folterbilder und -narrationen - Heinrich-Heine
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folterbilder und -narrationen - Heinrich-Heine
FOLTERBILDER UND -NARRATIONEN Verhältnisse zwischen Fiktion und Wirklichkeit 11.-12. NOVEMBER 2010 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Eine Tagung des Instituts für Medien- und Kulturwissenschaft der Heinrich-Heine-Universität gemeinsam mit der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Justus-Liebig-Universität Giessen. Folterbilder- und Narrationen Verhältnisse zwischen Fiktion und Wirklichkeit Bilder von Folterungen und von gemarterten Körpern kennen wir seit der Antike, doch in den vergangenen Jahren häufen sich Bilder und Narrationen in Literatur und Film. Diese zunehmende mediale Präsenz steht in einem widersprüchlichen Verhältnis zu den Ergebnissen aus der medizinischen und psychologischen Forschung über die körperlichen, psychischen, sozialen und insbesondere kognitiven Auswirkungen der Folter auf die Opfer. Denn Gedächtnisleistungen und Erinnerungsfähigkeit werden durch die Extremtraumatisierung nachhaltig gestört. Traumatisierte können erst allmählich eine verbale Erzählung aus ihren sensorischaffektiven Erinnerungen konstruieren. Woher genau kommen also die „Darstellungen“ des „nicht Darstellbaren“, welche Übersetzungen finden wir vor und wie verhalten wir uns Konzeption / Organisation gegenüber diesen Narrationen? Kulturelle Narrationen suchen nicht selten in extremen traumatischen Ereignissen eine Art Verankerung. Wie ist diese Spannung zu verstehen? In welcher Beziehung stehen psychische und mediale Repräsentationen der Folter? Welches Verhältnis besteht zwischen Bild, Szene und Narration der Folterrealität und der medialen fiktiven Verarbeitung? Reinhold Görling, Prof. Dr. phil., Professur für Medienwissenschaft in kulturwissenschaftlicher Orientierung an der HHU Düsseldorf, Leiter des medienwissenschaftlichen Projektteils im Forschungsprojekt „Wiederkehr der Folter?“. Johannes Kruse, Prof. Dr. med., Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Justus-Liebig-Universität Giessen, Leiter des medizinisch-psychologischen Projektteils im Forschungsprojekt „Wiederkehr der Folter?“. Julia Bee, M.A. Medien- und Kulturwissenschaftlerin, Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Wiederkehr der Folter?“an der HHU Düsseldorf. Elke Mühlleitner, Dr. phil., Mag. phil., Psychologin und Sozialwissenschaftlerin, Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Wiederkehr der Folter?“ an der JLU Giessen. Erinnerung und Traumabearbeitung Rosmarie Barwinski Spezifisch für die Verarbeitung traumatischer Erfahrungen scheint die Schwierigkeit zu sein, die erlebten traumatischen Geschehnisse kognitiv und emotional wahrzunehmen und in ihrer subjektiven Bedeutung zu verstehen. Diese besondere Problematik kann aus psychoanalytischer Sicht auf Abwehrvorgänge zurückgeführt werden, die sich gegen die Wahrnehmung der bedrohlichen Realität und gegen die damit einhergehenden überwältigenden Affekte richtet. Folge dieser Wahrnehmungsabwehr ist eine eingeschränkte Erinnerungsfähigkeit. Im Vortrag werden unterschiedliche Formen der Erinnerung wie Flashbacks oder Inszenierungen traumatischer Geschehnisse bei Extremtraumatisierung aus psychotraumatologischer Sicht diskutiert. Anhand von Fallbeispielen wird aufgezeigt, wie mit diesen präsymbolischen Formen der Erinnerung in Traumatherapien umgegangen werden kann. Rosmarie Barwinski, PD, Dr., Psychoanalytikerin, Psychotherapeutin (SPV/FSP), Leiterin des Schweizer Instituts für Psychotraumatologie, Winterthur. Über das Verhältnis von psychischen und medialen Repräsentationen in der filmischen Folterszene Julia Bee Folter erlebt in den letzten Jahren eine beispiellose Konjunktur in audiovisuellen Produktionen. Es gibt jedoch, so kann man filmhistorisch argumentieren, eine