Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
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Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
IECAPULETI I MONTECCHI (ROMEO UND JULIA) TAUSENDMAL WURDE FRIEDEN ZWISCHEN UNS GESCHLOSSEN UND TAUSENDMAL WURDE ER WIEDER GEBROCHEN. I CAPULETI E I MONTECCHI (ROMEO UND JULIA) Lyrische Tragödie in zwei Akten von Vincenzo Bellini Libretto von Felice Romani In italienischer Sprache mit deutschen & englischen Übertiteln Capellio, Anführer der Capuleti Ks. KONSTANTIN GORNY* / LUCIA LUCAS* Giulietta, seine Tochter ULIANA ALEXYUK* / Ks. INA SCHLINGENSIEPEN* Romeo, Anführer der Montecchi DILARA BAŞTAR* / KRISTINA STANEK* Tebaldo, Anhänger der Capuleti JESUS GARCIA / ELEAZAR RODRIGUEZ* Lorenzo, Arzt und Vertrauter Capellios AVTANDIL KASPELI* / YANG XU* *Rollendebüt Doppelbesetzungen in alphabetischer Reihenfolge Musikalische Leitung Nachdirigat Regie Bühne Kostüme Choreinstudierung Licht Dramaturgie DANIELE SQUEO STEVEN MOORE TILMAN HECKER RAIMUND ORFEO VOIGT JULIA VON LELIWA ULRICH WAGNER RICO GERSTNER RAPHAEL RÖSLER BADISCHE STAATSKAPELLE BADISCHER STAATSOPERNCHOR STATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS PREMIERE 4.6.16 GROSSES HAUS Aufführungsdauer ca. 2 ½ Stunden, eine Pause Bühnenrechte Casa Ricordi S.R.L. Milano / G. Ricordi & Co., Bühnen- und Musikverlag GmbH Aufführungsmaterial Revision nach originalen Partiturvorlagen von Claudio Toscani 1 Regieassistenz & Abendspielleitung CHRISTINE HÜBNER Musikalische Assistenz & Einstudierung PAUL HARRIS, JULIA SIMONYAN, MIHO UCHIDA Studienleitung STEVEN MOORE Mitarbeit Choreinstudierung MARIUS ZACHMANN Bühnenbildassistenz TESSAVERONIKA JANUS, MEGAN ROLLER Kostümassistenz THERESA HELLBRÜGGE Einrichtung Übertitel ACHIM SIEBEN, TOBY ALLEYNE-GEE Soufflage ANGELIKA PFAU Inspizienz GABRIELLA MURARO Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF BILFINGER Bühne HELGA GMEINER, EKHARD SCHEU, STEPHAN ULLRICH, MARGIT WEBER Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton & Videotechnik HEIDRUN WEISLING-KENSY, GUNTER ESSIG Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Produktionsassistenz EDUARD MOSER Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Pyrotechnik & Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL, LAURA FELDMANN, NIKLAS KLEIBER, JUTTA KRANTZ, MARION KLEINBUB, JESSICA MOLNAR, INKEN NAGEL, SOTIRIOS NOUTSOS WIR DANKEN der Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier. Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. NIEMAND KANN DEINEN VATER VERSOHNEN. 2 Uliana Alexyuk 3 LIEBE UND KEIN FRIEDEN ZUM INHALT 1. AKT Alter Streit trennt die Familien der Capuleti und der Montecchi. Einem Aufruf ihres Oberhaupts Capellio folgend, sind die Capuleti bei Morgengrauen zusammengekommen. Tebaldo berichtet ihnen, dass die Montecchi im Anmarsch sind – angeführt von Romeo, der Capellios Sohn im Kampf getötet hat. Capellio kündigt das baldige Eintreffen eines Gesandten der Montecchi an, der ihnen ein Friedensangebot machen wird. Lorenzo rät ihm, das Angebot genau zu prüfen. Doch Capellio ist wegen des Verlusts seines Sohnes unversöhnlich und lehnt ab. Tebaldo empfiehlt sich Capellio als Rächer. Doch zuvor möchte er dessen Tochter Giulietta zur Frau nehmen und hält beim Vater um ihre Hand an. Capellio stimmt kurz entschlossen zu. Die Hochzeit soll 4 noch am gleichen Tag stattfinden. Er ignoriert Lorenzos Bitte um Rücksicht auf seine Tochter und beauftragt Lorenzo, Giulietta auf die Hochzeit vorzubereiten. Romeo, verkleidet als sein eigener Gesandter, unterbreitet Capellio das Friedensangebot: Die Capuleti und die Montecchi mögen sich die Macht teilen und beide Familien herrschen. Capellio bleibt bei seiner Ablehnung und schwört Rache für seinen Sohn. Auch der Vorschlag einer Friedensheirat zwischen Romeo und Giulietta findet keine Zustimmung. Als Romeo erfährt, dass Giulietta Tebaldo versprochen ist, eskaliert die Situation. Die festlich gekleidete Giulietta ist voller Verzweiflung über die bevorstehende Hochzeit mit Tebaldo. Sie sehnt sich nach Romeo, ihrem heimlichen Geliebten. Lorenzo führt Romeo durch einen gehei- men Gang zu Giulietta. Romeo möchte sie zur Flucht überreden – ohne Erfolg: Giulietta fühlt sich der Familienehre verpflichtet und möchte ihre Heimat nicht verlassen. Damit ihr Vater den Geliebten nicht entdeckt, schickt sie ihn fort. ähnlichen Schlaf bewirkt. Als Totgeglaubte werde sie in der Familiengruft bestattet werden. Lorenzo versichert ihr, dass Romeo bei ihr sein wird, wenn sie nach dem Begräbnis wieder erwacht. Als ihr Vater naht, trinkt Giulietta den Trank. Die Hochzeitsfeierlichkeiten im Hause Capellios sind im vollen Gang. Der als Capulet verkleidete Romeo mischt sich unter die Gesellschaft. Er berichtet Lorenzo, dass seine Leute in der Nähe und bereit sind, die Hochzeit gewaltsam zu unterbrechen. Als der Kampf beginnt, eilt Romeo davon, um seinen Rivalen Tebaldo zu stellen. Capellio möchte seine Tochter auf die Hochzeit mit Tebaldo vorbereiten. Giulietta spielt ihm einen Schwächanfall vor und prophezeit ihm ihren baldigen Tod. Capellio misstraut Lorenzo und gibt Anweisung, ihn festzunehmen. In Sorge, sowohl um Familienangehörige als auch um Romeo, wartet Giulietta auf das Ende der Kämpfe. Romeo sucht sie auf und drängt sie erneut zur Flucht. Capellio und Tebaldo entdecken das Liebespaar. Als die Montecchi den Palast stürmen, um ihren Anführer zu befreien, gibt Romeo sich zu erkennen. 2. AKT Lorenzo berichtet Giulietta, dass Romeo in Sicherheit ist. Um die auf den nächsten Tag verschobene Hochzeit mit Tebaldo zu verhindern, überredet Lorenzo sie zu einem riskanten Plan: Giulietta soll einen Trank einnehmen, welcher einen todes- Während Romeo auf Lorenzo wartet, der nicht zu dem vereinbarten Treffpunkt kommt, begegnet er seinem Rivalen Tebaldo. Im Streit kommt es zwischen den beiden fast zum Kampf. Doch sie werden von Giuliettas Trauerzug unterbrochen. Romeo geht zu Giuliettas Grab. Um mit seiner Geliebten im Tod vereint zu sein, trinkt er Gift. Giulietta erwacht. Romeo erfährt von ihrem Plan und dass Lorenzo ihn über Giuliettas vorgetäuschten Tod informieren sollte. Doch es ist zu spät: Das Gift wirkt bereits. Romeo stirbt. Giulietta folgt ihm nach. Capellio und die Capuleti entdecken die Toten. Capellio wird von Lorenzo und seinen Untergegebenen für die Tragödie verantwortlich gemacht. Folgeseiten Lucia Lucas, Herren des Staatsopernchors, Eleazar Rodriguez & Dilara Baştar 5 6 7 DIE GESCHICHTE EINER LIEBESGESCHICHTE ZUM STÜCK Der Titel I Capuleti e i Montecchi, Vincenzo Bellinis sechste Oper, 1830 auf einen Text von Felice Romani komponiert, ist zugegebenermaßen sperrig und fremd. Dahinter verbirgt sich jedoch nichts anderes als die wahrscheinlich berühmteste Liebesgeschichte