Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe

Transcrição

Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
IECAPULETI
I
MONTECCHI
(ROMEO UND JULIA)
TAUSENDMAL WURDE
FRIEDEN ZWISCHEN
UNS GESCHLOSSEN
UND TAUSENDMAL
WURDE ER WIEDER
GEBROCHEN.
I CAPULETI E I MONTECCHI (ROMEO UND JULIA)
Lyrische Tragödie in zwei Akten von Vincenzo Bellini
Libretto von Felice Romani
In italienischer Sprache mit deutschen & englischen Übertiteln
Capellio, Anführer der Capuleti
Ks. KONSTANTIN GORNY* / LUCIA LUCAS*
Giulietta, seine Tochter
ULIANA ALEXYUK* /
Ks. INA SCHLINGENSIEPEN*
Romeo, Anführer der Montecchi
DILARA BAŞTAR* / KRISTINA STANEK*
Tebaldo, Anhänger der Capuleti
JESUS GARCIA / ELEAZAR RODRIGUEZ*
Lorenzo, Arzt und Vertrauter Capellios
AVTANDIL KASPELI* / YANG XU*
*Rollendebüt
Doppelbesetzungen in alphabetischer Reihenfolge
Musikalische Leitung Nachdirigat
Regie
Bühne Kostüme Choreinstudierung
Licht
Dramaturgie DANIELE SQUEO
STEVEN MOORE
TILMAN HECKER
RAIMUND ORFEO VOIGT
JULIA VON LELIWA
ULRICH WAGNER
RICO GERSTNER
RAPHAEL RÖSLER
BADISCHE STAATSKAPELLE
BADISCHER STAATSOPERNCHOR
STATISTERIE DES BADISCHEN STAATSTHEATERS
PREMIERE 4.6.16 GROSSES HAUS
Aufführungsdauer ca. 2 ½ Stunden, eine Pause
Bühnenrechte Casa Ricordi S.R.L. Milano / G. Ricordi & Co., Bühnen- und Musikverlag GmbH
Aufführungsmaterial Revision nach originalen Partiturvorlagen von Claudio Toscani
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Regieassistenz & Abendspielleitung CHRISTINE HÜBNER Musikalische Assistenz &
Einstudierung PAUL HARRIS, JULIA SIMONYAN, MIHO UCHIDA Studienleitung STEVEN
MOORE Mitarbeit Choreinstudierung MARIUS ZACHMANN Bühnenbildassistenz TESSAVERONIKA JANUS, MEGAN ROLLER Kostümassistenz THERESA HELLBRÜGGE Einrichtung
Übertitel ACHIM SIEBEN, TOBY ALLEYNE-GEE Soufflage ANGELIKA PFAU Inspizienz
GABRIELLA MURARO Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER
Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor
RUDOLF BILFINGER Bühne HELGA GMEINER, EKHARD SCHEU, STEPHAN ULLRICH,
MARGIT WEBER Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der
Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton & Videotechnik HEIDRUN WEISLING-KENSY, GUNTER
ESSIG Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ
Produktionsassistenz EDUARD MOSER Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der
Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO
WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Pyrotechnik & Waffenmeister
MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER
Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE
SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF,
KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE
EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY
Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG
Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL, LAURA FELDMANN, NIKLAS KLEIBER, JUTTA
KRANTZ, MARION KLEINBUB, JESSICA MOLNAR, INKEN NAGEL, SOTIRIOS NOUTSOS
WIR DANKEN
der Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier.
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer
Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
NIEMAND KANN
DEINEN VATER
VERSOHNEN.
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Uliana Alexyuk
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LIEBE UND
KEIN FRIEDEN
ZUM INHALT
1. AKT
Alter Streit trennt die Familien der Capuleti
und der Montecchi.
Einem Aufruf ihres Oberhaupts Capellio
folgend, sind die Capuleti bei Morgengrauen zusammengekommen. Tebaldo
berichtet ihnen, dass die Montecchi im
Anmarsch sind – angeführt von Romeo,
der Capellios Sohn im Kampf getötet hat.
Capellio kündigt das baldige Eintreffen
eines Gesandten der Montecchi an, der
ihnen ein Friedensangebot machen wird.
Lorenzo rät ihm, das Angebot genau zu
prüfen. Doch Capellio ist wegen des Verlusts seines Sohnes unversöhnlich
und lehnt ab.
Tebaldo empfiehlt sich Capellio als Rächer.
Doch zuvor möchte er dessen Tochter
Giulietta zur Frau nehmen und hält beim
Vater um ihre Hand an. Capellio stimmt
kurz entschlossen zu. Die Hochzeit soll
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noch am gleichen Tag stattfinden. Er ignoriert Lorenzos Bitte um Rücksicht auf seine
Tochter und beauftragt Lorenzo, Giulietta
auf die Hochzeit vorzubereiten.
Romeo, verkleidet als sein eigener Gesandter, unterbreitet Capellio das Friedensangebot: Die Capuleti und die
Montecchi mögen sich die Macht teilen
und beide Familien herrschen. Capellio
bleibt bei seiner Ablehnung und schwört
Rache für seinen Sohn. Auch der Vorschlag einer Friedensheirat zwischen
Romeo und Giulietta findet keine Zustimmung. Als Romeo erfährt, dass Giulietta
Tebaldo versprochen ist, eskaliert die
Situation.
Die festlich gekleidete Giulietta ist voller
Verzweiflung über die bevorstehende
Hochzeit mit Tebaldo. Sie sehnt sich nach
Romeo, ihrem heimlichen Geliebten.
Lorenzo führt Romeo durch einen gehei-
men Gang zu Giulietta. Romeo möchte sie
zur Flucht überreden – ohne Erfolg:
Giulietta fühlt sich der Familienehre
verpflichtet und möchte ihre Heimat nicht
verlassen. Damit ihr Vater den Geliebten
nicht entdeckt, schickt sie ihn fort.
ähnlichen Schlaf bewirkt. Als Totgeglaubte
werde sie in der Familiengruft bestattet
werden. Lorenzo versichert ihr, dass Romeo bei ihr sein wird, wenn sie nach dem
Begräbnis wieder erwacht. Als ihr Vater
naht, trinkt Giulietta den Trank.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten im Hause
Capellios sind im vollen Gang. Der als
Capulet verkleidete Romeo mischt sich
unter die Gesellschaft. Er berichtet
Lorenzo, dass seine Leute in der Nähe und
bereit sind, die Hochzeit gewaltsam zu
unterbrechen. Als der Kampf beginnt, eilt
Romeo davon, um seinen Rivalen Tebaldo
zu stellen.
Capellio möchte seine Tochter auf die
Hochzeit mit Tebaldo vorbereiten. Giulietta
spielt ihm einen Schwächanfall vor und
prophezeit ihm ihren baldigen Tod. Capellio
misstraut Lorenzo und gibt Anweisung,
ihn festzunehmen.
In Sorge, sowohl um Familienangehörige
als auch um Romeo, wartet Giulietta auf
das Ende der Kämpfe. Romeo sucht sie auf
und drängt sie erneut zur Flucht. Capellio
und Tebaldo entdecken das Liebespaar.
Als die Montecchi den Palast stürmen,
um ihren Anführer zu befreien, gibt
Romeo sich zu erkennen.
2. AKT
Lorenzo berichtet Giulietta, dass Romeo
in Sicherheit ist. Um die auf den nächsten
Tag verschobene Hochzeit mit Tebaldo
zu verhindern, überredet Lorenzo sie zu
einem riskanten Plan: Giulietta soll einen
Trank einnehmen, welcher einen todes-
Während Romeo auf Lorenzo wartet, der
nicht zu dem vereinbarten Treffpunkt
kommt, begegnet er seinem Rivalen
Tebaldo. Im Streit kommt es zwischen den
beiden fast zum Kampf. Doch sie werden
von Giuliettas Trauerzug unterbrochen.
Romeo geht zu Giuliettas Grab. Um mit
seiner Geliebten im Tod vereint zu sein,
trinkt er Gift.
Giulietta erwacht. Romeo erfährt von ihrem
Plan und dass Lorenzo ihn über Giuliettas
vorgetäuschten Tod informieren sollte.
Doch es ist zu spät: Das Gift wirkt bereits.
Romeo stirbt. Giulietta folgt ihm nach.
