Liebe Leserinnen und Leser
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Liebe Leserinnen und Leser
2 EDITORIAL Anzeige Liebe Leserinnen und Leser, da fällt uns aber ein Stein vom Herzen: Schön, dass Sie sich auch diesmal für unser kleines Straßenmagazin entschieden haben. Wir konnten einen Monat lang schlecht schlafen, aus Angst Sie seien uns gram. Wir haben uns hier und dort nämlich einiges anhören müssen. „Habt ihr noch alle Tassen im Schrank, wie könnt ihr nur mit einer fetten Anzeige für die CDU werben und im Heft wettertet ihr gegen PDS und SPD!“ Zugegeben: Für die Sozialdemokraten und Sozialisten unter Ihnen war das letzte Heft schwer verdaulich. Wer aber glaubt, „draußen!“ hätte die Kommunalwahl entschieden, überschätzt uns maßlos und im Moment wohl auch die SPD. Als Verein sind wir keiner Partei verpflichtet und als Zeitung ohnehin nicht. Bei „draußen!“ sind alle politischen Farben vertreten, nur braun finden wir widerlich. Mit welchem Argument also, hätten wir die CDU abweisen sollen? Weil sie uns zwei Jahre lang kein Geld gegeben hat? So kleinkariert sind wir nicht. Als Verein sind wir deshalb zwar gehörig sauer, als Zeitung hat uns das aber nicht zu interessieren. Wir schreiben, was wir für richtig halten, unabhängig davon, wer bei uns gerade Werbung macht. Wir hätten auch zu Anzeige Stadtwerke neu siehe auf der CD „Stadtwerke“ SPD, PDS und Grüne ja gesagt. Selbst die FDP hätte sich keine Abfuhr geholt. Aber die CDU hat es halt gemacht. So ist Münster. Bis dänne, Ihr Gerrit Hoekman I N H A LT Impressum Harry Seemann erzwingt Stichwahl! Herausgeber: ,,draußen!“ e.V. Am 10. Oktober kommt es zum Showdown Tillmann - Strässer Anschrift: Overbergstr. 2 48145 Münster Sozialamt im Stress Redaktion: Tel.: 02 51 / 53 89 - 128 Fax: 02 51 / 53 89 - 129 Neue doitsche Marschmusik Sozialarbeit: abgewickelt E-M Mail-AAdresse: [email protected] Internet: www.muenster.org/draussen An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet: Heinz Dalmühle, Katharina Grützmacher, Gerrit Hoekman (Vi.S.d.P.), Julius Reimer, Malte Koppe, Dihia Wegmann, Almut Wiemold, Peter Wolter 6 Hartz IV hält Sachbearbeiter auf Trab 8 Neonazis wollen CD kostenlos vor Schulen verteilen Sucht nach Schmerz 10 Selbstverletzung als Trauma-Resultat Ostdeutschland muss wieder SBZ werden! 11 Satiremagazin „Titanic“ gründet Die PARTEI Heißer Tipp für Couch-Kartoffeln 14 Leih-Demonstrant protestiert für Sie vor dem Reichstag Erst Arbeit, dann Heirat Fotos: 5 16 Archiv (ar), Heinz Dalmühle (hd), Katharina Grützmacher (kg), Malte Koppe (mk), Julius Reimer (jm), Dihia Wegmann (dw), Almut Wiemold (aw) Allwetterzoo hilft Obdachlosem auf die Beine Layout: Heinz Dalmühle Kuschelhase Felix erobert von Münster aus den Globus Auflage: 6000 Schnacken wie im Mittelalter Titelbild: Coppenrath Verlag Wuscheliger Weltenbummler Fotoarchiv der Stadt Münster Über die Herkunft deutscher Redewendungen Druck: Borgsmüller Druck Prêt-à-porter für die Herrenrasse unterstützt durch: Kleine rechtsradikale Klamottenkunde Siverdes-Stiftung Halberstadt stolpert am Hafen Bankverbindung: Sparkasse Münster Konto-Nr. 33 878 BLZ 400 501 50 Wir danken allen Spendern! 18 20 22 25 CDU-Fraktion verliert „soziales Gewissen“ Eintöpfe ohne Mettendchen Für Westfalen ein Graus, für Vegetarier der Himmel auf Erden 30 Video-Überwachung!!! Alle Jahre wieder kommt das Thema auf den Tisch: Kameras am Bremer Platz! Der Drogenszene wegen. „draußen!“, das Fachblatt für mehr Bürgerwehr, sagt ja zu Big Brother. Nicht nur hinter dem Bahnhof. Immerhin hat eine Studie herausgefunden, dass die Jugendlichen hier genauso kriminell sind wie die in Duisburg! Deshalb fordert „draußen!“: Münster muss sicherer werden! Wir wissen auch schon wo. Die große Volkspartei wird in letzter Zeit immer wieder von einem bärtigen Mann aus Berlin heimgesucht. Weit über 30 Millionen Euro soll er der CDU bis heute geraubt haben. Nur weil sie Spenden falsch abgerechnet hat. Die Zentrale muss wieder sicher werden. Kameras gegen Thierse!! Ein besonders fieser Dieb steigt nachts in die Räume der SPD ein und stiehlt klammheimlich Stimmen und wenn er sie findet, nimmt er auch noch Parteiausweise mit. „draußen!“ fordert: Nachtsichtgeräte für die Sozialdemokratie. Damit sie wieder eine Chance hat. Was treibt eigentlich der Oberbürgermeister hinter verschlossenen Türen? Macht er die Hälfte der Zeit ein Nickerchen? Oder steht er mit der goldenen Bürgermeisterkette vor dem Spiegel und findet sich toll? Wir verlangen: Der OB muss gläsern werden! Die Deutschen werden immer dicker! Und belasten damit die Krankenkassen. Schluss damit, Videoüberwachung an allen Pommesbuden und Bullettentempeln! Wer mehr als drei Mal die Woche hingeht, wird verhaftet und in die Muckibude eingesperrt. Ohne Bewährung. Tatort Umkleidekabine. Der Trick ist alt: Fünf Hosen zum Anprobieren mitnehmen und mit keiner auf dem Arm wieder rauskommen. Dafür aber dicke Beine haben. Videoüberwachung wirkt hier Wunder. Und nebenbei kann man noch studieren, was die Münsteraner so untendrunter tragen. Was soll die Geheimniskrämerei im Beichtstuhl? Wer Dreck am Stecken hat, verdient keinen Gott. Wie viele Straftaten könnten aufgeklärt werden, wenn Pfarrer und Pastoren nicht so bockig wären. Dagegen helfen Wanzen und winzig kleine Kameras. Die Kirche muss es ja nicht wissen. LOURDES Tillmann in den Seilen: Harry Seemann erzwingt Stichwahl! Au Backe, die Ohrfeige, die sich die CDU bei der Kommunalwahl eingefangen hat, wird lange weh tun. Über zehn Prozent verloren die Christdemokraten, Berthold Tillmann muss gegen Christoph Strässer in die Stichwahl. Aber nicht, weil Carola MölleDas wird ja ein schönes Kuddelmuddel im nächsten Stadtrat: 30 Ratsfrauen und 44 Ratsherren aus sieben Parteien werden demnächst im Sitzungssaal Platz nehmen. Acht davon vermutlich auf Klappsitzen, denn mit so einem Andrang an Ratsfrauen und -herren hat niemand gerechnet. Der Grund sind sogenannte Überhangsmandate der CDU, sprich die Partei hat mehr Direktmandate gewonnen, als ihr prozentual zustehen. Es war ein bitterer Abend für die Christdemokraten. Da plakatieren sie was das Zeug hält und trotzdem das schlechteste Ergebnis bei Kommunalwahlen in Münster seit 50 Jahren. Die absolute Mehrheit ist futsch und Berthold Tillmann schafft es nicht aus eigener Kraft im Amt zu bleiben. Am 10. Oktober kommt es zur Stichwahl mit Christoph Strässer, der einen persönlichen Achtungserfolg errungen hat. Langsam dürfte Strässer bei der CDU phobische Gefühle auslösen. Schon vor zwei Jahren bei der Bundestagswahl schnappte er Ruprecht Polenz im Endspurt das Direktmandat vor der Nase weg. Am 10. Oktober geht es aber nicht nur um den Posten des Oberbürgermeisters, es geht auch darum, mann-Appelhoff ihm die Stimmen weggenommen hat. Nein, der Amtsinhaber scheiterte an Harry! 557 Stimmen hat der Einzelkämpfer bekommen, nur ein Drittel davon, und die CDU wäre happy. Ein Kommentar von Gerrit Hoekman wer die Mehrheit im Rat bekommt. Dort herrscht nach dem Ergebnis der Kommunalwahl ein Patt. Spielverderber Harry Seemann CDU und ihr vermeintlicher Koalitionspartner FDP haben ebenso viele Sitze wie die Opposition. Dann entscheidet die Stimme des OB. Auch über den Bau der Tiefgarage am Ludgeriplatz! Kippt Strässer Berthold Tillmann aus dem Amt, dann ist das Thema zumindest für die nächsten fünf Jahre vom Tisch. Ironie des Schicksals: Während die Tiefgarage im Wahlkampf kaum eine Rolle spielte, kommt es nun doch noch zum Showdown um den Kreisverkehr. Sollte der Sieger Tillmann heißen, wird er es schwer haben mit dem neuen Stadtrat. Er wäre das Zünglein an der Waage, egal ob es um Kürzungen im sozialen Bereich geht, um Bauprojekte wie die Musikhalle oder eben die Tiefgarage weil er die entscheidende Stimme hat, wird er für jede Entscheidung persönlich gerade stehen. Auch wenn es äusserst knapp war: Berthold Tillmann ist -hd in Münster längst nicht so beliebt, wie die CDU und Teile der Lokalpresse glauben machen wollten. Dabei ist es vor allem Tillmann gewesen, der davor gewarnt hat, das Fell des Bären zu verteilen, bevor er erlegt ist. Aber seine Partei ist in den vergangenen fünf Jahren selbstgefällig geworden. Wer die absolute Mehrheit hat, neigt dazu, nicht mehr genau hinzuhören und zu glauben, die Weisheit mit dem Schaumlöffel gefressen zu haben. Das Projekt „Tiefgarage“ ist dafür das beste Beispiel. In den Wahllokalen am Ludgeriplatz bekam 5 die CDU eine schallende Ohrfeige. In der Bezirksvertretung Mitte machte nur noch jeder Dritte sein Kreuzchen bei den Christdemokraten. Münsters Innenstadt sagt klipp und klar nein zum „TillmannKeller“! Und hat die CDU noch einen letzten Rest von Bürgersinn in ihren Reihen, dann begräbt sie die Pläne für das Wahnsinnsprojekt endgültig auf dem Zentralfriedhof. Vielleicht kommt es ja aber auch alles ganz anders und die CDU sucht sich eine stabile Mehrheit. Zum Beispiel mit den strahlenden Wahlsiegern der GAL. Die Ökopartei ist drauf und dran, die SPD als zweite Kraft in Münster abzulösen. Am Hafen und am Schützenhof gewann sie zwei Direktmandate davon können Sozialdemokraten gewöhnlich nur träumen. Vor der Wahl haben zwar beide Parteien eine Koalition ausgeschlossen, aber was heißt das schon bei den Grünen heutzutage. Die Wahl am 10. Oktober wird jedenfalls spannend. Genauso spannend wie die Frage, welchen Ausgang die Macher des Politbarometers der Westfälischen Nachrichten wohl prognostizieren. Die Soziologen der Universität um Professor Papcke, die im Auftrag der WN jeden Monat die Wähler befragen, gehören ebenfalls zu den Wahlverlierern. Wie schon bei der Europawahl tippten sie meilenweit daneben; sie hatten die CDU und Tillmann als glasklare Sieger gesehen. Da lagen wir mit unserer kleinen Umfrage unter den Obdachlosen in Münster vor zwei Monaten dichter dran. draußen! 10/04 6 WARTEN Hartz IV: Sozialamt im Stress Manchmal möchte man, dass die Politiker, ihre Beschlüsse selbst umsetzen, stöhnt man in den Behörden Seitdem klar ist, dass Hartz IV am 1. Januar in Kraft tritt, sind Sozial- und Arbeitsamt im Dauerstress. Fast alle Anträge auf Arbeitslosengeld II (ALG II) sind verschickt, aber erst knapp 15 Prozent sind an die Behörden ausgefüllt zurückgegangen. Nur wer bis Ende Oktober seinen Antrag abgegeben hat, kann pünktlich sein Geld im Januar bekommen. Viele aber warten damit, weil sie befürchten, dass Änderungen der Richtlinien nur bei den Anträgen beachtet werden, die nach deren Inkrafttreten eingehen. Diese Angst ist unbegründet: Jeder erhält seine Zahlung auf der gleichen Rechtsbasis, egal wann der Antrag abgegeben wird 17.000 Münsteraner in 9.000 Haushalten sollen pünktlich ihr erstes Arbeitslosengeld II auf dem Konto haben. Julius Reimer berichtet, wie sich die Behörden auf den Tag X vorbereiten. finanziellen Situation des Partners und dem geschätzten Wert des eigenen Autos. Oft sind Nachweise vom Vermieter oder Arbeitgeber verlangt, die ja auch gern einige Zeit auf sich warten lassen. Durch das Gewirr aus „wenn ja“ und hinterher gibt. Und so geht man mit einem Gefühl der Unsicherheit wieder nach Hause. Dennoch läuft alles bisher relativ ruhig. Für politische Diskussionen sind die Behörden ja auch nicht zuständig. Dabei vergessen die Behörden aber etwas: Wenn man jetzt seinen Fragebogen abgibt, ist der eingetragene Kontostand vielleicht höher als der am Jahresende. Welcher Papa plündert nicht sein Gähnende Leere: Bislang sind nur wenige Anträge auf ALG II zurückgekommen Sparkonto, um den Kindern Weihnachtsgeschenke zu „wenn nein“ oder Begriffen Nur beim Thema „Nachbesse„Beleihungszinssatz“ rungen“ horchen die Bearbeikaufen? Und im Extremfall wie kriegt man dann im Januar blickt kaum einer durch. Des- ter der Anträge auf. Die mag kein Geld, weil die Ersparnis- halb rufen die Behörden dazu der Leiter der Agentur für se auf dem Papier über dem auf, sich von ihnen helfen zu Arbeit in Münster, WolfFreibetrag liegen, obwohl die lassen. Obwohl sie zugeben, Rüdiger Schwedhelm, gar in Wirklichkeit gar nicht mehr dass die eigenen Berater auch nicht, denn die müssen die erst einmal eingearbeitet wer- Mitarbeiter erst noch erreiso sind. chen und in die Software einden mussten. gearbeitet werden, was die Die meisten haben aber schlicht Schwierigkeiten Deshalb wird auch die fristgerechte Bearbeitung der beim Ausfüllen, denn der Geduld der Antragssteller Anträge zusätzlich erschwert. Antrag kann unter Umständen beim Amt auf die Probe Im Moment weiß scheinbar 18 Seiten umfassen, ein- gestellt. Noch niemand kann keiner so genau, ob und welschließlich Fragen nach der genau berechnen, wie viel es che Änderungen kommen. draußen! 10/04 Das betrifft auch das Budget für die Umstellung. Ab Januar ist nämlich nicht mehr das Sozialamt allein für die Sozialhilfeempfänger zuständig und die Agentur nur für die Arbeitslosen. Stattdessen kümmern sich Sozialamt und die Bundesbehörde Arbeitsamt jeweils um bestimmte Leistungen für dieselbe Person. Zwar kriegen die Behörden dafür mehr Geld zur Verfügung als vorher - für Überstunden und die sieben „Leiharbeiter“ von der Telekom, die aushelfen. Ob die Finanzen im Plus- oder Minusbereich sein werden, wird frühestens Mitte 2005 klar sein. Dabei ist die Arbeitsgemeinschaft in Münster noch verhältnismäßig gut dran, weil die Agentur für Arbeit und das Sozialamt für den gleichen Einzugsbereich und damit die gleichen Personen zuständig sind. In anderen Gemeinden ist es manchmal sogar so, dass die Agentur aus einem anderen Bundesland zuständig ist. Dort gestaltet sich die Umsetzung noch schwieriger. Wenn die holperige Anlaufphase erst einmal überwunden ist, soll aber alles besser werden, als heute: Statt für jetzt noch 500 Arbeitsuchende soll -hd der Berater in der Agentur nur noch für 150 zuständig sein. Bei Jugendlichen nur noch für die Hälfte. Mit ihnen soll der „Case-Manager“, also der Abeitsberater ein passendes Förderungsprogramm ausarbeiten. Dass allein so noch keinem wirklich geholfen ist, weiß auch Schwedhelm: „Dadurch werden natürlich keine Jobs geschaffen. Wie viel besser es wird, hängt eben vom Arbeitsmarkt ab.“ Und der sieht bekanntlich alles andere als rosig aus. WARTEN Außerdem wird die neue und bessere Quote von Arbeitsberater nicht zum ersten Januar geschafft. Auch wie sie 2005 erreicht werden soll, scheint noch unklar. „Eine große Einstellungswelle ist nicht zu erwarten“, sagt Schwedhelm. Vielleicht werden zusätzlich private Arbeitsvermittler beauftragt. Künftig müssen die Empfänger von ALG II für die verschiedenen Leistungen zwischen Agentur und Sozialamt hin- und herlaufen. Wenn mit den Arbeitsvermittlern noch ein dritter Standort dazu käme, stieße das wohl auf wenig Gegenliebe. „In ferner Zukunft soll vielleicht ein gemeinsames Gebäude entstehen“, sagt Sozialdezernentin Agnes Klein. Wohnraum rar. Sollte einem doch ein Umzugsbescheid ins Haus flattern, so hat man bis zu sechs Monate Zeit sich eine neue Bleibe zu suchen, so lange wird die Miete weitergezahlt. Nach vorheriger Abstimmung mit der zuständigen Stelle werden dann auch Renovierungsund Umzugskosten und Kautionen übernommen. „bedürftig“ sind und möglicherweise kein ALG II bekommen“, steht in einem Presse-Info der Stadt. Das 7 richt Münster. Sie fügt hinzu: „Alleinerziehende, ehemalige Sozialhilfeempfänger werden durch Hartz Auch sollen -jr so gut wie Sorgen im Sozialamt: Stell dir vor es gibt Hartz IV und keiner füllt den Antrag aus alle Sozialhilfeempfänger und ihre ist schlichtweg eine Unter- IV besser gestellt.