Entscheidung Europäischer Gerichtshof für
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Entscheidung Europäischer Gerichtshof für
Entscheidung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Dritte Sektion Anonymisierte nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin 23/03/07 ENTSCHEIDUNG über die ZULÄSSIGKEIT der Individualbeschwerde Nr. 23560/02 K.-D. J. gegen Deutschland ENTSCHEIDUNG ÜBER DIE ZULÄSSIGKEIT der Individualbeschwerde Nr. 23560/02 K.-D. J. gegen Deutschland Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Dritte Sektion) hat in seiner Sitzung am 23. März 2006 als Kammer mit den Richtern Herrn B.M. ZUPANČIČ, Präsident, Herrn L. CAFLISCH, Herrn C. BÎRSAN, Herrn V. ZAGREBELSKY, Frau A. GYULUMYAN, Frau R. JAEGER Frau I. ZIEMELE, und Herrn V. BERGER, Sektionskanzler, im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 27. Mai 2002 eingereicht wurde, nach Beratung wie folgt entschieden: SACHVERHALT Der 1944 geborene Beschwerdeführer, Herr K.-D. J., ist deutscher Staatsangehöriger und in K. wohnhaft. Von 1978 bis 1998 war er als Richter am Amtsgericht N. tätig. A) Der Hintergrund der Rechtssache Der von dem Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen. 2 1. Die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers Am 18. März 1999 erließ das Amtsgericht Kiel gegen den Beschwerdeführer Haftbefehl, weil dieser 31 Straftaten, einschließlich Betrugs in elf Fällen, Anstiftung zur Fälschung amtlicher Unterlagen, Körperverletzung, Rechtsbeugung in Verbindung mit Bestechlichkeit eines Richters, illegalen Waffenhandels und Nichtenrichtung der Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeiter eines Unternehmens in sechzehn Fällen, dringend verdächtig war. Laut dem Ermittlungsverfahren war der Beschwerdeführer der Teilnahme an einer Reihe von betrügerischen Immobiliengeschäften verdächtig. Ferner stand er unter dem Verdacht, als Amtsrichter einen verdächtigen Mittäter rechtswidrig aus der Untersuchungshaft entlassen zu haben. Am 29. März 1999 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und anschließend in Untersuchungshaft genommen. Am 16. August 1999 erhob die Staatsanwaltschaft Kiel gegen den Beschwerdeführer Anklage, die insgesamt mehr als 350 Seiten umfasste. Die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Kiel begann am 18. November 1999 und endete am 23. November 2004. In dieser Zeit gab es 345 Hauptverhandlungstermine, in denen zahlreiche Zeugen vernommen wurden. Das Landgericht Kiel bestätigte am 21. Mai und 1 Oktober 1999, 25. Juli 2000, 25. April und 10. September 2001 sowie am 14. Januar 2002 den Haftbefehl und ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers an. Am 2. August 1999, 1. Oktober 1999, 19. Oktober und 20. Dezember 2000, 3. Juli und 25. Oktober 2001 und 21. März 2002 wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Beschwerden des Beschwerdeführers gegen die Fortdauer seiner Untersuchungshaft zurück. Mit einer insgesamt 35 Seiten umfassenden begründeten Entscheidung vom 2. August 1999 stellte das Oberlandesgericht fest, dass der dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer durch das Ermittlungsverfahren erhärtet worden sei. Diese Würdigung ergebe sich aus zahlreichen Zeugenaussagen, die durch etliche Urkunden und eine Vielzahl sonstiger Beweisanzeichen bestätigt worden seien. 3 Nach Ansicht des Oberlandesgerichts bestand Verdunkelungsgefahr im Sinne des § 112 Strafprozessordnung (StPO) (siehe einschlägiges innerstaatliches Recht, unten), weil der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung versuchen könnte, auf Mittäter oder Zeugen Einfluss zu nehmen. Dies werde durch den dringenden Tatverdacht erhärtet, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit ein System von Verschleierungen aufgebaut habe, das darauf abzielte, durch Verdecken des wahren Sachverhalts mögliche Kontrollen zu unterlaufen. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, einen Strohmann eingesetzt zu haben, um seine eigene Rolle in dem Grundstücksgeschäft zu verschleiern. Den Ermittlungsergebnissen zufolge lägen konkrete Beweise dafür vor, dass der Beschwerdeführer und seine Mittäter Geschäftspartner und Komplizen in der Vergangenheit durch Drohung und Gewalt eingeschüchtert hätten. Es seien weitere Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Beschwerdeführer vor seiner Festnahme Zeugen beeinflusst hatte. Am 1. Oktober 1999 ordnete das Landgericht Kiel die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers an. Es befand, dass die in dem Haftbefehl genannten Tatverdachtsgründe fortbestehen. Zwar bestehe keine Verdunkelungsgefahr, weil die Beweismittel nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hinreichend gesichert seien, aber bei dem Beschwerdeführer sei Fluchtgefahr gegeben. Im Falle seiner Verurteilung hätte der Beschwerdeführer eine erhebliche Haftstrafe zu befürchten. Zudem sei ihm in einem dienstgerichtlichen Verfahren ein Teil seiner Bezüge aberkannt worden. Nach einer Verurteilung hätte er die Entfernung aus dem Amt sowie den Verlust seiner Versorgungsansprüche und damit die Vernichtung seiner sozialen, beruflichen und wirtschaftlichen Grundlagen zu besorgen. Da die Kinder des Beschwerdeführers bereits erwachsen seien, seien seine sozialen Bindungen nicht von einem solchen Gewicht, dass sie ihn von der Flucht abhalten würden. Andererseits habe der Beschwerdeführer erklärt, dass seine Ehefrau über erhebliches Vermögen verfüge. Vor diesem Hintergrund stehe keine weniger einschneidende Maßnahme als der weitere Vollzug der Untersuchungshaft zu Gebote, um der Fluchtgefahr des Beschwerdeführers entgegenzuwirken. Am 1. Oktober 1999 ordnete darüber hinaus das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Unter Verweis auf seine frühere Entscheidung vom 2. August 1999 befand das Gericht, dass weiterhin Verdunkelungsgefahr bestehe. Es stellte ferner fest, dass die Haftdauer wegen der außerordentlich umfänglichen Ermittlungen gerechtfertigt sei. Am 19. Oktober 2000 verwarf das Oberlandesgericht die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Fortdauer seiner Haft. Das Oberlandesgericht bezog sich auf 4 seinen Beschluss vom 2. August 1999 und prüfte das neue Vorbringen des Beschwerdeführers; es befand, dass die Verdachtsgründe gegen den Beschwerdeführer weiterhin gegeben seien. Das Oberlandesgericht war überdies der Auffassung, dass nach wie vor Verdunkelungsgefahr bestehe, weil die Beweisaufnahme vor dem Landgericht noch nicht wesentlich vorangekommen sei. Darüber hinaus bestehe auch der Haftgrund der Fluchtgefahr, weil der Beschwerdeführer versucht habe, sich dem Verfahren durch Herbeiführen seiner Verhandlungsunfähigkeit zu entziehen. Insofern verwies das Oberlandesgericht auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft vom 16. Oktober 2000, die wie folgt lauten: „In diesem Zusammenhang hat die Kammer [das Landgericht] zu Recht darauf abgestellt, dass der Angeklagte sich am 5. Januar 2000 bereits einmal ... in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt hat und zudem die .... Verweigerung der Medikamenteneinnahme in einem weiteren Fall zu einem ähnlichen Ergebnis führte. Dabei durfte die Kammer weiter ... berücksichtigen, dass ... das ... Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers nicht den Eindruck vermittelt, dem Angeklagten sei an einer zügigen Verfahrenserledigung gelegen. Hierfür spricht zudem, dass nach nunmehr 62 Verhandlungstagen von Seiten des Angeklagten bzw. seines Verteidigers bereits insgesamt 37 Ablehnungsanträge gegen das erkennende Gericht angebracht wurden, die, ... bislang jeweils als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Mithin ist es nicht zu beanstanden, wenn die Kammer zu dem Schluss kommt, die Gefahr dränge sich auf, dass der Angeklagte alles unternehmen werde, um sich verhandlungsunfähig zu machen, sobald er aus der Überwachung durch die Untersuchungshaftanstalt entlassen sei...