Capellio und die Capuleti entdecken die
Toten. Capellio wird von Lorenzo und
seinen Untergegebenen für die Tragödie
verantwortlich gemacht.
Folgeseiten Lucia Lucas, Herren des Staatsopernchors, Eleazar Rodriguez & Dilara Baştar
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DIE
GESCHICHTE
EINER
LIEBESGESCHICHTE
ZUM STÜCK
Der Titel I Capuleti e i Montecchi, Vincenzo
Bellinis sechste Oper, 1830 auf einen Text
von Felice Romani komponiert, ist zugegebenermaßen sperrig und fremd. Dahinter
verbirgt sich jedoch nichts anderes als die
wahrscheinlich berühmteste Liebesgeschichte der Welt: die Tragödie von Romeo
und Julia, oder besser gesagt von Romeo
e Giulietta, schließlich handelt es sich um
eine italienische Oper. Romeo und Julia?
Das ist doch von Shakespeare! Was nahe
liegt, muss noch lange nicht zutreffen.
Auch wenn unter anderen ein so renommiertes Lexikon wie die sechsbändige
Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters
William Shakespeares Tragödie als Vorlage für das Opernlibretto angibt, ist dies
mittlerweile widerlegt. Selbstverständlich
handelt auch Bellinis Tragedia lirica von
einer Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die zwei verfeindeten Familien
angehören und nach einer tragischen
Verkettung von Ereignissen in den gemeinsamen Tod gehen. Doch mit Ausnahme
dieser Grundsituation hat die Oper mit dem
elisabethanischen Drama wenig gemein
und ist ein eigenständiges Werk.
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Die Unterschiede zu Shakespeare sind
zahlreich und wesentlich: Lernen Romeo
und Julia sich im 1. Akt des Schauspiels
auf einem Ball im Hause Capulets erst
kennen, so sind sie in der Oper schon seit
unbestimmter Zeit ein heimliches und
unglückliches Liebespaar, ohne dass ihre
Vorgeschichte in irgendeiner Form thematisiert wird. Im Gegensatz zu Shakespeare
spannt der Librettist Romani also keinen
Bogen vom Beginn zum Ende der Liebesbeziehung, sondern fokussiert auf das
tragische Ende. Weitere Szenen, die in
Shakespeares Tragödie eine zentrale Rolle
spielen und in denen zumindest ein kurzfristiges Liebesglück erzählt wird, wie die
heimliche Hochzeit durch Pater Lorenzo
oder auch die daran anschließende Liebesnacht samt Nachtigall bzw. Lerche, fehlen
in der Oper. In diesem Zusammenhang fällt
auf, dass es bei Bellini bzw. Romani ganz
grundsätzlich weder längere Momente
ungestörten und ungetrübten Liebesglücks
noch komödiantische oder burleske Handlungselemente gibt, wie sie bei Shakespeare mit den Figuren von Mercutio und
Amme verknüpft sind. Beide kommen in
der Oper ebenso wenig vor wie Giuliettas
Mutter und Graf Paris, Giuliettas Verehrer.
Dafür ist Tybalt, der bei Romani/Bellini
Tebaldo heißt, in der Oper nicht Giuliettas
Neffe, sondern der Wunschschwiegersohn
von Vater Capellio. Und zuletzt unterscheiden sich auch die Schlüsse grundlegend:
Der Tod des Liebespaares hat im Schauspiel immerhin den positiven Effekt, dass
zwischen den beiden verfeindeten Familien Frieden geschlossen wird und nach
langen Fehdejahren Versöhnung einkehrt.
Romanis Dramaturgie ist in diesem Punkt
um einiges pessimistischer: Die Oper
endet damit, dass Lorenzo und die Capuleti
ihren Anführer Capellio für die Tragödie
verantwortlich machen. Die Feindschaft
bleibt bestehen. Mehr noch: Der Konflikt
wendet sich in den letzten Sekunden der
Oper nach innen und entzweit die Capuleti
und ihren Anführer. Das unversöhnliche
Opernfinale fällt insofern besonders ins
Gewicht, als durch Romeos Friedensangebot bereits zu Beginn der Oper ein positiver Ausgang in greifbarer Nähe liegt.
So einig sich die Interpreten in dem Befund sind, dass Bellini und Romani nichts
mit Shakespeare gemein haben und sie
seine Fassung möglicherweise nicht einmal kannten, so uneins ist man sich in der
Bestimmung ihrer Vorlage, was angesichts
der langen und verschlungenen Geschichte des Romeo-und-Julia-Stoffs nicht
wundert, die wie viele berühmte Stoffe
in die Antike und die italienische Renaissance zurückreicht. Ein aus ähnlichen
Gründen unglückliches Liebespaar findet
sich bereits in Ovids Metamorphosen, wo
sich Pyramus und Thisbe im 4. Buch zur
Flucht entschließen, um ihren benachbarten und doch zerstrittenen Elternhäusern
zu entkommen. Auch ihrer Liebe ist kein
Glück vergönnt. Pyramus findet den blut-
verschmierten Schleier seiner Geliebten.
In der fälschlichen Annahme, Thisbe sei
von einem wilden Tier getötet worden,
erdolcht er sich. Als Thisbe den Toten
entdeckt, erdolcht sie sich ebenfalls.
In der Novellenliteratur der Renaissance
kehrt das Motiv der durch familiäre Umstände verhinderten Liebe und des zweifachen Selbsttötung mehrfach wieder.
Während die Liebenden in Il Novellino,
einer Novellensammlung von Masuccio
Salernitano von 1476, noch Mariotto und
Giannozza heißen und die Handlung in Siena verortet ist, verwendet Luigi da Porto
in seiner 1535 posthum in Venedig veröffentlichten Istoria novellamente ritrovata
di due nobili amanti (Die neu entdeckte
Geschichte von zwei adeligen Liebenden)
für das Liebespaar erstmalig die Namen
Romeo und Giulietta. Er ist es auch, der die
Tragödie des jungen Liebespaares mit der
Feindschaft der Veroneser Familien der
Montecchi und Cappelletti verknüpft, die
sich bereits in Dantes Divina Comedia aus
dem frühen 14. Jahrhundert, im 6. Gesang
des Fegefeuers bis aufs Blut bekämpfen,
ohne dass ein Liebespaar dadurch in den
Tod getrieben wird. Bei da Porto finden
sich auch erstmalig die Ballszene und
die Balkonszene als zentrale Handlungsmomente. Die heimliche Eheschließung,
die List mit dem Schlaftrunk, Giuliettas
„Begräbnis“ sowie das Motiv der nicht
erhaltenen Nachricht, die Romeo über den
vorgetäuschten Tod aufklären hätte sollen,
gehen wiederum auf die ältere Vorlage von
Salernitano zurück.
Eine weitere Entwicklungsstufe erreicht
der Stoff bei Matteo Bandello, dem bedeutenden Dichtermönch der Renaissance,
der weitere Figuren hinzuerfand und seine
Fassung 1554 in einer 4-bändigen Novel9
lensammlung unter dem Titel La sfortunata
morte di due infelicissimi amanti (Der
tragische Tod zweier unglücklicher
Liebender) veröffentlichte.
Erst durch Übertragungen der BandelloVersion ins Französische gelangte der
Stoff nach England, wo Arthur Brooke
1562 mit seinem weit verbreiteten Gedicht
The tragicall history of Romeus and Juliet
die Vorlage für Shakespeares Dramatisierung schuf, der daraus etwa 35 Jahre
später zum Teil wörtlich übernahm. Durch
englische Wanderschauspieler verbreitete
sich die Bühnenfassung europaweit und
wurde spätestens mit den Übersetzungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts
die vorherrschende Version, die andere,
auch ihre nicht dramatischen Vorformen
verdrängte.
Von Romani und Bellini ist wie erwähnt
nicht überliefert, ob sie Shakespeares
Schauspiel, das erstmals 1814 durch
Michele Leoni ins Italienische übersetzt
wurde, in irgendeiner Form kannten.