“ Und der Angehörigen ALG II treibung: Nach Schätzungen Freibetrag hat sich für die berechtigt sein. „Nicht aus- werden es in Deutschland ehemaligen Sozialhilfezuschließen ist es, dass eini- eine halbe Million Men- empfänger um fast 2.000 ge Bezieher von Arbeitslo- schen sein, die nichts mehr Prozent erhöht. (Da stellt kriegen, weil sich die Frage, woher das ihr Partner ein plötzliche Vermögen, für den höheren Freibetrag ausreichendes ohne Job kommen soll). Einkommen oder sie „zu Noch mal verdoppeln kann viel“ Vermö- sich das, wenn man eine gen haben. Altersvorsorge getroffen hat. Voraussetzung ist allerVorläufige Zahlen wurden dings eine bis zum 60. festgelegte für Münster Geburtstag noch nicht her- Lebensversicherung. ausgegeben. Wer die als ALG II EmpTrotz finanzi- fänger bekommen und eller Einbußen bezahlen soll, steht nirfür so man- gends. chen hofft man dennoch auf eine Verbesserung der LebenssituatiWarten auf den 1. Januar: Tag und Nacht stehen die Sachbearbeiter bereit -hd on für viele Weitere Informationen gibt Münsteraner: es im Internet unter weil auch nach örtlicher senhilfe, die nicht auf „Die Armut in Münster ist Sozialhilfe weiblich und hat Kinder“, www.arbeitsagentur.de, Wohnungsmarktsituation ge- ergänzende www.bmwa.bund.de. urteilt werden soll. Und in angewiesen sind, nach den so Agnes Klein und zitiert Münster ist preiswerter Kriterien von Hartz IV nicht damit aus dem ArmutsbeVorläufige Entwarnung gibt sie in einem Punkt: Die befürchtete Umzugswelle soll ausbleiben. Eine Prüfung der Wohngeldstatistik habe ergeben, dass die Wohnungen im Großen und Ganzen angemessen seien - vor allem, draußen! 10/04 8 E I N F A LT Rechtsrock: Neue doitsche Marschmusik Wissen Sie, welche Musik Ihre Sprößlinge hören? Haben Sie schon mal nachgeschaut, ob zwischen Metalica und Motörhead nicht auch Landser und die Zillertaler Türkenjäger stehen? Seit geraumer Zeit blasen Neona50.000 CDs mit rechtsradikaler Rockmusik, kostenlos verteilt vor bundesdeutschen Schulen - kurz vor den Sommerferien kündigten Neonazis im Internet ein Vorhaben an, das es in dieser Größenordnung hierzulande noch nicht gegeben hat. Über 50 Organisationen sollen den Sampler mit dem Titel „Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund“ gemeinsam finanziert haben. „Auf breiter Front haben sich die Rechtsextremisten zusammengetan, um diese Aktion systematisch und konspirativ durchzuziehen“, warnt Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens. „Die Versuche der Szene, Jugendliche für sich zu manipulieren, haben damit eine neue Dimension erreicht.“ Die Lehrer wurden angehalten, ihre Schützlinge vor den braunen Rattenfängern eindringlich zu warnen. Noie Werte, Stahlgewitter und Spirit of 88 - auf dem brisanten Tonträger ist fast alles vertreten, was in der SkinheadSzene Rang und Namen hat. Die politische Botschaft ist hübsch gruselig verpackt. „Man will euch glauben machen, dass wir Baseballschläger schwingende Monster sind“, beschwört eine pathetische Stimme die jungen Hörer am Anfang der CD und beklagt die „antideutsche Geschichtsschreibung, die an allen Schulen gelehrt wird und nur Deutsche als Täter draußen! 10/04 zis nämlich zur Musikoffensive an deutschen Schulen und erreichen damit nicht nur eingefleischte Glatzköpfe. Manche Abi-Party gewinnt durch Störkraft erst an Fahrt. Ein Bericht von Gerrit Hoekman. sieht.“ Wer wissen möchte, wie das Dritte Reich wirklich war, findet im Beiheft eine Reihe einschlägiger Kontaktadressen. Weil das Amtsgericht in Halle den Vertrieb vorerst verboten hat, haben die Herausgeber scheinbar die „Aktion Schulhof“ erst einmal zähneknir- Neue Deutsche Welle schend auf Eis gelegt. „Es hat Probleme gegeben, welche nicht vorhersehbar waren und uns aus der Bahn warfen“, erklärt ein Verantwortlicher im Internetforum des rechten „Freien Widerstands“. Die Entscheidung der Richter mache es im Augenblick unmöglich, den Sampler unter die Leute zu bringen. „Jeder Verteiler macht sich strafbar!“ Immerhin drohen Haftstrafen bis zu einem Jahr. Die Kameraden indes wittern Betrug und vermuten, die durch Spenden finanzierte CD solle gar nicht mehr gepresst werden. 380 rechtsradikale Bands gibt es im deutschsprachigen Raum, schätzt der Sozial- -manü pädagoge Jan Raabe, der die nationale Musikszene seit langem beobachtet. Gemeinsam mit Christian Dornbusch hat er im Münsteraner UnrastVerlag das Buch „Rechtsrock - Bestandsaufnahme und Gegenstrategie“ herausgegeben, ein Standardwerk in Sachen brauner Musik. Seit geraumer Zeit, so die Autoren, versuche die Szene verstärkt auch bislang unpolitische Jugendliche für ihre Ideale zu begeistern. Rechter Rock sei dabei ein Erfolg versprechendes Vehikel. Schon der bei einem Autounfall ums Leben gekommene Sänger der berüchtigten englischen NaziKultband Skewdriver, Ian Stuart Donaldson, hatte erkannt, dass Konzerte bei den Kids besser ankommen als langweilige Parteiabende: „Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus nahe zu bringen.“ Rechtsrock als Einstiegsdroge. Selbst Bands, die auf dem Index stehen, wie die Zillertaler Türkenjäger oder Landser, verkaufen ihre CDs weit über den rechten Rand hinaus. „Landser sind Popstars“, urteilt der Journalist Michael Weis. „Ihre Rockmusik mit eingängigen Rhythmen und Texten teilweise auf Ohrwurm-Niveau, ist nicht nur professionell, sie ist auch Standard auf vielen SchülerPartys.“ Alleine in Ostdeutschland, wo Landser besonders populär sind, sollen etliche Zehntausend CDs der verbotenen Band auf dem Markt sein. Inzwischen hat auch die altbackene NPD die Macht der Musik erkannt. Bislang galt sie strammen Skinheads als piefige Partei, „Scheitelträger“ hießen die Braunhemden in der Szene nur. Doch die Nationaldemokraten geben sich mittlerweile extrem hipp. Im sächsischen Wahlkampf verschenkten sie angeblich 25.000 CDs mit rechtsradikaler Rockmusik. Auch hier geben sich die bekannten Größen wie Spreegeschwader ein Stelldichein. Titel des Samplers: „Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag!“ Als der Verfassungsschutz Wind von der Sache bekam und die Räume des NPD nahen Labels „Deutsche Stimme“ durchsuchte, fand sie nur noch 700 9 ABGEHEN Tonträger. Der Rest, so vermutet man, war bereits verteilt. Das Amtsgericht Riesa verbot den weiteren Vertrieb. Holger Apfel, Spitzenkandidat der NPD in Sachsen und Geschäftsführer der „Deutschen Stimme“, droht, die Landtagswahl anzufechten, sollte seine Partei an der FünfProzent-Hürde scheitern. Das Urteil des Amtsgerichts ist von einer höheren Instanz inzwischen aufgehoben worden: an den Texten sei strafrechtlich nichts auszusetzen. Nun will die NPD den Sampler bundesweit verteilen. Die neue Taktik der Nationalen kommt an: Vor allem den Erstwählern haben sie es zu verdanken, dass sie mit Pauken und Trompeten in den Dresdner Landtag eingezogen sind. Jeder zweite von ihnen machte sein Kreuzchen bei der NPD, damit ist die Partei bei den Jungwählern die zweitstärkste Kraft in Sachsen - das bedrückendste Ergebnis der Landtagswahl. Schon Ende letzten Jahres hatten die Neonazis zwischen Elbe und Weser die rechtsradikale Schülerzeitung „Der Rebell“ verteilt. Demnächst soll der in Sachsen erfolgreiche Sampler „Schnauze voll“, so berichten Zeitungen, auch bundesweit dankbare Abnehmer finden. Erst allmählich wehren sich Lehrer und Schüler gegen den wachsenden Einfluss rechter Rockmusik an den Schulen. In Ostdeutschland ist eine Gegen-CD geplant, und in Nordrhein-Westfalen sollen nach dem Willen des Innenministers radikale Rockbands Thema im Unterricht sein. Die Szene indes weiß auch hier Rat: „Solltet ihr mit euren Lehrern Probleme kriegen wegen dem Besitz einer solchen CD“, empfiehlt eine Kameradschaftsseite im Internet, „besteht unbedingt darauf, dass sie euch zurück gegeben wird. Lasst euch nichts gefallen!“ Und während an deutschen Schulen noch diskutiert wird, wie man der braunen Musikoffensive am besten entgegentritt, droht schon die nächste Attacke. Die amerikanische „Blood & Honour“Bewegung (Blut & Ehre) rüstet mit einem Tonträger zum Lauschangriff auf deutsche Schüler und Jugendliche. Der Name des Labels, in dem die CD erscheinen soll, lässt Schlimmes fürchten - Panzerfaust Records. Wehrt Euch! „Brothers Keepers“ ist ein antirassistisches Projekt deutscher Musiker mit schwarzer Hautfarbe. Zu den Gründern gehört unter anderem Xavier Naidoo, einer der erfolgreichsten Sänger in der Bundesrepublik. Im Lied „Adriano - Letzte Warnung“ erinnern Brothers Keepers an den von Neonazis ermordeten Alberto Adriano aus Mosambik: Das ist so was wie eine letzte Warnung Denn unser Rückschlag ist schon längst in Planung Wir fallen dort ein, wo ihr auffallt, Wir bieten eurer braunen Scheiße endlich Aufhalt Denn was ihr sucht, ist das Ende Und was wir reichen sind geballte Fäuste und keine Hände Euer Niedergang für immer. Und was wir hören werden, ist euer Weinen, euer Gewimmer. Good bye, Johnny! Man könnte glauben, die Mitglieder der New Yorker Punkband Ramones hätten Zeit ihres Lebens neben dem Atomkraftwerk Harrisburg gewohnt. Kurz nacheinander haben drei Mitglieder das Zeitliche gesegnet. Vor drei Jahren starb Sänger Joey Ramone an einer seltenen Form von Leukämie, ein Jahr später gab Bassist DeeDee Ramone nach einer Überdosis Heroin Löffel, Spritze und Zitronensäure ab und nun hat es auch Gitarrist Johnny Ramone erwischt. Der Kopf der Ramones kokettierte mit seiner Begeisterung für Ronald Reagan und spielte die Rolle des Reaktionärs. Im Song „Bonzo goes to Bitberg“ zogen ihn deshalb seine Bandkollegen kräftig durch den Kakao. Johnny Ramone starb Anfang September an Prostatakrebs. Joey, DeeDee, Johnny sind gegangen: Marky ist allein zu Haus -ramones Künast rät zum Hamstern: Ob unsere Verbraucherschutzministerin wohl einen geheimen Vertrag mit der REWE-Handelskette abgeschlossen hat? Oder macht sie sich einfach nur Sorgen? Sollten wir ihrer Empfehlung nachkommen und uns mit Hamsterkäufen gegen Katastrophen und Terror schützten? Aufgrund der veränderten Sicherheitslage nach dem 11. September, so Renate Künast, sei es clever, vorzubeugen, meldet T-Online. Als Ration für zwei Wochen empfiehlt die Ministerin unter anderem 250 Gramm Hartkekse, 50 Gramm Knoblauchzwiebel und sechs Baby-Salami. Frohnatur Otto Schily verlangt indes: „Wir dürfen uns nicht von der Terrorgefahr die Lebensfreude verderben lassen.“ „Berniebärchen“ kommt nach Münster! Wir wissen, manche schlagen jetzt die Hände über dem Kopf zusammen, aber wir mögen Bernd Stelter, den lustigsten Westfalen seit Jan van Leiden. Weil „Berniebärchen“ anders ist. Ein stiller Sportsfreund, der Dönekes aus seinem Alltag erzählt. Keiner, der Grimassen schneidet oder schlüpfrige Zoten lustig findet. Am 4. November kommt Bernd Stelter in die Halle Münsterland. Ach ja, Kalle Pohl und Bernhard Hoecker („Genial daneben“) bringt er auch noch mit. draußen! 10/04 10 LEID Selbstverletzung: Sucht nach Schmerz Narben an den Armen, aufgekratzte Haut, blutende Wunden - wenn die Seele schmerzt und keinen Ausweg findet, versuchen immer mehr junge Leute, die innere Qual zu betäu ben, indem sie sich selbst verletzen. Was für „Es ist zum aus der Haut fahren“, erzählt Silke. Wenn sie an ihre Kindheit denkt und ihr die Angst im Nacken sitzt, fühlt sich die 20jährige weit, weit weg. Von sich. Ihrem Körper. Dem Trauma. „Wenn ich dann zum Messer greife und mir die Haut aufschneide, ist das, als würde man aus einem prall gefüllten Ballon die Luft rauslassen“, erzählt Silke, deren wirklicher Name nichts zur Sache tut. Der Schnitt in die Haut bringt für einen Moment die Erleichterung. andere unvorstellbar ist, gehört für die Betroffenen zum Alltag wie Frühstück und Aben dessen. Schlimmer noch: Selbstverlet zung kann sogar zur Sucht werden. Ein Bericht von K a t h a r i n a G r ü t z m a c h e r . fühlen sich die Betroffenen wie zuvor: dumpf und leer. Ein Teufelskreis. Am häufigsten werden Rasierklingen, Messer und Scherben benutzt; oft werden auch bereits vorhandene Wunden wieder aufgekratzt. Manche drücken brennende Zigaretten auf die Haut, verbrühen sich mit den und entstellende Narben. „Ich habe den ganzen Sommer nur lange Sachen getragen, damit niemand die hässlichen roten Narben auf meinen Armen sieht“, sagt auch Silke. Die Ursachen für selbstverletzendes Verhalten sind weit 800.000 Menschen leiden in Deutschland unter dem Drang sich selbst zu verletzten. Die Dunkelziffer liegt nach Expertenmeinung in Millionenhöhe. Tendenz steigend. Überwiegend sind es Frauen, die mit körperlichem Schmerz ihre innere Qual betäuben wollen, der Anteil der betroffenen Männer liegt bei gerade mal fünf Prozent. Das liegt daran, dass Selbstverletzung meistens eine Reaktion auf sexuellen Missbrauch ist und Mädchen häufiger Opfer sind als Jungen. Den Schmerz mit Schmerz bekämpfen? Für Außenstehende klingt das absurd, ist aber simple Biologie. In extremen Situationen, wie es auch bei starkem Schmerz der Fall ist, schüttet der Körper Glückshormone aus, sogenannte Endorphine. Die Wirkung jedoch ist kurz: Schon nach einer halben Stunde draußen! 10/04 Schmerz als Droge heißem Wasser und verätzen sich mit Säure. Während sich die einen nur leicht kratzen, schneiden sich andere tief ins eigene Fleisch und verletzen dabei Gefäße und Nervenbahnen. Folge: bleibende Schä- -kg gefächert. Es gibt kaum Fälle, in denen Selbstverletzung isoliert vorkommt. Die Betroffenen leiden oft auch unter Persönlichkeitsstörungen, haben schwere Traumata oder Angsterkrankungen. Meist ist das Verletzen des eigenen Körpers auch nicht das einzige selbstschädigende Symptom: Essstörungen, Tabletten und Alkohol sowie eine extrem ungesunde Lebensweise sind nicht selten. Der eigene Körper wird als etwas Fremdes empfunden, zu dem jede Verbindung fehlt. „Ich bin dann gar nicht mehr in meinem Körper“, beschreibt Silke. „Er ist dann nur noch etwas, das halt da ist, aber ich fühle überhaupt keine Verbindung zwischen mir und diesem Stück Fleisch.“ Die junge Frau ist dann im wahrsten Sinne „außer sich“ und spürt keinen körperlichen Schmerz, den die Selbstverletzung eigentlich verursacht. Weh tut es erst, wenn sie wieder in ihren Körper „zurückgekehrt“ ist. Sich selbst zu verletzen ist wie ein Rausch. „Als ob ich überflutet werde von Leere und Hoffnungslosigkeit“, erzählt Silke. „Als würde ich aus dem Leben geschwemmt und in einer einsamen und traurigen Welt wieder angespült.“ In diesem Zustand ist ihr oft nicht mehr bewusst, wie schwer sie sich verletzt. Neben dem Gefühl der Erleichterung gibt es noch weitere Gründe, warum sich Menschen selbst Schmerzen zufügen. Zum Beispiel als Strafe. „Ich habe mir immer die Arme aufgeschnitten, wenn ich unzufrieden mit mir war oder wenn ich Fehler gemacht habe“, erzählt Anna, die ihren echten Namen ebenfalls nicht in der Zeitung sehen möchte. Die 23jährige hat es inzwischen geschafft einen anderen Umgang mit ihren Problemen zu finden nach jahrelanger, intensiver Therapie. Manchmal ist es für die Betroffenen auch eine Art 11 PROVO Reinigungsritual: „Der Dreck muss aus meinem Körper gespült werden.