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EITE 12 | PS WELT KOOLE Karren Fahrspaß von 900 bis 150.000 Euro PS DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, V OL. I, SEPTEMBER 2014 DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL. III, MÄRZ 2015 winterkorn exkl us iv Ungebremste Eu phorie: Der wichtigste Automann der W elt Seite 18 Seite 6 D ie Sonne beendet den Winterschlaf, die Tage werden länger und wärmer. Zeit, die Garagen zu öffnen und die Autos unseres Herzens wieder um die Ecken zu jagen. Große, kleine, alte, neue, teure wie treue. In dieser Ausgabe erfahren Sie, wie man Autos richtig pflegt, dass kein Budget zu klein ist, um Petrolhead zu werden, und dass der mächtigste Automanager der Welt einer von uns ist. Nichts als gute Nachrichten. Viel Spaß damit. Ihr ULF POSCHARDT P.S.: Kritik und Lob bitte wieder an [email protected] J O H N S U RT E E S IN EINEM F E R RA R I 1 5 8, 1964 DE WINTER & BRODER Autor trifft Autor trifft Auto Seite 4 FERRARIPATHOS Ein Liebesbrief Seite 16 PS-SERVICE s o l s ’ t h e g t z t e J High-EndAutoputzen, Oldtimerfahrer werden Seite 22 SALONLÖWEN Feine Neuheiten aus Genf Seite 17 Foto KNUT GIELEN PS WE LT | SEITE 3 Beim ersten Mal gleich ein voller Erfolg: Das Video zu ersten „Tour du Pont“ in Potsdam finden Sie ab sofort auf www.facebook. com/PSWelt, denn wir sind jetzt Medienpartner der Veranstaltung und freuen uns schon auf den 29. und 30. August 2015! 1 Im Auto feiern Bei den Dreharbeiten zu dem Video „Music“ war Madonna schwanger, weswegen sie nur im Sitzen tanzen konnte (Tip: im Rhythmus schwanken und das Glas immer gerade halten). Ihr Chauffeur war der damals berühmte Komiker Ali G., auf dem Nummernschild der Stretchlimousine stand - Madonna-typischer Vulgärfeminismus - „Muff Daddy“, und ihre Champagnerfreundinnen verschwanden nach Drehschluss wieder in der Versenkung. Madonna trug in dieser Phase Outfits des kanadischen Designerduos D’squared, ein adäquater Startpunkt von deren Frauenoffensive. Zum letzten Mal löste die „Queen of Pop“ einen weltweit spürbaren Modetrend aus: Mottoparty Wilder Westen. Auto fahren kann jeder. Gut dabei aussehen ist nicht ganz so leicht. Dabei gibt es genug Vorbilder für Stilsicherheit am Steuer. Eine rein zufällige Auswahl. Warner Bros. Records (3) 24 Lektionen fürs Lenken TOUR DU PONT Von ADRIANO SACK 2 Julian Wasser/LIFE Images/Getty Images Sie war die luzideste, weil weibliche Stimme im von Platzhirschen unterschiedlicher Couleur dominierten New Journalism und schon damals nicht wesentlich größer als ein Sperling. Ihre scharfen, aber eben gerade nicht hämischen Reportagen über die Alternativkultur im Kalifornien der späten 60er konterkarierte Joan Didion mit Angeberfotos vor ihrer weißen Corvette Stingray. Vergleichbar mit Françoise Sagan („Bonjour Tristesse“) und ihrem Jaguar, aber weniger kokett und damit bis heute gültiger. Exklusiv bei uns: Auto-Cartoons von HAUCK & BAUER Automobiles Alter Ego: Joan Didion in ihrer Corvette Mehr PS bitte! Danke! 3 Unglaublich, wie sich die PS-Zahlen, also die Leistung unserer Autos, über die Zeit entwickelt haben. Besonders ein Hersteller sticht mit einer unglaublichen Leistungsexplosion hervor. Bravo. 662 Corvette V8 Small Block 350 300 335 245 405 VW Golf GTI 250 271 550 250 PS PS 1955 2015 Shelby Mustang 272 455 220 PS 1976 2013 211 2013 *im Golf IV war der GTI kein Sportmodell, sondern eine Ausstattungslinie 300 Renault Espace 325 Fiat 500 nto ce e qu 0 S 50 Cin 00 0S a 5 0 v 5 o 69 Nu 14 31 160 arth o b n A li 14 po To 1936 PS 2009 Basisdiesel 150 88 98 115 130 88 350 130 1984 PS 1963 2011 Porsche 911 PS 2015 BMW 5 35 zweitüriges Kompakt-Coupé, Topmodell 8 ti* ti* 5i 323 325 2 3 3i 170 170 192 32 ii 143 Honda Civic Topmodell 150 160 185* 200 125 69 69 PS 2015 1972 *nur in Japan verkauft 201 280 t 02 130 20 PS 1971 *3er Compact Ferrari Mittelmotorsportwagen 5i 13 306 TB 8G 30 255 M 326 GT 46 o2 Din GT 06 o2 Din 34 379 305 60 400 3 498 0 43 270 570 8 45 TB 8G 20 i 5 23 TB 8G 32 TB 155 8 48 175 670 160 2013 Universum Film 1965 195 112 110 200 115 115* Fetisch Lenkhandschuhe Vielleicht der blödeste Anachronismus zum Thema Autos und Style. Schließlich sind Lenkräder nicht mehr hart und schwergängig, und moderne Männerhände schwitzen nicht. Die Touren, die der Stuntman (Ryan Gosling) in „Drive“ zu erledigen hat, sind allerdings rasant, ruppig und riskant. Wenn er sich also vor seinen Kriminalfahrten die Handschuhe überstreift, verweist diese erotische Geste auf eine Szene in Klaus Kinskis Schelmenroman „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“. Und sie zeigt einen Moment der rituellen Sammlung und Konzentration. 540 450 Haltung zeigen 1968 PS Infografiken: Jörn Baumgarten 2015 Ab morgen gibt es jeden Tag einen neuen Style-Ratschlag von Adriano Sack auf ps.welt.de DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, M Ä RZ 2 015 SEITE 4 | PS WE LT »Ich fahre nicht gern Auto, ich nehme lieber den ZUG« Der Bestseller-Autor LEON DE WINTER erklärt dem Bestseller-Autor HENRYK M. BRODER, warum der Porsche ein feminines Auto ist, bei dem es nicht darauf ankommt, dass man es benutzt, sondern dass man es hat. Von HENRYK M. BRODER Fotos JULIUS SCHRANK PS WELT: Leon, es war bestimmt schon als Kind dein größter Wunsch, einmal einen Porsche zu haben, stimmt’s? LEON DE WINTER: Ja, aber ich traute mich nicht, laut zu denken. Mein erstes Auto war ein Citroën 2 CV, die hässliche Ente, mein Wunschauto wäre ein Jaguar gewesen. Ich wollte ein ernst zu nehmender Schriftsteller sein, und da konnte ich mir keinen Jaguar leisten. PS: Zu teuer? LDW: Nein, wegen des Images. Ich hätte mir einen Volvo oder einen Saab leisten können, ohne mein Ansehen zu riskieren, aber keinen Porsche und keinen Jaguar. PS: Ich erinnere mich, dass ich mal einen Jaguar von dir in die Werkstatt gefahren habe. LDW: Ja, aber das war schon viel später. Da war ich schon etabliert. Und verheiratet. PS: Was hat deine Frau damit zu tun? LDW: Diese Regeln und Vorschriften, was man tun darf und was man nicht tun darf, was werden die Freunde sagen, die brachen alle weg, als mir Jessica über den Weg lief, das war, glaube „Damals ahnte ich bereits, eines Tages würde ich einen Porsche haben. Es ist eine Frage des Selbstvertrauens“ ich, 1990. Die kannte so etwas nicht. Ich sagte ihr, ich würde gern einen Jaguar haben. Und sie antwortete: Dann kauf dir doch einen. In diesem Moment beschloss ich, sie zu heiraten. Und ich habe es nie bereut. PS: Ihr seid dann also zu dritt gewesen. Du, Jessica und der Jaguar. LDW: Nein, wir waren zu Viert, ich habe gleich noch einen zweiten Jaguar dazugekauft. PS: Warum? LDW: Weil ich ihn haben wollte. Ich dachte, wenn ich einen haben kann, dann kann ich auch zwei haben. Wir lebten damals in einem Haus in Hilversum und hatten genug Platz für zwei, drei Autos. PW: Es gab noch ein drittes? LDW: Ja, einen alten Volvo 264. Genau genommen waren es sogar vier: Zwei Jaguar, ein Volvo und ein kleiner Suzuki – für die täglichen Besorgungen. PW: War das nicht ein wenig übertrieben? LDW: Nein. Mir ging es nicht darum, die Autos zu benutzen, sondern sie zu besitzen. Außerdem fahre ich nicht gern Auto, ich nehme lieber den Zug. In Holland kommt man mit dem Zug überall hin. Auto fahre ich nur zum Spaß, im Sommer ans Meer oder einfach durch die Gegend, wenn es mal nicht regnet. PW: Gab es zwischendurch nicht auch einen Range Rover? LDW: O ja, ich hatte mal einen RangeRover! Und davor einen Mercedes und einen BMW. Die waren aber nur für den Tagesgebrauch. PS: Was machst du heute, wenn du einkaufen musst? Nimmst du den Porsche oder den Mustang deiner Frau? LDW: Ich gehe zu Fuß. Der nächste Supermarkt ist nicht weit. Und ich nehme so einen Einkaufswagen auf Rädern mit. PS: Du weißt, wie man diese rollenden Shopping-Bags in Deutschland nennt? LDW: Nein. PS: Rentnerporsche. LDW: Das passt gut. Dann hab ich schon zwei Porsche. PS: Und bevor du selbst einen hattest, hast du jedem, der an dir vorbeifuhr, mit großen Augen nachgeschaut? LDW: Ja, der Wunsch nach einem Porsche wurde immer stärker. Ich habe damit auch unsere Kinder angesteckt. Als wir alle zusammen zum ersten Mal in Los Angeles waren, haben sie „Porsche zählen“ gespielt. Sie kamen auf über 2700. Los Angeles ist die PorscheHauptstadt der Welt. PS: Aber auch die Hauptstadt der Toyota-Prius-Fahrer. LDW: Ja, manche haben einen Porsche und einen Prius. Den einen zum Angeben, den anderen, um zu zeigen, wie umweltbewusst sie sind. Leon de Winter (l.) und Henryk M. Broder PS: In einem deiner frühen Romane, „Super Tex“, fährst du aber schon einen Porsche. LDW: In Wirklichkeit fuhr ich damals noch den alten Volvo 264. Der Porsche im Roman war, wie alles andere auch, ein Produkt meiner Fantasie. PS: Und ein Sündenfall. Du fährst mit dem Auto an einem Samstag durch Amsterdam und verletzt einen jüdischen Jungen auf seinem Weg in die Synagoge. Noch brutaler kann man den Schabbat nicht entweihen. LDW: Ja, das war damals etwas Unvorstellbares. Ein Jude fährt keinen Porsche! Ein deutsches Auto und außerdem völlig ungeeignet, um die Schwiegermutter zum Arzt zu fahren. Es war eben ein Roman. Ein paar Jahre später wurde er von Jan Schütte verfilmt - und wer war bei der Premiere in München dabei? Herr und Frau Porsche. Es wurde ein sehr schöner Abend, der bis zum Morgen dauerte. Damals ahnte ich bereits, eines Tages würde ich einen Porsche haben. Es ist eine Frage des Selbstvertrauens und eine gute Gelegenheit, alle Hemmungen hinter sich zu lassen. PS: Wann warst du so weit? LDW: Als wir 2009 wieder nach Los Angeles kamen, habe ich sofort angefangen, einen zu suchen. Und ich wusste genau, was ich wollte, einen grauen Targa mit schwarzen Ledersitzen, gebraucht, aber nicht zu alt. PS: Und eines Tages stand eine Fee vor der Tür und sagte: Leon, du hast einen Wunsch frei. LDW: Nein. Ich klapperte einen Porschehändler nach dem anderen ab, bis ich schließlich in Pasadena einen fand, der genau den hatte, nach dem ich suchte. Und dann war es Liebe auf den ersten Blick. Das Aussehen, der Geruch, die Geräusche beim Anfahren ... PS: ... sprichst du von einem Auto oder von einer Frau? LDW: Der Targa ist ein sehr feminines Auto. Es hat Hüften wie eine Frau. Das Design ist sehr weiblich. Aber unter der Motorhaube toben 300 Pferde. Es ist die perfekte Mischung aus kräftig und zart. PS: Was hat deine Frau gesagt? LDW: Sie sagte: Wenn du meinst, dass es das richtige Auto ist, dann kauf es. PS: Mir kommt das vor wie der Gang zu einem Rabbi, der einem dazu rät, was man eh tun möchte. LDW: Genau so war es. Ich bin dann mit dem Bus quer durch L.A. von Santa Monica nach Downtown gefahren, von dort mit der Tram weiter nach Pasadena. Das hat etwa drei Stunden gedauert. Und dann mit dem Porsche zurück nach Santa Monica. Wir hatten dort ein Haus gemietet, das früher Dr. Ralph Greenson gehört hat, dem Psychiater von Marylin Monroe. Er war der Shrink der Stars und der Star unter den Shrinks. PS: Das Haus hatte auch eine Garage? LDW: Ja. Und da stand der Targa drin, geschützt und behütet. PS: Du bist damit nicht gefahren? » REICHTUM ist die Möglichkeit, etwas tun zu können, nicht, es tun zu müssen« – Leon de Winter LDW: Wenn überhaupt, dann nur sonntags morgen. An der Ecke Pico und Lincoln gab es eine französische Bäckerei, wo man wunderbare Croissants kaufen konnte. Da bin ich immer mit dem Porsche hin. Unter Palmen durch die leeren Straßen von Santa Monica und in einer Wolke von duftenden Croissants wieder zurück. PS: Aber was ist das für eine Idee, ein Auto zu haben und es kaum zu benutzen? LDW: Die Erfüllung gibt es nur in der Vorstellung. Ich habe den Targa tage-, manchmal wochenlang nicht gesehen, aber ich wusste, er ist da. In Reichweite. Und ich musste nicht mehr daran denken, wie ich in meinem hässlichen 2CV fahre und dabei von noch hässlicheren Kapitalisten in deren Jaguars, BMWs und Porsches überholt PS WELT | SEITE 5 P O RS C H E UND POMMES B E G E I ST E R N K I N D E R UND MÄNNER 1 werde. Jetzt war ich auf der Überholspur, auch wenn ich nur mit 20 Meilen durch Santa Monica rollte, mit einer Tüte Croissants neben mir. Endlich war ich am Ziel. Der Porsche war der Beweis. PS: Ein wenig kenne ich das auch. In meinen Regalen stehen viele Bücher, die ich nie gelesen habe. Aber ich muss sie haben. Die Traumdeutung von Freud zum Beispiel. Ein tolles Buch, ohne das ich nicht leben könnte. LDW: Genau! Reichtum ist die Möglichkeit, etwas tun zu können, nicht, es tun zu müssen. Mir fällt grade ein, als unser Sohn mit 16 seinen Führerschein gemacht hatte, gab ich ihm die Schlüssel für den Porsche und sagte: Jetzt fährst du, und ich sitze neben dir. PS: Eine Art Reifeprüfung für Anspruchsvolle. LDW: Ja, früher haben die Väter ihre Söhne zum Geburtstag in ein teures Bordell ausgeführt. Heute dürfen sie den väterlichen Porsche fahren. PS: Und wie kam das Auto nach Holland? Julius Schrank/Agentur Focus (6) 3 Leon de Winter 2 1. Holländische Ruhestörung auf gut Deutsch 2. Nettes Einweisen ist ein feiner Zug 3. Endlos Platz für gute Literatur LDW: In einem Container auf einem Schiff, als wir von Los Angeles wieder in die Niederlande zogen. PS: Ganz allein? LDW: Ja. Die Spedition holte es bei uns in Santa Monica ab und stelle es in Bloemendaal wieder vor die Tür. PS: Und jetzt steht es die meiste Zeit wieder in einer Garage? LDW: Ja. PS: Das finde ich immer noch seltsam. Es ist, als würde man heiraten und keinen Sex mit der Ehefrau haben. LDW: Ich sehe es anders. Es ist, als würde ich meine Frau unter einer Burka verstecken, und ich wäre der Einzige, der weiß, wie schön sie ist. Das wäre der bessere Vergleich. PS: Ich fürchte, unsere Frauen werden begeistert sein. LDW: Da müssen sie durch. PS Geboren 1954 in ’s-Hertogenbosch, Niederlande. Seit Langem als Schriftsteller und Filmemacher international erfolgreich. Lebt nach längerem USA-Aufenthalt wieder in den Niederlanden. 