grundlegende Tradition von Szenarien der Folter. Die Attraktivität der Inszenierung von Folter besteht heute nicht lediglich in einer legitimierenden Funktion im Rahmen des nach 9/11 einsetzenden Terrorismus Diskurses um Sicherheit und Ausnahmezustand. Vielmehr resultiert ihre legitimierende Wirkung aus dem Einsatz vielfältiger Phantasmen, die mit Bedeutung aufgeladen, eine subjektive und mediale Grenze inszenieren, aber auch einen affektiv-symbolischen Mehrwert erzeugen. Folter im Film ist eine Artikulationsform verschiedenster Ängste und Unsicherheiten und komplexer Macht- und Ohnmachtsszenarien. In diesem Zusammenhang sollen besonders Inszenierungen des Verhältnisses von Innen und Außen des Subjekts diskutiert werden, welches durch Bilder als gewalttätige Bildakte (Horst Bredekamp) und damit eine neue Gewalterfahrung, instabil wird. Dabei wird die Folterszene im Film vorgestellt als Agentur des Vergegenwärtigung, Verhandlung und Verleugnung der Angst und Auseinandersetzung mit der eigenen Verletzbarkeit und grundlegenden Relationalität. Diese Verletzbarkeit ist filmisch auf die fließenden Grenzen zwischen mentalen und medialen Bildern und ihren Gewaltcharakter bezogen. Maskierungen. Zur Folter-Form des Blackface. Lisa Gotto Bilder der Folter operieren mit Maskierungen. Häufig geht es dabei um die Ent-Individualisierung des Opfers, um eine gewaltförmige Anonymisierung, die dazu dient, den Unterworfenen nicht länger als Person wahrzunehmen. Der Prozess der Maskierung wird so als eine eigene Form der Disziplinierung erkennnbar, die die Gewalt weniger repräsentiert als überhaupt erst produziert. Die Unterhaltungsform des Blackface kann vor diesem Hintergrund als eine Tradition betrachtet werden, deren visuelle Struktur eine besondere Nähe zu einer anderen Art des rassenstrukturierten Massenspektakels aufweist, nämlich der Praxis des Lynching. Beide Darbietungsweisen erlebten zum Ende des 19. Jahrhunderts konjunkturelle Aufschwünge – und beide bedienten sich dabei bestimmter Technologien, die zur Verbreitung und Verankerung von visueller Gewalt im öffentlichen Bewusstsein beitrugen. Der Vortrag fokussiert diesen Konnex, um nach den medialen Mechanismen von Folterbildern als Massenunterhaltung zu fragen. transgenerationell und/oder in der Kindheit traumatisierten Patienten vorgestellt. Es geht um das Verstehen und Verstanden werden. Klinische Beispiele veranschaulichen die Vorgehensweise. Lisa Gotto, Prof. Dr. phil., Film-, Fernseh- und Medienwissenschaftlerin, Professorin für Filmgeschichte und Filmanalyse an der ifs Internationale Filmschule Köln. Franziska Henningsen, Dr. phil., Dipl. Psych., Psychoanalytikerin und Lehranalytikerin in Berlin (DPV/IPV). Psychisches Trauma – Narrativ; Psychoanalytische Wege zum Verstehen Franziska Henningsen Extrem traumatisierte Menschen benötigen professionelle Hilfe, um eine Sprache für ihre Erfahrungen zu finden. Es werden Grundlagen der Beziehungsgestaltung bei Patienten, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden geschildert und in Relation zu Judith Butler und die Raster der Verletzbarkeit Linda Hentschel Verletzbarkeit ist das, was alle Menschen teilen, aber nicht gleich macht. In ihrem aktuellen Buch „Raster des Krieges“ (Frames of War, 2009) führt Judith Butler ihre Überlegungen zu einer Ethik der Gefährdetheit (Precarious Life, 2004) fort. Sie analysiert politische, rassistische, sexistische oder religiöse Hierar- chisierungen, die unsere Wahrnehmung und Bewertung von Verwundbarkeit strukturieren. Butlers Ziel ist eine Kritik an Gewaltverhältnissen. Aber ist diese Kritik dann immer frei von Gewalt? Diese komplexe Frage nach der „Kunst“ der Kritik diskutiert der Vortrag anhand von Beispielen aus der aktuellen visuellen Kultur. Linda Hentschel, Dr. phil., Gast/Professorin für Kulturwissenschaften und Gender an der Universität der Künste