“ Im totalen Gefühlschaos die letzte Möglichkeit von Selbstbestimmung. „Ich habe mich stärker gefühlt, mir mit jedem weiteren Schnitt bewiesen, wie viel ich aushalten kann. Das hat mir die Angst genommen“, erinnert sich Anna. Den seelischen Schmerz hat sie trotzdem nicht ausgehalten, der hat sie immer wieder eingeholt. Ein Teufelskreis. Oft folgen Scham, Selbstvorwürfe und Ekel - neue Gründe zur Rasierklinge zu greifen. Außerdem muss, wie bei einer Droge, der Schmerz immer weiter gesteigert werden, um überhaupt noch die erhoffte Erleichterung zu erlangen. Ärzte und Therapeuten betrachten die Selbstverletzung oft als „stillen Hilferuf“. Ein Versuch den seelischen Schmerz sichtbar zu machen. In der Therapie geht es in erster Linie darum, andere Wege zu finden mit den zerstörerischen Gefühlen und Gedanken fertig zu werden. Die Patienten sollen einen fürsorglichen Umgang mit sich lernen und ihren Körper wieder wahrnehmen. Selbstverletzung nicht mehr als „Arznei gegen den seelischen Schmerz“ ansehen, sondern verstehen, dass es viel liebevollere Wege gibt, dauerhaft Erleichterung und Ruhe zu finden. Auch Silke sucht neue Wege aus ihrer traurigen Welt. Mit Hilfe von Imaginationsübungen erinnert sie sich an sichere Plätze ihrer Kindheit, sobald die unerträglichen Gedanken und Erinnerungen wiederkehren. „Ich will nicht mehr gegen meinen Körper kämpfen, sondern mit ihm für mich.“ Satiremagazin „Titanic“ gründet Die PARTEI Ostdeutschland muss wieder SBZ werden! „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten - außer wir!“ Die Parole der neuen politischen Kraft in Deutschland ist hart aber herzlich. Bei der Landtagswahl in NRW will Die PARTEI zum ersten Mal die Republik aufmischen. Ähnlichkeiten mit untergegangen deutschen Massenorganisationen sind übrigens in Habitus und Inhalt beabsichtigt. Der Landesparteitag soll Ende Peter Wolter: Herr Sonneborn, sind Sie ein Irrer wie der Berline Kurier behauptet? Martin Sonneborn: So geistig klar wie im Moment habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Das Wetter ist gut, ich kann die Füße hochlegen, und die Mitgliedsanträge für unsere neue Partei blockieren das Fax. Die Anträge kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, auch aus Ostdeutschland. Wolter: Das Ziel Ihrer Partei ist es, die Berliner Mauer wieder zu errichten. Damit liegen Sie offenbar voll im Trend: Rund 20 Prozent wünschen sich angeblich die Mauer zurück... Sonneborn: Stimmt, da gibt es ein großes Wählerpotential. Deswegen haben wir jetzt auch eine Parteizentrale in Berlin, natürlich in der Mauerstraße, Nr. 23. Oktober in Münster stattfinden. Einen Ortsverband gibt es bereits. Ziel ist unter anderem die bauliche Trennung der Innenstadt von Coerde, Gievenbeck und Kinderhaus. Außerdem fordert Die PARTEI die Verstaatlichung der Tillmann-CDU. Peter Wolter sprach für die „Junge Welt“ mit dem Parteivorsitzenden und Chefredakteur der „Titanic“ Martin Sonneborn. kampf angekündigt. Noch populistischer als andere Parteien, wenn das überhaupt möglich ist. Ich denke, dass wir uns dann vor Stimmen kaum retten können. glieder. Diese Größe ist eins unserer kleineren Ziele. Wolter: Hat Ihre Partei denn auch immer recht? Sonneborn: Und selbstverständlich werden wir genau wie Walter Ulbricht damals die Mauer bauen lassen. Sobald uns der Wähler die Möglichkeit dazu gibt. Wolter: Sie kennen das Zitat „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“? Wolter: Und wer soll die Mauer bauen? Sonneborn: Wir wollen Leute in Lohn und Brot bringen, das gibt Aufträge für die am Boden liegende Bauwirtschaft. Wir werden auch die Großindustrie einspannen. Das hat ja auch Tradition, dass sich die Industrie gut stellt mit kleinen, extremistischen Parteien, die nach der Die PARTEI nimmt Anlauf auf den Landtag -titanic Macht greifen. Wolter: Wie stellen Sie sich das praktisch vor mit dem Wiederaufbau der Mauer? Für den Anfang erst mal ein Probemäuerchen bauen? Sonneborn: Bestimmt. Wir haben einen extrem schmierigen und populistischen Wahl- Sonneborn: Bis jetzt schon. Wir haben bei dem Namen „Die PARTEI“ darauf gesetzt, dass dieser Markenname sowohl im Westen als auch im Osten eingeführt ist. Schon die Großväter vieler Mitglieder waren in der Partei. Und die hatte gegen Kriegsende immerhin acht Millionen Mit- Wolter: Das müsste doch auch im Sinne des jetzigen Kanzlers sein, oder? Sonneborn: Der jetzige Kanzler wird dann nicht mehr viel zu sagen haben. Der rettet sich doch nur über die Zeit und steuert gerade seine Partei in den Untergang. draußen! 10/04 12 ELCHTEST Estland: Wer nervt, wird in den Wald geschickt „Der Bauch ist voll, weil die Großmutter zu Besuch war.“ Was sich im Deutschen eigenartig anhört, reimt sich auf estnisch: „Kôht on täis, tänu vanaema küllas käis.“ Manchmal sagen die Esten diese Redewen Man sollte ruhig ein paar Brocken Estnisch lernen. Und sich dann auch trauen sie anzubringen, denn die Balten freuen sich sehr, wenn jemand ihre Sprache spricht. Einerseits weil das nur selten vorkommt, und andererseits weil die Esten in der Geschichte häufig unterdrückt wurden, und die Sprache deshalb ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität geworden ist. Nicht umsonst sagt ein Sprichwort „Este sein heißt Estnisch sprechen!“ Gewöhnungsbedürftig ist die mit Finnisch verwandte Sprache: Wer würde sich über ein Wort wie „jäääär“ (Eiskante) nicht wundern? Zu den beiden anderen baltischen Sprachen, Lettisch und Litauisch, besteht übrigens keine Verwandtschaft, Esten verstehen in Riga und Vilnius kein Wort. Aber aus der Zeit der Sowjetunion können viele noch Russisch. Da Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Estland einmaschierte, fürchtet vielleicht mancher Reisende aus Germanien, die Esten könnten abweisend reagieren. Diese Sorge ist meistens unbegründet, denn in den Köpfen der Menschen überschatten die Schrecken der sowjetischen Besatzung die der Nazis. Ein Grund, weswegen die Russen - beziehungsweise die Esten russischer Abstammung draußen! 10/04 dung, wenn sie mit dem Essen fertig sind. Es ist sowieso ein merkwürdiges Völkchen, was sich da im hohen Norden angesiedelt hat. A l m u t W i e m o l d h a t d i e k l e i n e R e p u blik im Sommer vierzehn Tage besucht. von vielen „echten“ Esten nicht akzeptiert werden. Immerhin sind ein Viertel der 1,4 Millionen Staatsbürger russischer Abstammung. In der Stadt Narva, nahe der Grenze zu Russland, wohnen fast ausschließlich estnische Tradition und Moderne Russen. Hier wird dem Besucher der sowjetische Einfluss durch Plattenbauten und rostige Einheitsspielplätze besonders bewusst. Die andere Seite Estlands ist die skandinavische, erkennbar an den typischen Holzhäusern in allen erdenklichen Farben, den Saunen und natürlich auch der Landschaft, denn in Estland gibt es viel Wald. Oft ist die Natur noch sehr urtümlich. Außerhalb der Städte trifft man häufig stundenlang keine Menschenseele. Kein Wunder, denn nur etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt auf dem Land. Trotzdem sind die Esten sehr naturverbunden, und so sieht man oft Leute mit einem Korb im Wald Pilze sammeln. Bei einem Spaziergang durch den Wald kann man durchaus auch auf einen Elch, Wolf oder sogar Bären treffen, auch wenn mir das auf meiner Reise nicht passiert ist. Wo Wald eine so wichtige Rolle spielt, schlägt sich das natürlich auch auf Kultur und Sprache nieder: „Mine metsa!“, was sinngemäß „Verschwinde!“ heißt, bedeutet wörtlich übersetzt „Geh - aw doch in den Wald!“. Ein besonders naturverbundenes Fest findet in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni statt, wenn es über 19 Stunden hell ist und es auch nachts nicht richtig dunkel wird. Die Esten fahren raus in die Natur, sitzen am Lagerfeuer, tanzen, singen und trinken Bier. Wenn das Feuer schon etwas kleiner geworden ist, hüpfen die Mutigsten drüber, um das Böse des vergangenen Jahres abzuschütteln. Außerdem sucht man nach blühendem Farn, den es nur in dieser Nacht geben soll (eigentlich aber überhaupt nicht gibt), und der einem Reichtum und Glück verschaffen soll. Aber wer glaubt, Estland sei deshalb technisch zurückgeblieben, täuscht sich gewaltig. Der baltische Staat ist das erste Land mit einer sogenannten „E-Regierung“. Kabinettsitzungen des Parlaments finden mit Computer und ohne Papier statt, Gesetzentwürfe können die Bürger im Internet lesen und ihre Meinung dazu kundtun. Der Staat spart auf diese Weise 200.000 Euro pro Jahr für Kopien und Papier. Die Banken in Estland haben kaum Publikumsverkehr, denn die Hälfte der Esten nutzt Internet-Banking. Überall im Land gibt es Internetzugänge, die man oft kostenlos benutzen kann. Bustickets und Parkscheine kann man per Handy bezahlen. Auch das einfache und rustikale Essen verrät viel über die Mentalität der Esten. Typisch ist zum Beispiel das „küüslauguleib“, gebratenes Knoblauchbrot mit Dipp. Insgesamt essen die Esten für Nordeuropäer überraschend viel Knoblauch. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das „leib“, ein säuerliches Brot, das zu allen Speisen gereicht wird. Charakteristisch für die estnische Küche sind auch die Milchprodukte, wie „haps“ oder „kohuke“, die es in Deutschland überhaupt nicht gibt. Letzteres schmeckt ungefähr wie der Quark auf einem Käsekuchen. Ersteres ist unbeschreiblich, man muss die riesige Auswahl an verschiedenen Geschmacksrichtungen schon selbst probieren. Und wenn’s geschmeckt hat, kann man den Esten eine kleine Freude machen, indem man sagt: „Kôht on täis, tänu vanaema küllas käis!“ Auch wenn die Großmutter gar nicht zu Besuch war. 13 UNTERSCHLUPF Wohnnest: haben. Essen bei Kerzenschein, Frühstücks-Buffet, Grillen - den Kids gehen weder beim Essen noch beim Spielen die Ideen aus. Das kleine Kinderhotel Kinderhaus ist den meisten Münsteranern eher als Stadtteil mit Hochhäusern in tristen Graustufen und ein paar Neubausiedlungen bekannt. Dass sich aber hier auch eine Art Kinderhotel für Kids mit Behinderungen im Im Neubaugebiet Dauvemühle befindet sich seit 1999 das Wohnnest, eine Kurzzeiteinrichtung für geistig behinderte Kinder. Dort ermöglicht die „Lebenshilfe“ den Kids bis zu vier Mal im Jahr einfach ein Wohnnest: viel Platz zum Toben paar Tage oder Wochen „Urlaub“ von zu Hause zu machen. Es sind aber keine „All-Inclusive“-Aufenthalte, die hier geboten werden, sondern die Kinder müssen mit anpacken. Die Mitarbeiter legen Wert darauf, die kleinen Urlauber so selbständig wie möglich leben zu lassen. Es wird gemeinsam gekocht, geklönt und gegessen. Fast wie in einer richtigen Familie, nur dass im Wohnnest immer Aktion angesagt ist! Das Kinderhotel besteht aus zwei Hälften. Die eine bietet Platz für zwölf Kurzzeit-Gäste, die andere haben Kids, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Eltern leben können als Langzeitsuite gebucht. Im Laufe eines Jahres trudeln bis zu 120 kleine Gäste Alter zwischen vier und 21 Jahren befindet, wird den meisten neu sein. „draußen!“-Autorin Dihia Wegmann hat sich das Wohnnest mal genauer angeschaut und Interessantes erfahren. im Wohnnest ein, und für jeden steht ein eigenes Zimmer bereit - und die haben einiges zu bieten! Jeder Raum ist nach einem bestimmten Motto gestaltet: als Rennbahn im „Ferrari-Zimmer“, und im -dw „Dschungel-Zimmer“ wohnt auch Mogli. Die Suiten kann jedes Kind hingegen gemeinsam mit den Eltern nach Herzenslust selbst gestalten. Aber auch der Rest des Hauses ist liebevoll, bunt und gemütlich eingerichtet. Ein Wunder, dass noch kein Kind im Flur wohnen wollte! Im Haus befinden sich genug Möglichkeiten zum Toben, Malen, Basteln oder Faulenzen. Es gibt einen aufregend gestalteten Toberaum, einen gemütlich eingerichteten Snoozleraum, in dem die Kinder entspannen können. Der Renner ist hier das Wasserbett! Im Wohnzimmer lädt eine Hängematte zum Seelebaumelnlassen ein und im Badezimmer kann man herrlich plantschen. Der Garten bietet Platz für sommerliche Grillfeste oder zum österlichen Eiersuchen. Auch ein Klavier und andere Musikinstrumente hat das Wohnnest und natürlich gibt es auch gemütliche Videonachmittage mit viel Popkorn. Und wenn’s mal etwas weiter raus gehen soll, werden die Kids kurzerhand in die zwei hauseigenen Bullis gesetzt: Und ab zum Zoo! „Wir nutzen alles, was Münster zu bieten hat“, sagt Ulrich Röttgering, der das Wohnnest leitet. Obwohl an allen Ecken und Enden in der Kinder- und Jugendarbeit gespart wird, trägt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe meistens die Kosten für den Aufenthalt. Hin und wieder finden sich auch großzügige Spender, die zum Beispiel Spezialbetten schenken und den Kindern ruhige Nächte bescheren. Ein gleich bleibendes Erziehungskonzept haben die ungefähr 40 Mitarbeiter nicht. „Wenn man genau hinschaut, laufen hier 120 kleine Konzepte rum“, erzählt Röttgering. Jedes Kind ist eben anders. Die Kinder lernen im Wohnnest Selbständigkeit und manche Eltern kommen aus dem Staunen nicht mehr raus, wenn der Zögling nach einer Woche dort ganz von selbst zu Hause plötzlich seinen Teller wegräumt. Beweis dafür, wie viel in ihnen steckt. Vielen Eltern fällt der Abschied auf Zeit schwerer als den Kindern. Urlaub heißt Loslassen. Die Gäste sind gerne im Wohnnest. Ein Mädchen be-stand sogar darauf, ihren 18. Geburtstag im Wohnnest zu feiern! Das Team organisierte eine rauschende Party und alle schwangen bis zwei Uhr nachts „Dschungel-Zimmer“: Einschlafen mit Mogli Was die sinnvolle Gestaltung der Freizeit angeht, sind die Kids gesunden Kindern sicher einen Schritt voraus. „Wir möchten Lebensqualität für geistig Behinderte entwickeln und zeigen, wie man es sich gemütlich machen kann“, so Röttgering. Das Wohnnest erwartet keine Leistung von den Kindern, sondern achtet darauf, was sie sonst noch zu bieten -dw das Tanzbein. Und am nächsten Morgen? Da geht’s natürlich trotzdem in die Schulen, wenn auch etwas müder als sonst. Dieses Jahr fand zum ersten Mal eine Ferienfreizeit für die Langzeit-Bewohner statt. Fünf Tage lang ging es ab in den Norden. Einhellige Meinung: genial! Eben ganz das Wohnnest. draußen! 10/04 14 KRAWALL Demonstrant zu mieten: Heißer Tipp für Couch-Kartoffeln Wer früher gegen Atomraketen auf die Straße ging, bekam von Rentnern am Straßenrand oft zu hören: „Ihr werdet doch aus Moskau bezahlt!“ Was damals grober Unfug war, hat eine clevere Agentur inzwiWas man sich nicht leisten kann, das leiht man. Ein altes Prinzip, das sich aber wachsender Beliebtheit erfreut. Leihen ist unverbindlich, günstig und praktisch. Ob Bücher, Mietwagen, Party-Ausrüstung, Geld oder Arbeitskraft alles lässt sich ausleihen. Jenseits der westlichen Industriegesellschaft läuft ein Großteil der Wirtschaft über Tausch. Und wie wir in der letzten Ausgabe der „draußen!