2002 erhielt de Winter den „Welt“-Literaturpreis und 2006 die BuberRosenzweig-Medaille. Auch Traumautos brauchen Zuneigung, wenigstens ab und an DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, MÄ RZ 2 015 SEITE 6 | PS WE LT n e r r a K koole Egal, ob ganz kleine Mark oder dicke Tausenderrolle im Socken, wir meinen: In jeder Preisklasse lassen sich mit ein wenig Mühe gebrauchte Autos finden, die extrem viel Spaß bereiten. Einige Vorschläge: Illustrationen RALF NIETMANN Smart (erste Serie, 450) Wir sind ja hier unter uns. Mein absoluter Lieblings(klein) wagen ist das Smart City Coupé mit 61 PS. Bei 800 Kilo genug Leistung, um im Großstadtverkehr nicht nur mitzuschwimmen, sondern sportlich durch die Staus zu wedeln. Das sequentielle Sechsgang-Getriebe nutze ich wie Sebastian Vettel, und am Ende bin ich mit dem athletischen Zwerg fast so schnell wie mit den heiß geliebten Sportwagen. Die erste Baureihe (450) wird garantiert ein Klassiker und gibt es jetzt richtig günstig ab 900 Euro. Maximales Understatement, moderne Technik und beim Parken unschlagbar. Der Fahrspaß wird unterschätzt. ULF POSCHARDT Lancia Delta Integrale Aufgepasst, es gibt viel Schrott. Mit jeder Menge Rost. Oder fiesen Anbauten. Doch wer einen sauberen Delta Integrale (ab 1987) ergattern kann, kriegt eines der schärfsten italienischen Teile überhaupt, massig Renngeschichte, Allradantrieb, 2-Liter-Turbo mit 185 PS schon in der ersten Serie. Den Kenner erkennt man daran, dass der Dach-Spoiler hinten steil gestellt ist. Unbedingt in Großbritannien schauen, dort gibt es sie unter 10.000 Euro. PETER RUCH 0 BIS 5000 EURO 10.000 BIS 50.000 EURO Cadillac Seville (1991–1997) Amerikanisches Schlachtschiff mit Vollausstattung und geometrischem Matchbox-Antlitz zum Schnäppchenpreis. Wer keine Skrupel hat, ein US-Car aus einer Zeit zu fahren, als von jenseits des Ozeans nur vermeintlich gebadgte Billigware zu haben war, sollte sich in die weichen Sitze des Seville der vierten Generation fallen lassen und mit sanften 304 PS unterm Po per Automatik davoncruisen. STEFAN WEISSENBORN Aston Martin Lagonda Mk2/Mk4 Für verhinderte Raumschiffkommandanten, hoffnungslos Anglophile oder Elektronik-Nerds der Vor-Atari-Ära – am besten sollte alles zusammenkommen: Mehr Extravaganz geht nicht. Die Form ist in der Tat zeitlos und keiner Epoche zuzuordnen, dazu grandios proportioniert. Im Innenraum findet sich alles, was seinerzeit an unzuverlässiger Elektronik auf dem Markt war. Die Pressepräsentation des Modells soll 1977 ins Wasser gefallen sein, weil die elektronisch gesteuerte Fernbedienung die Öffnung des Pressefahrzeugs verweigerte. Wer mit einem Lagonda vorfährt und somit tatsächlich ankommt, ist für Uneingeweihte Mister Blofeld, für Eingeweihte Q. LUTZ FÜGENER Austin Allegro Welch ein Misserfolg! Welch eine Fehlkonstruktion! Und derart hässlich. Und genau deshalb muss man ihn lieben. Der Allegro sollte den Austin 1100/1300 beerben, kostete aber schon in der Entwicklung viel zu viel Geld – und war qualitativ eine Katastrophe. Heute gibt es ihn günstig, sehr günstig – und jene Exemplare, die bis jetzt überlebt haben, dürften zumindest die schlimmsten Kinderkrankheiten hinter sich haben. PETER RUCH Chevrolet Nova Schon der Name war eine Pleite – „nova“ heißt auf Spanisch: „fährt nicht“. Die ersten Nova kamen 1962 und waren noch einigermaßen in Ordnung, schlimm wurde es ab der zweiten Generation (1968–1979), ganz besonders mit dem 90 PS starken 2,5-Liter-Vierzylinder, und dem Rostfraß. Und dem popeligen Interieur. Das will heute niemand mehr, die gibt es nicht einmal bei Rent-A-Wreck – und deshalb kriegt man sie hinterhergeschmissen, wenn man sich so eines Teils erbarmen möchte. PETER RUCH Audi allroad Das erste Modell mit dem zeitlosen Design der Baureihe C5 kam noch ohne die Bezeichnung A6 aus und ist sowohl als V6 TDI als auch V8 Benziner zu haben. Ersterer unterstreicht jedoch mehr den Charakter dieses hemdsärmeligen Alleskönners und kombiniert ihn auch akustisch mit dem Habitus einer selbstfahrenden Landmaschine, die dann allerdings mehr als 200 km/h schnell wird. Mit der optionalen LowRange-Untersetzung zieht man mit diesem Ding mühelos einen auf der Seite liegenden Lastwagen aus dem Graben. Das Fahrwerk mit Luftfederung ist grandios, solange es dicht ist. Danach war nie mehr so viel Gummistiefel, wenn draußen allroad draufstand. LUTZ FÜGENER Subaru SVX Im Jahr 1990 als Showcar zum Thema passive Sicherheit auf der Tokyo Motor Show präsentiert, entschied man sich bei Subaru für eine Serienfertigung. 3,3-Liter Boxer – wo haben wir das schon mal gehört? Flach wie Schleswig-Holstein, dazu natürlich Allrad, immer Vollausstattung, eine sehr markante Lösung für die Öffnung der Seitenfenster des großzügig verglasten Wintergartens und immer Automatik. Die war leider der häufigste Grund für Sorgen, denn ansonsten gibt es Subaru-typische Zuverlässigkeit. Für den Preis einer S-Klasse gab es hierzulande außer der Farbe eine einzige Zubehöroption: Spoiler auf dem Heckdeckel oder nicht. Das wirklich exotische Winterauto – nicht nur für Japanophile. LUTZ FÜGENER Alfa 156 Zum Teufel mit den Vorurteil, dass Alfa schon im Prospekt rosten und die Elektronik pünktlich mit Ablauf der Neuwagengarantie das erste Mal streikt. Es mag ja alles stimmen, auch bei den zwischen 1997 und 2006 gebauten 156ern. Aber zwischen den Werkstattaufenthalten holt man sich so viel italienisches Lebensgefühl ins Cockpit, dass man klaglos den ADAC-Schutzbrief für die nächste Panne bucht. Empfohlen sei die GTA-Ausführung mit dem 3,2-LiterSechsyzlinder. Ein Statement gegen alle VW-Passat Jasager. ROBERT DUNKER AMC Pacer (1975–1979) Der heimliche Bruder des bekannten Schneewittchensargs von Volvo mit fantastischer Übersicht. Und nebenbei ein ziemliches Unding, denn Kleinwagen aus den USA sind so rar wie Büffelherden in Europa, doch es gab sie. Dafür war das rund 4,40 Meter kurze „rollende Aquarium“ mit 37 Prozent Fensterfläche breiter als eine heutige S-Klasse und wurde sogar mit einem V8 angeboten. STEFAN WEISSENBORN Datsun 240 Z Zum Niederknien bezaubernd ist der Japaner mit langer englischer Schnauze und kurzem italienischem Heck. Der 1969 vorgestellte Datsun 240Z – oder einfach nur Z – hat nur ein Problem: In Deutschland kommt er so gut wie gar nicht vor. Nur 303 Stück gingen regulär in den Verkauf. Wer bei seiner Suche nach einem Z etwas kreativ ist, den Automarkt in der Schweiz und den Niederlanden im Auge hat oder sich mit einem US-Import anfreunden kann, der hat gute Chancen, mit dem japanischen Coupé stilvoll aus dem Rahmen zu fallen. ROBERT DUNKER Bristol 407 bis 411 Bristol baute einst Flugzeuge. Und dann nach dem Zweiten Weltkrieg lange eine Kopie des BMW 328. Ab 1961 gab es dann den 407, der auf dem 406 basierte, aber einen fetten Chrysler-V8 unter der Haube hatte. Der Wagen, konservativ gezeichnet, überhaupt «understated», aber von herrlicher britischer Eigenartigkeit wurde als 407, 408, 409, 410 und 411 bis 1976 optisch quasi unverändert gebaut. Und überzeugt mit hoher Qualität, außen wie innen. So ab 30.000 Pfund ist man dabei – und kriegt es ziemlich exklusiv, denn so richtig viele Bristol wurden nicht verkauft. PETER RUCH 5000 BIS 10.000 EURO »Fahrspaß muss « n e t s o k s t h c i n (fast) ÜBER 50.000 EURO Bentley Azure Große, viersitzige Cabrios sind die gelassenste Form, Auto zu fahren. Der Bentley Azure wird von einem 6,75 Liter Achtzylinder angetrieben. Wem die 456 Serien-PS nicht reichen, der greift einfach zum Azure T. Der hat 507 und das Drehmoment eines Panzers: 1000 Newtonmeter, die das Cabrio in 5,5 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen und 288 km/h schnell machen. So ein Auto wird wohl nie wieder gebaut. Das muss einem ungefähr die Hälfte des Neupreises wert sein: um die 150.000 Euro. CARL CHRISTIAN JANCKE Lamborghini Espada (1968 –1978) Es gab eine Zeit, da waren Lamborghini nicht die scharfkantig geschliffenen Starfighter von heute. Zum Dahinfließen: Der von Bertone organisch gezeichnete Espada, ein Viersitzer-Coupé mit 70er-Jahre-Wohnzimmerflair und fast schon Shooting-Brake-artigem Abschluss dank steiler Heckscheibe. Und trotzdem ein rassiger Zweitürer mit Dampf aus zwölf Zylindern. STEFAN WEISSENBORN ANZEIGE CORVETTE STINGRAY CABRIOLET DER NÄCHSTE SOMMER WIRD HEISS Der vollständig neu entwickelte 6.2L LT1 V8-Motor begeistert mit 466 PS (34 kW), 630 Nm Drehmoment und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km / h in 4,2 Sekunden. Der Fahrer kann zudem je nach Fahrsituation entscheiden, wann er maximale Motorleistung oder optimierte Kraftstoffeffizienz wünscht. Mit der Corvette Stingray wird der nächste Sommer definitiv heiß. Fürs Cabriolet sind übrigens keine zusätzlichen Verstärkungen im Rahmen erforderlich, da das Coupé von Anfang an mit einem abnehmbaren Dachteil konzipiert wurde. Beim Coupé kann das federleichte Karbonfaserdach einfach im Kofferraum verstaut werden. Das Cabriolet-Verdeck der Corvette Stingray lässt sich per Funkfernbedienung während der Fahrt bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km / h öffnen. Die Innenausstattung besticht durch sorgfältige Verarbeitung und liebevolle Details. So wurde zum Beispiel die Lederverkleidung des Armaturenträgers von Hand bespannt und genäht. Dadurch wurde eine noch exaktere Passform erreicht. Dagegen glänzen die harten Oberflächen in Aluminium oder Karbonfaser. Die gepolsterten Sitze punkten mit einem LeichtbauMagnesiumrahmen für eine verbesserte Performance. Autohaus Kramm GmbH 0 30 / 4 74 90 60, Berlin Autohaus Ulmen GmbH & Co. KG 02 11 / 31 00 00, Düsseldorf Automobile Hirsch GmbH 07 61 / 15 43 19 00, Freiburg Autosalon am Park GmbH 0 21 61 / 65 90 00, Mönchengladbach Autohaus Wiens GmbH & Co. KG 0 25 43 / 2 32 30, Billerbeck Automobil-Verkaufs-Gesellschaft Joseph Brass GmbH & Co. KG 0 69 / 4 05 00 50, Frankfurt am Main APW Lehmann-Automobile GmbH 0 40 / 6 49 09 90, Hamburg Geigercars.de GmbH 0 89 / 42 71 64 13, München Autohaus Steppe GmbH 0 82 94 / 80 40 80, Horgau Auto Neff GmbH 0 71 32 / 95 12 00, Neckarsulm Mobilforum Dresden GmbH 03 51 / 8 66 00 66, Dresden Kraftstoffverbrauch (l / 100 km) innerorts / außerorts / kombiniert: 19,1 / 8,1 – 7,8 / 12,2 – 12,0; CO2-Emission, kombiniert (g / km): 283 – 279 (gemäß Verordnung EG-VO 715 / 2007), Energie-Effizienzklassen: G. Dies ist ein Angebot der Chevrolet Europe GmbH, Stelzenstrasse 4, 8152 Glattpark, Schweiz. Um sich der Strecke oder den eigenen Fahrbedingungen anzupassen, kann zwischen fünf Fahrmodi gewählt werden. Der Wagen stellt sich automatisch auf bis zu 12 Performance-Variablen und Funktionen ein. Sehr praktisch ist dabei das serienmäßige Head-up-Display. Es projiziert wichtige Daten wie zum Beispiel Geschwindigkeit, Motordrehzahl oder Infotainmentinhalte direkt im Blickfeld auf die Windschutzscheibe. ERFAHREN SIE MEHR UNTER: WWW.CHEVROLET.DE/CORVETTE-CABRIOLET DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, M Ä RZ 2 015 SEITE 8 | PS WE LT A STO N M A RT I N D B 5 AU F E N G L I S C H E M RA S E N. S E H E N SWE RT U N D ST I L S I C H E R GOODWOOD Ein englischer Earl, ein erfreuliches Erbe und schier endloser Enthusiasmus sorgen für eine erstaunliche Erfolgsgeschichte: Goodwood und seine Auto-Events sind mittlerweile Open-Air-Plichttermine für Autonarren aus aller Welt. PS WELT | SEITE 9 Von GUIDO BELLBERG Fotos KNUT GIELEN SEITE 10 | PS WE LT DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, M Ä RZ 2 015 Stilecht und Gewicht sparend, da abnehmbar – clevere Lösung im Jaguar PS WELT | SEITE 11 Sir Jackie Stewart und ein Aspekt des Motorsports, den wir besonders lieben – Familie und Zusammenhalt DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, M Ä RZ 2 015 SEITE 12 | PS WE LT AU ST I N -J - 4 0 - T R E TAU TO S N AT Ü R L I C H B E S I T Z T P R I N Z CHARLES SEINES IMMER NOCH E inige waren schon dort, fast jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der schon dabei war, und nicht wenige möchten dieses Jahr endlich auch einmal hin – Goodwood ist die Verkörperung all dessen, was wir an Autos und ihrer Inszenierung lieben. Egal, ob „Festival of Speed“, „Revival“ oder „Member’s Meeting“ – nirgendwo sonst findet man eine solch erstklassige Verbindung von Sport und Spaß, Wettbewerb und Warmherzigkeit. Und weil wir in Großbritannien sind, ist der ganze Wahnsinn zusätzlich mit jeder Menge Ironie, Humor und stilsicherer Haltung gewürzt. Goodwood ist natürlich auch der Ort für außergewöhnliche Begegnungen. So ließ sich etwa John Surtees, einziger Formel-1- und Motorrad-Weltmeister der Geschichte und auf unserem Cover zu sehen, in Goodwood schon einmal von Sebastian Vettel einen modernen F1-Wagen erklären und setzte den jungen Deutschen im Gegenzug auf ein historisches Rennmotorrad. Jeder liebt Goodwood, und Vettel wusste auch schon vor Jahren warum: „Man trifft unheimlich viele Leute, die gleichgesinnt sind. Es ist schön, dass man sich so viel Mühe gibt, das Ganze drei Tage lang so ausgiebig zu feiern.“ Legendäre Rennfahrer und aktuelle Formel-1-Götter – Goodwood vereint bei mittlerweile drei eigenständigen Veranstaltungen den ganzen Kosmos motorisierter Lebensfreude. Charles Henry Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara, den wir uns aber in deutscher Effizienz nur Lord March zu nennen erlauben, ist dabei der führende Kopf hinter allen Events. Der Lord, der es in Sachen Aussehen und Charme sogar mit Hugh Grant aufnehmen könnte, ist nicht nur geschickter Verwalter des Familienerbes und ein werbeerfahrenes Marketing-Genie, sondern vor allem ein echter AutoEnthusiast (und Präsident des British Automobile Racing Club). Auch hier bewegt er sich in bester Familientradition, denn die Goodwood-Aristokraten waren schon immer motorsportverrückt, England eben. Bereits Ende der 30er-Jahre veranstaltete der Großvater des jetzigen Lords das erste Bergrennen, das durch den gräflichen Park und über den mittlerweile berühmten Hügel führte. Seit 1998 gibt es außerdem das beliebte Goodwood Revival, immer im September. Wer ein klassisches Automobil oder Motorrad in der Garage und die passende zeitgemäße Kleidung im Schrank hat, kann hier aktiver Bestandteil einer nostalgischen Zeitreise werden. Luxuslimousinen, Sportwa- gen, Motorräder – beim „Revival“ bitte nur mit der passenden Kostümierung und selten ohne Seitenhieb auf den ehemaligen Kriegsgegner, also uns. Passt schon. Von den 30er- bis zu den 60er-Jahren ist alles möglich, aber stilsicher sollte man sich bewegen können, das gilt auch für die Frisuren, thank you. Elitär und humorlos ist das Ganze aber trotzdem nicht, sondern ein Riesenspaß für alle Besucher. Goodwood – nirgendwo sonst auf der Welt vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit automobiler Lebensart zu solch großartigen Erlebnissen. Die drei Events auf den Ländereien des Lords verdichten alles, was wir Autoverrückte lieben: den ölverschmierten Konkurrenzkampf, die Ästhetik automobiler Kunstwerke, die lebendige Erinnerung an die europäische Geschichte und – last but not least – die humorvolle Selbstinszenierung mit Stil. Unser Tipp: Einfach genießen und Haltung bewahren. PS «Goodwood ist die Verkörperung all dessen, was wir an Autos und ihrer Inszenierung lieben.» Knut Gielen GOODWOOD Revival, Members’ of Speed, Meeting, Festival RACH IG 160 SE IT EN, ZW EI SP .) (D T./ EN GL CA . 20 0 FA RB FO TO S, FO RM AT 24 X3 0 CM, GE BU ND EN MI T , SC HU TZ UM SC HL AG )/ (A 30 51, )/€ (D 0 9,9 €4 SF R6 6,9 0 3 ISB N 97 8-3 -66 7-101 27Erscheint am 12. März 2015 PS WE LT | SEITE 13 Startreihe mit Hut, selbstverständlich dem richtigen. Dahinter aber bitte mit Helm SIE DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, MÄ RZ 2 015 SEITE 14 | PS WE LT Frauen und ihre B eziehungen zu Ge schwindigkeit, Stil und dem Automobil – oft unterschätzt, manchmal Quelle schaler Witze, aber imm er spannend. Wehe, wenn sie losgelassen … Verstörender KOMPROMISS Der ABARTH 695 BIPOSTO ist eine kuriose Kreuzung zwischen Rennwagen und Stadtauto. Von außen knuddelig, offenbaren sich innen feinste Rennsporttechnik und funktionales Design. Und wie fühlt sich das Ganze an? Von RONJA VON RÖNNE Fotos CAROLIN SAAGE Die üblichen Türgriffe wurden durch Schlaufen ersetzt. Keine Fußmatten, nur glänzendes Aluminium. Fast obszön liegt die Schaltkulisse frei, offen wie eine Wunde offenbart sich die Feinmechanik. Keine sonstige Ausstattung, kein Schnickschnack. Vierpunkt-Gurte. Racing Windows mit Schiebeöffnung. Rennstrecke. Man möchte beschämt zur Seite schauen, dem Auto eine Jacke reichen und es tadeln, sich doch bitte mal was überzuziehen. „Wär das Auto hier ein Pferd, würde es mit den Hufen scharren“, sage ich zu meiner Begleitung, und sie sagt: „Was für ein bescheuerter Vergleich.