Romanis Witwe berichtet, dass ihrem
Mann Bandellos Novelle als Vorlage gedient habe, was sich inhaltlich nicht halten
lässt. Romani, der Bandello nicht erwähnt,
verweist stattdessen auf ein Opernlibretto, das Giuseppe Foppa 1796 für eine
frühe Romeo-und-Julia-Oper von Bellinis
Kompositionslehrer Niccolò Zingarelli
verfasste. Doch auch in diesem Fall sind
grundlegende Abweichungen festzustellen. Aufgrund eines nahezu identischen
Handlungsverlaufs halten heute die meisten Interpreten Luigi Scevolas Schauspiel
Giulietta e Romeo aus dem Jahr 1818 und
Antonio Cherubinis Handlungsballett
Le tombe di Verona (Die Gräber von Verona) von 1823 für die maßgeblichen Vorlagen von Romanis Operntext.
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Felice Romani ist neben Apostolo Zeno und
Pietro Metastasio einer der wichtigsten
italienischen Librettisten und hat die Entwicklung der italienischen romantischen
Oper mit seinen über 50 Libretti grundlegend geprägt. Ihn verband nicht nur eine
langjährige Zusammenarbeit mit Bellini,
sondern er verfasste auch die Operntexte
für Rossini, Donizetti, Verdi und Meyerbeer. Sein in einem manieriert-eleganten
und historisierenden Italienisch verfasster
Romeo-Text wurde gleich zweimal für die
Opernbühne vertont: 1825 zunächst für
Mailand von Nicola Vaccaj und fünf Jahre
später mit etlichen Veränderungen von
Bellini für Venedig. Vergleicht man beide
Vertonungen des Romani-Textes treten
weitere Aspekte zutage, die den besonderen dramaturgischen Zugriff von Bellini
auf den Romeo-Stoff verdeutlichen. Ein
erster offenkundiger Unterschied ist der
abweichende Werktitel, mit dem Bellini
sich zum einen von anderen Vertonungen
absetzt, zum anderen die Aufmerksamkeit
auf die sozialen Umstände lenkt, die das
Drama bedingen. Darüber hinaus ändert
Bellini in enger Zusammenarbeit mit
Romani – die beiden teilen sich in Venedig
eine Wohnung – und unter Beibehaltung
der meisten Texte die Nummernstruktur:
die Anzahl der Szenen wird von zwölf auf
neun reduziert, von ursprünglich fünf Ensemblenummern bleiben noch zwei Duette
übrig, dafür wird die Anzahl der Soloarien
von drei auf vier erhöht. Die Folge dieser
Umgewichtung ist ein stärkerer Fokus auf
die individuelle Situation der Protagonisten und eine emotionale Verdichtung der
Handlung, die Bellini musikalisch nah am
Text ausgestaltet. Bellinis Figuren sind
durch ihre Leidenschaften charakterisiert,
für die Bellini weitschweifende Gesangslinien findet, die für ihn später zum Markenzeichen werden sollen.
Dilara Baştar & Uliana Alexyuk
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Yang Xu & Uliana Alexyuk
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ZEITTAFEL
1801 Vincenzo Bellini wird am 3. November im sizilianischen Catania als erstes von
sieben Kindern geboren. Sein Vater und Großvater sind Kirchenmusiker.
ca. 1807 Bellini verfasst seine erste Komposition: Gallus cantavit. Weitere geistliche
Frühwerke sind ab 1810 belegt.
1819
Ein Stipendium seiner Heimatstadt ermöglicht es dem 18-Jährigen, am Königlichen Collegio di Musica di San Sebastiano in Neapel zu studieren. Zu seinen
Lehrern gehört der Opernkomponist Nicola Zingarelli, der 1796 mit Giulietta e
Romeo eine frühe Opernadaption des Romeo-Stoffes komponiert hat.
1824
Mit der Romanze Dolente immagine di Fille mia erscheint erstmals eine Komposition Bellinis im Druck.
1825
Zum Abschluss seines Studiums präsentiert Bellini im Februar am Konservatorium in Neapel sein erstes Bühnenwerk: die unter seinen Kommilitonen beliebte
und mehrfach gespielte Opera semiseria Adelson e Salvini. Aufgrund des Erfolges beauftragt der einflussreiche Opernimpresario Domenico Barbaja Bellini
mit einer Oper für das Teatro San Carlo in Neapel. Aus seinem Opernerstling
verwendet er fünf Jahre später die Arie der Nelly „Dopo l’oscuro nembo“ für
die Romanze der Giulietta „Oh quante volte“ in I Capuleti e i Montecchi.
Am 31. Oktober wird in Mailand die Oper Giulietta e Romeo von Nicola Vaccaj
uraufgeführt. Das Libretto stammt von Felice Romani, einem der bedeutendsten italienischen Librettisten der Zeit, der die Texte für Opern von Rossini,
Donizetti, Meyerbeer und ab 1827 auch für Bellini verfasst.
1826
Bellinis zweite Oper Bianca e Fernando wird am 30. Mai in Neapel erfolgreich
uraufgeführt. Barbaja vermittelt Bellini einen weiteren Kompositionsauftrag,
diesmal für die Mailänder Scala. Bis zu seinem Lebensende verdient Bellini
seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit lukrativen Opernaufträgen, Tantiemen und Honoraren für Neueinstudierungen, ohne je ein offizielles Amt
beispielsweise als Kapellmeister oder Dozent zu bekleiden.
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1827
Die Uraufführung von Bellinis dritter Oper Il pirata am 27. Oktober an der
Scala wird ein außergewöhnlich großer Erfolg und macht den Komponisten im
Ausland bekannt. Es ist die erste Oper, bei der Bellini mit dem berühmten Librettisten Felice Romani zusammenarbeitet. Mit Ausnahme seiner letzten Oper
I puritani arbeitet Bellini von diesem Zeitpunkt an ausschließlich mit Romani
zusammen.
1827– 1833 Bellinis Hauptwohnsitz ist Mailand, wo er jedes Jahr eine neue Oper komponiert: Il pirata folgen La straniera für Mailand, Zaira für Parma, I Capuleti e i
Montecchi für La Fenice in Venedig, La sonnambula für das Teatro Carcano in
Mailand, Norma für die Mailänder Scala und Beatrice di Tenda erneut für La
Fenice.
1829
Zaira, auf einen Stoff von Voltaire, wird am 16. Mai zur Eröffnung des Teatro
Ducale in Parma uraufgeführt. Die Oper ist Bellinis einziger wirklicher Misserfolg. Er übernimmt einige Nummer daraus in seine nächste Oper I Capuleti
e i Montecchi.
Im Dezember reist Bellini nach Venedig, um sein Erfolgswerk Il pirata für eine
Aufführungsserie an La Fenice zu überarbeiten.
1830
Da die Uraufführung einer Oper von Giovanni Pacini an Venedigs Opernhaus
nicht zustande kommt, erhält Bellini am 19. Januar von La Fenice kurzfristig den
Auftrag für ein neues Werk. Einen Tag später macht er sich mit dem Librettisten Felice Romani an die Arbeit. Innerhalb von sechs Wochen, ein für Bellini
ungewöhnlich kurzer Zeitraum, entsteht in ihrer gemeinsamen Wohnung
I Capuleti e i Montecchi. Aufgrund der zeitlich engen Situation entscheidet
man sich dafür, auf Romanis Libretto für Vaccajs Giulietta e Romeo von 1825
zurückzugreifen und dieses umzuarbeiten. Bellini verwendet Musik aus insgesamt elf Nummern aus seinen früheren Opern Zaira und Adelson e Salvini.
Am 11. März findet die erfolgreiche Premiere von I Capuleti e i Montecchi in
Venedigs La Fenice statt. In den Hauptpartien glänzen Rosalbina Caradori15
Allan als Giulietta und Giuditta Grisi als Romeo. Neben Maria Malibran ist
Giuditta Grisi der Romeo der nächsten Jahre und macht das beliebte Werk
international bekannt. Auf Maria Malibran geht die spätere Aufführungstradition zurück, Bellinis Capuleti-Finale durch das Finale von Vaccajs Romeo-Oper
zu ersetzen, welches eine zusätzliche Arie für Giulietta enthält.
1832
Während der Arbeit an Bellinis vorletzter Oper Beatrice di Tenda kommt es zu
einem teilweise in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streit mit Romani, der das
erfolgreiche Team entzweit.
1833
Wegen des Streits wird die ursprünglich für den Februar vorgesehene Premiere von Beatrice di Tenda an La Fenice auf den 16. März 1833 verlegt.