“ erfahren haben, gibt es auch in Deutschland einige, die so verwegen sind, für eine reine Tauschwirtschaft einzutreten. Seitdem es sogar „Leihmütter“ gibt, sollte man sich über nichts mehr wundern: Eine junge Münchener Werbeagentur hat eine weitere Marktlücke im Segment „Leihen und Verleihen“ ausgemacht. Sie macht es möglich, seine eigene Meinung an einen Leihdemonstranten zu verpachten. Der geliehene Protestler vertritt die Interessen dort, wo die wirklich wichtigen Dinge entschieden wer- schen zu einem Werbegag gemacht: Den Leih-Demonstranten. Mit einem Pappschild bewaffnet, sagt er den Mächtigen in Berlin Ihre Meinung. Malte Koppe über eine Marktlücke. den: Direkt vor dem Reichstag in Berlin. Eine kluge Idee, haben doch Demonstrationen und Protestmärsche momentan wieder Konjunktur. So können nun auch Bitterfeld oder Wanne-Eickel ihren Unmut über Hartz IV stellvertretend in Berlin kundtun lassen. Vielleicht dringen die Unmutsäußerungen der Bevölkerung ja auf diese Weise bis zu den Abgeordneten durch. Die Jungunternehmer wollen mit der medienwirksamen Aktion Werbung für ihre Agentur machen. Die hat sich nämlich auf die Begeisterung junger Zielgruppen spezialisiert. Angaben auf ihrer Homepage zufolge möchten sie „der vorherrschenden Ansicht, deutsche Jugendliche wären politikverdrossen, etwas entgegensetzen“. Ob die hehren Ziele aber über ein Plakat vor dem Reichstag in Berlin erreicht werden können, scheint fraglich. Basisdemokratische Ansätze kann man der Idee der Agentur Durch den Verkauf unseres Straßenmagazins haben unsere meist wohnungslosen Verkäufer im Laufe der Jahre ihren Lebensunterhalt aufgebessert, so mancher hat den Wiedereinstieg in ein geregeltes Leben geschafft. Das muss so bleiben! Damit „draußen!“ existieren kann, brauchen wir Spenden und Sponsoren. „draußen!“ ist gemeinnützig, Spenden können von der Steuer abgesetzt werden. Sparkasse Münsterland-Ost Konto-Nr. 33 878 . BLZ 400 501 50 draußen! 10/04 allerdings unterstellen: Mit welchem Slogan sich der Aufsehen im deutschen Blätterwald gesorgt. Von taz bis FAZ - die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist der Werbeagentur sicher Die ganze Aktion ist nur möglich, da es sich bei dem EinMann-Protest nicht um eine Demonstration im rechtlichen Sinne handelt. Die dürfte nämlich vor dem Reichstag gar nicht stattfinden. Um das ehrwürdige Gebäude vor einem allzu großen Mob zu schützen, liegt rundherum „Rent a Streetfighter“: Job-Offensive für den Schwarzen Block geliehene Demonstrant vor dem Bundestag aufbaut, wird täglich demokratisch im Internet ermittelt. Jeder kann per SMS oder e-Mail einen Vorschlag für das Motto des Tages machen. Über die vier besten Einsendungen können die User dann online abstimmen. Unter dem Motto „Sparst Du noch oder lebst Du schon?“, „Die Renten müssen auch für die Jungen sicher sein“ oder „Der Welt zuliebe: Dear Americans, VOTE FOR KERRY!“ („Liebe Amerikaner, wählt Kerry!“) wurde in Berlin bereits demonstriert. Die Aktion hat bereits für -manü eine Bannmeile. Die Volksvertreter haben sich zu der Aktion bislang noch nicht geäußert. Zu übersehen ist die orange gekleidete „MiniDemo“ sicher nicht, aber bekannterweise kann man den Willen des Volkes ja auch geflissentlich überhören. Nähere Informationen zu den Initiatoren des Demonstrantenprojektes gibt es auf : www.meindemonstrant.de. 15 MISCHMASCH Anzeigen Gute Fee schickt Verkäuferin in Urlaub Das Portrait einer Verkäuferin des Hannoveraner Straßenmagazins „Asphalt“ in der April-Ausgabe der Zeitung nahm eine Leserin aus Hameln zum Anlass für eine großzügige Hilfe: In dem Artikel hatte Hannelore erzählt, dass sie noch nie am Meer gewesen sei, geschweige denn jemals Urlaub gemacht habe. Die Leserin sah das als einen unhaltbaren Zustand an und spendierte der Verkäuferin 500 Euro für eine Reise! Hannelore hatte damit nicht gerechnet und war so glücklich, dass sie tagelang nicht wusste, wohin mit ihrer Freude. Vom Urlaub mit ihrer Freundin, der für den September geplant war, wird sie der spendablen Frau eine große Dankeskarte schicken. Lob auf die deutsche Bürokratie Wer schon mal als Ausländer in Frankreich eine Bleibe gesucht hat, kennt vermutlich das lustige Spielchen, das sich die dortige Bürokratie für Wohnungssuchende ausgedacht hat. Alles fängt natürlich damit an, dass man überhaupt keine Unterkunft findet. Aber das ist ja fast überall so. Interessant wird es aber, wenn man dann was gefunden hat: Den Mietvertrag kann man nämlich nur abschließen, wenn man ein französisches Bankkonto hat. Das wiederum kann man aber lustigerweise nicht ohne gültige französische Adresse eröffnen. Zur Unterzeichnung ist außerdem eine Wohnungsversicherung notwendig. Die kann man aber nicht bar bezahlen, sondern muss sie mit einem Scheck begleichen. Und den bekommt man nur, wenn… na?!... genau: Wenn man ein Konto eröffnet hat. Und um das zu tun, braucht man eine Wohnung, und um das zu tun, braucht man… und so weiter. Jetzt mal ehrlich: Da haben wir in Deutschland es doch noch richtig gut, oder? Beim Kauf im Internet Gutes tun Auf dem virtuellen Marktplatz www.kaufen-mit-herz.de kann man bei Otto, Amazon und weiteren 400 Anbietern shoppen. Das Besondere dabei: Durchschnittlich drei Prozent des Preises geben die dort aufgelisteten Versandhäuser an die Stiftung Lebenshilfe. Diese unterstützt die ungefähr 450.000 geistig behinderten Menschen, die in Deutschland leben. Höhere Kosten als beim normalen Kauf im Netz entstehen für den Besteller nicht! Das Angebot geht von Autos über Reisen und Elektronik bis hin zu Kunst und Blumen. Wir machen eine gute Zeitung, aber wir brauchen Verkäufer, die sie unter die Leute bringen. Vom Verkaufspreis bekommt ihr 60 Cent. „draußen!“ besser als Sitzung machen. Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl Feldenkrais-Methode® Bewußtheit durch Bewegung® Funktionale Integration® Ludgeristr. 114 48143 Münster Tel./Fax: 0251-796707 Sieben Jahre bei den Zapatistas in Chiapas/Mexiko06.10.04 Die Brücke, Wilmergasse Am Mittwoch, dem 06.10.04 um 18:00 erzählt Gloria Munoz von ihrer Zeit bei den Zapatistas und ihrem gemeinsamen Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Gestaltet wird der Abend mit Gesprächen, einer Buchvorstellung, einem Film und einer Ausstellung. Einfach mal vorbei schauen, es lohnt sich! draußen! 10/04 16 CHANCE Allwetterzoo hilft Obdachlosem: Erst Arbeit, dann Heirat Nach fast 20 Jahren, die Jürgen Morzik (40) größtenteils in einer selbst gezimmerten Hütte im Wald hauste, hat er sein Leben komplett umgekrempelt. Er heiratete, zog in eine Wohnung und malocht im Allwetterzoo. Eigeninitiative, Solida- rität und ein wenig Glück ermöglichten den raschen sozialen Aufstieg des ehemaligen Obdachlosen. Wie die Münsteraner Behörden das neue Leben nach anfänglicher Unterstützung wieder gefährden, berichtet Julius Reimer. An den langen Haaren und Spaziergängen im Wald. dem buschigen Bart sieht Letztes Jahr hat sie ihn dann man Jürgen Morzik die angesprochen. „Ohne meine Naturverbundenheit noch ein Frau wäre ich jetzt auch bisschen an. Der in Bochum noch nicht so weit“, gibt er Geborene lernte Landwirt- dankbar zu. Sie holte ihn zu schaft und arbeitete im Mün- sich in die Wohnung und sterland, bevor er 1985 auf verfasste einen langen Brief der Straße landete. Nach zwei Jahren Platte machen in Bayern, kehrte er nach Münster zurück. Anfang der Neunziger entdeckte er das Wäldchen zwischen Zoo und Aasee, wo er sich eine Hütte aus Holz und Plastikplanen hämmerte, die für ihn fünfzehn Jahre lang sein Zuhause war. Gelebt hat er in dieser Zeit vom Betteln in der Stadt und einem kleinen Gemüsebeet, das er anlegte. Dem Staat hat er nicht auf der Tasche gelegen: Sozialhilfe kassierte er nur vier Tage Jürgen Morzik und Christian Wiemann lang, als er in Münster ankam. Dann hatte er auf an den Zoodirektor Jörg Behördengänge genauso Adler, in dem sie um Arbeit wenig Bock wie auf Wohn- für ihren damaligen Verlobheime oder Essens-Ausgabe- ten bat. Das brachte noch stellen. Morzik wurde vom eine ganz andere Sache ins Förster geduldet und zog Rollen... einfach sein eigenes Ding durch. Anfang der Neunziger, als Morzik sich seine BehauDoch es hat sich eine Menge sung im Wald zimmerte, kam geändert: Seit Juni ist Mor- auch Adler mit seiner Famizik verheiratet. Neun Jahre lie, dem Hausrat und 70 lang kannte er seine Marion Mark Übergangsgeld aus den nur vom Sehen, von ihren Neuen Ländern nach Mündraußen! 10/04 ster und baute sich eine neue Existenz auf. Bei den Spaziergängen mit seinem Hund kam der Zoodirektor oft an der Hütte vorbei. Immer zu Weihnachten wollte er dem „Mann aus dem Wald“ mal einen Christstollen, eine Salami und ein Flasche Korn vor die Tür legen und ärgerte sich jeden Januar, es schon wieder verschwitzt zu haben. Als dann der Brief kam, dachte er sich: „Jetzt kann ich wirklich etwas tun, das ist besser als jedes Weihnachtsgeschenk.“ Ein Gespräch mit dem Gartenmeister Christian Wiemann ergab, dass für sechs Wochen ein finanzieller Spielraum für eine Halbtagsstelle bestand, weil ein Kollege auf Grund einer Vaterschaft reduziert arbeitete. Und eine weitere Hand zum Anpacken kann man im Zoo immer gebrauchen. Im Juni stellte der Zoodirektor den ehemals Nichtsesshaften als bezahlte Aushilfe an. Zum Dank wurde er zum Samstags-Frühschoppen in die Waldhütte eingeladen. Von Anfang an wollte Adler die Sache nachhaltig betreiben: Morzik sollte nach den sechs Wochen nicht wieder auf der Straße sitzen - so lange er gut arbeitete. Und das tat er: Stets pünktlich, fleißig und mit seiner landwirtschaftlichen Ausbildung für den Job bestens geeignet. „Mal ehrlich“, erzählt der Zoochef, „die Sache hätte auch in die Hose gehen können, wenn Herr Morzik irgendwann mit einer Fahne zur Arbeit erschienen wäre. Aber da gab es gar keine Probleme. Und Christian Wiemann will seinen neuen Mitarbeiter nicht hergeben.“ Also führte Adler mehrere Gespräche mit Politikern von allen Parteien, die durch die Bank ihre -jr Zustimmung zu der Aktion gaben. Wo sonst nur über „Wiedereingliederung“ gesprochen wird, galt es nun eine tatsächliche Chance darauf zu unterstützen. Und auch die Behörden spielten mit: Die Agentur für Arbeit sicherte zu, dass nach weiteren sechs Wochen unbezahlten Praktikums für Morzik im Rahmen einer Ausbildungsmaßnahme eine Zoostelle entstehen solle, die für mindestens sechs Monate zu 17 D I T T E & D AT 100 Prozent gefördert werde. Wegen dieser breiten Hilfe gab der Zoodirektor dem neuen Mitarbeiter sein Wort, dass es nach der unbezahlten Plackerei mit einer richtigen Arbeit weiterginge. Morziks Bekannte waren meist skeptisch: „Das mit dem Zoo klappt doch sowieso nicht.“ Vielleicht hätte man auf sie hören sollen, denn als Mitte September das Praktikum vorbei war, hatte es sich die Agentur offenbar anders überlegt: Plötzlich sollte es nur noch 30 Prozent Förderung geben, den Rest müsse der Arbeitgeber aufbringen. „Das kann der Zoo aber nicht“, stellt Adler klar, „denn als Beteiligungsgesellschaft der Stadt haben wir ein vorgeschriebenes Personalbudget. Und das ist ausgelastet.“ Vermutlich liegt Morziks erneutes berufliches Aus an seinem privaten Glück: Seine Frau hat Vermögen, weshalb er nicht mehr als förderungswürdig gilt. Das hätte die Behörde aber auch schon wissen müssen, als sie ihre Unterstützung zusicherte. Über den plötzlichen Sinneswandel kann Ex-Obdachlose nur resigniert den Kopf schütteln: „Für mich ist das schon normal.“ Für den Zoochef ist das berufliche zum privaten Problem geworden, denn er steht bei Morzik im Wort. Da aber weder der Zoo noch die Agentur für Arbeit die Kosten für die versprochene Stelle übernehmen können oder wollen, hat er sich etwas überlegt. Bis Ende Dezember soll Morzik weiterhin halbtags arbeiten. Offiziell gilt er dann als Praktikant. Da er aber nicht auf Lohn verzichten kann, will Adler alle Bekannten und Freunde um Spenden bitten. Welcher Betrag auch immer zusammenkommen mag: Was zu den 125 Euro pro Woche fehlt, wird er selbst übernehmen, um eine ordentliche Bezahlung zu gewährleisten. In gewisser Weise hat er die Rolle des „Bettlers“ übernommen zumindest bis sich die Behörden doch noch dazu durchringen ihren Beitrag zu leisten, damit diese erfolgreiche Eingliederung nicht im Sande verläuft. Der ehemalige Leiter des Sozialamts, Horst Gärtner, ist jedenfalls überrascht: „Auch wenn der Staat rechtlich nicht zur Hilfe verpflichtet ist, muss man irgendeinen Topf aufmachen können, um diesen Einzelfall zu fördern.“ Auch Zoodirektor Adler glaubt: „Wenn sich alle Entscheidungsträger nur etwas Zeit nähmen, dann sollte es doch möglich sein, eine Lösung zu finden.“ Sein unkonventioneller Weg soll die Offiziellen anstacheln, sich auch einmal selbst in die Pflicht zu nehmen. Wo kämen wir denn hin, wenn die Eingliederung in den Arbeitsmarkt plötzlich nur noch durch hilfsbereite Privatleute finanziert würde? Schließlich geht es hier auch darum, dass Morzik später nicht mehr auf die öffentlichen Kassen angewiesen ist. Zumindest bis Ende Mai braucht er dafür noch Unterstützung. Dann geht ein Mitarbeiter der Zoogärtnerei in Teilrente. Und wenn Morzik weiter fleißig arbeitet, hat er gute Chancen, die Halbtagsstelle zu bekommen. Wer den „Morzik-Fond“ unterstützen will, kann sich an die „draußen!“ oder direkt an Zoodirektor Adler (Zoo: 0251 - 8 90 40) wenden. „draußen!“-Redakteur als Feind Israels entlarvt! Gerrit Hoekman, verantwortlicher Redakteur der „draußen!“ befindet sich unter der Rubrik „linker, propalästinensischer Autor“ auf einer Liste, die seit einiger Zeit von sogenannten „Antideutschen“, im Internet verbreitet wird. Der Verfasser will mit der Liste „palästinaverliebte“ Orientwissenschaftler outen, aber auch „Gelehrte, die sich an der Nazifizierung der Israelis beteiligen, nützliche Kronzeugen gegen Israel, Berufs- und Kosovo-Palästinenser aller Art, alternative Pressefritzen und geschwätzige, linke Antisemiten, kurzum, so ziemlich alle, die hierzulande in Sachen Nahostkonflikt unterwegs sind.“ Neben Gerrit Hoekman, der während des Studiums zwei Jahre in einem palästinensischen Flüchtlingslager in Damaskus gewohnt und vor einigen Jahren ein Buch über den Nahen Osten veröffentlich hat, befinden sich auf der Liste renommierte Journalisten wie der Nahost-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Heiko Flottau, Annette Großbongardt (Der Spiegel), Inge Günther (Frankfurter Rundschau), Susanne Knaul (taz, „kuhglockenglücklichdumm“) und ihre Redaktionskollegin Anne Ponger. Auch Wissenschaftler wie der allgemein anerkannte Nahostexperte und Leiter des Hamburger Orientinstituts, Professor Udo Steinbach, und Rüdiger Robert von der Universität Münster kriegen ihr Fett weg. Zu den „nützlichen Kronzeugen gegen Israel“ gehören der israelische Historiker Moshe Zimmermann, Konkret-Autor Moshe Zuckermann und der linke Israeli Uri Avneri. Überraschend: Auch die deutsche Hardrock-Band „Scorpions“ hat sich mit ihrem Megahit „Wind of Change“ als Feind Israels zu erkennen gegeben. „Ich empfehle dem Verfasser eine Therapie gegen Verfolgungswahn. Da gibt es inzwischen ganz erfolgreiche Methoden, mit denen man wieder in die Realität zurückkehren kann“, kommentiert Gerrit Hoekman die Liste. Polizei stellt Heroin auf Schulhof sicher Auf dem Boden sitzend mit einem Stück Alufolie mit Heroin in der Mitte hat die Polizei am Dienstag, dem 21. September 2004 auf einem Schulhof am Hansaring in Münster drei Personen angetroffen. Wie die Westfälischen Nachrichten berichten, waren zwei von ihnen obdachlos. Nach einer gründlicheren Untersuchung fanden die Schutzmänner in der Nähe der Gruppe einen etwas größeren Bubble. Dabei handelt es sich um die kleinste Konsumeinheit an Heroin, die ungefähr für ein bis zwei „Schuss“ ausreicht. Die zwei Männer und die Frau bestritten, etwas mit den Drogen zu tun zu haben, erhielten aber trotzdem einen Platzverweis. Das Heroin wurde sichergestellt. Keine der drei Personen hatte einen Bezug zur Schule. draußen! 