenphysik; algebraische und symplektische Geometrie; geometrische, topologische und funktionalanalytische 18 Prof. Dr. Klaus Sibold Methoden in der mathematischen Physik; Stochastische Prozesse, Vielteilchensysteme; diskrete Mathematik, angewandte Informatik; Bioinformatik, mathematische Biologie; Gravitation; weiche Materie; Quantenmechanische Methoden in der Chemie. Entscheidend für die Besonderheit Leipzigs ist es nun gerade, dass diese Themenbereiche auch im Zentrum des Interesses der Direktoren und selbständigen Arbeitsgruppen des MPI-MIS liegen. Natürlich ist die Arbeit des Clusters über das MIS hinaus in zahlreiche nationale und internationale Forschungsvorhaben eingebunden. Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist die Graduiertenausbildung, die sehr erfolgreich auf hohem Niveau stattfindet. Denn in ihr realisiert sich nicht nur auf der Ebene der Ausbildung die Grundidee der MS als Einheit, sondern sie stellt auch einen Kristallisationspunkt für die Forschung dar. In zwei Graduiertenkollegs („Quantenfeldtheorie und ihre Anwendungen“ und „Analysis, Geometrie“) sind Professoren aus verschiedenen Fakultäten assoziiert und nehmen aktiv am Ausbildungsprogramm teil, das insbesondere in seinen Einfüh- rungskursen jeweils Physiker und Mathematiker gleichermaßen anspricht. In einer Vorlesungsreihe mit den Universitäten Jena und Halle („Mitteldeutsche PhysikCombo“) wird überregional ein weiteres Ausbildungsprogramm auf Graduiertenniveau mit Gastvortragenden organisiert. Im Bereich der Grundausbildung sind ein Kurs „Mathematische Physik“ und ein englischsprachiger Bachelor/Master-Kurs („International Physics Study Program“) besonders zu erwähnen. Dieses Gesamtprogramm ist deutschlandweit einmalig in Umfang, Internationalisierung und Interdisziplinarität. Auf dieser Basis lassen sich nun klar die Hauptziele formulieren: weitere Intensivierung der Forschung und der Graduiertenausbildung auf hohem Niveau, eine noch stärkere interne und externe Vernetzung des Clusters, sowie eine graduelle Ausweitung auf ausgewählte angrenzende Gebiete. Wir wollen eine Arbeitsatmosphäre von solcher wissenschaftlicher Qualität erzeugen, dass Leipzig ein internationaler Anziehungspunkt wird. Wichtigstes Strategieelement, um diese Ziele zu erreichen, ist eine Berufungspraxis, die der Besonderheit des Clusters Rechnung trägt und für die höchstes Niveau im Bereich der Forschung das entscheidende Kriterium ist. Für den Fall, dass der Cluster in das Förderprogramm aufgenommen wird, werden wir die Mittel in erster Linie für die Bildung von Nachwuchsgruppen verwenden, die den Cluster verdichten und vernetzen. Insbesondere wollen wir so flexibel auf neueste Entwicklungen reagieren. An zweiter Stelle in der Bedeutung steht für uns das Gästeprogramm, in dem pro Jahr für ein Semester eine Gastprofessur besetzt wird, die mit entsprechenden Mitteln ein eigenes Programm gestaltet. An dritter Stelle sollen Mittel eingesetzt werden für allgemeine Graduiertenförderung, Workshops, Konferenzen und Sommerschulen. journal ∂t α fα (m̄)χα + αβ |µαβ | ≤ − [Q(J) + Q∗(µ̄)] 1 2 2 |H| + |v| d|µαβ | − 2 αβ Höhere Mathematik für besseres Material Wenn Professor Luckhaus rechnet, dürfen auch Praktiker gespannt sein Von Carsten Heckmann Wer das Büro von Prof. Dr. Stephan Luckhaus betritt, dem schwant gleich, dass er es nicht leicht haben wird, die Arbeit des Mathematikers zu verstehen. Rechts an der Wand hängt eine große grüne Tafel, die von oben bis unten und von links bis rechts vollgeschrieben ist. Eine Formel neben, nein: über der anderen. Ob er selbst noch den Durchblick hat? Luckhaus lacht. „Ich habe kein Problem, zu erkennen, welches die letzte geschriebene Schicht ist. Wirklich nicht.“ Auf der Tafel und in Luckhaus’ Kopf tummeln sich Funktionsverläufe, Integrale, partielle Differentialgleichungen. Letztere stellen die hauptsächliche mathematische Methode dar, mit der Professor Luckhaus seinen Part im Cluster 2 (Mathematik und die exakten Naturwissenschaften) bestreitet. „Das ist im Cluster der Teil, der sich mit Materialwissenschaften beschäftigt“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Mathematische Optimierung. Er formuliert es auch gern konkreter: „Es geht unter anderem um den Komplex von Phasenübergängen mit Oberflächenenergie.“ Phasenübergänge? „Eines der klassischen Beispiele ist das Schmelzen von Eis in Wasser. Wir nennen es das Stefanproblem, benannt nach einem Mathematiker aus dem vorvorigen Jahrhundert. Eis ist ein fester Stoff, hat eine Kristallstruktur. Wasser hingegen hat mehr Freiheitsgrade, daher eine höhere spezifische Wärme. Somit schmilzt das Eis.“ Natürlich geht es Luckhaus nicht ums Eis. Aber zum Beispiel um Stahl. Auch bei Stahl gibt es Transformationsprozesse. Über die würden Physiker gerne mehr wissen – und Mathematiker können ihnen vielleicht dabei helfen. „Es ist noch unverstanden, was genau die feine Kornstruktur von fertigem Stahl erzeugt“, Heft 5/2004 sagt Luckhaus. „Aber die Struktur dessen, was Sie am Ende haben, und natürlich auch der Eigenschaften des Endmaterials, das ist etwas, das man in der technischen Physik am liebsten vorhersagen möchte.“ Entscheidend für solche Strukturen sind die Energien, die die Form eines einzelnen kleinen Kristalls im Stahl bestimmen, „die darin ein Muster erzwingen“. In einem solchen Kristall befinden sich Körner und zwischen den Körnern Oberflächen – so landet man beim Thema Oberflächenenergie. Die den Mathematiker interessierenden Oberflächen sind also nicht die, die man sieht, wenn man mit bloßem Auge auf ein Stück Stahl blickt. Professor Luckhaus versucht, stark vereinfacht formuliert, Materialstrukturen vorauszuberechnen – eine Voraussetzung, um bestimmte Strukturen zu designen, die man besonders effektiv herstellen kann oder für besonders widerstandsfähig hält. „Manchmal ist so etwas auch unabdingbar für den Betrieb einer Maschine“, erklärt Stephan Luckhaus. „Denken Sie an die Herstellung von Eisenbahnschienen: Da fließt eine flüssige Mischung aus Eisen und allen möglichen Legierungen plus Kohlenstoff in die große Walzanlage – am Ende kommt ein Schienenstück raus. Dabei ist es für das Betreiben der Anlage wichtig zu wissen, wo das Material noch flüssig ist und wo schon fest.“ Im Grunde wisse man das heute grob, basierend auf Erfahrungswerten. Auch Gleichungen könne man dafür schon aufschreiben. „Wir wissen aber auch, dass diese Gleichungen Modellfehler haben.“ Luckhaus ist Perfektionist. Modellfehler mag er nicht besonders. Aber er weiß, dass er damit leben muss: „Wenn ich etwas mathematisch beweise, dann ist es richtig. Aber es basiert auf Voraussetzungen. Und was ich voraussetze, sind Gesetzmäßigkeiten in Form von Gleichungen und Funktionen. Dabei gibt es immer Unsicherheiten, Lücken.“ Solche Lücken will der 51-Jährige nun im Cluster zusammen mit Kollegen aus der Physik, der Bioinformatik und vom Leipziger Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, wo er externes Mitglied ist, schließen. „Um zu dem Beispiel zurückzukommen: Was da am Ende genau für Stahl herauskommt und welche Eigenschaften er hat, das ist nicht das Thema im Cluster. Wir arbeiten auf einer theoretischen Ebene. Aber von unserer Arbeit können Materialforscher hoffentlich profitieren.“ In diese Arbeit investiert Luckhaus auch einen Teil der 125 000 Euro, mit denen der Max-Planck-Forschungspreis dotiert war, den der Leipziger Ende 2003 verliehen bekam – für Projekte, „die methodisch nicht weit weg sind vom Cluster-Projekt“. In Deutschland macht Luckhaus so schnell niemand etwas vor auf seinem Spezialgebiet. In seine Arbeit im Cluster hat er noch Kollegen aus Austin/Texas, Prag, Rom und Haifa eingebunden. Den Generalschlüssel zu in der Praxis verwertbaren Ergebnissen, den will und kann Luckhaus nicht versprechen. Er sieht sich ohnehin eher als Philosoph, als Denker, denn als kühler Rechner – sein Tafelbild mag das bestätigen. Er sagt aber auch, dass Mathematiker durchaus Ingenieure sind. „Ich bin dadurch motiviert, dass ich Erkenntnis gewinnen will. Auf dem Weg dahin entdecke ich immer wieder Dinge, die von Nutzen sein können für eine Simulation. Irgendjemand zieht daraus diesen Nutzen, probiert etwas aus. Er verlässt dann aber oft den Boden der gesicherten Erkenntnis, auf dem wir uns bewegen.“ 19 UniCentral Wenn Zellen kommunizieren … Cluster 3: Biomedizin, Biotechnologie und Bioinformatik Von Prof. Dr. Martin Schlegel, Institut für Biologie II An den Universitäten Leipzig, Halle und Jena beschäftigen sich mehrere international konkurrenzfähige Arbeitsgruppen mit biomolekularer Kommunikation. Der Schwerpunkt der Universität Leipzig liegt hierbei im Bereich zellulärer Kommunikation, Wachstum und Differenzierung. Von der Zusammenfassung und Fortentwicklung dieser Aktivitäten zu einem Exzellenz-Zentrum erwarten wir grundlegende Erkenntnisse über zelluläre Kommunikation und ihre Steuerung, ihre Bedeutung für Wachstum und Differenzierung, insbesondere auf der Ebene der Proteininteraktionen. Weiterhin werden zell- und molekularbiologische sowie proteinchemische und -analytische Grundlagen in Hinblick auf eine klinische und biotechnologische Nutzung erforscht. Im Ergebnis wird die reibungslose Überführung von klinisch relevanten Resultaten aus der Grundlagenforschung in klinische Studien sowie in eine verbesserte Diagnostik, Therapie und Prävention, beispielsweise im Hinblick auf die schärfere Differenzierung von Tumorsubgruppen bezüglich Pathogenese, Progression und Therapierbarkeit. Charakteristisch für den Cluster ist somit die Verknüpfung grundlagenorientierter, experimenteller Forschung mit anwendungsorientierter Forschung. Hierbei sind drei Subcluster inhaltlich und strukturell miteinander verbunden: Biomedizin, Molekulare Biotechnologie und Bioinformatik. Unter den Stärken der beteiligten Einrichtungen ragen die folgenden besonders hervor: Molekulare Diagnostik und funktionelle Genomik, Proteinanalytik und -Modifizierung, Genetische Evolution, Gewebeorganisation und Signaltransduktion, Klinische Studienforschung (Therapie und Prävention), Studienmethodik und Krankheitsmodelle. 20 Prof. Dr. Martin Schlegel Im Zentrum dieses Clusters stehen die an der Universität Leipzig und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen vorhandenen vielfältigen Kompetenzen im Bereich der Lebenswissenschaften, die unter anderem der Biotechnologie-/Gentechnologie-Initiative des Freistaates Sachsen (BIOCITY Leipzig) Profil verleihen. Traditionell arbeiten Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammen. Der Cluster vereint Mitglieder aus der Medizinischen Fakultät, Veterinärmedizinischen Fakultät, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie, Fakultät für Chemie und Mineralogie, Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Fakultät für Mathematik und Informatik. Zudem werden die genannten Aktivitäten fakultätsübergreifend in interdisziplinären Zentren gebündelt: im BiotechnologischBiomedizinischen Zentrum, im Interdisziplinären Zentrum für Bioinformatik, im Zentrum für Toxikologie, im Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) und im Koordinierungszentrum für Klinische Studien Leipzig (KKSL). Die Vernetzung mit außeruniversitären Einrichtungen wird durch die Beteiligung zahlreicher Einrichtungen deutlich: MPI für Mathematik in den Naturwissenschaften, MPI für evolutionäre Anthropologie, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH (UFZ), Sächsisches Institut für Angewandte Biotechnologie e. V. an der Universität Leipzig (SIAB) sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der MaxPlanck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle. Nachwuchsförderung wird im interdisziplinären Rahmen durchgeführt. Von der Medizinischen Fakultät und der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie wurde ein strukturiertes Doppel-Promotionsprogramm (MD/PhD-Programm) eingerichtet. Ziel ist es, besonders hoch begabten Doktoranden der medizinischen Fächer die Möglichkeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Dr. med. und eines Dr. rer. nat. zu bieten sowie Naturwissenschaftlern die Möglichkeit zusätzlich zum Dr. rer. nat einen Dr. rer. med., oder einen Dr. rer. med. allein zu erwerben. In Leipzig ist darüber hinaus das Postgradualstudium Toxikologie und Umweltschutz (PGS) angesiedelt, das in einem zweijährigen Aufbaustudiengang die Weiterbildung zum Fachwissenschaftler für Toxikologie ermöglicht. In Schwerpunktbereichen erfolgt eine interdisziplinäre, strukturierte Doktorandenausbildung mit internationaler Ausrichtung, wie z. B. in dem Internationalen Promotionsprogramm (IPP) der Fakultät für Chemie und Mineralogie. journal UniCentral Wer dreht die Helix? Biowissenschaftler untersuchen Protein-Zustände Von Marlis Heinz Ein Bündel von verschiedenfarbigen Spiralen, manche steil aufgerichtet, manche gebogen oder geknickt, illustriert das Heft, das Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger vor sich liegen hat. Auf einigen hundert Seiten fasst die Broschüre die bisherigen Arbeitsergebnisse des Sonderforschungsbereiches 610 zusammen. Der Titel der Arbeiten: „Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz“. Deshalb auch diese Abbildung auf dem Titelblatt: Die Spiralen stellen aus Aminosäuren zu Ketten zusammengefügte Proteine dar. So wie auf der Skizze sind sie unter anderem in den Zellmembranen eingelagert, wo sie nahende Substanzen, Hormone zum Beispiel, erkennen und deren Botschaft in der Zelle weiterleiten – oder auch nicht. Die Proteine können nämlich durch verschiedenste Modifizierungen in ihrer Funktion lahmgelegt oder verändert sein und damit falsche Signale in die Zellen aussenden. Dies passiert durch irreguläre Faltungszustände, durch unplanmäßige Aneinanderlagerung zu Fibrillen, durch die Zellen irreführende Bewegungszustände oder durch chemische Modifizierungen. Hier setzt die Forschung des SFB 610 an. Gemeinsam mit ihren Kollegen der MartinLuther-Universität Halle, der Max-PlanckForschungsstelle Halle und mit Leipziger Medizinern untersuchen Wissenschaftler der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie 16 verschiedene Proteine. Im Fokus stehen deren Veränderungen und die Auswirkung auf zellbiologisch und medizinisch bedeutsame Vorgänge. Mit dieser Forschung bauen die Biochemiker sozusagen noch ein Erdgeschoss unter das bestehende Gebäude der klassischen Medizin, denn durch fehlerhafte Protein-Zustände entsteht ein Großteil der Krankheiten. Am bekanntesten ist hier sicherlich BSE, bei dem ein Eiweiß, das sich lediglich in seiner räumlichen Struktur, nicht aber in der Anordnung der einzelnen Aminosäuren vom normalen Heft 5/2004 Protein unterscheidet. Aus Proteinveränderungen resultieren vermutlich auch Störungen der Sinnesorgane und Krankheiten wie Alzheimer, Chorea Huntington und Creutzfeld-Jacob. „Wir schauen uns speziell für diese Untersuchungen mit Hilfe von Bakterien gezüchtete modifizierte Proteine an, um zu sehen, wie die Modifizierung die normalen Abläufe beeinflusst“, erläutert Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger das Vorgehen ihrer Forschungsgruppe. „Besonders interessant sind hier die menschlichen Hormonrezeptoren, die sich mitunter wie Schalter umlegen und nicht mehr funktionieren.“ Was an diesen Studien ist nun wirklich neu und – deshalb ja auch der Sonderforschungsbereich – der speziellen Förderung wert? Die prinzipielle Möglichkeit, Proteinfaltungen zu betrachten, hat die Wissenschaft schon seit 50 Jahren. Den Aufbau der Proteine kennt man seit der lückenlosen Aufdeckung der Human-GenomSequenzierung vor etwa drei Jahren. „Wir aber sind nun dabei, zu erforschen, inwieweit die Reihenfolge der Aminosäuren die Spiralform der entstehenden Helix verursacht. Wo liegt der Bauplan für die Dreidimensionalität?“, fragt Beck-Sickinger. „Wenn wir das wissen, können wir auch ergründen, wie das Hormon Signale in die Zelle gibt. Wie kommt es beispielsweise, dass wir vom Kaffee munter werden? Wie wirken Beta-Blocker? Welcher Defekt verursacht epileptische Anfälle? Das alles kann bisher noch niemand wirklich begründen. Mit unseren Fragestellungen begeben wir uns in die Tiefe vieler Krankheiten, deren molekulare Ursachen nur erahnt werden und die derzeit nur in ihren Symptomen behandelbar sind. Es können auf der Basis unserer molekularen Forschung völlig neue Therapien entstehen und Nebenwirkungen im Vorfeld abschätzbar und möglicherweise vermeidbar werden.“ Ein Patent, mehrere Preise und Auszeichnungen sowie rund einhundert Publikationen künden vom bisherigen Ertrag der Arbeit des Hallenser/Leipziger Teams. Zu den Ergebnissen gehört unter anderem die Erforschung der Wirkungsweise von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, also Eiweißen die in der Zellmembran Hormone erkennen und in die Zellen leiten. Etwa die Hälfte aller Medikamente bindet an derartige Rezeptoren. „Und zu uns gehört eine der wenigen Gruppen weltweit“, sagt Prof. Dr. Beck-Sickinger, „die Bakterien dazu bekommt, solche G-Protein-gekoppelten Rezeptoren herzustellen und im Reagenzglas korrekt oder in genetisch fehlgeleiteter Form zu falten, sowie die Gruppe, die bestimmte Faltungshelfer, sogenannte cis/trans-Prolylisomerasen, als erstes entdeckt hat.