“ Das Oberlandesgericht trat dem bei. Am 12 April 2001 legte der Beschwerdeführer ein medizinisches Attest vor, laut dem eine Einstellung der Behandlung mit Antidepressiva indiziert sei, weil sein Gesundheitszustand sich stabilisiert habe, und er stellte erneut einen Antrag auf Haftverschonung. Am 25. April 2001 lehnte das Landgericht den neuen Antrag des Beschwerdeführers unter anderem aus folgenden Gründen ab: „Wie die Kammer erst in ihrem Beschluss vom 1. Februar 2001 zum 53. Befangenheitsantrag des Angeklagten ausgeführt hat, verfolgt der Angeklagte mit seinen Vertei- 5 digern ... eine Prozessstrategie, die im Wesentlichen auf Verfahrenssabotage ausgerichtet ist. Von daher besteht auch die Erwartung der Kammer unverändert fort, dass der Angeklagte in Freiheit sofort alles unternehmen würde, um sich dem Verfahren ... zu entziehen. Dass solches nicht nur ... durch ... Überdosierung bzw. ... Verweigerung ärztlich verordneter Medikamente geschehen kann, liegt auf der Hand. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung ... ist von daher ungeeignet, die Erwartung der Kammer zu entkräften. Die Gefahr, dass sich der Angeklagte dem Verfahren entziehen werde, hat sich umso mehr vergrößert, als der Fortgang der Beweisaufnahme bisher ... keine entlastenden Momente zu Gunsten des Angeklagten erbracht hat.“ Mit seiner Beschwerde bestritt der Beschwerdeführer, seine Verhandlungsunfähigkeit herbeigeführt zu haben und rügte, dass keine ihn entlastenden Beweise erhoben worden seien. Darüber hinaus habe das Landgericht das Verfahren nicht hinreichend beschleunigt. Am 3. Juli 2001 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Gericht verwies auf seine früheren Entscheidungen und prüfte das neue Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers; es bestätigte, dass der dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer fortbestehe und bei ihm nach wie vor Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr gegeben seien. Im Hinblick auf das Verhalten des Landgerichts stellte das Oberlandesgericht Folgendes fest: „Es sind ... keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Verfahren [von dem Oberlandesgericht] nicht mit der gebotenen Beschleunigung durchgeführt wird, wie es Artikel 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK gebietet. Danach hat die in Haft gehaltene Person einen Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist. Das Landgericht hat rechtlich beanstandungsfrei darauf hingewiesen, von ihm angebotene Hauptverhandlungstermine hätten wegen Verhinderung der Verteidiger oder eines Angeklagten nicht durchgeführt werden können.“ Der Beschwerdeführer erhob am 3. September 2001 weitere Beschwerde gegen den Haftbefehl und behauptete u. a., dass das Landgericht es unterlassen habe, das Verfahren hinreichend zu beschleunigen. Er rügte insbesondere, dass zwei Hauptverhandlungstermine wegen Urlaubs eines Richters und der Teilnahme eines Schöffen an einer Beerdigung aufgehoben worden seien. Das Landgericht wies die Beschwerde am 10. September 2001 ab und legte dar, dass die Aufhebung der Termine gerechtfertigt gewesen sei und die Kammer alternative Verhand- 6 lungstermine angeboten habe, die wegen Verhinderung des Verteidigers des Angeklagten nicht hätten stattfinden können. Am 25. Oktober 2001 bestätigte das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts. Am 7. Januar 2002 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls. Der Beschwerdeführer berief sich auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kudła ./. Polen ([GK], Individualbeschwerde Nr. 30210/96, EuGHMR 2000-XI), und trug vor, dass seine mehr als zwei Jahre andauernde Untersuchungshaft nur bei Vorliegen zwingender Gründe gerechtfertigt sei. Der Beschwerdeführer behauptete, dass die nationalen Gerichte das Verfahren nicht mit der gebotenen Zügigkeit durchgeführt hätten. Gegen ihn habe nie dringender Tatverdacht bestanden. Überdies sei die Verdunkelungsgefahr durch keinerlei Tatsachen erhärtet. Er führte ferner aus, dass keine Fluchtgefahr bestanden habe, weil er mit seiner Frau und seinen beiden erwachsenen Kindern in engem Kontakt stehe. Er habe nie einen Fluchtversuch unternommen. Er machte schließlich geltend, dass das Landgericht nicht zu allen möglichen Terminen Verhandlungen durchgeführt habe. Er wies insoweit darauf hin, dass die Kammer vom 13. Oktober 2000 bis 2. Januar 2001 an siebzehn Tagen eine andere Strafsache verhandelt habe. Am 14. Januar 2002 lehnte das Landgericht Kiel den Antrag des Beschwerdeführers ab. Es stellte zunächst auf die Gefahr ab, dass der