“ Wir schnallen uns an. Erst fahre ich zögerlich, teste vorsichtig, wie der Wagen auf Gas und Bremse anspricht. Mallorca zieht an uns vorbei, schneller als vorher, schöner. Ja, es macht Spaß dieses Auto den Wagen, testen ihn, treten ihn, das Dog-box-Getriebe macht die Kupplung beim Schalten überflüssig, an allem wird an diesem Auto gespart, an Gewicht, an Zeit. Pure Potenz, ein Auto wie ein exhibitionistischer Jugendlicher, der noch nicht weiß, wohin mit all seiner Kraft, und sie daher ratlos demonstriert. An schönen Stellen halten wir, schießen Fotos. Irgendwann sind meine Begleitung und ich sehr erschöpft, erholen uns bei einem Glas Weißwein am Hafen. „Könntest du dieses Auto lieben?“, fragt mich meine ABARTH 695 BIPOSTO 1.4 T-JET EURO 6 Motor »Geschichten sind überflüssig, und auf alles « et ht ic rz ve to Au em es di i be de ur w e ig ss lü rf Übe 140 kW (190 PS) Begleiterin und schüttelt ihre schönen, blonden Lokken. Ich überlege. Dieses Höchstgeschwindigkeit Auto wirkt wenig charmant, 230 km/h ist obszön nackt, erzählt Ab 39.900,- € keine Geschichten, man hört nicht Pink Floyd in diesem Auto, man raucht keine Zigarren in diesem Wagen. „Nein. Lieben nicht, aber fahren“, sage ich, blinzle in die mallorquinische Sonne und bin mir fast sicher, dass das reicht. 5,9 Sek. von 0 auf 100 km/h } U m Um den Abarth 695 biposto Probe zu fahren, muss ich nach Mallorca. Meine Begleitung, eine Fotografin, und ich fliegen von Berlin-Tegel aus. Spätestens im Flugzeug wird mir sehr klar, was ich an Autos schätze: Mitunter lassen sie einen abheben, aber man bleibt hübsch am Boden. Solange man nicht selbst Pilot ist, sollte einem das Fliegen erspart bleiben. Mit dem Lösen eines Flugtickets gibt man seine Rechte ab, wird verstaut, angegurtet, zwangsgefüttert und transportiert. Fliegen ist Selbstaufgabe, ist Machtlosigkeit, Auto fahren das Gegenteil: absolute Kontrolle. Denn egal, ob Rennsport oder Stadtfahrt: Letztlich geht es darum, das Fahrzeug zu beherrschen. Selbstkontrolle potenziert mit einer PS-Zahl ergibt Macht, Freude, Rausch. Fahren ist Freiheit, Fliegen nicht mal Beinfreiheit. Dieses Mal fliege ich, um fahren zu können, verlege die Reue vor den Rausch. Der Abarth muss sich lohnen. „Finden Sie Fliegen nicht auch ganz schrecklich?“, frage ich meine Begleiterin. Sie antwortet nicht, schläft schon. Ich beneide sie einige Minuten, bevor ich mich wieder meinem Buch „Als ich vom Himmel fiel“ widme. Am nächsten Tag holt uns der freundliche Pressesprecher von Fiat ab. Der Himmel ist blitzblank, auflandiger Wind kräuselt das Wasser des Hotelpools. Die Insel ist scharf kontrastiert, die Sonne leuchtet grell, das Meer ist preußisch blau, die Felsen schimmern rostrot, die Palmen in Vitriolgrün. Ich komme aus zu fahren. 190 PS, von null auf hundert in knapp sechs Sekunden. Trockengewicht von nur knapp einer Tonne. 1,4-LiterVierzylinder, identisch mit den Renntriebwerken, die im Abarth 695 Assetto Corse und den Monoposto der Formel 4 zum Einsatz kommen. Auf Bewegungen des Gaspedals spricht das Triebwerk sofort an. Wir fahren die Küste entlang, dann in die Berge, passieren kleine Ortschaften, Häuschen schmiegen sich an die Hänge. Die Passanten deuten auf das Auto, schauen dem Wagen hinterher. Ich schäme mich ein wenig ob SYM PAT H I E T RÄG E R , der Lautstärke des Abarths, S P O RT WAG E N O D E R b e i d e s ? noch mehr dafür, wie gut sie mir gefällt. Während einer Pause frage ich den FiatPressesprecher, wie er sich den Käufer eines solchen Autos vordem Berliner Februar, erschrecke mich fast über all das Bunstellen würde. Zum Angeben taugt er nicht, denn von außen te, der Frühling schlägt mir ins Gesicht. Mandelbäume blüsieht das Auto nicht aggressiv, sondern kugelig aus, harmlos, hen, meine Begleitung sitzt neben mir und schraubt an ihren etwas aufgemotzt vielleicht. Praktisch ist der Abarth 695 auch Objektiven. Weiß getünchte Häuser ziehen an uns vorbei. nicht. Er ist ein irritierender Kompromiss, der Versuch einer „Wissen Sie, wo der Unterschied zwischen gestrichen und Adaption zwischen Straßenfahrzeug und Rennsport. Der getüncht liegt?“, frage ich meine Begleitung. Sie sieht aus Pressesprecher bestätigt meinen Verdacht: „Das ist ein Liebdem Fenster, dann mich an: „wahrscheinlich hier“. haberauto für Sammler.“ Ich stelle mir einen solchen Käufer Nach einer halben Stunde Fahrt stehen wir endlich vor vor. Um die 50, Sohn von irgendwem und/oder Selfmadedem Auto. Der Abarth 695 biposto. Mattgrau, kompakt, klein, Millionär. Seine Frau ist eine, die oft den Kopf schüttelt. leicht, auf den ersten Blick weit weniger imposant als der klatschmohnrote 4c, der direkt daneben parkt und in der„Ich schäme mich ein wenig selben Preisklasse liegt. Meine Begleitung und ich nehmen ob der Lautstärke des Abarths, Platz, spätestens innen wird klar, dass dies hier kein freundnoch mehr dafür, liches Stadtauto ist. Nichts erinnert an den Vorgänger, den wie gut sie mir gefällt“ Fiat Cinquecento, ein Auto, das sich keine Frau kaufen sollte, die etwas auf sich hält, allzu laut schreit das knuddelige Design „FRAUENAUTO“. Man sollte es den Marktforschern Sie sagt Dinge wie „Wenn es um Autos geht, ist er wie ein nicht ganz so leicht machen. Ich denke an die nostalgischen kleiner Junge“. Das ist natürlich Quatsch, denn selten ist Geschichten vom Urvater dieses Modells, dem Fiat 500. der Käufer so wenig kleiner Junge, wie in dem Moment, in Meine Großmutter fuhr mit diesem Auto durch ganz Eurdem er im Auto sitzt. Autos sind für ihn Sex, Thrill, Macht. opa, erzählte Geschichten von griechischen Tavernen, von Seine Frau sagt oft: „Für mich hat er dem Alkohol abgeitalienischen Olivenbauern, vom Liegenbleiben in Andaluschworen.“ Das stimmt nicht. Aber es klingt romantischer, als sein Trinken wegen eines Führerscheinentzugs in den sien. Der Abarth 695 erzählt nichts, verspricht Rennwagen und schweigt sonst. Geschichten sind überflüssig, und auf Griff zu kriegen. Der Käufer dreht einige Runden im Abarth. alles Überflüssige wurde bei diesem Auto verzichtet. Dieser Das entspannt ihn. Bei einem McDonald’s biegt er ab, fährt Wagen ist kein Märchenbuch, sondern ein einzelnes Ausrufedurch den Drive-through. „Was wünschen Sie?“, fragt die zeichen. Der Abarth ist aggressiv nackt. Pure Funktionalität. Stimme einer Mitarbeiterin. Der Käufer brüllt in die Sprechanlage: „Nix, ich hab schon alles!“, und zieht an, beschleunigt den Abarth auf 60, brettert durch den Drive-trough und lacht irre. So stelle ich mir einen Abarth-695-biposto-Käufer vor. Eigentlich ist er mir sympathisch. Bis zum Nachmittag noch fahren wir E s ist der Platz mit der Nummer 107. Aus dem Tiefdunkel der Parkplatzreihe ragt die Motorhaube ins Halbdunkel des Ganges. Als ich an den Maserati gedacht habe, habe ich ihn mir glänzend vorgestellt. Aber im funzligen Gefängniszellenlicht des Parkhauses glänzt er nicht, ist eher ein Licht schluckendes Kriegsmobil – bullig, ein Dinosaurier. Schick, zweifelsohne, aber nicht auf eine einladende Art und Weise. Nicht: mein Maserati und ich. Es gibt viel zu wenige Frauen, die Autos fahren und dann darüber schreiben, fand die Redaktion. Ich bin eine Frau. Ich habe mich auf dieses Auto gefreut. Als es hieß, dass in der Tiefgarage unseres Redaktionsgebäudes ein Maserati steht, hat es einen kleinen Ansturm gegeben. Da waren zunächst ich und der Redakteur, der die ernsthafte Rezension schreiben sollte. Also er sollte über PS und Fahrgefühl schreiben, und ich sollte darüber schreiben, dass ich eine Frau bin und Maserati fahre. Das erschien mir als sinnvolle Aufgabenverteilung, weil der Redakteur sich mit PS-Stärken und Fahrgefühlen auskennt und ich eine Frau bin. Dann waren da noch meine drei besten Freundinnen und ein Mann, der sich, glaube ich, nicht mit PS auskennt, den ich aber sehr mag und dem ich, ebenso wie meinen drei besten Freundinnen, versprochen hatte, dass ich ihn mit dem Maserati durch Neukölln fahre, wo ich wohne. Ich wollte die KarlMarx-Straße runterfahren, am Sonntagmorgen, ganz früh. Es wäre ein sonniger Morgen gewesen und kalt. Ich hätte eine gelbe Ampel überfahren, bei geöffnetem Fenster 90er-Jahre-Hip-Hop gehört, und vielleicht hätte ein türkischer Familienvater auf dem Weg zum Bäcker angefangen zu weinen, weil er keine 67.280 Euro für einen Maserati Ghibli übrig hat. Es wäre ein Abenteuer gewesen. RAST PS WELT | SEITE 15 Illustrationen MARIE LAUTSCH, PATRICK A MÜLLER RAT L O S E S C H Ö N H E I T VO R ra s t l o s e r S C H Ö N H E I T Von HANNAH LÜHMANN Fotos DOMINIK BUTZMANN Tragische LIEBE Der MASERATI – ein wirklich schönes Auto. Umso schlimmer, wenn es einem wieder weggenommen wird, bevor man richtig warm miteinander werden konnte. „Ich glaube, das Auto will, dass ich mich umziehe“ Getunt. Eigentlich ist es ja völlig irre, dass man den Sound eines Autos tunen kann. Wenn ich mir das vorstelle, sehe ich einen Komponisten mit Schraubenschlüssel in der Hand. Nicht wirklich einen Künstler, sondern eher einen verrückten Handwerker, der den ganzen Tag lang nichts anderes macht, als an irgendwelchen Schrauben herumzudrehen, bis der Sound stimmt. Dann lächelt er zufrieden und wischt sich mit dem Ärmel seines weißen Hemdes das Maschinenöl von der Komponistenstirn. Es war dann so, dass meine Sonntagmorgenpläne hinfällig wurden, weil der Redakteur, der sich mit PS auskennt, das Auto nur am Wochenende fahren konnte. Das war aber auch okay, weil er davor mit einer so hinreißenden Begeisterung über Autos geredet hatte, wie ich nie über Autos reden könnte, obwohl ich Autos wirklich gern mag und sie sehr gern fahre. Außerdem war er leicht erkältet und hatte seinem Sohn versprochen, ihn mit dem Auto vom Fußballtraining abzu- REIFEN wechseln Ich hatte gerade meinen Führerschein und genoss die unglaubliche Freiheit, dahin fahren zu können, wo immer ich hinwollte. Ich war gefühlt in Lichtgeschwindigkeit auf der Landstraße unterwegs, als der Reifen anfing zu flattern und der Wagen in Schieflage geriet. Hinten rechts. Vermutlich war ich vorher einem Bordstein etwas nahegekommen, Anfängerfehler. Nun ja, der Reifen war platt, ich rollte auf dem Standstreifen aus. Und dann tat ich das, was ich aus den 50er-Jahre-Filmen im Fernsehen (wir hatten nur drei Programme!) gelernt hatte: Ich stellte mich in lässiger Brigitte-Bardot-Haltung an den Wagen und wartete auf den Ritter im Straßenverkehr. Der hielt an, war leider unspektakulärer, als ich gehofft hatte, stieg aus, grunzte und wechselte den Reifen. Diese Geschichte erzählte ich voller Stolz beim Abendessen. Was für ein raffiniertes kleines Biest ich doch sei, andere meinen Reifen wechseln zu lassen. Mein Vater war gerade von der Feldarbeit gekommen und sagte: „Frollein, das passiert dir nicht noch mal. Zieh dich an, wir fahren auf den Hof“. Ein zaghaftes: „Immerhin hab ich gemerkt, dass er platt ist, und bin nicht auf der Felge gefahren“, half mir wenig. Zwischen Schleppern und Landmaschinen lernte ich Reifen wechseln. Acht Mal hat er mich das machen lassen. Danach habe ich kurzfristig eine Karriere in einem Formel-1-Team erwogen. Danke, Papa. Cordula Schmitz STOPPSCHILD überfahren Ich stamme aus Oberbayern. Dort sind die Straßen oft vereist. Mein Auto kam aus Korea. Dort sind die Straßen selten vereist, und wahrscheinlich bestand genau darin das Problem, das dazu führte, dass ich mir von meinen Eltern zum 19. Geburtstag kein Interrailticket, sondern ein neues Stoppschild wünschte. In einer Rechtskurve verlor ich die Kontrolle über meinen Hyundai und begrub ein Stoppschild unter mir. Nun ist ein solches Stoppschild kein allzu flatteriger Zeitgenosse, tatsächlich sind Straßenverkehrsschilder mit einem soliden Betonklotz im Boden verankert. Diesen hatte die Wucht des Zusammenstoßes unter meinem Fahrzeug begraben, und so blieb mein Auto stecken. Ich stand ratlos im Schnee und dachte darüber nach, dass die meisten Menschen zwar Stoppschilder überfahren haben, aber niemals tatsächlich über ein Stoppschild gefahren sind. Dank leerem Handy-Akku klingelte ich bei einem Bauern und fragte nach einem Telefon. Ich erinnere mich, dass der Landwirt viel fluchte und mit einem Traktor das Auto kurzerhand aus der Grube hievte. „Kauf da hoid a gscheids’ bayerisches Auto“, war das Letzte, was er sagte, bevor er, das ihm angebotene Trinkgeld abwinkend, ins Haus zurückhumpelte. Ronja von Rönne holen. Er hatte das Wochenende mit dem Maserati verdient. „Aber heute Nachmittag“, sage ich zum Maserati „heute Nachmittag gehörst du mir allein.“ Maximale Leistung 410 PS Ich öffne die Tür, der Maserati lässt es geschehen, rea4,8 Sek. von 0 giert darüber hinaus aber nicht. In seinem Inneren riecht auf 100 km/h es nach Leder. Der Maserati ist ein Automatikwagen, und Höchstgeschwindigkeit das kann ja eigentlich nicht sein, denke ich, das ist ein bis284 km/h Ab 82.870,- € schen wie ein Rennpferd mit Übergewicht. Ich versuche, meine Enttäuschung vor dem Maserati zu verbergen, ich will nicht gleich alles ruinieren. Und irgendwie ist es ja auch okay. Es ist okay, weil alles im Innern dieses Autos so unglaublich dezent ist, dass man gar kein Bedürfnis danach hat, sich vor ihm lächerlich zu machen, indem man an seinem Schaltknüppel herumzerrt. Alles ist schwarz und edel, und über dem Tachometer steht „Tachometer“, das finde ich auf eine postmodern-ironische Weise cool. Der Maserati trägt seinen Tachometer wie der Hipster den Schnurrbart, denke ich, und dass es vielleicht doch noch etwas werden kann mit uns. Der Maserati-Dreizack schimmert sanft am Steuer, ich drücke den Startknopf. Die Armatur leuchtet, ein zurückhaltendes Leuchten. Was will das Auto? Will es Ein Dreizack zieht immer Blicke auf sich überhaupt irgendetwas? Von mir? Das Auto signalisiert: „Ich mach das schon“, aber nicht wie ein freundlicher Delphin, der einen uneigennützig durch die Fluten trägt, sondern eher wie Bildredaktion Kreativdirektion Artdirektion Redaktion Chefredakteur Redaktionsleitung ein Panther, der zu faul ist, einen aufzufressen, und der sich Stefan Runne Mike Meiré Hannes Aechter Guido Bellberg Jan-Eric Peters Dr. Ulf Poschardt entschieden hat, einen gnädigerweise ein bisschen durch den Agnes Grüb Stefan Anker (V.i.S.d.P.) Dschungel zu transportieren, weil er das mit dem Lianenausweichen und dem Anakonda-Totbeißen eindeutig besser Die Reise nach Mallorca (S. 14) wurde von Fiat Chrysler Automobiles und hinkriegt. die nach Malibu (S. 23) von Mercedes unterstützt. } Aber jetzt, wo es endlich so weit ist, stehen der Maserati und ich ratlos voreinander. Es ist nicht Sonntagmorgen, sondern Donnerstagnachmittag. Der Arbeitstag war anstrengend. Und ich glaube, es ist dem Maserati vollkommen egal, dass ich eine Frau bin. Was will dieses Auto? Vorher haben die Männer in der Autoredaktion über den Maserati geredet, den alle fahren wollten, der aber nur noch drei Wochentage und ein Wochenende lang in unserer Tiefgarage stehe, und sie haben Dinge gesagt, die man sagt, wenn man autobegeistert ist, und sie haben Geräusche dazu gemacht: Der Maserati-Sound sei ein ganz anderer als der Ferrari-Sound, viel edler, getunt. Bassig, sanft. Ich glaube, das Auto will, dass ich mich umziehe. Es will, dass ich zu Fuß die Parkhausrampe hochlaufe, dass ich links in die Rudi-Dutschke-Straße gehe, mich in die U-Bahn setze oder irgendeinen räudigen Drive-Now-Wagen besteige. Es will, dass ich zur Friedrichstraße fahre und mir ein paar vernünftige Acne-Jeans kaufe, dann vielleicht noch ein paar neue Schuhe und auf jeden Fall irgendetwas Schwarzes von Miu Miu. Dann könnte das Auto den ersten Eindruck vergessen, könnte vergessen, dass mein Kajalstift verlaufen ist, meine Schuhe nicht geputzt sind und der Mantel zwar schwarz ist, aber aus der vorletzten Saison. „Vergiss es“, sage ich leise zum Maserati. „Vergiss es, ich geh jetzt nicht wegen dir shoppen.