Interview mit Tageszeitung „Vecernje novosti“, Belgrad
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Interview mit Tageszeitung „Vecernje novosti“, Belgrad
Interview mit Tageszeitung „Vecernje novosti“, Belgrad (Erscheinungstermin: 27.01.2009) Herr Minister, der Gasstreit scheint fürs Erste beigelegt. Aber wie wird sich der Streit auf die Beziehung der EU zu Russland auswirken? Zunächst einmal bin auch ich sehr erleichtert, dass das Gas wieder fließt. Jetzt kommt es darauf an, dafür zu sorgen, dass sich so eine Situation nicht jeden Winter wiederholt. Es kann doch nicht sein, dass halb Europa im Kalten sitzt – auch Ihr Land war ja betroffen – bloß weil Russland und die Ukraine sich nicht über Lieferpreise und Transitgebühren einigen können. Hier brauchen wir langfristige Vereinbarungen und einen zuverlässigen Mechanismus, der Streitigkeiten regelt. Das ist unsere klare Erwartung an Russland und die Ukraine. Im übrigen müssen die EU, aber auch Serbien, endlich ihre Hausaufgaben im Energiebereich machen. Das heißt: Bezugsländer und Transitwege noch stärker diversifizieren, erneuerbare Energiequellen ausbauen und durch effiziente Nutzung Energie einsparen. Wann scheint aus Ihrer Sicht ein Ende der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise möglich ? Und welche grundlegenden Konsequenzen ergeben sich aus der Krise – für Deutschland, für die Serben, die in Deutschland leben und für Serbien selbst ? Niemand kann exakt vorhersagen, wann diese Krise vorbei ist. Wichtig ist, dass wir jetzt alles tun, um ihre Wucht zu mindern und ihre Auswirkungen zu begrenzen. Die Folgen sehen wir ja schon jetzt: Negatives Wirtschaftswachstum, Druck auf die Arbeitsplätze – in Deutschland und sicher auch in Serbien. Und auch die Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden. Wir müssen jetzt nicht nur Arbeitsplätze sichern und die Konjunktur stützen – in Deutschland haben wir dazu gerade ein zweites Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht – wir müssen auch Vorkehrungen treffen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Das heißt insbesondere: Transparenz und Regeln auf den internationalen Finanzmärkten. Gerade hier wird nationales Handeln nicht reichen; wir brauchen eine konzertierte internationale Anstrengung. Der Weltfinanzgipfel war ein erster Schritt in diese Richtung. Jetzt müssen rasch weitere folgen und Nägel mit Köpfen gemacht werden. Werfen wir einen Blick auf den Westlichen Balkan: Wie schätzen Sie die politische Lage, wie die Sicherheitslage in Serbien und der Region ein? Unterm Strich sehe ich viel Positives. Die jetzige serbische Regierung hat einen klaren Kurs in Richtung Europa eingeschlagen. Erst gestern habe ich Außenminister Jeremic in Brüssel getroffen. Wir alle sehen die Reformanstrengungen, die in ihrem Land unternommen werden. Natürlich bleibt noch viel zu tun, nicht nur in Serbien, sondern auch in der gesamten Region. Schauen Sie nur auf das benachbarte Bosnien und Herzegowina, wo der Reformbedarf sicher noch größer ist. Und natürlich sind wir mit unseren Bemühungen um Stabilisierung im Kosovo längst noch nicht am Ende. Eines kann ich aber versichern: Wir, Deutschland, werden alle Westbalkan-Länder auf dem Weg in die Zukunft und nach Europa weiter nach Kräften unterstützen. Wo sehen Sie den Westlichen Balkan in der Zukunft? Ganz klar: In Europa. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel, das sagt uns die Geographie und das ist klare europäische Beschlusslage. Natürlich ist noch viel Arbeit erforderlich, bis es eines Tages so weit ist – ein Grund mehr, sich immer wieder intensiv darum zu bemühen. Und gerade jungen Menschen die Chance zu geben, die EU heute schon aus erster Hand kennen zu lernen. Auch deshalb haben wir letztes Jahr noch mehr Stipendien für Studenten aus Serbien eingerichtet. Wie bewerten Sie die Anstrengungen der Regierung in Belgrad, die Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof für Jugoslawien zu verbessern ? Ich bin mir ganz sicher: Die jetzige Mannschaft in Belgrad weiß, wie wichtig die Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof in Den Haag ist. In Brüssel haben wir gesagt, „vollständige Zusammenarbeit“ ist die Voraussetzung dafür, um Ihr Land näher an die EU heran zu bringen. Im übrigen nicht nur Ihr Land: Dasselbe gilt ja auch für Kroatien und Bosnien. Ich sehe Serbien in dieser Frage auf dem richtigen Weg. Die Festnahme von Radovan Karadzic war ein wichtiger Schritt, aber ... Könnte man denn das SAA auch ohne eine Lösung im Falle Mladcis in Kraft setzen ? Wie könnte man die Niederlande in der Sache zur Zustimmung bewegen? ... weitere Schritte müssen folgen, vor allem die Festnahme und Überstellung von Ratko Mladic. Was das so genannte Stabilisierungsund Assoziierungsabkommen betrifft – Sie wissen, wir haben es im Frühjahr gemeinsam mit Präsident Tadic unterzeichnet. Und gleichzeitig angekündigt, mit der Ratifizierung zu beginnen, sobald vollständige Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal festgestellt werden kann. Ich gehe davon aus, dass die serbischen Behörden sich intensiv bemühen, mit Den Haag zu kooperieren. Sind Sie eigentlich zufrieden damit, wie entschlossen sich die serbische Regierung für die Annäherung an die EU und einen baldigen Kandidatenstatus einsetzt ? Ich wüsste nicht, wie man diese Entschlossenheit noch steigern könnte. Ich spüre sie bei jedem Satz, den wir sprechen. Natürlich gibt es noch viele Hürden zu nehmen, das weiß die Führung in Belgrad genauso gut wie ich. Aber die Richtung stimmt, der Wille ist da – entscheidende Voraussetzungen, damit das Vorhaben am Ende gelingt. Herr Minister, die USA haben die Kosovo-Frage zur Gänze den Europäern überlassen. Würden Sie sagen, dass die europäische Kosovo-Politik zufriedendstellend ist? Wissen Sie – „Zufriedenheit“, das klingt mir ein bisschen sehr danach, als ob wir jetzt die Hände in den Schoß legen könnten. Dabei ist doch ganz offensichtlich, wie viel noch zu tun ist. Nach wie vor ist die Sicherheitslage labil, gerade in Nord-Kosovo. Unser Ziel lautet: Frieden, Sicherheit und Wohlstand für die Menschen in ganz Kosovo – und zwar unabhängig von Volkszugehörigkeit oder Religion. Es ist richtig, dass wir Europäer mit unserer EULEX-Mission zur Unterstützung von Justiz, innerer Sicherheit und Verwaltung jetzt besondere Verantwortung übernehmen. Wir schicken Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsfachleute und Polizisten – Leute und Sachverstand, den die jungen kosovarischen Behörden neben wirtschaftlicher Hilfe jetzt besonders brauchen. Und wir werden mit ganzer Kraft dafür arbeiten, dass die Mission ein Erfolg wird. Herr Minister, wir danken für das Gespräch!