10/04 18 KINDERTRAUM Kuschelhase „Felix“: Wuscheliger Weltenbummler Süßer als Christoph Strässer und knuffiger als Berthold Tillmann - keine Frage, Kinder würden Felix wählen. Seit zehn Jahren reist der Hase durch die Weltgeschichte und erlebt die tollsten Abenteuer. Felix ist der unbestrittene Star im Programm des Coppenrath Verlags, die anderen Wer kennt ihn nicht den kleinen reiselustigen Hasen mit den langen Ohren, der fleißig Briefe aus aller Welt schreibt? Die Rede ist von Felix, der sich inzwischen zu einem regelrechten Kult entwickelt hat. 1994 unternahm großer Weltreise, und die kann Sophie mitverfolgen, denn von jeder Etappe dieses Abenteuers kommt ein langer Brief. Inzwischen hat der Hase schon etliche Reisen unter- Putziger Paohlbörger: Felix mit der Leeze unterwegs der Hase seine erste Reise, nachdem er seiner Besitzerin Sophie am Flughafen abhanden gekommen war. Sophie geht in die zweite Klasse und wohnt mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Münster. Felix ist ihr Lieblingskuscheltier, deshalb ist sie auch erst traurig, dass ihr Hase plötzlich verschwunden ist. Aber das ändert sich, als der erste Brief von Felix ankommt - aus London. Das kleine Plüschtier ist auf draußen! 10/04 - Lillifee, Bodo Bär und Ferdinand, der Elefant sind deshalb aber nicht böse, denn Felix ist ein echter Charmebolzen, wie Katharina Grützmacher festgestellt hat, als sie sich für „draußen!“ in der Welt des niedlichen Stofftiers umgeschaut hat. -Coppenrath nommen. Er ist so ziemlich überall in der Welt gewesen, von China bis Amerika, und hat seine kleinen Zuhörer und Leser immer auf dem Laufenden gehalten über das, was er alles so erlebt und gesehen hat. Sogar eine Zirkustournee hat er als wagemutiger Artist schon mitgemacht, ist zurück in die Vergangenheit gereist und mit einem Heißluftballon bis hoch hinauf zum Mond geflogen. Kinderbuchautorin Annette Langen hat Felix sozusagen zur Welt gebracht, ein Gesicht bekam er von Illustratorin Constanza Droop. Inzwischen strahlt er den leuchtenden Kinderaugen nicht mehr nur aus den Büchern entgegen, sondern auch von Schulranzen, Tapeten, Socken oder Trinkflaschen. Eine ganze Edition gibt es zu dem Hasen. Wer persönlich mit dem Helden aller Kinder sprechen möchte, kann das per e-Mail oder Brief tun. Mitglieder im Felix-Club bekommen ohnehin regelmäßig Post. Manchmal trudeln bis zu 40 Briefe am Tag im Coppenrath Verlag ein und so manche Frage bringt die Mitarbeiter ins Schwitzen, denn die Antwortbriefe sollen möglichst real bleiben und sich auf die Bücher stützen. Dann wird manchmal die Autorin selbst zu Rate gezogen, denn sie weiß schließlich am besten wissen, wie die Lehrerin von Sophie heißt, oder welches Gericht Felix am liebsten mag. Die meistgestellte Frage, nämlich die nach dem Alter des Hasen, beantwortet Annette Langen schlichtweg mit: „Felix ist ein Hase in den allerbesten Jahren!“ Die Kinder lieben ihn und auch Erwachsene sind von den Büchern begeistert: „Geschichtsunterricht, wie er kindergerechter nicht sein kann“, lobt die Kritikerin Andrea Wanner. Schon 1995 zeichnete die Gesellschaft für Jugend- und Sozialforschung den ersten Band als „pädagogisch wertvolles Bilderbuch“ aus, und bei unseren Nachbarn in den Niederlanden gewann es „Die Feder des Monats“. Der weltoffene, tolerante, neugierige Hase findet seinen Platz nicht nur in Kinderzimmern, sondern auch in Klassenräumen, Museen oder Behindertenfreizeiten. Annette Langen weiß: „So wie die Briefe von Felix Sophie zum Nachforschen anregen, so animieren sie auch die Leser zur weiteren Auseinandersetzung mit den Inhalten.“ Ihre Bücher sollen zwar informativ sein, trotzdem aber nicht belehrend. Ganze drei Monate recherchiert die Autorin für eine neue Geschichte, denn sie legt großen Wert darauf, dass selbst die kleinsten Details stimmen. Nicht nur in Deutschland ist der Erfolg groß. In 22 Ländern sind die Bücher inzwischen erschienen. Unter anderem in Finnland, Australien, Japan, Ungarn, Spanien und Slowenien. In Israel krönt der Hase seit Monaten den ersten Platz der Bestsellerliste. Und damit wirklich alle Felix lesen können, gibt es ihn sogar in Blindenschrift. „Mit so einem Erfolg haben wir am Anfang eigentlich gar nicht gerechnet“, erinnert sich Thomas Rensing, Pressesprecher des Coppenrath Verlags, der für die Kinder jedoch „der Freund von Felix“ ist. Die Startauflage von 5.000 Exemplaren war im Nu ausverkauft und selbst der Nachdruck ging weg wie warme Semmeln. Trotzdem war es KUSCHELN 19 Aus dem Gästebuch: Briefe an Felix Auch ich heiße Felix und bin auch 10 Jahre alt - genauso wie du! Ich habe alle deine Bücher und viiiiele Felix-Artikel, denn ich habe dich sehr gerne. P.S.: Meine Mama auch!!! Hallo Felix. Ich bin Rieke, zwar, wie meine Mutter findet, schon etwas zu alt für deine Bücher, finde ich gar nicht!!! Ich habe drei deiner Bücher und eine Kassette, die ich auch als Buch habe. Meine Schwester, sie heißt Emily, hat sich auch schon eingetragen!!! Also bis bald, lieber Felix. Deine Rieke New York, Sonne, 30 Grad, das Fell sitzt: Vielflieger Felix nicht nur der Autorin, sondern auch dem Verlag immer ein Anliegen „einen liebevollen und behutsamen Umgang mit dem Charakter“ zu wahren. Einen besonderen Leseanreiz bieten die Bücher mit den herausnehmbaren Briefen. Fast ist es, als ob der Leser in die Rolle von Sophie schlüpft, sich mit ihr über jede neue Nachricht aus der Welt freut und gespannt liest, was der kleine Liebling erlebt. Die meisten Kinder sind davon überzeugt, dass es den Hasen wirklich gibt. Das zeigt, wie intensiv sie die Geschichten miterleben. Melanie, 9 Jahre, schreibt zum Beispiel: „Ich habe Dich zwar noch nie gesehen, aber ich glaube an Dich.“ Für die Autorin sind das die schönsten Auszeichnungen. Sie ist außerdem fast genauso reisefreudig wie ihre Figur in den Büchern und hat wie der Hase viele Briefe von unterwegs geschrieben. Heute sind es ihre Kinder, die ihr immer wieder neue Ideen und Anstöße für neue -Coppenrath Hallo lieber Felix! Ich heiße Tanja und möchte mich für deine tollen Bücher bedanken. Sie haben mir immer viel Freude verbracht. Doch bald ist es Zeit von dir Abschied zu nehmen. Den ich bin neun und ich finde Felix ist nichts mehr für neun Jährige. Ich möchte mich für deine tolle Begleitung bedanken. Abenteuer des Hasen geben. Ein Ende der Geschichten ist nicht in Sicht. „Felix ist zeitlos, er wird nicht älter und Sophie wird auch immer in die zweite Klasse gehen“, meint Thomas Rensing. So lange also die Ideen nicht ausgehen, steht dem Hasen nichts im Wege, weiter die Welt zu erkunden. Hallo Felix, guten Tag. Ich bin Erik und bin 4 Jahre alt. Meine Schwester schreibt für mich an dem PC. Ich finde deine Bücher ganz toll. Mama liest mir abends immer etwas daraus vor. Viele, liebe Grüße, dein Erik. Seit zwei Jahren können die kleinen Fans ihren Helden im Fernsehen bestaunen, und nächstes Jahr will er auch die Kinoleinwand erobern. Die Idee kam von einer pfiffigen Produktionsfirma, und schnell einigte man sich darauf, „dass es ja eigentlich ganz lustig wäre, wenn der Hase sprechen und laufen lernt.“ Guten Tag Felix, ich bin 6 Jahre alt und möchte dich gerne mal treffen. Ich glaube ganz fest, das es dich gibt. Ich hab dich auch als Kuscheltier. Ich habe alle Bücher von dir und würde dich gern mal in den Arm nehmen wie Sophie es immer tut. Also schüss, deine Lara. Man mag sich fragen, was der kleine Felix hat, dass Kinder sich sofort in ihn verlieben. Aber wer hätte nicht gerne ein Stofftier, das die sehnlichsten Kinderträume wahr werden lässt? Und wer von den älteren Lesern träumt nicht auch davon, einmal um die ganze Welt zu kommen? Hallo Felix, weisst du ich bekomme sehr, sehr wenig Post. Könntest du vielleicht mal schreiben? Eventuell eine Geschichte von deinen vielen Reisen? Deine Sophie. Hallo, ich und mein Bruder sind ein gannnnnnzzzzzz grosser Felix Fan. Hasische Grüße an Felix von Nadine und Jan. Hallo Felix, die Sonne scheint für groß und klein, doch du wirst stets ein Glückspilz sein! Von deiner besten Freundin: Marissa. Lieber Felix, ich weis nicht, wass ich schreiben sol. Ich schreib, das du mich nicht vergessen sollst. Sarah. Ajirmi (Hallo auf Schwedisch) Felix. Ich finde dich total kuschelig und ich habe alle Sculsachen von dir. Ich finde deine Reise Ideen voll Kreativ und deine Briefe an Sofi echt nett. Deine Caroline aus Schweden. Hi Felix, ich finde dich mega süss. Hallo, ich heise Constantin und ich binn in der 4. Klasse. Ich bin den Felix sein allllllllllllllllllla gröster Fan. Hallo Felix, ich hab dich sssssssssssssssooooooooooo lieb. Eliane. draußen! 10/04 20 BILDUNGSAUFTRAG Redewendungen: Schnacken wie im Mittelalter Wiir sind ihr auch schon auf den Leim gegan gen, der Zeitungsente, aber zum Glück bis jetzt nicht allzu oft. Toi, toi, toi.! Der Aus druck hat übrigens nichts mit dem Tier zu tun. „Not testified“ nennen Briten und Ame Wenn Niederländer in der Klemme stecken, dann sitzen sie im übertragenden Sinne im Kartoffelpüree und wo die Deutschen reinen Tisch machen, machen die Holländer, ganz die alte Seefahrernation, klar Schiff. In England regnet es Katzen und Hunde, wenn es bei uns wie aus Kübeln schüttet und der frühe Vogel fängt auf der Insel den Wurm, wo es auf Deutsch heißt: „Morgenstund hat Gold im Mund.“. Und in Arabien? Wenn das Thermometer dort mal unter Null sinkt, dann schneidet die Kälte sofort Nägel und streiten sich zwei, dann sind sie nicht wie Hund und Katze sondern wie Henne und Hahn. In jedem Land gibt es diese ganz besonderen Redwendungen, die eine Sprache erst so richtig schön machen, für Fremde zu lernen aber oft der reine Horror sind. Bei manchen wissen selbst viele Muttersprachler nicht, wie es richtig heißt. Zum Beispiel „aus dem Stegreif“, das mit Stehen nichts zu tun hat, sondern ein altes Wort für Steigbügel: Eben ein Steg und ein Reif. Wenn früher ein Reiter keine Lust hatte, während eines Gesprächs aus dem Sattel zu steigen, redete er „aus dem Stegreif.“ Oder „aufs Geratewohl“. Wie lange haben wir gedacht, es hieße „aufs Geradewohl“! Finden Sie nicht auch: aufs Geratewohl klingt viel optimistischer. Übrigens: Die Rechtschreibeprüfung draußen! 10/04 rikaner eine nicht bewiesene Behauptung. Aus der Abkürzung n. t. wurde auf Deutsch die Ente. Gerrit Hoekman hat sich auf die Suche nach der Herkunft deutscher Rede wendungen gemacht. unseres Textverarbeitungsprogramms akzeptiert sowohl Stehgreif als auch Geradewohl. In Deutsch stammen naturgemäß viele Redewendungen aus dem Jiddischen. Der „Gute Rutsch“, den wir uns in der Neujahrsnacht wünschen, spielt nicht etwa auf spiegelglatte Straßen an, sondern kommt von „rosh“, dem jiddischen Wort für Anfang. Und kennen Sie noch den Ausdruck „Hier zieht es wie Hechtsuppe“? Mit einer leckeren Mahlzeit hat das nichts zu tun, so vermuten Etymologen, wie Wissenschaftler heißen, die nach der Herkunft von Wörtern forschen. Wahrscheinlich ist es Hebräisch und hieß ursprünglich „hech supha“, zu Deutsch sturmartig. Manches stammt auch aus längst vergangenen Zeiten. Der Weinkellner, der beim Einschenken seinen linken Arm hinter dem Rücken halten muss, hat die Verrenkung vermutlich den alten Römern zu verdanken. Die banden ihren Sklaven beim Wein einschenken just jenen Arm auf den Rücken - aus Angst die Leibeigenen könnten mit der Linken Gift in den Becher des Domminus kippen. Wer in einem späteren Jahrhundert mit der Kutsche unterwegs war und schneller ankommen wollte, gab dem Kutscher Schmiergeld für das Fett, das deshalb mehr auf die Deichseln schmieren musste. Um manche Redewendungen ranken sich wunderbare Geschichten. Als in Wien eine große Mauer aus Ziegelsteinen gebaut werden sollte, bewarben sich mehrere Maurermeister um den Auftrag. Der billigste erhielt den Zuschlag. Leider war er zu billig und ging, welch eine Parallele zur DDR, nach dem Bau der Mauer pleite. Der Pechvogel hieß mit Nachnamen Schlucker und war fortan arm wie eine Kirchenmaus, ein richtig armer Schlucker eben. Die „Lotterwirtschaft“ hat einen ähnlichen Ursprung. Beim Bau des Leipziger Rathaus im 16. Jahrhundert pfuschte der Architekt namens Lotter, dass nicht einmal hundert Jahre später das gesamte Gebäude von Grund auf saniert werden musste. Es geht also auch ohne Erich Honecker und seine großartige SED. Wer nach der Herkunft der Wörter forscht, kann auch Missverständnisse ausräumen. Beispielsweise etwas türken, was bekanntermaßen so viel bedeutet, wie etwas fälschen. Die Etymologen sind sich uneinig, woher der Ausdruck stammt. Die einen glauben, er sei während der feierlichen Eröffnung des Nord-OstseeKanals entstanden. Kaiser Wilhelm hatte zur Flottenparade geladen und eine Blaskapelle begrüßte die einlaufenden Schiffe mit der Hymne ihres Heimatlandes. Plötzlich tauchte eine osmanische Fre- gatte auf, am Heck die Flagge mit dem Halbmond. Entsetzt merkte der Dirigent, dass für die Hymne des Osmanischen Reichs keine Noten vorliegen hatte. Spontan „türkte“ die Kapelle „Guter Mond, du gehst so stille.“ Die zweite Version ist bedeutend älter: Als die Türken auf dem Weg nach Wien die Steiermark eroberten, stellten die Verteidiger einer Burg Pappkameraden auf, die aussahen wie osmanische Soldaten. Das Türkenheer zog vorbei im Glauben die Burg sei von ihren Kameraden bereits besetzt. In beiden Geschichten sind Türken die Betrogenen. Ursprünglich war der Ausdruck keineswegs rassistisch gemeint; diesen faden Beigeschmack hat er erst in unserer Zeit bekommen. Die eine oder andere Redewendung würden wir wahrscheinlich aus unserem Wortschatz streichen, wüssten wir, daß Blut an ihr klebt. Wer kann einen Hallodri ohne mulmiges Gefühl noch Schlitzohr nennen, wenn man weiß, wie das Wort entstanden ist. Handwerksgesellen trugen im Mittelalter Ohrringe. Verstießen sie gegen die Zunftgesetze wurden ihnen die Ohrringe kurzerhand herausgerissen. Grausam, aber immer noch besser als über die Wupper zu gehen. Der Todestrakt des Wuppertaler Gefängnisses lag früher am anderen Ufer. Eine Brücke verband die beiden Trakte. Ein Mörder, der gehenkt werden sollte, musste also vorher schon über die Wupper. Danach war der Delinquent dann weg vom Fenster, ein Ausdruck, der vermutlich im Kohlenpott geprägt wurde, wo es sich ältere Menschen bekanntermaßen mit einem Kissen gerne im offenen Fenster bequem machen. Bis der Sensenmann sie weg vom Fenster holt. 21 LUG & BETRUG Pokemon = Pocket Monster Warum heißt die Filtertütenfabrik „Melitta“ und was bedeutet die schwedische Automarke „Volvo“? Oft verbirgt sich hinter Produktnamen eine Bedeutung, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Hier eine kleine Auswahl: Melitta benannt nach Melitta Bentz, der Erfinderin des Kaffeefilters aus Papier Volvo lateinisch für „ich rolle“ Tesa Abkürzung für Elsa Tesmer, einer Sekretärin des Herstellers Beiersdorf Labello zusammengesetzt aus lateinisch „labia“, die Lippe und „bello“, italienisch für schön. Unmoralisches Angebot an „draußen!“ Die „draußen!“ geht bekanntermaßen finanziell am Stock. Einen Dukatenesel könnten wir gut gebrauchen. Da sollte uns das Angebot des „ältesten Sohns des ehemaligen Präsidenten von Zaire, Joseph Desire Mobutu“ gerade recht kommen, das uns die Tage per e-Mail erreichte. 