der Welt: die Tragödie von Romeo und Julia, oder besser gesagt von Romeo e Giulietta, schließlich handelt es sich um eine italienische Oper. Romeo und Julia? Das ist doch von Shakespeare! Was nahe liegt, muss noch lange nicht zutreffen. Auch wenn unter anderen ein so renommiertes Lexikon wie die sechsbändige Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters William Shakespeares Tragödie als Vorlage für das Opernlibretto angibt, ist dies mittlerweile widerlegt. Selbstverständlich handelt auch Bellinis Tragedia lirica von einer Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die zwei verfeindeten Familien angehören und nach einer tragischen Verkettung von Ereignissen in den gemeinsamen Tod gehen. Doch mit Ausnahme dieser Grundsituation hat die Oper mit dem elisabethanischen Drama wenig gemein und ist ein eigenständiges Werk. 8 Die Unterschiede zu Shakespeare sind zahlreich und wesentlich: Lernen Romeo und Julia sich im 1. Akt des Schauspiels auf einem Ball im Hause Capulets erst kennen, so sind sie in der Oper schon seit unbestimmter Zeit ein heimliches und unglückliches Liebespaar, ohne dass ihre Vorgeschichte in irgendeiner Form thematisiert wird. Im Gegensatz zu Shakespeare spannt der Librettist Romani also keinen Bogen vom Beginn zum Ende der Liebesbeziehung, sondern fokussiert auf das tragische Ende. Weitere Szenen, die in Shakespeares Tragödie eine zentrale Rolle spielen und in denen zumindest ein kurzfristiges Liebesglück erzählt wird, wie die heimliche Hochzeit durch Pater Lorenzo oder auch die daran anschließende Liebesnacht samt Nachtigall bzw. Lerche, fehlen in der Oper. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass es bei Bellini bzw. Romani ganz grundsätzlich weder längere Momente ungestörten und ungetrübten Liebesglücks noch komödiantische oder burleske Handlungselemente gibt, wie sie bei Shakespeare mit den Figuren von Mercutio und Amme verknüpft sind. Beide kommen in der Oper ebenso wenig vor wie Giuliettas Mutter und Graf Paris, Giuliettas Verehrer. Dafür ist Tybalt, der bei Romani/Bellini Tebaldo heißt, in der Oper nicht Giuliettas Neffe, sondern der Wunschschwiegersohn von Vater Capellio. Und zuletzt unterscheiden sich auch die Schlüsse grundlegend: Der Tod des Liebespaares hat im Schauspiel immerhin den positiven Effekt, dass zwischen den beiden verfeindeten Familien Frieden geschlossen wird und nach langen Fehdejahren Versöhnung einkehrt. Romanis Dramaturgie ist in diesem Punkt um einiges pessimistischer: Die Oper endet damit, dass Lorenzo und die Capuleti ihren Anführer Capellio für die Tragödie verantwortlich machen. Die Feindschaft bleibt bestehen. Mehr noch: Der Konflikt wendet sich in den letzten Sekunden der Oper nach innen und entzweit die Capuleti und ihren Anführer. Das unversöhnliche Opernfinale fällt insofern besonders ins Gewicht, als durch Romeos Friedensangebot bereits zu Beginn der Oper ein positiver Ausgang in greifbarer Nähe liegt. So einig sich die Interpreten in dem Befund sind, dass Bellini und Romani nichts mit Shakespeare gemein haben und sie seine Fassung möglicherweise nicht einmal kannten, so uneins ist man sich in der Bestimmung ihrer Vorlage, was angesichts der langen und verschlungenen Geschichte des Romeo-und-Julia-Stoffs nicht wundert, die wie viele berühmte Stoffe in die Antike und die italienische Renaissance zurückreicht. Ein aus ähnlichen Gründen unglückliches Liebespaar findet sich bereits in Ovids Metamorphosen, wo sich Pyramus und Thisbe im 4. Buch zur Flucht entschließen, um ihren benachbarten und doch zerstrittenen Elternhäusern zu entkommen. Auch ihrer Liebe ist kein Glück vergönnt. Pyramus findet den blut- verschmierten Schleier seiner Geliebten. In der fälschlichen Annahme, Thisbe sei von einem wilden Tier getötet worden, erdolcht er sich. Als Thisbe den Toten entdeckt, erdolcht sie sich ebenfalls. In der Novellenliteratur der Renaissance kehrt das Motiv der durch familiäre Umstände verhinderten Liebe und des zweifachen Selbsttötung mehrfach wieder. Während die Liebenden in Il Novellino, einer Novellensammlung von Masuccio Salernitano von 1476, noch Mariotto und Giannozza heißen und die Handlung in Siena verortet ist, verwendet Luigi da Porto in seiner 1535 posthum in Venedig veröffentlichten Istoria novellamente ritrovata di due nobili amanti (Die neu entdeckte Geschichte von zwei adeligen Liebenden) für das Liebespaar erstmalig die Namen Romeo und Giulietta. Er ist es auch, der die Tragödie des jungen Liebespaares mit der Feindschaft der Veroneser Familien der Montecchi und Cappelletti verknüpft, die sich bereits in Dantes Divina Comedia aus dem frühen 14. Jahrhundert, im 6. Gesang des Fegefeuers bis aufs Blut bekämpfen, ohne dass ein Liebespaar dadurch in den Tod getrieben wird. Bei da Porto finden sich auch erstmalig die Ballszene und die Balkonszene als zentrale Handlungsmomente. Die heimliche Eheschließung, die List mit dem Schlaftrunk, Giuliettas „Begräbnis“ sowie das Motiv der nicht erhaltenen Nachricht, die Romeo über den vorgetäuschten Tod aufklären hätte sollen, gehen wiederum auf die ältere Vorlage von Salernitano zurück. Eine weitere Entwicklungsstufe erreicht der Stoff bei Matteo Bandello, dem bedeutenden Dichtermönch der Renaissance, der weitere Figuren hinzuerfand und seine Fassung 1554 in einer 4-bändigen Novel9 lensammlung unter dem Titel La sfortunata morte di due infelicissimi amanti (Der tragische Tod zweier unglücklicher Liebender) veröffentlichte. Erst durch Übertragungen der BandelloVersion ins Französische gelangte der Stoff nach England, wo Arthur Brooke 1562 mit seinem weit verbreiteten Gedicht The tragicall history of Romeus and Juliet die Vorlage für Shakespeares Dramatisierung schuf, der daraus etwa 35 Jahre später zum Teil wörtlich übernahm. Durch englische Wanderschauspieler verbreitete sich die Bühnenfassung europaweit und wurde spätestens mit den Übersetzungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts die vorherrschende Version, die andere, auch ihre nicht dramatischen Vorformen verdrängte. Von Romani und Bellini ist wie erwähnt nicht überliefert, ob sie Shakespeares Schauspiel, das erstmals 1814 durch Michele Leoni ins Italienische übersetzt wurde, in irgendeiner Form kannten. Romanis Witwe berichtet, dass ihrem Mann Bandellos Novelle als Vorlage gedient habe, was sich inhaltlich nicht halten lässt. Romani, der Bandello nicht erwähnt, verweist stattdessen auf ein Opernlibretto, das Giuseppe Foppa 1796 für eine frühe Romeo-und-Julia-Oper von Bellinis Kompositionslehrer Niccolò Zingarelli verfasste. Doch auch in diesem Fall sind grundlegende Abweichungen festzustellen. Aufgrund eines nahezu identischen Handlungsverlaufs halten heute die meisten Interpreten Luigi Scevolas Schauspiel Giulietta e Romeo aus dem Jahr 1818 und Antonio Cherubinis Handlungsballett Le tombe di Verona (Die Gräber von Verona) von 1823 für die maßgeblichen Vorlagen von Romanis Operntext. 