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Die Vermögensfrage: Konsum auf Pump - eine gefährliche Verlockung - Vermögen... Seite 1 von 3 http://www.faz.net/-gvg-6u6ia HERAUSGEGEBEN VON WERNER D'INKA, BERTHOLD KOHLER, GÜNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER Finanzen Aktuell Finanzen Vermögensfragen Die Vermögensfrage Konsum auf Pump - eine gefährliche Verlockung 07.10.2011 · Autos auf Kredit, Möbel auf Teilzahlung: Insbesondere für junge Leute sind solche Ausgaben eine gefährliche Verlockung und führen zu großer Abhängigkeit von Banken. Von VOLKER LOOMAN Artikel © F.A.Z.-KAI „Wir hätten nicht die Kleiderordnung lockern dürfen...“ D er Aufbau der Altersversorgung ähnelt der Eröffnung beim Schachspiel. Wenn die ersten Züge stimmen, ist die Partie halb gewonnen, doch wenn der Auftakt vergeigt wird, bleibt der Erfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Das ist beim Sparen nicht anders. Hier zählen nicht Subventionen oder Abgaben, sondern es kommt in erster Linie darauf an, was die Leute mit dem Geld vorhaben und wie hoch die Chancen und Risiken sind, das Ziel zu erreichen. Die schlichte Weisheit ist vielen Sparern kaum zu vermitteln. Sie jagen Riesterrenten hinterher, weil der Staat ein paar Cent verschenkt, sie schließen Basisrenten ab, weil Steuervorteile winken oder sie kaufen Immobilien, weil ihnen erzählt wird, dass Sachwerte und Kredite die beste Antwort auf Inflation und Unsicherheit seien. Das sind fragwürdige Verlockungen. Beim Aufbau des Vermögens zählen weder Abgaben und Zulagen, sondern nur die Ziele und die Wege dorthin. Das wird an einigen Beispielen aus dem Alltag deutlich. Das Ziel ist Dreh- und Angelpunkt des Vertrages Ein junger Akademiker ist 30 Jahre alt. Er verdient brutto 4500 Euro im Monat. Netto verbleiben etwa 2500 Euro. Von diesem Betrag will er 500 Euro sparen. Die Palette der Angebote ist groß. Noch größer ist freilich die Gefahr, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen. Angebote wie Basisrente, Bausparvertrag, Immobiliensparplan, Investmentfonds, Kapitalpolicen, Rentenversicherung oder Riesterrente sind interessante Offerten, doch solange der Anleger nur weiß, dass er monatlich 500 Euro sparen will, ist das Risiko hoch, auf Abwege zu geraten und im Laufe der Zeit die Pferde wechseln zu müssen. Der Tausch ist aber mit hohen Kosten verbunden, so dass sich der Erfolg in Grenzen halten wird. Günstiger ist die Auswahl des richtigen Produktes auf der Grundlage von fünf Überlegungen. Dreh- und Angelpunkt des richtigen Vertrages ist das Ziel. Geht es um den Aufbau von Rücklagen? Soll Geld fürs Auto angespart werden? Ist Kapital für die Wohnungseinrichtung gefragt? Steht ein Eigenheim auf dem Wunschzettel? Oder soll für den Ruhestand vorgesorgt werden? Die einzelnen Ziele helfen bei der Überlegung, wie lange der Sparprozess dauern wird, so dass die Auswahl des richtigen Vertrages kein großes Problem ist. Rücklage, Auto und Möbel führen zu kurzen Laufzeiten, das Eigenheim ist ein mittelfristiges Vorhaben, und der Aufbau der Altersvorsorge ist ein langfristiger Sparvorgang. Weitere Artikel http://www.faz.net/aktuell/finanzen/vermoegensfragen/die-vermoegensfrage-konsum-... 22.11.2011 Die Vermögensfrage: Konsum auf Pump - eine gefährliche Verlockung - Vermögen... Seite 2 von 3 FAZ.NET-Serie: Die Vermögensfrage Die Vermögensfrage: Die richtigen Prioritäten für Berufsanfänger Die Vermögensfrage: Angst und Gier sind schlechte Begleiter Der nächste Punkt ist das Risiko beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit, das gesteckte Ziel bei gegebener Laufzeit zu erreichen. Hier kommt es in der Praxis zu großen Verwerfungen, weil unter dem Risiko in erster Linie die Mentalität des Anlegers verstanden wird. Das ist aber nicht richtig. Es gibt viele Leute, die zu hohen Risiken bereit sind, doch die Wahrscheinlichkeit, mit Aktien oder Hedgefonds innerhalb von zwei oder drei Jahren ein Vermögen aufzubauen, ist in der Regel gering. Umgedreht verschenken ängstliche Anleger viel Geld, wenn sie bei einem Sparprozess, der 25 oder 30 Jahre dauert, auf Aktien verzichten, weil