37 Millionen USDollar möchte der vermeintliche Sprössling über uns angeblich außer Landes schaffen. Natürlich gegen eine fette Provision. Da trifft es sich gut, dass „draußen!“-Autorin Katharina Grützmacher demnächst ohnehin nach Afrika fliegt. Oder sollen wir uns doch besser auf Inserate der CDU verlassen? Lieber Freund, ich weiß, dass dieser Brief dich sehr überraschen wird, angesichts der Tatsache, dass wir uns noch nie begegnet sind. Ich suche jemanden, der mir bei einem Geschäft hilft, das mit dem Familienerbe zu tun hat, das mein Vater uns hinterlassen hat. Ich trete mit dir in Kontakt, weil ich jemanden brauche, der meiner Familie unbekannt ist und der mir bei diesem Geschäft hilft. Das liegt an Sicherheitsgründen, die ich kurz erläutern möchte: Ich bin der erste Sohn von Joseph Desire Mobutu, dem ehemaligen Präsidenten von Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Im Moment befinde ich mich in Nigeria im Asyl. Ich habe deine Adresse im Internet gefunden, als ich nach einer vertrauensvollen Person gesucht habe, die mir bei meinem Geschäft helfen kann. Das ist nötig, weil weder ich noch meine Familie mit dem Geld in Verbindung gebracht werden darf. Ich möchte erwähnen, dass dieses Geschäft uns beiden nutzen wird und hundertprozentig ohne Risiko ist. (…) rororo Rowohlts Rotationsromane o. b. ohne Binde Onko ohne Koffein Sinalco „sine“ lateinisch ohne und alco gleich Alkohol. Also: ohne Alkohol Audi lateinisch für „horch!“, nach dem Gründer August Horch Fewa Feinwaschmittel Hanuta Haselnusstafel Haribo Hans Riegel, Bonn Deine Einwilligung dieses Geschäft für mich zu erledigen Dein Versprechen, dass dieses Geschäft vertraulich behandelst Deine Telefon- und Faxnummer Deine vollständige Adresse SPAR door eendrachtig samenwerken profiteren allen regelmatig („Durch einträchtiges Zusammenarbeiten profitieren alle regel mäßig“) Außerdem bedeutet SPAR auf holländisch „Tanne“, das Firmenlogo Sobald ich die Informationen von dir bekommen habe, werde ich dir sagen, wohin du reisen musst und den Namen des Diplomaten nennen, der uns bei dem Geschäft helfen wird. Natürlich werde ich dich bei der Sicherheitsfirma als mein Vertreter ankündigen. Beachte: Dies ist eine sehr sichere Transaktion, weil es das Erbe meines Vaters ist. Ich erwarte deine Antwort. Mein Anteil am Erbe meines Vaters sind 37 MILLIONEN USDOLLAR. Ich habe sie vor Jahren einer Sicherheitsfirma übergeben, auf dem Höhepunkt eines politischen Aufstandes in meinem Land. Nun wo die Krise zu Ende ist, brauche ich eine vertrauenswürdige Person, die für mich zur Sicherheitsfirma geht und das Konto auflöst. Danach werde ich in dein Land kommen, um dort zu investieren. Ich werde dir alle nötigen Dokumente zukommen lassen. Dafür brauche ich von dir: Mit freundlichen Grüßen, Nzanga Joseph Desire Mobutu draußen! 10/04 22 SPRINGERSTIEFEL Rechtsradikale Klamottenkunde: Prêt-à-porter für die Herrenrasse Was gestern „in“ war, ist morgen „out“. Beim Shoppen kann man viel falsch machen. Wer modisch mithalten will, zieht Magazine zu Rate. Die helfen jedoch vor manchem Fehltritt nicht, da sie selten verraten, wen man mit dem Kauf unterstützt. Klamotten sieht man nicht an, wer sie gemacht hat. Ende der 90er dann der Skandal, als herauskam, dass hinter den TShirts, Hosen und Jacken von H & M Kinderarbeit steckt. Das Unternehmen musste Proteste und Umsatzeinbußen einstecken. Und so manch einer kauft seine Jeans immer noch woanders, obwohl die Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“ die Textilfirma inzwischen für ihr Vorgehen gegen Kinderarbeit in den Zulieferbetrieben vorsichtig lobt. Ähnlich ging es der Boxsportmarke „Lonsdale“ aus London, aber aus einem ganz anderen Grund. Irgendwann fiel ein paar rechten Glatzen in Deutschland Wird man wegen des neuen Pullis plötzlich „Nazi“ gerufen, sollte man sich genau ansehen, was da faul ist: Die Marke oder das Schubladendenken mancher Antifaschisten. Julius Reimer informiert über „Untragbares“. auf, dass man vom Logo nur noch die Buchstaben „NSDA“ sieht, lässt man die Jacke über dem Pullover offen. Das fanden sie toll: Fehlt nur noch das „P“, und schon ist die Abkürzung von Hitlers „Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei“ aus dem Dritten Reich komplett. Angesichts der Plattitüden, die man aus dieser Ecke hört, kann man sich über soviel Kreativität nur wundern. Jedenfalls wurde „Lonsdale“ schnell und klischeehaft zum Zeichen für Neonazis. Der britische Hersteller war entsetzt, als ihm dies zu Ohren kam. Zwar war die Marke schon seit Anfang der 80er unter Skinheads in England beliebt, die waren aber zumeist Anzeige Presse und Informationsamt Tausend Fragen - eine Adresse Infos und Service im publikom - Stadtnetz für Münster www.muenster.de Portal für Münster und das Münsterland www.muenster.de/stadt Service und Infos der Stadtverwaltung www.muenster.de/soziales-netz Diskussionsforum, Online-Freiwilligenbörse www.termine.muenster.org Münsters Veranstaltungskalender www.wilsberg.muenster.de Das „Wilsberg“-Spiel des Presseamtes www.muenster.de/stadt/awm Abfall und Recycling, Entsorgungskalender www.muenster.de/stadt/skulpturen Rundgang zu zeitgenössischen Skulpturen www.muenster.de/stadt/formulare Vordrucke online - das spart Zeit und Wege draußen! 10/04 unpolitisch oder links: Viele der Glatzen von damals gingen einfach in Boxvereine, wo man Sportkleidung der Marke trug. „Lonsdale“ erkundigte sich in Deutschland und kündigte umgehend sämtliche Lieferund Handelsverträge mit rechten Versandhäusern. Das negative Image hierzulande besteht aber immer noch. Auf der Internetseite des Unternehmens lässt man indes keine Zweifel mehr aufkommen. Dort stellen farbige Models die Klamotten aus. Und auch eine Prominente half, Vorurteile abzubauen: Das ehemalige Spice-Girl Mel B. trägt „Lonsdale“ - und sie ist bekanntlich schwarz. Auch die Boxermarke „Everlast“ oder Kleidung von „Pit Bull“ wird von Rechten getragen. Man munkelt, das sei so, weil die „Rechten“ Boxen und Kampfhunde mit Stärke verbinden. In beiden Fällen ist ein Vorwurf der Rechtslastigkeit gegen die Firmen aber nicht haltbar. Bei „Pit Bull“ zum Beispiel arbeiten nach eigenen Angaben 50 Prozent Ausländer. Und auch Punks und Autonome hüllen sich mal in deren Zwirn. Die Sachen werden nur zufällig von den Nazis gemocht. Ebenso „Helly Hansen“: Die Anfangsbuchstaben des Herstellers stehen auf fast jedem Kragen seiner Jacken und könnten auch als „Heil Hitler“ verstanden werden. Rechtsradikal ist die Marke deshalb noch lange nicht, gründet ihr Erfolg in Deutschland doch ursprünglich auf der Beliebtheit in der US-amerikanischen HipHopSzene. Anders verhält es sich bei Kleidung mit der Zahl „88“. Diese steht tatsächlich für „Heil Hitler“. Denn das H ist der achte Buchstabe des Alphabets. Sie wird nicht nur gern auf Nummernschildern verwendet, sondern auch oft von rechten Textilfabrikanten in ihre FaschoOutfits eingearbeitet. Kauft man jedoch was von „Landser“ oder „Werwolf“, unterstützt man eindeutig Rechtsradikale. Das Kopieren von Ideen jedenfalls greift um sich. Der Neonazi-Bekleider „Doberman“ beispielsweise schließt in Name und Logo offensichtlich an die bekanntere Firma „Pit Bull“ an. Und für die Kunden, die heute kein „Lonsdale“ mehr tragen, weil das Unternehmen sich von nationalsozialistischer Gesinnung distanziert, wurde die Marke „Consdaple“ vom rechten „Patria-Versand“ erfunden. Die Schriftzüge ähneln sich und „NSDAP“ ist nun komplett darin enthalten. „Consdaple“, eine reine Erfindung, lehnt sich lediglich an den Begriff „Constable“ (Rang bei der britischen Polizei) an. Dennoch sollte man sich hüten, nur von den Klamotten auf die Gesinnung des Trägers zu schließen. „Lonsdale“ wusste anfangs auch nicht, wer in Deutschland die Sachen vertickt und wer sie trägt. So kann man ein auf dem Flohmarkt gekauftes „Skrewdriver“Sweatshirt auch einfach nur gut finden, weil man auf Werkzeuge steht und nicht weiß, dass dahinter eine rechtsextreme Band steckt . . . Jedenfalls solange bis jemand „Nazi“ ruft. Mehr Kritisches zum Thema „Rechte Wäsche“ erfährt man im Internet, zum Beispiel unter: www.ffsn.de 23 KURZ & KNAPP „draußen!“ jetzt auch vor Ratio-Markt in Gievenbeck Auf die Anfrage, ob es unseren Verkäufer erlaubt sei, vor den Ratio Warenhäusern die „draußen!“ zu verkaufen, reagierten die Verantwortlichen der beiden Einkaufszentren höchst unterschiedlich: An der Loddenheide gab es eine recht schroffe Absage: „Nein. Die Zeitschriftenhändler im Markt haben es schon schwer. Da hat die Straßenzeitung keine Chance.“ Dabei dürfte die „draußen!“ kaum eine Bedrohung für die in der Ratio angebotenen Blätter darstellen, behandelt sie doch ganz andere Themen. In Gievenbeck fiel die Antwort denn auch sehr viel netter aus: Quasi nach dem Grundsatz „Konkurrenz belebt das Geschäft“ wird Münsters beliebtes Magazin künftig montags, donnerstags und samstags auf dem Parkplatz angeboten. Wir danken der freundlichen Leitung dort auch für das Angebot eines trockenen Stellplatzes und freuen uns auf gute Zusammenarbeit. Obdachlose in Brasilien ermordet Entgegen der anfänglichen Annahme sind die Angriffe auf 16 Obdachlose und Bettler zwischen dem 19. und 22. August in São Paulo, von denen sechs tödlich endeten, nicht unbedingt der rechtsextremen Szene zuzuschreiben, wie Nachrichtenagenturen berichten. Aufgrund der Tatsache, dass Neonazis durch sogenannte „Säuberungsaktionen“ in der letzten Zeit für Panik auf den Straßen im Zentrum São Paulos sorgten, lag der Verdacht zunächst nahe, sie hätten auch die Obdachlosen erschlagen und durch Schläge auf den Kopf zum Teil schwer verletzt. Durch die Angaben der Überlebenden, die Täter seien uniformiert gewesen, entstand nun jedoch die Vermutung, dass Polizisten für die Verbrechen verantwortlich sind. Das sind allerdings nur vorläufige Aussagen, da sich die Opfer wegen ihren schweren Verletzungen nur durch Zeichen verständlich machen konnten. Drei der getöteten Obdachlosen sind schon ohne Identifi- zierung beerdigt worden und fünf der Verletzten befinden sich immer noch in einem ernsten Zustand. Als erste Reaktion hat die Bürgermeisterin von São Paulo, Marta Suplicy, drei Tage offizielle Trauer veranlasst und das Nationale Menschenrechtsekretariat einen Mitarbeiter entsandt, der die Ermittlungen unterstützen soll. Luciano Rocco, der Herausgeber eines in Brasilien ansässigen Straßenmagazins, sagte folgendes über die Ereignisse: „Polizeikräfte haben die Untersuchungen der Vorfälle aufgenommen, aber es gibt einige Anhaltspunkte für die Beteiligung eben dieser Polizei an den Vorfällen. Um die Fälle genauer zu untersuchen ist nun die Bundespolizei miteingeschaltet. Nicht-Regierungs-Organisationen verlangen allerdings ebenso die Einmischung der allgemeinen Behörden. Es ist notwendig den Druck auf die Behörden aufrechtzuerhalten, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Anzeige Radlos ? Neue und gebrauchte Fahrräder Montag bis Freitag 10 - 13 Uhr 14 - 18 Uhr Frauenfahrradladen Dortmunderstr. 11 Tel 66 57 61 Dürrenmatt im Hittorf Das Stück „Frank der Fünfte - Komödie einer Privatbank“ von Friedrich Dürrenmatt stellt die Theatergruppe TriebWerk am 1. und 4. Oktober, 19:30 Uhr, im Musiksaal des Wilhelm-HittorfGymnasiums in der Prinz-Eugen-Straße vor. Für 4 Euro erwartet die Zuschauer ein Geldinstitut, das sich als trickreiches Verbrechersyndikat erweist und dessen Personal sich zusehends vermindert, weil auch vor Mord niemand zurückschreckt: Eine amüsante Mixtur aus schwarzem Humor, Spannung und nahezu herzzerreißender Melodramatik aus der ironischen Feder des weltberühmten Schweizers, den das Stück wieder einmal als Kenner der menschlichen Psyche einschließlich ihrer Verdrängungsmechanismen zeigt. Ein Muss für alle Wirtschaftsbetrüger und solche, die es werden wollen! Leserbrief Liebes Redaktions- und Verkäuferteam, neulich habe ich in Berlin in der S-Bahn bei einem eurer Kollegen eine Berliner Straßenzeitung gekauft und gelesen. Der Vergleich (ich lese „draußen!“ regelmäßig und gerne) hat gezeigt, wie klasse eure Beiträge sind: Sprachlich, aktuell, gut layoutet. Ich gratuliere euch und uns in Münster und Umgebung zu diesem qualitätvollen Straßenmagazin! Anna Herden-Hubertus Anzeige draußen! 10/04 24 LEICHTSINN Vivace im Roland Frosch Variete Newton hatte keine Ahnung Wer sich am 9. September die Premiere der Show „Vivace“ gegönnt hat, erlebte ein wahres Fest für die Sinne. Gebannt verfolgt man die schier unmöglichen Dar bietungen, „die der Schwerkraft trotzen Schon vor einem Jahr begeisterte die Show „Vivace“ die Zuschauer im Roland Frosch Andreas Wessels -frosch Variete. Vom Broadway in New York zurückgekehrt steht das Künstlertrio nun wieder auf Münsters Bühne. Kristin Sroka Da wäre einmal Andreas Wessels, ein Weltklasse-Jongleur, der sich schon seit seinem 15. draußen! 10/04 und die Leichtigkeit des Seins zelebrie ren“. Und tatsächlich hat man nach dem Variete-Besuch das Gefühl, der Schwere des Daseins entflohen zu sein. Zumindest für ein paar Stunden. Lebensjahr hauptsächlich mit fußballgroßen Bällen in der Luft beschäftigt. Aber nicht nur drei, sondern gleich sechs auf einmal, nicht zu vergessen, dass er dabei auch noch wie nebenbei Seil springt. Genauso leicht und locker lässt er metallene Fässer tanzen und man fragt sich wirklich: Wo ist die Schwerkraft hin? Der „Zweite Mann“ ist nicht nur Clown, sondern auch ein lebender Klangkörper und scheint jeden noch so kleinen Muskel seines Gesichts perfekt zu kennen: Jojo Weiß. dem schon die Lehrer in der Schule prophezeiten, er würde mal Clown. Was für einer, haben sie damals wohl noch nicht geahnt. „Getanzte Leidenschaft“ prä- -frosch sentiert Kristin Sroka, siebenfache deutsche Meisterin der rhythmischen Sportgymna- stik. Sie schafft es in einer Zigarettenlänge die ganze Palette ihres Könnens zu zeigen. Wenn man ihr zusieht stellt sich wieder die Frage ob es so etwas wie Schwerkraft überhaupt noch gibt, so leicht scheinen ihre anmutigen Bewegungen. Untermalt wird jede Nummer mit Musik von dem KomponiJojo Weiß sten und Pianisten Tal Balshai, der die Show mit einem vierköpfigem Orchester und einem Counter Tenor begleitet. Genauso wie die Darbie- Andreas Wessels tanzende Fässer tungen scheint auch die Musik fast schwerelos, Balshai flößt den klassischen Melodien neues leichtes Leben ein und nimmt ihnen auch den letzten kleinen Rest an Schwere. Die Idee zur Show stammt von Markus Pabst, „einem Grenzgänger zwischen den Welten“, der schon seit zwölf Jahren als Theater- und Fernsehregisseur aktiv ist. Sein Markenzeichen ist die Verknüpfung „scheinbar gegensätzlicher Stilrichtungen“. -frosch Das merkt man dieser Produktion auch an, denn wer käme sonst auf die Idee Metallfässer mit den Begrif- -frosch fen „Leichtigkeit“ oder „schwerelos“ in Verbindung zu bringen? 25 VERSTECKTE KAMERA Kommunalwahl: Halberstadt stolpert am Hafen Er hat alles gegeben. Sogar ein Inserat für unser darbendes Straßenmagazin. Geholfen hat es ihm nicht. Richard-Michael Halberstadt (CDU) hat den Wiedereinzug in den Stadtrat verpasst. Hinter den Kandidaten von Eigentlich war er zuversichtlich. Ein paar Tage vor der Kommunalwahl war RichardMichael Halberstadt zu Gast in der „draußen!