Verbraucherschutz
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Verbraucherschutz
2. Juni 2005 Verbraucherschutz 2. Stakeholder-Workshop des Kommunikationsforums Mobilfunk Ziel: „Verbesserung der Kommunikation über Mobilfunk“ Die Verbesserung der öffentlichen Kommunikation und Information über das Thema Mobilfunk ist das Ziel des Kommunikationsforums Mobilfunk. Bereits zum zweiten Mal trafen sich auf Einladung des Informationszentrums Mobilfunk (IZMF) Netzbetreiber, Behörden und weitere Stakeholder wie zum Beispiel Verbraucherschützer in Berlin am 2. Juni 2005 zu einem eintägigen Workshop. Verbraucherschutz Woher bekommen Mobilfunknutzer gesundheitsrelevante Informationen? Im Mittelpunkt des diesjährigen Forums standen gesundheitsrelevante Informationen für Verbraucher. Die Teilnehmer diskutierten vor allem die Frage, wie gesundheitsrelevante Informationen zum Mobilfunk vermittelt werden können. Als Ergebnis des Workshops will das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) mit Unterstützung der Verbraucherzentrale NRW (und eventuell auch des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)) eine Lern-CD zur Schulung von Handyverkäufern und sonstigen Beratern entwickeln, um die Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen in Verkaufsgesprächen zu verbessern. Intensive Diskussionen über typische Verkaufsgespräche in der Praxis innerhalb der Mobilfunkfilialen brachten Herrn Menzel von e-plus dazu, seinen jährlichen Filialeinsatz als Experiment zu nutzen. Er wird die Kunden aktiv auf gesundheitsrelevante Belange ansprechen, die Reaktionen beobachten und dies als Erfahrungsbericht an das Forum weitergeben. Zudem wird geprüft, ob eine Kurzinformation entwickelt werden kann, die dem Kunden beim Kauf ungefragt und kommentarlos mitgegeben wird. Hierzu wollen sich IZMF, das Bundesumweltministerium (BMU), das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) sowie das BfS austauschen. 2 Das große Interesse der Teilnehmer an einer Fortsetzung der jährlichen Treffen des Kommunikationsforums Mobilfunk bestätigt den Erfolg der Veranstaltung. In einem Ausblick auf anstehende Themen im Bereich Mobilfunk und Kommunikation ging Frau Wiebusch (IZMF) darauf ein, dass im nächsten Jahr eine Vielzahl von Forschungsergebnissen erwartet wird. In diesem Zusammenhang könne die Frage beim nächsten Forum lauten „Wie kommuniziert man (die) Forschungsergebnisse?“. Risikokommunikation Welche Botschaften werden kommuniziert? In der Plenumsdiskussion widmeten sich die Teilnehmer zunächst Grundfragen der Risikokommunikation. Welches Risiko will man kommunizieren? Vermittelt man den Handynutzern, dass das Risiko vernachlässigbar ist oder dass das Risiko nicht genau einschätzbar ist? Frau Dr. Dehos vom Bundesamt für Strahlenschutz berichtete, dass das BfS sehr genau differenziere. „Wir sagen nicht, dass alles fein ist, sondern sagen, dass nach allem, was wir derzeit wissen, Mobilfunk unbedenklich ist. Wir sagen aber auch, dass wir nicht alles wissen.“ Auch die Position der Verbraucherzentrale ist, so Herr Dr. Buschmann, vielschichtig. Die Verbraucherzentrale vermittle nicht, dass „Mobilfunk böse ist“. Nach jetzigem Erkenntnisstand sei er „sehr sicher”. Die Verbraucherzentrale vermittelt ihren meist zur Gruppe der besorgten Personen gehörenden Kunden aber auch, dass sie Verständnis hat für diejenigen, die sich Sorgen machen. Herr Dr. Kouros vom Sozialministerium des Landes Baden Württemberg bemerkte, dass die Menschen eigentlich immer hören wollen: „Es gibt kein Risiko“. Da es aber in keinem Bereich des Lebens kein Risiko gebe, müsse die Kommunikation insgesamt so gestaltet werden, dass die Menschen keine hundertprozentige Sicherheit einfordern. Herr Dr. Wiedemann vom Forschungszentrum Jülich sieht in diesen Überlegungen