Zum Beitrag von Roland Girtler in der Kronenzeitung (11. 5. 2014)
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Zum Beitrag von Roland Girtler in der Kronenzeitung (11. 5. 2014)
G I R T L E R S S T R E I F Z Ü G E ROLAND GIRTLER Foto: Corbis Der römische Dichter Ovid ist mit seinen Überlegungen zum Thema „Anbandeln“ amüsant und auch aktuell. Die Liebeskunst des Ovid A ls vagabundierender Kulturwissenschafter bin ich mit meinem Freund Dr. Wolfram Kautzky, einem begeisterten Lateinprofessor, auf dem Wiener Naschmarkt unterwegs. Es herrscht reges Leben, die Menschen begutachten die Waren, feilschen um den Preis und kaufen. Wolfram Kautzky und ich kommen auf die Faszination der Märkte zu sprechen. Hier begegnen sich Menschen, manche zarte Bande nahmen hier ihren Anfang. Darüber schreibt der berühmte römische Dichter Ovid in seinem Buch „Ars amatoria“, zu Deutsch „Die Liebeskunst“. Er meint, die Märkte dienen dem Gott Amor, dem Gott der Liebe. Die „Ars amatoria“ ist ein Lehrgedicht, bestehend aus drei Büchern, von denen zwei an junge Männer und eines an Mädchen gerichtet sind. Nach Ovid ist die Liebeskunst für jedermann erlernbar. Publius Ovidius Naso, wie er mit vollem Namen heißt, wurde am 20. März 43 v. Chr. in Sulmo östlich von Rom geboren und starb 17 n. Chr. in Tomis am Schwarzen Meer. Ovid stammt aus einer noblen Beamtenfamilie. Ihn interessiert jedoch die Be- 62 K R O N E BUNT amtenlaufbahn nicht, er wird Dichter. Im Jahre 8 n. Chr. wird er von Kaiser Augustus ans Schwarze Meer verbannt. Der Grund für die Verbannung, so meint Ovid, waren „carmen et error“ – übersetzt: ein Gedicht und ein Irrtum. Mit dem Gedicht war sein Buch „Ars amatoria“, das von der Jugend Roms geradezu verschlungen wurde, gemeint. An anderer Stelle meint Ovid, der Grund für seine Ver- Wegen seiner „Liebeskunst“ wurde Ovid aus Rom verbannt bannung könnte gewesen sein, dass er etwas gesehen hätte, was er nicht hätte sehen dürfen. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um den Ehebruch von Julia, der Enkelin des Kaiser Augustus. Ovid hat sich am Schwarzen Meer nicht wohl gefühlt, was er in seinen Klageliedern und in den Briefen eindrucksvoll schilderte. Wolfram Kautzky hatte nun die Idee, die „Liebeskunst“ des Ovid, die er auch in unserer Zeit für aktuell und vergnüglich hält, Jung und Alt näherzubringen. Daraus entstand eine DVD mit dem Titel „Ovid reloaded“. Diese beginnt mit einer Unterhaltung zwischen Wolfram Kautzky und der charmanten Frau Julia Schütze über Regeln des „Anbandelns“. Dabei kommen beide auf Ovid zu sprechen. Julia Schütze greift nach Ovids Buch „Liebeskunst“ und zitiert daraus den schönen Satz: „Wenn du noch nicht vergeben bist, so wähle ein Mädchen aus und sag ihm: Du alleine gefällst mir!“ Dann lassen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums der Dominikanerinnen Ovid in Sachen Liebeskunst zu Wort kommen. So spricht ein junges Mädchen zu einem Burschen, der ein Mädchen kennen lernen will, mit Ovids Zunge: „Ein Jäger weiß, wo er seiner Jagdbeute auflauern muss. Ein Vogelfänger weiß, wo viele Vögel sind. Ein Fischer weiß, wo sich viele Fische tummeln.“ Ovid gibt in seiner Dichtung herrliche Ermunterungen einem Burschen, der ein Mädchen finden möchte: „Gehe am besten im Theater auf die Jagd. Dieser Ort bietet mehr Gelegenheit, als du erträumen kannst.“ Spannend im Film zu sehen ist, wie ein junges Mädchen zu Ovid greift, um sich Ratschläge zu holen. Sie findet sie in Ovids Zeilen und spricht: „Wenn du allzu dünn bist, trage ein Gewand aus festem Stoff . . . Eine blasse Frau soll sich in Purpur hüllen . . . Um eine schmale Brust schlinge ein Band.“ Eine gute Gelegenheit zum „Anbandeln“ sah Ovid im Pferderennen, ein solches solle man sich nicht entgehen lassen, denn eine volle Tribüne bringe viele Vorteile. Der Bursch solle sich nahe zu dem erwählten Mädchen setzen. Dabei müsse der Bursch das Mädchen wegen der engen Sitze zwangsläufig berühren. Weiter rät Ovid: „Und dann beginne ein Gespräch. Wenn zufällig ein Staub in den Schoß des Mädchens fällt, so wische ihn weg. Und wenn kein Staub da ist, so wische ihn trotzdem weg.“ Es ist ein Genuss, den Ideen des alten und ewig jungen Ovid, vorgetragen von Schülerinnen und Schülern der Dominikanerinnen auf dieser DVD zu folgen. Ich wünsche Julia Schütze, Wolfram Kautzky und allen Mitwirkenden an der DVD das Beste und ziehe weiter.