Beschwerdeführer versuchen könnte, durch Medikamentenmissmissbrauch seine Verhandlungsunfähigkeit herbeizuführen. Das Landgericht führte insoweit aus, dass am 5. Januar 2000 umfangreiche ärztliche Interventionen erforderlich gewesen seien, um seine Verhandlungsfähigkeit wieder herzustellen. Eine Blutuntersuchung hätte eine toxische Überdosierung von Medikamenten ergeben. Die bisherige Beweisaufnahme habe den gegen den Beschwerdeführer bestehenden dringenden Tatverdacht erhärtet. Im Hinblick auf die Rüge des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten mangelnden Verfahrensbeschleunigung wies das Landgericht darauf hin, dass es bis zum 9. Januar 2002 an 145 Sitzungstagen verhandelt hatte. Das Parallelverfahren sei in teilweise anderer Kammerbesetzung geführt worden. Das Landgericht führte ferner aus, dass der Beschwerdeführer die Beweisaufnahme verzögert habe. Die Verfahrensdauer sei zu einem nicht unerheblichen Anteil auf das Verhalten des Beschwerdeführers selbst zurückzuführen. 7 Am 21. März 2002 wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Mit Bezug auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in dem Beschwerdeverfahren und seine früheren Beschlüsse vom 2. August 1999, 19. Oktober und 20. Dezember 2000 sowie 3. Juli und 25. Oktober 2001 bestätigte das Oberlandesgericht, dass der Beschwerdeführer der ihm zur Last gelegten Straftaten nach wie vor dringend verdächtig sei und er im Falle seiner Entlassung Beweismittel fälschen oder fliehen könne. Bezüglich der Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 3 der Konvention befand das Oberlandesgericht, dass die nationalen Behörden angesichts der Komplexität des Falles besonders zügig vorgegangen seien. Sie hätten die Ermittlungen nach der Festnahme des Beschwerdeführers im März 1999 beschleunigt und seit November 1999 in der Sache des Beschwerdeführers fortlaufend Verhandlungen durchgeführt. Die Kammer habe in der Regel an zwei Tagen pro Woche verhandelt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht das Verfahren erheblich hätte beschleunigen können. Das Oberlandesgericht stellte schließlich fest, dass die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers in Anbetracht der Verurteilung, mit der er zu rechnen habe, und des öffentlichen Interesses an der Integrität der Justiz, nicht unverhältnismäßig sei. Am 16. April 2002 nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung an. Am 18. Dezember 2002 wurde der weitere Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt und der Beschwerdeführer entlassen. 2. Die von dem Beschwerdeführer in der Untersuchungshaft verfassten Schreiben Am 21. Juli 2002 schrieb der Beschwerdeführer, der sich seinerzeit in Untersuchungshaft befand, dem Journalisten G. einen Brief. Er behauptete, ein Belastungszeuge der Anklage habe in öffentlicher Sitzung erklärt, dass die Staatsanwaltschaft ihn dazu angehalten habe, den Beschwerdeführer zu belasten. Als Gegenleistung hätte sie zwei gegen diesen Zeugen anhängige Strafverfahren eingestellt. Der Beschwerdeführer fügte hinzu, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft unlauter gewesen sei. Am selben Tag schrieb der Beschwerdeführer einen weiteren Brief an den Journalisten M., in dem der seine Behauptungen wiederholte. Er führte ferner aus, dass das Landgericht es abgelehnt habe, den betreffenden Zeugen zu diesen Vorwürfen zu vernehmen. 8 Am 29. Juli 2002 ordnete das Landgericht Kiel nach § 119 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Ziff. 3 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) (siehe einschlägiges innerstaatliches Recht, unten) an, die beiden Schreiben anzuhalten und sie dem Beschwerdeführer zurückzugeben. Es befand, dass beide Briefe Vorwürfe über die Verfolgung unschuldiger Personen sowie ehrverletzende Äußerungen über die Staatsanwaltschaft und der zweite Brief darüber hinaus über die Kammer des Landgerichts enthielten. Am 1. August 2002 legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Er machte insbesondere geltend, dass seine Behauptungen der Wahrheit entsprächen. Am 22. August 2002 wies das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Es befand, dass der