10 Felice Romani ist neben Apostolo Zeno und Pietro Metastasio einer der wichtigsten italienischen Librettisten und hat die Entwicklung der italienischen romantischen Oper mit seinen über 50 Libretti grundlegend geprägt. Ihn verband nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit mit Bellini, sondern er verfasste auch die Operntexte für Rossini, Donizetti, Verdi und Meyerbeer. Sein in einem manieriert-eleganten und historisierenden Italienisch verfasster Romeo-Text wurde gleich zweimal für die Opernbühne vertont: 1825 zunächst für Mailand von Nicola Vaccaj und fünf Jahre später mit etlichen Veränderungen von Bellini für Venedig. Vergleicht man beide Vertonungen des Romani-Textes treten weitere Aspekte zutage, die den besonderen dramaturgischen Zugriff von Bellini auf den Romeo-Stoff verdeutlichen. Ein erster offenkundiger Unterschied ist der abweichende Werktitel, mit dem Bellini sich zum einen von anderen Vertonungen absetzt, zum anderen die Aufmerksamkeit auf die sozialen Umstände lenkt, die das Drama bedingen. Darüber hinaus ändert Bellini in enger Zusammenarbeit mit Romani – die beiden teilen sich in Venedig eine Wohnung – und unter Beibehaltung der meisten Texte die Nummernstruktur: die Anzahl der Szenen wird von zwölf auf neun reduziert, von ursprünglich fünf Ensemblenummern bleiben noch zwei Duette übrig, dafür wird die Anzahl der Soloarien von drei auf vier erhöht. Die Folge dieser Umgewichtung ist ein stärkerer Fokus auf die individuelle Situation der Protagonisten und eine emotionale Verdichtung der Handlung, die Bellini musikalisch nah am Text ausgestaltet. Bellinis Figuren sind durch ihre Leidenschaften charakterisiert, für die Bellini weitschweifende Gesangslinien findet, die für ihn später zum Markenzeichen werden sollen. Dilara Baştar & Uliana Alexyuk 11 12 Yang Xu & Uliana Alexyuk 13 ZEITTAFEL 1801 Vincenzo Bellini wird am 3. November im sizilianischen Catania als erstes von sieben Kindern geboren. Sein Vater und Großvater sind Kirchenmusiker. ca. 1807 Bellini verfasst seine erste Komposition: Gallus cantavit. Weitere geistliche Frühwerke sind ab 1810 belegt. 1819 Ein Stipendium seiner Heimatstadt ermöglicht es dem 18-Jährigen, am Königlichen Collegio di Musica di San Sebastiano in Neapel zu studieren. Zu seinen Lehrern gehört der Opernkomponist Nicola Zingarelli, der 1796 mit Giulietta e Romeo eine frühe Opernadaption des Romeo-Stoffes komponiert hat. 1824 Mit der Romanze Dolente immagine di Fille mia erscheint erstmals eine Komposition Bellinis im Druck. 1825 Zum Abschluss seines Studiums präsentiert Bellini im Februar am Konservatorium in Neapel sein erstes Bühnenwerk: die unter seinen Kommilitonen beliebte und mehrfach gespielte Opera semiseria Adelson e Salvini. Aufgrund des Erfolges beauftragt der einflussreiche Opernimpresario Domenico Barbaja Bellini mit einer Oper für das Teatro San Carlo in Neapel. Aus seinem Opernerstling verwendet er fünf Jahre später die Arie der Nelly „Dopo l’oscuro nembo“ für die Romanze der Giulietta „Oh quante volte“ in I Capuleti e i Montecchi. Am 31. Oktober wird in Mailand die Oper Giulietta e Romeo von Nicola Vaccaj uraufgeführt. Das Libretto stammt von Felice Romani, einem der bedeutendsten italienischen Librettisten der Zeit, der die Texte für Opern von Rossini, Donizetti, Meyerbeer und ab 1827 auch für Bellini verfasst. 1826 Bellinis zweite Oper Bianca e Fernando wird am 30. Mai in Neapel erfolgreich uraufgeführt. Barbaja vermittelt Bellini einen weiteren Kompositionsauftrag, diesmal für die Mailänder Scala. Bis zu seinem Lebensende verdient Bellini seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit lukrativen Opernaufträgen, Tantiemen und Honoraren für Neueinstudierungen, ohne je ein offizielles Amt beispielsweise als Kapellmeister oder Dozent zu bekleiden. 14 1827 Die Uraufführung von Bellinis dritter Oper Il pirata am 27. Oktober an der Scala wird ein außergewöhnlich großer Erfolg und macht den Komponisten im Ausland bekannt. Es ist die erste Oper, bei der Bellini mit dem berühmten Librettisten Felice Romani zusammenarbeitet. Mit Ausnahme seiner letzten Oper I puritani arbeitet Bellini von diesem Zeitpunkt an ausschließlich mit Romani zusammen. 1827– 1833 Bellinis Hauptwohnsitz ist Mailand, wo er jedes Jahr eine neue Oper komponiert: Il pirata folgen La straniera für Mailand, Zaira für Parma, I Capuleti e i Montecchi für La Fenice in Venedig, La sonnambula für das Teatro Carcano in Mailand, Norma für die Mailänder Scala und Beatrice di Tenda erneut für La Fenice. 1829 Zaira, auf einen Stoff von Voltaire, wird am 16. Mai zur Eröffnung des Teatro Ducale in Parma uraufgeführt. Die Oper ist Bellinis einziger wirklicher Misserfolg. Er übernimmt einige Nummer daraus in seine nächste Oper I Capuleti e i Montecchi. Im Dezember reist Bellini nach Venedig, um sein Erfolgswerk Il pirata für eine Aufführungsserie an La Fenice zu überarbeiten. 1830 Da die Uraufführung einer Oper von Giovanni Pacini an Venedigs Opernhaus nicht zustande kommt, erhält Bellini am 19. Januar von La Fenice kurzfristig den Auftrag für ein neues Werk. Einen Tag später macht er sich mit dem Librettisten Felice Romani an die Arbeit. Innerhalb von sechs Wochen, ein für Bellini ungewöhnlich kurzer Zeitraum, entsteht in ihrer gemeinsamen Wohnung I Capuleti e i Montecchi. Aufgrund der zeitlich engen Situation entscheidet man sich dafür, auf Romanis Libretto für Vaccajs Giulietta e Romeo von 1825 zurückzugreifen und dieses umzuarbeiten. Bellini verwendet Musik aus insgesamt elf Nummern aus seinen früheren Opern Zaira und Adelson e Salvini. Am 11. März findet die erfolgreiche Premiere von I Capuleti e i Montecchi in Venedigs La Fenice statt. In den Hauptpartien glänzen Rosalbina Caradori15 Allan als Giulietta und Giuditta Grisi als Romeo. Neben Maria Malibran ist Giuditta Grisi der Romeo der nächsten Jahre und macht das beliebte Werk international bekannt. Auf Maria Malibran geht die spätere Aufführungstradition zurück, Bellinis Capuleti-Finale durch das Finale von Vaccajs Romeo-Oper zu ersetzen, welches eine zusätzliche Arie für Giulietta enthält. 1832 Während der Arbeit an Bellinis vorletzter Oper Beatrice di Tenda kommt es zu einem teilweise in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streit mit Romani, der das erfolgreiche Team entzweit. 1833 Wegen des Streits wird die ursprünglich für den Februar vorgesehene Premiere von Beatrice di Tenda an La Fenice auf den 16. März 1833 verlegt. Bellini reist im April über Paris nach London, um an verschiedenen Theatern der Stadt Aufführungen von Il pirata, I Capuleti e i Montecchi und Norma vorzubereiten. Im August reist Bellini nach Paris, wo er Aufführungen u. a. von Il pirata und I Capuleti e i Montecchi am Théâtre Italien betreut. 