die Wahrscheinlichkeit, mit Hilfe der Börse auf lange Sicht ordentlich Geld zu verdienen, sehr hoch ist. Bei der Berufsunfähigkeit ist Vorsicht vor heiklen Policen geboten Im Gegensatz zum Ziel, zur Laufzeit und zum Risiko spielen die Steuern eine untergeordnete Rolle. Die Gesetze und Verordnungen sind in den letzten Jahrzehnten dermaßen oft geändert worden, dass auf den Staat kein Verlass ist und es keinen Zweck hat, das Sparen auf steuerlichen Überlegungen aufzubauen. Das gilt auch für die Abgeltungsteuer. Sie ist in den Augen vieler Anleger ein finsteres Ungetüm, doch bei nüchterner Betrachtung sind die Dinge halb so schlimm wie vermutet. Die Überlegungen und Konsequenzen werden in drei Beispielen deutlich. Vermögensaufbau beginnt, es kann nicht oft genug wiederholt werden, mit der Absicherung großer Gefahren. Das sind Haftpflicht, Krankheit und Berufsunfähigkeit. Dafür sind drei Verträge notwendig. Der Abschluss einer Privat-Haftpflichtversicherung ist das kleinste Problem. Heikel wird es bei der Krankenkasse und der Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Einstieg in die private Krankenkasse ist verlockend, weil die Prämien niedrig sind, aber die Rückkehr in die gesetzliche Krankenkasse ist in der Regel nicht mehr möglich. Folglich müssen zu gegebener Zeit auch die Ehefrau und die Kinder in der privaten Krankenkasse versichert werden, und das wird mächtig ins Geld gehen. Vorsicht vor heiklen Policen ist auch bei der Vorsorge gegen Berufsunfähigkeit geboten. Der Abschluss von Basisrenten ist verlockend, weil hohe Steuervorteile winken. Das ist aber gefährlich. Wird der Akademiker eines Tages tatsächlich berufsunfähig, unterliegt die Rente in voller Höhe der Einkommensteuer. Das hat gewaltige Abzüge zur Folge. Genauso heikel sind Policen in Form von Anhängseln an Kapitalversicherungen. Gegen die Idee, bei Berufsunfähigkeit nicht nur heute, sondern auch im Alter eine Rente zu beziehen, ist nichts einzuwenden. Nur wird bei dieser Lösung kaum bedacht, dass die Prämien für den Schutz so hoch sind, dass für den kurzfristigen Aufbau des Vermögens kaum Geld übrig bleibt. Daher ist der Abschluss einer Risiko-Police mit hoher Wahrscheinlichkeit der sinnvolle Kompromiss. Wie sollen junge Leute ein Auto finanzieren? Wenn die Risiken durch den Abschluss solider Versicherungen gebannt worden sind, geht es um die Bildung finanzieller Reserven. Man kann lange darüber streiten, wie hoch der monatliche Betrag sein soll. Das mögen im einen Fall vielleicht 250 Euro sein, im anderen Fall aber 500 Euro. Wichtig ist nur die banale Erkenntnis, dass für eine Rücklage von drei Nettolöhnen, im vorliegenden Fall also 7500 Euro, weder ein Bausparvertrag noch eine Rentenversicherung in Frage kommt, von Riester-Verträgen ganz zu schweigen. Statt langer Diskussionen sollten schon mal die ersten 500 Euro in einen Geldmarktfonds oder auf ein Sparbuch eingezahlt werden, damit der Topf nach weiteren 14 Raten voll ist. Die ruhigen Sparer dürfen sich bei einem Anlagezins von 0,5 Prozent nach 15 Monaten über Erträge von 25 Euro freuen, und die Geizkragen dieses Landes können 49 Euro und 87 Cent bejubeln, wenn sie nach stundenlangen Recherchen im Internet eine Bank gefunden haben, die ihnen auf Dauer jährlich 1 Prozent gibt. Heftiger ins Geld geht es bei der Frage, wie junge Leute ein Auto, das 20.000 Euro kostet, finanzieren sollen. Soll zuerst gespart werden, um das Auto anschließend bar zu bezahlen, oder soll zuerst ein Kredit aufgenommen werden, um hinterher die Raten abzustottern? Die Frage hört sich harmlos an, doch sie kann zu Glaubenskriegen führen. Wer auf Nummer Sicher geht, geht 40 Monate lang zu Fuß, fährt Rad oder nimmt die Bahn. In allen Varianten sind nach drei Jahren und vier Monaten und einem Jahreszins von 1 Prozent die gewünschten 20.000 Euro in der Kasse. Dahinter verbergen sich freilich weder Aktienfonds noch Immobilienfonds noch Rentenversicherungen. Auch hier wird das Geld in einem Geldmarktfonds oder auf einem Sparbuch angesammelt, weil es zu diesen langweiligen Anlagen einfach keine Alternativen gibt. Das ist aber auch nicht weiter tragisch, weil es nicht um Zinsen, sondern um 20.000 Euro für das Auto geht. Auch die psychologischen Folgen sind wichtig Wird das Problem mit einem Kredit von 20 000 Euro gelöst, der jährlich 6 Prozent kostet, sind 40 Raten à 550 Euro notwendig, um die Schulden zu tilgen. Die Summe der Rückzahlungen beträgt 22.000 Euro, so dass die 2000 Euro der Preis für den Wunsch sind, das Auto gleich haben zu wollen. Man kann die Ungeduld, sollte sich das schlechte Gewissen zu Wort melden, am besten mit Hilfe drohender Preissteigerungen kaschieren. 