“ Und dann fahren wir zusammen zur Oberbaumbrücke, um noch etwas Nachmittagslicht zu erhaschen. Wir starren versonnen entlang der Gleise in Richtung Fernsehturm, jeder für sich. Einmal schaue ich schüchtern zu ihm herüber. Er ist wirklich wunderschön. Aber ich MASERATI weiß, was er fühlt. Er freut sich aufs GHIBLI S Q4 V6-2979ccm-Motor Wochenende. Es gibt viele erste Male in Autos, nicht alle sind erfreulich, viele aber lustig im Rückblick. Zwei Autorinnen packen aus … DAS AU TOMAGAZI N DER WELT AM SONNTAG, VOL. I I I, M ÄRZ 2 015 SEITE 16 | PS WELT K L E I N E S PA P I E R , G RO SS E Wi rk u n g : AU TO G RA M M K A RT E G I L L E S VI L L E N E U VE , DA N K E S K A RT E E N Z O F E R RA R I ( v. l . n . r. ) Privatarchiv Peter Ruch Der Beginn einer großen LIEBE Jeder Autonarr hat eine Schwäche für eine bestimmte Marke, eine, die er mehr liebt als alle anderen. Im Falle von PETER RUCH ist die Sache schon lange klar. „Ein Schatz, den ich bis heute horte wie mein Familienglück“ Es war dies nicht der Beginn einer langen Freundschaft gewesen, die hatte schon einige Jahre früher begonnen. Damals hatte ich einen anderen Brief geschrieben, an einen Ferrari-Sammler, und ihn gebeten, mir doch einmal seine Autos zu zeigen. Der Schweizer Architekt lud den Knaben ein, nahm ihn mit auf eine Ausfahrt in einem 250 GT California Spyder. Die ich nie wieder vergessen werde, auch wenn ich seit dem 348 (mit Ausnahme des FXX) als Motor-Journalist alle neuen Ferrari fahren durfte. Plus eine deutlich zweistellige Zahl von klassischen Fahrzeugen. Mindestens zwei Dutzend Mal war ich unterdessen in Maranello, saß einmal im Restaurant „Cavallino“ im gleichen Raum wie der schon greise Enzo (wagte ihn aber leider nicht anzusprechen), wurde von Niki Lauda und Michael Schumacher über die Teststrecke in Fiorano pilotiert, speiste mit Rubens Barrichello am selben Tisch, kenne die meisten Testfahrer mit Vornamen. Ja, es ist Liebe. Eine tiefe, ewige. Und diese ewige Liebe wurde auch schon öfter auf die Probe gestellt. Jetzt gerade wieder. Ich mag Vettel nicht, er hat kein Charisma und ist langweilig und sieht aus wie ein Bub, der sich sogar schämen würde, wenn er die Kirschen aus Nachbars Garten geschenkt bekommen würde. Ich weiß auch nicht, ob er ein derart glorioser Fahrer ist, wie es sein Palmarès an Weltmeister-Titeln vermuten lassen könnte. Im vergangenen Jahr zeigte der australische Dauerlächler Daniel Ricciardo ja ziemlich brutal auf, dass, äh – dass Mark Webber einst nicht so ein großartiger interner Konkurrent von Vettel gewesen sein kann. Poschardt, der Chef von dat Janze hier, sagt zwar, dass er das anders sieht, ich solle mal den Vet- Beispiel. Doch da war halt immer die Faszination, der Name, tel-Auftritt bei „TopGear“ schauen, doch irgendwie … Aber das war damals, 1996, als Michael Schumacher nach Maraneldie Geschichte. Der Sound, dieser unvergleichliche Lärm, der lo wechselte, auch nicht anders. Auch für Schumi konnte ich Musik ist in den Ohren des Fans, da wird er zum Papst und mich nicht erwärmen, der hatte sich 1994 bei seinem ersten schmust mit dem heiligen Boden von Maranello Weltmeistertitel nicht gerade als besonders fairer Sportler erErstaunlich ist aber auch unbedingt, wie sich die italieniwiesen, und eine positive, sympathische Ausstrahlung musste sche Marke unter dem charismatischen Luca di Montezemolo er sich auch nicht unbedingt vorwerfen lassen. Über die Jahre entwickeln konnte: Heute ist Ferrari ganz, ganz oben. Auch – und Weltmeistertitel – musste ich dann allerdings anerkentechnisch – wie es ein kleiner Hersteller schafft (Ferrari vernen, dass er sicher der beste Fahrer jener Ära war – und ein kauft pro Jahr rund 7000 Autos, nicht einmal die Hälfte der Glücksfall für Ferrari. Und damit auch für die Formel 1. Es sei Monatsproduktion von Porsche), das Niveau immer weiter zu Michael Schumacher hier der höchste Respekt gezollt – und heben, in vielen Bereichen Benchmark zu sein, das ist doch gute Genesung gewünscht. unbedingt bewundernswert. Die F12 Berlinetta ist nicht nur Man muss es doch klar sehen: Ohne Ferrari kann Bereines der schönsten Automobile, die man derzeit für Geld nie Ecclestone die Formel 1 zusperren. Auch wenn jetzt kaufen kann – sie verkörpert auch sonst alles, für was Ferrari Mercedes die nächsten zehn Jahre dominieren würde – es heute steht. Großartige Technologie, fantastische interessiert die Fans Fahrleistungen – und unbedingt jener Hauch von in etwa so wenig wie Wahnsinn, der allen anderen Herstellern irgenddie gefühlten 33 Siewie abgeht. Noch besser: der 458 Speciale, die ge von Audi bei den großartigste Waffe, die man heute für Geld kaufen 24 Stunden von Le kann. Nichts gegen Porsche oder Lamborghini, Mans. Ferrari muss aber da können sie derzeit einfach nicht mithalten, einfach hin und wieein Fahrzeug derart auf den Punkt zu bringen, der gewinnen, sonst das schafft (und wagt) nur Maranello. Und bald: verliert die höchs488 GTB. Ja, halt „leider“ ein Turbo, doch man te Kategorie des darf jetzt schon davon ausgehen, dass er etwas Rennsports noch vom Großartigsten werden wird unter den vielen mehr von ihrer (einstigen) zwangsbeatmeten Motoren. Ein Kunstwerk. Faszination – und Ferrari Wie Ferrari das schafft? Es geht – auch – um ist die einzige Marke, der Kooperationen. Für die besten Zulieferer der man sogar die Phasen von Welt ist es eine Ehre, mit Maranello zusammenDominanz gönnen mag, wie arbeiten zu dürfen. Denn dort werden die Teile nicht bloß verbaut, sondern zuerst noch mit sie die Troika Montezemolo/ unendlicher Akribie und höchster Kompetenz Todt/Schumacher möglich gemacht hatte. Vettel (auch aus der Formel 1) weiterentwickelt, zur hat jetzt Marchionne Höchstform gebracht. Beispiel gefällig? Das im Rücken – na ja, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe von Getrag. schau' mer mal, ob das Das verwendete Mercedes-AMG auch im SLS. etwas wird. Doch es bestand ein himmelweiter Unterschied Ja, ich bekenne: Ich zwischen der Interpretation von Maranello und gehöre auch zu den Affalterbach. Die Deutschen haben das DSK Motor-Journalisten, zwar unterdessen für den AMG GT auf das die Ferrari schöngeNiveau des 458 Italia gebracht, doch die Italieschrieben haben, einst, ner haben gleichzeitig mit dem Speciale bereits damals. So ein 348er wieder den passenden Abstand geschaffen. Und, Neustart: war noch eine Gurke, nein, sie können sich dafür nicht wie Porsche 2015 fährt Vettel für Ferrari zu unzuverlässig, vor allem im oder Lamborghini in den riesigen Regalen und Stand schnell. Furchtbares Getriedem fast bodenlosen Portemonnaie des Mutterbe. Der 360 war hässlich. Und es konzerns bedienen – Ferrari kriegt von Fiat den gibt auch ältere Modelle, die sind Schlüssel des Panda, und das ist ja dann eher in so toll nicht: der Mondial zum Richtung peinlich. Roman Rios/epa/dpa, Peter Steffen/dpa (2) F Für andere heranwachsende Menschen mag der 3. Juli 1971 der schlimmste Tag ihres noch jungen Lebens gewesen sein. Oder der 5. April 1994. Für mich war es der 5. Mai 1982. Jener Samstag, an dem Gilles Villeneuve beim Abschlusstraining zum Großen Preis von Belgien mit Jochen Mass kollidierte - und wenige Stunden später an seinen Verletzungen starb. Noch am Sonntag schrieb ich, damals 16, einen langen Beileidsbrief an Enzo Ferrari persönlich. Und erhielt wenige Tage später eine vom „Commendatore“ persönlich unterschriebene Dankeskarte, eine Zeile auf einer Karte von Gilles Villeneuve. Ein Schatz, den ich bis heute horte wie mein Familienglück. Von H PETER RUC Natürlich geht es auch darum: David gegen Goliath. Ein Mythos, den Enzo Ferrari schüren konnte wie kein anderer. Er war ein Schlitzohr, manchmal nah am rennsportlich organisierten Verbrechen, er bremste den Riesen Ford aus, er beugte Reglements und engagierte gern jene Fahrer – Gilles Villeneuve! –, die ein bisschen näher am kompletten Wahnsinn wohnten als der Rest. Für Rennsiege, auch bei den „Großartige Technologie, fantastische Fahrleistungen und jener Hauch Wahnsinn, der allen anderen abgeht“ Sportwagen, machte der „Commendatore“ alles - und seine Straßenautos atmeten den gleichen Geist. Er baute sie nicht für die Kunden - die Kunden sollten stolz darauf sein, einen Ferrari mit all seinen Fehlern für viel Geld kaufen zu dürfen. Sich selbst gönnte er lange Jahre keinen eigenen Ferrari – „zu teuer“, sagte er. Immerhin war sein Gespür für ewig währende Schönheit absolut einmalig – eine Eigenschaft, die Luca de Montezemolo ebenfalls mitbrachte. Und der italienische Adlige gehört dann halt auch noch zu den ganz wenigen Männern auf dieser Welt, die braune Schuhe zu einem hellblauen Anzug tragen konnten – und dabei auch noch richtig gut aussahen. Ja, das macht auch einen wichtigen Teil der Faszination von Ferrari aus: Menschen. Bei nur wenigen Marken sind die Geschichte und das Schicksal mit derart großen Charakteren verbunden wie bei den Italienern. Das gilt nicht nur für den Gründer selbst oder eben Montezemolo, sondern auch für die Fahrer. Die wildesten Hunde waren es – und deshalb sind ihre Siege vielleicht auch etwas größer, schöner, außergewöhnlicher. All die Mythen, etwa um das Treffen von Enzo Ferrari mit seinem späteren Star-Designer Pininfarina – welche andere Marke kann das bieten? Und wer pflegt das ebenso schön, ganz besonders dadurch, dass gar nichts gepflegt werden muss, sondern über die Kunden und Fans gelebt wird? An der nördlichen Ecke des Test-Tracks von Ferrari in Fiorano steht das Restaurant „Montana“. Dort kocht Rosella ganz klassisch italienisch, nicht schlechter als anderswo, aber auch nicht viel besser. Was die Pasta außergewöhnlich macht (und auch etwas teurer), das sind die Hunderten von Memorabilien, die an den Wänden hängen oder herumstehen. Viel von Schumi, den Rosella auch heute noch verehrt. Da muss sich Vettel jetzt erst einmal reinessen, ins Herz der Wirtin. Und Hand auch aufs Herz: So eine anständige Pasta, das ist halt schon etwas anderes als eine Currywurst. PS PS WELT | SEITE 17 Teures pflaster Nach der Franken-Freigabe kann sich keiner mehr den Besuch des GENFER SALONS leisten. Darum stehen hier die besten Autos der neuen Saison. Wer doch hinfährt: Butterbrote mitnehmen, nicht übernachten. Kulturschock. Ferrari ändert das Motorenkonzept bei seinem wichtigsten Sportwagen. Aus dem Mittelmotor-Renner 458 Italia wird der 488 GTB, das neue Auto hat weniger Hubraum (3,8 statt 4,5 Liter) und, ja, zwei Turbolader. Muss sein wegen CO2, selbst Ferrari kommt daran nicht vorbei. Also jetzt nur noch 11,4 statt 13,2 l/100 km. Interessiert das irgendjemanden? Nö. Aber vielleicht das: Der Turbo hat nicht 570 PS, sondern 670. N JETZT ABER. Mit dem Cayman GT4 dringt Porsche nun endgültig in die Sphären des größeren und weit teureren 911 ein. Der TopCayman hat den 3,8-Liter des Carrera S hinter den Sitzen, der mit 385 PS nur noch einen Alibi-Abstand zum 400 PS starken 911 S hält. Hinzu kommen die Bremse und ein paar Fahrwerksteile aus dem 911 GT3, und der starre Heckflügel muss sich auch nicht verstecken. 85.776 Euro sind geradezu ein Schnäppchenpreis. VW TOURAN Scheibchenweise. Jedes Jahr in Genf gibt es einen neuen McLaren, der aber gar nicht so neu wirkt. Nach 625C und 650S kommt jetzt ein 675LT, und seine Zusatzbuchstaben stehen für Longtail, also ein besonders langes, für Höchstgeschwindigkeiten günstiges Heck. Der V8 leistet nun 675 PS, und zum Topmodell P1 stellt McLaren auch noch eine Variante hin, den P1 GTR. Ohne Straßenzulassung, aber mit 1000 PS. KARLCHEN. Was mag Opel-Chef KarlThomas Neumann gedacht haben, als man ihm vorschlug, den neuen Kleinstwagen Karl zu nennen? Sicher hat „KTN“ gewusst, dass es nicht um ihn ging, sondern um Carl von Opel, einen Sohn Adam Opels. Das Auto aber ist nicht so urdeutsch, wie es klingt, sondern wird aus Südkorea zugeliefert. Natürlich mit viel Opel-Technik, mit 3,68 Meter Länge und zu einem Kampfpreis von 9500 Euro. OPEL KARL Blockbuster. Wer mit einem Ford Fiesta so dermaßen driften kann wie Ken Block, der ist einfach der König. Und King Ken hat nun mitgemacht bei der Entwicklung des neuen Ford Focus RS. Stramme 320 PS aus 2,3 Litern, Turbovierzylinder und Allrad mit maximal 70 Prozent Kraft an der Hinterachse. Dazu Torque Vectoring. Kompliziert zu erklären, soll aber das Driften eigentlich verhindern. Macht nichts, Ken wird’s schon richten. AUDI R8 Bewahrer des Guten. Ganz anders geht Audi ans Sportwagenthema heran: Der Nachfolger des R8 heißt wieder R8 und fährt weiterhin mit einem stattlichen Saugmotor und zehn Zylindern. 