eine Abkehr von einer beschützenden Vorsorge nach dem Motto „Wir bieten dir Rundumschutz“ hin zu einem aufgeklärten „Du musst dich selber um zusätzliche Vorsorge kümmern“. Herr Dobmeier, Umweltbeauftragter der deutschen Bischofskonferenz, sieht wegen dieser offenen Fragen um ein mögliches Risiko des Mobilfunks die Betreiber und andere Stakeholder in der gesellschaftlichen Verantwortung, diese offenen Fragen den Mobilfunknutzern mit auf den Weg zu geben. Die besondere Verantwortung liege darin, dies auch dann zu tun, wenn die Nutzer selber nicht nachfragten. Die Menschen wollen immer hören: „Es gibt kein Risiko!“ Doch leider steckt in allen Bereichen des Lebens immer irgendwo ein Risiko. „Die Stakeholder des Mobilfunks tragen eine hohe gesellschaftliche Verantwortung.“ 3 Mobilfunk – Keine Kommunikation ohne Nebenwirkungen Sollen gesundheitsrelevante Informationen ungefragt oder nur auf Nachfrage gegeben werden? Diese Frage zog sich als roter Faden durch den Workshop. Im Mittelpunkt der Plenumsdiskussion stand vor allem das Verkaufsgespräch. Frau Wiebusch betonte die Bedeutung des Verkaufsgesprächs als einem der wenigen Orte, an dem man alle für den Mobilfunkbereich als interessant identifizierten Zielgruppen (Z1-Z5, siehe Seite 10) direkt erreicht. Sie fragte, was dagegen spreche, den Kunden dort ungefragt sachlich und neutral formulierte Gesundheitsinformationen an die Hand zu geben. „Das Verkaufsgespräch ist eine Möglichkeit, Gesundheitsinformationen zu vermitteln.“ 4 Herr Dr. Wiedemann wies darauf hin, dass man damit im Verkaufsgespräch einen Erwartungsbruch produziere, weil man über die Risiken des erwünschten Produkts informiert. Er verglich die Situation mit einem Besuch im Restaurant, bei dem der Kellner das Essen mit den folgenden Worten serviert: „Ich muss sie darauf hinweisen, dass die Gefahr einer BSEInfizierung bei diesem Steak nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden kann. Guten Appetit!“ Dennoch bot Herr Menzel von e-plus an, seinen jährlichen Filialeinsatz zu nutzen, um Kunden aktiv auf gesundheitsrelevante Belange anzusprechen. Er wird die Reaktionen beobachten und darüber einen Erfahrungsbericht für die Teilnehmer des Forums erstellen. Zudem wird das IZMF mit Unterstützung der Verbraucherzentrale NRW und eventuell auch des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) eine interaktive Lernsoftware zur Schulung von Verkaufspersonal entwickeln. Damit steht ein hochwertiges Instrument zur Verfügung, mit dem die Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen in Verkaufsgesprächen verbessert werden kann. Auch die Idee, gesundheitsrelevante Informationen als „Beipackzettel“ für Handys zu entwickeln, wurde ausgiebig diskutiert. Eine aktive Gesundheitsansprache dieser Art gibt es in der BRD nur bei Medikamenten und Zigaretten. Die Teilnehmer waren sich einig, dass die nachgewiesenen Risiken dieser Produkte mit den vermuteten des Mobilfunks nicht vergleichbar seien. Die Idee einer Kurzinformation zum Thema Mobilfunk und Gesundheit will das IZMF im Austausch mit dem BMU, BMVEL und BfS gleichwohl prüfen. Man muss aber genau überlegen, welche Informationen darin wie vermittelt werden. Von einigen Teilnehmern wurde angemerkt, dass eine Vielzahl von Sicherheitshinweisen (zum Beispiel Telefonieren im Auto, Hinweise für Herzschrittmacherträger usw.) bereits in den Bedienungsanleitungen der Geräte enthalten sind. Will man keine doppelten Informationen verteilen, und damit eine ungewollte Überbewertung des Themas erreichen, stellt sich die Frage, was auf dem zusätzlichen Informationsblatt beschrieben werden soll. ● Herr Dr. Böttger vom Bundesumweltministerium weist auf ein Monitoring-Programm der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen – bis zum 13.7.2005 