2. Hausarbeit

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2. Hausarbeit
Priv.-Doz. Dr. Ina Ebert
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Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene
SS 2005
- 2. Hausarbeit X ist eine seit Jahren sehr berühmte Film- und Fernsehschauspielerin, die alljährlich 2-3 Millionen € verdient und zudem durch ihre innigen Beziehungen zu Vertretern des europäischen
Hochadels einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Ihr Vermögen wurde seit Jahren von A
betreut, der Generalagent des Vermögensanlagevermittlungsunternehmens V-AG ist, für diese
aber weder Abschluss- noch Inkassovollmachten hat. Ende 2004 hob X in Begleitung von A von
ihrem Schweizer Bankkonto 800.000 € ab und zahlte diese in kleineren Teilbeträgen in
Deutschland bar auf das Konto des A ein, nachdem A ihr versprochen hatte, das Geld einer
steuerlich besonders günstigen Kapitalanlage mit hoher Rendite aus dem Angebot der V zuzuführen. Wenig später übersandte A der X gefälschte Belege, die die Eröffnung eines Kontos bei
der V und die Einzahlung der 800.000 € bestätigten. Tatsächlich verbrauchte A das Geld innerhalb weniger Wochen für sich.
Als dieses Vorgehen des A nach einigen Monaten aufzufliegen drohte, entschloss sich A zum
Selbstmord. Um alle Störungen bei seinem Vorhaben auszuschließen, begab sich A zu einer
entlegenen Stelle des Waldes, wo er sich die Pulsadern aufschneiden wollte. Dort traf er alle
erforderlichen Vorbereitungen für die geplante Selbsttötung. Ausgerechnet in dieser Nacht wanderte aber Pastor P nachts durch das Waldstück, in dem A gerade zur Selbsttötung ansetzte.
Da ihm A verdächtig vorkam, schlich P sich an und hörte dadurch, wie A den Abschiedsbrief an
seine Frau E verlas, in dem er die Gründe für seine Selbsttötung aufzählte. Als A daraufhin die
Rasierklinge ansetzte, stürzte sich P mit dem Ausruf „Nein, das ist Sünde!“ auf A. Nach längerem Handgemenge gelang es P, dem sich heftig wehrenden A, der ihn immer wieder aufforderte, ihn in Ruhe zu lassen, die Rasierklinge zu entreißen und ihn im Auto des P, das auf einem
nahe gelegenen Waldweg parkte, ins Krankenhaus zu fahren. Da A wegen der kleineren
Schnittverletzung, die er sich vor dem Einschreiten des P zufügte, stark blutete, wurden dabei
die Sitze im Auto des P beschmutzt (Schaden: 500 €). Im Krankenhaus angekommen, machte
A keinen Hehl daraus, dass er bei nächster Gelegenheit erneut versuchen würde, sich das Leben zu nehmen. Schon in der Folgenacht erhängte sich A im Keller seines Wohnhauses.
Nach dem Tod des A klärte sich alsbald der Verbleib des Geldes der X auf. Alleinerbin des A ist
E, wobei sich der Nachlass allerdings auf wenige wertlose Gegenstände beschränkt. Die 20jährige Tochter T der X, eine Jurastudentin, die sich mit ihrer Mutter noch nie gut verstand, ist
über die „zweifelhaften Finanztransaktionen“ der X entsetzt. Sie will daher nicht länger im Haus
der X wohnen, sondern eine eigene Wohnung beziehen. Hierfür verlangt sie von X einen auf
der Grundlage der Einkommensverhältnisse der X berechneten „standesgemäßen“ Unterhalt. X
verweist darauf, dass T bei ihr komfortabel wohnen und auch vom Haus der X aus die Universität in wenigen Minuten bequem erreichen könne. Eine eigene Wohnung für T sei sie daher nicht
zu finanzieren bereit.
Kann X von V Schadensersatz in Höhe von 800.000 € verlangen? Muss E dem P die 500 € für
die beschmutzten Autositze ersetzen? Kann T von X Barunterhalt verlangen? Sofern sie dies
könnte, inwieweit würde sich dessen Höhe nach den Einkommensverhältnissen der X richten?
Lösungshinweise:
Anspruch X gegen V auf 800.000 € Schadensersatz
I. aus §§ 280 I, 311 II, 278
Vorvertragl. Schuldverhältnis?