“ Zu den besonderen Potenzen des Forschungsverbundes zählt außerdem die Molekülmodellierung im theoretischen Modell sowie die Untersuchung der Proteine mittels der Kernresonanzspektroskopie oder der Röntgenstrukturanalyse. Aber das war erst der Anfang einer weiten Strecke. Ein Blick voraus: „Wir möchten jetzt verstehen, wie Eiweißmoleküle innerhalb der menschlichen Zelle funktionieren, wie außerhalb,“ erläutert Prof. Dr. Annette G. Beck-Sickinger. Hierfür sollen in Zukunft die Eiweiße in lebenden Zellen auf Bio-Chips untersucht werden. Ein Blick ganz weit voraus: „Ich möchte unbedingt verstehen, wie die Regulation der Nahrungsausnahme auf molekularer Ebene funktioniert. Nach allem was jetzt abzusehen ist, wird in absehbarer Zeit Nahrungsüberschuss und Überernährung ein wesentlich größeres, medizinisches Problem sein als Nahrungsmangel. Die Forderung nach Verzicht funktioniert bekanntlich nicht. Also müssen wir das Übergewicht in seinen biochemischen Ursachen bekämpfen. Aber das ist ein riesiges Räderwerk …“ 21 UniCentral Warum wir uns wie verhalten Cluster 4: Vom Molekül zum Verhalten Von Prof. Dr. Dorothee Alfermann, Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik, Prof. Dr. Andreas Reichenbach, Paul-Flechsig-Institut, Prof. Dr. Rudolf Rübsamen, Institut für Biologie II, und anderen Der Gewinn dieses Forschungsclusters liegt zum einen darin, dass erstmalig ein stringenter, aufeinander aufbauender Forschungsstrang entsteht, der von der genetischen Analyse bis hin zur Erklärung und Beeinflussung menschlichen Verhaltens reicht. Zum anderen wird im Rahmen von Graduierten- und Promotionskollegs eine hochklassige Förderung sowie Vernetzung des Nachwuchses ermöglicht. Der Cluster verbindet die Ebenen menschlicher und tierischer Entwicklung vom Gen bis zum Verhalten. Gen: Hier ist die übergreifende Zielrichtung die Untersuchung genetischer Voraussetzungen von spezifischen Verhaltensweisen. Am Max-Planck Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI EvA) werden die genetischen Grundlagen der Menschwerdung erforscht. Hierzu werden in einem breiten Forschungsansatz systematisch Unterschiede im Genom von Menschenaffen und Menschen erfasst. Molekül: Auf dieser Ebene werden molekulare Mechanismen neuronaler Funktionen und ihrer Adaptation unter physiologischen (neuronale Plastizität) und pathologischen Bedingungen (neurodegenerative Erkrankungen) untersucht. Daran sind Einrichtungen der Medizinischen Fakultät und der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie beteiligt. Zelle: Auf dieser Ebene werden die zellulären Mechanismen untersucht, die der (adaptiven) Entwicklung und Funktion des Zentralnervensystems und damit dem Verhalten zugrunde liegen. Daran ist neben universitären Einrichtungen (Medizin, Pharmazie, Physik) auch das Biotechnologisch-Biomedizinische Zentrum (BBZ) beteiligt. System: Untersuchungen auf der Ebene von neuronalen Systemen sind ein unerlässliches Bindeglied zwischen der Analyse von Charakteristika spezifischer Nervenzellen und der Erforschung von Verhaltensweisen, da jegliche Verhaltensäußerung das Ergebnis koordinierter Inter22 Linguistik sowie im Bereich des motorischen Lernens die Sportwissenschaftliche Fakultät, das MPI KuN und das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft. Verhalten III – Maladaptives Verhalten: Diese Ebene steht in komplementärer Beziehung zur Ebene II. Es werden Mechanismen untersucht, welche „Entgleisungen“ der normalen und gesunden Prozesse bedeuten. Im Zentrum für Prävention und Rehabilitation sind dazu verschiedene Arbeitsgruppen aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Sportwissenschaft vereint. Prof. Dr. Dorothee Alfermann aktionen zwischen Neuronenverbänden ist. Diesbezüglich gibt es am Wissenschaftsstandort Leipzig eine Konzentration auf Fragen nach der Funktion verschiedener Hirnareale bei der Prozessierung akustischer Signale besonders hinsichtlich Sprachverständnis und Sprachproduktion sowie des Musikhörens. An diesen Untersuchungen sind das Max-Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (KuN), das MPI EvA sowie sprachwissenschaftliche Arbeitsgruppen an der Philologischen Fakultät und biologische Arbeitsgruppen an der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie beteiligt. Verhalten I – Basale Grundlagen: Auf dieser Ebene werden mentale Leistungen – wie Aufmerksamkeit und Sprache – im Rahmen des Informationsverarbeitungsansatzes untersucht. In diese Forschung sind das Institut für Psychologie I, das Institut für Linguistik und das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI KuN) eingebunden. Verhalten II – Adaptives Verhalten: Auf dieser Ebene werden Bedingungen und Folgen von sprachlichem und motorischem Handeln untersucht. Beteiligt sind: das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI EvA), das Institut für Perspektiven: Zur Zeit wird das Konzeptpapier für einen SFB zum Thema „From input systems to cognitive representation“ vorbereitet. Aus dem obigen Forschungscluster sind die drei Ebenen Systeme, Verhalten I und Verhalten II beteiligt. Die in Leipzig vorhandene Kompetenz auf den Gebieten der evolutionären Anthropologie sowie der Molekular- und Zellbiologie neuronaler Signaltransduktion schafft zudem ideale Voraussetzungen für einen interdisziplinären Ansatz zur Untersuchung der biologischen Grundlagen mentaler Prozesse und ihrer Störungen. Ein wesentliches Element ist hierbei die Initiative zur Bildung einer DFG-Forschergruppe zum Thema „Evolution of Neural Signaling Systems“. Die Leipziger Linguistik (an Uni, MPI KuN und MPI EvA) beantragt zur Zeit die Einrichtung einer neuen DFG-Forschergruppe, die grammatiktheoretische Fragen („Systeme“) mit empirischen Befunden aus der Psycho- und Neurolinguistik („Verhalten I“) und der Typologie („Verhalten II“) konfrontiert. Innerhalb der Medizinischen Fakultät sind unter dem Rahmenthema „Prävention“ eine Vielzahl von Forschungsaktivitäten im Gang oder geplant. Langfristig ist außerdem der Aufbau einer Forschergruppe anzustreben, die zu einer weiteren Verknüpfung der Ebenen vom System bis zu Verhalten II und III beiträgt. journal UniCentral Die Sprachstörung früh erkennen Weltweit einmaliges Projekt zur Sprachentwicklung von Kindern Von Dr. Bärbel Adams Schon einen Tag nach der Geburt werden sie zu Probanden an der Abteilung Neuropsychologie des Max-Planck-Institutes für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Angela Friederici verfolgen die sprachliche Entwicklung im Gehirn von 200 Kindern. 50 von ihnen kommen aus Familien, in denen bereits Sprachstörungen aufgetreten sind, denn die Forscher vermuten eine genetische Prädisposition. Für die Untersuchung werden an den Köpfen der Kinder Elektroden angebracht, die die elektrischen Impulse der Nervenzellen messen und die als Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet werden. Die elektrischen Impulse der Nervenzellen werden ausgelöst, während man mit dem Kind spricht. Indem in regelmäßigen Abständen solche EEGs aufgezeichnet werden, spiegeln sie das sprachliche Verhalten der Kinder in ihrer Entwicklung wider. Aber spiegeln sie auch sprachliche Fehlleistungen des Gehirns wider? Prof. Friederici: „Als wir die elektrophysiologischen Daten der Kinder aus Familien mit Sprachstörungen verglichen mit denen von Kindern aus sprachlich ‚normalen‘ Familien, konnten wir schon in den Kurven zwei Monate alter Babys Unterschiede ausmachen, die zurückzuführen waren auf massive Störungen bei der Wahrnehmung von langen und kurzen Silben! Dort gab es Verzögerungen von 200 Millisekunden, die ausreichen, um die Aufnahme des gesamten Lautkomplexes zu stören, weil in der mit normaler Geschwindigkeit gesprochenen Sprache der nächste Laut schon angekommen ist, bevor der vorherige verarbeitet werden konnte.“ Am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, in der Arbeitsgruppe von Prof. Swante Pääbo, hat Prof. Friederici einen Partner, der zusammen mit Kollegen Heft 5/2004 von der Universität Oxforf das Phänomen genetisch untersucht. Von den Kindern mit der gestörten Sprachwahrnehmung wurde Blut abgenommen, um nach genetischen Parametern zu suchen, die die Prädisposition für eine sprachliche Störung belegen könnten. Weiter arbeitet das MPI mit den Wissenschaftlern am Institut für Kognitive und Biologische Psychologie der Universität um Prof. Dr. Erich Schröger zusammen. Prof. Schröger sucht nach den Ursachen der Lese- und Rechtschreibschwäche. Dazu ist bekannt, dass ein Großteil der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen später eine Lese- und Rechtschreibschwäche ausbildet. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese bereits in Schwierigkeiten der frühen akustischen Wahrnehmung begründet liegen. Es liegt also auf der Hand, dass die Kinder mit dieser Wahrnehmungsstörung sehr genau auch daraufhin beobachtet werden, ob und welche dieser Kinder später die Lese- und Rechtschreibschwäche ausbilden. Für Prof. Friederici ist diese Zusammenarbeit ein gutes Beispiel für die sinnvolle Kooperation zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen: „Das ist ja gerade der Vorteil der Forschungscluster, dass sie verschiedene Forschungsgegenstände der Wissenschaftler zusammenführen. Das wissenschaftliche Ergebnis seinerseits kann dann natürlich die komplexen Zusammenhänge der Wirklichkeit umfassender und genauer widerspiegeln.“ Neben dem wissenschaftlichen Erfolg ergeben sich aus dem Projekt auch ganz praktische Konsequenzen. Prof. Friederici: „Unsere Elektroenzephalogramme ermöglichen auch die frühzeitige Diagnose von Sprachstörungen. Und, obwohl es noch keine entwickelten Therapieprogramme gibt, können wir den Eltern auch Tipps geben. Wir raten ihnen z. B. mit den Kindern Für die Untersuchung werden an den Köpfen der Kinder Elektroden angebracht, die die elektrischen Impulse der Nervenzellen messen. Foto: Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften in einer Art zu reden, die früher unsere Großmütter automatisch gegenüber Babys und Kleinkindern anwandten: langsam zu sprechen und die langen Silben überzubetonen.“ Der Grund dafür liegt in der besonderen Melodie jeder Sprache. Im Deutschen sind z. B. zweisilbige Wörter immer auf der ersten Silbe betont. Dem entspricht die lange Silbe. Unbetonte Silben dagegen fallen kurz aus. Man kann also schon im Sprachstrom identifizieren: Hier fängt ein neues Wort an! Mit dem Überbetonen wichtiger, also langer Silben, könnten die Eltern dem Kind helfen, die Fähigkeit, betonte von unbetonten Silben zu unterscheiden, über diesen Umweg auszubilden. Was lange Zeit als Babytalk abgetan wurde, hat also seinen Sinn. Ebenso die Kinderlieder, die immer seltener gesungen werden. „Wir haben zum Beispiel gefunden, dass beim Erwachsenen die neuronalen Netzwerke, die Musik verarbeiten, sehr große Überlappungen haben mit den neuronalen Netzwerken, die für akustische Sprachverarbeitung da sind, die ja immer auch mit Melodie verbunden ist“, erläutert die Wissenschaftlerin. „Es ist daher vorstellbar, dass Training des einen auch Training des anderen bedeutet.“ 23 UniCentral Die Dynamik der Dimensionierung Cluster 5: Neue Räume sozialer und kultureller Prozesse Von PD Dr. Matthias Middell, Institut für Kulturwissenschaften Dieser Kompetenzbereich steht unter dem Titel „Neue Räume sozialer und kultureller Prozesse“. Er vereint Beiträge aus neun Fakultäten, dem Zentrum für Höhere Studien, dem Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen und dem Lateinamerikazentrum sowie fünf außeruniversitären Einrichtungen (Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig, Institut für Troposphärenforschung Leipzig, Simon-DubnowInstitut für jüdische Geschichte und Kultur und das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle). Die gemeinsame Fragestellung der zahlreichen Projekte dieses sehr weit gespannten Kompetenzbereiches bezieht sich auf die Verräumlichung sozialen und kulturellen Handelns: Wie kann man die Erfahrungen wissenschaftlich verarbeiten, die die Dynamik der aktuellen Neudimensionierung von relevanten Räumen – und die durch sie bedingte Globalisierung – mit sich gebracht hat? Raum wird dabei sowohl als Handlungs- wie auch als Wahrnehmungsraum verstanden. Die geistes-, sozial-, kultur- und umweltwissenschaftlichen sowie geographischen Beiträge zu verschiedenen Großregionen der Erde sind durch komparative Vorgehensweisen und Verflechtungsanalyse miteinander verbunden. Das Thema dieses Kompetenzbereiches reflektiert eine aktuelle Erfahrung: Alte Raumbezüge lösen sich auf, verlieren an Relevanz und werden durch neue ersetzt, die mit gewohnten Mustern der Verräumlichung (wie dem Nationalstaat) konkurrieren. Um diesen außerordentlich vielgestaltigen Prozess erfassen zu können, bedarf es der weitgespannten interdisziplinären Zusammenarbeit. Gleichzeitig liegt der Fokus der beteiligten Forschergruppen auf einzelnen Dimensionen der Verräumlichung wie städtischen, regionalen, natio24 PD Dr. Matthias Middell nalen Bezügen sowie interkulturellen und internationalen Beziehungen und Austauschprozessen. Folgende Gruppen sind beteiligt, die sich gegenseitig ergänzen und den Kompetenzbereich näher strukturieren: – Chancen und Risiken durch Strukturwandel für Stadtregionen Mittel- und Osteuropas – Hybridität – Internationalisierung – Entstehung eines transatlantischen Raumes – Differenz und Integration – Migration in langer historischer Perspektive – Territorialisierungsprozesse und -diskurse in der Moderne – Rekonfigurationen Europas – Emerging Megacitys Der Kompetenzbereich schließt an eine lange Tradition vergleichender humanwissenschaftlicher Forschung an. Diese hat an der Leipziger Universität seit dem späten 19. Jahrhundert Anthropogeographen, Kul- tur- und Sozialwissenschaftler unterschiedlichster Ausrichtung, Historiker, Sprachforscher, Ethnologen usw. zusammengeführt. Heute verfügen die Universität und die erwähnten außeruniversitären Institute über eine nur an wenigen anderen Orten in Deutschland zu verzeichnende Breite der Regionalkompetenzen (Ostmittel- und Südosteuropa; Westeuropa; Transatlantischen Beziehungen Europas; Nord- und Südamerika; subsaharisches Afrika, Naher und Mittlerer Osten, Ostund Südasien). Darüber hinaus stehen sie auch für eine weit gefasste methodische Kompetenz, um zivilisationsübergreifende Problemstellungen bearbeiten zu können. Das Zusammenwirken von Geistes- und Sozialwissenschaften einerseits und Umweltwissenschaften andererseits ermöglicht, die Rolle kultureller Faktoren (d. h. politischer, wirtschaftlicher, juristischer, usw.) und natürlicher Faktoren abwägen zu können. Der Kompetenzbereich stützt sich in der Universität auf zahlreiche bereits gut etablierter Forschungsgruppen. Zu nennen sind beispielsweise der SFB 586, das Iberoamerikanische Forschungsseminar, der aus dem SFB 417 hervorgegangene Forschungsverbund „Raum“ und der Internationale Promotionsstudiengang „Regionalisierung und Transnationalisierung vom 18. Jh. bis zur Gegenwart“ am Zentrum für Höhere Studien. Bereichert wird der Kompetenzbereich aber auch durch derzeit neu entstehende interdisziplinäre Arbeitsgruppen (unter anderem zu Beziehungen zwischen den USA und Europa, wo Amerikanisten und Politikwissenschaftler zusammenwirken, oder zu „Randzonen der Globalisierung“, wo Theaterwissenschaftler, Afrikanisten, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Anthropologen kooperieren). Aus den außeruniversitären Instituten nehmen in der Drittmitteleinwerbung sehr erfolgreiche Projektgruppen an der Arbeit des Kompetenzbereiches teil. Alle involvierten Gruppen sind international weithin vernetzt. Ein erster entscheidender Schritt ist getan worden, indem die verfügbaren Kompetenzen aller Beteiligten erhoben wurden. Damit können benachbarte Interessen verknüpft werden und gleichzeitig ist es möglich, die Vorhaben und Kooperationsformen für eine mittelfristige Perspektive festzulegen. So kann aus einer Versammlung von Kompetenzen ein weiter ausstrahlendes und insgesamt förderfähiges Profil erwachsen. journal UniCentral Nomaden ohne Weide? Chancen und Risiken von Regionalisierungsprozessen in Marokko und China Von Volker Schulte Mit dem ländlichen Marokko, das seit etlichen Jahrzehnten eine Denomadisierung erfährt, und dem tibetanischen Hochland in China, das seit jüngstem durch eine Renomadisierung gekennzeichnet wird, untersuchen die Mitarbeiter des Orientalischen Instituts Ingo Breuer und Andreas Gruschke – Projektleiter ist Prof. Dr. Jörg Gertel – innerhalb des Sonderforschungsbereiches 586 („Differenz und Integration“) zwei Fallbeispiele zum Thema Geschichte, Struktur und Dynamik von Regionalisierungsprozessen. Konkreter gesagt: Es geht um nomadische Lebenschancen und die Zukunft des Pastoralismus. Mit dem Geographen Ingo Breuer, der von 2001 bis 2003 in Marokko unter nomadischen Gruppen gelebt und geforscht hat und mit dem Rückenwind der DFG-Zusage für eine Weiterführung des SFB bis 2008 in das nordafrikanische Land zurückkehren wird, unterhielten wir uns über das Forschungsprojekt „Nomaden ohne Weide?