“-Redaktion. Es ging um die Videoüberwachung der Drogenszene am Bremer Platz, die Halberstadt kurz vorher über die Presse gefordert hatte. Polizeipräsident Hubert Wimber hatte ihn daraufhin in einem Leserbrief scharf angegriffen: „Ich ärgere mich über diese Art populistischer Öffentlichkeitsarbeit, die uns keinen Milimeter weiter nach vorne bringt.“ Den Vorwurf, nur aus Wahltaktik das ewig junge Thema auf den Tisch zu bringen, hat Halberstadt scharf zurückgewiesen. Es gehe ihm um die Anwohner, die inzwischen einen weiten Bogen um den Bremer Platz machten, weil sie Angst haben, dort von den Drogenabhängigen angepöbelt zu werden, hat er gesagt. „Das muss man ernst nehmen. Wir können nicht hinnehmen, dass die Grünanlagen als Druckraum missbraucht werden. Der Bremer Platz sieht manchmal aus wie eine Müllhalde.“ Offenbar haben nicht alle Anwohner das so gesehen. Weniger als ein Drittel hat Halberstadt bei der Wahl die Stimme gegeben. Carsten Peters von der GAL hat ihm das Direktmandat abgenommen. Halberstadt hat damit gerechnet: „Der Bahnhof war GAL und SPD landete er am Bahnhof/Hafen nur auf dem dritten Platz. Und wegen des unerwartet schlechten Ergebnisses seiner Partei schaffte er es auch nicht über die Reserveliste. Gerrit Hoekman berichtet. für die CDU immer schwer zu holen“, sagte er beim Besuch in der Redaktion. Aber er hatte einen sicheren Platz auf der Reserveliste. Dachten alle. Dann erlebte die CDU ihr kleines Waterloo und Halberstadt war draußen. Wie sehr er am Wahlabend mitgelitten hat, sieht man auf einem Foto in der Mün- zone Hawerkamp, das schwule KCM oder unser Straßenmagazin - überall, wo es brennt im Sozialwesen, war Halberstadt als Ratsherr im Einsatz. Kein anderer Politiker ist rund um den Bahnhof so präsent wie er. Allein: Löschen konnte er in letzter Zeit nur noch selten - die Stadtkämmerin hält den Daumen auf alle Ausgaben. Die Videokameras am Bahnhof: Immer schön artig sein sterschen Zeitung. Als einer der wenigen von der lokalen CDU-Prominenz war er ins Rathaus gekommen, um live bei den Hochrechnungen dabei zu sein. Und schnell war klar: Das wird heute Abend nix. Mit Richard-Michael Halberstadt verliert die CDU-Fraktion ihr „soziales Herz“, das ohnehin nur noch ganz leise pochte. Für die sozialen Träger in Münster wird es in Zukunft noch schwerer, ein offenes Ohr bei den Christdemokraten zu finden, für ihre Sorgen und Nöte. Party- -archiv Christdemokraten wollen sparen, und das vor allem beim Sozialen. Da blieb für Halberstadt nur wenig Spielraum. „Herz-Jesu-Marxisten“ nannte man Leute wie ihn früher in der CDU ein wenig spöttisch. Heiner Geißler ist noch so einer. Norbert Blüm. „Ich fühle mich in dieser Gesellschaft sehr wohl“, sagt Halberstadt. In Münster ist der linke Flügel der CDU klein geworden. Berthold Tillmann soll noch dazugehören, munkelt man. Und der eine oder andere Hinterbänkler. Das Thema Videoüberwachung am Bremer Platz dürfte mit der Abwahl Halberstadts erst einmal ad acta gelegt sein. Sie hätte sowieso keine größere Sicherheit gebracht. Die Gefahr, die von der Szene am ihnen ausgeht, ist gering, sagt die Polizei. Im Schnitt nehmen die Beamten in und um den Bahnhof eine Straftat am Tag zu Protokoll: Beleidigung, Schwarzfahren, illegaler Drogenbesitz und manchmal auch Körperverletzung. „Das sind etwas mehr als ein Prozent der insgesamt in Münster erfassten Straftaten“, weiß Polizeipräsident Hubert Wimber. Überraschend wenig verglichen mit anderen Städten. „Von der Drogenszene geht eine geringe Bedrohung für die Anwohner aus - nicht mehr und nicht weniger als durch andere Szenen auch“, sagt Wolfgang Schneider, Leiter von Indro. Die Einrichtung für Drogenabhängige stellt hinter dem Bahnhof einen Konsumraum bereit. Dort können die Abhängigen unter Aufsicht einen Schuss setzen und müssen dafür nicht in die Hauseingänge am Bremer Platz verschwinden. „In der Innenstadt ist die objektive Sicherheitslage „bedrohlicher“, wie auch polizeiliche Statistiken zeigen“, gibt Schneider zu bedenken. Die Szene mit Kameras zu überwachen, würde dazu führen, dass sie sich in die Seitenstraßen zurückzieht. „Das würde für Indro eine schwerere Erreichbarkeit der Konsumenten bedeuten“, fürchtet Schneider. Folge: Mehr Spritzenfunde in den Anlagen und Spielplätzen im Hansaviertel und wahrscheinlich auch mehr Drogentote, weil rettende Hilfe zu spät kommt. Das will auch Richard-Michael Halberstadt nicht. „Aber man muss manchmal unbequem sein“, sagt er. draußen! 10/04 26 MIX Nach heftigem Unwetter: Münster-Tafel: „Möbelrampe“ braucht Hilfe Ungemach aus Brüssel Nicht bis zum Hals, aber immerhin 40 Zentimeter hoch stand das Wasser in den Verkaufsräumen der „Möbelrampe“ an der Dieckstraße nach einem heftigen Gewitter Ende August. Folge: Der gesamte Bestand an Waren, - Sessel, Sofas, Schränke, - ist ein Fall für den Sperrmüll. Nun bittet der Trägerverein „Chance“, der Straffälligen „Das ist so’n Ding, was nicht durchdacht ist.“ Roland Götz, Vorsitzender der Münster-Tafel, kann über den Amtsschimmel der Europäischen Union nur den Kopf schütteln. Durch die EU-Lebensmittelverordnung, die in Deutschland am 1. Januar 2005 in Kraft tritt, erwartet Götz einen erheblichen Verwaltungsaufwand, berichten die Westfälischen Nachrichten. In Zukunft müssen nämlich alle Lebensmittel bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgbar sein. Was eigentlich zum Vorteil der Verbraucher ist, bereitet der Münster-Tafel erhebliche Kopfschmerzen: Der entstehende bürokratische Aufwand sei enorm und könne weder von den Lebensmittelspendern, noch von den ehrenamtlichen Helfern der Tafel selbst geleistet werden. Anzeige Arbeit gibt, die Münsteranerinnen und Münsteraner um Spenden. Gesucht werden gebrauchte Möbel, Haushalts- und Elektrogeräte sowie Trödelkram aller Art. Wer also noch eine gut erhaltene Couchgarnitur auf dem Dachboden stehen hat, einen Fernseher oder die alte Gitarre von John Lennon melde sich bitte unter 0251/4 22 02. Seit 1998 versorgt die Münster-Tafel Bedürftige mit qualitativ einwandfreien Lebensmitteln, die ehrenamtliche Mitarbeiter zuvor in Bäckereien, in Supermärkten oder auf dem Wochenmarkt gesammelt haben. Das Angebot reicht von Brot und Gemüse über Joghurt bis hin zu Süßigkeiten und Wurst, je nachdem, was gerade übrig oder fast abgelaufen ist. Betroffen wären im Bezug auf die Münster-Tafel etwa 7.000 Menschen, die pro Woche das Angebot wahrnehmen. Aber auch bundesweit könnte die EURegelung sowohl zeitlich als auch f inanziell ein draußen! 10/04 Handicap sein, das die gewohnte Arbeit der insgesamt über 440 Tafeln behindert. Was die Tafeln anbelangt, die mit wenigen Ehrenamtlichen auskommen müssen, könnte die Hilfe für Bedürftige sogar ganz und gar unmöglich gemacht werden. Tanja Thiele, Pressereferentin des Bundesministeriums für Verbraucherschutz kündigt jedoch an, dass der „Verwaltungsaufwand bis auf ein Minimum beschränkt“ werden soll. Wie also tatsächlich die Zukunft der Münster-Tafel aussieht, lässt sich jetzt noch nicht abschätzen. Almut Wiemold Bonny ist ein bildhübscher kastrierter Maincoone-Mix-Kater, der sich in seiner Pflegestelle besonders liebevoll um die kleinen Kätzchen kümmert. Darum möchten wir ihn gerne mit einer Jungkatze oder als Zweitkatze vermitteln. Bonny ist anfangs etwas zurückhaltend - aber nach der Eingewöhnungszeit liebt er „seine“ Menschen mächtig. Für ihn wäre ein ruhiges Zuhause mit Balkon oder sogar Auslauf ideal. Interesse? Katzenhilfe Münster Tel.: 84 69 757 MIETERTIPP Verwertungskündigung: Weil Ihre Wohnung etwas wert ist Ihre Wohnung ist Ihnen lieb und teuer. Weil sie Ihr Zuhause ist und die Freunde in der Nachbarschaft leben. Aber auch Ihrem Vermieter ist Ihre Wohnung was wert. Weil Sie zu seinem Vermögen zählt und ihm Gewinn Sie wissen das: Wenn Sie Ihre Pflichten als Mieter erheblich verletzen, droht Ihnen die Kündigung. Zum Beispiel wenn Sie längere Zeit ihre Miete nicht berappen. Aber auch ohne Vertragsverstoß kann der Vermieter unter Umständen kündigen, unter anderem wenn er die Wohnung selbst benötigt. Oder er spricht eine „Verwertungskündigung“ aus, unter folgenden Voraussetzungen: Er muss die Absicht haben, mit dem Mietshaus oder Ihrer Wohnung etwas anderes anzufangen als bisher. Etwa wenn er die Wohnung verkaufen möchte oder das Haus abreißen lassen oder umfassend sanieren will. Die Verwertung muss allerdings angemessen und der Plan nachvollziehbar sein. Auch soziale Gesichtspunkte können eine Rolle spielen. Wenn aus der Wohnung beispielsweise ein Gewerberaum gemacht werden soll, kann das als Zweckentfremdung in der Gemeinde verboten sein. Eine Kündigung mithin unmöglich. Auch Luxussanierungen, bei denen Mieter „hinaus saniert“ werden, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können, sind ebenballs nicht angemessen. Kauft jemand ein Haus mit hohem Geschäftsrisiko und will es schon kurze Zeit später wieder abstoßen, bekommt er Probleme, wenn er den Mietern kündigt, weil er leer verkaufen möchte. verschafft. Wird der Vermieter durch das Mietverhältnis an einer „angemessenen Verwertung“ gehindert, kann er deshalb kündigen. Rechtsanwalt Paul Demel erklärt Ihnen wann. Der Vermieter kann aber kündigen, wenn seine Pläne für Ihre Wohnung dadurch behindert werden, dass Sie darin wohnen. Will er abreißen lassen, liegt das auf der Hand. So lange Sie drin wohnen, geht das nicht. Vielleicht will ihr Vermieter auch verkaufen, weil er kein Interesse mehr an ihr hat. Wenn er sie aber vermietet auf dem Markt nicht los wird oder leer einen weitaus besseren Preis dafür bekäme, könnten Ihre Tage dort gezählt sein. Auch eine grundlegende Sanierung (zum Beispiel eines Altbaus) kann nach der Meinung der Obergerichte eine „Verwertung“ sein. Dabei ist dann natürlich besonders fraglich, ob die Sanierung überhaupt verhindert wird, wenn sie weiter die Miete zahlen. Sie können ja für die Dauer der Arbeiten notfalls auch für mehrere Monate - in eine Ersatzwohnung umziehen und dann wieder zurückkommen, wenn das Haus fertig ist. Der Vermieter müsste außerdem durch die Verhinderung seiner Pläne erhebliche Nachteile erleiden. In der Regel sind das natürlich finanzielle. Das gilt insbesondere, wenn Ihre Wohnung verkauft werden soll. Ob dann der Kaufpreisunterschied zwischen einem „Verkauf mit Mieter drin“ und einem „Verkauf leer“ einen erheblichen Nachteil darstellt, entscheiden die Gerichte oft im Einzelfall. Dabei spielen insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Vermieters und seine momentane finanzielle Situation eine Rolle. Ab einem Kaufpreisunterschied von zehn bis zwanzig Prozent hat der Mieter häufig schlechte Karten. Bei Kündigungen wegen Abriss und Neubau oder bei Sanierungsfällen muss der Vermieter meist eine „Wirtschaftlichkeitsrechnung“ aufstellen. Das bedeutet, er listet auf, wie viel Gewinn oder Verlust er vor und wie viel nach den geplanten Arbeiten macht. Wenn er im jetzigen Zustand praktisch überhaupt kein Geld mehr in die Kassen kriegt, kann er sich in der Regel schon deswegen durchsetzen. Aber auch eine erhebliche Verbesserung der bisherigen Rendite reicht normalerweise aus. Außerdem geben die Gerichte dem Vermieter wahrscheinlich recht, wenn es sich um ein sehr altes Gebäude mit erheblichem „Instandsetzungsrückstand“ handelt, also die Sanierung erforderlich ist, um die Gebäudesubstanz zu erhalten. Anders kann es in solchen Fällen wiederum dann sein, wenn der Vermieter durch Nachlässigkeit sozusagen einen „Sanierungsrückstau“ hat entstehen lassen. Die Voraussetzungen für eine Verwertungskündigung müssen im Schreiben an den Mie- 27 ter verständlich und nachvollziehbar im einzelnen dargelegt werden. Eine schwammige Begründung wie: „Ich muss Ihre Wohnung aus finanziellen Gründen verkaufen. Bekanntermaßen kann man für eine entmietete Wohnung auf dem Immobilienmarkt 15 % mehr bekommen als für eine vermietete, so dass ich durch ihr Mietverhältnis an einem angemessenen Verkauf gehindert bin.“ reicht nicht! Die meisten Gerichte verlangen dann vielmehr, dass der Vermieter nachvollziehbar darlegt, ob er überhaupt schon Verhandlungen mit Interessenten geführt hat, deren Ausgang seine Behauptung unter Umständen bestätigen. Die ausreichende Begründung ist für den Vermieter und auch für seinen Anwalt in der Regel recht kompliziert. Fehler können Grund genug sein, die Wirksamkeit der Kündigung anzuzweifeln. Damit geben sie Ihnen die Chance, Ihre Interessen und Rechte besser zu verfolgen als wenn die Kündigung von vornherein hundert Prozent okay wäre. Auch bei einer Verwertungskündigung können Sie sich zudem einigermaßen erfolgreich auf soziale Härtegründe berufen und zumindest eine vorübergehende Verlängerung des Mietverhältnisses über den Kündigungszeitpunkt hinaus verlangen, wenn bei Ihnen solche sozialen Härtegründe vorliegen. Das können sein: Schwangerschaft, Examenszeit, Krankheit, hohes Alter. Insbesondere bei hohem Alter geben Ihnen die Gerichte sogar oft eine Verlängerung auf unbestimmte Dauer, denn „einen alten Baum verpflanzt man nicht.“ draußen! 10/04 28 SCHMÖKERN kerin, und hätten nicht zwei Müllmänner(!) sie aufgelesen, so wäre sie wohl am Alkohol zu Grunde gegangen. Sogar Ronnys Ratte Emily stirbt an einem Tumor. Christine Fehér: Straßenblues. Düsseldorf: Patmos Verlag, 2004. 160 Seiten, 10,90 Euro, ab 13 Jahren Die Ausgangslage: Maxi, vierzehn und rebellisch, lebt zusammen mit ihrer Mutter Constanze, die als erfolglose Sängerin wenig Geld verdient. Doch da kommt Eberhard, der neue „Lover“ von Constanze, der genug Geld für eine Familie hat. Die ganze Sache hat natürlich einen Haken: Eberhard erniedrigt, schlägt und tyrannisiert Maxi, bis sie es zu Hause nicht mehr aushält und auf den Straßen Berlins landet. Damit hat Autorin Christine Fehér die Hauptperson in eine Lage gebracht, die es wohl häufiger in deutschen Städten gibt. Von diesem Punkt an aber wird es unglaubwürdig: Maxi erlebt ein Unglück nach dem anderen. Auf der Straße sucht sie nach kurzer Zeit im Müll nach Essbarem, klaut, lernt Ronny kennen, der sie wegen seiner Heroinsucht nur ausnutzt und in den sie sich natürlich prompt verliebt. Sie geht auf den Kinder-Strich, auf dem sie übrigens auch Eberhard trifft, der ihr auch noch einen kleinen Bruder verpasst hat, fängt sich Filzläuse und eine fiebrige Erkältung ein, verletzt sich aus lauter Verzweiflung selbst, hegt Selbstmordgedanken, wird zur schweren Alkoholidraußen! 10/04 Autorin, zu den Leuten gehören, die finden, dass die Ziffern einer digitalen Armbanduhr „eitergrün“ leuchten, könnte es genau das Richtige für Sie sein! Hier werden viele Klischees bedient und oft noch eins oben draufgesetzt. Weniger wäre da mehr gewesen. Schade, denn eigentlich weiß Christine Fehér, die evangelische Religionslehrerin an einer Hauptschule ist und in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik arbeitet, wovon sie schreibt. Aber es gibt auch Lichtblicke. Zum Beispiel die Spannung erzeugenden PerspektivWechsel zwischen Maxi und Miriam, einer Lehramt-Studentin, die Maxi unbedingt helfen will und die Gleichgültigkeit der anderen Lehrer und Heimerzieher nicht verstehen kann. Oder auch die überraschende Wende, kurz bevor es zum mehr oder weniger absehbaren Schluss kommt. Christine Fehér benutzt eigenartige Sprachbilder, bei denen man sich fragt ob sie damit betont versucht, so zu schreiben, dass es eine junge Leserschaft anspricht: „Ich stelle mir vor, mich fallen zu lassen, einfach hinunterzustürzen vor diese tonnenschweren Räder, die mich zerhacken würden wie ein Wiegemesser die Petersilie auf dem Holzbrett.