Bellini reist im April über Paris nach London, um an verschiedenen Theatern
der Stadt Aufführungen von Il pirata, I Capuleti e i Montecchi und Norma
vorzubereiten.
Im August reist Bellini nach Paris, wo er Aufführungen u. a. von Il pirata und
I Capuleti e i Montecchi am Théâtre Italien betreut.
1834/35 Für das Pariser Théâtre Italien entsteht Bellinis letzte Oper I puritani. Das
Libretto stammt diesmal von Carlo Pepoli. Die Premiere am 24. Januar 1835
ist ein Triumph.
Bellini wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Am 23. September stirbt Bellini mit 33 Jahren in Puteaux bei Paris auf einem
Landsitz eines Freundes. Die Todesursache ist wahrscheinlich eine langjährige
Amöbeninfektion.
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Uliana Alexyuk & Dilara Baştar
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Herren des Staatsopernchors, Dilara Baştar & Uliana Alexyuk
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BELCANTO
GLOSSAR
Agilità (dt. Gewandtheit, Wendigkeit)
Beweglichkeit der Stimme im virtuosen
Koloraturgesang.
Appoggiatura → Vorschlag
Belcanto (dt. schöner Gesang) Mehrdeutiger Begriff, der unterschiedliche Phänomene der Vokalmusik beschreibt und
sich sowohl auf einen Kompositionsstil
als auch auf eine Gesangstechnik bezieht.
Ursprünglich erstreckte sich der Begriff
auf die italienische Operntradition des
18. und des frühen 19. Jahrhunderts. Im
engeren Sinne bezeichnet der Begriff den
romantischen Belcanto der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts, insbesondere die
ernsten Opern von Rossini, Bellini, Donizetti und des frühen Verdi. Zu den charakteristischen Merkmalen dieses Stil gehört
der Primat des Gesangs, dessen Schönheit
und Ausdruck oberste Priorität hat.
Cabaletta Ursprünglich eine kurze, strophisch gegliederte Arie (vgl. → Cavatina).
In der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts ist die Cabaletta der virtuose letzte
Teil einer mehrsätzigen Arie oder eines
mehrsätzigen Duetts. Der schnelle und
schwungvolle Duktus, der zum Ende der
Cabaletta in der Stretta gesteigert wird,
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löst den Beifall des Publikums aus. Diese
als „Solita forma“ bezeichnete Arienform
wurde von Rossini geprägt und in den
Opern von Bellini und Donizetti zum formalen Standard. Ein Beispiel für eine seltene
langsame Cabaletta ist der zweite Teil von
Giuliettas Arie „Morte io non temo“ im
2. Akt von I Capuleti e i Montecchi.
Cantabile Vortragsanweisung in der Instrumentalmusik, eine Melodie gesanglich
und → legato zu spielen. In der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff den ersten langsamen
Teil einer zweisätzigen Arie oder eines
zweisätzigen Duetts, an den die → Cabaletta anschließt.
Canto fiorito oder Stile fiorito (dt. geblümter Gesang oder Stil) Gesangsästhetik des
Barock und des romantischen → Belcanto
mit vielen → Melismen und → Verzierungen (Fiorituren).
Canto spianato (dt. breiter Gesang)
Schlichter, meist langsamer Gesang im
→ Legato mit nur wenigen → Verzierungen. Ein Stil, der insbesondere bei Bellini
zu finden ist, z. B. in Norma („Casta diva“)
oder in Giuliettas → Romanze in I Capuleti
e i Montecchi „Oh quante volte“.
Cavatina Kurze und schlichte zweiteilige
Arie in der Oper des 18. Jahrhunderts;
ab 1820 auch als Bezeichnung für eine Auftrittsarie gebräuchlich, wie beispielsweise
für die drei aufeinanderfolgenden Auftrittsarien von Tebaldo, Romeo und Giulietta im
1. Akt von I Capuleti e i Montecchi.
Cercar la nota (dt. den Ton suchen) Ansingen einer Silbe auf einem Ton, der unter
dem notierten liegt. Im Gegensatz zum
→ Portamento wird das „Schleifen“ erst
nach der Artikulation der Silbe ausgeführt.
Dolcezza (dt. Süße) Bezeichnet eine weiche und besonders lyrische Tongebung,
wie sie vor allem bei Bellini angewendet
wird.
Fioritur → Verzierung.
Improvisation Form des Musizierens, bei
der nach bestimmten thematischen, harmonischen oder rhythmischen Rahmenvorgaben spontan, d. h. im Moment der
musikalischen Darbietung, erfunden wird.
In der Oper werden bis ins frühe 19. Jahrhundert vor allem der Dacapo-Teil einer
barocken Arie, → Kadenzen und → Verzierungen vom Sänger frei gestaltet.
Schlussteil einer Arie, häufig am Ende des
→ Cantabile.
Legato (dt. gebunden) Akzentfreie Anbindung von Tönen durch den Sänger, wobei
die Töne trotzdem voneinander abgegrenzt
sind und nicht „angeschliffen“ werden
(vgl. → Portamento). Der daraus resultierende Melodiefluss ist Ideal und grundlegendes Vortragsprinzip des → Belcanto.
Der Legato-Linie werden zur Steigerung
des dramatischen Ausdrucks → Verzierungen und andere Gestaltungsmittel hinzugefügt.
Melisma Mehrere Töne, die auf einer Textsilbe bzw. einem Vokal gesungen werden
(vgl. → syllabisch).
Messa di voce Kunst, einen langgezogenen gesungenen Ton im pianissimo
beginnen zu lassen, ihn gleichmäßig und
ohne Atem zu holen anschwellen zu lassen
und wieder zur Ausgangsdynamik zurückzukehren. Solch ein Schwellton kann mit
oder ohne → Vibrato ausgeführt werden.
Der erste Ton von Giuliettas Auftrittsrezitativ „Eccomi in lieta vesta“ in I Capuleti
e i Montecchi wird traditionell durch ein
Messa di voce belebt und hervorgehoben.
Kadenz Bezeichnet in der Harmonielehre
eine Schlusswendung; im Solokonzert
und in der italienischen Opernarie eine
eingeschobene → improvisierte oder komponierte und vom Orchester meist nicht
begleitete Schlusspassage, bei der der
Instrumentalist oder Sänger seine Kunstfertigkeit vorführt.
Morbidezza (dt. Weichheit, Zartheit)
Schmerzliche Einfärbung des Stimmklangs.
Kantilene Langgezogene Melodielinie mit
fließendem Duktus.
Piangendo (dt. weinend) Stilisierte Nachahmung des Weinens. Im Gegensatz zu
einem längeren realistischen Schluchzen
im Verismo wird Weinen im → Belcanto
Kadenz Freigestalteter, → improvisierter
Morendo Schwächer werdender, im
Pianissimo ersterbender Ton bzw. Tonsequenz, vgl. Romeos Tod im 2. Akt von
I Capuleti e i Montecchi.
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einmalig durch den abrupten Verschluss
der Stimmlippen mit anschließender Explosion der Atemluft (Glottisschlag) wirkungsvoll angedeutet.
Portamento (von portare la voce, dt. die
Stimme tragen) Gleitende Verbindung
zweier Töne bzw. das Anschleifen eines
Tones von unten.
Romanze Einfacher Liedtyp spanischen
Ursprungs; in Frankreich später auch
musikalisches Genre, das in Strophen gegliedert ist. Ab dem 18. Jahrhundert finden
sich Romanzen auch in der französischen
Opéra comique und im deutschen Singspiel. In der italienischen Operntradition
bezeichnet der Begriff eine kurze, langsame strophische Arie, wie beispielsweise
Giuliettas Auftrittsarie „Oh quante volte“
in I Capuleti e i Montecchi.
Rubato (von Tempo rubato, dt. gestohlene Zeit) Kurzfristige Verzögerung oder
Beschleunigung des musikalischen Vortrags im Rahmen eines gleich bleibenden
Grundtempos.
Stimmfarbe Zur Gestaltung des Ausdrucks
wird die Stimme vor allem im BelcantoGesang auf unterschiedliche Weise
gefärbt. Möglich sind beispielsweise eine
dunkle oder helle Klanggebung („voce scura“ und „voce chiara“) bzw. der effektvolle
Wechsel („chiaroscuro“), die zitternde
Stimme („voce fremente“) oder der geflüsterte Gesang („sotto voce“).