“ Zu seinen Feldstudien begab sich unser moderner Forschungsreisender in die entlegenen, nur gelegentlich von TreckingTouristen durchquerten Bezirke Oussikis und Iknioun, zwischen Atlas-Gebirge und Heft 5/2004 Sahara gelegen. Er bezog Quartier bei Familien im Dorf oder in Nomadenzelten, er erlernte die Sprache der berberischen Bewohner, das Tashelhayt, und war entweder im Auto, zu Fuß oder auf dem Maultier unterwegs. In einer Region, in der zwar eine Analphabetenquote bis zu 80% herrscht, in der aber ein ständiges Kommen und Gehen von Personen herrscht und entsprechend ein reger mündlicher Austausch auch über größere Entfernungen hinweg gegeben ist. Seine Forschungen betrieb er mit Methoden der empirischen Sozialforschung wie der teilnehmenden Beobachtung, dem Interview, der Ermittlung von Biografien und der Kartierung. Am Ende stand die Erhebung quantitativer Daten, wobei er mittels Fragebogen über 300 Haushalte befragte. Die Fragen zielten u. a. auf die Haushaltsstruktur, die materiellen Ressourcen, die sozialen Netzwerke, den Zugang zu Land und Tieren. Zu den empirischen Befunden gehört, dass zum traditionellen nomadischen Zyklus, in dem die Schafe und Ziegen im jahreszeitlichen Rhythmus in den Bergen oder in der Wüste weiden, neuerdings immer stärker eine Weidewirtschaft tritt, bei der Zelte und Tiere auf Lastwagen verladen und in neue Obwohl die Nomaden von Oussikis (Marokko) scheinbar „traditionell“ wirtschaften, sind sie doch hochgradig in (inter)nationale Arbeits- und Warenmärkte eingebunden: einzelne Familienmitglieder sind als Arbeitsmigranten in marokkanischen Großstädten oder in Europa tätig; die Gerste für die Tiere kommt teilweise aus den USA. Foto: Ingo Breuer Weidegebiete in 500 bis 800 km Entfernung gebracht werden. Und die Menschen dieser Region sind oft keine reinen Nomaden mehr. Teile der Familienverbände arbeiten als Tagelöhner in marokkanischen oder französischen Städten, viele Haushalte können nur noch dank des damit verbundenen Geldtransfers existieren. Andere Erwerbsquellen sind Kleinhandel, Militärdienst und natürlich noch immer der Verkauf von Tieren. Das Fazit von Ingo Breuer: „Nomaden werden immer enger in (inter)nationale Arbeits- und Warenmärkte eingebunden und ihre Lebenswelt wird zunehmend auch durch neue Kommunikationsmittel nachhaltig verändert.“ Vor diesem Hintergrund werden sich die Projektmitarbeiter in den nächsten Jahren mit den Problemen und Potentialen beschäftigen, die sich aus neuen Regionalisierungsprozessen ergeben. Standen zunächst die verschiedenen Übergangsprozesse zwischen ländlicher Peripherie und urbanen Zentren, die Beziehungen zwischen Nomaden und Sesshaften in Regionen im Mittelpunkt des Interesses, so gilt das jetzt vorrangig der Konstruktion von Räumen, die territorial nicht vorgegeben sind, sondern gemacht werden, entweder von oben als administrativer Raum oder von unten als Handlungsraum durch die Interaktion etwa von Viehzüchtern und überregional operierenden Viehhändlern. Aufgabe der Forschung ist es herauszufinden, wie sich im Gefüge globaler Zusammenhänge für bestimmte Nomadengruppen neue Lebenschancen eröffnen, während für andere die Gefahr besteht, auf den Weg in die Verarmung zu geraten. Dass solcherart Grundlagenforschung auch eine starke entwicklungspraktische Bedeutung zukommt, dass die gewonnenen Basisdaten eine wichtige Voraussetzung für Entwicklungsprojekte zur nomadischen Produktions- und Existenzsicherung bilden, liegt auf der Hand. Zum Sonderforschungsbereich „Differenz und Integration“ wird im kommenden UniJournal ein ausführlicher Beitrag erscheinen. 25 Studiosi Deutsch fürs Studium und fürs Leben Universität bildet aus und weiter „Meine Tochter will in Leipzig Geschichte studieren, sie spricht jedoch noch kein Wort Deutsch. Wann beginnt der nächste Kurs für Anfänger?“ „Ich möchte an der Universität Leipzig studieren und muss bei der Bewerbung das DSH-Zeugnis einreichen. Wo kann ich mich vorbereiten?“ „Können Sie für unsere ausländischen Wissenschaftler einen Deutschkurs anbieten?“ „Haben Sie noch freie Plätze im Sommerkurs?“ „Bieten Sie auch ausländischen Germanisten eine Fortbildung an?“ Solche und ähnliche Fragen erreichen interDaF täglich. Erfreulicherweise können wir fast immer helfen und ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Informationen im Internet Das Herder-Institut an der Philologischen Fakultät bietet den Studiengang Deutsch als Fremdsprache an. www.uni-leipzig.de/herder Das Studienkolleg Sachsen, eine zentrale Einrichtung an der Universität, bereitet ausländische Studienbewerber auf die Feststellungsprüfung (FSP) und auf die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) vor. Außerdem bietet es studien-begleitenden Deutschunterricht für ausländische Studierende an der Universität an. www.uni-leipzig.de/stksachs interDaF e. V. am Herder-Institut ist ein gemeinnütziger Verein, der auf kommerzieller Basis arbeitet. Die Angebote sind auf dieser Seite beschrieben. www.uni-leipzig.de/interdaf 26 Mit unseren Sprachintensivkursen auf verschiedenen Niveaustufen wenden wir uns v. a. an zukünftige ausländische Studienbewerber, aber auch an Studierende. Grundstufenkurse beginnen alle zwei Monate, dreimal im Jahr bieten wir Mittelstufenkurse an, die auf die Mittelstufenprüfung bzw. – wenn die notwendigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind – auf die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) vorbereiten. Brückenkurse bieten wir an, wenn der Anschluss an die nächsthöhere Niveaustufe zeitlich nicht unmittelbar erfolgt. Wir haben aber auch eine Reihe „maßgeschneiderter“ Sprachkurse, z. B. für DAAD-Stipendiaten, die erst Deutsch lernen, bevor sie einen Aufbaustudiengang an einer deutschen Hochschule beginnen. Auch ausländische Theologiestudenten bereiten wir sprachlich auf das Studium an der Universität vor. Ausländische Wissenschaftler unserer Universität können ihre Deutschkenntnisse in Konversationskursen (Abendkursen) auffrischen bzw. perfektionieren. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die dreiwöchigen Sommerkurse, die interDaF gemeinsam mit Studienkolleg Sachsen durchführt, aber auch der vierwöchige Winterkurs. Bei den dreiwöchigen Sprachund Orientierungskursen für ausländische Programmstudenten, die jeweils vor dem Sommersemester bzw. dem Wintersemester angeboten werden, arbeiten interDaF, Studienkolleg Sachsen und das HerderInstitut inhaltlich und organisatorisch eng zusammen und werden vom Akademischen Auslandsamt unterstützt. Deutsch lernen (und lehren) ist harte Arbeit, die aber auch viel Spaß macht – wie unsere Sommerkursteilnehmer (siehe folgende Seite) selbst erfahren haben. Für ausländische Germanisten, Deutschlehrer und Lehramtskandidaten bietet interDaF Fortbildungskurse mit verschiedenen Schwerpunkten (z. B. Landeskunde, Didaktik/Methodik, Literatur, Medien) an. In diesem Bereich arbeiten wir mit verschiedenen Mittlerorganisationen (z. B. der Robert Bosch Stiftung, dem Goethe-Institut) zusammen und werden durch Professoren unserer Universität unterstützt. Klar getrennt sind die inhaltlichen und organisatorischen Aufgaben der drei Einrichtungen, die aus dem „alten“ Herder-Institut hervorgegangen sind, das früher v. a. für die sprachliche Vorbereitung ausländischer Studenten an der Universität zuständig war. Dennoch bilden das (neue) Herder-Institut, das Studienkolleg Sachsen und interDaF e. V. am Herder-Institut in gewisser Weise ein Zentrum für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Leipzig und setzen damit die Tradition fort, die die Universität seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet hat. Dr. Annette Kühn, Geschäftsführerin interDaF e. V. am Herder-Institut Michele, Ai und Bruno haben sowohl einen Sommer- als auch einen Orientierungskurs absolviert. Friederike Haupt stellt sie auf der folgenden Seite in Text und Bild vor. Anzeige Krankenkasse wählen im Internet: Alles was Sie schon immer über Ihre Krankenversicherung wissen wollten! www.financialport.de FINANCIALPORT • Carlo-Schmid-Weg 13 • D 25337 Elmshorn Tel.: +49 (0) 41 21- 45 0915 • Fax: +49 (0) 4121- 45 0914 • E-Mail: [email protected] journal Studiosi „Theaterstücke verstehen“ „Ich will hier promovieren“ „Alles anders als bei uns“ Michele L. Schiacchet, 25 J., Brasilien Bruno Antunes, 31 J., Portugal Ai Kawano, 22 J., Japan Das erste, was Michele Louise Schiacchet über Leipzig erfuhr, war, dass Bach hier gelebt hat. Im Internet hatte die 25-jährige Informationen gesucht über die Stadt, in der sie bald für ein Jahr leben würde, und vor allem Texte zur Musikgeschichte gefunden. Inzwischen hat sie sich schon ein eigenes Bild machen können von Stadt, Land und Leuten. „Ein bisschen kenne ich Leipzig jetzt schon“, erzählt die Studentin fröhlich, „besonders am Cospudener See finde ich es sehr schön.“ Michele, die aus Curitiba, Brasilien, kommt und schon zwei Jahre im italienischen Bologna studiert hat, ist an der Uni Leipzig für Theaterwissenschaft eingeschrieben. „Die angebotenen Seminare hier interessieren mich sehr. Ich hoffe nur, ich werde die Theaterstücke auch auf Deutsch verstehen.“ Michele seufzt. „Brecht zum Beispiel ist schwierig.“ Aber das Erlernen einer neuen Sprache betrachte sie als Herausforderung; durch die Unterhaltungen mit ihren neuen Freunden in Leipzig sei ihr Deutsch schon viel besser geworden – und natürlich durch den Sommerkurs. „Im Kurs haben wir oft Grammatik geübt. Aber wir haben auch viele lustige Sachen gemacht: Einmal waren wir zum Beispiel nachmittags mit unserer Tutorin Klettern, und in der MB sind wir auch schon gewesen.“ Heimweh jedenfalls hat Michele ganz und gar nicht. Neue Leute lernt sie durch ihre offene, herzliche Art schnell kennen, Ortswechsel ist sie gewöhnt, und dass sie neben Portugiesisch, Spanisch, Italienisch und Englisch nun auch Deutsch spricht, erleichtert das Eingewöhnen. Was ihr nicht gefällt in Leipzig? Michele kichert. „Das Gulasch in der Mensa, das schmeckt mir nicht!“ Als er 17 Jahre alt war, lernte Bruno Antunes mal ein halbes Jahr Deutsch. Vierzehn Jahre später hatte er fast alles wieder vergessen. Nun hat der 31-Jährige seine Sprachkenntnisse im Sommerkurs in Leipzig wieder auffrischen können, und das ist ihm auch sehr wichtig: „Ich möchte schließlich hier promovieren“, erzählt der Portugiese, den die Liebe nach Deutschland verschlagen hat. Seine Freundin lernte er beim Studium in Lissabon kennen, inzwischen wohnt er bei ihr in Leipzig. Bruno: „Die Stadt hat eine besondere Atmosphäre, das mag ich sehr. Ich würde gern mehrere Jahre bleiben, je nachdem, wie lange ich für meine Doktorarbeit brauchen werde.“ Die möchte er in Philosophie schreiben; studiert hat er daneben aber auch Schauspiel, in Belgien besuchte er eine MusikAkademie. Für den Sommerkurs bekam Bruno ein Stipendium. „Es hat sich gelohnt“, sagt er, „mein Deutsch ist schon viel besser geworden, und Freunde habe ich dadurch auch gefunden.“ Mit Ai und Michele zum Beispiel unternimmt er gern etwas, und überhaupt sind die meisten seiner Freunde recht reiselustig und in ganz Europa verteilt. „Da möchte ich auch lieber unterwegs sein und andere Länder und Menschen kennenlernen als nur in Lissabon zu bleiben“, gesteht Bruno, der außer Portugiesisch und Deutsch noch vier weitere Sprachen beherrscht. Ob er auch wirklich in Leipzig bleiben kann, steht allerdings noch in den Sternen: Denn wenn er nicht bald einen Nebenjob findet, kann er sich den Aufenthalt in Deutschland nicht leisten. „Vielleicht bekomme ich auch ein Stipendium vom MaxPlanck-Institut“, so Bruno, „aber das ist alles noch nicht klar.“ „Studenten müssen immer sparen“, sagt Ai Kawano aus Tokio und lächelt verschmitzt. Dann schwärmt sie von ihrer Leipziger Lieblingskneipe, in der das Bier unschlagbar günstig ist, und von den Wohnheimpartys in Lößnig: „Sushi, Tortillas, Sangria – jeder bringt mit, was typisch für sein Land ist.“ Die 22-jährige Japanerin, die bereits vor zwei Jahren an einem Sommerkurs in Leipzig teilgenommen hatte, fühlt sich wohl hier. Nicht zu groß und nicht zu klein sei die Stadt, und nach Berlin müsse man auch nicht weit fahren. Einmal sei sie auch für einen Tag in Dresden gewesen, aber dort habe es ihr nicht so gut gefallen: „Zu wenig Discos, glaube ich. In Leipzig ist mehr los für junge Leute.“ Ein wenig Sorgen macht Ai sich aber auch. Die deutsche Sprache findet sie sehr kompliziert, und in den Büchern für ihr Studienfach Umweltwissenschaft versteht sie noch nicht alles. Aber Ai, die schon zwei Jahre in Chiba (Japan) studiert hat, ist optimistisch: In den zwei Semestern, die sie an der Uni Leipzig sein wird, werde es schon klappen mit dem Deutsch lernen – in Japan hatte sie schließlich nur eine Stunde Sprachunterricht in der Woche. Aber Ai will auch die deutsche Kultur kennenlernen. „Im Sommerkurs haben wir schon einiges gelernt, aber ich möchte das auch selbst erleben“, sagt sie, „es ist hier alles ganz anders als bei uns.“ Von ihrem Leipzig-Aufenthalt vor zwei Jahren brachte sie ihren japanischen Freunden Glühwein mit, und schon jetzt kann sie es kaum erwarten, dass der Weihnachtsmarkt beginnt. Auch wenn sie ihren Freund, der in Japan geblieben ist, vermisst, freut Ai sich auf die Zeit in Leipzig: „An der Uni werde ich sicher viele nette Leute kennenlernen.“ Heft 5/2004 27 Studiosi Rat und Tat für Neue Ein offener Brief an die Studienanfänger Info-Materialien Folgende Informationsmaterialien und -quellen werden von der ZSB stets aktuell als Broschüre und im Internet bereit gestellt: – „Afrikanistik bis Zahnmedizin“ mit einer Kurzdarstellung aller Studiengänge – „Allgemeine Informationen zum Studium“ mit Informationen zu Studium und Bewerbung – „Informationen für Neuimmatrikulierte“ mit grundlegenden Infos zum Studienbeginn – „Fremdsprachliche Anforderungen“ mit den Regelungen für alle Studiengänge Hallo Studienanfänger, die Mitarbeiterinnen der Zentralen Studienberatung der Universität Leipzig (ZSB) begrüßen euch an unserer Alma mater! Viele von euch werden uns schon kennen und wissen, dass die ZSB Studienbewerber, Studierende und andere Interessenten zu verschiedenen Fragen informiert und berät, vor allem zu Fragen • der Studienvorbereitung und des Studienbeginns (wie Fächerangebot, allgemeine und sprachliche Zugangsvoraussetzungen, Bewerbung, Zulassung und Immatrikulation – daher kennt ihr uns) • der Gestaltung des Studiums (wie zulässige Fächerkombinationen, Studienverlauf, Studienabschluss, studienbegleitende Angebote, z. B. Fremdsprachen, Sport etc. – hier könntet ihr ggf. unsere Hilfe benötigen) • der Veränderung oder Unterbrechung des Studiums (wie Studienortwechsel, Studiengangwechsel, Beurlaubung und Studienabbruch – hier stehen wir euch gern hilfreich zur Seite) • des Lehramtsstudiums und • für Studierende in den Lehrämtern zu speziellen und fächerübergreifenden Fragen des Studiums. Auch 2004 gab und gibt es wieder verschiedene Aktivitäten der ZSB für Studieninteressierte an der Universität, in den Berufsinformationszentren der Agentur für Arbeit und in Gymnasien, um die Phase des Übergangs von der Schule zur Hochschule zu erleichtern. Außerdem ist die ZSB mit Informationsständen auf verschiedenen Messen vertreten. Wir hoffen, ihr konntet einige der bisherigen Möglichkeiten nutzen und habt die richtige Entscheidung getroffen. Solltet ihr doch Probleme in einigen Fragen eures Studiums sehen, dann könnt ihr unsere individuelle Studienberatung gern nutzen. Denn unser Schwerpunkt ist die individuelle Studienberatung, die sowohl im persönlichen Beratungsgespräch, in der Kurzberatung per Telefon, in der schriftlichen Beratung per E-Mail oder Brief erfolgt. Hier beraten wir nicht nur die Studieninteressierten, sondern auch Studierende unserer Universität sowie die anderer Hochschulen, die an die Universität Leipzig wechseln oder ein Zweitstudium aufnehmen möchten. Die Angebote der ZSB zur persönlichen Beratung wurden im vergangenen Jahr 28 196-mal wahrgenommen (siehe Tabelle). Solltet ihr jedoch ganz spezielle Fragen zu eurem Studienfach haben, dann wendet euch an die Studienfachberaterinnen in den Fakultäten. Die Übersicht findet ihr im Vorlesungsverzeichnis und im Internet unter www.uni-leipzig.de/stud/studfach.htm Im Namen aller Mitarbeiterinnen der ZSB Dr. Solvejg Rhinow Leiterin der Zentralen Studienberatung Beratungen 2003 Beratungszeiten Zentrale Studienberatung, Goethestraße 6, 04109 Leipzig Di. 9–12, 13–17 Uhr Do. 9–11, 13–15 Uhr Fr. 9–12 Uhr (in der vorlesungsfreien Zeit nur Di. und Fr.) Anrufe zu den angegebenen Telefonsprechzeiten unter Tel. 03 41 97-3 20 44 Mo. 9–11, 13–15 Uhr Mi. 9–11, 13–15 Uhr E-Mail: [email protected] (Den Studienanfragen per E-Mail bitte unbedingt die Postanschrift beifügen!) 