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) genannt – hin. Momentan sind mobile Monitore zur Messung von Mobilfunkfeldern in der Entwicklung. Die neuen Geräte – zehn bis zwölf Stück – werden voraussichtlich bis Ende Januar 2006 an die Direktionen der Bundesnetzagentur geliefert und von dort aus an interessierte Kommunen verliehen. Die Messgeräte dienen der Erfassung von Immissionswerten an öffentlichen Plätzen. Die Messergebnisse sind jeweils aktuell im Internet einsehbar. ● Frau Wiebusch berichtet von den Fortbildungen für Ärzte, die das IZMF anbietet. Seit 2004 lässt das IZMF diese Fortbildungen bei den Landesärztekammern zertifizieren und kann dafür Fortbildungspunkte vergeben. Die Teilnehmerzahlen der Fortbildungen sind seitdem erheblich gestiegen. Das IZMF ist bemüht, dieses Fortbildungsangebot auszubauen und in allen Bundesländern anzubieten. Spotlights ● Frau Dr. Dehos vom Bundesamt für Stahlenschutz sieht bei der Ärztefortbildung Nachholbedarf. Gerade unter Ärzten werde das Risiko von Mobilfunk verschieden eingeschätzt und es gebe viel Halb- und Unwissen. ● ● Das nächste größere Projekt der Verbraucherzentrale NRW im Bereich Mobilfunk, so Herr Dr. Buschmann, ist eine Broschüre und eine Informationskampagne zu SARWerten. Herr Dobmeier von der deutschen Bischhofskonferenz weist darauf hin, dass die Kirche besonders für die Zielgruppe der besorgten Personen oft Ansprechpartner ist. Es ist wichtig, diese Besorgnisse ernst zu nehmen und dies so auch gegenüber dem IZMF und den Mobilfunkbetreibern zu kommunizieren.“ „Es kursiert viel Halb- und Unwissen zu den Risiken des Mobilfunks – Aufklärungsarbeit ist gefragt.“ Eine Informationskampagne zu SAR-Werten ist das nächste Projekt der Verbraucherzentrale NRW. 5 Arbeitsgruppen Was sollen Kinder und Jugendliche über Mobilfunk und Gesundheit wissen? Ergebnisse ● ● ● ● ● Es wird angeregt, Elternabende zu nutzen, um Eltern über Mobilfunk zu informieren. Lehrerfortbildungen zum Thema Mobilfunk, wie sie das IZMF in Herbst 2005 zum ersten Mal durchführt, sollten ausgebaut werden. Konkret empfiehlt Herr Dr. Buschmann den Besuch der Website www.checked4you.de der VZ NRW, die speziell für Jugendliche entworfen wurde. Anregungen zur Verbesserung sind willkommen. Das IZMF hat Unterrichtsmaterialen zum Mobilfunk erarbeitet. Die Nachfrage danach ist gut. Das IZMF erwägt eine Kooperation mit dem FWU, um dieses Material mit interaktiven Elementen zu bereichern. Fernziel ist, über die Kultusministerien das Thema Medienkompetenz in den Lehrplan zu verankern. Die Arbeitsgruppe „Kinder und Jugendliche“ hat verschiedene Handlungsfelder und Szenarien aufgezeichnet. Zum einen ging es um den Inhalt der Informationen. Die Teilnehmer unterschieden zwischen Sachinformationen über EMF – „Technikkompetenz“ – und Informationen zum Umgang mit dem Handy – „Handlungskompetenz“ und „soziale und gesellschaftliche Kompetenz“. Im Umgang mit dem Handy wurden folgende Informationen als besonders relevant eingestuft: Vorsorgemöglichkeiten zur Expositionsminderung Wirtschaftliche Aspekte der Handynutzung ● ● ● ● „Handy-Knigge“ (z.B. Lärmbelästigung bei zu lauten Klingeltönen) Förderung von Toleranz z.B. gegenüber besorgten Nutzern Einigkeit bestand in der Arbeitsgruppe über die herausragende Bedeutung von Multiplikatoren in diesem Bereich. Da Kinder und Jugendliche laut der Studie von wik Consult über Medien kaum zu erreichen sind, spielen hier vor allem Eltern, Lehrer und die Peer Groups eine wesentliche Rolle, wobei die Informationsvermittlung hauptsächlich Aufgabe von Eltern und Lehrern ist. Bei der Kooperation mit diesen beiden Personengruppen sah die Arbeitsgruppe Handlungsbedarf. Was gibt besonders besorgten Personen Sicherheit im Umgang mit Mobilfunk? Ergebnisse ● ● ● 6 Das IZMF sollte seine Messreihen (gemeinsam mit Landesministerien oder anderen Institutionen) fortsetzen Das IZMF baut seine Aktivitäten im Bereich der Ärztefortbildung weiter aus. Sinnvoll wäre eine Verständigung über brauchbare Risikovergleiche (z.B. Mobilfunkantenne vs. Dect-Telefone) Die Teilnehmer definierten ihre Zielgruppe als die in der Studie von wik Consult beschriebene Zielgruppe 2 – „ängstliche informationsbedürftige Nutzer“. Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass eine Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten besorgten Personen mehr Sicherheit geben kann. Dazu dienen z.B. Tipps, wie man die eigene Exposition mit einfachen technischen Mitteln (Headset, etc.) senken kann. Vor allem eine persönliche Ansprache gibt mehr Sicherheit. Broschüren und sonstiges schriftliches Material sind nur von begrenztem Nutzen. Es empfiehlt sich, dies bei der Planung von Veranstaltungen und Informationen zu berücksichtigen. Auch die Art des Gesprächs und des Umgangs müssen den Bedürfnissen dieser Zielgruppe angepasst werden. Wichtig sind: Zeit für persönliche Gespräche Zuhören Einfühlungsvermögen und Verständnis glaubwürdiges Verhalten der Berater ● ● ● ● Wünschenswert wäre es, wenn dies auch bei Begegnungen in Shops und Beratungsstellen berücksichtigt werden könnte. Informationen für besonders besorgte Personen müs- sen einfach und anschaulich gestaltet sein. Nach Einschätzung der Arbeitsgruppen können Messungen besorgten Personen Sicherheit vermitteln. Ob der Vergleich von Risiken und die Vermittlung von Wissen wirksam sind, wurde kontrovers diskutiert. Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Information besorgter Perso- „Die Risiken werden unterschiedlich eingeschätzt.“ nen ist die Kompetenz, die dem Informanten einräumten wird. Sie ist in erster Linie abhängig von der Unabhängigkeit eines Informanten. Zudem tragen der Rückgriff auf offizielle Quellen sowie die Bereitschaft, Positionen differenziert darzustellen, wesentlich zur Glaubwürdigkeit bei. Welche gesundheitsrelevanten Informationen sollen Verkäufer vermitteln? Diese Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf das Verkaufsgespräch und darin liegende Möglichkeiten zur Vermittlung gesundheitsrelevanter Informationen. Die Teilnehmer waren sich einig, dass im Verkaufsgespräch bei Interesse und auf Nachfrage des Kunden alle wesentlichen Informationen zu gesundheitlichen Aspekten geliefert werden sollen. Das dafür notwendige Wissen sollte beim Verkaufspersonal auf jeden Fall vorhanden sein. Intensiv diskutiert wurde die Frage, ob Verkäufer auf gesundheitliche Aspekte hinweisen sollen, wenn Kunden dieses Thema nicht aktiv ansprechen. Hier gab es die Auffassung, dass Kunden unangemessen beunruhigt werden könnten. Die Teilnehmer stellten fest, dass die aktive Ansprache von gesundheitsrelevanten Informationen verschieden gehandhabt werden kann. So müssen und werden Informationen zum Einfluss von Mobilfunk auf medizinische Hilfsgeräte wie Herzschrittmacher und Hörgeräte gegeben. Darüber hinaus kann zum Beispiel über das technische Zusammenspiel zwischen Empfangsgerät und Sendeantenne aufgeklärt werden. Mit diesen Kenntnissen können Mobilfunknutzer das eigene Telefonverhalten steuern und so ihre Exposition aktiv reduzieren. Hinweise über die Wirkung von Headsets sind eine weitere Möglichkeit, gesundheitsrelevante Informationen zu vermitteln. Umstritten war die Herausstellung des SAR-Wertes und die Umsetzung in ein Label für strahlungsarme Handys. Der SAR-Wert steht in nahezu allen Bedienungsanleitungen. Aus Sicht von Herrn Dr. Buschmann von der Verbraucherzentrale NRW wäre es wünschenswert, den SAR Wert zu den übrigen technischen Angaben auf die Verkaufsschilder der Handys zu setzen. Dies würde die Bekanntheit dieses Wertes erheblich steigern. Über eventuelle Nachfragen