540 PS kommen da heraus, und beim V10plus sind es gar derer 610. Okay, beim Drehmoment muss der 330 km/h schnelle R8 die Turbo-Konkurrenz ziehen lassen, dafür dreht der V10 ungeniert hoch und hoch und hoch. Sportwagen halt. Kumpeltyp. Frank Rinderknecht liefert mit seiner Ideenschmiede Rinspeed jedes Jahr ein Auto, auf das andere gar nicht erst kommen. Dieses Mal ist es ein umgebauter BMW i3 namens Budii. Die Wortverwandtschaft zum englischen Buddy (Kumpel) ist gewollt, das Auto kann nämlich nicht nur autonom fahren, sondern dem Besitzer auch in anderen Alltagsdingen helfen: Parktickets ziehen, Handy laden – Budii kümmert RINSPEED BUDII sich drum. MCLAREN 675 LT PORSCHE CAYMAN GT4 Kein Transporter. VW erneuert den Touran und lässt ihn auch moderner aussehen. Das Design orientiert sich am kantigen Stil des Golf Sportsvan, nur dass der nun 4,40 Meter lange Touran noch höher ist und innen mehr Platz bietet. Für seine Nützlichkeit basiert er aber nicht mehr auf dem Nutzfahrzeug VW Caddy, sondern, wie fast jeder neue VW, auf dem modularen Querbaukasten. Das hilft ebenfalls dem Innenraum, und es kommen modernere Motoren zum Einsatz. icht genug. Wer geglaubt hatte, dass mit dem Modell Maybach Schluss sei in Sachen S-Klasse, sieht sich auf dem Genfer Salon getäuscht. Auf unglaubliche 6,50 Meter streckt sich nun der Mercedes-Maybach Pullman und eignet sich damit eigentlich nur noch als Dienstfahrzeug für Despoten oder Gangster-Rapper. Jedenfalls kann man hinten sehr galant sitzen, entweder zu viert einander gegenüber oder – besonders cool – wirklich nur zu zweit. F OR D F O C U S R S CL A ME SHORCED OT E S BRAING KE FERRARI 488 GTB Von STEFAN ANKER Illustration RALF NIETMANN Designerstück. Wer hat noch nicht die Hände überm Kopf zusammengeschlagen wegen des Mercedes CLA? Viele Kritiker finden das viertürige Coupé auf A-Klasse-Basis furchtbar, Kunden haben da weniger Bedenken. Und können jetzt für 600 Euro Aufpreis auch den CLA Shooting Brake haben. Wieder nix für Puristen – weil Shooting Brakes doch nur zwei Türen haben, oder? Aber wieder (Achtung!) einfach schön. SEITE 18 | PS WE LT DAS AUTOMAGAZIN D ER WELT AM SONNTAG, VOL . III, M Ä RZ 2 015 »Ich bin eher STILL beim Jubeln« Von ULF POSCHARDT MARTIN WINTERKORN ist der erfolgreichste Automanager der Welt. Der VW-Konzern-Chef thront über zwölf Marken – von Audi über Lamborghini bis Škoda – und hat die Liebe zu den Autos nicht verloren. Ein Gespräch über Schadenstische, Petrolheads, den Golf IV, die Familie und Fußball. Und noch viel mehr. PS WE LT | SEITE 19 Eigentlich sollte es ja nur um Autos gehen, weil Autor und Autofürst gleichermaßen ins Blech vernarrt sind, doch dann geht es bei Martin Winterkorn doch erst mal um das große Ganze. Andere Dinge, den jüngsten Sohn, der an einer amerikanischen Eliteuniversität studiert, und das, was Deutschland von den USA lernen könnte. MARTIN WINTERKORN: Der Elitegedanke war in Deutsch- land lange Jahre verpönt, jetzt kommt er wieder. Ich erinnere noch, wie ich nach neun Jahren Gymnasium, sieben Jahren Studium, Diplomarbeit und Doktorarbeit irgendwann ins Sekretariat meines Professors gebeten und mir dort einfach so ein Zettel in die Hand gedrückt wurde: mein Dissertationszeugnis. PS: Ja, so war das früher ... MW: Aber es geht besser. Auf dem Campus amerikanischer Universitäten trägt jedes Gebäude einen Namen, benannt nach dem Spender oder berühmt gewordenen Alumnus. Wie das geht? Mein Sohn hat in den USA kurz nach seinem Master den ersten Brief erhalten. Da hieß es: Sie haben bei uns den Master gemacht. Grundlage Ihres Erfolges ist die Ausbildung bei uns. Sie sollten sich überlegen, was Sie jetzt für die Universität tun können. Das ist toll. PS: Frei nach dem berühmten Kennedy-Zitat: Frage nicht, was deine Uni für dich tun kann, sondern du für deine Uni. MW: Genau so. PS: Kann Ihr Sohn bald VW in Amerika übernehmen? MW: (lacht) Das glaube ich eher nicht. Meine Frau will eigentlich nur wissen, wann er wieder zurückkommt. Sie fürchtet, dass er in den USA bleiben könnte. PS: Eine große Gefahr? MW: Gefahr würde ich das nicht nennen. Aber die Verlockung kann natürlich groß sein. Wobei die Kulturen schon sehr unterschiedlich sind. PS: Wie meinen Sie das? MW: Nehmen Sie unsere Fabriken. Automobilbau benötigt Fachleute und Kompetenz. Unser großer Vorteil hier in Deutschland ist, dass wir diese Kompetenz auf einer sehr breiten Basis haben. Mit dem dualen Ausbildungssystem sind wir in Deutschland sehr gut aufgestellt. Wir exportieren diese Systematik in alle Welt, beispielsweise auch in unser Werk in Chattanooga. Was uns im Vergleich zu Amerika fehlt, ist die Elitenförderung. Neulich lief in der ARD die Verfilmung des Bestsellers „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann über Gauß und Humboldt. Da konnte man schön sehen, wie früh der junge Gauß, der in Braunschweig in die Schule ging, vom Lehrer als Genie erkannt wurde. Der Lehrer hatte den Schülern die Aufgabe gegeben: Was ist die Summe aus 1 + 2 bis 1 + 100? (MW schreibt die Formel auf ein Stück Papier) PS: Ich bin Philosoph. Ich kann nur sagen, warum es wichtig ist, dass man das weiß. MW: Der junge Gauß hat gesagt, 1 + 100 = 101. 2 + 99 ist auch = 101. 3 + 98 auch = 101 und so weiter. Also nehme ich 50 mal 101, dann hab ich die Summe aus dem Ganzen, das sind 5050. PS: So was begeistert Sie. MW: Klar. Gauß war der größte Mathematiker seiner Zeit. PS: Kann man in dem, was man tut, gut sein ohne Euphorie? MW: Ganz schwer. Das Wichtigste ist, dass jeder seinen Platz findet, wo er das machen kann, was ihn begeistert. Ohne Freude bei der Arbeit ist niemand dauerhaft leistungsfähig. PS: Kann man sagen, dass Ihnen das immer vergönnt war, genau da gewesen zu sein, wo Sie genau richtig eingesetzt waren? „Wenn eine Kurbelwelle gebrochen ist, macht der Ingenieur sie dicker. Der Naturwissenschaftler will wissen, warum sie gerissen ist“ Meyerbroeker/CARO Foto MW: Das stimmt. Ich habe mir Beruf und Studium ausge- sucht nach meiner Neigung. Das waren die Naturwissenschaften: Mathematik, Physik, Chemie. Dementsprechend hab ich damals Metallphysik studiert. Und das hat mir enormen Spaß gemacht. Für Naturwissenschaftler und Physiker gab es Anfang der 70er-Jahre in der Wirtschaft noch keine richtige Verwendung. Die wurden rituell in Forschungseinrichtungen oder in Vorentwicklungsbereiche gesteckt. PS: In einen Käfig voller Nerds? MW: Ja, ein bisschen. Die Industrie damals war geprägt von Ingenieuren. Wenn mal was schiefgegangen ist, durfte der Materialmann kommen und sagen, woran es lag. Aber die Lösung haben andere erarbeitet. Auch die Audi-Welt war in den 80er-Jahren geprägt von Ingenieuren, von Aerodynamikern, von Konstrukteuren und Versuchsleuten. Wenn eine Kurbelwelle gebrochen ist, neigt der Ingenieur dazu, sie einfach dicker zu machen, damit sie nicht mehr reißt. Dem Naturwissenschaftler ist das suspekt. Er will wissen, warum sie gerissen ist. Dieser Frageehrgeiz hat Herrn Piëch und mich zusammengeführt. Wir haben gesagt, es nützt uns nichts, wenn wir das Bauteil noch mal um zwei Millimeter dicker machen. Man muss vielmehr wissen, warum es ausgefallen ist. Daraufhin gingen wir bei Audi analytischer an Probleme heran. Als ich dann in Ingolstadt Chef wurde, haben wir den Schadenstisch eingeführt. PS: Ein realer Tisch? MW: Ja, klar. Freitagmorgens um sieben. Ein gefürchteter Termin. Da standen wir um diesen Tisch und suchten nach Erklärungen für defekte Bauteile. Menschen neigen dazu, Pflaster zu kleben. Das heißt: Probleme oberflächlich lösen zu wollen. Meine Lebenserfahrung Trotz jahrelanger Erfahrung: Qualität macht einfach Spaß DAS AU TOM AGAZIN D E R WELT AM SONNTAG, VOL. III, MÄ RZ 2015 SEITE 20 | PS WE LT sagt: Pflaster kleben hilft vielleicht kurzfristig, langfristig nicht. Wichtiger ist die grundsätzliche Analyse. Und vor allem deswegen überzeugen unsere Fahrzeuge durch Produktqualität. Der Schadenstisch ist geblieben – und ist übrigens auch mit dafür verantwortlich, dass wir die Rallye-Weltmeisterschaft gewonnen haben. Für mich war klar: Wenn Volkswagen in der Rallye-WM mitfahren will, ist es neben der Motorleistung und den Fahreigenschaften das Wichtigste, dass die Autos diese enormen Belastungen aushalten. Deswegen wollte ich wissen, warum ein Radlager oder eine Achse bricht oder eine Schaltung nicht richtig funktioniert. Ich wollte die defekten Teile sehen und erklärt bekommen. Das war für die Rennsportleute neu. PS: Der Erfolg gibt Ihnen recht. MW: Wir hatten keinen einzigen technisch bedingten Ausfall. PS: War es eine Fügung, dass Sie Ferdinand Piëch getroffen haben? MW: Fügung ist ein großes Wort. Aber wir haben einander schon in ganz besonderer Weise ergänzt. Dr. Piëch war in seinen Jahren als Entwicklungschef bei Audi sicher jemand, der an die Grenzen des technisch Machbaren gegangen ist. PS: Bei Porsche hat er auch ein bisschen was riskiert. MW: Absolut. Als ich frisch bei Audi war, bot ich an, seine genialen Ingenieursleistungen als Labor- und Qualitätsmann abzusichern. Ein Beispiel: Er wollte den Audi 200 Turbo zur schnellsten Limousine der Welt machen. Also haben wir den Fünfzylinder-Motor mit Turbo kräftig aufgeladen. Das reichte aber nicht, also wurde die Aerodynamik so lange verbessert und die Durchströmung minimiert, bis der Kühler fast geschlossen war. Und was passiert dann? PS: Der Motor wird ein bisschen heiß. MW: Genauso war es. Da musste ich also widersprechen: Herr Piëch, das geht so nicht. Was hilft den Kunden eine Spitze von 230 km/h, wenn der Motor keine 20.000 Kilometer hält. Also haben wir andere Möglichkeiten gefunden, um das Problem zu lösen. Von Piëch habe ich viel über Visionen und Mut gelernt und gleichzeitig auch, meine Herkunft als Materialfachmann nicht nur zum Neinsagen zu nutzen. Piëch meinte zu mir: Herr Winterkorn, ich sehe ein, dass das so nicht geht, aber machen Sie auch Vorschläge, wie es gehen könnte. Statt stets zu verneinen, sollte ich mutig konstruktiv denken. PS: Sind wir eine aussterbende Art, wenn wir Autos lieben? MW: Nein. In jeder zweiten Zeitung steht zwar, dass die jungen Leute sich mehr für ihre Tablets und iPhones interessieren als fürs Auto. Ich kann das so aber nicht feststellen. Natürlich sehen viele junge Leute in den Metropolen dieser Welt das Auto ein Stück weit rationaler als meine Generation. Deshalb arbeiten wir ja daran, die vernetzte, digitale Welt nahtlos in unsere Fahrzeuge zu bringen. Da entstehen ganz neue großartige Möglichkeiten: mit intelligenten Assistenzsystemen, High-End-Infotainment bis hin zum automatisiert fahrenden Auto. Auch deshalb bin ich überzeugt: Global gesehen, ist die Faszination Auto ungebrochen. Dafür muss man allerdings auch etwas tun. Es war beispielsweise eine geniale Idee, dass wir bei Audi begonnen haben, direkt im Werk auszuliefern. Auch hier in Wolfsburg müssen Sie nur über die Straße gehen, um zu sehen, was es für die Menschen heißt, ihr neues Auto abzuholen. Gut 500 Kunden machen das jeden Tag in der Autostadt, für sie ist es das Highlight des Jahres. Sie kommen oft mit der ganzen Familie. Ich gehe gern dort hin und unterhalte mich mit den Leuten. Da spürt man die Begeisterung für unsere Produkte. Dieser Honeymoon-Effekt ist ein Geschenk. Und das darf nicht ruiniert werden. Deswegen verlange ich ja eine durchgehend fehlerfreie Produktqualität. PS: Wie gefährlich ist das Abstumpfen durch eine 90-Stunden-Woche, in der es stets um Autos geht? MW: Wenn man weiß, dass es eine Gefahr ist, kann man damit umgehen. Wir sind hier alle, wie sagt die PS WELT immer, „Petrolheads“. Wir lieben unsere Autos und versuchen sie jeden Tag noch besser zu machen. PS: Sie wollen sich selbst immer wieder neu begeistern? MW: Absolut. Nur deshalb leistet ein 2,5-Liter-Diesel heute 400 PS, wo vor 15 Jahren noch 150 PS maximal möglich waren. So eine Entwicklung geht nur, wenn man den Menschen, rer Begeisterung an Einzelstücken erschaffen. Ich fahre sehr gern zum GTI-Treffen an den Wörthersee. Wir machen dort eine Show und zeigen ein neues Auto, das für dieses Publikum passt. Aber am spannendsten ist es, wenn Familie Piëch und ich anschließend gemeinsam durch die Menschenmenge gehen und uns die Fahrzeuge der Teilnehmer anschauen. Die sagen dann grüß Gott und strahlen. PS: Ein Kulturclash? MW: Weniger, als viele denken. Ich bin genauso Fan wie sie. Grandios, was sie mit unseren Autos machen. Da sehen Sie Audi B3s oder alte GTIs, die haben verchromte Motorräume. Ich frag die Jungs dann, wie sie das hinbekommen haben und dann erzählen sie, dass einer der Freunde verchromen kann, der andere hat eine originale Richtbank, der dritte hat bei VW gearbeitet. Das ist wunderbar. Diese Art der Fankultur, die müssen wir fördern. Denn das sind die Treuesten. Die lassen sich dann das VW Logo hinten in die Haare rasieren oder sogar tätowieren. PW: Ist das inspirierend, auch für die tägliche Arbeit als CEO des Konzerns? MW: Na klar. Jeder Direktkontakt mit Kunden bringt etwas, wenn man ernsthaft interessiert ist, zuhören kann und spürt, worum es den Kunden geht. PW: Wie verfeinert man das Gefühl für Autos? Wie nähert sich ein Naturwissenschaftler solchen Gefühlen? MW: Ziemlich pragmatisch. Um es klar zu sagen. Ich erwarte von meinen Topmanagern ein sicheres Gefühl für Autos: Euphorie für Dinge, die wirklich gut sind, Unduldsamkeit gegen Schwächen. Wir verbringen viel Zeit mit Testfahrten, wie gerade mit dem nächsten Polo, dem neuen A8, dem nächsten Phaeton. Also Autos, die 2016, 2017 in Serie gehen. Es geht dabei um alles: um Leistung, Antriebskraft des Motors, Fahrverhalten, Ausstattung, das Interieur. Aber eben auch für digitale Features, Konnektivität. Wir haben beispielsweise für die Gestensteuerung im Golf, die wir in Las Vegas auf der CES gezeigt haben, sehr viel positives Feedback erhalten. PS: Macht Ihnen das nach all den Jahren immer noch Spaß? MW: Absolut, schlimm, wenn es anders wäre! Das größte Glücksgefühl stellt sich bei den ersten Serienfahrzeugen ein. Da gibt es die sogenannten Konzernabnahmefahrten. Wenn »Man muss in dieser Branche immer auf der Hut sein, darf den Erfolg nie als gesetzt nehmen« „Die Kombination von italienischem Design und deutscher Ingenieurskunst ist eine gute Mixtur. Sinnlich und präzise, verführerisch und solide“ die am Fine-Tuning arbeiten, die den Einspritzdruck noch mal erhöhen, die mehr Löcher in die Düsen bohren, damit die Zerstäubung noch besser erfolgt, wenn man diesen Menschen die Chance gibt, genau das zu machen. So läuft das auch beim Design. Irgendwann hatte man sich an den klassischen Furnierblenden sattgesehen. Deswegen begannen wir mit Schichtholz und Metalleinlagen dazwischen: mit Eiche, in der sich Aluminiumfäden durchziehen. Jetzt sind wir dabei, für Bentley oder Bugatti noch härtere Werkstoffe zu schneiden. Das geht mit Lasertechnologie - Sie könnten sogar Marmor schneiden ... PS: ... ist das nicht zu schwer? MW: Nein, das sind hauchdünne Scheiben. Das sieht wirklich spektakulär aus … PS: Wenn Sie von neuen Kunden und neuen Ideen reden: Gerade die Produkte Ihres Konzerns – allen voran Volkswagen, Audi und Porsche – sind bei jungen Menschen Kultobjekte, die in aufwendigen Liturgien gefeiert werden, zum Beispiel jedes Jahr am Wörthersee. Wie geht es Ihnen mit diesen Remixen Ihrer Arbeit? MW: Ich finde es großartig, was diese jungen Leute da in ih- lich wird vorgeworfen, dass Sie zu viel Geld in die Produkte investieren. Ist die Empörung über diese Vorwürfe nicht ein guter Trick? MW: Wie meinen Sie das? PS: Na ja, der Vorwurf impliziert doch, dass man für sein Geld nirgendwo so viel Auto bekommt wie bei VW, Audi oder Porsche. Für den Autoliebhaber eine gute Nachricht. MW: Sie haben mich durchschaut. (lacht) Im Ernst, natürlich ist unser Qualitätsanspruch extrem hoch. Bis hin zur Gefahr des Pedantischen. Auf der anderen Seite müssen wir die Kosten im Griff behalten. Meine Aufgabe ist es, beides in die richtige Balance zu bringen. Aber klar, es gibt immer noch das alte Vorurteil: Die von VW können alles, nur nicht billig. PS: Klingt auch wie ein Kompliment. MW: Eigentlich schon. Sehen Sie: Unsere Philosophie ist es, Topqualität zu bringen, aber über die Scale-Effekte die Kosten zu senken. PS: Gibt es da eine Faustregel? MW: Ja, Verdoppelung der Stückzahl heißt minus zehn Prozent Kosten. PS: Sie wollen bei der Marke Volkswagen fünf Milliarden einsparen und dabei auch ein paar Cabrios aus der Produktpalette entfernen, war zu lesen. MW: Wobei es uns darum geht, effizienter zu arbeiten, Synergien zu heben und nicht nach der „Methode Rasenmäher“ zu sparen. PS: Kommt endlich der EOS weg? MW: Der Cabrio-Markt schrumpft. Für die Marke Volkswagen reichen Golf und Beetle Cabriolet. Das gesparte Geld investieren wir lieber in neue, andere Projekte. PS: Haben Sie einen Lieblings-VW? MW: Beim Blick zurück ist das der Golf IV. Der ist ästhetisch, noch immer modern, obwohl er 10, 15 Jahre alt ist. Der neue Golf gefällt mir natürlich sehr gut, weil er scharf konturiert ist. PS: Wechseln wir mal das Genre. Beim Autosalon in Paris wurde vergangenen Herbst ein bildschöner Lamborghini-Hybrid namens Asterion vorgestellt. Wird der gebaut? MW: Das ist nicht entschieden. Aber mir hat das Auto auch sehr gut gefallen. Grundsätzlich sind die neuen Lamborghinis wie der Huracán richtig gut geworden. PS: Sie polarisieren noch immer, das ist gut. Der Asterion hatte etwas Klassisches wie ein Ferrari. MW: Wir haben den Murciélago-Nachfolger bewusst weniger scharf gemacht. Das war zu extrem. Das war nur Keilform. Die Lamborghini-Zahlen geben uns recht. Die Kombination von italienischem Design und deutscher Ingenieurskunst ist eine gute Mixtur. Sinnlich und präzise, verführerisch und solide. PS: Da fehlen aber noch zwei Marken. MW: Momentan haben wir zwölf. Das reicht mir auch. PS: Wie traurig finden Sie das Verschwinden von Lancia? MW: Mir tut das im Herzen weh. Wer einmal auf der Mille Miglia war und die alten Lancias und Alfas gesehen, gehört und gerochen hat und jetzt sieht, wie Lancia untergeht, dem kann das nicht egal sein. Man sieht, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Man muss in dieser Branche immer auf der Hut sein, darf den Erfolg nie als gesetzt nehmen. Nehmen Sie die Digitalisierung, die gerade dabei ist, unsere Industrie zu revolutionieren. Autos, Fabriken, Handel – hier entstehen ganz neue, faszinierende Möglichkeiten. Gleichzeitig haben wir es mit branchenfremden Playern wie Google zu tun, die sich plötzlich für das Auto interessieren. Ich bin aber überzeugt: Das Automobil als eines der komplexesten Industrieprodukte wird unsere ureigene Hoheit bleiben. PS: Und in vielen Ländern ist die Automobilindustrie der wichtigste Arbeitgeber – bleibt das so? MW: Ich sehe nicht, dass sich das ändern wird. Allein unser Konzern beschäftigt in diesem Jahr erstmals mehr als 600.000 Menschen. Hinzu kommen die vielen Hunderttausend Mitarbeiter bei unseren Lieferanten und im Handel. Ich meine, unsere Industrie ist sich dabei ihrer Verantwortung sehr wohl bewusst. Wir entwickeln und bauen nicht nur faszinierende Fahrzeuge, wir übernehmen auch eine wichtige Rolle in der – Martin Winterkorn ich dann einen neuen Golf oder Audi A3 fahre, muss ich spüren, was ich mir an Performance gewünscht habe und auch alles andere. Das Lenkrad anfassen. Hat das Lenkradleder die gleiche Oberflächenqualität wie der Schaltknauf und die Handbremse? Sind die Fugen in Ordnung, ist die Oberfläche in dem Glanzgrad, wie wir es gern sehen wollen? Da hilft meine Erfahrung. PS: Wie viele Autos sind Sie in Ihrem Leben schon gefahren, können Sie das schätzen? MW: Gute Frage, unzählige. Aber egal wie viele Tausend es genau waren, ich versuche jedes Autos stets wie der erste Kunde wahrzunehmen. Die Mannschaft weiß das, und man sieht mir nach jeder Testrunde an, ob das Auto gut oder schlecht ist. Das ist das, was Sie mit Glück beschreiben. Wenn ich dann sage: Mensch, toll, das Auto ist wirklich gut geworden, das passt, dann ist das schon ein echtes Glücksgefühl. Wenn es nicht so ist, bin ich dementsprechend sauer. PS WELT: Da gibt es einige Geschichten darüber, wie es ist, wenn Sie sauer sind. MW: Die, die mich kennen, können damit umgehen. Es geht mir ja um die Sache, nicht um persönliche Verletzungen. Und da bin ich lieber etwas deutlicher. Nur durch das klare Benennen von quietschenden Bremsen, einer ungenauen Lenkung oder einer hakeligen Schaltung werden die letzten, entscheidenden Änderungen möglich. PS: Ihr Qualitätsanspruch ist teuer. VW und Ihnen persön- Jens Schlüter/ddp images (2), Jochen Lübke/dpa/picture alliance, Ole Spata/dpa/picture alliance (3), Mandoga Media/picture alliance, Nigel Treblin/Getty Images, Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance (2) Gesellschaft. Die Reputation einer Marke wie Volkswagen basiert zwar ganz wesentlich auf den Produkten – verantwortliches Handeln in der Gesellschaft, besonders auf den Feldern der Ökonomie, des Sozialen und vor allem auch der Ökologie gehört aber inzwischen fast gleichrangig dazu. Eine Branche, die sich zu Recht als Technologieführer und -treiber sieht, ist da dann eben auch besonders gefordert. Unsere Produkte, aber auch unsere Produktionstechniken, unsere Arbeitsorganisation sind richtungsweisend für viele andere Branchen. PS: Der Volkswagen-Konzern wird – das gilt inzwi- PS WE LT | SEITE 21 schen als sicher – in den nächsten Jahren der größte Automobilhersteller der Welt sein. Das war Ihr Ziel, macht Sie das zufrieden? MW: Natürlich gibt es einem eine gewisse Befriedigung, wenn ein langfristig gesetztes Ziel erreicht wird. Aber solche Ziele sind ja kein Selbstzweck. Und mit Größe allein ist es nicht getan. Es stimmt: Volkswagen hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt, und das wird mit der Erreichung eines Etappenziels sicher nicht aufhören. Das Streben nach ständiger Verbesserung, eine der wichtigsten Triebfedern besonders für Naturwissenschaftler, Ingenieure und Techniker, hört ja nicht auf. Unser und mein Credo ist, dass dieser hohe Anspruch nicht bei den Produkten endet. Volkswagen soll in jeder Hinsicht an der Spitze stehen, auch in Sachen verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ich bin mit dem Wort „Vorbild“ vorsichtig – einen Vorreiter kann man unsere Industrie und damit auch Volkswagen aber sehr wohl nennen: bei den Arbeitsbedingungen, beim verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten macht uns wohl niemand etwas vor. Und das wird uns auch mehr und mehr in der Öffentlichkeit bescheinigt. PS: Als Vorreiter im Feld der Digitalisierung werden aber zumindest zurzeit andere wahrgenommen … MW: Da müssen wir sicher noch an der Wahrnehmung arbeiten. Im Januar in Las Vergas und in Detroit ist aber doch klar geworden, dass unsere Industrie auf dem Feld der Mobilität auch hier die Standards setzt und die Nase vorn hat. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir müssen uns als Autoindustrie noch viel intensiver mit den Chancen der Digitalisierung und Vernetzung befassen – wir müssen auch da unseren Vorsprung nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. Hier geht es auch um neue Geschäftsfelder und datenbasierte Dienstleistungen rund um unsere Fahrzeuge. Auch deshalb haben wir ja unser neues, großes Zukunftsprogramm „Future Tracks“ für den Konzern aufgelegt, das all diese Themen adressiert. PS: Warum heißt denn dieses Programm wie eine Technoband? MW: Mit Techno kenne ich mich nicht wirklich aus. Ich finde „Future Tracks“ bringt auf den Punkt, um was es uns geht: für Volkswagen und das Auto den Weg in die Zukunft zu ebnen. Wir müssen den Wandel jetzt angehen. In den letzten sieben Jahren hat sich unsere Industrie stärker und schneller verändert als in allen Jahrzehnten zuvor. Nehmen Sie das Thema Antriebe: Hybrid, rein elektrische Fahrzeuge, Erdgas und die Brennstoffzelle gehören inzwischen wie selbstverständlich zu unserer Antriebsstrategie. Volkswagen konnte sich nur deshalb als erster Autobauer zum 95-Gramm-CO2-Ziel bekennen. PS: Apropos. Warum haut das nicht hin mit der Elektromobilität hierzulande? MW: Noch vor drei, vier Jahren waren wir eher unschlüssig, wohin der Weg geht. Unser Hybrid-Fahrzeug war quasi der Diesel, denn der war im Verbrauch einem Toyota-Hybrid stets überlegen. Dann kam die EU-Verordnung mit 95 Gramm CO2 in 2020, und uns war sofort klar, das geht nur mit der Elektrifizierung. Wir haben lange diskutiert, wie wir vorgehen. Aber nach vielen Testfahrten haben wir uns dann entschieden: Plug in-Hybrid ist unser Weg. Diese Technologie macht Spaß und reduziert drastisch den Verbrauch. Unabhängig davon war uns bewusst, wir müssen auch reine E-Fahrzeuge anbieten. Wir haben daher den up! und den Golf elektrifiziert. Und deswegen beschäftigen wir uns auch intensiv mit der Batterie-Technologie. Natürlich bringen wir, wie die anderen Hersteller, als Zwischenlösung auch die Mild-Hybrids auf die Straße. Aber vom Aufwand her bringt das zu wenig. Der richtige Sprung ist für mich der Plug-in-Hybrid. Wenn Sie den fahren, da gehe ich jede Wette ein, macht Ihnen das einen Heidenspaß. Sowohl bei Porsche oder Audi als auch bei Volkswagen. PS: Wir sind den Porsche 918 gefahren. Schnell wie ein Rennauto, sparsam wie ein A4-Kombi. MW: Ja, dieser Plug-in-Hybrid ist im Augenblick das Nonplusultra. Aber wie kommen wir von den Kosten runter? Ein Golf GTE kostet heute in der Herstellung fast doppelt so viel wie ein konventionell angetriebener Golf. Mein Vertriebsleute sagen: Wir müssen runter mit dem Preis, dann können auch die M A RT I N WI N T E R KO R N I ST B E K A N N T F Ü R S E I N E D E TA I LVE RS E SS E N H E I T. E R S C H AU T AU C H B E I A N D E R E N M A R K E N I M M E R GA N Z G E N AU H I N »Ich erwarte von meinen Topmanagern ein sicheres Gefühl für Autos: Euphorie für Dinge, die wirklich gut sind, Unduldsamkeit gegen Schwächen« Volumen steigen. Aber nur mit mehr Volumen sinken kurzfristig die Kosten. Ich bin aber überzeugt: Diese Technologie wird sich durchsetzen. PS: Macht Sie der Wagen glücklich? MW: Absolut. Jeder, der das Auto gefahren ist, springt drauf an. Die Stückzahlen der E-Golfs und der Plug-in-Hybride steigen. Diese Autos setzen sich durch. PS: Nutzen Sie Connectivity, wenn Sie selbst Autos fahren? MW: Klar. Mein Anspruch ist, alle Technologien in unseren Autos selbst zu testen. PS: Und China? MW: Die chinesische Politik fördert die Elektroautos massiv – auch mit viel Geld. Wenn zwei oder drei der drei großen Komponenten Batterie, Elektromotor und Elektronik in China hergestellt werden, greift die staatliche Förderung. Wir könnten heute, wenn wir wollten, in unserer Fabrik in Foshan Audi A3 und Golf vom Band laufen lassen und dort parallel auch Plug-in-Hybride bauen. Auch das ist dank unserer Baukästen inzwischen möglich. „Was uns in Deutschland im Vergleich zu Amerika fehlt, ist die Elitenförderung“ PS: Werden die chinesischen Autos besser? Sind sie wie die Koreaner eine Gefahr? MW: Man sollte China nie unterschätzen. Die heimischen Autobauer sind ehrgeizig, und gegenüber den ersten Modellen ist da schon eine Entwicklung festzustellen. PS: Sie haben wenig Glück in den USA? MW: Wir waren nachlässig und wurden bestraft. Außerdem haben die amerikanischen Autohersteller in kurzer Zeit ihre Qualitätsansprüche nach oben orientiert. Wir haben uns auf dem Erfolg des US-Passats zu sehr ausgeruht und waren auch nicht vorbereitet auf die Konter der Japaner, die ziemlich schnell einen neuen Toyota Camry oder Honda Accord auf den Markt gebracht haben. Die Amerikaner wollen alle drei Jahre ein neues Auto haben. Wir hätten den Erfolgs-Passat schneller überarbeiten sollen. Aber wir haben daraus gelernt, bringen neue SUVs speziell für Amerika und werden die Modellzyklen verkürzen. PS: Bei den extrem erfolgreichen „Fast & Furious“-Fil- ge, Antriebe, digitalen Technologien, Dienstleistungen rund ums Auto sind in der nächsten Dekade gefragt? Wie werden Mensch und Roboter in der Produktion künftig zusammenarbeiten? Wie kaufen Kunden Autos? Was erwarten sie vom Auto? All diese Themen gehen wir jetzt an. Langfristig wollen wir so natürlich auch neue Geschäftsmodelle und Ertragsquellen erschließen. Gleichzeitig geht es im aktuellen Umfeld darum, Effizienzen zu heben und die Ergebnisqualität zu steigern. Auch das ist Teil von „Future Tracks“, weil wir die gewaltigen Herausforderungen der kommenden Jahre ohne eine wettbewerbsfähige Rendite aller unserer Marken, also auch der Kernmarke Volkswagen, finanziell nicht werden stemmen können. PS: Themenwechsel. Braucht die Hauptstadt Berlin ein Museum der deutschen Automobilkultur? MW: Gute Idee. Für so ein Museum abseits der bestehenden Markenmuseen wäre die Hauptstadt ideal. Berlin ist eine großartige Stadt, meine Familie und ich haben Silvester dort am Brandenburger Tor gefeiert. Aber wenn man Berlin mit Paris oder London vergleicht, dann fehlt doch noch etwas. Denken Sie nur an den Fußball. Berlin muss und kann überall noch etwas mehr Champions League vertragen. PS: Apropos Fußball, hat Ihnen der Sieg von Wolfsburg über die Bayern wehgetan oder hat Sie das gefreut? MW: Ich sehe das sportlich. Aber klar: Bei dieser Paarung sitze ich immer zwischen den Stühlen. PS: Das heißt, Sie haben für beide gejubelt – oder für gar keinen? MW: Ich bin bei diesem Spielen meistens eher still beim Jubeln ... PS: Dürfen wir Ihnen noch ein paar schnelle Fragen stellen zum Thema Auto und Glück mit der Bitte um schnelle Antworten? MW: Natürlich. PS: Kann man ohne Auto glücklich sein? MW: Ich kann das nicht. PS: Welches Auto macht Sie persönlich am glücklichsten? Auf welcher Straße, zu welcher Jahreszeit, mit welchem Beifahrer? MW: Bei über 300 verschiedenen Konzernmodellen ist bei uns für vielfältigste Glücksmomente gesorgt. Die erlebe ich natürlich am liebsten mit meiner Frau. PS: Nimmt das Glück, das man in einem Auto empfinden kann, mit dem Alter ab oder zu? MW: Es verändert sich. In jungen Jahren steht das erste Auto für das große Gefühl der Freiheit. Für viele ältere Menschen bedeutet das Auto Teilhabe am Leben. Beides ist wichtig. PS: Haben Autos Ihnen persönliches Glück gebracht? MW: Ja, das ist so. PS: Kann ein Ihnen in Ihrem Unternehmen präsentierter neuer Automobilentwurf bei Ihnen Glücksgefühle wecken? Wenn ja, darf das Ihre Entscheidung beeinflussen? MW: Wenn man wie ich fürs Automobil brennt, sind viele Ideen unserer Designer absolut endorphinsteigernd. Aber es gibt keinen Freifahrtschein. Design, Technik, Kundenwünsche und Wirtschaftlichkeit – unsere und vor allem meine Aufgabe ist es, all diese Fäden zusammenzuführen. PS: Wie viele Autos sind genug? MW: Ich habe so meine Zweifel, ob wir im Westen darüber entscheiden können, wo quasi jeder schon ein Auto fährt. Die Frage ist doch vielmehr: Wie machen wir das Autofahren auch in China, Südamerika oder Afrika so effizient, sparsam und intelligent wie möglich. PS: Werden Auto-Glücksmomente und Fahrerlebnisse im selbstfahrenden E-Car der Zukunft überhaupt noch möglich sein oder müssen sie vom Hersteller künstlich erzeugt werden? MW: Wer kräftige Beschleunigung liebt, der kommt beim Elektroauto voll auf seine Kosten. Ich bin sicher: Beim Auto wird es immer um Emotion gehen. Was das autonome Fahren angeht, ist