Sospirando (dt. seufzend) Stilisierte Nachahmung eines Seufzers durch ein hörbares
Aushauchen am Beginn oder Ende einer
musikalischen Phrase.
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Syllabischer Gesang Gesang, bei dem
jeder Textsilbe ein Ton zugeordnet ist.
Tremolo Schnelle, zitternde Wiederholung
eines Tons.
Triller Schneller Wechsel von einer Note
mit oberer Nebennote, mit dem ein Ton
→ verziert wird und der Sänger hohe
Stimmfertigkeit demonstriert.
Verzierung Ausschmückung bzw. Umspielung einer Melodie, durch die ein einzelner
Ton hervorgehoben oder der Affekt gesteigert wird. Die Verzierung kann mittels
kleiner Zeichen in den Noten fixiert sein,
kann aber auch im Rahmen bestimmter
Konventionen vom Sänger frei ausgeführt,
d. h. → improvisiert, werden. Von großer
Wichtigkeit ist der genau dosierte, geschmackvolle und nicht zu häufige Einsatz
einzelner Verzierungen und Ausdrucksmittel, wie beispielsweise des → Portamento.
Vibrar la voce Mehrfache Wiederholung
eines Tons, legato, ohne dass dazwischen
Pausen entstehen, z. B. in der Arie „Casta
diva“ aus Bellinis Norma.
Vibrato Gezielt eingesetzte Tonhöhenschwankung in der Instrumental- und
Vokalmusik. Im Gegensatz zum „Dauervibrato“ des 20. Jahrhunderts, früher nur
vereinzelt als Ausdrucksmittel eingesetzt,
um bestimmte Töne hervorzuheben und sie
zu beleben.
Vorschlag Ein Ton oder mehrere Töne, die
als → Verzierung vor und oberhalb eines
Haupttons einer Melodie eingefügt werden. Der Vorschlagston wird im Notentext
mit einer kleinen Nebennote angegeben.
Yang Xu, Dilara Baştar & Uliana Alexyuk
23
24
Uliana Alexyuk, Eleazar Rodriguez & Herren des Staatsopernchors
25
WENIGER
IST
ZUR MUSIK
MEHR
Kapellmeister Daniele Squeo im Gespräch
mit Produktionsdramaturg Raphael Rösler
Was ist das Besondere des BelcantoStils?
Der romantische Belcanto ist ein ureigenes italienisches Kulturgut und Kern
der italienischen Operntradition. Zwar
hat auch die Opera seria ihre Wurzeln in
Italien, sie ist jedoch insofern international, als auch nicht italienischstämmige
Komponisten wie Händel oder Mozart
Opern in diesem Stil geschrieben haben.
Die Werke der berühmten Belcanto-Trias
Rossini, Bellini und Donizetti hingegen sind
einzigartig und uritalienisch. Und außerdem waren sie von großem Einfluss für
die weitere Entwicklung der italienischen
Oper bei Verdi und Puccini.
Was unterscheidet Bellini von Zeitgenossen, wie z. B. Rossini?
Ähnlich wie die Barockoper steht auch
Rossinis Ästhetik im Zeichen eines
Starkults um die Sänger, die bei ihren
26
Auftritten ein virtuoses Feuerwerk abbrannten und das Publikum mit kunstvoller
Gesangsakrobatik begeisterten. Bellini
hingegen emanzipiert sich zunehmend von
diesem virtuosen Koloraturstil und lotet
mit weniger verzierten und unvergleichlich
schönen Kantilenen die Gefühlswelt seiner
Figuren aus. Man hat als Zuhörer den
Eindruck, dass die Sänger bzw. die Figuren
in ihren langen Melodien nach dem perfekten musikalischen Ausdruck für einen
bestimmten Affekt suchen. Dieser tastende, suchende Gesangsstil trifft mit seiner
großen Emotionalität unmittelbar ins Herz.
Hinzu kommt, dass wir bei Rossini noch
nicht die enge Verbindung zwischen Wort
und Musik haben, wie wir sie später bei
Bellini finden. Er deutet den Inhalt textnah
und auf vergleichsweise realistische
Art aus, so zum Beispiel Romeos Tod in
I Capuleti e i Montecchi. Und letztlich
hat Bellini ganz andere Stoffe vertont als
Rossini, der eher ein Komponist von komischen Buffo-Opern war.
Das Sterben und der Tod sind ein beliebter Topos der Oper. Du hast Romeos Tod
angesprochen. Wie hat Bellini sein Ende
vertont?
Die Sterbeszene am Ende der Oper ist eine
meiner Lieblingsstellen. Bei Bellini geht
der Tod nicht mit virtuosem Koloraturgesang oder großem Orchesterklang einher,
sondern mit einer ganz unspektakulären
Musik. Bellini fährt die Orchesterbegleitung bis auf die Streicher zurück und
komponiert ein langgezogenes Morendo
(s. S. 20). Über dem kargen Orchestersatz
singt Romeo eine schlichte Melodie, die
zunehmend stockt und letztlich in der
Mitte eines Wortes abbricht. Das ist sehr
schlicht, ohne vokalen oder orchestralen Pomp, hat aber einen großen Effekt.
Vergleicht man dieses Ende mit dem
musikalisch ähnlich konzipierten Tod von
Mimì in Puccinis La Bohème, fällt auf, wie
fortschrittlich Bellini ist. Mein Ziel ist es,
zusammen mit den Orchestermusikern und
den Sängern dieses Morendo so perfekt
wie möglich zu gestalten. Ich wünsche mir,
dass die Melodie mit Romeos letztem Ton
ins Nichts geht.
Der renommierte Spezialist für BelcantoGesang Peter Berne rät dazu, bei Bellini
nur wenig zu verzieren – im Unterschied
zu anderen Komponisten, wo man großzügiger dosieren könne.
Ganz richtig: Bei Bellini ist weniger mehr.
In den Proben haben wir oft diskutiert,
wo man eine Verzierung oder eine Kadenz
einfügt oder wo nicht. Letztlich haben wir
uns in vielen Fällen dagegen entschieden.
Die schlichte Schönheit seiner Melodien
ist Bellinis Stärke. Da kann eine Verzierung
schnell stören. Es lohnt sich sehr, sich
sowohl als Sänger als auch als Zuhörer auf
diesen reduzierten Stil einzulassen: Es gibt
viel zu entdecken.
Richard Wagner schreibt bezüglich Bellini
von „wirklicher Passion und Gefühl“, die
einen hinreißen. Ansonsten hat Wagner
wenig Lob für ihn übrig. Warum?
Wagner kommt aus einer anderen Zeit
mit einem anderen Geschmack. Für ihn
waren Orchestration, Klangfarben und
Harmonien von zentraler Bedeutung, für
Bellini hingegen war es die Gesangsmelodie. Auch wenn man Bellinis schlichten
Orchestersatz nicht mit Wagners Klangfarbenreichtum vergleichen kann, setzt
Bellini einzelne dezente Akzente, die bei
seiner reduzierten Orchesterbehandlung
umso stärker ins Gewicht fallen. Beispielsweise markiert er den Moment, in
dem sich Romeo und Giulietta zum ersten
Mal auf der Bühne begegnen, mit einem
Paukenwirbel – nur ein einzelner, dezenter
instrumentaler Pinselstrich, der herausragt. Eine weitere Spezialität hinsichtlich
der Orchesterbehandlung ist, wenn Bellini
Szenen und Situationen ein Soloinstrument zuordnet. Das gibt es natürlich auch
bei Händel, hier aber eher in Form eines
virtuosen Wettstreits zwischen Soloinstrument und Sänger. Das bekannteste
Beispiel in I Capuleti ist vielleicht die Einleitung zu Giuliettas Auftrittsarie, die vom
Horn begleitet wird. Hier wird auf wunderbare Weise der emotionale Zustand einer
Figur zu Gehör gebracht. Die Orchesterbegleitung strahlt eine tiefe innere Ruhe aus
und bereitet den Weg für eine Giulietta, die
tieftraurig, fast resigniert ist. Ein weiteres
Beispiel für diesen dezenten Instrumentationsstil finden wir in der Orchestereinleitung zum 2. Akt: Mit einem zauberhaften
Cello-Solo antizipiert Bellini Giuliettas
Auftritt, die ängstlich auf das Ergebnis der
Schlacht wartet. Dergleichen bei Romeos
„Deserto il luogo“, dessen Gesang von
einer Solo-Klarinette imitiert wird.