Berlin. Studium der Kunstgeschichte, Medienwissenschaft, Kulturwissenschaft und Romanistik in Marburg, Montpellier und Bremen. Genealogie der sexuellen Gewalt – Überlegungen zum Film Grbavica/ Esmas Geheimnis Angela Koch Nach Schätzungen von Menschenrechtsorga- nisationen waren und sind ca. 20.000 Frauen und Mädchen im jugoslawischen Bürgerkrieg Anfang der 1990er Jahre von sexueller Gewalt betroffen. Die Angriffe erfolgten meist von serbischen Soldaten und paramilitärisch organisierten Einheiten gegen nicht-serbische Frauen, es gab allerdings auch Vergewaltigungen durch Kroaten und Muslime. Viele der Frauen wurden in Internierungslager gebracht, aber auch in private Unterkünfte verschleppt und teils über Monate sexuell misshandelt und vergewaltigt. Oft wurden die Frauen dazu gezwungen, entstandene Schwangerschaften auszutragen. Der Film Grbavica (dt. Esmas Geheimnis von Jasmila übanic, Österreich, Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Kroatien 2005) greift das Thema des Überlebens mit dem Trauma der sexuellen Gewalt auf. In meinem Vortrag möchte ich anhand von Grbavica der Frage nachgehen, wie der Film die nachhaltige Verletzung und Depersonalisierung durch sexuelle Gewalt visualisiert und erzählt. Dabei gehe ich – trotz der gegenwärtigen Ten- denz der expliziten Darstellung von sexueller Gewalt im Film (Irréversible, Baise-moi, The Accused etc.) – von der These aus, dass sich sexuelle Gewalt der Visualisierung entzieht, da sie v.a. als psychische Erfahrung und Erinnerung existiert und im Bild und der Erzählung immer einer Übersetzungsleistung bedarf (vgl. auch Bal 1990). Die Erniedrigung, der Schmerz, die Destruktion sind visuell kaum objektivierbar; insofern ist die Vergewaltigungserfahrung mit der Foltererfahrung vergleichbar. In dem Film Grbavica werden die sexuelle Gewalt als Folter, die Traumatisierung und das Leben mit der Tochter, die bei den Vergewaltigungen gezeugt wurde, zusammengeführt. Dabei durchdringt die sexualisierte Form der erlebten Gewalt sowohl den Alltag der Mutter und der Tochter als auch die Beziehung der beiden untereinander. Im Gegensatz zu den vielen Spielfilmen, die sexuelle Gewalt zeigen und dabei Geschlechterdifferenzen herstellen, festschreiben, aber auch überschreiten, spart Grbavica die explizite Darstellung der sexuel- Folterbilder und -narrationen: Verhältnisse zwischen Fiktion und Wirklichkeit Donnerstag, 11. November 2010 Vortragssaal der Universitäts- und Landesbibliothek, Gebäude 24.41 14:00 Begrüßung Grußworte Eröffnung: Reinhold Görling/Johannes Kruse Einleitung: Reinhold Görling/Elke Mühlleitner 15:00 Panel: Darstellbarkeit, Serialität Franziska Lamott: Bilderkrieg: Foltern vor der Kamera Michaela Wünsch: Trauma und Wiederholung in filmischen Medien Petra Löffler: Sensory Deprivation und der Terror des Films 16:30 Pause 17:00 Panel: Szenen der Folter Rosmarie Barwinski: Erinnerung und Traumabearbeitung Linda Hentschel: Judith Butler und die Raster der Verletzbarkeit 18:30 Pause 19:00-20:30 Keynote Dori Laub: The Narrativization of Traumatic Experience Through Testimony: Strategies of Coping with „Crises of Witnessing“ Freitag, 12.11. Großer Sitzungssaal der Philosopischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Gebäude 23.21 9:00 Diskussion mit Dori Laub TeilnehmerInnen ua.: Christian Schneider, Mirjam Schaub Moderation: Reinhold Görling 10:30 Pause 11:00 Panel: Körper, Trauma, Bild Dima Zito: Arbeit mit dem Unaussprechlichen - Therapie mit Überlebenden von Folter Lisa Gotto: Maskierungen. Zur Folter-Form des Blackface Julia Bee: Über das Verhältnis von psychischen und medialen Repräsentationen in der filmischen Folterszene 13:00 Mittagspause 14:30 Panel: Geschlecht/Sexualität Mechthild Wenk-Ansohn: Sexualisierte Folter und ihre Folgen Angela Koch: Genealogie der sexuellen Gewalt – Überlegungen zum Film Grbavica/Esmas Geheimnis 