1834/35 Für das Pariser Théâtre Italien entsteht Bellinis letzte Oper I puritani. Das Libretto stammt diesmal von Carlo Pepoli. Die Premiere am 24. Januar 1835 ist ein Triumph. Bellini wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Am 23. September stirbt Bellini mit 33 Jahren in Puteaux bei Paris auf einem Landsitz eines Freundes. Die Todesursache ist wahrscheinlich eine langjährige Amöbeninfektion. 16 Uliana Alexyuk & Dilara Baştar 17 18 Herren des Staatsopernchors, Dilara Baştar & Uliana Alexyuk 19 BELCANTO GLOSSAR Agilità (dt. Gewandtheit, Wendigkeit) Beweglichkeit der Stimme im virtuosen Koloraturgesang. Appoggiatura → Vorschlag Belcanto (dt. schöner Gesang) Mehrdeutiger Begriff, der unterschiedliche Phänomene der Vokalmusik beschreibt und sich sowohl auf einen Kompositionsstil als auch auf eine Gesangstechnik bezieht. Ursprünglich erstreckte sich der Begriff auf die italienische Operntradition des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff den romantischen Belcanto der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere die ernsten Opern von Rossini, Bellini, Donizetti und des frühen Verdi. Zu den charakteristischen Merkmalen dieses Stil gehört der Primat des Gesangs, dessen Schönheit und Ausdruck oberste Priorität hat. Cabaletta Ursprünglich eine kurze, strophisch gegliederte Arie (vgl. → Cavatina). In der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts ist die Cabaletta der virtuose letzte Teil einer mehrsätzigen Arie oder eines mehrsätzigen Duetts. Der schnelle und schwungvolle Duktus, der zum Ende der Cabaletta in der Stretta gesteigert wird, 20 löst den Beifall des Publikums aus. Diese als „Solita forma“ bezeichnete Arienform wurde von Rossini geprägt und in den Opern von Bellini und Donizetti zum formalen Standard. Ein Beispiel für eine seltene langsame Cabaletta ist der zweite Teil von Giuliettas Arie „Morte io non temo“ im 2. Akt von I Capuleti e i Montecchi. Cantabile Vortragsanweisung in der Instrumentalmusik, eine Melodie gesanglich und → legato zu spielen. In der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff den ersten langsamen Teil einer zweisätzigen Arie oder eines zweisätzigen Duetts, an den die → Cabaletta anschließt. Canto fiorito oder Stile fiorito (dt. geblümter Gesang oder Stil) Gesangsästhetik des Barock und des romantischen → Belcanto mit vielen → Melismen und → Verzierungen (Fiorituren). Canto spianato (dt. breiter Gesang) Schlichter, meist langsamer Gesang im → Legato mit nur wenigen → Verzierungen. Ein Stil, der insbesondere bei Bellini zu finden ist, z. B. in Norma („Casta diva“) oder in Giuliettas → Romanze in I Capuleti e i Montecchi „Oh quante volte“. Cavatina Kurze und schlichte zweiteilige Arie in der Oper des 18. Jahrhunderts; ab 1820 auch als Bezeichnung für eine Auftrittsarie gebräuchlich, wie beispielsweise für die drei aufeinanderfolgenden Auftrittsarien von Tebaldo, Romeo und Giulietta im 1. Akt von I Capuleti e i Montecchi. Cercar la nota (dt. den Ton suchen) Ansingen einer Silbe auf einem Ton, der unter dem notierten liegt. Im Gegensatz zum → Portamento wird das „Schleifen“ erst nach der Artikulation der Silbe ausgeführt. Dolcezza (dt. Süße) Bezeichnet eine weiche und besonders lyrische Tongebung, wie sie vor allem bei Bellini angewendet wird. Fioritur → Verzierung. Improvisation Form des Musizierens, bei der nach bestimmten thematischen, harmonischen oder rhythmischen Rahmenvorgaben spontan, d. h. im Moment der musikalischen Darbietung, erfunden wird. In der Oper werden bis ins frühe 19. Jahrhundert vor allem der Dacapo-Teil einer barocken Arie, → Kadenzen und → Verzierungen vom Sänger frei gestaltet. Schlussteil einer Arie, häufig am Ende des → Cantabile. Legato (dt. gebunden) Akzentfreie Anbindung von Tönen durch den Sänger, wobei die Töne trotzdem voneinander abgegrenzt sind und nicht „angeschliffen“ werden (vgl. → Portamento). Der daraus resultierende Melodiefluss ist Ideal und grundlegendes Vortragsprinzip des → Belcanto. Der Legato-Linie werden zur Steigerung des dramatischen Ausdrucks → Verzierungen und andere Gestaltungsmittel hinzugefügt. Melisma Mehrere Töne, die auf einer Textsilbe bzw. einem Vokal gesungen werden (vgl. → syllabisch). Messa di voce Kunst, einen langgezogenen gesungenen Ton im pianissimo beginnen zu lassen, ihn gleichmäßig und ohne Atem zu holen anschwellen zu lassen und wieder zur Ausgangsdynamik zurückzukehren. Solch ein Schwellton kann mit oder ohne → Vibrato ausgeführt werden. Der erste Ton von Giuliettas Auftrittsrezitativ „Eccomi in lieta vesta“ in I Capuleti e i Montecchi wird traditionell durch ein Messa di voce belebt und hervorgehoben. Kadenz Bezeichnet in der Harmonielehre eine Schlusswendung; im Solokonzert und in der italienischen Opernarie eine eingeschobene → improvisierte oder komponierte und vom Orchester meist nicht begleitete Schlusspassage, bei der der Instrumentalist oder Sänger seine Kunstfertigkeit vorführt. Morbidezza (dt. Weichheit, Zartheit) Schmerzliche Einfärbung des Stimmklangs. Kantilene Langgezogene Melodielinie mit fließendem Duktus. Piangendo (dt. weinend) Stilisierte Nachahmung des Weinens. Im Gegensatz zu einem längeren realistischen Schluchzen im Verismo wird Weinen im → Belcanto Kadenz Freigestalteter, → improvisierter Morendo Schwächer werdender, im Pianissimo ersterbender Ton bzw. Tonsequenz, vgl. Romeos Tod im 2. Akt von I Capuleti e i Montecchi. 21 einmalig durch den abrupten Verschluss der Stimmlippen mit anschließender Explosion der Atemluft (Glottisschlag) wirkungsvoll angedeutet. Portamento (von portare la voce, dt. die Stimme tragen) Gleitende Verbindung zweier Töne bzw. das Anschleifen eines Tones von unten. Romanze Einfacher Liedtyp spanischen Ursprungs; in Frankreich später auch musikalisches Genre, das in Strophen gegliedert ist. Ab dem 18. Jahrhundert finden sich Romanzen auch in der französischen Opéra comique und im deutschen Singspiel. In der italienischen Operntradition bezeichnet der Begriff eine kurze, langsame strophische Arie, wie beispielsweise Giuliettas Auftrittsarie „Oh quante volte“ in I Capuleti e i Montecchi. Rubato (von Tempo rubato, dt. gestohlene Zeit) Kurzfristige Verzögerung oder Beschleunigung des musikalischen Vortrags im Rahmen eines gleich bleibenden Grundtempos. Stimmfarbe Zur Gestaltung des Ausdrucks wird die Stimme vor allem im BelcantoGesang auf unterschiedliche Weise gefärbt. Möglich sind beispielsweise eine dunkle oder helle Klanggebung („voce scura“ und „voce chiara“) bzw. der effektvolle Wechsel („chiaroscuro“), die zitternde Stimme („voce fremente“) oder der geflüsterte Gesang („sotto voce“). Sospirando (dt. seufzend) Stilisierte Nachahmung eines Seufzers durch ein hörbares Aushauchen am Beginn oder Ende einer musikalischen Phrase. 