Fichtenspeere – Eibenbögen Jagd in der Steinzeit

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Fichtenspeere – Eibenbögen Jagd in der Steinzeit
Fichtenspeere – Eibenbögen
Jagd in der Steinzeit
Wulf Hein
W
enn wir Menschen morgens vor dem
Badezimmerspiegel einmal unseren
Körper betrachten, müssen wir feststellen, dass wir von der Natur nicht besonders gut
ausgestattet worden sind, was das Beutemachen
angeht. Im Gegensatz zu einem Raubvogel, der
noch aus großer Höhe eine Maus erspähen kann,
müssen viele unserer Art bereits in jungen Jahren
geschliffene Gläser benutzen, um überhaupt etwas sehen zu können. Statt kräftiger Klauen und
Hufe haben wir weiche Fuß- und Fingernägel, unsere Zähne sind nicht zum Beutereißen gemacht,
wir können nicht einmal sehr schnell laufen, und
unser Skelett ist immer noch nicht an den aufrechten Gang angepasst.
Unsere Vorfahren, die vor mehr als drei Millionen
Jahren das ostafrikanische Gras- und Waldland als
Lebensraum erschlossen, waren also gegenüber
den meisten großen Beutegreifern, mit denen sie
dieses Habitat teilten, deutlich im Hintertreffen.
Einzig ihr ständig wachsendes Gehirn verschaffte
ihnen im Laufe ihrer Entwicklung einen entscheidenden Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten:
Es befähigte sie, die fehlenden körpereigenen Waffen und Attribute durch Prothesen zu ersetzen.
Foto: W. Hein
Werkzeuggebrauch ist auch aus der Tierwelt
bekannt, vor allem von unseren nahen Verwandten, den Menschenaffen. Schimpansen benutzen
Stöcke, um Termiten aus ihrem Bau zu angeln,
Steine, um Nüsse zu knacken, und sogar zugespitzte Speere, mit denen sie Galagos, eine kleine
Affenart, jagen.
Unsere frühen Vorfahren stellten vor zwei Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge her, die
sich sehr gut dazu eignen, Holz zu bearbeiten
oder Beutetiere aufzubrechen. Denn schon mit
dem Zerteilen eines simplen Kaninchens wären
wir mit unseren körpereigenen „Bordmitteln“
überfordert, dies zeigte das Experiment eines Archäologieprofessors mit seinen Studenten. Wie
die Jagd in der fernen Vergangenheit ausgesehen
haben mag, lässt sich nicht nachweisen, Jagdwaffen aus dieser Zeit sind bisher nicht gefunden
worden. Denn prähistorische Jagdgeräte bestehen meist aus Materialien, die sich im Boden sehr
schlecht erhalten (s. Abb.1). Steine sowie Geweih
und Knochen überdauern zwar unter guten Bedingungen Jahrtausende, stellen aber nur jeweils
zehn Prozent der Rohstoffe, aus denen Speere,
Harpunen usw. zusammengesetzt sind. Die restlichen 80 Prozent bilden zum Beispiel Holz, Sehnen, Federn, Bast und Leder, so dass von den abgebildeten Steinzeitwaffen schon nach ein paar
Jahren Lagerung im Boden nur ganz wenige Reste
erhalten blieben.
Abb. 1
Bestandteile steinzeitlicher Jagdwaffen
Die Speere von Schöningen
Es gilt jedoch mittlerweile als sicher, dass Urmenschen sich entgegen früherer Auffassungen
nicht (ausschließlich) von Aas ernährten, sondern
aktiv gejagt haben. Den bislang ältesten Nachweis
dafür hat der Archäologe Hartmut Thieme 1996
in der Nähe von Braunschweig entdeckt. Nur einen Meter entfernt von der Abbruchkante des
Braunkohlentagebaus in Schöningen konnten er
und seine Mitarbeiter vom niedersächsischen Institut für Denkmalpflege einen altsteinzeitlichen
Lagerplatz vor der Zerstörung durch den Schaufelradbagger bewahren. Mitten zwischen Tausenden
Jagdkultur – gestern, heute, morgen I Seite 21
Wulf Hein
von Knochensplittern kamen mehrere vollständig
erhaltene Wurfspeere ans Tageslicht, sorgfältig
aus den Stämmen junger Fichten gearbeitet. Hier
hatte eine Gruppe Urmenschen vor etwa 400.000
Wettkampfspeeren glichen, sowohl hinsichtlich
Schwerpunkt, Formgebung und Gewicht als auch
in den Flugeigenschaften. Es wurden Wurfweiten von circa 74 Metern erzielt, und mit etwas
Übung lässt sich auf kurze Distanzen eine hohe
Treffgenauigkeit bei gleichzeitiger großer Durchschlagskraft erreichen (s. Abb.2). Zusammen mit
dem Fund eines durchlochten Nashornschulterblatts auf dem etwa gleich alten Grabungsort
Boxgrove in England machen die Versuche deutlich, dass man sich am besten ganz schnell vom
geliebten Klischee des Homo Erectus als Keulen
schwingender Zottelschrat verabschieden sollte.