Inhalt der Briefe geeignet sei, den Zweck der Untersuchungshaft zu gefährden (§ 119 Abs. 3 StPO), weil der Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft unterstellt habe, sich unlauterer Mittel bedient zu haben. Die Weiterleitung der Briefe sei auch geeignet, die Ordnung der Anstalt zu stören, da sie andere Gefangene zur Nachahmung herausfordern könnte. Das Oberlandesgericht wies ferner darauf hin, dass die von dem Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung unbewiesen sei. Der Beschwerdeführer könne zur Wahrnehmung seiner Interessen die ihm im Strafverfahren zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Am 24. Oktober 2002 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen. 3. Weitere Entwicklungen Am 23. November 2004 verurteilte das Landgericht Kiel den Beschwerdeführer zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. B. Das einschlägige innerstaatliche Recht Die Zulässigkeit der Untersuchungshaft bestimmt sich nach der Strafprozessordnung, deren einschlägige Vorschriften lauten: § 112 „(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet 9 werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe ... außer Verhältnis steht. (2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen 1. festgestellt wird, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, 2. bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder 3. das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde a) Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder c) andere zu solchem Verhalten veranlassen, und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr). ...” § 119 “... (3) Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. ...” Nach § 34 Abs. 1 UVollzO kann der Richter ein Schreiben anhalten, wenn die Weitergabe des Schreibens geeignet ist, die Ordnung in der Anstalt zu gefährden. Gemäß § 34 Abs. 2 Ziff. 3 kann dies u. a. in Betracht kommen, wenn die Weitergabe des Schreibens in Kenntnis seines Inhalts einen Straftatbestand verwirklichen würde. RÜGEN 1. Unter Berufung auf Artikel 6 der Konvention rügte der Beschwerdeführer, dass das Bundesverfassungsgericht seine Verfassungsbeschwerde wegen seiner Untersuchungshaft nicht zur Entscheidung angenommen habe, und beanstandete der Sache nach die Dauer seiner Untersuchungshaft. 2. Der Beschwerdeführer rügte ferner nach Artikel 10 der Konvention, dass seine beiden Briefe vom 21. Juli 2002 nicht weitergeleitet worden seien. 10 RECHTLICHE WÜRDIGUNG A. Die Rüge des Beschwerdeführers in Bezug auf die Dauer der Untersuchungshaft Der Beschwerdeführer rügte in der Sache die überlange Dauer seiner Untersuchungshaft. Artikel 5 Abs. 3 der Konvention lautet: (3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist ... hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens. Die Entlassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden.“ Der nach Artikel 5 Abs. 3 zu berücksichtigende Zeitraum begann am 29. März 1999 mit der Festnahme des Beschwerdeführers und endete am 18. Dezember 2002, als der weitere Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt wurde. Demzufolge befand sich der Beschwerdeführer während eines Zeitraums von insgesamt etwa drei Jahren und neun Monaten in Untersuchungshaft. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Frage, ob die Dauer einer Haft angemessen ist, nicht abstrakt beurteilt werden kann. Ob es angemessen ist, dass ein Angeklagter in Haft bleibt, muss im Einzelfall anhand der Besonderheiten des Falles und auf der Grundlage der in den innerstaatlichen Entscheidungen genannten Gründe sowie der hinreichend durch Unterlagen belegten Tatsachen, die der Beschwerdeführer in seinen Anträgen auf Haftentlassung vorgebracht hat, geprüft werden. Im konkreten Fall kann die Fortdauer der Haft nur dann gerechtfertigt sein, wenn es bestimmte Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie im öffentlichen Interesse wirklich erforderlich ist, und dieses öffentliche Interesse, ungeachtet der Unschuldsvermutung, den Grundsatz der Achtung der Freiheit der Person überwiegt (siehe u. a. Rechtssachen Labita ./. Italien [GK], Individualbeschwerde Nr. 26772/95, Rdnr. 152, EuGHMR 2000-IV, und Kudła ./. Polen [GK], Individualbeschwerde Nr. 30210/96, Rdnr. 110, EuGHMR 2000-XI). Das Fortbestehen des begründeten Verdachts, dass die inhaftierte Person eine Straftat begangen hat, ist eine Conditio sine qua non für die Rechtmäßigkeit der Haftfortdauer, die nach einer gewissen Zeit jedoch nicht mehr ausreicht. In solchen Fällen muss der Gerichtshof feststellen, ob die übrigen von den Justizbehörden vorgebrachten Gründe den Freiheitsentzug weiterhin rechtfertigten. Waren diese Gründe „zutreffend“ und „ausreichend“, muss der Gerichtshof außerdem feststellen, ob die zuständigen nationalen Behörden bei der 11 Durchführung des Verfahrens „besonders zügig“ vorgegangen sind (siehe Rechtssache Labita, a. a. O., Rdnr. 153). a) Gründe für die Fortdauer der Haft Was die Begründung der Fortdauer der Haft des Beschwerdeführers betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass die nationalen Gerichte mehrere Gründe für die Ablehnung der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls vorgebracht haben. Sie führten erstens aus, dass nach wie vor der dringende Verdacht bestand, dass der Beschwerdeführer sich der ihm zur Last gelegten Straftaten schuldig gemacht hatte. Zweitens beriefen sie sich aufgrund des Risikos, dass auf Zeugen und Mittäter Druck ausgeübt werden würde, auf die Verdunkelungsgefahr. Sie stellten schließlich fest, dass bei dem Beschwerdeführer Fluchtgefahr bestehe oder er in Freiheit seine Verhandlungsunfähigkeit herbeiführen werde. Im Hinblick auf den gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdacht merkt der Gerichtshof an, dass die nationalen Gerichte in ihren verschiedenen Entscheidungen zur Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers den Inhalt der Akte, die in dem Strafverfahren gewonnenen Beweismittel sowie die von dem Beschwerdeführer vorgetragenen Argumente gründlich geprüft und bestätigt haben, dass gegen den Beschwerdeführer weiterhin dringender Tatverdacht bestehe. Der Gerichtshof erkennt an, dass während der gesamten Untersuchungshaft zumindest ein begründeter Verdacht bestand, dass der Beschwerdeführer sich der Straftaten schuldig gemacht hatte, derer er angeklagt worden war. Er stellt überdies fest, dass es sich wegen der Anzahl und Schwere der Straftaten und angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zur mutmaßlichen Tatzeit das Amt eines Strafrichters bekleidet hatte, hier um äußerst schwere Straftaten handelte. Hinsichtlich der Verdunkelungsgefahr gelangten die nationalen Gerichte zu der Einschätzung, dass der Beschwerdeführer vor seiner Verurteilung ein System von Verschleierungen aufgebaut hatte, das - etwa durch Einsatz eines Strohmanns zur Verheimlichung seiner Geschäftsaktivitäten - darauf abzielte, den wahren Sachverhalt zu verdecken. Sie stellten überdies fest, dass konkrete Beweise dafür vorlagen, dass der Beschwerdeführer und seine Mittäter Geschäftspartner und Komplizen eingeschüchtert hatten. Das Landgericht war zwar in seiner Entscheidung vom 1. Oktober 1999 zu der Einschätzung gelangt, dass keine Verdunkelungsgefahr bestehe, weil die Beweismittel nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hinreichend gesichert worden seien; das Oberlandesgericht führte aber aus, dass diese Gefahr während der gesamten Haftdauer fortbestehe, weil die Beweiserhebung vor dem Landgericht noch nicht abgeschlossen worden sei. 12 Der Gerichtshof erkennt an, dass zunächst eine ernst zu nehmende Verdunkelungsgefahr bestand, die im Zuge der Beweisaufnahme vor dem Landgericht Kiel allmählich abnahm. Da die Beweisaufnahme bis zum Ende der Haft des Beschwerdeführers nicht abgeschlossen war, kann davon ausgegangen werden, dass die Gefahr nicht vor dem Ende der Haft vollständig gebannt war. Hinsichtlich der Fluchtgefahr merkt der Gerichtshof an, dass die nationalen Gerichte feststellten, dass konkret die Gefahr bestand, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Entlassung untertauchen oder seine Verhandlungsunfähigkeit herbeiführen würde. Sie merkten insbesondere an, dass der Beschwerdeführer einmal an den Folgen der Überdosierung eines Medikaments gelitten und ein anderes Mal die Fortführung einer notwendigen Behandlung