unsere Philosophie, den Fahrer dort zu entlasten, wo es weniger Spaß macht: im Stau, im Stop-and-go, bei der Parkplatzsuche. Ansonsten behält er das Steuer in der Hand. PS: Ist dieses Delta nach wie vor ein guter Kaufgrund: Mit welchem Gesichtsausdruck steige ich ein. Mit welchem aus? MW: Mit welcher Stimmung Sie ins Auto einsteigen, dafür bin ich nicht zuständig. (lacht) Unser Job ist es, dass sie mit einem möglichst breiten Lächeln wieder aussteigen. Wenn das gelingt, bin ich glücklich. PS: Sie haben mit Autos nahezu alles erreicht. Aber: Muss VW nicht in die Formel 1? MW: Herr Piëch hat mal gesagt, das Ein-Liter-Auto ist meine Formel 1. Dem ist nichts hinzuzufügen. men sieht man vor allem japanische Autos. Kaum deutsche. Schmerzhaft? MW: Selbstverständlich. Die Amerikaner lieben Autos, sind super emotional mit ihren Fahrzeugen. Unsere größten Erfolge in den USA, der Jetta und der Passat, sind jetzt nicht unbedingt die emotionalsten Fahrzeuge der Palette. Die sind sehr funktional, praktisch und langlebig, aber die Seele der Amerikaner müssen wir anders erreichen. PS: Wie denn? MW: Wir machen ein großes SUV speziell für Amerika. Es wird auch kleinere SUVs auf Golf Basis geben. In Mexiko bauen wir den Golf 7 und den wird es auch als Variant mit Allrad-Antrieb geben. Der in Genf vergangenes Jahr vorgestellte T-Roc kam sehr gut an. Den kann ich mir auch gut in einem Film mit Vin Diesel vorstellen, nach umfangreichen Tunings selbstverständlich. (lacht) Wir haben uns in den USA auf den Erfolgen ausgeruht. Aber die Zeit ist jetzt definitiv vorbei. PS: Apropos ausruhen. Wann werden Sie Ihren Nachfolger bekanntgeben? Ihr Vertrag läuft noch bis Ende nächstes Jahr. MW: Jetzt fangen Sie auch damit an … PS: Wer kann in Ihre Fußstapfen treten? MW: Gehen Sie mal davon aus, dass es der Herr Winterkorn nie allein macht und kann. Nehmen Sie unsere Testfahrten. Da sind stets bis zu hundert Manager dabei, die Autos genauso verstehen wie ich und auch die Obsession dafür teilen. Und vor allem wird da im Team heiß diskutiert und um die beste Lösung gerungen. Nehmen sie die Frontklappe des Porsche Macan. Haben Sie die mal gesehen? Das ist ein wunderschönes Bauteil, hochkomplex und aus Aluminium, wie es das noch nie auf der Welt geSeit 2007 Vorstandsvorsitzender geben hat. Das ging nur, der Volkswagen AG und Vorsitzender weil die Werkzeugmacher des Aufsichtsrats der Audi AG. die Idee des Designers, Seit November 2009 außerdem die Haube des Macans zu Vorsitzender des Vorstands der verbreitern, mitgegangen Porsche Automobil Holding SE. Am sind. Natürlich ist das 24. Mai 1947 in Leonberg geboren. schwieriger zu produzieren. Aber es lohnt sich. Doktor der Metallforschung, Ich will damit sagen: Hier Honorarprofessor der Technischen ist ein Team am Werk und nicht einer allein. und Wirtschaftswissenschaftlichen PS: Können wir noch mal über das Sparen reden? Universität Budapest und der TU MW: Bitte schön. Zunächst mal: Was wir machen, ist ja Dresden. Ehrenprofessor der Tongjikein klassisches Sparprogramm. Wir haben ein ZukunftsUniversität in Shanghai, der TU Chemnitz und Effizienzprogramm gestartet. Hier geht es einerseits um die ganz großen Zukunftsfragen: Welche Fahrzeuund der TU München. Autobesessen. PS Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Martin Winterkorn DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL . III, MÄ RZ 2 015 SEITE 22 | PS WE LT Der Beautysalon für Männer Wer sein Auto liebt, schiebt? Nein, der lässt es vor dem Start in die Saison ordentlich aufbereiten. Und wer einen Ferrari hat, entscheidet sich in der Regel für das Chanel unter den Anti-Aging-Produkten: für Swizöl. Lohnt sich das? kugel. Neuer als neu. Das ist superteuer und sieht am Ende doch ein wenig billig aus. Wie Frauen, denen der Mann zu viele Schönheits-OPs bezahlt hat. Das wollen wir mit dem gediegenen Gran Turismo natürlich nicht. Ein classy Auto bekommt ein classy Treatment. Erst gründlichste Inspektion, dann perfekte Reinigung. Die startet mit einem derart gut riechenden Shampoo, dass das Aroma auch einen Whiskey Sour adeln würde. Wie bei allem gilt: Das Zeug ist teuer, deswegen wird es schottisch dosiert. Das relativiert den Preis, aber noch viel wichtiger ist auch die zweckmäßige Anwendung. Viel hilft nicht viel. Dann folgt als erster Knaller das ionisierte Wasser, das keine Von ANONYMUS E ndlich weiß ich, wie das so ist beim Pornodreh. 2000-Watt-Strahler leuchten das Objekt der Begierde aus, damit der Mann mit der Creme und den weichen Händen in jede Ritze blicken kann. Er streicht über die Rundungen, lässt seine Finger über die glänzende Haut kreisen, stochert in Öffnungen und Falten herum. Es riecht nach Kokosöl und Papaya. Das Objekt der Begierde ist meins. Aber den Typen lass ich ran. Er streichelt aus dem Ferrari die kleinsten Unebenheiten heraus. Er heißt Ralf Thiele und ist einer der besten Aufbereiter des Landes. Wie alle großen Handwerker ist Thiele Sachse und verschwendet seine Talente nur an die atemraubenden Skulpturen des Abendlandes. In der Werkstatt direkt gegenüber dem Schillertheater in Berlin-Charlottenburg stehen drei Ferraris und ein Maserati. Er weiß, was er tut, und er tut es schon seit Jahrzehnten. Das Wichtigste vorweg: Thiele lobt meinen Maranello, der sei wirklich in einem sehr guten Zustand. Das ist keineswegs selbstverständlich. Bevor er genauer hinsieht, erklärt er mir, dass, egal, was er gleich an Befunden so entdecken wird, es nicht darum gehe, das Auto runterzumachen. Er sagt das so ernst und nachdrücklich, dass ich ahne, wie schmerzhaft diese Ouvertüre für manchen Besitzer ist. Nicht so bei mir, ich platze fast vor Stolz. Und da, wo italienische Nonchalance für ein paar halb perfekte Stellen gesorgt hat, ist Thiele der kosmetische Chirurg, der das korrigieren kann, subtil und ohne jeden Showeffekt. Mit allerfeinstem Schleifpapier, Polituren und Zauberwachsen rückt er meinem Maranello zu Leibe. Thiele ist einer der ausgesuchten Partner des schweizerischen Kultlabels Swizöl, das für Männer das ist, wofür bei Frauen La Prairie Skin Caviar oder Chanel Sublimage L’Essence stehen. Es mag deutlich günstigere Produkte geben, aber kein anderes Pflegelabel hat unter Petrolheads und Pedanten einen derart hysterischen Ruf. Deshalb war für mich nach einigen Recherchen klar: Wenn ich den Ferrari für die Frühjahrssaison vorbereite, dann nur bei der Haute Couture des Autowachses. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Ich bin die ganze Zeit dabei. Herr Thiele fummelt, was das Zeug hält, und ist dabei hyperdidaktisch. Er gibt gute Tipps. Pflege in Perfektion: Am Ende wird der Ferrari 575M Maranello wie neu aussehen Wasserspuren hinterlässt, und dann Thieles Erfindung einer Gummilippe aus einem Material, das der Medizintechnik entstammt. Warum? Damit das Auto schneller trockengezogen werden kann. Denn Zeit ist bei Aufbereitern wie Thiele Geld. Danach kommt erst mineralischer Knetgummi zum Einsatz und schließlich viel Druckluft, um auch die letzten Schmutzkrümel im Ferrari-Schriftzug auf der Heckklappe rauszublasen. Thiele liebt seinen Beruf, die Autos mit denen er sein Leben verbringt und die Cremes, Tuben, Shampoos und Schleifgeräte, mit denen er den kostbaren Blechskulpturen zu Leibe rückt. Bei einem Ferrari Enzo war er so vorsichtig über das Auto gebeugt, dass er seine Bandscheibe gefährdete, jetzt hat er neben den Massagetechniken auch seine Körpersprache derart perfektioniert, dass er den schweißtreibenden Job auch an langen Arbeitstagen übersteht. Nach der Reinigung sieht mein Auto so blank aus, wie ich es noch nie gesehen habe. Doch erst dann folgen die Polituren und schließlich das Swissvax namens „Scuderia“, das einzig und allein für italienische Lackkompositionen entworfen wurde. Ich hätte die Dose am liebsten gestreichelt. Mit dem Rücken des Fingernagels kratzt Thiele die kostbare Creme ab und verschmiert sie in seinen Händen um dann mein ganzes Auto einzumassieren. Ich sitze auf einem kleinen Schemel und staune. Thiele grinst: „Wenn ich da so allein bin und meine Musik dazu höre, das ist schon ein sehr schönes Leben.“ Als ich das Auto am nächsten Tag abhole, traue ich meinen Augen nicht. Schöner kann ein gut zehn Jahre altes Auto nicht strahlen, der Besitzer wohl auch nicht. „Quality is our success“ steht auf der Rechnung. Natürlich gibt es günstigere Produkte und wohl auch Aufbereiter, aber wer sein Auto liebt, macht hier nichts verkehrt. Im Schaufenster steht ein Ferrari 365 GTC, der Bucklige genannt, bei dem ich dachte, die Sitze seien frisch bezogen, aber sie waren einfach nur mit dem Leather Healer behandelt worden, den die Schweizer wohl direkt aus einem Druiden-Topf entnommen haben. Bei meinen schwarzen Sitzen genügen dagegen Reinigung und auf der Fahrerseite eine Tönung, damit sie wieder wie neu aussehen. Ich steige nach dem Bezahlen gerührt ein, und Thiele weißt mich zum Abschied noch darauf hin, dass er bei Serviceheft und Bordhandbuch die schwarzen Stellen vom cognacfarbenen Leder der Mappe entfernt hat, ebenso wie den Schmutz im Felgenbett und auf den roten Bremszangen. Ich fahre aus der Zaubergarage und fühle mich wie in einem Neuwagen. Aber das Geile ist, es ist ein alter Neuwagen. Genau so, wie ich es mag. PS Das ganze Video gibt es natürlich auch auf ps.welt.de, Achtung, harter Stoff! Nonstop. Ich sehe zu, wie er mein Auto streichelt, und ich fühle mich gut dabei. Die junge Dame vom „PS WELT“-Videoteam filmt. Irgendwie auch pervers. Carporn. Und nirgendwo im Internet gibt es so viel Pornotechno als Soundtrack, wie dort, wo es darum geht, zu zeigen, wie man einen Old-, Young- oder Newtimer so aufarbeitet, dass er am Ende glänzt wie eine Christbaum- »‚Quality is our success‘ steht auf der Rechnung« ! Unser Autor hat auf ps.welt.de eine sonntägliche Kolumne: „Der anonyme Ferrarifahrer“. Lesen Sie selbst! In ZEHN Schritten zum OLDTIMER-Fahrer Sie planen den Erwerb eines klassischen Fahrzeugs? Herzlichen Glückwunsch – Sie sind Geschmacksträger! Doch bitte nicht so voreilig: Testen Sie vorher mit PS Welt Ihre Oldtimertauglichkeit in zehn einfachen Schritten: Von ANSGAR FULLAND 1 OldtimerSimulationstest Öffnen Sie alle Fenster Ihres Alltagsautos um circa zwei Zentimeter und gießen Sie 200 Zentiliter Wasser in den Fahrerfußraum. Schalten Sie die Heizung aus und fahren Sie mit 85 km/h über die Autobahn. Stellen Sie das Radio auf AM. Ignorieren Sie Lichthupen. Das macht Spaß!? Dann weiter zu Schritt 2. 2 BH-Stresstest Setzen Sie Ihre „Bessere Hälfte“ auf den ihr zugedachten Sitz und fahren Sie 30 Minuten mit der oben angegebenen Konfiguration über die Autobahn. Die BH niest, lächelt aber tapfer? Puh! Weiter zu Schritt 3. 3 Aufmerksamkeitstest Kaufen Sie eine Oldtimerzeitschrift. Setzen Sie sich aufs Sofa. Blättern Sie sechzig Minuten drin herum. Sie sind nach einer Stunde erst auf Seite 23 und nicht eingeschlafen? Das könnte was werden! Weiter zu Schritt 4. 4 Oldtimermesse-Test Ziehen Sie eine dick wattierte Jacke an und setzen Sie eine Pudelmütze auf. Kaufen Sie an einem Sonntag um 11 Uhr ein Ticket. Lassen Sie sich durch die Gänge schieben. Erwerben Sie eine Bockwurst plus Kaltgetränk für 8,50 Euro plus Pfand. Lächeln Sie den Banknachbarn, der Ihnen Senf auf die Hose kleckert, entspannt an. Sie können noch? Weiter zu Schritt 5 5 Autoauswahl-Test Suchen Sie sich auf der Oldtimermesse drei Fahrzeuge aus, die sie aufregend finden. Entscheiden Sie sich für eines davon. Sie können sich nicht entscheiden? Gut so! Weiter zu Schritt 6. 6 Tierlogo-OldtimerTest Sie favorisieren einen Oldtimer, auf dessen Markenlogo ein Pferd, ein Stier oder eine Schlange zu sehen ist? Ihr Steuerberater droht daraufhin, Ihren Psychologen zu kontaktieren. Egal. Weiter zu Schritt 7 7 Non-TierlogoOldtimer-Test Sie müssen sich aus steuerlichen Gründen und auf ärztlichen Rat gegen ein TierlogoFahrzeug entscheiden? Kein Problem. Alles eine Frage des richtigen Sportauspuffs. Weiter zu Schritt 8. 8 Finanztest Definieren Sie die maximale Investitionssumme für Ihren Oldtimer. Addieren Sie 100 Prozent des Kaufpreises für unvorhergesehene Reparaturen in den ersten zwölf Monaten hinzu und teilen Sie das Ergebnis der BH (siehe Punkt 2) mit. Sie haben es überlebt? Respekt. Weiter zu Schritt 9. 9 Kauftest Kaufen Sie Ihren Oldtimer und überführen Sie ihn 500 Kilometer auf eigener Achse. Rufen Sie NICHT den Verkäufer an, wenn der Motor nach 100 Kilometern ölige Zahnräder in den Innenraum spuckt und der gelbe Engel sich angesichts Ihres Invests brüllend auf die Beinkleider des Blaumanns haut. Geben Sie die Mühle zur Reparatur. Dann weiter zu Schritt 10. 10 WTF-StreetCredibility-Test Ihr Oldtimer steht seit Monaten mit Motorschaden in der Werkstatt. Das macht nichts.Kaufen Sie eine Jacke mit mehreren gut lesbaren Markenlogos. Kaufen Sie außerdem ein Parkschild mit Markenlogo, das Ihren Nachbarn signalisiert, dass alle anderen abgeschleppt werden. Ihr persönliches Testergebnis: Sie haben es geschafft! Willkommen in der Oldtimer-Szene! Sie werden hier viele neue Freunde finden. Erfahren Sie im zweiten Teil dieser Serie, wie Sie in zehn einfachen Schritten Ihre erste Werkstattrechnung verarbeiten. PS WE LT | SEITE 23 Von ANNE PHILIPPI Foto CRAIG CAMERON OLSEN die Jungs ordern per Telefon ein Handtuch an den Strand, welches ihr Vater ihnen im Kombi vorbeifahren wird. „Sie lieben das Auto.“ Wie sieht der Mike-D-Tag im Kombi also aus? Morgens um sieben Kinder in die Schule fahren, dann erst mal surfen. Brett rein und los. „Um zehn Uhr morgens habe ich schon ,family time‘ und ,water time‘ gehabt. Danach startet mein Tag.“ „Das Auto lächelt, und Mike lächelt zurück. Hier besteht ein enges Liebesverhältnis“ »Ich will kein Beastie-Boys-Auto« Mike D – Rap-Legende, Surfer und Kombifahrer Wir alle werden älter, reifer, gesetzter. Wir bekommen Kinder und Falten. Und Autos, die unseren erwachsenen Ansprüchen genügen. Aber gilt das auch für die Helden unserer Jugend? Zum Beispiel für den Mann, der früher mit VW-Logo um den Hals und Bierdose in der Hand von den Bühnen dieser Welt auf uns herabschrie? ike D ist vielleicht noch ein Beastie Boy, hat aber eigentlich ein neues Leben. Es ist ausgewogen, es kennt keine Überforderung, und es wird von einem Mercedes in der Mitte zusammengehalten, einem Kombi. Ein Besuch in Malibu, wo sonst niemand Kombis fährt. In der Straße von Mike D darf man nicht parken, hier ist es einfach zu privat. Mike D, Mitglied der Beastie Boys, berühmt M für seine quäkige Sägenstimme, lebt hier in Malibu, und damit man weiß, dass es sich bei der kleinen Almholztür um seinen Hauseingang handelt, hat er ein D hineingesägt. Mike D, Hip-Hop-Legende, Businessman und New Yorker. Wenn man es genau nimmt, hätte Mike D schon bei den Beastie Boys einen Kombi fahren können. Schon da war er der aufgeräumte Geschäftsmann. Das konnte er, neben seinen KrähRaps, am besten. Folgerichtig ist Michael Diamond, so sein richtiger Name, heute Mitglied h c u r b Aus ins e n ü r G eines neu-amerikanischen Entertainment-Establishments, das nicht mit Autos oder Häusern protzt. Für Mike D, den Ostküstenmann an der Westküste, wäre das jedenfalls schlechter Geschmack. Lieber gehört er zur Kategorie der Multi-Dads: Väter, die alles können. Die an alles denken. Die Haustür von Kombi-Mike ist bibogelb. Er öffnet. Schmaler Typ, kleiner Hals, die Stimme ist unverändert. Knarzig, für einen Mann zu hoch. Riesige Küche, offener Raum, Kataloge von Urs Fischer und Freunden wie Kim Gordon liegen auf dem Tisch. Tadellos. Überhaupt ist es aufgeräumt bei den Diamonds. Kein Chaos, kein witziger Trash auf dem Küchentisch. Nur die To-do-Liste für die Kinder. Es ist Zeit, das Mike-D-Auto zu treffen, den E 63 AMG in Mattsilber. Gigantische Leistung, ja. Sportfahrwerk, okay. Aber vor allem: surfbrettkompatibel. Mike schiebt drei Bretter in den Kofferraum. Das Auto lächelt, und Mike lächelt zurück. Hier besteht ein enges Liebesverhältnis. Auch weil der große Kombi sein einziges Auto ist. Und niemand auf der Welt glaubt, jemand wie Mike D hätte nur ein Auto. „Ich will kein Meeting-Auto, kein Wochenendauto, kein Beastie-Boys-Auto“, sagt Mike. „Wo ist der Sinn, wenn man etwas hat, das man liebt, sich aber nicht darum kümmern kann? Ich habe schon genug, worum ich mich kümmern muss. Ein Haus in Brooklyn, ein Haus in Malibu, zwei Kinder.