27
Mit welchen Mitteln werden die Figuren
charakterisiert?
Bellini hat nur für Tebaldo, Romeo und
Giulietta, die drei liebenden Figuren,
Arien vorgesehen. Giulietta ist wie erwähnt durch eine resignativ wirkende innere Ruhe gekennzeichnet, aus der sie nur
selten ausbricht. Sie ist eine stille Heldin,
keine Heroine wie bei Verdi. Ihre Musik
bildet im großen Duett im 1. Akt einen
starken Gegenpol zu Romeos Musik, die
sehr impulsiv ist. Die heroische Cabaletta
seiner Auftrittsarie ist durch die scharfen
Punktierungen betont rhythmisch. Außerdem sind seine Nummern lauter orchestriert. Romeos Musik wird erst gegen Ende
zart und zerbrechlich. Tebaldo hingegen ist
musikalisch grundsätzlich ruhiger gezeichnet. Seine Auftrittsarie, in der er Capellio
in Gegenwart aller Capuleti seine Rache
anbietet und gleichzeitig um Giuliettas
Hand anhält, fließt erstaunlich schwelgerisch dahin.
Welche weiteren musikalischen Besonderheiten gibt es in dieser Oper?
Bellini hat hier aus praktischen Gründen
noch einmal eine Hosenrolle komponiert,
was er später nicht mehr gemacht hat.
Bellini erzählt uns die unglückliche Liebe
zweier junger Menschen mit zwei Frauenstimmen: einem Sopran und einem
Mezzosopran. Nun sind Hosenrollen in der
Oper nichts Außergewöhnliches, doch in
diesem Fall ergeben sich daraus musikalisch einige Besonderheiten. Diese Rollendisposition hat zum einen den Effekt, dass
die Stimmen des Liebespaares wunderbar
harmonisieren. Zum anderen sind es die
beiden einzigen Frauenstimmen in der
Oper. Sie bilden einen starken Kontrast zur
kämpferischen Männerwelt. Am deutlichs28
ten tritt das im Quintett des ersten Finales
zutage, wo sich der Gesang von Giulietta
und Romeo klar von den tieferen Männerstimmen absetzen. Claudio Abbado hat Romeo einmal mit einem Tenor besetzt. Das
ist sicherlich interessant, doch zum einen
hat man hier nicht den gerade beschriebenen Effekt, zum anderen funktioniert
dann das Duett im 2. Akt zwischen Tebaldo
und Romeo nicht gut, da man es mit zwei
Tenören zu tun hat.
Im Finale des 1. Akts gibt es für Giulietta
eine interessante Vortragsanweisung
„con espansione d’anima“. Was hat Bellini damit beabsichtigt?
Man kann das ungefähr mit Ausdehnung
oder besser Überschwänglichkeit der
Seele übersetzen. Bellinis erklärte Absicht
war es, das Publikum zu Tränen zu rühren
und durch Gesang sterben zu lassen, das
hat er zumindest an Carlo Pepoli, den
Librettisten von I puritani, geschrieben. Er
wollte mit dieser Anweisung den Sängern
zu größtem Ausdruck und emotionalen
Überschwang anhalten, um in das Herz
des Zuhörers vorzudringen.
Und wie gelingt das?
Man braucht einen guten Geschmack
und absolute Stimmbeherrschung, um
die vielen Ausdrucksmittel des Belcanto
wie Messa di voce, Cercar la nota oder
Piangendo gekonnt umzusetzen. Das ist
eine ungleich größere Herausforderung als
eine noch so virtuose Koloratur. Bellinis
Musik ist wie Haute Cuisine: klein und fein
mit wohldosierten Aromen. Sie erschlägt
nicht, sie berührt.
Lucia Lucas, Herren des Staatsopernchors & UIiana Alexyuk
29
MACHT &
OHNMACHT
ZUR INSZENIERUNG
Die tragische Liebesgeschichte von Romeo
und Julia – oder wie es im italienischen
Original heißt: von Romeo und Giulietta
– wird seit Jahrhunderten auf der Theaterund Opernbühne oder im Film neu erzählt.
Ihre Tragik – und das ist es, was uns als
Zuschauer auch heute noch berührt und
was diese zeitlose Geschichte so erzählenswert macht – liegt in der Unmöglichkeit dieser Liebe. In den meisten Versionen
des berühmten Stoffes – insbesondere in
der Opernfassung von Felice Romani und
Vincenzo Bellini – geben zwei Aspekte den
Ausschlag und verurteilen ihre Liebe zum
Scheitern: Macht und Zeit.
Es ist der Machtkampf zwischen den
beiden Clans der Capuleti und der Montecchi, der die Liebesbeziehung belastet
und der bei Bellini allein durch den Titel
besonderes Gewicht erhält. Die Frage, wer
das Zepter in der Hand hält, hat zwischen
den beiden Familien einen tiefen Graben
gerissen – einen Graben, in dem Romeo
und Giulietta schließlich den Tod finden.
Die Auseinandersetzungen dauern seit
Jahrzehnten an und haben, wie wir am
30
Beispiel von Capellio sehen, zu Verletzungen geführt, die nicht überwunden
werden können. Dieser verlustreichen und
traumatisierenden Auseinandersetzung
sind die Liebenden hilf- und machtlos
ausgeliefert. Das beste Beispiel dafür ist
Romeos Friedensinitiative zu Beginn der
Oper, die dem Blutvergießen ein Ende
bereiten könnte: Sie wird abgelehnt und
der Kampf geht weiter. Es ist die beklemmende Machtlosigkeit des Individuums
gegenüber der eigenen Abstammung,
gegenüber der Gesellschaft und ihren
Regeln und gegenüber der Geschichte, der
man nicht entkommen kann. Die Enge des
Systems führt dazu, dass Lorenzo keinen
anderen Ausweg weiß und Giulietta dazu
überredet, einen Schlaftrunk einzunehmen
und dem Vater den eigenen Tod vorzugaukeln. Auch wenn Lorenzo in Bellinis Oper
musikalisch nur eine kleine Rolle spielt,
so ist er doch mehr als der wohlmeinende
Freund, der nur helfen möchte. Er ist eine
geheimnisvolle und nicht ungefährliche
Schicksalsfigur, der im Hintergrund Fäden
zieht, die er selbst nicht unter Kontrolle
hat, wie seine Verhaftung zeigt.
Dilara Baştar & Eleazar Rodriguez
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Ein weiterer grundlegender Faktor in Bellinis Operntragödie ist die Zeit: Romeo und
Giulietta scheitern unter anderem auch an
einem unglücklichem Timing, dass sich in
seiner Auswirkung über den Stückverlauf
kontinuierlich steigert. Wie würde die
Geschichte wohl ausgehen, wenn Romeos
erster Auftritt zu Beginn nicht ausgerechnet dann erfolgte, nachdem Capellio dem
kämpferischen Tebaldo seine Tochter
Giulietta zur Frau versprochen hat, was
eine Friedensheirat noch unmöglicher
macht, als sie vielleicht sowieso schon ist?
Auch die Entdeckung des Paares durch
Capellio und Tebaldo im ersten Finale
ist schlichtweg ein zeitliches Unglück.
Im zweiten Akt folgt die Festnahme von
Lorenzo durch Capellio, die dazu führt,
dass Romeo die Nachricht von Giuliettas
vorgetäuschtem Tod nicht erhält. Was
wäre, wenn Lorenzo die im Rückblick überlebenswichtige Nachricht noch vor seiner
Festnahme überbracht hätte? Und schließlich sind es nur wenige Augenblicke, die
Giulietta zu spät erwacht, um dann mit
ansehen zu müssen, wie ihr Geliebter dem
kurz zuvor eingenommenen Gift erliegt.