(+), jedenfalls Vertragsverhandlungen
Obj. Pflichtverletzung?
(+), Geld nicht angelegt, sondern von A für eigene Zwecke verbraucht
Verschulden V?
(-), keine Anhaltspunkte
Verschulden des A der V zuzurechnen, § 278?
A = Erfüllungegehilfe?
Grds. (+), hierfür insbesondere weder Inkassovollmacht noch Abschlussvollmacht erforderlich
Verschulden des A? (+), Vorsatz
Ausnahmsweise Zurechnung (-), da auch das von X und A geplante Vorgehen = offensichtl.
rechtswidrig (Rückführung in Schweiz geparkter Schwarzgelder mit Ziel Steuerhinterziehung)
und daher kein Handeln des A im Rahmen des von V übertragenen Aufgabenbereichs?
(-), keine hinreichend eindeutigen Anhaltspunkte
grds. Schadensersatzanspruch X gegen V
Aber: Mitverschulden der X, § 254 I?
X zahlte unter ungewöhnlichen Umständen (Bareinzahlung!) großen Geldbetrag auf Konto des
A (nicht etwa der V) => grob fahrlässig.
Abwägung der beiderseitigen Verursachungs-/Verschuldensbeiträge erforderl.
Vorsatz A => Nichtberücksichtigung Fahrlässigkeit X?
Grds: Fahrlässiges Verhalten tritt im Rahmen von § 254 zurück, wenn auf der anderen Seite
Vorsatz (BGH NJW 1984, 922; NJW 1992, 311).
Aber: Dies gilt nur bei Haftung für eigenes Verschulden (also zB auch im Rahmen von § 31 u.
bei Repräsentantenhaftung), lt. BGH jedoch nicht bei Haftung für Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen (BGH NJW 1991, 3210; NJW 1997, 2238), da Geschäftsherrn bei Arglist des Gehilfen
nicht (automatisch auch) angelastet werden kann, selbst arglistig gehandelt zu haben.
Fahrlässigkeit der X ist zu berücksichtigen
Quotelung (BGH III ZR 258/04 in ähnl. Fall 60 %/40 % = unbedenkl.).
Schadensersatzanspruch iH Verschuldensquote (+).
Bearbeiter sollten sich Gedanken über Aufteilung machen. Solange überhaupt die Notwendigkeit einer Quotelung erkannt wird, ist es aber für die Bewertung unerheblich, auf welche
konkreten Quoten erkannt wird, sofern diese Frage mangels hinreichender Anhaltspunkte im
SV nicht ohnehin unbeantwortet bleibt (was gut vertretbar ist).
II. aus § 823 I
(-), da nur Vermögen (kein absolutes Recht) der X verletzt, außerdem kein Verschulden der V
ersichtlich
III. aus § 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB
(-), da kein Verschulden der V ersichtlich
IV. aus §§ 823 II BGB, 266 StGB, 31 BGB
(-), da A kein Organ der V
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V. aus Repräsentantenhaftung
Nach st. Rspr. haften jur. Personen nicht nur für Organe, sondern auch für andere Personen,
denen wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, weshalb sie im Rechtsverkehr als Repräsentant der juristischen Person auftreten.
A hatte weder Inkassobefugnisse noch Abschlussvollmacht für V => Repräsentant? (-)
VI. aus § 831
A = Verrichtungsgehilfe der V? wohl (+)
Widerrechtl. Schädigung der X durch A? (+), §§ 823 II, 826
In Ausführung der Verrichtung (oder nur aus Anlass)?
Unmittelbarer, innerer Zusammenhang?
(-), weil vorsätzliche Schädigung durch A?
Grds. bei Vorsatz kein innerer Zusammenhang. Anders aber, wenn gerade übertragene Pflichten vorsätzlich verletzt werden (Hk-BGB/Staudinger, § 831, Rn 9 mwN) => hier innerer Zusammenhang (+)
=> Grds. Haftung der V für A.
Exkulpation der V, § 831 I 2? (+)
=> § 831 (-)
Anspruch P gegen E auf Ersatz 500 €
I. aus §§ 683, 677, 670
E= richtige Anspruchgegnerin?