22 Syllabischer Gesang Gesang, bei dem jeder Textsilbe ein Ton zugeordnet ist. Tremolo Schnelle, zitternde Wiederholung eines Tons. Triller Schneller Wechsel von einer Note mit oberer Nebennote, mit dem ein Ton → verziert wird und der Sänger hohe Stimmfertigkeit demonstriert. Verzierung Ausschmückung bzw. Umspielung einer Melodie, durch die ein einzelner Ton hervorgehoben oder der Affekt gesteigert wird. Die Verzierung kann mittels kleiner Zeichen in den Noten fixiert sein, kann aber auch im Rahmen bestimmter Konventionen vom Sänger frei ausgeführt, d. h. → improvisiert, werden. Von großer Wichtigkeit ist der genau dosierte, geschmackvolle und nicht zu häufige Einsatz einzelner Verzierungen und Ausdrucksmittel, wie beispielsweise des → Portamento. Vibrar la voce Mehrfache Wiederholung eines Tons, legato, ohne dass dazwischen Pausen entstehen, z. B. in der Arie „Casta diva“ aus Bellinis Norma. Vibrato Gezielt eingesetzte Tonhöhenschwankung in der Instrumental- und Vokalmusik. Im Gegensatz zum „Dauervibrato“ des 20. Jahrhunderts, früher nur vereinzelt als Ausdrucksmittel eingesetzt, um bestimmte Töne hervorzuheben und sie zu beleben. Vorschlag Ein Ton oder mehrere Töne, die als → Verzierung vor und oberhalb eines Haupttons einer Melodie eingefügt werden. Der Vorschlagston wird im Notentext mit einer kleinen Nebennote angegeben. Yang Xu, Dilara Baştar & Uliana Alexyuk 23 24 Uliana Alexyuk, Eleazar Rodriguez & Herren des Staatsopernchors 25 WENIGER IST ZUR MUSIK MEHR Kapellmeister Daniele Squeo im Gespräch mit Produktionsdramaturg Raphael Rösler Was ist das Besondere des BelcantoStils? Der romantische Belcanto ist ein ureigenes italienisches Kulturgut und Kern der italienischen Operntradition. Zwar hat auch die Opera seria ihre Wurzeln in Italien, sie ist jedoch insofern international, als auch nicht italienischstämmige Komponisten wie Händel oder Mozart Opern in diesem Stil geschrieben haben. Die Werke der berühmten Belcanto-Trias Rossini, Bellini und Donizetti hingegen sind einzigartig und uritalienisch. Und außerdem waren sie von großem Einfluss für die weitere Entwicklung der italienischen Oper bei Verdi und Puccini. Was unterscheidet Bellini von Zeitgenossen, wie z. B. Rossini? Ähnlich wie die Barockoper steht auch Rossinis Ästhetik im Zeichen eines Starkults um die Sänger, die bei ihren 26 Auftritten ein virtuoses Feuerwerk abbrannten und das Publikum mit kunstvoller Gesangsakrobatik begeisterten. Bellini hingegen emanzipiert sich zunehmend von diesem virtuosen Koloraturstil und lotet mit weniger verzierten und unvergleichlich schönen Kantilenen die Gefühlswelt seiner Figuren aus. Man hat als Zuhörer den Eindruck, dass die Sänger bzw. die Figuren in ihren langen Melodien nach dem perfekten musikalischen Ausdruck für einen bestimmten Affekt suchen. Dieser tastende, suchende Gesangsstil trifft mit seiner großen Emotionalität unmittelbar ins Herz. Hinzu kommt, dass wir bei Rossini noch nicht die enge Verbindung zwischen Wort und Musik haben, wie wir sie später bei Bellini finden. Er deutet den Inhalt textnah und auf vergleichsweise realistische Art aus, so zum Beispiel Romeos Tod in I Capuleti e i Montecchi. Und letztlich hat Bellini ganz andere Stoffe vertont als Rossini, der eher ein Komponist von komischen Buffo-Opern war. Das Sterben und der Tod sind ein beliebter Topos der Oper. Du hast Romeos Tod angesprochen. Wie hat Bellini sein Ende vertont? Die Sterbeszene am Ende der Oper ist eine meiner Lieblingsstellen. Bei Bellini geht der Tod nicht mit virtuosem Koloraturgesang oder großem Orchesterklang einher, sondern mit einer ganz unspektakulären Musik. Bellini fährt die Orchesterbegleitung bis auf die Streicher zurück und komponiert ein langgezogenes Morendo (s. S. 20). Über dem kargen Orchestersatz singt Romeo eine schlichte Melodie, die zunehmend stockt und letztlich in der Mitte eines Wortes abbricht. Das ist sehr schlicht, ohne vokalen oder orchestralen Pomp, hat aber einen großen Effekt. Vergleicht man dieses Ende mit dem musikalisch ähnlich konzipierten Tod von Mimì in Puccinis La Bohème, fällt auf, wie fortschrittlich Bellini ist. Mein Ziel ist es, zusammen mit den Orchestermusikern und den Sängern dieses Morendo so perfekt wie möglich zu gestalten. Ich wünsche mir, dass die Melodie mit Romeos letztem Ton ins Nichts geht. Der renommierte Spezialist für BelcantoGesang Peter Berne rät dazu, bei Bellini nur wenig zu verzieren – im Unterschied zu anderen Komponisten, wo man großzügiger dosieren könne. Ganz richtig: Bei Bellini ist weniger mehr. In den Proben haben wir oft diskutiert, wo man eine Verzierung oder eine Kadenz einfügt oder wo nicht. Letztlich haben wir uns in vielen Fällen dagegen entschieden. Die schlichte Schönheit seiner Melodien ist Bellinis Stärke. Da kann eine Verzierung schnell stören. Es lohnt sich sehr, sich sowohl als Sänger als auch als Zuhörer auf diesen reduzierten Stil einzulassen: Es gibt viel zu entdecken. Richard Wagner schreibt bezüglich Bellini von „wirklicher Passion und Gefühl“, die einen hinreißen. Ansonsten hat Wagner wenig Lob für ihn übrig. Warum? Wagner kommt aus einer anderen Zeit mit einem anderen Geschmack. Für ihn waren Orchestration, Klangfarben und Harmonien von zentraler Bedeutung, für Bellini hingegen war es die Gesangsmelodie. Auch wenn man Bellinis schlichten Orchestersatz nicht mit Wagners Klangfarbenreichtum vergleichen kann, setzt Bellini einzelne dezente Akzente, die bei seiner reduzierten Orchesterbehandlung umso stärker ins Gewicht fallen. Beispielsweise markiert er den Moment, in dem sich Romeo und Giulietta zum ersten Mal auf der Bühne begegnen, mit einem Paukenwirbel – nur ein einzelner, dezenter instrumentaler Pinselstrich, der herausragt. Eine weitere Spezialität hinsichtlich der Orchesterbehandlung ist, wenn Bellini Szenen und Situationen ein Soloinstrument zuordnet. Das gibt es natürlich auch bei Händel, hier aber eher in Form eines virtuosen Wettstreits zwischen Soloinstrument und Sänger. Das bekannteste Beispiel in I Capuleti ist vielleicht die Einleitung zu Giuliettas Auftrittsarie, die vom Horn begleitet wird. Hier wird auf wunderbare Weise der emotionale Zustand einer Figur zu Gehör gebracht. Die Orchesterbegleitung strahlt eine tiefe innere Ruhe aus und bereitet den Weg für eine Giulietta, die tieftraurig, fast resigniert ist. Ein weiteres Beispiel für diesen dezenten Instrumentationsstil finden wir in der Orchestereinleitung zum 2. Akt: Mit einem zauberhaften Cello-Solo antizipiert Bellini Giuliettas Auftritt, die ängstlich auf das Ergebnis der Schlacht wartet. Dergleichen bei Romeos „Deserto il luogo“, dessen Gesang von einer Solo-Klarinette imitiert wird. 27 