Der Bühnenraum von Raimund Orfeo
Voigt, in dem wir Romeo und Giuliettas
Geschichte in dieser zugespitzten Version
von Romani und Bellini erzählen, ist ein
überzeitlicher, gewachsener Raum: Das
Moderne ist ebenso präsent wie das Alte
und Archaische. Wenn hier von einem
Raum die Rede ist, ist das nicht die ganze
Wahrheit – es sind offensichtlich drei
Räume, die übereinander liegen und in
ihrer Ausgestaltung vollkommen identisch
sind. Und trotzdem unterscheiden sie sich,
weil wir in der vertikalen Anordnung eine
Hierarchie wahrnehmen. Die Macht ist
immer oben. Diese Bildmetapher ist tief
in unserem Denken verankert: Unsere
32
Wahrnehmung ist darauf konditioniert und
unsere Sprache ist voll mit einschlägigen
bildlichen Redewendungen. Die Personen
im oberen Raum werden wir immer als
die stärkeren, die dominanten deuten, so
beispielsweise Capellio verstärkt durch
den Chor der Capuleti in der ersten Szene,
wohingegen Romeo als sein eigener
Friedensbote im untersten Raum als der
Unterlegene gesehen wird. Grundlegende
Themen der Oper – Macht und Ohnmacht,
Herrscher und Unterdrückter, Himmel und
Hölle – werden in diesem verdreifachten
Raum plastisch und wie nebenbei erfahrbar. Dabei ist die Zuordnung der handelnden Figuren zu den Räumen variabel: Jeder
kann kurzzeitig an die Macht kommen und
jeder kann sie wieder verlieren.
Der ausweglos scheinende Konflikt
zwischen Individuum und Gesellschaft
zeigt sich am Schicksal Giuliettas besonders deutlich, der einzigen Frau in dieser
Männerwelt, die wir in ihrer Auftrittsarie
und im nachfolgenden Duett mit Romeo
als eine zwischen Pflicht und Begehren
zerrissene Person kennenlernen. Ihre privaten Gefühle werden von den Wünschen
des Vaters, die politisch begründet sind,
überlagert. Giulietta ist nicht Herrin ihrer
selbst und ihre Liebe ist ein öffentliches
Politikum. Die drei Räume sind deswegen
konsequent öffentlich und negieren das
Private. In dieser Welt gibt es für das
gesellschaftlich bestimmte und in seiner
Freiheit eingeschränkte Individuum, insbesondere für das Liebespaar keine wirkliche
Rückzugsmöglichkeit. Der Feind – sei es
aus der gegnerischen Partei oder innerhalb der eigenen Familie – kann jederzeit
zugegen sein, oben oder unten und hinter
den Säulen. Die Anwesenheit des anderen,
des Beobachters, ist eine Anwesenheit,
die man nicht unbedingt sieht, die man
aber spüren kann. Es ist, wie wenn man an
den Blicken in seinem Rücken merkt, dass
man nicht allein ist, ohne den anderen
gesehen zu haben. Und manchmal ist eine
Person vielleicht noch durch ihren Geruch
an einem Ort präsent, ohne dass sie körperlich anwesend ist.
Unser Sehen in diesen drei Räumen ist
dynamisch. Als Betrachter lassen wir den
Blick schweifen, von oben nach unten
wandern und wieder zurück. Dabei setzen
wir das Gesehene zueinander in Bezug und
vergleichen die Situationen in den Räumen. Die Räume können sich dabei verändern bzw. gegenseitig beeinflussen. Wenn
beispielsweise Giulietta und Romeo sich
an einer Stelle im mittleren Raum befinden
und Capellio, Tebaldo, Lorenzo oder alle
zusammen über oder unter ihnen durch
den identischen Raum gehen, vielleicht
sogar an genau derselben Stelle stehen
bleiben, dann verändert sich der Ort, an
dem sich Giulietta und Romeo befinden.
Ein weiteres Beispiel für die gegenseitige
und raumübergreifende Beeinflussung ist,
wenn sich zwei Figuren auf getrennten
„Stockwerken“ befinden und von außen in
die Mitte des Raumes laufen, dann begegnen sie sich nicht; sie kommen sich aber
trotzdem entgegen.
Die drei Räume sind einerseits drei
Geschosse eines Gebäudes – das ist
die naheliegende Sichtweise. Andererseits können sie aber auch wegen der
identischen Ausgestaltung als ein und
derselbe Raum betrachtet werden, in
dem unterschiedliche emotionale oder
psychologische Zustände einer Situation
beschrieben werden – so zum Beispiel
in der finalen Gruftszene, wenn Tebaldo,
Capellio und Romeo jeder für sich vor
einem Sarg stehen und Abschied von der
vermeintlich Verstorbenen nehmen. Ein
wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang, dass die Ebenen sich in ihrem
Wirklichkeitsgehalt nicht unterscheiden.
Es gibt keinen Traum-, Erinnerungs- oder
Visionsraum, sondern in allen drei Räumen
finden tatsächliche Situationen statt,
die sich zu den emotionalen Zuständen
der empfindsamen, realistischen Figuren
zusammensetzen.
Tilman Hecker
IM TOD WOLLTE
ICH DIR NAHE SEIN.
33
DANIELE SQUEO Musikalische Leitung
STEVEN MOORE Nachdirigat
Daniele Squeo studierte in seiner Heimat
Italien sowie in Weimar Klavier und Dirigieren. Er besuchte Meisterkurse bei Steven
Sloane, Sir Roger Norrington und Sylvain
Cambreling. Squeo ist Preisträger mehrerer
internationaler Dirigentenwettbewerbe, wie
beispielsweise des XVIII. Wettbewerbs für
junge Dirigenten der Europäischen Union.
Er arbeitete mit der Neuen Philharmonie
Westfalen, den Jenaer Philharmonikern,
dem Orchester des Theaters „Lirico Sperimentale“ Spoleto, den Nürnberger Symphonikern, den Bochumer Symphonikern, der
Baden-Baden Philharmonie sowie den Essener Philharmonikern. Operndirigate führten ihn u. a. mit La Traviata nach Rom, Spoleto und Assisi. 2013/14 war er Studienleiter
und Kapellmeister am Theater Nordhausen,
bevor er 2014 als Zweiter Kapellmeister ans
STAATSTHEATER KARLSRUHE wechselte.
2016/17 leitet er u. a. die Neuproduktion von
L’elisir d’amore und die Wiederaufnahme
von Tosca.
Der Australier studierte in Queensland Orgel,
Klavierbegleitung und Gesang und erwarb
an der Londoner Guildhall School seinen
Master of Arts in Dirigieren und Repetition.
Nach einem Jahr im National Opera Studio
wurde er ins Jette Parker Young Artists Programme am Royal Opera House Covent Garden aufgenommen. Es folgten Dirigate beim
Orchester des Royal Opera House, der San
Francisco Opera, der Southbank Sinfonia,
der West London Sinfonia, Opernaufführungen in England, Frankreich und Australien
sowie Assistenzen bei Nicola Luisotti, Thomas Hengelbrock und Julia Jones. Moore
betreute zahlreiche Produktionen des Royal
Opera House und der San Francisco Opera.
Seit 2011 gehört er dem STAATSTHEATER an,
seit 2014 als Studienleiter und Kapellmeister.
2016/17 dirigiert er die Ballettpremiere La
Sylphide sowie u. a. die Wiederaufnahmen
von My Fair Lady und Der Widerspenstigen
Zähmung. Außerdem ist er in zahlreichen
Liederabenden als Pianist zu erleben.
34
35
TILMAN HECKER Regie
RAIMUND ORFEO VOIGT Bühne
Sein Regiedebüt hatte Tilman Hecker mit
Mandys Baby, einer Oper mit Konzertarien
von Mozart, am Berliner Radialsystem V.
Weitere Inszenierungen waren Narcissus
und Echo von Jay Schwartz am Salzburger
Landestheater, John Cages Songbooks in
der Werkstatt der Staatsoper im Schillertheater, Mozarts La finta giardiniera an der
Oper Wuppertal, Cimarosas Il matrimonio segreto am Theater Nordhausen und
Aschaffenburg sowie zuletzt die Uraufführung Querelle von Birke J. Bertelsmeier in
der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin.
Im März 2016 kehrte er mit Midnight – einer Performance über Mozarts letztes
Klavierkonzert – in Koproduktion mit dem
Mozartsommer Mannheim ans Radialsystem
zurück. Seit 2004 arbeitet er u. a. als Koregisseur mit Achim Freyer und Robert Wilson
zusammen. Er war Stipendiat für das Atelier
Opéra en création der A.E.M./Festival d’Aixen-Provence, der Akademie der Künste Berlin und der Akademie Musiktheater heute.
