KHM-Kongress, Luzern: IBS und IBD
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KHM-Kongress, Luzern: IBS und IBD
WISSEN AKTUELL KHM-Kongress, Luzern: IBS und IBD Colon irritabile – Chronisch entzündliche Darmkrankheiten Schmerzen im Abdomen lassen sich einteilen in akute abdominale Schmerzen und chronische und chronisch rezidivierende Schmerzen. Z u den chronischen und chronisch rezidivierenden gehören (gemäss Siegenthalers Differentialdiagnose, Hrsg. E. Battegay, 20. Auflage, Thieme, Stuttgart 2012) die funktionelle Dyspepsie, das Ulcus ventriculi duodeni, das Reizdarmsyndrom, die Cholelithiasis und die chronische Pankreatitis wie PD Dr. Stephan Vavricka, Zürich, einleitend feststellte. Mehr als 50% der chronischen und chronisch rezidivierenden Schmerzen haben eine funktionelle Ursache, d.h. sind NICHT somatisch. Reizdarmsyndrom Das Reizdarmsyndrom IBS (irritable bowel syndrome) ist die häufigste Gastrointestinalerkrankung mit einer Inzidenz von 5 bis 11% (30. bis 50. Lebensjahr) je nach Kriterien und Region. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer (vor allem in der 3. Dekade). Nur 20% (–50%) suchen einen Arzt auf. IBS betrifft bis zu 40% aller Konsultationen beim Gastroenterologen und 2,3% beim Hausarzt. IBS senkt die Lebensqualität und verursacht hohe Kosten, vergleichbar mit terminaler Niereninsuffizienz. Es geht mit grösseren Schmerzen und Beeinträchtigungen einher als die organischen gastrointestinalen Erkrankungen. Die Anamnese umfasst das Beschwerdebild, die Vorerkrankungen, Operationen, Familienanamnese für IBD (inflammatory bowel disease), Karzinom, Sprue, eine Reise- und Umgebungsanamnese, GI-Infekte, Nahrungsmittel (Laktose, Gluten, FODMAP), Medikamente (NSAR), psychosozialer Hintergrund und Status und ALARMSYMPTOME. der informierte arzt _ 07 _ 2014 Alarmzeichen und Diagnose Alarmzeichen sind in der Anamnese: Gewichtsverlust, Dysphagie/Erbrechen, Beginn > 50. Lebensjahr, nächtliche Beschwerden, Ikterus/Ileussymptome, chronische Diarrhoe, relevante Reise anamnese, analer Blutabgang, Familienanamnese: Karzinom, entzündliche Darmkrankheiten (IBD), Zöliakie. Zu den Befunden gehören Fieber, pathologischer Status, pos. Hämoccult gastrointestinale Blutung. Labor: Anämie, Fe-Mangel, Leukozytose, BSG/CRP, pathologische Chemie, TSH/T4. ROM II(III)-pos. + keine Alarmzeichen: Spezifität der symptombasierten IBS-Diagnose >98%. Die IBS-Diagnosekriterien ROM III sind: Abdominalschmerzen/-beschwerden ≥ 3 Tage /Monat, in den letzten 3 Monaten, während den vorangegangenen 6 Monaten mit (≥ 2 von 3), Besserung nach Defäkation, Assoziation mit Änderung der Stuhlfrequenz, Assoziation mit Änderung der Stuhlkonsistenz. Die IBS-Differentialdiagnose umfasst Infektionen (Lamblien, Amöben, bakterielle Wucherung), IBD (Colitis ulcerosa, M. Crohn, mikroskopische Kolitis), psychiatrische Erkrankungen, Diätfaktoren (Laktose, Fruktose, Sorbitol, Coffein, Alkohol, Fett, gasprod. Speisen), Malabsorption (Sprue, postoperative Symptome, Pankreasinsuffizienz), sonstiges (CRC, endokrin Tu/SD, Diabetes/NNR, Medikamente, Endometriose). IBS-Abklärungen sollen möglichst initial und mit geringem apparativem und finanziellem Aufwand erfolgen, unnötige Wiederholungen sind zu vermeiden. Es fehlen diagnostische Teste, die eine klare Abgrenzung von organischen Erkrankungen erlauben, so der Referent. Wichtig sind die Erkennung des Symptommusters und der individualisierte Ausschluss relevanter Differentialdiagnosen. Die obligate Basisdiagnostik umfasst: typisches Symptom muster, Fehlen von Alarmsymptomen, normaler klinischer Status. 