Mit welchen Mitteln werden die Figuren charakterisiert? Bellini hat nur für Tebaldo, Romeo und Giulietta, die drei liebenden Figuren, Arien vorgesehen. Giulietta ist wie erwähnt durch eine resignativ wirkende innere Ruhe gekennzeichnet, aus der sie nur selten ausbricht. Sie ist eine stille Heldin, keine Heroine wie bei Verdi. Ihre Musik bildet im großen Duett im 1. Akt einen starken Gegenpol zu Romeos Musik, die sehr impulsiv ist. Die heroische Cabaletta seiner Auftrittsarie ist durch die scharfen Punktierungen betont rhythmisch. Außerdem sind seine Nummern lauter orchestriert. Romeos Musik wird erst gegen Ende zart und zerbrechlich. Tebaldo hingegen ist musikalisch grundsätzlich ruhiger gezeichnet. Seine Auftrittsarie, in der er Capellio in Gegenwart aller Capuleti seine Rache anbietet und gleichzeitig um Giuliettas Hand anhält, fließt erstaunlich schwelgerisch dahin. Welche weiteren musikalischen Besonderheiten gibt es in dieser Oper? Bellini hat hier aus praktischen Gründen noch einmal eine Hosenrolle komponiert, was er später nicht mehr gemacht hat. Bellini erzählt uns die unglückliche Liebe zweier junger Menschen mit zwei Frauenstimmen: einem Sopran und einem Mezzosopran. Nun sind Hosenrollen in der Oper nichts Außergewöhnliches, doch in diesem Fall ergeben sich daraus musikalisch einige Besonderheiten. Diese Rollendisposition hat zum einen den Effekt, dass die Stimmen des Liebespaares wunderbar harmonisieren. Zum anderen sind es die beiden einzigen Frauenstimmen in der Oper. Sie bilden einen starken Kontrast zur kämpferischen Männerwelt. Am deutlichs28 ten tritt das im Quintett des ersten Finales zutage, wo sich der Gesang von Giulietta und Romeo klar von den tieferen Männerstimmen absetzen. Claudio Abbado hat Romeo einmal mit einem Tenor besetzt. Das ist sicherlich interessant, doch zum einen hat man hier nicht den gerade beschriebenen Effekt, zum anderen funktioniert dann das Duett im 2. Akt zwischen Tebaldo und Romeo nicht gut, da man es mit zwei Tenören zu tun hat. Im Finale des 1. Akts gibt es für Giulietta eine interessante Vortragsanweisung „con espansione d’anima“. Was hat Bellini damit beabsichtigt? Man kann das ungefähr mit Ausdehnung oder besser Überschwänglichkeit der Seele übersetzen. Bellinis erklärte Absicht war es, das Publikum zu Tränen zu rühren und durch Gesang sterben zu lassen, das hat er zumindest an Carlo Pepoli, den Librettisten von I puritani, geschrieben. Er wollte mit dieser Anweisung den Sängern zu größtem Ausdruck und emotionalen Überschwang anhalten, um in das Herz des Zuhörers vorzudringen. Und wie gelingt das? Man braucht einen guten Geschmack und absolute Stimmbeherrschung, um die vielen Ausdrucksmittel des Belcanto wie Messa di voce, Cercar la nota oder Piangendo gekonnt umzusetzen. Das ist eine ungleich größere Herausforderung als eine noch so virtuose Koloratur. Bellinis Musik ist wie Haute Cuisine: klein und fein mit wohldosierten Aromen. Sie erschlägt nicht, sie berührt. Lucia Lucas, Herren des Staatsopernchors & UIiana Alexyuk 29 MACHT & OHNMACHT ZUR INSZENIERUNG Die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia – oder wie es im italienischen Original heißt: von Romeo und Giulietta – wird seit Jahrhunderten auf der Theaterund Opernbühne oder im Film neu erzählt. Ihre Tragik – und das ist es, was uns als Zuschauer auch heute noch berührt und was diese zeitlose Geschichte so erzählenswert macht – liegt in der Unmöglichkeit dieser Liebe. In den meisten Versionen des berühmten Stoffes – insbesondere in der Opernfassung von Felice Romani und Vincenzo Bellini – geben zwei Aspekte den Ausschlag und verurteilen ihre Liebe zum Scheitern: Macht und Zeit. Es ist der Machtkampf zwischen den beiden Clans der Capuleti und der Montecchi, der die Liebesbeziehung belastet und der bei Bellini allein durch den Titel besonderes Gewicht erhält. Die Frage, wer das Zepter in der Hand hält, hat zwischen den beiden Familien einen tiefen Graben gerissen – einen Graben, in dem Romeo und Giulietta schließlich den Tod finden. Die Auseinandersetzungen dauern seit Jahrzehnten an und haben, wie wir am 30 Beispiel von Capellio sehen, zu Verletzungen geführt, die nicht überwunden werden können. Dieser verlustreichen und traumatisierenden Auseinandersetzung sind die Liebenden hilf- und machtlos ausgeliefert. Das beste Beispiel dafür ist Romeos Friedensinitiative zu Beginn der Oper, die dem Blutvergießen ein Ende bereiten könnte: Sie wird abgelehnt und der Kampf geht weiter. Es ist die beklemmende Machtlosigkeit des Individuums gegenüber der eigenen Abstammung, gegenüber der Gesellschaft und ihren Regeln und gegenüber der Geschichte, der man nicht entkommen kann. Die Enge des Systems führt dazu, dass Lorenzo keinen anderen Ausweg weiß und Giulietta dazu überredet, einen Schlaftrunk einzunehmen und dem Vater den eigenen Tod vorzugaukeln. Auch wenn Lorenzo in Bellinis Oper musikalisch nur eine kleine Rolle spielt, so ist er doch mehr als der wohlmeinende Freund, der nur helfen möchte. Er ist eine geheimnisvolle und nicht ungefährliche Schicksalsfigur, der im Hintergrund Fäden zieht, die er selbst nicht unter Kontrolle hat, wie seine Verhaftung zeigt. Dilara Baştar & Eleazar Rodriguez 31 Ein weiterer grundlegender Faktor in Bellinis Operntragödie ist die Zeit: Romeo und Giulietta scheitern unter anderem auch an einem unglücklichem Timing, dass sich in seiner Auswirkung über den Stückverlauf kontinuierlich steigert. Wie würde die Geschichte wohl ausgehen, wenn Romeos erster Auftritt zu Beginn nicht ausgerechnet dann erfolgte, nachdem Capellio dem kämpferischen Tebaldo seine Tochter Giulietta zur Frau versprochen hat, was eine Friedensheirat noch unmöglicher macht, als sie vielleicht sowieso schon ist? Auch die Entdeckung des Paares durch Capellio und Tebaldo im ersten Finale ist schlichtweg ein zeitliches Unglück. Im zweiten Akt folgt die Festnahme von Lorenzo durch Capellio, die dazu führt, dass Romeo die Nachricht von Giuliettas vorgetäuschtem Tod nicht erhält. Was wäre, wenn Lorenzo die im Rückblick überlebenswichtige Nachricht noch vor seiner Festnahme überbracht hätte? Und schließlich sind es nur wenige Augenblicke, die Giulietta zu spät erwacht, um dann mit ansehen zu müssen, wie ihr Geliebter dem kurz zuvor eingenommenen Gift erliegt. Der Bühnenraum von Raimund Orfeo Voigt, in dem wir Romeo und Giuliettas Geschichte in dieser zugespitzten Version von Romani und Bellini erzählen, ist ein überzeitlicher, gewachsener Raum: Das Moderne ist ebenso präsent wie das Alte und Archaische. Wenn hier von einem Raum die Rede ist, ist das nicht die ganze Wahrheit – es sind offensichtlich drei Räume, die übereinander liegen und in ihrer Ausgestaltung vollkommen identisch sind. Und trotzdem unterscheiden sie sich, weil wir in der