Abb. 2
Lanzen und Speere –
die Neandertaler
Wurftests mit Rekonstruktionen altsteinzeitlicher Speere
Doch hatte der Homo Erectus schon Großwild mit dem Wurfspeer erlegt? Am Institut für
Sportmedizin der Universität Heidelberg beschloss
Miriam Golek, der Frage experimentell auf den
Grund zu gehen. Ihre im Rahmen einer Staatsexamensarbeit publizierten Wurfversuche mit Rekonstruktionen der Schöninger Speere ergaben,
dass die wahrhaft uralten Projektile modernen
Wenn das für den Homo Erectus gilt, dann erst
recht für den Neandertaler (s. Abb.3), der halb
Europa bewohnte, bevor unsere eigene Art von
Afrika kommend hier einwanderte. Neandertaler
waren geschickte Überlebenskünstler, die mit dem
warmen Klima vor 150.000 Jahren ebenso gut
fertig wurden wie mit der letzten Eiszeit. Die Jagd
auf Tiere gehörte bei ihnen zur unmittelbaren
Subsistenz, wie zahllose Beutereste zeigen. Gejagt wurde offenbar mit der Lanze, darauf deuten
mehrere Funde von Lanzen aus Eibenholz hin. Mit
einer Lanze muss der Jäger jedoch gefährlich nahe
an das „Objekt seiner Begierde“ heran. Dass Neandertaler diese unmittelbare Nähe zu ihrer Beu-
Abb. 3 und 4
Der Neandertaler
(links) jagte offenbar
mit Lanzen aus
Eibenholz und Stein,
Geweih oder Knochen
(Spitze rechts)
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Fotos: P. Chavaux; Neanderthal-Museum Mettmann; W. Hein
Jahren Pferde gejagt und geschlachtet. Die über
zwei Meter langen Speere sind so kunstvoll gefertigt, dass sie auf eine lang vorausgehende Tradition in der Holzbearbeitung schließen lassen.
Jagd in der Steinzeit
te mitunter schmerzhaft bezahlen mussten, kann
man an den Verletzungen sehen, die sich an vielen
Skeletten aus dieser Zeit finden: Schädel- und Genickbrüche, Knochenbrüche an Armen, Beinen,
Rippen und Schlüsselbeinen, Verletzungen, wie
sie heutzutage üblicherweise bei verunglückten
Rodeoreitern auftreten.
Abb. 5
Speerschleuder, ab ca.
20.000 v. Chr.
Ab etwa 60.000 vor heute finden sich im Neandertaler-Kontext Spitzen aus Stein, Geweih
und Knochen, die höchstwahrscheinlich in hölzerne Schäfte eingesetzt waren und damit die
ersten zusammengesetzten Projektile darstellen
(s. Abb.4). Sie könnten als Stoßlanze, aber auch
als Speer verwendet worden sein. Das Spektrum
der erlegten Tiere reicht in der mittleren Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) vom Klein- und Niederwild bis zum Großwild, vom Hasen und Wildschwein über Rentier, Hirsch und Wildpferd bis
zu Waldelefanten, Großrindern, Mammuts und
Wollnashörnern.