“ Die heißen Skyler und Davis und bestimmen den diamondschen Tagesablauf mit. Mike wird das Interview später unterbrechen, Die Familie und das Wasser, beides in einem Atemzug. „Surfen ist kein Sport für mich. Surfen ist wie Meditation. Du musst auf den Ozean aufpassen, wenn du surfst. Du darfst ihn nicht aus den Augen verlieren, sonst haut er dir aufs Maul, und du bist dran.“ Nach der ,water time‘ dann: im Kombi durch die Stadt fahren und nach dem Rechten sehen. Mike D segelt im Kombi durch die Gegend, AMG hin oder her. Es geht in seinem Leben nicht um Speed. Um neun stehen wir am Strand, und Mike führt uns vor, wie es aussieht, wenn man mit seinem Auto, seinem Schatz posiert. Es kann etwas steif wirken, aber vor einem Kombi kann der Besitzer relaxen, er muss nicht mehr vor Coolness explodieren. Mike stellt sich mit dem Surfbrett so hin, als ob BEASTIE BOYS es sich um 1981 als Punkband gegrüneine Aktentadet, ab 1983 konsequenter sche handelt. Schwenk zum Hip Hop. 1986 Veröffentlichung des legenSchaut ein bisschen dären Albums „Licensed to lustig aus, aber Ill“, dem viele Millionen-Seller Mike D ist nicht folgten. Die Beasties waren aber nicht nur einer der der Typ, der Angst erfolgreichsten Hip-Hophat vor dem NichtActs, sondern auch einer der mehr-cool-Sein. langlebigsten. Nach dem Tod von Gründungsmitglied Adam Das Gehirn und das Yauch 2012 löste sich die Auto sind gleicherGruppe auf. maßen aufgeräumt. PS LEASINGJEANS Diese Jeans von M U D winselt geradezu danach , mit Öl beschmie rt zu werden oder ordentlich Dreck zu fressen. Warum ? Sie ist nur geleast un d wird anschließe nd als Vintage-Mod el verkauft. Nachhaltig männlich TRAVEL-COCKTAIL-KIT Gepflegter kann man unterwegs keinen Drink mixen. Für den Fahrer natürlich alkoholfrei. STEPHEN KENN „Ich werde immer mehr Zeit hier an der Westküste verbringen. Das ist jetzt einfach meine Geschwindigkeit. Brooklyn und New York inspirieren mich immer noch. Ich verlasse dort morgens um acht das Haus und komme dann gegen eins nach Hause. Und, ja, ich kann in New York entspannen, denn es ist meine Heimat, das können die meisten Leute ja nicht“, sagt Mike, der dort 1979 seine erste Band The Young Aborigines gründete. Da war er noch klein, ein süßer, komischer Vogel, der bald mit ein paar anderen Vögeln eine komische Band gründen würde. Handtuchanruf. Es ist jetzt Zeit, das Handtuch am Strand vorbeizufahren. Skyler und Davis warten, Mike muss mit ihrem Tempo mithalten, und wenn die Handtuchorder kommt, springt er in den Kombi und liefert, was seine kalifornischen Kinder bestellen. „Sie sind schneller als ich. Sie müssen nicht mehr nachdenken, wenn sie etwas mit ihrem Computer machen, und schauen den ganzen Tag Filme auf der Vine-App.“ Mike D versucht gar nicht erst, ihre Geschwindigkeit zu übertreffen. Der Mann wird 50 dieses Jahr. Und denkt jetzt als Kombi. JACKE Es kann kühl werden: BaseballJacke, designed von Franzosen, très cool. Das weiß auch Jay Z, der seit Neustem Fan von KITSUNE ist Mit dem frisch durchgecheckten Wagen Serpentinen suchen. Stilvoll Pause machen. Und niemand hat hier was von Picknick gesagt … Von CORDULA SCHMITZ ZUM AUSRUHEN BECHER Decke von PENDLETON: Männlich, kratzig, warm. Und mit Motiven der Navajo-Indianer Wenn man unterwegs mal aus einem ordentlichen Becher trinken will. Und warum man unterwegs ist, steht auch drauf. DESILLUSION RUCKSACK GRILL Roadkill? Gut, dass Sie den passenden Grill dabeihaben. Aber nicht irgendeinen, versteht sich. SON OF HIBACHI Der Rucksack ist back! Von New York bis L.A. schwören Menschen auf die Modelle von TOPO DAS AUTOMAGAZIN DER WELT AM SONNTAG, VOL. III, MÄRZ 2015 SEITE 24 | PS WELT ENTINTELLEKTUALISIERUNGSMOBIL Trotz Anfangsskepsis: Eine kluge Frau und ein unvernünftiger SUBARU, das kann durchaus gut gehen. Von MARA DELIUS Fotos JAKOB HOFF AU TO R I N I M / AU F S U B A RU WRX ST I : H I R N U N D M U S K E L N. Un s c h l a g b a r D ieses Auto ist unmöglich, es ist die Erfüllung einer Unmöglichkeit. So der erste Eindruck. Reine Intuition, gleich als man sich in den Sitz fallen lässt, der den Körper die nächsten Stunden eigenartig festhalten wird, hart und unergiebig, und man startet und nicht fährt, sondern schießt. Erst mal direkt in eine Polizeikontrolle. Ein Auto, dessentwegen man keine zehn Minuten nach dem Anlassen aus dem Verkehr gezogen wird, kann nur ein gutes sein. Irgendwas hat man mit dem eigenen Auftritt, und was ist Autofahren sonst, richtig gemacht. In diesem Fall, offenbar: groteske Zeichenverwirrung. Außen sagt der Subaru: Abhängen auf einer Tankstelle irgendwo in Brandenburg, Solariumbräune, Ganzkörperrasur, Tribaltattoo, erst Wodka Red Bull, dann Rennen fahren, er erzählt von renitenter Unterschicht und Vorstadtprolligkeit. Innen sitzt: eine blonde Feuilletonistin, von der Männer behaupten, dass zu ihr edelvintagehafte Modelle passen, je nachdem, was es für Männer sind, denken sie an Saab, Porsche, Maserati, Pantera, Jaguar, jedenfalls meinen sie: Eleganz und Stil. Der Subaru ist metallicblau und tiefergelegt und hat einen extrabreiten, extrahohen, extratiefen Spoiler. Wahrscheinlich ist er ästhetisch die logische Verbindung zwischen Sportgetränk aus den Neunzigern, futuristisch Jeff-Koons-artiger Hammerhaiskulptur und amerikanischem Sneaker mittlerer Preislage. Jedenfalls ist er ziemlich sicher die absolute Antithese von Eleganz und Stil. Oder von überhaupt irgendetwas, das ansatzweise in diese Richtung gehen könnte. Wie jedes andere wirft dieses Auto existenzielle Grundsatzfragen des Lebens auf: Welche Haltung anzunehmen ist, wenn man sich bewegt, welche Stimmung denn eigentlich die eigene ist, wenn man anderen begegnet. Allerdings lassen sie sich wie bei keinem anderen kaum beantworten: Der Subaru entzieht einem mit jeder Umdrehung den Boden eben dieses Gewohnten. Dabei fängt alles ziemlich beschaulich an. Als Herausforderung an sich selbst und die Subarifizierung des eigenen Tages, na gut Wesens, wirft man seine Berufsausrüstung auf dem Rücksitz ab: die Zeitung, „Vogue“, „New Yorker“, das „Wörterbuch ästhetischer Grundbegriffe Band 3, Harmonie bis Material“ liegen auf dem muskulös-prallen schwarzen Leder-mit-irgendwas-das-sich-wie-felliges-Neopren-anfühltSitz. Der Effekt wird allerdings völlig verschluckt, er dringt „Der Subaru entzieht einem mit jeder Umdrehung den Boden des Gewohnten“ nicht nach außen, weil die Scheiben hinten – war es anders zu erwarten? – verdunkelt sind; man sitzt also im Echo seiner eigenen Intellektuelleninstrumente und gleichzeitig in Proll Central. Der Innenraum übrigens ist eine Zusammenführung eines Mazda circa 2006 und eines Hi-Fi-Centers in Hellersdorf. Anders ist jedenfalls die verwirrte Gesamtästhetik nicht erklärbar, angefangen von der überhaupt grundsätzlich lächerlichen und unentschuldbaren Pseudopraktikabilität des Anschaltknopfes über die GebürstetesAluminium-Optik, die einige Drehregler offenbar edel abrunden soll, aber sie eher wie Küchengeräteschalter wirken lässt, bis zu den breit abgesteppten Nähten in Rot, die wohl offensive Sportlichkeit bedeuten sollen; zusammengenommen stellt sich der Eindruck ein, man habe jemand irgendwie zwischen Protein-shakemixen und Pumpengehen festgehalten, kopiert und die Atmosphäre in den Innenraum eines Autos transformiert. Aber warum auch nicht! Warum denn auch nicht, denkt man sich und beschließt, eben diese prollige Sportlichkeit für die nächsten Stunden komplett zu umarmen. Als Erstes nimmt man sich den Klang vor. Einige hatten einen schon vor ihm gewarnt. Tatsächlich hatte der Motor schon beim Start verheißungsvoll tief geklungen, ein eher sanfter, zurückhaltender, aber doch angenehm wummernder Unterton. Jetzt muss die Probe am passenden Ort kommen. Man hält also vor einem Biomarkt in BerlinPrenzlauer Berg, um im Leerlauf unreflektiert voll aufs Gas zu treten (die ultimative dunkle Fantasie jedes Intellektuellen: unkontrolliertes Durchdrehen ohne unmittelbare Folgen). Ein paar Müttern mit ungeschminkten Windjackengesichtern, die zwar nicht unbedingt ausschließlich Fahrräder, aber ganz sicher noch nie 300 PS unter sich hatten, röhrt aus vier AuspuffCousin, in hochtönigem Begeisterungsgeheul: „Geil. Geiel! rohren eine volle, laute Ladung Proll entgegen. Gesichter Können wir auf die Autobahn?“ Wir fahren über Kopfsteinnaturtrüber Schläfrigkeit werden zu Gesichtern säuerlicher pflaster. Schwester, lakonisch: „Uh, ich glaub, ich brauch Schmallippigkeit. einen Sport-BH.“ Cousin: „Man, das ist, wie wenn man Vom also doch ganz befriedigenden Klang des Motors tausend Motorsägen hält.“ Angespanntes Schweigen. Beiden angestachelt, beschließt man zu hupen. Die Hupe ist bei Mitfahrern ist schlecht, sportlich ist offenbar gleichbeAutos ein völlig zu Unrecht unterschätztes Feature, natürlich deutend mit betont minimalistisch gefedert, jedes Schalten – muss sie bei jedem, der halbwegs rasant fährt, auch zum doch, auch sanftes – fühlt sich an wie eine kleine ZeitschleuEinsatz kommen (Kommunikation, Kittler und so weiter). der, jedenfalls werden wir uns später alle fühlen, als seien wir Beim Subaru aber: lächerlich! Das Geblöke eines achtmonajahrzehntelang unterwegs gewesen. tigen Lamms würde tiefer, entschlossener klingen. Nebengedanke: Welche Frau würde mit einem Mann ausgehen, der „Die Hupe ist bei Autos ein völlig mit Entschlossenheit auftritt, dann aber seine Gesten nur mit zu Unrecht unterschätztes Feature, fisteliger Gänsestimme unterstreicht? Hm. Der größte Reiz und zugleich das größte Problem des Subaru ist, dass er natürlich muss sie bei jedem, seine Versprechen ständig selbst bricht. der halbwegs rasant fährt, auch Also lieber schnell weiter. Wenn man dreimal etwas unzum Einsatz kommen“ konventioneller schaltet, stinkt irgendetwas – das Getriebe? – nach Gefahr, und man wünscht sich sofort in eine der zackigen, scharfen Kurven, die um die Grand Central Station Wir fahren auf die Avus, um endlich schneller als 80 in Manhattan herum auf die Upper East Side führen. fahren zu können, und es wird friedlich im Auto, endlich Rallyehafte Autos muss man in der Stadt rallyehaft fahren, klingt das ruhige Wummern des Motors richtig. Cousin, mit erst dann stimmt die seltsame Verbindung von Ruppigkeit dem begeisterten Pathos, wie es nur ein Zehnjähriger äußern und Biederkeit. Apropos: Was soll der Spoiler? Technisch kann: „Kommt, wir fahren immer der Sonne entgegen!“ gäbe es auch andere Lösungen, vielleicht geht es um das Irgendwie passt jetzt alles, wir bilden eine zufriedene Einheit bewusste Zurschaustellen von renitent Hässlichem. Wahrbei 150 statt 120 km/h – auch das ein Merkmal des Subaru, scheinlich sollte man einen der großen Formkünstler oder dass er einen mit seiner sportiven Biederkeit ansteckt, man Philosophen fragen. Vielleicht einfach mal bei Sloterdijk sich also relativ an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält, oder Habermas vorbeifahren? Würden sie einsteigen? auch wenn einem der Motor eigentlich anderes vorschlägt Und was würde passieren, wenn man, gäbe es sie noch, und das Auto sich zum ersten Mal – draußen, vor der Stadt – so bei der Gruppe 47 auftauchen würde? Der ältere Schriftwirklich wohlzufühlen scheint und mit der Straße verbunden. steller, dem man morgens einen Kurztrip zum LiteraturhausSpäter am Abend fuhr man noch in die härteren GegenCafé angeboten hatte, hatte, belustigt lächelnd, abgelehnt. den von Berlin. Dahin, wo man ein dankbares Publikum Es gibt heute kaum noch ästhetische Erschütterungen, erwarten würde. Tatsächlich: erwartbar begeistertes jede Avantgarde fragmentiert sich, bevor sie noch als solche Gehupe wegen der Kombination von blond, Spielkasino und entstehen kann, und so ist – ein unglaublicher, irrer Gedanke, Vierfachauspuff. Trotzdem war der weitaus größte Spaß, der aber genau so aufgeschrieben gehört – der Subaru ein lässig in der Einfahrt des Suhrkamp Verlags zu wenden, vorm perfektes Auto für den zeitgenössischen Intellektuellen. altehrwürdigen Literaturhaus-Café einzuparken und ein paar Der junge Polizist (2015 die Beckhamfrisur von 2006, solariAutorenbuchhandlungstüten in den verspoilerten Kofferraum umgebräunt, hulkige Statur), der einen morgens angehalten zu wuchten. hatte und genau so aussah, wie man sich da, zehn Minuten nach dem Start, noch den idealtypischen Subarufahrer vorstellte, hatte einem auf die Frage, wie er denn das Auto so fände, nur entgegnet: „Nee. Dit is mir zu prollich.“ Der Subaru WRX STI ist ein ideales Verwirrung! weil Entintellektualisierungsmobil, gerade Um sie zu lösen, uent er in seinem Auftreten latent inkonseq lädt man sich nachmittags die denkbar ist. Kopfsteinpflaster vermeiden oder llen, besten Kritiker gleichzeitig die Sitzheizung so einste überhaupt ein: zepad dass sich am Rücken ein linderndes Hit die Schwester, die wohnter keinen Führerschein bildet. Als Frau Sport-BH tragen. Ge , hat, aber eine unerMusikgeschmack eliminiert sich selbst schütterliche instinktive her einzig passend erscheint auf einmal frü Urteilskraft, und den icide zehnjährigen Cousin. 90er-Jahre-Popmainstream, Inxs, „Su “. Szenen beim AbBlonde“; Rod Stewart, „Windy Town holen. Schwester, nach en Zehnjährige Jungs sind die glühendst minutenlangem Bewunderer, ältere Schriftsteller die Gelächter: „Ey, das ist ein härtesten Skeptiker. Atzenmobil, SUBARU WRX STI Demnächst nur noch so auf und du siehst 4-Zylinder-LeichtAusstellungseröffnungen, metall-Boxermotor jetzt aus wie mit Turbo und Konferenzen und eine AtzenLadeluftkühler frau auf dem Buchmessen. Der Subaru Hubraum 2457 ccm Weg zu McFit. Leistung 221 kW sammelt ein, was der Passt genau!“ (300 PS) FAZIT Was trägt man bloß zu eine m Auto, das selbst Blech gewordener Turnschuh ist? Allradantrieb Ab 41.900,- € Intellektuelle sich versagt. PS