vertikalen Anordnung eine Hierarchie wahrnehmen. Die Macht ist immer oben. Diese Bildmetapher ist tief in unserem Denken verankert: Unsere 32 Wahrnehmung ist darauf konditioniert und unsere Sprache ist voll mit einschlägigen bildlichen Redewendungen. Die Personen im oberen Raum werden wir immer als die stärkeren, die dominanten deuten, so beispielsweise Capellio verstärkt durch den Chor der Capuleti in der ersten Szene, wohingegen Romeo als sein eigener Friedensbote im untersten Raum als der Unterlegene gesehen wird. Grundlegende Themen der Oper – Macht und Ohnmacht, Herrscher und Unterdrückter, Himmel und Hölle – werden in diesem verdreifachten Raum plastisch und wie nebenbei erfahrbar. Dabei ist die Zuordnung der handelnden Figuren zu den Räumen variabel: Jeder kann kurzzeitig an die Macht kommen und jeder kann sie wieder verlieren. Der ausweglos scheinende Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft zeigt sich am Schicksal Giuliettas besonders deutlich, der einzigen Frau in dieser Männerwelt, die wir in ihrer Auftrittsarie und im nachfolgenden Duett mit Romeo als eine zwischen Pflicht und Begehren zerrissene Person kennenlernen. Ihre privaten Gefühle werden von den Wünschen des Vaters, die politisch begründet sind, überlagert. Giulietta ist nicht Herrin ihrer selbst und ihre Liebe ist ein öffentliches Politikum. Die drei Räume sind deswegen konsequent öffentlich und negieren das Private. In dieser Welt gibt es für das gesellschaftlich bestimmte und in seiner Freiheit eingeschränkte Individuum, insbesondere für das Liebespaar keine wirkliche Rückzugsmöglichkeit. Der Feind – sei es aus der gegnerischen Partei oder innerhalb der eigenen Familie – kann jederzeit zugegen sein, oben oder unten und hinter den Säulen. Die Anwesenheit des anderen, des Beobachters, ist eine Anwesenheit, die man nicht unbedingt sieht, die man aber spüren kann. Es ist, wie wenn man an den Blicken in seinem Rücken merkt, dass man nicht allein ist, ohne den anderen gesehen zu haben. Und manchmal ist eine Person vielleicht noch durch ihren Geruch an einem Ort präsent, ohne dass sie körperlich anwesend ist. Unser Sehen in diesen drei Räumen ist dynamisch. Als Betrachter lassen wir den Blick schweifen, von oben nach unten wandern und wieder zurück. Dabei setzen wir das Gesehene zueinander in Bezug und vergleichen die Situationen in den Räumen. Die Räume können sich dabei verändern bzw. gegenseitig beeinflussen. Wenn beispielsweise Giulietta und Romeo sich an einer Stelle im mittleren Raum befinden und Capellio, Tebaldo, Lorenzo oder alle zusammen über oder unter ihnen durch den identischen Raum gehen, vielleicht sogar an genau derselben Stelle stehen bleiben, dann verändert sich der Ort, an dem sich Giulietta und Romeo befinden. Ein weiteres Beispiel für die gegenseitige und raumübergreifende Beeinflussung ist, wenn sich zwei Figuren auf getrennten „Stockwerken“ befinden und von außen in die Mitte des Raumes laufen, dann begegnen sie sich nicht; sie kommen sich aber trotzdem entgegen. Die drei Räume sind einerseits drei Geschosse eines Gebäudes – das ist die naheliegende Sichtweise. Andererseits können sie aber auch wegen der identischen Ausgestaltung als ein und derselbe Raum betrachtet werden, in dem unterschiedliche emotionale oder psychologische Zustände einer Situation beschrieben werden – so zum Beispiel in der finalen Gruftszene, wenn Tebaldo, Capellio und Romeo jeder für sich vor einem Sarg stehen und Abschied von der vermeintlich Verstorbenen nehmen. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang, dass die Ebenen sich in ihrem Wirklichkeitsgehalt nicht unterscheiden. Es gibt keinen Traum-, Erinnerungs- oder Visionsraum, sondern in allen drei Räumen finden tatsächliche Situationen statt, die sich zu den emotionalen Zuständen der empfindsamen, realistischen Figuren zusammensetzen. Tilman Hecker IM TOD WOLLTE ICH DIR NAHE SEIN. 33 DANIELE SQUEO Musikalische Leitung STEVEN MOORE Nachdirigat Daniele Squeo studierte in seiner Heimat Italien sowie in Weimar Klavier und Dirigieren. Er besuchte Meisterkurse bei Steven Sloane, Sir Roger Norrington und Sylvain Cambreling. Squeo ist Preisträger mehrerer internationaler Dirigentenwettbewerbe, wie beispielsweise des XVIII. Wettbewerbs für junge Dirigenten der Europäischen Union. Er arbeitete mit der Neuen Philharmonie Westfalen, den Jenaer Philharmonikern, dem Orchester des Theaters „Lirico Sperimentale“ Spoleto, den Nürnberger Symphonikern, den Bochumer Symphonikern, der Baden-Baden Philharmonie sowie den Essener Philharmonikern. Operndirigate führten ihn u. a. mit La Traviata nach Rom, Spoleto und Assisi. 2013/14 war er Studienleiter und Kapellmeister am Theater Nordhausen, bevor er 2014 als Zweiter Kapellmeister ans STAATSTHEATER KARLSRUHE wechselte. 2016/17 leitet er u. a. die Neuproduktion von L’elisir d’amore und die Wiederaufnahme von Tosca. Der Australier studierte in Queensland Orgel, Klavierbegleitung und Gesang und erwarb an der Londoner Guildhall School seinen Master of Arts in Dirigieren und Repetition. Nach einem Jahr im National Opera Studio wurde er ins Jette Parker Young Artists Programme am Royal Opera House Covent Garden aufgenommen. Es folgten Dirigate beim Orchester des Royal Opera House, der San Francisco Opera, der Southbank Sinfonia, der West London Sinfonia, Opernaufführungen in England, Frankreich und Australien sowie Assistenzen bei Nicola Luisotti, Thomas Hengelbrock und Julia Jones. Moore betreute zahlreiche Produktionen des Royal Opera House und der San Francisco Opera. Seit 2011 gehört er dem STAATSTHEATER an, seit 2014 als Studienleiter und Kapellmeister. 2016/17 dirigiert er die Ballettpremiere La Sylphide sowie u. a. die Wiederaufnahmen von My Fair Lady und Der Widerspenstigen Zähmung. Außerdem ist er in zahlreichen Liederabenden als Pianist zu erleben. 