28 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Gesamt Kurzberatung Clearing persönliches Beratungsgespräch schriftliche Beratung Briefe schriftliche Beratung E-Mail telefonische Beratung Gesamt 352 390 403 476 542 604 804 282 609 386 347 229 450 295 260 435 384 590 549 319 448 461 249 236 319 286 267 306 330 289 218 112 211 130 184 81 712 469 532 717 706 918 850 1020 692 398 366 334 657 594 631 578 591 597 959 650 1077 590 433 292 2490 2034 2093 2512 2553 2998 3380 2383 3037 1965 1579 1172 5424 4676 2733 7714 7649 28196 journal Am Rande Studenten mit Erfindergeist: Michael Schramm (l.) und Dominik Diekmann führen ihre Buchstütze vor. Foto: Kornelia Tröschel Der Liegestuhl fürs Buch Studenten erfinden Buchstütze „Suedplatz Vertriebs oHG“ nennen sie sich – dahinter stehen der Politikwissenschaftsstudent Dominik Dieckmann und der angehende Kulturwissenschaftler Michael Schramm. Die Vorbereitung auf ihre Zwischen- bzw. Vordiplomsprüfungen brachte sie auf eine Idee, die heute, ein Jahr später, begeisterte Interessenten findet: eine Buchstütze aus Holz. Vielen mag es schon so gegangen sein, dass insbesondere Paperbacks immer wieder zuklappen, wenn man sie zum Lesen auf dem Tisch legt. Das war auch der Grund für die zwei Jungunternehmer, ein Konzept für eine gut funktionierende Buchstütze zu machen. „Leicht, zusammenklappbar und schön anzusehen sollte sie sein“, sagt Dominik Dieckmann. Eine technische Zeichnung musste angefertigt werden, um die Idee einer Buchstütze mit der Funktionsweise eines Liegestuhls umzusetzen. Vater Klaus Dieckmann tüftelte die Konstruktion aus und die beiden Erfinder machten sich daran, Partner für die Produktion zu suchen. Gefunden haben sie eine Drechslerei in Hallbach, welche die Einzelteile herstellt, und eine Behindertenwerkstatt in Rodewisch (Vogtland), um die Einzelteile zu montieren. Wichtig bei der Suche war ihnen stets die Förderung der sächsischen Wirtschaft. Nachdem ihre Gesellschaft Ende Juli letzten Jahres ins Handelsregister eingetragen Heft 5/2004 wurde, konnten die zwei ihre unternehmerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Der Firmensitz wurde im WG-Zimmer von Dominik eingerichtet. Der Vertrieb und die Kontaktaufnahme läuft zwar hauptsächlich über das Internet (unter der Adresse www.easyreader.net), aber hier werden Faxe und Telefonate angenommen und überlegt, wie Abnehmer gefunden werden können. Das war zu Beginn recht schwierig, erst nachdem sie ihre einzigartige Idee dieses Jahr auf der Buchmesse präsentierten, lief es besser: „Wir konnten viele neue Kontakte knüpfen, unter anderem mit der Buchhandlung Hugendubel, dem Verlag Cornelsen und der Meta-Suchmaschine für Bücher „Euro-Buch“, welche die Buchstütze als erstes Nicht-Buch-Produkt in ihr Sortiment aufgenommen hat“, erzählt Michael Schramm. Seitdem stapeln sich in den Zimmern der beiden und auf den Dachböden in den Elternhäusern von den ursprünglich 1000 produzierten nur noch die Hälfte der Buchstützen. Muster der in drei Größen erhältlichen Stütze (Preisspanne: 15 bis 25 Euro) wurden an Verlage, große Kaufhäuser und Buchhandlungen geschickt und fanden oft großen Anklang. Wer sich die Buchstütze genauer angesehen hat, wird verstehen warum. Kornelia Tröschel Vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt. Und weil es an der Uni Leipzig auch um Erfolg geht, dachte man sich hier: Recht so! Auch unsere Studenten sollen schwitzen, und zwar nicht nur in Seminaren und bei Prüfungen, sondern lange vorher. Und so setzte die Uni vor den Erfolg die Seminarplatzvergabe. Seminare muss der Student besuchen, um Scheine zu erwerben, welche er wiederum braucht, um sein Studium irgendwann abzuschließen. Diesem Ziel verpflichtet, bemüht sich der Student denn auch zu Beginn eines jeden Semesters, Seminarplätze zu ergattern. Erfolg hat er nicht immer. So dürfen z. B. die Germanisten oft die Grenzen ihrer körperlichen Kräfte ausloten: Das Seminar beginnt, wenn niemand mehr in den Raum passt. Bedingung: Die Tür muss noch geschlossen werden können. Dass es hierbei oft zu Handgemengen kommen muss, liegt auf der Hand. Und so wird der Student zum Darwinisten („Seminarplätze for the fittest“), hat aber sein Schicksal immerhin noch selbst in der Hand. Anders sieht es da schon bei der Online-Einschreibung aus, praktiziert z. B. am Institut für Kommunikationsund Medienwissenschaft. Mittels eines mysteriösen elektronischen Verfahrens werden hier die Plätze verteilt – das bange Warten auf die Zuteilung der Seminare dauert Wochen. Hin und wieder werden verzweifelte Tauschgesuche am Schwarzen Brett plakatiert, und Mutige versuchen trotz Listenplatz 217 (max. Teilnehmerzahl: 15) ihr Glück. Ganz geschickt gehen aber neuerdings die Leipziger Amerikanisten vor. Wer dort in bestimmte Seminare will, muss sich schon vor Semesterbeginn per E-Mail angemeldet haben. Dann ist er registriert – aber nur für die Teilnahme an der schriftlichen Prüfung in der ersten Sitzung. Wer besteht, darf mitmachen; und in den Semesterferien konnte man ja schon die testrelevante Literatur verinnerlichen. Für die nächsten Semester wären weitere Platzvergabekriterien ins Auge zu fassen: Größe der Privatbibliothek (nicht unter 1 000 Bücher), Art der Bewerbung (zahlreiche Arbeitsproben erwünscht) oder das erfolgreiche Durchlaufen eines Survival-Camps – als Vorbereitung auf das Uni-Leben natürlich. Friederike Haupt Studiosi Fieber im Tutorium Problemorientiertes Lernen in der Medizin Von Karsten Steinmetz „Sie wollen wohl nichts sagen?“, fragt eine junge Studentin im vorwurfsvollem Ton ihre Tutorin. Woraufhin die übrigen Studenten innehalten und eine drückende Stille im Raum erzeugen. Doch die Tutorin Manja Kamprad bleibt ruhig und antwortet: „Suchen Sie doch erst einmal selbst.“ Dies ist ein typischer Wortwechsel aus der Anfangsphase der neu eingerichteten Modelltutorien. Er ist sowohl kennzeichnend für ein neues Rollenverhältnis zwischen Studenten und Dozenten, zeigt aber auch das Vertrauen und den Mut beider Seiten, erwünschte und vielleicht lebenslange Kompetenzen zur Lösung von medizinischen Problemen auszubilden. Denn Freude und Bedenken liegen oft sehr nah beieinander. Da wurde zwar die medizinische Ausbildung in Leipzig durch das Wochenjournal „Focus“ als eine der besten geadelt. Aber im gleichen Atemzug dokumentierte das Magazin die Unsicherheit der deutschen Medizinstudenten über die mangelhafte Vorbereitung auf die Praxis. Dieses Manko im Blick, begann man nun in Leipzig, zum Ausgang des Sommersemesters 2004, ein von der Universität Harvard entwickeltes, praxis- und problemorientiertes Lernkonzept anzuwenden. Dieser 1. Kurs des problemorientierten Lernens (POL-1), der dem Vorbild der Ludwig-Maximilians-Universität München folgt, ist Teil des Querschnittsbereichs Infektiologie (Entzündungen) und Immunologie (Abwehr) und besteht aus vier Komponenten. Erstens wurden 14 Tutorien ge- schaltet, bei denen die Teilnehmer in Teamarbeit sechs klinisch-authentische Fälle aufarbeiteten. Dazu wurden die Studenten des 6. Fachsemesters in 41 Kleingruppen à acht bis neun Personen, plus einem Tutor, nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt. In den Kleingruppen wurden insbesondere die Inhalte der Fächer Mikrobiologie, Virologie, Pharmakologie, Toxikologie, sowie der Klinischen Chemie vertieft. Zweitens wurde eine Vorlesungsreihe lanciert, die an vier Tagen in der Woche die Einzelfälle des Tutoriums in einem größeren Zusammenhang thematisierte. Der dritte Bestandteil waren Übungen. Letztlich war ebenso veranstaltungsfreie Zeit als Komponente eingeplant, in der intensives Selbststudium vorgenommen werden sollte. Soweit zur Theorie. Die Praxis musste sich erst einspielen. Besonders in den Anfangstutorien erschienen die Studenten oft wie in der Wildnis ausgesetzt. Erst zögerlich und mit Scheu eroberten sie sich Sprachund Kompetenzräume. Zu Beginn eines Tutoriums teilte der Kursbetreuer den ersten Teil von klinisch-authentischen Fällen aus, die so illustre Namen wie „Farbenkarussell“ oder „Fieber am Geburtstag“ haben konnten. Die Bearbeitung des Falles erfolgte dann ähnlich der Situation, in der sich der zukünftige Arzt befinden würde, nachdem er erste Informationen zu einem Patienten hat. Beispielsweise zunächst die Anamnese, dann die klinische Untersuchung, gefolgt von Laborbefunden, und schließlich weitere Untersuchungsbefunde wie CT. Die dadurch unter den Studenten initiierte Fallbesprechung verfolgte der Tutor nur. Er brachte sich praktisch nicht substanziell ein, sondern katalysierte die Gruppenarbeit, ähnlich wie ein Enzym eine chemische Reaktion. So entbrannten schnell Tutor Professor Hans Tillmann (l.) mit Studenten. Foto: Karsten Steinmetz Gespräche zwischen den Studierenden um die Richtigkeit von individuellen Diagnosen und Heilungsmaßnahmen. Zur Unterstützung der Argumentation konnten die zukünftigen Jungärzte auf eine Bücherkiste zurückgreifen, die Nachschlagewerke wie z. B. „Harrison’s Innere Medizin“ beinhaltete. Weitere Teile der Fälle, die nicht schriftliche Beschreibungen, sondern auch Laborwerte, Abbildungen und Ultraschallaufnahmen sein konnten, brachten dann aber entweder Bestätigung oder neue Zweifel in die Runde. „Dabei“, so berichtet Prof. Dr. Hans Tillmann, Tutor und stellv. Kursdirektor von POL-1, „zeigten sich in der aktiven Gruppenarbeit schnell die verschiedenen Charaktere und Veranlagungen. Im Hin und Her der studentischen Diskussion wurden Verantwortungen selbstständig verteilt und zu meiner Freude die Fälle in der Regel alle richtig gelöst.“m Diese Eigenständigkeit der Studenten entstand nicht zuletzt weil die Tutoren hervorragend auf ihre Rolle eingeschworen wurden. Sowohl in der ersten Schulung von insgesamt 42 Tutoren vom 1. bis 4. März, als auch in den jeweils Mittwoch veranstalteten Tutorentreffen. Letztere dienten dazu, die Fälle einzeln vorzubereiten und zu erklären. Die Tutoren, die sowohl Ärzte als auch Naturwissenschaftler waren, saßen hier zusammen und kniffelten ihren Studenten die verschiedenen Erklärungen meist mit vergleichbaren Interaktionsmustern aus. Was denken nun aber die Studenten? Dokumentiert durch die Redakteure der Studentenzeitung „Endoskop“, die vor den ersten Kursen bereits Stimmen zum neuen System einfingen, schienen die Erwartungen uneinheitlich. Von „viel Aufwand für wenig Erfolg“ bis „POL motiviert ungemein“ reichte die Palette. Nachdem nun aber die erste Startreihe vollzogen ist, hat sich ein mehrheitliches positives Bild ergeben. So sagt Rainer Jumpertz, ein Medizinstudent: „Durch POL kommen wir endlich mal, wenn auch nur fiktiv, ran an den Patienten und sind dadurch natürlich auch besser vorbereitet auf das praktische Jahr.“ journal Studiosi Gut vorbereitet ins Ausland – mit KISS Studierende berichten im Internet Von Anne Vorpagel, Akademisches Auslandsamt KISS steht für „Komplexes Informationssystem zu Auslandsstudienaufhalten“ und steht nunmehr seit zwei Jahren an der Universität Leipzig zur Verfügung. Das System dient als lokale Informationsquelle zu den aktuellen SOKRATES-Partnerhochschulen der Universität Leipzig sowie zu den Auslandsberichten ehemaliger SOKRATES-Studierender. Hauptsächlich ersetzt das Datenbank-Pilotprojekt den vierseitigen obligatorischen Fragebogen des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD), der von SOKRATESStudierenden nach der Rückkehr aus dem Ausland auszufüllen ist. Die elektronische Umsetzung des Fragebogens erfolgte in Zusammenarbeit mit der Leipziger Firma i-fabrik. Dass die Internet-Version des Fragebogens ihren Zweck erfüllt, bestätigen die beachtlichen Nutzerzahlen. Im Durchschnitt besuchen etwa 600 Nutzer pro Monat diese Seiten. Der Vorteil für die Studierenden liegt auf der Hand. Sie beantworten einen Fragebogen mit 65 Fragen, der danach in anonymisierter Form allen Interessenten online zur Verfügung steht. In der Datenbank, die über 1100 Berichte aufweist, kann getrennt nach Ländern, Universitäten und Fachbereichen recherchiert werden. Die Berichte enthalten – zwar subjektiv gefärbt, aber aus erster Hand – unter anderem Daten zum akademischen Leben, zur Anerkennung von Studienleistungen, zum Finanzbedarf und praktische Hinweise zum Leben vor Ort. Die potentiell an einem Auslandsaufenthalt interessierten Studierenden können beispielsweise schnell und unkompliziert erfahren, welche Lehrveranstaltungen internationalen Studierenden empfohlen werden oder welche „genialen Spartipps“ das enge Studentenbudget schonen können (etwa dass es an der Abendkasse in Angers in Frankreich ab und zu Konzertkarten für 3 Euro gibt). Weiterhin enthalten die Berichte gute Hinweise zur sprachlichen Vorbereitung und – ganz wesentlich – zur Unterbringung und Verpflegung. Fünf Studierende, die in Gdansk (Polen) Medizin studiert haben, empfehlen potenziellen Nachfolgern die dortige Pädiatrie. Ein SOKRATES-Studierender mit Ziel Cork in Irland erfährt bereits vor der Abreise: „Der Fitzgerald Park und der Lough sind gute Orte zum Entspannen. Das Nachtleben ist sehr ausgeprägt. Viele Pubs, unter denen das ‚Sin E‘ heraussticht, ebenso wie das urige ‚Hi-B‘ auf der Oliver Plunkett Street, wo man das Gefühl hat, gemeinsam mit vielen netten Leuten in einem Wohnzimmer zu sitzen, und ein älterer Herr auf dem Klavier spielt“. In der Mehrzahl der Fälle können sich Interessenten bei weiteren Nachfragen zudem per E-Mail an den jeweiligen Berichterstatter wenden. Die Datenbank bietet darüber hinaus einen Service, der bislang noch nicht sehr bekannt geworden ist. Ausländische SOKRATES-Studierende können nämlich mit Hilfe der Datenbank Kontakt zu deutschen Studierenden, die bereits an ihrer Heimathochschule studiert haben, aufnehmen. Auf diese Weise lassen sich Fragen zum Studienort und zum Alltag in Leipzig möglicherweise einfacher klären. Schließlich weist die Datenbank auch für die 50 ehrenamtlich eingesetzten Fachkoordinatoren der einzelnen Fachbereiche an der Universität Leipzig und für das Akademische Auslandsamt strategische Vorteile auf: Sie entlastet die Beteiligten grundlegend. Viele bohrende Fragen der rund 550 deutschen SOKRATES-Studierenden der Universität Leipzig pro Jahr erledigen sich von allein, weil die gewünschten Informationen auf einem Medium verfügbar sind, das sich durch Nutzerfreundlichkeit auszeichnet. Die Datenbank im Internet: www.uni-leipzig.de/aaa/kiss Anzeige WISSEN MACHT ERFOLGREICH Der Wettbewerb geht weiter. Wenn Sie mehr Wissen wollen: www.futuresax.de oder Infoline 01803 - 30 60 30 Businessplan-Wettbewerb Sachsen Umfangreiches kostenloses Seminarprogramm für alle Teilnehmer + Preisgeld von 50.000 Euro für die Besten! Heft 5/2004 31 Studiosi | Personalia Stipendiaten Paula Lerner-Frank in Leipzig Neues Netzwerk „I lost my will für Aushate for tausch sorgen Germany“ Leipziger Stipendiaten sämtlicher Begabtenförderwerke Deutschlands haben sich im Juni zum „Ersten Leipziger Stipendiatennetzwerk“ zusammengeschlossen. Ziel ist es, die Aktivitäten der einzelnen Stipendiatengruppen besser zu bündeln. Etwa 300 Studierende und Doktoranden der Universität Leipzig werden von 11 unterschiedlichen Begabtenförderwerken unterstützt: von der Ebert- bis zur Adenauer-Stiftung, vom Cusanuswerk bis zur Fullbright-Stiftung, von der Studienstiftung des Deutschen Volkes bis zur Studienstiftung der Deutschen Wirtschaft etc. Bislang fanden ihre Aktivitäten vor Ort – Seminare, Vorträge, Besichtigungen – vor allem im Rahmen der einzelnen Förderwerke statt. „Das Netzwerk soll diesen festen Rahmen lockern und für Kontakt und Austausch über die einzelnen Förderwerke hinaus sorgen“, sagte Gabriella Gönczy, Pressesprecherin des Netzwerks.m Daneben will das Netzwerk selbst Aktivitäten ins Leben rufen: Künftig sollen eine große Info-Veranstaltung pro Semester und eine Webseite (bis Redaktionsschluss noch nicht online) alle Studierenden über die Fördermöglichkeiten der verschiedenen Stiftungen informieren. Und mit öffentlichen Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen wollen die jungen Talente zeigen, dass Forschung nicht nur hinter verschlossenen Uni-Türen stattfindet. Daher rufen sie unter anderem die „Leipziger Promotionsvorträge“ ins Leben, eine Veranstaltungsreihe, bei der Promovenden einmal im Semester die Möglichkeit bekommen sollen, ihre Dissertationen anderen Stipendiaten, aber auch weiteren Interessenten vorzustellen. r. • Info-Veranstaltung: „Der Weg zum Stipendium“, im Rahmen des Dies academicus am 2. Dezember, 13–16 Uhr, 1. Obergeschoss des Hörsaalgebäudes am Augustusplatz • „Leipziger Promotionsvorträge“: erstmals am 12. Januar 2005, 18–21 Uhr, voraussichtlich im Vortragsraum der Universitätsbibliothek • Weitere Informationen per E-Mail unter: [email protected] 32 Nicht zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal besucht sie ihre Geburtsstadt Leipzig: Dr. med. Paula Lerner-Frank, geb. am 25. Juli 1907, als Tochter des Kaufmanns Paul Frank, wohnhaft in der KönigJohann-Str. 6 (heute Tschaikowskistraße). Dort spielte sie im Hof Tennis. Die Familie gehörte zur orthodoxen jüdischen Gemeinde in der Keil- und später in der OttoSchill-Straße. Im Anschluss an den Schulbesuch 1914–1927 studierte sie zwei Semester Jura und ab dem dritten Semester Medizin. Nach fünf Semestern bestand sie die ärztliche Vorprüfung (Physikum) und nach einem klinischen Semester in Wien und fünf weiteren in Leipzig die ärztliche Prüfung. Zu ihren vorklinischen Lehrern, so erinnert sie sich lebhaft, gehörten der Zoologe Johannes Meisenheimer und der Botaniker Wilhelm Ruhland. Über ihre klinischen Lehrer weiß sie zuweilen mehr zu berichten, als gewöhnlich in den Akten steht. So entstehen positive Bilder über den Chirurgen Erwin Payr, den Chef der Inneren Medizin Paul Morawitz, den Direktor der Universitätsfrauenklinik Hugo Sellheim, den Physiologen Martin Gildemeister, den Pharmakologen Oskar Gros, den Direktor der Universitätsaugenklinik Ernst Hertel, den Medizinhistoriker Henry E. Sigerist und manchen anderen. Auch den Direktor des Physiologisch-chemischen Instituts, Karl Thomas, nennt sie mit Hochachtung: „Thomas war kein Nazi“. Zugleich erinnert sie sich an den Antisemiten Heinrich Küstner, Oberarzt in der Universitätsfrauenklinik. Paula Frank besteht am 15. Dezember 1933 das medizinische Staatsexamen mit „gut“. Nur vier Tage später verteidigt sie ihre Dissertation „Beitrag zur Frage der Hiatushernien“. Die Arbeit wird nach positiven Gutachten der Pathologen Werner Hueck und Richard Kockel am 19. Dezember angenommen. Das Diplom wird ihr „mit Genehmigung des Ministeriums“ am 16. März 1934 „vor der Erlangung der Approbation“, so der Eintrag im Doktorbuch der medizinischen Fakultät, „ausgehändigt“. Eine Anstellung bekommt die junge, promovierte Jüdin in Deutschland nicht mehr. Im Mai 1934 verlässt sie Leipzig, Dr. med. Paula Lerner-Frank Foto: Universitätsarchiv fährt nach Bremerhaven und emigriert mit 35 Dollar in der Tasche auf der „Deutschland“ in die USA. In New York City hat sie dann 1935 den amerikanischen Doctor of medicine nachgeholt. Erst 1939 sind ihr Bruder Kurt Frank mit seiner Frau, der Mutter und mit der einjährigen Tochter (Hanni) , die übrigens ihre Tante nach Leipzig begleitete, gleichfalls in die USA, nach Philadelphia, emigriert. Der Vater, in der Nähe von Halberstadt geboren, war bereits 1933 in Leipzig gestorben. Ziel des Leipzig-Besuches war auch ein Gang an das väterliche Grab auf dem neuen jüdischen Friedhof. Dr. Paula Lerner-Frank hat gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Rotzsch den Dom zu Merseburg, das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt, das Grab von Friedrich Nietzsche in Röcken sowie das Institut für Psychologie, „ihr“ Pathologisches Institut, wo sie den Direktor Prof. Christian Wittekind und seinen Amtsvorgänger Prof. Gottfried Geiler traf, und das Universitätsarchiv Leipzig besucht. Überall wurden die beiden Damen in großer Kollegialität und Verbundenheit begrüßt. „I lost my hate for Germany“, stellte sie abschließend fest, „and it is a wonderful feeling.