Abb. 6
Detailaufnahmen von
Spitzen und Enden der
Speerschleudern
Eine neue Art –
die Cro-Magnon-Menschen
Vor etwa 40.000 Jahren betreten unsere unmittelbaren Vorfahren, die Cro-Magnon-Menschen,
die Bühne des europäischen Kontinents. Es
herrscht eiszeitliches Klima, Bäume gibt es nur
sehr spärlich, eine Kräutersteppe bedeckt das
Land, die Menschen leben vom Sammeln und
der Jagd. Hauptbeute der Jäger ist das Rentier,
aber auch die übrige pleistozäne Tierwelt wird
nicht verschmäht, worauf zahlreiche Funde von
Knochen mit Schnittspuren und Schlachtmarken
hindeuten. Rentiere werden oft zu festen Zeiten
an bestimmten Plätzen gejagt, wo sie auf ihren
jährlichen Wanderungen Engstellen und Gebirgsaufstiege passieren müssen. Die immer wieder
gern dargestellte Jagd auf riesige Mammutbullen mittels Fallgrube muss jedoch ins Reich der
Phantasie verwiesen werden, denn mit den damaligen Grabgeräten – Geweihschaufeln – war
es schlicht unmöglich, eine metertiefe Grube in
den Permafrostboden zu graben. Auch wird die
Bedeutung der (Großwild-)Jagd für das Überleben der Eiszeitmenschen sehr wahrscheinlich
überschätzt. War man früher davon ausgegangen, dass hauptsächlich die jagenden Männer
ihre Familien mit Fleisch versorgt haben und jeden Abend die vielköpfige Kinderschar auf den
Vater wartete, der heldenmütig dem Mammut
nachgestellt hatte und bergeweise noch dampfendes rohes Fleisch über der Schulter nach
Hause schleppte, so geht man heute aufgrund
Abb. 7
Mittels der Hebelarmverlängerung konnten
die Speere über große
Entfernung mit Wucht
und Treffsicherheit
geworfen werden.
der erforschten Lebensweise rezenter Wildbeuter davon aus, dass nur ein Drittel der Nahrung
gejagtes Fleisch war, die anderen beiden Drittel
– Nüsse, Früchte, Maden etc. – wurden (wahrscheinlich von Frauen und Kindern) gesammelt.
Der Jagderfolg in dieser Landschaft, die nur sehr
wenig Deckung bietet, wird ab circa 20.000 v.
Chr. durch eine revolutionäre Erfindung entscheidend verbessert, die so genannte Speerschleuder.
Sie besteht aus einem figürlich geschnitzten Hakenende (s. Abb. 5) und einem vermutlich hölzernen
Schaft (s. Abb. 6) und dient als Hebelarmverlängerung. Dadurch können Speere mit eingesetzten
Geweihspitzen über eine große Entfernung mit
ziemlicher Wucht und ausreichender Trefferquote
geworfen werden (s. Abb. 7). Das hält nicht nur
die oftmals gefährliche Beute auf Distanz, sondern erhöht auch die Durchschlagskraft der Projektile. Der gültige Rekord im Weitwurf mit der
Speerschleuder liegt derzeit bei knapp über 180
Metern, aus dieser Entfernung ist es möglich, eine
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tergeordnete Rolle. Speerschleuderhakenenden
wurden in großer Zahl in Mitteleuropa entdeckt,
der überwiegende Teil stammt aus Frankreich, aber
auch aus Deutschland und der Schweiz sind einzelne Exemplare bekannt.
Neben der Speerschleuder tauchen noch weitere Neuerungen in der Jagdtechnik des Homo
Sapiens Sapiens auf, dazu zählen die Harpune
(s. Abb. 8 und 9) und die Querangel (s. Abb. 10).
Offenbar bereichern Fische und andere Meerestiere den Speisezettel der Menschen. In der
polnischen Obłazowa-Höhle ist ein Wurfgerät aus
Mammutelfenbein ausgegraben worden, das wie
ein Bumerang geformt ist, aber im Experiment
nicht in die Hand des Werfers zurückkehrte. Solche Wurfhölzer werden bei vielen Völkern verwendet, etwa zur Vogeljagd.
Erfindung des Homo
Sapiens Sapiens
Abb. 9
Spitzen einer Harpune
mit Widerhaken
Abb. 10
Querangel
Etwa 12.000 Jahre alt sind die ersten Hinweise auf den Gebrauch von Pfeil und Bogen. In
der Nähe von Hamburg wurden auf einem Rentierjägerlagerplatz mehrere hölzerne Pfeile und
mutmaßliche Bogenfragmente entdeckt, die jedoch leider im zweiten Weltkrieg einem Museumsbrand zum Opfer fielen, so dass sie nur noch
fotografisch und damit leider nicht ausreichend
dokumentiert sind, um ihre Eignung als Bogenwaffe überprüfen und experimentell nachvollziehen zu können. Die Pfeilschäfte aus Kiefernholz
große Anzahl Speere ohne wesentliche Gefähr- waren mit Vorschäften versehen, die mittels einer
dung der Jäger in eine vorbeiziehende Tierherde aufwändigen Schwalbenschwanzverbindung mit
zu werfen, die Treffsicherheit spielt dabei eine un- dem Hauptschaft verbunden waren.