34 35 TILMAN HECKER Regie RAIMUND ORFEO VOIGT Bühne Sein Regiedebüt hatte Tilman Hecker mit Mandys Baby, einer Oper mit Konzertarien von Mozart, am Berliner Radialsystem V. Weitere Inszenierungen waren Narcissus und Echo von Jay Schwartz am Salzburger Landestheater, John Cages Songbooks in der Werkstatt der Staatsoper im Schillertheater, Mozarts La finta giardiniera an der Oper Wuppertal, Cimarosas Il matrimonio segreto am Theater Nordhausen und Aschaffenburg sowie zuletzt die Uraufführung Querelle von Birke J. Bertelsmeier in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin. Im März 2016 kehrte er mit Midnight – einer Performance über Mozarts letztes Klavierkonzert – in Koproduktion mit dem Mozartsommer Mannheim ans Radialsystem zurück. Seit 2004 arbeitet er u. a. als Koregisseur mit Achim Freyer und Robert Wilson zusammen. Er war Stipendiat für das Atelier Opéra en création der A.E.M./Festival d’Aixen-Provence, der Akademie der Künste Berlin und der Akademie Musiktheater heute. Raimund Orfeo Voigt absolvierte sein Studium in der Meisterklasse von Erich Wonder an der Wiener Akademie der Bildenden Künste mit Auszeichnung. Nach mehreren Jahren als Assistent von Erich Wonder und Robert Wilson ist er seit 2008 freischaffend tätig. Er entwarf Bühnenbilder u. a. für Anna Badora am Schauspielhaus Graz, Alexandra Liedtke u. a. bei den Salzburger Festspielen, am Theater in der Josefstadt und Salzburger Landestheater, für Sarantos Zervoulakos u. a. am Staatstheater Mainz und Schauspiel Leipzig, Christiane Pohle bei den Opernfestspielen der Bayrischen Staatsoper, Annette Raffalt am Wiener Burgtheater, Mateja Koležnik u. a. am Residenztheater München, Andrea Breth am Düsseldorfer Schauspielhaus und Berliner Ensemble und für Matthias Hartmann am Grand Théâtre de Genève. Für sein Bühnenbild von Verbrennungen in der Regie von Anna Badora wurde er 2010 beim Nestroy Theaterpreis in der Kategorie Bester Nachwuchs nominiert. 36 JULIA VON LELIWA Kostüme Julia von Leliwa, geboren in Hamburg, ist Modedesignerin und Kostümbildnerin. Im Theaterbereich arbeitete sie mit Künstlern wie dem amerikanischen Theaterregisseur Robert Wilson, u. a. für The Life and Death of Marina Abramovic, Grace for Grace und Pushkin Fairy Tales, im Modebereich mit den Amsterdamer Modedesignern Viktor&Rolf und für das Pariser Modehaus Balenciaga. Für Tilman Hecker entwarf sie die Kostüme von Il matrimonio segreto und die Mozart-Performance Midnight. Sie war Artist in Residence am Watermill Center in New York, an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart und Gastkünstlerin auf der Raketenstation der Stiftung Insel Hombroich in Neuss. Für ihre Recherchen und Konzepte zu Künstlernetzwerken erhielt sie Förderungen des Goethe-Instituts und vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Als Lehrbeauftragte war Julia von Leliwa an verschiedenen deutschen und iranischen Kunsthochschulen tätig. 37 Ks. KONSTANTIN GORNY Capellio Mit seinem Debüt bei den Bregenzer Festspielen 1993 startete der russische Bass eine Weltkarriere, die ihn u. a. an die Wiener Staatsoper, nach Tokio, Sydney, Paris und an viele weitere wichtige Bühnen führte. Seit 1997 ist er Mitglied des STAATSTHEATERS, seit 2006 Kammersänger. 2016/17 singt er u. a. den Fürst von Bouillon in Adriana Lecouvreur. LUCIA LUCAS Capellio Die Bariton-Sängerin war Mitglied des Studios der Santa Fe Opera und Stipendiatin der Deutschen Oper Berlin. Seit 2011 ist die Amerikanerin fest am STAATSTHEATER, wo sie u. a. als Ford in Falstaff, Marcello in La Bohème und Escamillo in Carmen zu erleben war. 2016/17 singt sie die vier Bösewichte in Hoffmanns Erzählungen an der Oper Wuppertal. ULIANA ALEXYUK Giulietta Die ukrainische Sopranistin war im Förderprogramm des Moskauer Bolschoi-Theater sowie im Opernstudio der Houston Grand Opera. Darüber hinaus sang sie in Chicago, Bari, Paris, Glyndebourne, New York. Seit 2015/16 gehört sie dem Karlsruher Opernensemble an und ist 2016/17 u. a. als Adina in L’elisir d’amore und Servilia in La clemenza di Tito zu erleben. Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Giulietta Nach Engagements in Bulgarien und Madrid kam die Sopranistin über Bremen 2002 ans STAATSTHEATER. Hier kreierte sie von Donizettis Lucia bis Strauss’ Sophie zahllose Partien. 2006 erhielt sie den Goldenen Fächer der Theatergemeinde Karlsruhe, 2007 den Otto-Kasten-Preis, 2013 den Titel Kammersängerin. 2016/17 singt sie u. a. Adina in L’elisir d’amore. DILARA BAŞTAR Romeo Die in Istanbul geborene und mehrfach ausgezeichnete Mezzosopranistin studierte in ihrer Heimatstadt und Karlsruhe. 2012 bis 2014 gehörte sie dem Karlsruher OPERNSTUDIO an, 2014 wechselte sie ins Opernensemble des STAATSTHEATERS. 2016/17 singt sie u. a. Ino in Semele, Sesto in La clemenza di Tito und Cherubino in Die Hochzeit des Figaro. KRISTINA STANEK Romeo Die Mezzosopranistin studierte in Düsseldorf und an der Royal Academy London. Von 2012/13 war sie im Ensemble des Theaters Trier, wo sie Carmen, Sesto in La clemenza di Tito und Glucks Orfeo sang. 2015/16 wechselte sie ans STAATSTHEATER, wo sie u. a. als Eliza in My Fair Lady, Annio in La clemenza di Tito und Cherubino in Die Hochzeit des Figaro zu erleben ist. JESUS GARCIA Tebaldo Der Amerikaner erhielt etliche Auszeichnungen, z. B. den Tony Award als Rodolfo in einer Broadway-Produktion von La Bohème. Er gastierte an so renommierten Häusern wie der Boston Opera oder der Opera di Firenze. Seit 2015/16 gehört er fest zum Ensemble des STAATSTHEATERS. 2016/17 ist er als Nemorino in L’elisir d’amore und Tito in La clemenza di Tito zu hören. 38 ELEAZAR RODRIGUEZ Tebaldo Der Plácido-Domingo-Stipendiat gehört seit 2011 dem STAATSTHEATEREnsemble an. Er studierte in seiner Heimat Mexiko und San Francisco. Gastspiele führten ihn u. a. als Graf Almaviva in Der Barbier von Sevilla an die English National Opera und die Oper Graz. 2016/17 singt er in Karlsruhe u. a. Nemorino in L’elisir d’amore und den Meisterjünger in Wahnfried. AVTANDIL KASPELI Lorenzo Der georgische Bass studierte u. a. in München, wo er als Sparafucile in Rigoletto debütierte. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER engagiert. Hier stand er als Pimen in Boris Godunow, Colline in La Bohème oder auch als Zacharias in Der Prophet auf der Bühne. 2016/17 folgen Partien wie Der Fürst von Bouillon in Adriana Lecouvreur und Hunding in Die Walküre. YANG XU Lorenzo Der Bassbariton absolvierte sein Studium in Peking. Von 2013/14 bis 2014/15 war er im OPERNSTUDIO und sang am STAATSTHEATER u. a. Graf Ribbing in Ein Maskenball und Hahnkerl in Wo die wilden Kerle wohnen. Zuletzt war er als Zuniga in Carmen zu erleben. 2016/17 folgen u. a. Fasolt im Rheingold, Angelotti in Tosca und Bartolo in Die Hochzeit des Figaro. 39 BILDNACHWEISE IMPRESSUM TITELFOTO Felix Grünschloß PROBENFOTOS Felix Grünschloß, Raimund O. Voigt (S. 18/19) HERAUSGEBER BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE GENERALINTENDANT Peter Spuhler TEXTNACHWEISE Die Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Die nicht gekennzeichneten Beiträge sind von Raphael Rösler. Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht. KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR Johannes Graf-Hauber VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier OPERNDIREKTOR Michael Fichtenholz LEITENDER DRAMATURG OPER Carsten Jenß REDAKTION Raphael Rösler KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 2015/16, Programmheft Nr. 321 www.staatstheater.karlsruhe.de GESTALTUNG Kristina Schwarz, Danica Schlosser DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe IM HIMMEL WERDEN WIR UNS WIEDERSEHEN. 40 Uliana Alexyuk & Dilara Baştar WELCHE MACHT IST STARKER ALS DIE LIEBE?