“ Sie ist heimgekehrt mit vielen alten Erinnerungen und neuen Eindrücken. Auf ihr fabelhaftes Gedächtnis werden wir noch mit Fragen aus der jüngeren Leipziger Universitätsgeschichte zurückkommen. Gerald Wiemers journal Personalia Zum 75. Todestag von Paul Flechsig Ein Vater der Neuroanatomie Vor 75 Jahren, am 22. Juli 1929, verstarb Paul Emil Flechsig, der langjährige Ordinarius für Psychiatrie an der Universität Leipzig und „nach Wernicke … originellste unter den Hirnforschern der Neuzeit“ (Henneberg) in Leipzig. Mit seinen bahnbrechenden Arbeiten zur Anatomie des Gehirns, die längst zu den Klassikern in der Medizin gehören, ist Flechsig zu Recht zu den „Vätern der Neuroanatomie“ gerechnet worden. Flechsig wurde am 29. Juni 1847 in Zwickau geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er von 1865 bis 1870 Medizin in Leipzig, u. a. bei den Gebrüdern Weber und bei Carl Ludwig, der früh seine Begabung erkannte und sein lebenslanger Förderer wurde. 1873 betraute ihn Ludwig mit der Leitung der histologischen Abteilung am Physiologischen Institut. Nach seiner Habilitation 1875 wurde er, der bis dahin keine nachweisbare Berührung mit der Psychiatrie gehabt hatte, auf Empfehlung des Internisten Kußmaul und auf Betreiben Carl Ludwigs auf den in Leipzig zu gründenden Lehrstuhl für Psychiatrie berufen und mit dem Aufbau der neuen Nervenklinik beauftragt. Ludwig soll zu dieser auch für die damaligen Verhältnisse Aufsehen erregenden und ungewöhnlichen Berufung geäußert haben: „… von der Psyche wissen die Psychiater nichts, Flechsig weiß wenigstens etwas vom Gehirn!“. 1884 wurde Flechsig zum Ordinarius für Psychiatrie berufen und war in dieser Funktion bis 1921 tätig. In den Jahren 1894/95 war er Rektor der Universität Leipzig. Obwohl Flechsig die Aufgaben als Direktor der Klinik gewissenhaft und durchaus erfolgreich wahrnahm, gehörten sein Herz und seine Lebensarbeit der Hirnforschung. Bereits als Assistent am pathologischen Institut war Flechsig bei der Sektion eines totgeborenen Kindes die zeitlich unterschiedliche Entwicklung der Markscheiden (Myelinhülle) im Gehirn aufgefallen. Er erkannte sofort die grundlegende Bedeutung dieser Beobachtung, die zur Grundlage seiner gesamten späteren hirnanatomischen Forschung wurde. Indem er in seinem „Myelogenetischen Grundgesetz“ nachweisen konnte, dass die Nervenfasern einer definierten Leitungsbahn ihre Heft 5/2004 Myelinhülle gleichzeitig, andere Fasersysteme aber in gesetzmäßiger Reihenfolge zeitlich versetzt entwickeln, hatte er zum ersten Mal eine verlässliche Methode gefunden, Ursprung und Verlauf der Nervenfasern im Gehirn durch die histologische Analyse der Entwicklung der Myelinhülle der einzelnen Leitungsbahnen zu bestimmen. In jahrzehntelanger Arbeit untersuchte Flechsig die unterschiedlichen Faserzüge des Rückenmarkes (der tractus spinocerebellaris dorsalis wurde lange Zeit nach ihm genannt), und des Gehirns. Er charakterisierte Ursprung und Verlauf der Pyramidenvorderstrangbahn, den Verlauf der zentralen Hörbahn und viele weitere Fasersysteme, deren Bezug zum Namen Flechsig heute kaum noch bekannt ist. In mühevoller Arbeit war er bis zuletzt dabei, eine myelogenetische Gliederung der Hirnrinde zu erstellen. Dabei unterschied er jene Rindenfelder, welche schon vor der Geburt reifen und mit den Sinnessphären verbunden sind von jenen corticalen Ge- Paul Flechsig Abbildung: Bildersammlung des Karl-Sudhoff-Institutes bieten, die keine direkte Verschaltung mit den Sinnessphären mehr zeigen und die er „Assoziationszentren“ nannte. In ihnen wollte er die höheren Gehirnleistungen lokalisiert wissen. Flechsig war dabei fest davon überzeugt, dass alle seelischen Vorgänge direkt Erzeugnisse des Gehirns seien und durch die exakte neuroanatomische Analyse untersuch- und aufklärbar seien. In seiner Rektoratsrede von 1894 „Gehirn und Seele“, die ihn auch außerhalb seines Fachgebietes bekannt und berühmt machte, fasst er diese Gedanken zum ersten Mal zusammen. Flechsigs Lokalisations- und Erklärungsversuche der höheren Hirnfunktionen auf dem Boden seiner neuroanatomischen Analysen, schon zu seinen Lebzeiten heftig umstritten, waren dem Zeitgeist verhaftet und hatten keinen Bestand. Geblieben aber ist sein großer Beitrag zur Erforschung der Struktur des Gehirns, mit dem er dazu beigetragen hat, die Grundlagen für die faszinierende Entwicklung der modernen Neurowissenschaften zu legen. Prof. Dr. Volker Bigl Gottfried Voigt 90 „Lehrer der Kirche“ Am 13. 7. 2004 vollendet Gottfried Voigt sein 90. Lebensjahr. Der langjährige Dozent für Praktische Theologie am Theologischen Seminar, der späteren Kirchlichen Hochschule Leipzig, ist seit deGottfried Voigt Foto: W. Engemann ren Zusammenführung mit der Theologischen Fakultät Leipzig deren emeritierter Professor und Mitglied dieser Fakultät. Gottfried Voigt wirkte nach mehrjährigem Pfarrdienst in Leipzig und Zwickau als Studiendirektor an den Predigerseminaren Lückendorf und Leipzig. 1958 wurde er als Dozent an das Theologische Seminar Leipzig berufen. 1962 wurde ihm die theologische Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät Göttingen zuerkannt. Eine Berufung auf eine praktisch-theologische Professur der DDR wurde von den damaligen Machthabern mehrmals verhindert. 1990 wurde ihm von der ersten demokratischen DDR-Regierung der Professorentitel zuerkannt. Gottfried Voigt wirkte aktiv mit bei der Zusammenführung der Kirchlichen Hochschule Leipzig mit der Theologischen Fakultät im Rahmen einer Strukturkommission durch angesehene unabhängige Hochschullehrer. Gottfried Voigt hat über mehrere Jahrzehnte hinweg viele Generationen künftiger Pfarrer in den verschiedenen Fächern der Praktischen Theologie unterrichtet. Gleichzeitig war er im besten Sinne ein „Lehrer der Kirche“, der auf unterschiedlichen Ebenen des kirchlichen Lebens durch Fachvorträge, durch seinen Rat und durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen wirkte, nicht zuletzt durch seine homiletischen Auslegungen aller sechs Jahrgänge der evangelischen Predigttexte, die im ganzen deutschsprachigen Bereich weit verbreitet sind. Gottfried Voigt ist zusammen mit seiner Frau kurz vor der Wende 1989/90 altershalber von Leipzig nach Berlin gezogen, wo er seinen Lebensabend verbringt. Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann, Direktor des Instituts für Praktische Theologie 33 Personalia Schreiben in der „Zollbude“ Zum 200. Todestag von Christian Felix Weiße, einer zentralen Figur der Aufklärung in Leipzig Von Prof. Dr. Ludwig Stockinger, Institut für Germanistik Nicht nur berühmte Wissenschaftler, die als Professoren an der Leipziger Universität gewirkt haben, sondern auch eine beachtliche Anzahl von bedeutenden Studenten gehören zur erinnernswerten Geschichte der Alma Mater Lipsiensis. Dazu zählt ohne Zweifel auch der Leipziger Autor und Zeitschriftenherausgeber Christian Felix Weiße (1726–1804), eine der zentralen Persönlichkeiten des kulturellen Lebens in Leipzig zur Zeit der Spätaufklärung. Die 200. Wiederkehr seines Todestages am 16. Dezember 2004 gibt Anlass, an diesen vielseitigen und interessanten Autor aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der von der germanistischen Literaturgeschichte in den letzten Jahrzehnten eher wenig beachtet worden ist, zu erinnern und Anregungen zu einer erneuten Beschäftigung mit seinem Werk zu geben. 1726 als Sohn eines Schulrektors in Annaberg geboren, kam er 1745 nach Leipzig, um an der Universität Philologie und Theologie zu studieren und sich so gemäß der Familientradition für ein Schulamt zu qualifizieren. Die Stelle eines Hofmeisters, die Weiße 1750 antrat – eine im 18. Jahrhundert übliche Stufe in der Berufslaufbahn von Akademikern bürgerlicher Herkunft – bot ihm für zehn Jahre die Freiheit, durch den Besuch der Collegien zusammen mit seinem Zögling, dem jungen Grafen von Geyersberg, seine Studien zu vertiefen und sich auf Reisen zu bilden. 1762 übernahm er dann, um seine bürgerliche Existenz zu sichern, in Leipzig das Amt des Kreisteuereinnehmers; er war hier zuständig für die Einnahme und Verwaltung einer Art von Grundstücks- und Gewerbesteuer, die in die Kasse des Kurfürstentums Sachsen floss. Dazu kamen in den folgenden Jahren noch weitere öffentliche Ämter wie die städtische Weininspektion, die Einnahme des „Mahlgroschens“, d. h. einer Verbrauchssteuer für Mehl, und der „Tranksteuer“ sowie die Verwaltung der Kreisinvalidenkasse. 34 Ausstellung und Kolloquium Die Universität Leipzig nimmt den 200. Todestag Weißes zum Anlass, sein Leben und Werk in Erinnerung zu rufen. Die Kustodie veranstaltet eine von Dr. Katrin Löffler (Institut für Germanistik) konzipierte Ausstellung, die den Autor im Zusammenhang mit der Leipziger Kulturgeschichte zur Anschauung bringen soll. Die Schau unter dem Titel „Die Musen in der Amtsstube“ wurde am 7. Oktober eröffnet und läuft bis zum 18. Dezember. Ort: Ausstellungszentrum Kroch-Haus, Goethestr. 2, 04109 Leipzig Öffnungszeiten: Di, Do, Fr 10–17, Mi 12–17, Sa 10–13 Uhr Am 16. Dezember veranstalten Prof. Dr. Ludwig Stockinger und Dr. Katrin Löffler (Institut für Germanistik) im Vortragsaal der Universitätsbibliothek ein interdisziplinär angelegtes Kolloquium „Christian Felix Weiße und die Leipziger Aufklärung“, von dem neue Impulse zur wissenschaftlichen Erschließung von Leben und Werk dieser zentralen Figur der Aufklärung in Sachsen und Deutschland ausgehen sollen. Durch seine Heirat mit Christina Platner im Jahr 1763 knüpfte Weiße verwandtschaftliche Beziehungen zu führenden Personen der Leipziger Universität. Sein Schwiegervater Johann Zacharias Platner war ein hoch angesehener Medizinprofessor, und sein Schwager, der Mediziner und Philosoph Ernst Platner, war als einer der Hauptvertreter der philosophischen Anthropologie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einer der prominentesten Leipziger Professoren. 1790 erbte Weiße den unteren Teil des Rittergutes Stötteritz, das in den folgenden Jahren zu einem zentralen Kommunikationsort der Leipziger Gesellschaft einschließlich des mit Weiße befreundeten Bürgermeisters Carl Wilhelm Müller wurde, an dem sich auch prominente Zeitgenossen aus der literarischen Öffentlichkeit Deutschlands, unter anderem Christoph Martin Wieland, Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Jean Paul, gerne einfanden und Weißes Gastfreundschaft genossen. Weißes Biographie folgt insgesamt einem Muster, das typisch ist für die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Leipzig und in Kursachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ja bis ins 19. Jahrhundert hinein. Kursachsen war damals geprägt von einem Bündnis zwischen Dresdner Hof, Beamtenapparat, reformbereitem Adel sowie Besitz- und Bildungsbürgertum, das sich nach der Niederlage Sachsens im Siebenjährigen Krieg 1762 zu einer großen Staatsreform, dem „Rétablissement“, zusammengefunden hatte und dessen Verständigungsbasis eine spezifisch sächsische Variante der Aufklärung war. In diesem Lebenszusammenhang erschließt sich auch die Bedeutung von Weißes umfangreichem literarischen und publizistischen Werk, das er neben der gewissenhaften Erfüllung seiner beruflichen Pflichten zustande brachte, trotz seiner wiederholten Klagen, dass in der „Zollbude“ – so nannte er sein Büro im Amtshaus am Thomaskirchhof – die Musen journal Personalia „scheu werden“. Am Theater schon zu Aufklärung zum eigentlichen Thema, ver- Zentrum des Buchhandels und der Kunstseiner Studentenzeit brennend interessiert anlassten aber Weiße, sich angesichts die- politik Kursachsens folgend, zum einen – er übersetzte gemeinsam mit seinem ser Entwicklung, die er als Aufklärer nicht durch ein weitgespanntes Netz von KorFreund Gotthold Ephraim Lessing für die mehr mitgehen konnte und wollte, sich von respondenten auf eine europäische PerTruppe der Neuberin Stücke aus dem Fran- der Theaterbühne zurückzuziehen. spektive ausgerichtet, und sie legte zum zösischen, um dafür Freikarten zu bekom- Eine wichtige Rolle als Kommunikator von andern großes Gewicht auf Themen der bilmen –, erwarb er sich 1751 ersten Ruhm Aufklärungsprozessen spielte Weiße seit denden Kunst. Regelmäßige Berichte über mit dem satirischen Lustspiel „Die Poeten 1759 als Herausgeber der „Neuen Biblio- die Dresdner Kunstausstellungen sowie nach der Mode“. In den folgenden zwei thek der schönen Wissenschaften und der Anzeigen der neuen Werke von Leipziger Jahrzehnten wurde er mit seinen Tragö- freyen Künste“. Diese Zeitschrift war, den Malern und Kupferstechern sollten diesen dien und Komödien zu einem der spezifischen Bedürfnissen Leipzigs als Sektor, der auch als Wirtschaftsfaktor Kurerfolgreichsten Bühnensachsens von Bedeutung autoren Deutschlands und war, begleiten und för– in Zusammenarbeit mit dern. dem Leipziger KomponisBis heute am bekanntesten ten Johann Adam Hiller – und in der einschlägigen mit seinen Singspiel-LiForschung auch zunehbretti zu einem der Bemend gewürdigt ist Weiße gründer des deutschen als einer der Begründer Singspiels. Diese Stücke der deutschen Kinder- und sind, wie – mit Ausnahme Jugendliteratur. Die Zeitder Theaterstücke Lesschrift „Der Kindersings – alle anderen Theafreund“, die zwischen tertexte dieser Zeit auch, 1776 und 1782 erschienen aus dem Kanon der deutist, traf offenbar den Nerv schen Bühnen längst vereiner Epoche, in der die schwunden. Sie verdienen Familie als zentraler Ort aber heute noch kulturder Identitätsbildung des und literaturgeschichtMenschen und damit die liches Interesse, weil sie Kindheit als eigenständige innerhalb der Grenzen Epoche der Lebensgedessen, was in der deutschichte entdeckt worden schen Aufklärung über die war. Auf diesem Feld, in Natur des Menschen und dem Weiße sich auch als die politischen VerhältAutor von Liedern und nisse zu sagen möglich Theaterstücken für Kinder war, an extreme Grenzen profilierte, erzielte der der Darstellung von LeiAutor seine größten Erdenschaften, von Ungefolge weit über Deutschrechtigkeit und Tyrannei land hinaus. Der „Kindergehen, immer aber auch freund“ ist für uns heute ein Angebot zur Überwinnicht nur eine unschätzdung der Abweichungen bare Quelle für die Theovon den Maßstäben der rie und Praxis der KinderVernunft zu machen vererziehung im 18. Jahrhunsuchen. Man sieht in diedert, sondern immer noch sen Texten schon allenteine teilweise recht amühalben die unlösbaren sante Lektüre, die uns Aporien der Aufklärung überraschende Einblicke und das beinahe schon in die Alltagsgeschichte vergebliche Bemühen, dieser Zeit gewährt – vom den Diskurs der Vernunft, täglichen Leben im Hause der eben auch die Basis bis hin zu den Volksbelusder Politik in Kursachsen tigungen auf der Messe war, noch einmal zu ret- Oben: und der Hinrichtung eines ten. Die jungen Dramati- Titelkupfer zu Christian Felix Weißes „Lieder für Kinder“. Leipzig 1769. Verbrechers, zu der die ker der nächsten GeneraKinder von dem fiktiven tion des „Sturm und Linke Seite: Vater geführt werden, daPortrait von Weiße von Anton Graff. Drang“ machten in ihren mit sie aus diesem ErlebFoto: Kustodie Stücken diese Aporien der nis lernen können. Heft 5/2004 35 Personalia Neu berufen: Neu berufen: Neu berufen: B. Kersting St. Riedel-Heller R.-D. Kortmann ist Professor für Anorganische Chemie und vertritt drei Spezialgebiete, zu denen er in Leipzig eine erfolgreiche Arbeitsgruppe etablieren möchte. Es handelt sich um • die bioanorganische Chemie, bei der Informationen zur Funktionsweise von Metalloproteinen (Eiweißkörper mit Metallionen) gewonnen werden, • die supramolekulare Koordinationschemie, bei der es darum geht, molekulare Käfige mit Dimensionen bis in den Nanometerbereich aufzubauen, • und den molekularen Magnetismus, bei dem gezielt magnetische Materialien aufgebaut werden, deren magnetische Eigenschaften mit weiteren interessanten Eigenschaften verbunden werden sollen. „Diese Gebiete können sehr anregend sein und sind keineswegs nur rein akademische Disziplinen, sondern finden bereits im Alltag und in der modernen Technik viele Anwendungen“, sagt Prof. Dr. Berthold Kersting. „Dadurch, dass ich den Blick auch auf solche Anwendungen lenke, will ich das Interesse der Studierenden an diesen Forschungsgebieten erwecken.