Raimund Orfeo Voigt absolvierte sein Studium in der Meisterklasse von Erich Wonder
an der Wiener Akademie der Bildenden
Künste mit Auszeichnung. Nach mehreren
Jahren als Assistent von Erich Wonder und
Robert Wilson ist er seit 2008 freischaffend
tätig. Er entwarf Bühnenbilder u. a. für Anna
Badora am Schauspielhaus Graz, Alexandra
Liedtke u. a. bei den Salzburger Festspielen,
am Theater in der Josefstadt und Salzburger
Landestheater, für Sarantos Zervoulakos u.
a. am Staatstheater Mainz und Schauspiel
Leipzig, Christiane Pohle bei den Opernfestspielen der Bayrischen Staatsoper, Annette
Raffalt am Wiener Burgtheater, Mateja
Koležnik u. a. am Residenztheater München,
Andrea Breth am Düsseldorfer Schauspielhaus und Berliner Ensemble und für Matthias Hartmann am Grand Théâtre de Genève.
Für sein Bühnenbild von Verbrennungen in
der Regie von Anna Badora wurde er 2010
beim Nestroy Theaterpreis in der Kategorie
Bester Nachwuchs nominiert.
36
JULIA VON LELIWA Kostüme
Julia von Leliwa, geboren in Hamburg, ist
Modedesignerin und Kostümbildnerin. Im
Theaterbereich arbeitete sie mit Künstlern
wie dem amerikanischen Theaterregisseur
Robert Wilson, u. a. für The Life and Death
of Marina Abramovic, Grace for Grace
und Pushkin Fairy Tales, im Modebereich
mit den Amsterdamer Modedesignern
Viktor&Rolf und für das Pariser Modehaus
Balenciaga. Für Tilman Hecker entwarf sie
die Kostüme von Il matrimonio segreto und
die Mozart-Performance Midnight. Sie war
Artist in Residence am Watermill Center
in New York, an der Akademie Schloss
Solitude in Stuttgart und Gastkünstlerin auf
der Raketenstation der Stiftung Insel Hombroich in Neuss. Für ihre Recherchen und
Konzepte zu Künstlernetzwerken erhielt sie
Förderungen des Goethe-Instituts und vom
Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Als
Lehrbeauftragte war Julia von Leliwa an
verschiedenen deutschen und iranischen
Kunsthochschulen tätig.
37
Ks. KONSTANTIN GORNY Capellio
Mit seinem Debüt bei den Bregenzer Festspielen 1993 startete der russische Bass eine Weltkarriere, die ihn u. a. an die Wiener Staatsoper,
nach Tokio, Sydney, Paris und an viele weitere wichtige Bühnen führte.
Seit 1997 ist er Mitglied des STAATSTHEATERS, seit 2006 Kammersänger.
2016/17 singt er u. a. den Fürst von Bouillon in Adriana Lecouvreur.
LUCIA LUCAS Capellio
Die Bariton-Sängerin war Mitglied des Studios der Santa Fe Opera und
Stipendiatin der Deutschen Oper Berlin. Seit 2011 ist die Amerikanerin
fest am STAATSTHEATER, wo sie u. a. als Ford in Falstaff, Marcello in La
Bohème und Escamillo in Carmen zu erleben war. 2016/17 singt sie die vier
Bösewichte in Hoffmanns Erzählungen an der Oper Wuppertal.
ULIANA ALEXYUK Giulietta
Die ukrainische Sopranistin war im Förderprogramm des Moskauer
Bolschoi-Theater sowie im Opernstudio der Houston Grand Opera. Darüber hinaus sang sie in Chicago, Bari, Paris, Glyndebourne, New York. Seit
2015/16 gehört sie dem Karlsruher Opernensemble an und ist 2016/17 u. a.
als Adina in L’elisir d’amore und Servilia in La clemenza di Tito zu erleben.
Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Giulietta
Nach Engagements in Bulgarien und Madrid kam die Sopranistin über
Bremen 2002 ans STAATSTHEATER. Hier kreierte sie von Donizettis Lucia
bis Strauss’ Sophie zahllose Partien. 2006 erhielt sie den Goldenen Fächer
der Theatergemeinde Karlsruhe, 2007 den Otto-Kasten-Preis, 2013 den
Titel Kammersängerin. 2016/17 singt sie u. a. Adina in L’elisir d’amore.
DILARA BAŞTAR Romeo
Die in Istanbul geborene und mehrfach ausgezeichnete Mezzosopranistin
studierte in ihrer Heimatstadt und Karlsruhe. 2012 bis 2014 gehörte sie
dem Karlsruher OPERNSTUDIO an, 2014 wechselte sie ins Opernensemble
des STAATSTHEATERS. 2016/17 singt sie u. a. Ino in Semele, Sesto in
La clemenza di Tito und Cherubino in Die Hochzeit des Figaro.
KRISTINA STANEK Romeo
Die Mezzosopranistin studierte in Düsseldorf und an der Royal Academy
London. Von 2012/13 war sie im Ensemble des Theaters Trier, wo sie Carmen, Sesto in La clemenza di Tito und Glucks Orfeo sang. 2015/16 wechselte
sie ans STAATSTHEATER, wo sie u. a. als Eliza in My Fair Lady, Annio in La
clemenza di Tito und Cherubino in Die Hochzeit des Figaro zu erleben ist.
JESUS GARCIA Tebaldo
Der Amerikaner erhielt etliche Auszeichnungen, z. B. den Tony Award als
Rodolfo in einer Broadway-Produktion von La Bohème. Er gastierte an so
renommierten Häusern wie der Boston Opera oder der Opera di Firenze.
Seit 2015/16 gehört er fest zum Ensemble des STAATSTHEATERS. 2016/17 ist
er als Nemorino in L’elisir d’amore und Tito in La clemenza di Tito zu hören.
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ELEAZAR RODRIGUEZ Tebaldo
Der Plácido-Domingo-Stipendiat gehört seit 2011 dem STAATSTHEATEREnsemble an. Er studierte in seiner Heimat Mexiko und San Francisco.
Gastspiele führten ihn u. a. als Graf Almaviva in Der Barbier von Sevilla an
die English National Opera und die Oper Graz. 2016/17 singt er in Karlsruhe
u. a. Nemorino in L’elisir d’amore und den Meisterjünger in Wahnfried.
AVTANDIL KASPELI Lorenzo
Der georgische Bass studierte u. a. in München, wo er als Sparafucile in
Rigoletto debütierte. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER engagiert.
Hier stand er als Pimen in Boris Godunow, Colline in La Bohème oder auch
als Zacharias in Der Prophet auf der Bühne. 2016/17 folgen Partien wie Der
Fürst von Bouillon in Adriana Lecouvreur und Hunding in Die Walküre.
YANG XU Lorenzo
Der Bassbariton absolvierte sein Studium in Peking. Von 2013/14 bis
2014/15 war er im OPERNSTUDIO und sang am STAATSTHEATER u. a. Graf
Ribbing in Ein Maskenball und Hahnkerl in Wo die wilden Kerle wohnen.
Zuletzt war er als Zuniga in Carmen zu erleben. 2016/17 folgen u. a. Fasolt
im Rheingold, Angelotti in Tosca und Bartolo in Die Hochzeit des Figaro.
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BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
TITELFOTO
Felix Grünschloß
PROBENFOTOS Felix Grünschloß, Raimund O. Voigt (S. 18/19)
HERAUSGEBER
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE
GENERALINTENDANT
Peter Spuhler
TEXTNACHWEISE
Die Texte sind Originalbeiträge für dieses
Programmheft. Die nicht gekennzeichneten
Beiträge sind von Raphael Rösler.
Sollten wir Rechteinhaber übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.
KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR
Johannes Graf-Hauber
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
OPERNDIREKTOR
Michael Fichtenholz
LEITENDER DRAMATURG OPER
Carsten Jenß
REDAKTION
Raphael Rösler
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS BERLIN
www.doublestandards.net
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE 2015/16,
Programmheft Nr. 321
www.staatstheater.karlsruhe.de
GESTALTUNG
Kristina Schwarz, Danica Schlosser
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
IM HIMMEL
WERDEN WIR UNS
WIEDERSEHEN.
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Uliana Alexyuk & Dilara Baştar
WELCHE MACHT
IST STARKER
ALS DIE LIEBE?