verweigert habe. Darüber hinaus befanden sie insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers und seines Anwalts während des gesamten Verfahrens, dass seine Verteidigungsstrategie im Wesentlichen auf Verfahrenssabotage ausgerichtet sei. Von daher sei die Gefahr gegeben, dass er in Freiheit versuchen werde, sich dem Verfahren zu entziehen Im Falle seiner Flucht hätten die nationalen Gerichte das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht fortführen können. In Anbetracht des Inhalts der Verfahrensakte befindet der Gerichthof, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis vorgelegt hat, der die Feststellung der nationalen Gerichte widerlegt. Unter diesen Umständen erkennt der Gerichtshof an, dass während des gesamten Verfahrens bei dem Beschwerdeführer Fluchtgefahr gegeben war. b) Durchführung des Verfahrens Es bleibt zu klären, ob die Justizbehörden bei der Durchführung des Verfahrens „besonders zügig“ vorgegangen sind. Der Gerichtshof stellt diesbezüglich zunächst fest, dass das Strafverfahren sehr komplex war; dies wird dadurch verdeutlicht, dass der Beschwerdeführer insgesamt wegen 31 Straftaten angeklagt war und die gegen ihn erhobene Anklage im Ganzen über 350 Seiten umfasste. Hinsichtlich des Verhaltens des Beschwerdeführers in dem Verfahren vor dem Landgericht merkt der Gerichtshof an, dass der Beschwerdeführer mindestens 53 Befangenheitsanträge gegen die Kammerrichter gestellt hatte, die alle ohne Erfolg blieben. Zwar kann einem Beschwerdeführer der Gebrauch aller ihm zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel nicht angelastet werden, die daraus entstandenen Verzögerungen sind aber nicht den 13 nationalen Gerichten zuzurechnen. Der Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass das Verhalten des Beschwerdeführers sich erheblich auf die Verfahrensdauer ausgewirkt hat. Im Hinblick auf die Durchführung des Verfahrens durch die nationalen Behörden ist der Gerichtshof sich durchaus bewusst, dass das Recht eines inhaftierten Angeklagten auf zügige Prüfung seines Falls die Gerichte nicht rechtswidrig in ihrem Bemühen behindern darf, ihre Aufgaben mit angemessener Sorgfalt wahrzunehmen (siehe Rechtssache Tomasi ./. Frankreich, Urteil vom 27. August 1992, Serie A, Bd. 241-A, Rdnr. 102). Was die Umstände des vorliegenden Falls betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass das Landgericht Kiel die Sache des Beschwerdeführers in der Zeit vom 18. November 1999 bis 23. November 2004 an 345 Sitzungstagen verhandelt hatte. Nach den von dem Beschwerdeführer nicht widerlegten Feststellungen des Oberlandesgerichts verhandelte das Landgericht in der Regel an zwei Sitzungstagen pro Woche. Der Gerichtshof merkt überdies an, dass das Landgericht zum Ausgleich für die Termine, die aufgehoben werden mussten, alternative Sitzungstage angeboten hatte, der Verteidiger des Angeklagten aber verhindert war. Der Gerichtshof ist unter diesen Umständen überzeugt, dass das Landgericht die Verhandlung in der Rechtssache des Beschwerdeführers besonders zügig durchgeführt hat. Der Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass die von den nationalen Gerichten in ihren Entscheidungen zu der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers angeführten Gründe ausreichten, um die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers in dem maßgeblichen Zeitraum zu rechtfertigen. Daraus folgt, dass die Rüge des Beschwerdeführers offensichtlich unbegründet ist und nach Artikel 35 Abs. 3 der Konvention zurückzuweisen ist. B) Die Rüge des Beschwerdeführers bezüglich der Weigerung der Weitergabe der Schreiben Der Beschwerdeführer rügte unter Berufung auf Artikel 10 der Konvention die Weigerung der nationalen Behörden, seine beiden an die Journalisten gerichteten Schreiben vom 21. Juli 2002 weiterzugeben. Der Gerichtshof will diese Rüge zunächst nach Artikel 8 der Konvention prüfen, der wie folgt lautet: „(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. 