der Kunden zu diesem Wert wäre ein Einstieg in die Information zum gesundheitsbewussten Umgang mit dem Handy möglich, ohne die Risiken unzulässig zu betonen. Die VZ könnte sich auch Werbemaßnahmen zum „strahlungsärmsten Handy des Monats“ vorstellen. Ergebnisse ● ● ● Die Schulung der Mitarbeiter in den Handyshops über gesundheitsrelevante Informationen und ihre Vermittlung wird als wichtige Aufgabe identifiziert. IZMF und VZ NRW (eventuell auch das BfS) wollen für diesen Zweck eine Lern-CD zusammenstellen. Die Frage, ob man während des Verkaufs aktiv mögliche Risiken kommunizieren kann oder damit den Kunden unnötig verunsichert, will Herr Menzel von e-plus überprüfen. Während seines jährlichen Einsatzes in einem Shop wird er die Kunden aktiv informieren und dem Forum Rückmeldung über die dabei gesammelten Erfahrungen geben. Das BMU will die Diskussion um ein Label für strahlungsarme Handys mit den Herstellern fortsetzen. Herr Dr. Buschmann schlägt vor, für diesen Prozess einen Mediator in das Verfahren einzubinden. 7 Vorträge Wie kann Verbraucherkommunikation optimal falsch laufen? Impulsreferat Meinfried Striegnitz Meinfried Striegnitz vom Institut für Umweltkommunikation (Universität Lüneburg) illustrierte Beispiele für eine optimal falsche Verbraucherkommunikation an der fiktiven Firma InnoInvent. Diese vertreibt den fiktiven Instantaneous Body Beamer (IBB). Per IBB kann man sich in wenigen Sekunden an jeden Flecken der Erde beamen lassen. Die Firma ist unvorstellbar erfolgreich. Sie hat mit ihrer Erfindung die virtuelle Vernetzung der Welt durch eine reale ersetzt. In letzter Zeit mehren sich allerdings die Stimmen besorgter Bürger zu den Folgen der neuen Technik. Die Gefahren der neuen Technik für Benutzer und Anlieger der zum Beamen aufgerüsteten Telefonzellen seien nicht ausreichend geklärt. Die Firma beauftragt daraufhin mehrere Unternehmen, eine Kommunikationsstrategie für InnoInvent zu entwickeln. InnoInvent optimiert seine Verbraucherkommunikation – Ergebnisse der Agenturen liegen vor „Szenarien zeigen die verschiedenen Möglichkeiten auf.“ 8 Hier das Presseecho: Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Ausschreibungen für eine neue Kommunikations-Strategie der InnoInvent liegen vor. Vier Firmen sind in die engere Auswahl gekommen. Unseren Reportern ist es gelungen das hochaktuelle und brisante Material in die Finger zu bekommen. Das Institut Prof. Photon, Quant & Partner plädiert für eine naturwissenschaftlich, rationale Strategie. Die Unbedenklichkeit und der Nutzen des IBB muss über Studien und Untersuchungen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse beweist man erschöpfend mit Zahlen, Daten und Fakten. Dadurch können die Kritiker als irra- „Strategien für eine optimale Verbraucherkommunikation“ tional entlarvt werden. Vor allem soll sich InnoInvent auf die potenziellen Kunden konzentrieren, denn Zeit und Geld auf die Kritiker zu verwenden, bringt nichts, um diese zu überzeugen. Auf große Emotionen setzte die Firma Circe & Cie. mit ihrer Strategie. Umfangreiche Werbekampagnen stärken das positive Image des IBB. Der IBB präsentiert sich als gleichbedeutend mit Freude, Freiheit und Spaß. Highlight der Strategie ist die Förderung einer IBB Soap, um die emotionale Bindung des Kunden an das Produkt zu fördern. Eventuelle Kritiker fertigt man bei dieser Strategie als Spießer und Miesepeter ab und verhandelt, nur so weit unbedingt nötig, hinter verschlossenen Türen mit ihnen. „Vernichte deine Gegner“ fasst die Strategie der Firma Pit und Bull Consultants in einem Satz zusammen. Die Kritiker des IBB sollten mit so vielen Prozessen wie möglich überzogen und geschädigt werden. Außerdem muss das Image der Kritiker abgewertet werden, zum Beispiel in dem man ihnen vorwirft, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes BRD gefährden. Auch die Konkurrenten im eigenen Geschäftsfeld der Mobilität dürfen nicht von Angriffen verschont bleiben. Mit eigenen Problemen geht man laut Pit und Bull am besten nach der 5-V Methode vor: verniedlichen, verharmlosen, verdrängen, verleugnen, verheimlichen. Die Firma Krösus u. Koll. macht für ihre Strategie den Geldtopf auf. Keine intensive und offensive Werbekampagne kann zu teuer sein. Der Kauf von Abgeordneten jeder Partei sei eine Grundsatzpflicht erfolgreicher Lobbyarbeit. Auch Ärzte kann man besonders gut mit Gratisunterstützung und -boni wie zum Beispiel Reisen gewinnen. Und sogar Journalisten sind mit Geld oft von der Richtigkeit eines Standpunktes zu überzeugen. Vor allem zielen sie mit der geplanten Intensivierung der Lobbyarbeit darauf, dass die für InnoInvent günstigen Entscheidungen von den Leuten getroffen werden, die sie bezahlen – ohne lästige Umwege über aufwendige demokratische Mitbestimmungsgremien. Für welche der am Wettbewerb beteiligten Agenturen sich InnoInvent entschieden hat, konnte unser Reporter leider auch aus gut informierten Kreisen nicht ermitteln. 9 Zielgruppenanalyse zur differenzierten Information über EMVU Dr. Franz Büllingen „Mit gezielten Informationsmaßnahmen den Kunden erreichen.“ Die Studie der wik Consult, die Dr. Franz Büllingen im Workshop vorstellte, wurde im Auftrag des BfS durchgeführt und dient der Verbesserung der Risikokommunikation durch genaueres Wissen über die verschiedenen Zielgruppen. Zur Identifizierung der Zielgruppen wurde eine für Gesamtdeutschland repräsentative telefonische Bevölkerungsbefragung an n=1000 Personen ab 14 Jahre durchgeführt. Die Zielgruppen wurden aufgrund von soziodemographischen, psychographischen und verhaltensorientierten Kriterien differenziert. Abgefragt wurden Koordinaten zum Vertrauen in den Staat, zu Persönlichkeit, Handynutzung, Informationsbedürfnis und Risikoeinstellung. Daraus wurden Zielgruppen hinsichtlich ihrer charakteristischen und differenzierenden Merkmale beschrieben. Dies dient als Basis für zukünftige Informationsmaßnahmen. Im Ergebnis können 5 Zielgruppen beschrieben werden: Z1: Sorglose interessierte Vielnutzer Z2: Ängstliche informationsbedürftige Nutzer Z3: Sorglose desinteressierte Wenignutzer Z4: Sorglose desinteressierte Vielnutzer Z5: Mäßig besorgte Wenignutzer Wir haben typische Vertreter jeder Zielgruppe zu ihren Einstellungen und Interessen befragt: Z1: Herr Dipl-Ing. Martin Meyer, Teilhaber eines Architekturbüros: „Ich sehe beim Mobilfunk kein besonderes Risikopotenzial. Ich habe mich schon bisher über alle Aspekte dieser Technik informiert und das werde ich auch in Zukunft tun. Meine Geräte sind 10 immer auf dem neuesten Stand, und nach allem was ich so gehört habe, gibt es kein relevantes Problem.“ Z2: Herr Franz Meier, Lehrer, verheiratet, 2 Kinder: „Also, ich benutze mein Handy nur, wenn es unbedingt sein muss. Wer weiß, wie gefährlich das ist! Die Betreiber sagen zwar immer, es gebe kein bekanntes Risiko, aber denen kann man doch nicht glauben! Ich halte aufgrund der hohen Risiken Vorsorgemaßnahmen für unbedingt notwendig. Also, meiner Meinung nach wird nicht genug informiert, ich lese zwar alles, aber das reicht nicht und an die wirklich brisanten Informationen kommt man doch sowieso nicht!“ Z3: Frau Sieglinde Maier, Rentnerin: „Handy? Ja das liegt zuhause, das haben mir die Kinder geschenkt, aber ich brauche es eigentlich nicht. Ist mir zu teuer und diese neumodische Technik, nein, wirklich nicht. Ich weiß doch gar nicht, wie das funktioniert. Und all diese Sachen dazu, ich verstehe das nicht und es interessiert mich auch nicht. Fragen Sie meinen Enkel!