“ Sein eigenes Chemie-Studium absolvierte der gebürtige Coesfelder von 1985 bis 1989 in Münster. Er war dort anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und promovierte 1993 mit einer Dissertation über Verbindungen von Germanium, Zinn und Blei. Anschließend ging er als Postdoktorand nach Berkeley an die University of California. Im Januar 1996 kehrte er nach Deutschland zurück und zog nach Freiburg. Am Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Uni Freiburg war er zunächst wissenschaftlicher Angestellter, dann Hochschulassistent und zuletzt Privatdozent. Im Jahr 2000 habilitierte sich Kersting mit einer Arbeit zur Synthese und den Eigenschaften niedermolekularer Modellverbindungen für Metalloenzyme. Wenn der 39-Jährige nicht im Labor oder vor dem Computer sitzt, dann fährt er gern Rad oder liest ein gutes Buch. Ein weiteres Hobby: Reisen. C. H. Sie hat ihren Beruf von der Pike auf gelernt: Prof. Dr. Steffi Gerlinde Riedel-Heller, deren C3-Professur für Public Health an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie angesiedelt ist. Die aus dem Vogtland stammende Ärztin arbeitete zunächst als Pflegerin in einem Sächsischen Landeskrankenhaus, studierte in Leipzig Medizin, war u. a. als „Ärztin für die Dritte Welt“ auf den Philippinen tätig sowie zu einem Aufbaustudiengang zum Master of Public Health in Baltimore/USA. An der Leipziger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie absolvierte sie ihre Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie. Zwischendurch brachte sie 2000 und 2002 ihre Kinder Nina und Jurek zur Welt. Jetzt forscht sie an der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Public Health. In der demografisch relevanten Gruppe älterer Menschen untersucht sie die Epidemiologie psychischer Störungen und die Versorgung psychisch Kranker. Das geschieht zum einen im Rahmen der Leipziger Langzeitstudie der Altenbevölkerung und zum anderen durch eine Untersuchung in Leipziger Allgemeinarztpraxen innerhalb des Kompetenznetzes Demenz. Als Leiterin der Tagesklinik an der Psychiatrischen Klinik ist sie in die Patientenbetreuung eingebunden. „Grundsätzlich gehe ich bei meiner täglichen Arbeit von einem sozialpsychiatrischen Ansatz aus“, erläutert die Professorin. Das bedeutet, dass ich den Patienten stets in seinem Lebensumfeld sehe und dadurch seine Krankheit besser verstehen kann. Es bedeutet aber auch Arbeit im multiprofessionellen Team – Seite an Seite mit Psychologen, Sozialarbeitern, Schwestern und Pflegern, Ergound Physiotherapeuten. Neben ihrer Tätigkeit in der studentischen Ausbildung sowohl im Fach Psychiatrie als auch im Fach Public Health erarbeitet sie gemeinsam mit der Universität Wien ein Ausbildungscurriculum für das Fach „Sozialpsychiatrie“. B. A. 36 ist seit 1. Juni Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie. Der aus Westfalen stammende Facharzt für Radiologie, der zuvor 14 Jahre in Tübingen lehrte, forschte und Patienten betreute, hat sich modernen und hochpräzisen Bestrahlungstechniken, vor allem im Bereich der Therapie von Tumoren des Zentralnervensystems, verschrieben. Hirntumore z. B. erfordern eine punktgenaue Bestrahlung, weil es hier in besonderem Maße darauf ankommt, umliegendes Gewebe zu schonen. Die Qualitätsstandards, an deren Entwicklung Prof. Dr. Rolf-Dieter Kortmann einen großen Anteil hat, haben den Erfolg einer Bestrahlungstherapie ebenso zu beachten wie Nebenwirkungen. Die Strahlentherapie ist neben der Operation die wichtigste Behandlungsmaßnahme bei bösartigen Tumoren. „Eine korrekte Bestrahlung“, so Prof. Kortmann, „kann bei Kindern in 60 bis 80 Prozent aller Fälle zur Heilung führen.“ Gerade bei Kindern müssen mögliche Langzeitfolgen so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Deshalb erforscht der Wissenschaftler mit dem von ihm geleiteten Referenzzentrum Strahlentherapie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie Hirntumore im Kindesalter, um Standards dafür zu finden, ob, wann, wie, was bestrahlt wird, um für jeden einzelnen Patienten die optimale Herangehensweise zu gewährleisten. Die Qualität steht auch bei einem weiteren von Kortmann geleiteten Projekt im Mittelpunkt: klinische Qualitätssicherung/Entwicklung moderner Bestrahlungstechniken. Auf dem Gebiet der Lehre leitete Kortmann z. B. das Verbundprojekt Prometheus, das auch in Leipzig genutzt werden kann. Es handelt sich um eine fach- und universitätsübergreifende Internetplattform für die Aus- und Weiterbildung. Was macht Prof. Kortmann privat? Wenn neben Arbeit und Familie – er ist verheiratet und hat drei Töchter – Zeit bleibt, liest er gern, vor allem englische Literatur. B. A. journal Personalia Neu berufen: Neu berufen: Neu berufen: Wolfgang König Gereon Müller Thomas Hofsäss ist neuer Professor für Stochastische Prozesse am Mathematischen Institut. Auf diesem Gebiet (und im Bereich Wahrscheinlichkeitstheorie) gilt der 39-Jährige als Experte, insbesondere was den Zusammenhang solcher Prozesse mit Anwendungen in der Analysis und Physik angeht. König vertrat zuletzt zwei Semester lang eine Professur in Mathematischer Statistik in Köln und war Heisenberg-Stipendiat an der TU Berlin, wo er schon seit 1995 als Hochschulassistent arbeitete. Die Kontakte zu Mathematikern in seiner Geburtsstadt Berlin will er natürlich auch nicht abreißen lassen, aber Leipzig hat ihm viel zu bieten: „Hier gibt es exzellente Mathematiker in Richtungen, die mich interessieren, auch und vor allem am Max-Planck-Institut. Außerdem ist eine große Anzahl Stochastiker an der Universität vorhanden, sodass eine lebhafte Atmosphäre zu erwarten ist.“ Auch freue es ihn ganz besonders, „dass jeder Mathematik-Studierende zwei Semester mein Spezialfach belegen muss.“ Für dieses Fach möchte er möglichst viele Studierende begeistern. Weitere Ziele des Professors: eine „aktive Lehr- und Forschungsatmosphäre“ pflegen und möglichst viele Kontakte aufbauen. König studierte von 1984 bis 1989 an der TU Berlin Mathematik, übernahm dort anschließend Lehraufträge, bevor er im Oktober 1990 als Assistent ans Institut für Angewandte Mathematik der Universität Zürich wechselte, wo er 1994 promovierte. Ein Postdoc-Studium führte ihn in die Niederlande, bevor er zurück nach Berlin ging, wo er sich im Jahr 2000 habilitierte. Forschungsaufenthalte absolvierte er auch in Toronto und Bristol. Der nunmehr erfolgte Umzug nach Leipzig kam König übrigens nicht nur in beruflicher Hinsicht gelegen: Er ist ein großer Fan klassischer Musik, vor allem, wenn sie von großen Orchestern gespielt wird. Seine weiteren Hobbys sind sportlicher Natur: Radfahren und Wandern, manchmal auch Fußball und Basketball. C. H. ist Spezialist in Sachen Lernbehindertenpädagogik – und hat soeben die entsprechende Professur an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät übernommen. Einige Leipziger Studenten kennen Prof. Dr. Hofsäss bereits, denn im Wintersemester 2001/02 war er vertretungsweise am Lehrstuhl tätig. Der 44-Jährige kommt von der Elbe an die Pleiße: Seit 2000 war er an der Uni Hamburg tätig, als Professor für Erziehungswissenschaft bei Beeinträchtigungen des Lernens in der Sekundarstufe und beruflichen Bildung – unter besonderer Berücksichtigung der Lernbehindertenpädagogik. Zuvor war Hofsäss Lehrstuhlinhaber an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (1998–2000) und an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Sozialwesen Zitta/Görlitz (1994–1998) sowie zu Anfang seiner Karriere wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sonderpädagogik der FU Berlin (1988–1993). Hofsäss studierte von 1980 bis 1984 an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen und an der Universität Tübingen. Sein Fach: Lehramt an Sonderschulen. Anschließend arbeitete er zunächst auch als Sonderschullehrer. In seiner Zeit an der Freien Universität Berlin promovierte er 1992 zum Thema „Überweisung von Schülern auf die Hilfsschule und die Schule für Lernbehinderte in Deutschland seit 1918“. In Leipzig will der gebürtige Rottweiler (Baden-Württemberg) neue Entwicklungen in Forschung und Lehre vorantreiben, um das Fach auch bundesweit stärker zu profilieren. Engagieren möchte er sich zudem in der Internationalisierung von Lehrangeboten, in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses „und bei der weiteren Entwicklung eines Leitbildes der Universität, welches die sozialen und kulturellen Dimensionen beinhaltet“. Die Voraussetzungen für seine Vorhaben seien gut, betont Hofsäss: „Ich habe hier eine gute Infrastruktur und eine solide Grundausstattung vorgefunden.“ C. H. Heft 5/2004 ist seit 1. Oktober Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft, insbesondere Grammatiktheorie. Er wurde am 17. November 1964 in Bad Gandersheim (Niedersachsen) geboren und studierte Theoretische und Germanistische Linguistik in Frankfurt, Konstanz und Tübingen. 1993 promovierte er in Tübingen in Allgemeiner Sprachwissenschaft zu Asymmetrien unter Transformationstypen. Hier hat er drei Jahre später auch seine Habilitationsschrift verfasst zur Voranstellung unvollständiger Kategorien. Beide Themen fallen in den Bereich der formalen Syntaxtheorie. Hauptziel seiner Forschung ist es, allgemeine Prinzipien zu entdecken, die der menschlichen Sprachfähigkeit (insbesondere die grammatische Kompetenz betreffend) zu Grunde liegen. „Diese Prinzipien sind notwendigerweise sehr abstrakt und setzen wohldefinierte Fachbegriffe voraus.“ Daher seien die Erklärungen der Forschungsergebnisse für einen Laien nur schwer zugänglich. „Die Uni Leipzig hat eine bedeutende Tradition in der Allgemeinen Sprachwissenschaft, von den Zeiten von Karl Brugmann und Wilhelm Streitberg bis hin zu meinen unmittelbaren Vorgängern, Rudolf Ruzicka und Anita Steube.“ Das war ein wesentlicher Beweggrund für Müller nach Leipzig zu kommen. Die Stadt ist für ihn bezüglich der Allgemeinen Sprachwissenschaft eine der besten Adressen in Deutschland. „Für jemanden, der an formaler Grammatiktheorie interessiert ist, gibt es jedenfalls im deutschsprachigen Raum kaum einen vergleichbaren Ort.“ Sein Vorhaben ist, diesen Zustand nicht nur zu erhalten, sondern noch auszubauen. Das Institut für Linguistik solle, „zu einem auch international konkurrenzfähigen Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft“ werden. Der verheiratete Professor, der im nächsten Monat seinen 40. Geburtstag feiert, beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Fahrradfahren und Wandern. N. W. 37 Personalia NOMEN Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur Herkunft des Namens „Dobslaff“ Neu berufen: Otto Dobslaff ist seit 1. Juli Leiter des Lehrstuhls für Sprachbehindertenpädagogik. Der am 14. Juni 1945 in Archicow (ein kleines Dorf im heutigen Polen) geborene Professor kam nach Leipzig, weil ihn hier die „erweiterten Aufgabenbereiche an der Universität, bezüglich des grundständigen Studiums und der berufsbegleitenden Studiengänge“ interessieren. Besonders reizvoll findet er die Verknüpfung der Praxiserfahrung (Studenten der berufsbegleitenden Weiterbildung) mit der stärker theoriegeleiteten Herangehensweise an die Behindertenproblematik (grundständige Studenten) in den Lehrveranstaltungen. Dobslaff studierte von 1965 bis 1968 zunächst auf Lehramt, danach absolvierte er bis 1972 ein Studium der Rehabilitationspädagogik und Stimmheilpädagogik an der Humboldt Universität Berlin. Zwischen 1995 und 1997 studierte er Verhaltensgestörtenpädagogik und Geistigbehindertenpädagogik an der Universität in Potsdam. 1977 promovierte Dobslaff in Berlin zu den „Untersuchungen von physisch-psychisch geschädigten Schülern der Unterstufe aller Sonderschularten auf gemeinsame Wesensmerkmale der Lernbehinderung.“ In seiner Habilitationsschrift, die er zehn Jahre später verfasste, beschäftigte er sich mit der „Befähigung der Studenten im Studium zur Wissenschaftskommunikation, insbesondere zum wissenschaftlichen Meinungsstreit“. In Leipzig setzt er sich für eine „stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis in der Ausbildung“ ein. Hierfür ist die Einrichtung einer Ambulanz für Sprachbehinderte geplant. Damit wird den Studierenden die Möglichkeit gegeben, zu hospitieren und unter Anleitung von Lehrenden zu üben. Dobslaff plant zudem Angebote für eine universitäre Fortbildung für Sonderpädagogen, Primär- und Sekundarstufenlehrer, wie Wochenendkurse oder Ferienkurse. In seiner Freizeit spielt der verheiratete Professor „zur Freude und Erholung“ gern Klavier und Akkordeon. N. W. 38 Unter 40 Mio. Telefonteilnehmern (Stand: 1998; neuere CD-ROMs sind aus Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name Dobslaff 78-mal belegt. Ihm ähnlich sind die Varianten Dobslaf (11 Nachweise), Dobslav (einmal) und v. a. Dobslaw (118 Belege). Die Streuung des Namens zeigt eine Verbreitung in Norddeutschland mit Schwerpunkten in Hamburg, Berlin, Hannover und im Ruhrgebiet. Das spricht für Zuwanderung aus dem Osten, wahrscheinlich nach 1945. Dafür spricht auch die Endung -aff, die zweifellos eine Eindeutschung aus -aw darstellt. Auszugehen ist daher wohl von Dobslaw o. ä. Die Suche unter ca. 38,5 Millionen Familiennamen in Polen (Quelle: K. Rymut, Słownik nazwisk używanych w Polsce na pocza˛tku XXI wieku, CD-ROM, Kraków 2003) erbrachte folgendes Ergebnis: die Form Dobslaff ist nicht bezeugt, die polnische Ausgangsform Dobslaw auch nur achtmal, vor allem in der Umgebung von Breslau/Wrocław, Warschau und Kattowitz. Das ist sehr wenig. Hilfreicher ist die Suche in der großen Sammlung der Mormonen (familysearch. org). Hier ist Dobslaff dreimal in Polen in der Umgebung von Warschau nachgewiesen, ferner noch zehnmal in Bromberg, heute poln. Bydgość, beginnend mit dem Jahr 1826. Daraus darf geschlossen werden, dass ein slavischer Name vorliegt, der aber in Polen selbst schon recht selten geworden ist. Dennoch wird man fündig. Die Suche nach Anschlüssen führt zu einem altslavischen Personennamen Dobeslav. Diesen findet man sowohl in Sammlungen altpolnischer Personennamen (Słownik staropolskich nazw osobowych, Bd. 1, Wrocław usw. 1965–67, S. 480f.), bezeugt seit 1236 als Dubeslau, Dobeslaw, Dobeslawem u. ä., sowie in altpolabischen Personennamen, die G. Schlimpert, Slawische Personennamen in mittelalterlichen Quellen zur deutschen Geschichte, Berlin 1978, zusammengestellt hat, darunter etwa 1174 Dobezleu, 1194 Dobeslau usw. Der Name selbst enthält slaw. dobj- „tapfer“ und slaw- „Ruhm“. Er liegt auch einigen Ortsnamen in Polen zugrunde, so etwa Dobieslaw, Wüstung bei Kalisz, 1412 Dobeslaw; Dobiesławice bei Bydgość, 1430 Dobeslavicze, was bedeutsam ist, weil die ältesten Belege des poln. Familiennamens in der Umgebung dieses Ortes zu begegnen scheinen. Nachruf für Richard Riecken Am 12. September verstarb Professor em. Dr. paed. habil. Richard Riecken im Alter von 68 Jahren. Sein Leben war engstens mit der Sportwissenschaftlichen Fakultät verbunden. Er war Mitglied der Gründungskommission, Dekan und Prodekan sowie Institutsleiter und hat unsere Fakultät mit seinem Engagement entscheidend mitgestaltet. Seit 1980 war Professor Dr. Richard Riecken zunächst an der DHfK, danach an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Hochschullehrer. In dieser Zeit haben 20 Doktorandinnen und Doktoranden sowie vier Habilitandinnen und Habilitanden bei ihm erfolgreich ihre wissenschaftliche Qualifizierung abgeschlossen. Eine Vielzahl von in- und ausländischen Studentinnen und Studenten haben sowohl seine Fachkompetenz als auch sein pädagogisches Geschick für ihre eigene berufliche Entwicklung schätzen gelernt. Professor Dr. Richard Riecken war Vorsitzender des Fördervereins der Sportwissenschaftlichen Fakultät und hat als Chefredakteur der „Leipziger Sportwissenschaftlichen Beiträge“ maßgeblich dazu beigetragen, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Fakultät mit einem eigenen Publikationsorgan zu dokumentieren. Mit Professor Dr. Richard Riecken verlieren wir einen weit über die Grenzen unserer Universität bekannten Hochschullehrer, der durch sein verantwortungsbewusstes Handeln, seine Hilfsbereitschaft und sein Engagement ein hohes Maß an Anerkennung besaß. Wir werden sein Andenken stets in Ehren halten. Professor Dr. Jürgen Krug, Dekan journal Personalia Zum Tode von Prof. Dr. Dr. Dietrich Kerlen Nachruf für Wolfgang Horsch Lesekultur als Basiskompetenz Am 15. 07. verstarb völlig überraschend für alle Lebensbereiche Prof. Dr. Wolfgang Horsch, ordentlicher Professor für Pharmazeutische Technologie an der Universität Leipzig 1969–1988. Wolfgang Horsch wurde am 20. 07. 1926 in Leipzig geboren und blieb stets seiner Stadt treu. So studierte er an der Leipziger Universität Pharmazie und Lebensmittelchemie und wurde im Jahre 1954 mit einem organisch-synthetischen Thema zum Dr. rer. nat. promoviert. Bald schon entdeckte Horsch seine Neigung für galenische Fragestellungen. Als wissenschaftlicher Assistent begann er 1954 mit dem Aufbau eines für diese Zeit modernen und breitgefächerten pharmazeutisch-technologischen Praktikums. Damit hat er den Weg der Galenik von der Ars pharmaceutica zur Scientia pharmaceutica bereitet. 1964 habilitierte sich Horsch. Kurz danach erfolgte die Berufung zum Dozenten, 1969 zum ordentlichen Professor für Pharmazeutische Technologie. Mit dem Ende der Apothekerausbildung in Leipzig widmete sich Horsch Fortbildungs- und Weiterbildungsveranstaltungen für Apotheker. 1973 wurde er zum Vorsitzenden der Zentralen Fachkommission Arzneimitteltechnologie bei der Akademie für Ärztliche Fortbildung ernannt. Als Mitglied der Arzneibuchkommission der DDR hat Prof. Horsch zahlreiche Monographien und Beiträge zum Kommentar des Arzneibuches erarbeitet. Außerdem beschäftigte er sich mit technologisch interessanten Hilfsstoffen, Sterilisationsverfahren, Infusionslösungen mit Stabilitätsproblematik und Wirkstoffliberation aus Salben. Mehr als 250 Publikationen und Vorträge tragen seinen Namen. Als Mitautor des bekannten Lehr- und Handbuches „Sterilisation, Desinfektion, Konservierung und Entwesung“ ist er nicht nur Pharmazeuten bekannt geworden. 1997 wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft der Landesgruppe Sachsen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft verliehen. Trotz Invalidisierung 1988 blieb er seinem Fach bis zuletzt verbunden. Seit der Wiedereröffnung des Instituts für Pharmazie 1992 verfolgte er mit Interesse den Wiederaufbau des Fachgebietes Pharmazeutische Technologie und des Studienganges Pharmazie. Wir trauern um unseren „Emeritus“ und werden seinen Rat, vor allen aber den Menschen Wolfgang Horsch, sehr vermissen. W. Süß, B. Wolf Heft 5/2004 Plötzlich und völlig unerwartet verstarb am 14. August der Professor für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft Dietrich Kerlen. 