“ Überhaupt: Wer soll dieses Buch eigentlich lesen? Im Anhang des Romans finden sich Adressen mit Anlaufstellen für Jugendliche auf der Straße, aber dass diese tatsächlich so etwas lesen würden, ist eher unwahrscheinlich. Fazit: „Straßenblues“ ist ein typisches Jugend-Problembuch mit moralisch erhobenem Zeige-finger. Wenn Sie aber, wie die Kurt Cobain: Tagebücher, hrsg. von Clara Drechsler und Harald Hellmann, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2002, 2. Auflage „Lies nicht in meinem Tagebuch, wenn ich weg bin.“ So beginnen die „Tagebücher“ des Nirvana-Sängers und Songwriters Kurt Cobain, der sich 1994 mit Heroin und Schrotflinte das Leben nahm. Und irgendwie hat man ein schlechtes Gewissen, wenn man dann doch weiterblättert. Nach ein paar Seiten schlägt das Unbehagen jedoch in Ärger über die Herausgeber um. Weniger, weil sie etwas veröffentlichen, was niemals erscheinen sollte, denn schon bei Franz Kafka hat man ja gesehen, dass man sich manchmal zum Wohle der Menschheit über den Willen eines Verstorbenen hinwegsetzen muss - auch wenn von Cobain keine Weltliteratur zu erwarten war. Vielmehr fühlt man sich betrogen, denn diese „Tagebücher“ sind lediglich eine lose Sammlung von größtenteils unzusammenhängenden Notizen, Zeichnungen, Liedtexten und nie abgeschickten Briefen. Andererseits ist es eine Herausforderung, sich so Nirvanas Weg von unten nach oben selbst zu erarbeiten. Viele nicht fertiggestellte Songs und Ideen für nie gedrehte Videos lassen den Leser teilhaben an den kreativen Prozessen in Cobains Kopf. Seine Anmerkungen zum Musikbusiness, der amerikanischen Rechten und Themen wie Golfkrieg und Sexismus offenbaren einen Charakter, der sehr sensibel auf Heuchelei und Bigotterie reagierte. Bei der Lektüre sollte man sich aber nicht auf die Übersetzung verlassen, sondern sich auch die Mühe machen, die abgedruckten Kritzeleien zu entziffern. Denn leider werden stellenweise Passagen ausgelassen. Außerdem leiden die Anmerkungen der Übersetzer für die deutsche Ausgabe manchmal unter Recherchefaulheit: Der Titel des Songs „Imodium“ (Name eines Mittels gegen Durchfall), einer frühen Version von „Breed“, spielt zum Beispiel keineswegs wie vermutet auf Cobains ständige Magenschmerzen an sondern auf eine Tour in England. Auf der teilten sich Nirvana einen kleinen Bulli zusammen mit der Band „TAD“. Deren Sänger, der schwergewichtige Tad Doyle, hatte scheinbar heftige Abwinde, weshalb er die Medizin schluckte. Auf engstem Raum hat das wohl mächtig Eindruck auf Cobain gemacht. Um Nirvanas Geschichte nachzuvollziehen, taugt dieses Buch jedenfalls nicht. Es ergibt sich aber ein ganz schönes Gesamtbild, wenn man es als Ergänzung zu einer der vielen Biografien nutzt. Hier zu empfehlen ist „Nirvana. Come As You Are“ vom Rolling-Stone-Schreiberling Michael Azerrad, der bis zu 29 SCHMÖKERN Cobains Tod einen engen Kontakt mit ihm pflegte. Julius Reimer Der Untergang Regie: Oliver Hirschbiegel. Mit Bruno Ganz, Corinna Harfouch u. a. Deutschland 2004, 155 Min. „Der Untergang“ bewegt Deutschland. Bereits vor dem offiziellen Filmstart wurde über die Verfilmung der letzten Tage des Nazireiches kontrovers diskutiert. Seit dem 16. September können sich die Kinogänger selbst ein Bild von der Darstellung Hitlers und seiner Führungsclique machen. Produzent Bernd Eichinger hofft auf eine „kontroverse Diskussion auf hohem Niveau“, da der Film zweifelsohne polarisieren wird. Regisseur Oliver Hirschbiegel inszeniert „Der Untergang“ als bizarres Kammerspiel, deren Protagonisten als der Welt entrückte und verbohrte Ideologen dargestellt werden. Während die russische Armee bereits vor den Toren Berlins steht, hat sich die Wehrmachtsleitung zusammen mit den obersten Ministern in ein verzweigtes Bunkersystem zurückgezogen. Von verschiedenen Krankheiten gezeichnet, verfällt Adolf Hitler (Bruno Ganz) immer wieder in Zornesausbrüche und verflucht Generäle, Volk und Vaterland. Seine spätere Frau Eva Braun (Juliane Köhler) schmeißt derweil in der alten Reichskanzlei rauschende Feste für die Führungsoffiziere. In Nebenhandlungen im völlig zerstörten Berlin werden die Schicksale zweier Regimeabweichler dargestellt. Der SSArzt Prof. Schenck widersetzt sich Befehlen und ein Hitlerjunge verlässt seine Flakstellung. Zusammen mit der jungen Privatsekretärin Hitlers, Traudl Junge, bilden beide die Sympathieträger in einem düster-unwirklichen Endzeitspektakel. Durch die Augen der naiven jungen Frau gewinnt der Zuschauer neue Blicke auf die (Un)Person Adolf Hitler. Er ist bei Hirschbiegel nicht nur der keifende und tobsüchtige Wahnsinnige, sondern auch treusorgendes Hundeherrchen, Ehemann der letzten Stunden und fürsorglicher „Chef“. Darf man Hitler in einer Kussszene zeigen, darf man ihn als Menschen darstellen? Diese Frage beschäftigt schon jetzt Feuilletons und Historiker. Eine Antwort darauf sollte jeder Kinobesucher für sich selbst finden. „Der Untergang“ ist souveränes deutsches Erzählkino. Für Kenner der Geschichte des Dritten Reiches werden aber keine neuen Erkenntnisse geboten. Geschichtsklittung kann man Eichinger und Hirschbiegel aber auch nicht vorwerfen. Die Macher legten großen Wert auf die historische Genauigkeit ihrer Inszenierung; ein wissenschaftlicher Beirat überwachte die gesamte Produktion. Malte Koppe Anzeige Anzeige § § §Paul§Demel §§§§ §§§§§§§§ §§§§§§§§ §§§§§§§§ Rechtsanwalt Interessenschwerpunkte: Mietrecht Wohnungseigentum Baurecht Sozialhilfe Familienrecht Bahnhofstr. 5 48143 Münster Tel.: 02 51 - 414 05 05 Fax: 02 51 - 414 05 06 draußen! 10/04 30 GESUNDFUTTER Vegetarischer Herbst: Eintopf ohne Mettendchen Und wieder eine erschreckende Wahrheit aus Münster: Auch wenn es keinen ordentlichen Sommer gab, kommt trotzdem der Herbst. Daran ist nicht zu rütteln. Höchste Zeit also, Vitamine zu sammeln, um sich gegen Schnupfen und Erkältung zu feien. Und nach den ganzen leichten Sommermahl- ERBSEN-TOFU-EINTOPF zeiten muss doch auch endlich mal wieder etwas Deftiges auf den Mittagstisch. Deshalb stellt „draußen!“-Autorin Almut Wiemold diesmal ein paar leckere und garantiert vegetarische Eintöpfe vor, die günstig und einfach zu kochen sind. Wir wünschen guten Appetit! KARTOFFEL-EINTOPF GEMÜSE-EINTOPF MIT GRÜNKERN LINSENEINTOPF MIT TOMATEN Zutaten: Zutaten: Zutaten: Zutaten: 1 Zwiebel, 30g Margarine, 120g Tiefkühl-Erbsen, ¾ l Gemüsebrühe, 250g Kartoffeln, 125g Tofu, 20g Butter, 150 ml Sahne, Salz, Bohnenkraut, 2 EL fein gehackter Schnittlauch 500g festkochende Kartoffeln, 1 große Zwiebel, je ½ rote, gelbe und grüne Paprikaschote, 2 EL Öl, 20g Butter, Salz, Pfeffer, 1 TL Paprika edelsüß, ½ TL Rosenpaprika, ½ TL gerebelter Majoran, ¾ l Gemüsebrühe, 1 Fleischtomate, ½ Bund Petersilie, saure Sahne nach Geschmack 700g Blumenkohl, 350g Möhren, 40g Butter, 75g Grünkernschrot, 1 ¼ l Gemüsebrühe, 100g Zuckerschoten oder Erbsen, Salz, Pfeffer, Zitronensaft, 1 Bund Basilikum 200g Linsen, 2 fein gehackte Zwiebeln, 2 EL Öl, 1 Lorbeerblatt, 1 Nelke, 1 große Dose geschälte Tomaten, ½ TL Basilikum, ¼ TL Oregano, ¼ TL Thymian, Salz, Pfeffer, Gemüsebrühe instant, 1 Bund fein gehackte Petersilie Zubereitung: Zuerst werden die Kartoffeln geschält und in kleine Würfel geschnitten. Danach wird die Zwiebel ebenfalls geschält, klein gehackt und in heißer Margarine angebraten. Wenn die Zwiebeln leicht angedünstet sind, gibt man die Kartoffeln und die Gemüsebrühe hinzu. Während die Kartoffeln kochen, wird der Tofu gewürfelt und in der Butter angebraten, bis er leicht bräunlich wird. Kurz bevor die Kartoffeln gar sind, die Erbsen und schließlich den Tofu hinzugeben. Das Ganze mit Sahne, Salz und Bohnenkraut abschmecken und unter Umständen mit Speisestärke etwas andicken. Zum Schluss wird der Eintopf mit dem fein gehackten Schnittlauch bestreut. Zu allen Eintöpfen passt hervorragend ein Scheibe Toastbrot mit oder ohne Margarine! draußen! 10/04 Zubereitung: Kartoffeln und Paprika in Würfel schneiden, die Zwiebel fein hacken. Butter und Öl in einem Topf erhitzen, alles darin anbraten. Mit Salz, Pfeffer, Paprika edelsüß, Rosenpaprika und Majoran würzen. Die Gewürze ebenfalls kurz mit andünsten und schließlich die Gemüsebrühe dazugeben. Während das Gemüse etwa 20 Minuten mit Deckel kocht, kann die Tomate gewürfelt werden. Sie wird kurz bevor die Kartoffeln gar sind hinzugegeben. Schließlich die Petersilie untermischen und den Kartoffel-Eintopf nach Belieben mit saurer Sahne verfeinern und mit Speisestärke andicken. Zubereitung: Blumenkohl und Möhren putzen und in Röschen und Scheiben schneiden. Der Grünkern wird in Butter angeröstet und danach werden die Möhren, der Blumenkohl und die Gemüsebrühe dazu gegeben. Bei geringer Hitze 15 Minuten kochen lassen. Zuckerschoten oder Erbsen hinzugeben und weitere 5 Minuten garen. Mit Salz, Pfeffer, Basilikum und Zitronensaft abschmecken. Zubereitung: Linsen kalt waschen, abtropfen lassen und mit 600 ml Wasser zum Kochen bringen. Wenn sich Schaum bildet, wird dieser abgeschöpft. Nachdem die Zwiebeln, 1 EL Öl und das Lorbeerblatt dazugegeben wurden, werden die Linsen 15 Minuten gekocht. Während sie kochen kann in einer Pfanne das restliche Öl erhitzt werden. Wenn es heiß ist, werden die Tomaten, Basilikum, Oregano, und Thymian hinzugefügt und etwa 8 Minuten unter gelegentlichem Rühren gekocht. Diese Tomatensoße mit Salz und Pfeffer abschmecken und unter die fertigen Linsen rühren. Den Eintopf nun mit Gemüsebrühe würzen und noch weitere 3 Minuten kochen lassen. Kurz vor dem Servieren Petersilie unterrühren und das Lorbeerblatt und die Nelke entfernen. 31 ADRESSEN ARBEIT a) Beratungsstellen cuba-Arbeitslosenzentrum Achtermannstr.10-12, Tel. 511929 Arbeitsamt Münster Wolbecker Str. 45, Tel. 6 98 - 0 JAZ - Achse (Jugendausbildungszentrum) Friedensstraße 37-39, Tel. 89902-0/-21 Offene Tür des Diakonisches Werk Fliednerstr. 15, Tel. 89 09-0 Treffpunkt Schwester Eveline an der Clemenskirche Frühstück, Mittag, Dusche, Notfall-Kleiderkammer, Loerstr. 7, Tel. 26 55 568 Soz. Beratungsstelle Diak. Werk MS Mittagstisch, Beratung, Meldeadresse & mehr V.-Vincke-Str. 8, Tel. 4 90 15 - 0 b) Wohnungssuche Outlaw-Mädchen-Krisenhaus Tel. 5 50 19 (rund um die Uhr!) Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen e.V.“ Hansaring 32b, Tel. 67666 Beratungsstelle Südviertel e.V. für Kinder; Jugendliche und Erwachsene Friedrich-Ebert-Str. 114, Tel. 77466, Fax. 797960, email: [email protected] JUGEND / FAMILIE SUCHT Kommunaler Sozialdienst Hafenstraße 30, Tel. 4 92 - 5601 JIB Tips & Hilfe bei Ausbildungsplatz- & Stellensuche, Bewerbung; Internetcafé, Workshops für alle zwischen 14 und 27 Jahren: Jugendonline, Alli van Dornick, Susanne Freßdorf Hafenstraße 34, Mo-Fr 14.00 - 18.00 Uhr, Tel. 492 - 5856 Soz. Beratungsstelle Diak. Werk MS V.-Vincke-Str. 8 , Tel. 4 90 15 - 0 Wohnungsamt Münster Iduna-Hochaus, Servatiiplatz Tel. 4 92 - 0 Pro Familia Beratungsstelle für Familienplanung, Sexualberatung und -pädagogik, Bohlweg 19, Tel. 4 58 58 b) Selbsthilfe Caritasverband f. d. Stadt MS e.V. Sozialdienst Wohnungsnotfälle Timmerscheidstr. 4, Tel. 72433 KiKriHi Kinderkrisenhilfe im Kinderheim St. Mauritz, Tag und Nacht, Tel. 13 30 44 4 Selbsthilfeprojekt Hach Ewaldistr. 16, Tel. 6 51 68 Rümpelfix, Bremer Str. 42, Tel. 60 94 60 Seelenlicht Münster e.V. Selbsthilfe für psychisch Belastete Tel. 0160/ 838 23 25 KAI e.V (Kinderhauser Arbeitsloseninitiative), Josef-Beckmann-Str.5 , Tel. 26 36 89 WOHNEN a) Ohne Wohnung Christophorus-Haus Soester Str.11, Tel. 6063 35 0 Christophorus-Treff, Dienstags von 14.30 16.30 Uhr, insbesondere für Wohnungslose Aufsuchende Sozialarbeit f. Frauen Frauentreff am Elefantentor Katharinenstr. 10-12 Tel. 899 36 50 Fachstelle Wohnsicherungsmaßnahmen Stadt Münster (auch f. d. Städt. Übernachterunterkunft zuständig) Herr Berkemeier u. Herr Severin Tel.: 492 - 5031/2 draußen! e.V. Beratung & Verkäuferausweise Overbergstr. 2 Tel. 53 89 130 Bahnhofsmission (Gleis 12) Tel. 4 58 02 Haus der Wohnungslosenhilfe Übernachtungsmöglichkeit, Beratung, Essen, Waschen, Tagessatzauszahlung, aufsuchende Pflege, Kleiderkammer Bahnhofstraße 62, Tel. 48 45 20 FRAUEN Notruf für vergewaltigte und sexuell belästigte Frauen und Mädchen Mo.-Fr. 10-12 Uhr, Mo. 18-20, Do-16-18 Tel. 34 44 3 Gertrudenhaus Haus für wohnungslose Frauen Katharinenstr. 10-12, Tel. 8 99 36-0 Frauentreff am Elefantentor Katharinenstr. 10-12, Tel. 8 99 36-50 Beratung für werdende u. junge Mütter der Stadt MS Tel. 492-0 Frauen & Beruf im Frauen-Forum e.V. Warendorfer Str. 3, Tel. 5 56 69 Frauen- und Kinderschutzhaus des Sozialdienstes kath. Frauen Josef Str.2 Tel. 37 44 88 Sozialdienst kath. Frauen Josefstr. 2 Tel. 53 009418 Beratung & Therapie für Frauen Neubrückenstr. 73, Tel. 5 86 26 Frauenhaus Tel.: 02506 - 67 55( Wolbeck) Tel.: 02504 - 5155 (Telgte) Beratungsstelle MS 1420810 (10-18 Uhr) MASY (Sleep-In & Offener Treff für Mädchen) Schlafen, Waschen, Beratung Hermannstr. 73 Tel. 53 11 45 Mo-Fr 10-12, Mi/Do 16-18, und nach Vereinbarung Caritasverband f. d. Stadt MS e.V. Beratungsstelle f. Eltern, Kinder u. Jugendliche, Josefstr.2, Tel. 53009- 392 SKM Kath. Verein für soz. Dienste MS Kinderhauser Str. 63, 48147 Münster, Tel. 62 03 30 Westf. Klinik f. Psychiatrie & Psychotherapie (WKP) Münster Friedrich-Wilhelm-Weber-Str. 30 Tel. 591-02 -Suchtambulanz: 591-48 77 „Therapie und Hilfe sofort“ im Gesundheitsamt Münster Stühmerweg 8, Tel. 492-5369 Psychotherap. Institut e.V. Harsewinkelgasse 4, Tel. 4 74 04 INDRO e.V.. Bremer Platz 18-20, Tel. 6 01 23 Caritasverband f. d. Stadt MS e.V. Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle f. Suchtkranke und Suchtgefährdete Josefstr. 2, Tel. 53009- 371 Streetwork Heike Nees & Georg Piepel Hafenstr. 43, Tel. 492 - 58 60 Büro: Di 9-12 Do 15-18 (& n. Vereinbarung) Streetwork-Mobil am Bahnhof (Fahrradparkhaus) Mo 15.00 - 17.00 Uhr Drogenberatung Stadt Münster Schorlemer Str. 8, Tel. 492-5173 Trialog Beratung bei Familienkrise, Trennung, Scheidung, Von-Vincke-Str. 6, Tel. 51 14 14 Anonyme Alkoholiker Tel. 1 92 95 Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bremer Str.42/56, Tel. 27 71 33 Projekt Alleinerziehende cuba Achtermannstr. 10-12, Tel. 51 19 29 Zoff - Jungenkrisenhaus Hilfe, Beratung u. Übernachtung für Jungen in Not, Hafenstr. 21, Tel. 522148 (rund u. d. Uhr) Amt f. Kinder, Jugendliche und Familie Tel. 4 92 - 51 01 Münsteraner Tageseltern e.V. Coerdestiege 83, Tel. 86 80 66, Fax 86 89 67 Mo-Fr 9.00 - 12.00 Uhr Zartbitter Münster e.V. Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene Bahnhofsstraße 6, Tel. 41 40 555 (Beratung nach tel. Vereinbarung) Deutscher Kinderschutzbund e.V. Wolbecker Str. 27-29, Tel. 471 80 Trockendock Alkoholfreie Begegnungsstätte Grevener Str. 152, Tel. 29 88 83 STRAFFÄLLIGKEIT/ NACH’M KNAST Amt für soziale Dienste Ludgeriplatz 4, Tel. 4 92 - 0 Fachstelle für Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktregelung (VIP) Wasserstr. 9, Tel. 55 123 Chance e.V. Beratungsstelle, Bohlweg 68a, Tel. 4 26 56 Möbel-Trödel, Bohlweg 68a, Tel. 4 22 02 Möbelrampe, Dieckstr. 73-75, Tel. 230 11 55 Die nächste „draußen!“ erscheint am 29. Oktober 2004 draußen! 10/04 Anzeigen Die nächste „draußen!“ erscheint am 29. Oktober 2004