“ Z4: Marc Mayer, 15, Schüler: „Ey, mein neues Handy ist voll cool! Soll ich euch mal meinen neuen Klingelton zeigen? Heute habe ich schon 20 sms bekommen! Handys gefährlich? Nee, wieso? Das interessiert mich auch nicht wirklich. Viel wichtiger ist doch, wo ich den nächsten Klingelton herbekomme.“ Z5: Frau Meike Mayar, 40, Single: „Die ganze Technik interessiert mich eigentlich nicht, ich benutze doch kaum ein Handy. Die EMVU Diskussion finde ich schon gut, die Information müsste aber viel besser sein. Risiken sehe ich da schon. Aber für mich persönlich ist das nicht so relevant.“ „Nur 40 Prozent der Bevölkerung sucht aktiv nach Informationen.“ Verschiedene Informationen für verschiedene Zielgruppen Die Studie des wik Consult ist außerdem der Frage nachgegangen, über welche Medien die unterschiedlichen Zielgruppen jeweils am besten zu erreichen sind. Insgesamt können nur 40 Prozent der Bevölkerung zu den aktiv Informationen suchenden Menschen gezählt werden und sind über verschiedene Medien gut erreichbar. Dazu zählt die Gruppe der ängstlichen informationsbedürftigen Nutzer, die alle Medien für ihre Informationssuche nutzt, sowie die Gruppe der sorglosen interessierten Vielnutzer, die vor allem über das Internet gut zu erreichen ist. Die Gruppe der jugendlichen Vielnutzer bezieht ihre Informationen über das Handy vor allem aus der eigenen Peer Group. Printmedien und Informationsbroschüren finden in dieser Gruppe kein Gehör. Diskussion In der anschließenden Diskussion zeigt sich, dass die meisten Forumsteilnehmer ihre Erfahrungen in der Studie widergespiegelt finden. Frau Wiebusch sieht zwei sehr gegensätzlich interessierte Gruppen, deren Informations- bedürfnis weit von einander abweichen. Neben den besorgten Bürgern sind dies vor allem die technisch Interessierten. Bei der Verbraucherzentrale meldet sich laut Herrn Buschmann überwiegend die Zielgruppe zwei. Das Ergebnis der Studie, wonach das Interesse, sich aktive Informationen zu besorgen, eher gering ist, deckt sich mit den Erfahrungen des IZMF. Frau Wiebusch fragt daher, ob nicht alle, die zum Thema Mobilfunk kommunizieren, ihre Informationen noch stärker als bisher aktiv an die Bürger herantragen müssten. Herr Wiedemann vom Forschungszentrum Jülich ergänzt aus seinen Forschungsergebnissen die Erkenntnis, dass neben denjenigen, die denken, dass das Handy sicher ist und denjenigen, die überzeugt sind, dass es nicht sicher ist, eine dritte Gruppe existiert. Diese ist unsicher, ob Mobilfunk sicher ist oder nicht. Während die ersten beiden Gruppen in ihren Einstellungen festgelegt sind, sei die letzte Gruppe als einzige wirklich für Informationen zugänglich. In der Abschlussdiskussion wird deutlich, dass die meisten Forumsteilnehmer ihre Erfahrungen in der Studie von wik Consult wiedergepiegelt finden. 11 TeilnehmerInnen Böttger, Axel Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Schumacher, Friedhelm Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Buschmann, Rolf Verbraucherzentrale NRW Striegnitz, Meinfried Universität Lüneburg, Institut für Umweltkommunikation Büllingen, Franz wik Consult Dehos, Anne Bundesamt für Strahlenschutz Dobmeier, Gotthard Deutsche Bischofskonferenz Ehmann, Wiebke Informationszentrum Mobilfunk – IZMF Gabler, Harald Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt Szyszkowitz, Cornelia T-Mobile Wedell, Michael Vodafone D2 Wiebusch, Dagmar Informationszentrum Mobilfunk – IZMF Wiedemann, Peter Forschungszentrum Jülich Wilhelm, Franz O2 Germany Kouros, Bijan Ministerium für Arbeit und Soziales Moderation: Menzel, Karsten e-plus Claus, Frank Iku GmbH Mundhenke, Ruth Christina Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Kühr, Ann-Kathrin Iku GmbH Schmidt, Jörg Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Posse, Katrin Iku GmbH Impressum Informationszentrum Mobilfunk e.V. 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