41 WISSEN AKTUELL · KONGRESS Der individualisierte Ausschluss relevanter Differentialdiagnosen: Routinelabor (Blutbild, BSG/CRP), Sprue-Serologie und GesamtIgA (Sprue häufig mit IgA assoziiert), TSH bei klinischem Verdacht, Parasiten im Stuhl, H2-Atemtest, initial 1 x Sono Abdomen, Endoskopie bei Pat. > 45 Jahre, Calprotectin. IBS: Wichtige Punkte für die Praxis llDas Reizdarmsyndrom umfasst eine Gruppe funktioneller Darmerkrankungen, die eine hohe Prävalenz in der Bevölkerung haben. llDas Reizdarmsyndrom kann Symptome aller möglichen Darm erkrankungen nachahmen, ist jedoch, wenn diese Erkrankungen ausgeschlossen sind, ungefährlich. llDiagnostische Tests zur klaren Abgrenzung von organischen Erkrankungen fehlen. llCalprotectin ist bei IBS negativ im Gegensatz zu IBD. Entzündliche Darmkrankheiten, IBD Zu den IBD gehören M. Crohn und Colitis ulcerosa. Zur Unterscheidung gegenüber IBS eignet sich die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl. Calprotectin ist ein Calcium-bindendes Protein, welches vor allem in den Neutrophilen vorkommt, durch intestinale Bakterien nicht abgebaut wird, bei Raumtemperatur bis zu einer Woche stabil ist und einfach bestimmt werden kann. Normalwerte < 20 µg/g, pathologisch > 50 µg/g. Bei IBS sind die Werte gewöhnlich über 50 µg/g, bei IBD unterhalb dieses Werts. Calprotectin korreliert sehr gut mit der Endoskopie bei M. Crohn. Die Sensitivität beträgt 73%, die Spezifität 93%. Morbus Crohn Die Diagnose wird oft spät gestellt. In der Schweiz vergehen im Mittel 9 Monate von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung. Bei der Colitis ulcerosa sind es nur 4 Monate. 25% der Patienten ABB. 1 mit M Crohn benötigen > 24 Monate für die Diagnose, 25% der Patienten mit Colitis ulcerosa > 12 Monate (Vavricka SR 2012). Die verzögerte Diagnose führt zu Darmschäden und Operationen. Therapie Die topische Therapie bei linksseitiger Colitis ist objektiv besser und muss der erste Schritt sein. Systemische 5-ASA-Therapie bei PanColitis: 1 x 2-3-4g statt 3 x 1g; dies führt zu verbesserter Compliance und ist mindestens gleich effektiv (Frei P et al Digestion 2012). Vitamin D und M. Crohn In einer randomisierten doppelblinden Studie erhielten 108 Patienten mit M. Crohn in Remission 1200 IU Vitamin D3 oder Placebo täglich während 12 Monaten. Die Relapsrate betrug unter Vitamin D3 13% (6/46), in der Placebogruppe dagegen 29% (14/48) (Jorgensen SP et al 2010). Ein Algorithmus zur Vitamin-D-Substitution bei IBD ist in Abbildung 1 wiedergegeben. IBD: wichtige Punkte für die Praxis llDie Diagnose M. Crohn wird zu spät gestellt. Durchfall und Schmerz bedeutet entzündliche Darmkrankheit. 9 Monate dauert es durchschnittlich bis zur Diagnose M. Crohn, 4 Monate bis zur Diagnose Colitis ulcerosa. Eine verzögerte Diagnose führt zu Schäden. Mit jedem Schub entstehen neue Komplikationen. ll5-ASA-Kombination: Rektale Applikation immer besser als orale. Topische Therapie besser als orale Kombination. llDie Vitamin-D-Substitution ist wichtig. Vitamin D wirkt zudem antientzündlich. Die Zielspiegel sind relativ hoch. llReisen und Aufenthalt in grossen Höhen können Schübe aus lösen. Mehr Schübe beim Fliegen. wwProf. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen Quelle: KHM 2014, Luzern, 26. Juni 2014 Algorithmus zur Vitamin-D-Substitution bei IBD 25 (OH) Vitamin-D-Spiegel (nmol/l) < 10 10 – < 25 25 – < 40 40 – < 60 60 – < 75 5000 4000 3000 2000 1000 Empfohlene Vitamin-D3-Dosis (Einheit/Tag) Multiplizieren mit 1,5-2 bei Dünndarm IBD, fettleibig. Tabletten für die meisten Patienten; flüssige Formulierung, wenn umfangreiche Strikturen oder DünndarmIBD; hohe Dosis oral oder i.m. bei begrenzter Adhärenz Erneute Prüfung nach 3 Monaten, dann nach 3 bis 6 Monaten, Dosis je nach Ansprechen anpassen Zielwert 25 (OH) Vitamin-D-Spiegel (nmol/l) 78 – 90 _ 2014 _ der informierte arzt 4207