1995 auf den damals mit Unterstützung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels neu eingerichteten Lehrstuhl an der Universität Leipzig berufen, hat Professor Kerlen mit dessen Eingliederung in den Studiengang der Kommunikations- und Medienwissenschaften ein besonderes Leipziger Profil ausgeprägt. Es besteht darin, dass das Buch stets im Kontext neuerer Medien medienwissenschaftlich und vergleichend untersucht wird und dass Forschung und Lehre neben der Buchtheorie auch die Buchwirtschaftslehre und Buchgeschichte umfassen. Dietrich Kerlen hat dieses an deutschen Universitäten singuläre Profil aufgrund seiner wissenschaftlichen und Verlagserfahrung kontinuierlich ausgebaut und zum Erfolg geführt, wie die Anzahl und der Berufseinstieg der Absolventen beweist. Neben seiner Lehrtätigkeit ist er auch als Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen hervorgetreten; allein im vergangenen Jahr erschienen zwei Bücher von ihm, eine Einführung in die Medienkunde und ein Lehrbuch der Buchverlagswirtschaft, davor eine Biographie Edgar Allen Poes. Dietrich Kerlen, am 13. April 1943 in Posen geboren, studierte Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Tübingen, Zürich, Heidelberg, Stuttgart und München, wurde mit einer Arbeit über Luther und Erasmus zum Dr. theol. und mit einer Ar- beit über die Kantsche Rechtsphilosophie zum Dr. phil. promoviert. Danach war er 13 Jahre lang Lektor im Verlag Klett-Cotta Stuttgart und fünf Jahre Mitglied der Geschäftsleitung bei Bertelsmann im Gütersloher Verlagshaus. Die Zeiten, erkannte Dietrich Kerlen, sind vorbei, da das Buch oder die Bibliothek selbstverständliches, unersetzbares und fast monopolisiertes Instrumentarium des Wissenschaftsbereiches war. Damit sah er einen vermehrten Bedarf an Reflexion, was das Buch weiterhin unverzichtbar macht. Solche Überlegungen mündeten bei ihm in ein Plädoyer für die Lesekultur als Basiskompetenz für alle Lebensbereiche. „Wer Langtexte liest, lebt ein lohnenderes Leben.“ Auf einer akademischen Trauerfeier am 13. September unterstrich Rektor Prof. Dr. Franz Häuser: „Es fällt der Universität schwer, von Professor Kerlen Abschied zu nehmen. Wir haben einen produktiven und kreativen Wissenschaftler, einen engagierten und erfolgreichen Hochschullehrer, aber nicht zuletzt auch einen liebenswürdigen Menschen verloren.“ Die Universität werde das Lebenswerk von Prof. Kerlen, die Leipziger Buchwissenschaft, in seinem Sinne fortführen. Sein Fach habe sich glänzend etabliert und strahle innovativ auf die Forschungslandschaft aus. Der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Prof. Dr. Günter Bentele, informierte auf der Veranstaltung im Geschwister-Scholl-Haus, dass die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig, mit der Dietrich Kerlen schon ein Projekt in Bezug auf Osteuropa besprochen hatte, spontan die Einrichtung eines „Dietrich-Kerlen-Preises für Buchwissenschaft der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig“ angeregt hat. Dieser Preis soll jedes Jahr an Absolventen der Buchwissenschaft im deutschsprachigen Raum verliehen werden und ist mit 2500 Euro dotiert. Des weiteren sollen das akademische Werk Dietrich Kerlens, seine Einsichten, Ideen, sein wissenschaftlicher Ansatz im nächsten Jahr auf einer eigenen wissenschaftlichen Veranstaltung gewürdigt werden. „Würdigen heißt aber auch weiterleben lassen“, betonte Prof. Bentele. V. S. 39 Personalia Kurz gefasst Judokämpferin Annett Böhm, Studentin an der Sportwissenschaftlichen Fakultät, gewann bei den Olympischen Spielen in Athen die Bronzemedaille. Sie besiegte in der entscheidenden Runde der Klasse bis 70 Kilogramm die Belgierin Catherine Jacques mit einem Ausheber. „Ich wollte diese Medaille unbedingt haben. Die ganze Arbeit hat sich gelohnt“, sagte die 24-Jährige. Der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Jürgen Krug, freute sich über die Medaille seiner Studentin: „Wir haben alle die Daumen gedrückt und sind stolz auf die hervorragende Leistung unserer Annett.“ Er gratulierte der Medaillengewinnerin ebenso wie Prorektorin Charlotte Schubert, die zu jenem Zeitpunkt gerade den Rektor vertrat. Die TU Darmstadt hat Prof. Dr.-Ing. Dr.Ing. e. h. Gert König, früherer Direktor des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie und Ehrenbürger der Universität Leipzig, die Würde eines Ehrendoktors verliehen. König erhielt die Auszeichnung in Anerkennung „seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem gebiet des konstruktiven Ingenieurbaus und seiner besonderen Verdienste in Forschung, Lehre und Weiterbildung“, wie es in der Urkunde heißt. Er hat in Darmstadt studiert und an der damaligen TH Darmstadt promoviert. 1975 wurde er an dort Professor, bevor er 1995 in seine Heimatstadt Leipzig zurückkehrte. Der Rat der Theologischen Fakultät hat Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann zum neuen Dekan der Fakultät gewählt. Seine Amtszeit als Nachfolger von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Günther Wartenberg begann am 1. Oktober. Prof. Dr. Claus Wilcke, Emeritus des Altorientalischen Instituts, wurde von der American Oriental Society mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Der Leipziger Historiker Prof. Dr. Enno Bünz wurde mit dem Bordesholmer Universitätspreis 2004 ausgezeichnet. Bünz, Inhaber des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte und zurzeit geschäftsführender Direktor des Historischen Seminars, erhielt die mit 1500 Euro dotierte Auszeichnung für ein Buch über die 40 Augustiner-Chorherrenstifte NeumünsterBordesholm und Segeberg im Mittelalter. Der Bordesholmer Universitätspreis wird seit 2002 alle zwei Jahre verliehen. Die Gemeinde Bordesholm ehrt damit Forscher für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte, Landeskunde oder Wirtschaft im Raum Bordesholm. Prof. Dr. Maria-Elisabeth KrautwaldJunghanns, Leiterin der Poliklinik für Vögel und Reptilien an der Veterinärmedizinischen Fakultät, wurde für drei Jahre einstimmig zur Präsidentin des European College of Avian Medicine and Surgery gewählt. Sie ist damit einzige deutsche Präsidentin eines europäischen Colleges im European Board of Veterinary Specialisation (EBVS). Die Forschergruppe um Prof. Dr. Wilfried Morawetz vom Institut für Botanik will zum Ende des Jahres eine Kooperationsvereinbarung mit der Tomakomai Research Station aus Hokaido/Japan abschließen. Eine Abordnung der Forschungseinrichtung und des Japan Water Resources Environment Center aus Tokyo steckte im Sommer schon einmal die Basis der Zusammenarbeit ab. Die Gruppe interessierte sich besonders für den Leipziger Auwaldkran, die Technologien bei der Untersuchung des Leipziger Auwaldes und die damit verknüpften Forschungen. Mit dem Leiter der japanischen Delegation, Prof. Murakami Masashi, sollen gemeinsame Vorhaben für Untersuchungen in temperaten Wäldern vereinbart werden. Die Sächsische Landesärztekammer verlieh Prof. Dr. Eberhard Keller, Wachstumsspezialist an der Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, mit der Hermann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille eine Auszeichnung für seine außerordentlichen Verdienste um die Berufspolitik der sächsischen Ärzteschaft. In der Begründung für die Verleihung der Medaille heißt es: „Sein ständiger Einsatz für die Belange der Kammer hat ihm den Respekt und die Anerkennung der sächsischen Ärzteschaft eingebracht … Die Sächsische Landesärztekammer ehrt mit Prof. Dr. Eberhard Keller einen Arzt, der durch seine wissenschaftliche Tätigkeit und sein berufspolitisches Engagement ein Vorbild für die nachfolgende Generation ist.“ Professor Keller erhielt zudem den Internationalen Preis (Finalist) der Endocrine Society and Pfizer, Inc. für eine exzellente Publikation in der renommierten Zeitschrift „The Journal of Endocrinology & Metabolism“. Der prämierte Beitrag erschien im Heft 9/2003 besagter Zeitschrift und beschäftigt sich mit dem Einsatz von Wachstumshormonen in der postpubertären Phase bei Patienten, denen das Wachstumshormon fehlt, und die Auswirkungen auf das Knochenwachstum. Anlässlich der 51. Jahrestagung der nordamerikanischen „Society of Nuclear Medicine“ in Philadelphia (USA), wurde Dr. Henryk Barthel, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Leipzig, mit dem renommierten Berson-Yalow-Preis ausgezeichnet. Der Berson-Yalow-Preis wird für den besten wissenschaftlichen Kongressbeitrag vergeben. Dr. Barthel präsentierte Ergebnisse einer Studie, die er im Rahmen seines Forschungsaufenthalts in der PET-Onkologie-Arbeitsgruppe von Dr. E. O. Aboagye am Hammersmith Hospital in London (GB) durchgeführt hat. Die Ergebnisse der Studie werden in Kürze in der Zeitschrift „European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging“ erscheinen. Susanne Martini, Institut für Humangenetik, erhält zur Unterstützung ihrer Forschungstätigkeit ein Stipendium in Höhe von 3 720 Euro von der Max-Buchner-Forschungsstiftung zur Evaluierung der DHPLC für die Analyse hochpolymorpher Mikrosatellitenmarker. Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin, wurde zum Honorarprofessor für Gesundheitlichen Verbraucherschutz und Risikobewertung an der Veterinärmedizinischen Fakultät bestellt. Prof. Dr. Heinz-Adolf Schoon, Dr. Heike Aupperle, Dr. Katja Steiger und Dr. Christin Ellenberger, alle Institut für Veterinär-Pathologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät, erhielten den Ackerknecht-Preis für ausgezeichnete Lehre. Mit 165 000 Euro fördern die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin ein Internetprojekt, das eine fachkompetente und kostenfreie E-MailBeratung von Patienten mit Essstörungen anbietet. Das Projekt wird von Dr. Martin Grunwald, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, geleitet. journal Personalia | Jubiläum 2009 Geburtstage Philologische Fakultät 65. Geburtstag Prof. Dr. Eberhard Fleischmann, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie, am 1. September Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 60. Geburtstag Prof. Dr. Ullrich Heilemann, Institut für Empirische Wirtschaftsforschung, am 26. Oktober Prof. Dr. Gerhardt Wolff, Honorarprofessor für Unternehmensführung und Organisation, am 30. Oktober 65. Geburtstag em. Prof. Dr. Udo Hielscher, Institut für Finanzen, am 23. Oktober 70. Geburtstag em. Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e.h. Gert König, Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Ehrenbürger der Universität Leipzig, am 2. Oktober 75. Geburtstag Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf Moxter, Ehrendoktor, am 3. Oktober Sportwissenschaftliche Fakultät 60. Geburtstag Dr. Roswita Härtig, Institut für Bewegungsund Trainingswissenschaft der Sportarten, am 20. September Gesichter der Uni Michael Wirth (1547 –1612) Abbildung: Kustodie Medizinische Fakultät 60. Geburtstag Prof. Dr. med. Rainer Preiß, Institut für Klinische Pharmakologie, am 2. Oktober Prof. Dr. med. Ralf Schober, Institut für Pathologie, Selbstständige Abteilung für Neuropathologie, am 5. Oktober 65. Geburtstag Prof. Dr. med. Wolfgang Schmidt, Institut für Anatomie, am 15. Oktober 70. Geburtstag Prof. Dr. med. Hannelore Schmidt, ehem. Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie, am 25. September Prof. Dr. rer. nat. Gerhard Kopperschläger, ehem. Institut für Biochemie, am 13. Oktober 85. Geburtstag Prof. Dr. med. Peter Feudell, ehem. Klinik und Poliklinik für Neurologie, am 30. September Der Rektor der Universität Leipzig und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich. (Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.) Heft 5/2004 Sämtliche Beiträge aus der Reihe Gesichter der Uni, die in Heft 2/2004 ihren Anfang nahm, sind ab sofort im Internet nachzulesen: www.uni-leipzig.de/journal/ gesichter Zu den ersten privaten Stiftern des im Jahre 1543 von Herzog Moritz an der Universität Leipzig gegründeten Konvikts, gehörte der „Doctor beyder rechte und Professor publicus“ sowie zeitweilige Rektor der Universität, Michael Wirth. 1547 in Löwenberg (Schlesien) geboren, wird er 1574 als Magister und Baccalaureus der Rechte Kollegiat im Frauenkolleg. 1577 erlangte er u. a. nach einem Studienaufenthalt in Frankfurt den juristischen Doktortitel, und ein Jahr später eine ordentliche Professur. Bereits im Alter von 27 Jahren wurde er zum Rektor magnificus gewählt. Dieses Amt übte er auch 1578/79 und 1592 aus. Von 1581 bis 1592 diente er am Coburger Hof als Kanzler des Herzogs Casimir. Als er einige Jahre nach seiner Rückkehr, im Jahre 1599, von der Juristenfakultät der Universität erneut zum Ordinarius bestimmt wurde, trat er wegen Gehaltsstreitigkeiten das Amt jedoch erst im Januar 1600 an. Denn er forderte in Anlehnung an die Besoldung des Nürnbergers Johann Münch ebenfalls die höheren Einkünfte eines von auswärts berufenen Ordinarius.m Neben seiner Rechtsprofessur übte er weitere Funktionen aus, etwa die als Direktor des Konsistoriums, kursächsischer Appellationsrat und Domherr des Stifts Merseburg. Er verfasste neben Reden und Programmen zu juristischen Themen auch einige Abhandlungen mit historischem Bezug, darunter die zur Genealogie des Sachsenherzogs Widukind (Orationes, de amplitudine stirpis Wittekindae saxonicae). Michael Wirth stiftete ein Jahr vor seinem Tode (1611) durch Kaufbrief mit der Universität Leipzig die ansehnliche Summe von 4 000 Gulden für einen Freitisch im Konvikt, die von ihm in zwei Raten bereits 1591 und 1599 in den Fonds der kurfürstlichen Steuerkasse eingezahlt wurden. Einige Jahre zuvor (1606) entstand ein Halbfigurenporträt, auf dem Wirth im Alter von ca. 60 Jahren dargestellt ist (siehe Abbildung). Kleidung und Schmuck deuten auf die hohen Ämter und Privilegien des Abgebildeten hin. So waren Pelzschaube, Handschuhe und Schwert Ausdruck der Privilegien des Gelehrten, während die beiden Goldketten auf die Ämter hinweisen, die der Jurist im Laufe seines Lebens inne hatte. Das Porträt, das zur Ordinarien-Galerie der Juristenfakultät gehört, befindet sich derzeit in der Studiensammlung der Kustodie der Universität. Alrun Tauché, Institut für Kirchengeschichte 41 Jubiläum 2009 „Künstlerisch belebend“ Interview mit Eduard Beaucamp über Tübkes Gemälde „Arbeiterklasse und Intelligenz“ Das Universitätsjubiläum 2009 rückt näher, der neue Campus tritt allmählich aus der Virtualität in die Realität und die Frage gewinnt an Aktualität, welchen Platz künftig die überlieferten Kunstwerke aus älterer und neuerer Zeit einnehmen sollen. Eines davon ist Werner Tübkes monumentales, 12,80 mal 2,70 Meter großes Wandbild mit dem Titel „Arbeiterklasse und Intelligenz“ im Foyer des 1. Stockes des Hauptgebäudes der Universität am Augustusplatz. Ein Gespräch mit dem langjährigen Redakteur und Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Eduard Beaucamp, Autor einer Publikation über eben dieses Wandbild, kann das Bewusstsein für die Aufgabe der Integration der Kunstwerke in die neue Universität schärfen. „Arbeiterklasse und Intelligenz sind unter der Führung der marxistisch-leninistischen Partei im Sozialismus untrennbar verbunden“ lautete das Rahmenthema für den begrenzten Wettbewerb. Wenn man das heute liest, möchte man meinen, dass einem Maler bei dieser Vorgabe der Pinsel einfriert. Tübkes Bild beweist das Gegenteil. Wie erklären Sie sich das? Solchen und ähnlichen Vorgaben hat sich Tübke stets gefügt. Er hat sie aber nicht sonderlich ernst genommen und ihnen seine Kunst nicht unterworfen. So hat er auch bei seinem Bauernkriegspanorama den programmatisch gedachten Titel „Frühbürgerliche Revolution“ akzeptiert, obwohl er wissen musste, dass er historisch schief ist – die Bürger standen schließlich, wie schon Golo Mann zu DDR-Zeiten angemerkt hat, gegen die Bauern. Tübke machte daraus bekanntlich eine Parabel für den fatalen Kreislauf der Geschichte, ja ein Weltuntergangsbild. Bevor er zu malen begann, hat er sich daher beim „Panorama“ die vertragliche Zusicherung geben lassen, dass ihm niemand in sein Konzept hereinreden dürfe. Ich vermute, dass das bei „Arbeiterklasse und Intelligenz“ ähnlich gelaufen ist. Das Ergebnis spricht dafür. Im übrigen sah sich Tübke in der jahrhun42 dertelangen Tradition der europäischen Auftragskunst: Viele Künstler zwischen Michelangelo, Caravaggio und Goya übernahmen orthodoxe Auftragsprogramme, veränderten sie aber manchmal recht radikal durch ihre Interpretation und Arbeit. Ein extremes Beispiel ist Perugino, der Lehrer Raffaels, der, wie jüngst Jörg Traeger nachweisen konnte, ungläubig war, ja atheistisch dachte. Er hat trotzdem Aufträge der Kirche auf charmante, gefällige, bezeichnenderweise freilich ein wenig manieristische Art ausgeführt. Bei seinen Madonnen- und Heiligenbildern war er verliebt in die schönen Frauen und nackten Jünglinge. Für ihn standen die Grazie der Haltung und Bewegung, die Spiritualität der Beziehungen und der Disput der Figuren, eben die sacra conversazione, im Vordergrund. Auch so können Heiligenbilder entstehen. Bei Tübke wird es ähnlich gewesen sein. Unter dem Eindruck seiner Italienreisen 1971 und 1972, die ihm gelegentlich seiner großen Personalausstellung in fünf Städten, darunter Florenz, Mailand und Rom, gestattet wurden, die ihn auch zu Leonardos „Abendmahl“ in Mailand und nach Venedig zu den berühmten Abendmahl-Bildern Veroneses oder Tintorettos führten, ist auf machtvolle Weise der Maler in ihm entfacht worden. Tübke ist in Italien zu Tagträumen von einer möglichen Wiederbelebung der Renaissance inspiriert worden. Er sprach in solchen Zusammenhängen ja von der „Fähigkeit zur Utopie nach rückwärts“. Das Wandbild für die Universität ist der Niederschlag dieser Erlebnisse und Träume. Damit überwand Tübke den politisch und parteilich dominierten Stil des „Brigade-Bildes“, wie er sich durchaus noch in den ersten Entwürfen für dieses Wandbild abzeichnete. Laut damaliger Universitätszeitung (UZ) zeigte sich eine Delegation der SED-Bezirksleitung, als sie Anfang 1973 vor der offiziellen Freigabe das Wandgemälde begutachtete, beeindruckt ob „dessen künstlerischer Meisterung“. Gleichzeitig hebt die UZ hervor, dass das Bild, nachdem es ab 31. August allgemein zugänglich war, „Gegenstand vieler Diskussionen“ ist. „Kaum eine Stunde vergeht, in der nicht Universitätsangehörige oder Besucher vor dem Bild stehen, nachdenklich oder heftig debattierend.