14 (2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“ Der Gerichtshof stellt fest, dass das Anhalten der beiden Briefe einen Eingriff in das nach Artikel 8 Abs. 1 garantierte Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seiner Korrespondenz darstellte. Dieser Eingriff kommt einer Verletzung dieser Bestimmung gleich, wenn er nicht „gesetzlich vorgesehen“ ist, eines oder mehrere der in Absatz 2 genannten rechtmäßigen Ziele verfolgt und überdies zur Erreichung dieser Ziele „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ ist (siehe, u. a. Rechtssache Erdem ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 38321/97, Rdnr. 55, EuGHMR 2001-VII). Der Gerichtshof stellt fest, dass die Grundlage für den Eingriff § 119 Abs. 3 StPO war, wonach dem Verhafteten nur solche Beschränkungen auferlegt werden dürfen, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. Dies wird in § 34 UVollzO weiter ausgeführt, der bestimmt, dass Schreiben angehalten werden können, wenn deren Weitergabe geeignet ist, die Ordnung in der Anstalt zu gefährden. Der Gerichtshof stellt fest, dass für den Eingriff eine gesetzliche Grundlage im innerstaatlichen Recht gegeben war. Darüber hinaus ist der Gerichtshof mit Blick auf den Wortlaut der betreffenden Rechtsvorschriften der Auffassung, dass er den von der Rechtsprechung des Gerichtshofs angelegten Maßstäben des Zugangs und der Vorhersehbarkeit genügt (siehe Rechtssachen Erdem a. a. O., Rdnr. 58, und Silver u. a. ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 25. März 1983, Serie A Bd. 61, S. 32-34, Rdnrn. 85-90). Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass mit der Weigerung der Weitergabe der beiden Schreiben das rechtmäßige Ziel der „Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhütung von Straftaten“ nach Artikel 8 Abs. 2 verfolgt wurde. Hinsichtlich der Notwendigkeit der fraglichen Maßnahme weist der Gerichtshof mit Blick auf den Ermessensspielraum des Staates erneut darauf hin, dass dieser Begriff voraussetzt, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und insbesondere in Bezug auf das rechtmäßig verfolgte Ziel verhältnismäßig ist (siehe sinngemäß Rechtssachen 15 Sunday Times ./.Vereinigtes Königreich (Nr. 2), Urteil vom 26. November 1991, Serie A Bd. 217, Rdnr. 50, und Chishti ./. Portugal (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 57248/00, 2. Oktober 2003). Der Gerichtshof hat überdies anerkannt, dass gewisse Maßnahmen zur Kontrolle von Gefangenenkontakten mit der Außenwelt erforderlich und für sich genommen nicht mit der Konvention unvereinbar sind (siehe Rechtssachen Silver, a. a. O., Rdnr. 98 und Chishti, a. a. O.). Hinsichtlich des vorliegenden Falles stellt der Gerichtshof fest, dass die gegen den Beschwerdeführer verhängte Maßnahme nicht seine Korrespondenz mit Familienangehörigen oder seinem Anwalt betraf, sondern sich ausschließlich auf zwei an Journalisten gerichtete Schreiben bezog. Daraus folgt, dass dem Beschwerdeführer briefliche Kontakte zur Außenwelt nicht in erheblichem Umfang verwehrt worden sind. Der Gerichtshof merkt ferner an, dass die nationalen Gerichte darauf hingewiesen haben, dass der Beschwerdeführer nicht daran gehindert war, seine Beschwerden gegen das Strafverfahren, die Inhalt der Schreiben waren, vor den Gerichten zu erheben. Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass der fragliche Eingriff in Bezug auf das rechtmäßig verfolgte Ziel verhältnismäßig war. Folglich liegt keine Verletzung von Artikel 8 der Konvention vor. Aus denselben Gründen stellt der Gerichtshof fest, dass die Rüge des Beschwerdeführers eine eigene Frage nach Artikel 10 der Konvention nicht aufwirft, wenn man in Betracht zieht, dass die Einschränkungen, denen die Korrespondenz des Beschwerdeführers mit den Journalisten unterworfen war, auf die Dauer seiner Untersuchungshaft begrenzt waren und das innerstaatliche Recht der Berichterstattung über laufende Gerichtsverfahren keine Beschränkungen auferlegt. Daher ist diese Rüge nach Artikel 35 Abs. 3 offensichtlich unbegründet. Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof die Beschwerde im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft einstimmig für unzulässig; mit Stimmenmehrheit erklärt er die Beschwerde im Hinblick auf das Anhalten von Schreiben für unzulässig. Vincent BERGER Kanzler Boštjan M. ZUPANČIČ Präsident