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FotoS: W. Hein
Abb. 8
Die Harpune, eine
Aus der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) ist auch zum ersten Mal eine Jagdgeschichte bekannt, deren tragischer Ablauf sich direkt
aus dem archäologischen Befund ablesen lässt.
In der Schweizer Grotte du Bichon wurden 1956
ein Bären- und ein Menschenskelett in unmittelbarer Nähe entdeckt. Offenbar hat vor 12.000
Jahren ein eiszeitlicher Jäger eine Bärin durch einen Speerwurf verwundet, das Opfer flüchtet sich
in eine Höhle, verfolgt durch den Jäger, der sich
zunächst vorsichtig versichert, dass seine Beute
wirklich tot ist, indem er ein paar Weidenzweige
im Höhleneingang verbrennt. Als sich daraufhin
nichts tut, glaubt er, dass die Bärin tot ist. Er geht
also – folgenschwerer Fehler – auf Nachsuche
weiter in die Höhle hinein und stößt im Dunkel
eine engen Ganges auf die Bärin, die ihm – obwohl schwer verwundet – einen tödlichen Hieb
versetzt. Eng aneinandergelehnt sterben Opfer
und Jäger, die Folge eines fatalen Irrtums wird im
Höhlenlehm über die Jahrtausende konserviert.
Jagd in der Steinzeit
Die Mittelsteinzeit
Der älteste Bogen der Welt ist damit immer noch
das Exemplar aus dem Holmegaard-Moor auf der
dänischen Insel Seeland. Mit einem Alter von circa 8.500 Jahren stammt er aus der Mittelsteinzeit
(Mesolithikum). Diese Epoche schließt an die Altsteinzeit an und beginnt mit dem sehr schnellen
Zurückweichen des Festlandeises am Ende der
letzten Eiszeit vor circa 10.000 Jahren. Die Wiederbewaldung Europas von Süden her setzt nun
ein, damit verschwinden die großen Kältesteppen und ihre Fauna. Die Speerschleuder eignet
sich nicht zur Jagd auf vereinzelt vorkommende
Waldtiere, macht im dichten Baumbestand keinen
Sinn mehr und wird von Pfeil und Bogen abgelöst.
Für die Anfertigung eines guten Bogens bietet
sich das Holz der Ulme an, das nun wieder zur
Verfügung steht, und so sind die mesolithischen
Bögen fast ausnahmslos aus Ulmenholz hergestellt. Mit angenommenen Zugewichten von circa
50 englischen Pfund (Abkürzung: lbs.), Schussweiten von etwa 200 Metern und einem modern
anmutenden Design stellen sie eine lautlose und
präzise Jagdwaffe dar (s. Abb. 11). Verschiedene
Pfeile komplettieren die Ausrüstung: Kolbenpfeile
(s. Abb. 12) werden zur Jagd auf kleine Pelztiere
eingesetzt, sie töten durch den Schock bzw. die
Verletzung innerer Organe, beschädigen aber das
Haarkleid nicht. Steintechnologisch ist das Mesolithikum von einer Tendenz zur Verkleinerung geprägt: Als steinerne Projektile werden so genannte Mikrolithen, teils unter einem Zentimeter groß,
mit Birkenpech in die Pfeilschäfte eingeklebt (s.
Abb. 13). Die Steuerfedern werden ebenfalls mit
Pech aufgeklebt und mittels einer Wicklung aus
Pflanzenfasergarn gesichert (s. Abb. 14).
Auch aus der Mittelsteinzeit ist eine Jagdgeschichte aufgrund eines archäologischen Befundes
überliefert. In einem Moor beim dänischen Prejlerup fand man das Skelett eines Auerochsen,
Von einigen Experten wird die Erfindung von
Pfeil und Bogen sogar weitaus eher angesetzt,
denn bereits aus der Zeit um 28.000 vor heute liegen sehr kleine Feuersteinspitzen vor, die zu einem
Bogenpfeil passen würden, doch leider fehlt hier
noch der direkte Nachweis eines Bogens. Das auf
circa 18.000 vor heute datierte Holzstück von
Mannheim-Vogelstang lässt eine Deutung als Bogenfragment ebenfalls nicht eindeutig zu.
Abb. 11
Im vorrückenden Wald
nach der letzten Eiszeit
bewährten sich Pfeil
und Bogen als Jagdwaffen.