40 Raten von jeweils 550 Euro führen bei einem Anlagezins von 1 Prozent zu http://www.faz.net/aktuell/finanzen/vermoegensfragen/die-vermoegensfrage-konsum-... 22.11.2011 Die Vermögensfrage: Konsum auf Pump - eine gefährliche Verlockung - Vermögen... Seite 3 von 3 einem Endwert von 22.388 Euro, so dass das Auto in den kommenden 40 Monaten jedes Jahr um 3,4 Prozent teurer werden darf, und wer ist da nicht bereit, ein Auge oder sogar beide Augen zuzudrücken? Viel wichtiger als die ökonomischen Überlegungen sind die psychologischen Folgen dieses Verhaltens. Wer in jungen Jahren mit einem Überziehungskredit und einer Scheckkarte unterwegs ist und in die roten Zahlen kommt, gerät beim Autokauf auf Abwege und ist nach fünf bis zehn Jahren ein Fall für die Schuldnerberatung im Fernsehen. Umgekehrt sind Menschen, die in der Lage sind, zuerst zu sparen und dann zu kaufen, gegen die Verlockungen des Lebens besser gewappnet. Das wird zum Beispiel auch bei den berüchtigten Ratenkrediten deutlich. Der Kauf neuer Möbel, die 10.000 Euro kosten, dauert bei einer Monatsrate von 500 Euro normalerweise 20 Monate, wie unschwer zu berechnen ist. Natürlich geht es auch sofort, aber der Kredit geht eben ins Geld. Üblich sind zur Zeit zwischen 10 und 15 Prozent im Jahr, so dass der verhinderte Sparer bei einem Satz von 12,5 Prozent insgesamt 20 Raten à 549 Euro auf den Tisch der Bank blättern muss. Heikel sind weniger die Zinsen von 980 Euro, sondern die Einstellung, die sich dahinter verbirgt. Wer alles auf einmal will, verzettelt sich Das Verlangen nach sofortigem Genuss und späterer Bezahlung ist menschlich.Verheerend sind die Folgen dieser Haltung. Was im Kleinen gilt, wird im Großen nicht ungültig. Die amerikanische Immobilienkrise hat die Welt an den Abgrund geführt, und in Griechenland ist die Rechnung noch offen. Der Konsum der westlichen Welt ist in hohem Maße auf Pump aufgebaut, und die großen Krisen haben stets mit kleinen Beträgen begonnen. Das ist wie beim Alkohol oder Nikotin. Die wenigsten Menschen kommen als Trinker oder Raucher auf die Welt, aber steter Tropfen bringt die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes um den Verstand. Wer sich vor solchen Gefahren bewahren will, hat zu Verzicht keine Alternativen. Der Lohn des Wartens sind Freiheit und Unabhängigkeit. Folglich geht es in jungen Jahren, um wieder aufs Geld zu sprechen zu kommen, nicht um die Altersvorsorge in ferner Zukunft, sondern um die Finanzierung alltäglicher Dinge, und zwar nach Möglichkeit ohne Kredit. Auch das ist Vorsorge, nur eben in anderer Form. Was nützt hier ein Riestervertrag, wenn dort ein Ratenkredit abgestottert wird? Wofür soll eine Rentenversicherung abgeschlossen werden, wenn in wenigen Jahren die gesamten Ersparnisse für den Kauf einer Wohnung benötigt werden. Wer alles auf einmal will, wird sich heillos verzetteln. Daher sollten sich junge Leute von Vertretern und Vermittlern nicht an der Nase herumführen lassen. Eins nach dem anderen ist die bessere Lösung. Zuerst die preiswerte Absicherung der Risiken, dann die Rücklage für Notfälle. Anschließend das Sparbuch für den Konsum. Danach sind Eigenheim und Altersversorgung an der Reihe. Das Konzept ist ohne Zweifel einfach. Manchmal sind einfache Konzepte aber die besten Lösungen. Der Autor ist Finanzanalytiker in Reutlingen. Quelle: F.A.Z. Hier können Sie die Rechte an diesem Artikel erwerben © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2011 Alle Rechte vorbehalten. http://www.faz.net/aktuell/finanzen/vermoegensfragen/die-vermoegensfrage-konsum-... 22.11.2011