“ Wer offiziöses DDRDeutsch zu lesen versteht, weiß, dass damit unterschwellig Vorbehalte artikuliert wurden, etwa der Art, ob denn das Thema „Arbeiterklasse und Intelligenz“ in einer so altmeisterlichen Malweise adäquat gestaltet werden kann. Und gute Genossen mochten sich fragen: Ist das noch sozialistischer Realismus? Auch Kunsthistoriker im Westen fällten, vornehmlich nach der Wende, ein kritisches Urteil, sprachen von Programmbild, von Anachronismus und sozialistischer Idylle. All das trifft nicht das Phänomen dieses Bildes. Als übrigens 1974 eine Delegation der AICA, also des internationalen Kunstkritiker-Verbandes, durch die DDR reiste, waren die Kollegen aus der Schweiz, Italien, Frankreich, England oder Holland hingerissen von diesem Bild. Wir sahen darin ein Zeichen dafür, dass sich die DDR-Kunst endgültig von der politischen Dienstbarkeit und vom „Sozialistischen Realismus“ befreit hatte. Die Schlagzeile eines Berichts lautete damals gar „Das neue Licht von Leipzig“. Ich empfinde das Bild heute wie damals als künstlerisch überaus belebend, es stimmt mich euphorisch. Hier weht der Geist der Universität, ja etwas vom „Heiligen Geist“ der alten Altarbilder. „Arbeiterklasse und Intelligenz“, gewiss ein heute misslich klingender Titel aus DDR-Zeiten, folgt ja einem uralten Thema – der Aussöhnung von Arbeit, Kunst, Wissenschaft und Politik und berührt insbesondere christliche Vorstellungen von einem Ausgleich gegensätzlicher Lebensformen, der vita activa und der vita contemplativa. Bei Tübke stehen die Figuren nicht mehr wie bei den Brigadebildern in Reih und Glied, keine hierarchische Ordnung obwaltet. Als Universitätsbild bringt das Bild Jugend und Alter, journal Fachgespräch vor dem Tübke-Wandbild: Uni-Kustos Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, Rektor Prof. Dr. Franz Häuser und Kunstkritiker Eduard Beaucamp (v. l.). Foto: Armin Kühne Lernende und Lehrende, ferner die durch fünf Dekane repräsentierten Fakultäten, darunter besonders die abstrakt-moderne Wissenschaftswelt – Einblicke werden in ein Physik-Seminar und ein Computerlabor gegeben – mit der konkreten Arbeitswelt auf der Baustelle der neuen Universität in Verbindung. Das Bild bezieht zudem die damalige Leipziger Obrigkeit ein, die Häupter der Kommune, der Partei und des Bezirkes. Sollen wir daran Anstoß nehmen? Im Louvre bewundern wir heute die Porträts abscheulicher Potentaten, weil sie von Piero della Francesca, Holbein oder Tizian gemalt worden sind.m Das Leipziger Universitätsbild entfaltet eine Schönheit und Festlichkeit, eine Heiterkeit und Grazie, wie man sie nie zuvor in der DDR-Kunst gesehen hat. Das tanzende Mädchen ist das Scharnier des ganzen Bildes. Die Jugend beherrscht das Bild. Es dokumentiert eine Art Jugendbewegung, eine Jugend, die sich nicht mehr unter Kuratel stellen lassen will. Ich denke da vor allem an die Leipziger Kunstszene, die sich damals so eindrucksvoll zu regen begann. Eine Schülergeneration, also Maler wie Stelzmann, Ebersbach, Gille, Rink, Peuker oder Hachulla, wollte sich nicht mehr reglementieren lassen. Zu mehreren der über 100 abgebildeten Personen des Wandbildes, ich nenne nur Heft 5/2004 Parteileute wie Paul Fröhlich oder Erich Grützner, ist die heutige Universität mit guten Gründen auf Distanz gegangen. Dennoch scheint der zeitdokumentarische Wert heute wichtiger zu sein als das, „was uns der Künstler sagen wollte“ – nicht in der von Ihnen gegebenen Deutung, sondern in der dem Zeitgeist verpflichteten Erklärung des Malers gegenüber der Universitätszeitung: „Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, wie Arbeiter, Wissenschaftler, Studenten in enger gegenseitiger Verbundenheit die sozialistische Gesellschaft aufbauen und sich als sozialistische Persönlichkeiten bewähren.“ Frage an den subtilen Kenner dieses Bildes: Wie sollte die Universität im Zusammenhang des bis 2009 entstehenden neuen Campus mit dem bedeutenden Werk umgehen? Es sollte auf jeden Fall angemessen ausgestellt werden und sich in seiner ganzen Schönheit entfalten können! Es braucht übrigens eine leichte Anhebung, einen Sockel, von dem Tübke ausging und der im Rektoratsgebäude der siebziger Jahre wegen der reduzierten Deckenhöhe entfiel. Das Bild dokumentiert eine historische Phase, aber nicht nur das. Es ist ein Kunstwerk von außerordentlicher Ausstrahlung. Man sollte sich durch den zeitbedingten, ideologischen Rahmen den Blick heute nicht verstellen lassen. Das Bild ist frei von Propaganda. Es ist ein Bild der Jugend, das für Aufbruch und Zukunft steht. Die Utopie einer idealen Gesellschaft, die Tübke hier in Anlehnung an Bilder von Renaissance-Kommunen entwirft, ist kein Thema, das sich erledigt hat. Für mich, der ich aus dem Westen komme, wo nach 1945 die Kunst-Avantgarden fast alle Brücken zur Geschichte abbrechen wollten, ist es besonders faszinierend zu sehen, wie hier ein Künstler jenseits von L’art pour l’art Geschichte aufnimmt und ihre Ideen transportieren möchte in Richtung einer besseren Gesellschaft. In meiner kleinen Monographie über das Bild von 1985 schrieb ich und möchte das heute bekräftigen: „‚Arbeiterklasse und Intelligenz‘ ist das gegenwartsbezogenste und hochgestimmteste, aber auch extrovertierteste Bild Tübkes. Es ist ein betörendes Schaustück, das mit einer Erprobung alter Modelle der Malerei eine Renaissance der Renaissance in der sozialistischen Gesellschaft vor Augen führt und dabei auf offener Bühne die Realität in die Idealität übergehen lässt. Über den Realismus der Details und über den Historismus der Formen hinaus hat hier der Künstler eine Vision wiedergegeben, den Traum von einer herrschaftslosen, gleichberechtigten, sich kommunikativ austauschenden, einer geistig inspirierten, ästhetisch geprägten Gesellschaft.“ Interview: Volker Schulte 43 Jubiläum 2009 Der göttliche Odem Über das Epitaph für Heinrich Heideck aus der Universitätskirche Von Prof. Dr. Frank Zöllner, Institut für Kunstgeschichte Bis vor ein paar Jahren ließ sich die Geschichte des Grabepitaphs wohl an kaum einem Ort besser verfolgen als in der ehemaligen Universitätskirche St. Pauli. Ein ebenso reicher wie repräsentativer Bestand monumentaler Beispiele dieser Gattung schmückte den Innenraum der Kirche bis zu ihrer Sprengung im Jahre 1968. Immerhin, viele der Epitaphien konnten noch vor der Zerstörung des spätgotischen Sakralbaus entweder vollständig oder in Teilen geborgen werden und warten nun, nach einer inzwischen erfolgten Lagerung in einem neuen Depot der Universität, auf dringend notwendige Restaurierungsmaßnahmen. Inzwischen ist mit dem Grabepitaph des Heinrich Heideck (1570–1603) ein Anfang gemacht: Als eines der ästhetisch ansprechendsten Ausstattungsstücke der ehemaligen Paulinerkirche wurde das Heideck-Epitaph mit Beginn des Rektorats von Magnifizenz Prof. Dr. Franz Häuser im Jahre 2003 für eine Restaurierung ausgewählt. Im Rahmen der von der Kustodie etablierten Zusammenarbeit mit der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden, namentlich der Fachklasse Polychrome Holzobjekte unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Schießl, konnte ein erstes, besonders beschädigtes Relief im Rahmen einer praktischen Diplomarbeit durch Johannes Schaefer aus Altenburg bearbeitet werden (s. Abb.). Der am 5. November 1570 geborene Heinrich Heideck studierte in Leipzig, Helmstedt, Ingolstadt, Jena und Heidelberg, wo er 1594 als „iuris ultrisque doctor“ (J. U. D. – Doktor beider Rechte) abschloss. Ab 1596 wirkte er als gräflich-mansfeldischer Kanzler zu Bornstädt, 1598 wurde er sachsen-weimarer Rat, 1602 Assessor am OberHofgericht zu Leipzig und 1603 Konsiliarius und Kanonikus am Dom-Kapitel zu Magdeburg. Er war zwölf Jahre mit Esther Schwarz verheiratet, mit der er drei Kinder – einen Sohn und zwei Töchter – hatte. Heideck starb im Alter von nur 30 Jahren und nach einer glänzenden Karriere am 13. De44 zember 1603. Der größte Teil der biographischen Informationen zu seiner Person ist der Inschrift des Epitaphs zu entnehmen. Weitere Angaben, auf die ich mich im folgenden stütze, wurden im Auftrag der Kustodie von Doreen Zerbe M. A. erarbeitet. Das wohl um 1603 oder in den darauf folgenden Jahren entstandene geschnitzte Holzepitaph ist weiß und golden gefasst und misst in seiner Gesamtheit ca. 410 mal 280 cm. Es besteht aus einem sarkophagförmigen Sockel, einem darunter befindlichen reich ornamentierten Gesprenge sowie drei über dem Sockel sich erhebenden und oval gerahmten szenischen Darstellungen. Deren Identifizierung ist bislang nur in Teilen gelungen. Über dem mittleren, in seinen Dimensionen etwas größeren und dadurch hierarchisch hervorgehobenen Oval erhebt sich ein gesprengter Segmentgiebel, dessen Öffnung einen Posauneblasenden Engel rahmt. Das unterhalb der Sockelzone angebrachte Gesprenge trägt auch die Inschrift. Das Epitaph ist, obschon im Zuge der Notbergung des Jahres 1968 in seine Einzelteile zerlegt, vollständig erhalten. Unstrittig und fast einzigartig für die Leipziger Kunstlandschaft des frühen 17. Jahrhunderts ist die künstlerische Qualität des Epitaphs. Hierbei weisen die Figuren ebenso wie das rahmende Ornament Einflüsse des italienischen und flämischen Manierismus auf. Nicht auszuschließen ist daher, dass hier ein auswärtiger Künstler am Werk war oder dass es sich bei dem Epitaph um ein Importprodukt handelt. Die Darstellung im mittleren Relief zeigt ein „Jüngstes Gericht“ mit Christus als Weltenrichter im oberen Teil der Schnitzarbeit, während im unteren Bereich links die Seeligen (von Christus aus rechts) und rechts die Verdammten zu sehen sind (von Christus aus links). Das kleinere Oval rechts schildert nach herrschender Meinung eine Darstellung der Vision des Ezechiel (Hesekiel): Gott führt den alttes- Oben: Epitaph Heinrich Heideck am – wohl ursprünglichen – Anbringungsort an der Nordwand des Nordchores der Universitätskirche, Zustand ca. 1955/1956. Foto: Kustodie Rechts: Epitaph Heinrich Heideck, rechtes Oval mit der Vision des Ezechiel, Zustandsfoto während der Restaurierung durch Johannes Schaefer im Rahmen des Diplomstudiengangs Restaurierung Polychromer Holzobjekte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, Zustand August 2004. Foto: Johannes Schaefer tamentlichen Propheten Ezechiel in einer Vision auf ein Feld mit Verstorbenen und mit teilweise verdorrten Gebeinen (s. u.). Es wird dort prophezeit, dass diese Gebeine durch den Odem des Herrn wieder lebendig würden (Ez 37. 1–10). Die Identifizierung des Ovals auf der linken Seite ist strittig. Häufig wird hier die Erweckung der Tochter des Jairus (Jaires) durch Christus gesehen (Mt 9.18ff.). Da die „Erweckergestalt“ aber keine Ähnlichkeit mit dem Christus aus dem mittleren Oval oder überhaupt mit Darstellungen des Heilands aufweist, kommen auch andere Erweckungsszenen in Betracht. Auch wenn eine der drei Szenen bislang noch nicht zweifelsfrei identifiziert werden konnte: An der allgemeinen Aussage des journal Jubiläum 2009 gesamten Ensembles kann kein Zweifel bestehen. Im Zentrum des Bildkonzepts steht die für ein Epitaph angemessene Idee des Totengedenkens, das verbunden ist mit der Hoffnung auf dereinstige Wiederauferstehung des Verstorbenen. Darauf verweisen unmittelbar sowohl die Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ und der Posaunenengel sowie die noch nicht sicher identifizierte Erweckungsszene und die Vision Ezechiels. Anlässlich der Bestattung Heidecks wurde 1603 von Cornelius Becker eine Leichenpredigt verfasst, die noch im selben Jahr im Druck erschien (Cornelius Becker, „Christliche Leichpredigt / Bey dem Begräbnis des […] Herrn Heinrich Heidecks […]“, Leipzig 1603). Die in der LeichenHeft 5/2004 predigt bemühte Metaphorik entspricht unmittelbar der Bildsprache des Epitaphs. So ist im Text Cornelius Beckers von dem Verdorren durch den feurigen Atem die Rede, was dem vernichtenden Feuer entspricht, das zum „Jüngsten Gericht“ vom Himmel herabgesandt kommt und auf dem mittleren Oval zur Darstellung gelangt. Eine ähnliche Metaphorik liegt der Szene auf dem rechts platzierten Relief zugrunde (s. Farbfoto), denn statt des vernichtenden Feuers stellt der Künstler nun umgekehrt den heilenden und erlösenden Effekt des göttlichen Atems dar. In der entsprechenden Vision des Ezechiel ist vom göttlichen Odem die Rede, der den wiedererweckten Gebeinen zunächst fehle und der ihnen dann eingehaucht werde. Diese Reihen- folge – zunächst „wächst Fleisch auf den Gebeinen“, danach kommt der göttliche Odem herab – illustriert auch das Relief des Heideck-Epitaphs: Der Prophet Ezechiel ist umringt von Gebeinen, denen teilweise schon wieder „Fleisch gewachsen“ ist, während von oben vier Engel den göttlichen Odem auf die Erde herabblasen. Die entsprechende Vision des Ezechiel, die der Künstler dem Betrachter im wahrsten Sinne des Wortes plastisch vor Augen zu stellen wusste, sei hier abschließend nach der 1534 erschienenen Übersetzung Martin Luthers (II, fol. CV) zitiert: „VNd des HERRN hand fasset mich / vnd füret mich hinaus im Geist des HERRN vnd stellet mich auff ein weit feld / das voller todten beine lag / vnd er füret mich allenthalb da durch / Vnd sihe (des gebeines) lag seer viel / auff dem feld / vnd sihe / sie waren gar verdorret / Vnd er sprach zu mir / Du menschen kind / Meinstu auch / das diese beine wider lebendig werden? Vnd ich sprach / DErr HERR / das weistn wol. […] So spricht der DErr HERR von diesem gebeine / Sihe / ich will einen odem jnn euch bringen / das jr solt lebendig werden / Ich will euch adern geben / vnd fleisch lassen vber euch wachsen / vnd mit haut vberzihen / vnd will euch odem geben / das Jr wider lebendig werdet / vnd solt erfaren / das ich der HERR bin. [...] vnd sihe / da ward ein gros gerümpel / als ich weisssagte / vnd die gebeine kamen wider zu samen / ein jglichs zu seinem gebein / Vnd ich sahe vnd sihe / es wuchsen adern vnd fleisch drauff / vnd er vber zoch sie mit haut / es war aber noch kein odem jnn jnen. Vnd er sprach zu mir / Du menschen kind / Weissage / vnd sprich zum winde / So spricht der DErr HERR / Wind / kom herzu von den vier örtern / vnd blase diese todten an / das sie wider lebendig werden. Vnd ich weissaget / wie er mir befolhen hatte / da kam odem jnn sie / vnd sie wurden wider lebendig / vnd richten sich auff jre füsse / Vnd jr war ein seer grosse menge.“ Ausgangspunkt des oben stehenden Beitrags war ein zusammen mit dem Kustos der Universität Leipzig, Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, im Sommersemester 2004 abgehaltenes Seminar, das die Epitaphien der ehemaligen Paulinerkirche zum Gegenstand hatte. Den Teilnehmerinnen dieses Seminars und Herrn Dr. Hiller sei an dieser Stelle herzlich für die anregenden Diskussionen gedankt. 45 Titel-H_06_2 09.11.2004 11:06 Uhr Seite 1 C November 2004 M Y CM MY Heft 6/2004 CY CMY K ISSN 0947-1049 Transformationsprozess: Auf dem Weg in eine neue Lernkultur Theaterwissenschaft: Das Prinzip „urbi et orbi“ Schulunterricht: Filme mit anderen Augen sehen Raritäten aus dem Mittelalter: Bibliothek erwirbt Handschriften Redaktionsgespräch zum ZHS: „Ohne Reibungen geht es nicht“ Studentische Lebenswelten: Gemietetes Bettzeug journal Zehn Jahre Zentrum für Höhere Studien Hinauf zum Mehrwert Probedruck EDITORIAL Inhalt UniVersum Neues vom Bau Leserbrief von Erich Loest 2 3 Gremien Sitzung des Senats am 12. Oktober 4 Forschung Kindheit in den antiken Mittelmeerkulturen Nomaden und Sesshafte Nachrichten 5 8 10 Fakultäten und Institute Theaterwissenschaft: Prinzip „urbi et orbi“ Auf dem Weg in eine neue Lernkultur DLL: Schreibkongress und Hörgenuss Lehrerbildung / Doppelpromotion Einsatz in Äthiopien 12 14 16 17 18 UniCentral Arbeiten für den Mehrwert Promotionsprogramm / Leibniz-Professor Redaktionsgespräch: „Ohne Reibungen geht es nicht“ Doktoranden berichten: „Den Horizont erweitern“ Studiosi 6087 Studierende wurden neu immatrikuliert Filme mit anderen Augen sehen Auf den Spuren der Filmklassiker Personalia Neu berufen Brigitte Viehweg im Ruhestand Ute Schnurrbusch scheidet aus Nachruf für Erich Kolb Kurz gefasst Christoph Krummacher neuer Uni-Organist Zum 100. Geburtstag des Germanisten Martin Greiner Geburtstage Jubiläum 2009 Gesichter der Uni: Carl Hermann Credner Studentische Lebenswelten im 18. Jh. Apelsche Sammlung: Uni-Bibliothek erwirbt Raritäten aus dem Mittelalter Habilitationen und Promotionen Am Rande Nomen Impressum Titelbild: Carsten Heckmann 19 21 22 26 27 28 29 30 31 32 32 33 34 34 35 36 37 39 35 3 31 2 Zehn Jahre Zentrum für Höhere Studien Sein zehnjähriges Bestehen hat das Zentrum für Höhere Studien seinem Selbstverständnis entsprechend gefeiert – so, dass die gesamte Universität daraus einen Gewinn ziehen konnte. An die Podiumsdiskussion zum Internationalen Promotionsprogramm schloss sich die Antrittvorlesung des neuen Leibniz-Professors Johann P. Arnason an, der eigentlichen Festveranstaltung folgt