Abb. 12
Kolbenpfeile für
die Jagd auf kleine
Pelztiere
Abb. 13
Steinerne Projektile,
sogenannte Mikrolithen
Abb. 14
Mit Pech und Pflanzenfasern fixierte
Steuerfedern an den
Pfeilenden
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Wulf Hein
halb der Reichweite der Verfolger, davon zeugen
fehlende Schlachtmarken an den Knochen. Diese
Steinzeitmenschen werden wohl sehr enttäuscht,
weil ohne Beute nach Hause gekommen sein.
Eine überaus große Rolle spielt, vor allem im
norddeutschen und südskandinavischen Mesolithikum, die Nutzung von marinen Ressourcen,
dafür stehen die zahlreichen Funde von Fischfanggeräten wie Harpunen, Netzen (s. Abb. 15)
aus Bastgarnen und die so genannten Aalstecher
(s. Abb. 16). Diese bestehen aus einem Knochendorn, der zwischen zwei federnd gelagerten
„Schalmen“ angebracht wird. Mit diesem Gerät
werden Aale im Seeschlamm vom Einbaum aus
aufgespießt, eine sehr bewährte Methode, denn
die bis vor wenigen Jahren gebräuchlichen modernen Nachfolger haben dieses Prinzip über die
Jahrtausende bewahrt (s. Abb. 17).
Abb. 15
Fischernetz aus Bastgarn, mittlere Steinzeit
(Mesolithikum)
Deutliche Spuren des Überflusses jener Zeit finden sich auch in Gestalt der zahlreichen so genannten „Køkkenmøddinger“, was mit Küchenabfallhaufen übersetzt werden kann. So werden
im Dänischen die zuweilen riesigen Haufen von
Muschelschalen bezeichnet, die mitunter über 60
Meter lang, mehrere Meter breit und hoch sind
und aus Millionen von Muschelschalen, meistens
Austern bestehen (s. Abb. 18).
Die Vertreibung aus dem Paradies –
die Jungsteinzeit
links:
Abb. 16
moderner Nachfolger
(rechts, Abb. 17)
Abb. 18
Millionen Muschelschalen bildeten die Abfallhaufen der Steinzeit.
gespickt mit insgesamt 17 Mikrolithen. Offenbar
ist das Tier von mehreren Jägern mit Pfeilen beschossen worden, von denen jedoch keiner tödlich
wirkte. Das angeschossene Rind flüchtet in einen
Sumpf und versinkt dort, in Sichtweite, aber außer-
Manch ein mesolithischer Jäger/Sammler mag
damals austernschlürfend an einer Meeresbucht
gesessen haben und die jungsteinzeitlichen Erdwühler am anderen Ufer mitleidig belächelt haben. Doch nicht sehr lange, denn auf die „paradiesische“ Zeit der Nahrungsaneignung folgt
nun die Epoche der Nahrungsproduktion. Die
„neolithische Revolution“ sorgt einerseits für eine
zumindest meistens gesicherte Nahrungsversorgung, zwingt die Menschen aber andererseits
dazu, fürderhin ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts zu verdienen. Feldbau und Viehhaltung tragen maßgeblich zur Subsistenz der Menschen bei,
die Jagd auf wilde Tiere spielt eine zunehmend
marginale Rolle. Im archäologischen Befund tauchen auf den Siedlungsplätzen immer mehr Knochen von frühen Haustieren auf, der Wildanteil
nimmt kontinuierlich ab. Pfeil und Bogen, Speer
und Harpune, Netz und Angelhaken werden zwar
auch noch weiterhin benutzt und verbessert, die
Ernährungsgrundlage für die Bevölkerung erzeugt
jedoch fortan der Bauer, nicht mehr der Jäger.
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Fotos: W. Hein
Ursprüngliche Form
des Aalstechers und
Jagd in der Steinzeit
Literatur
AARIS-SØRENSEN, K. (1998): Danmarks forhistoriske
dyreverden. Gyldendal,
BERGER, T. D., TRINKAUS, E. (1995): Patterns of Trauma
among the Neandertals. Journal of Archaeological Science
22, 841-852
EVERS, D., VALDE-NOWAK, P. (1994): Wurfversuche mit
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FLUTSCH, L. (Red.)(1994): Errare humanum est. Pech und
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PRUETZ, J. D., BERTOLANI, P. (2007): Savanna Chimpanzees, Pan troglodytes verus, Hunt with Tools. Current
Biology 2007, 412-417
STODIEK, U., PAULSEN, H. (1996) „Mit dem Pfeil, dem
Bogen…“ Technik der steinzeitlichen Jagd. Archäologische
Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 16, Oldenburg, Isensee
Anschrift des Verfassers:
Wulf Hein
Archäotechnik
Buchenstr. 7
61203 Dorn-Assenheim
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