(+), wenn entsprechender Anspruch zu Lebzeiten des A gegen A entstanden, § 1922
Schaden als Aufwendung ersetzbar?
Grds. (-), da Aufwendung = freiwillig, Schaden = unfreiwillig.
Anders aber, wenn Schaden = typischer Begleitschaden der Geschäftsbesorgung.
Hier (+)
Geschäftsbesorgung? (+), Rettungsmaßnahmen
Fremdgeschäftsführung? (+), obj. fremdes Geschäft
=> Fremdgeschäftsführungswille vermutet
Ohne Auftrag/Berechtigung? (+)
Berechtigte GoA?
Geschäftsführung im Interesse des A? (+/-)
Tatsächl./mutmaßl. Wille? (-)
Wille A unbeachtlich, da A = geschäftsunfähig? (-)
§ 679? (-), keine Pflicht des A ersichtl.
§ 679 analog?
Wird diskutiert, wenn Wille gegen §§ 134, 138, bei Selbsttötung (-) (str. => aA vertretbar)
=> Geschäftsführung unberechtigt
Genehmigung des § 684 S. 2? (-)
=> Anspruch (-)
II. aus §§ 823 I, 249 ff.
Absolutes Recht verletzt? +, Eigentum des P
Verletzungshandlung? Hier allenfalls Selbsttötungsversuch des A
Haftungsbegründende Kausalität (Verletzungshandlung/ Rechtsgutsverletzung)?
Äquivalenztheorie: conditio-sine-qua-non => +
Adäquanztheorie: +, Schadenseintritt nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit
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Verletzung A objektiv zurechenbar?
(-), wg selbständigem Entschluss P?
(+), wenn psychisch vermittelte Kausalität, dh Schutzzweck der Norm +
BGH: Kriterien für Herausforderungsfälle:
Herausforderung zum Eingreifen? Wohl ( -), dagegen: P kannte Selbsttötungsvorsatz des A,
dafür: Geschäftsunfähigkeit des A für P nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen
Wenn (-) => Anspruch (-)
Wenn (+): Angemessenes Verhältnis Verfolgung/Risiko? (+), geringer Sachschaden/Lebensrettung
Schaden = Verwirklichung des gesteigerten Risikos?
+, Blutflecken im Auto kein allg. Lebensrisko, sondern notwendige Folge Rettung
=> Kausalität (+)
Rechtswidrigkeit (?, eher -)
Verschulden, § 276? (?, eher -)
Schaden? 400 €
Haftungsausfüllende Kausalität (Verletzung/Schaden)? + => Anspruch (+/-)
Anspruch T gegen X auf Barunterhalt aus § 1601
T = Verwandte in gerader Linie? (+)
Bedürftigkeit der T, § 1602? (+), keine Anzeichen für eigenes Einkommen
Leistungsfähigkeit der X, § 1603? (+)
Unterhaltsanspruch der T (+)
Art des Unterhalts?
Grds. Geldrente (Barunterhalt), § 1612
Ausnahme: Unterhalt Eltern für unverheiratetes Kind, § 1612 II (hier +)
Wahlrecht Eltern, ob Natural- oder Barunterhalt
Hier: X wählt Naturalunterhalt
Besondere Umstände, auf Grund derer FamG Entscheidung X ändern könnte?
(-), nichts ersichtlich, Studium der T am Wohnort der X möglich, Finanztransaktionen der X haben, selbst wenn bedenklich, nichts mit T zu tun
=> T hat zwar Unterhaltsanspruch, kann aber keinen Barunterhalt verlangen
Höhe Unterhaltsanspruch, falls doch Barunterhalt?
Maß Unterhalt gem. § 1610 nach Lebensstellung des Bedürftigen, also grds der T, nicht der X.
Ausnahme: Minderjährige Kinder, für die Lebensstellung Eltern maßgebl.
T = volljährig
§ 1603 II 2? (-), T zwar unter 21, aber nicht mehr in der allg. Schulausbildung, daher keine
Gleichsetzung mit minderjährigen Kindern
Trotzdem beschränkte Teilhabe an gehobener Lebensstellung der X, solange T in der Ausbildung?
Str., vgl. BGH NJW 1969, 920: Teilhabe an gehobenem Lebensstandard ja, am Luxus nein
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