16:00 Pause 16:30 Panel: Folterphantasien Franziska Henningsen: Psychisches Trauma – Narrativ; Psychoanalytische Wege zum Verstehen Volker Woltersdorf: Folter als erotisches Faszinosum – Über sadomasochistische Inszenierungen von Folterfantasien 18:00-18.30 Abschlussdiskussion Wegbeschreibung und Infos unter: www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/folter Die Veranstaltungen sind öffentlich. Der Eintritt ist frei. Die Tagung wird von der VolkswagenStiftung im Rahmen des Programms „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ gefördert. len Gewalt aus. Hier stellt sich die Frage, welchen Einfluss die andere Narration und Visualisierung des Erlebnisses der sexuellen Gewalt, die Jasmila übanic mittels Beziehungsgeflechten und Metaphern in Grbavica versucht, auf die Inszenierung der Geschlechter hat. Angela Koch, Dr. phil., Kulturwissenschaftlerin, Universitätsassistentin am Institut für Medien an der Kunstuniversität Linz, 2007-2009 Leiterin des Forschungsprojektes „Ir/reversible Bilder, Visualisierung und Medialisierung von sexueller Gewalt“. The Narrativization of Traumatic Experience Through Testimony: Strategies of Coping with „Crises of Witnessing“ Dori Laub Testimony of extreme traumatization is driven by an internal force in order to give narrative form and expression to a psychological event; an event which, because of its otherness and its sheer magnitude, exceeds the mind‘s capacity to give it mental representation. The traumatic event is, therefore, consciously not registered as it is happening. What is registered instead, are fragments, composites of sensory perceptions, that come to be stored in a separate part of the brain, like the amygdala. These „fragments“ do not undergo the interpretive processes that take place in the hippocampus and in the prefrontal cortex. In the testimonial process, psychic integration begins to take place. An addressee, however, needs to be present who can provide a safe holding space for it to happen. Once in intimate dialogue with her, the movement from discrete, fragmented, sensory perceptions into cohesive narratives begins to occur. Such movement, however, though powerfully propelled, inevitably reaches impasses and blockages, during which failed attempts at narrativization can be observed. These narrative eclipses occur when the narrator comes too close to affect-laden moments in the traumatic experience he or she is recounting. Various phenomenological manifestations of such „crises in witnessing“ will be explored. Testimonies of chronically hospitalized Holocaust survivors in psychiatric institutions in Israel show the greatest impairment in narrative capacity. Such patients are not able to find words for what they would like to say. They are muted witnesses, as far verbal expression is concerned. Alternatively, the survivors who led regular lives, employed various strategies to cope with the traumatic failure in narrativization, such as: by experiencing themselves as the „bearer of the news,“ one who must inform and alert the world, or by depositing their traumatic experiences in a separate, split-off, part of the self - a self whose story they can tell without having to experience the associated feelings of terror and loss themselves. In some circumstances, a creative, even artistic, self emerges who continues the fight for physical and emotional survival. Yet another approach to observe the process of narrativization is to trace the evolution of testirnony by comparing testimonies of the same survivors, taken almost twenty-five years apart. Through on-going internal testimonial work in a changing, much more receptive societal context, a better integrated and nuanced narrative emerges, bringing fragments together into a personalized whole. Video excerpts taken from testimonies will illustrate this process. Dori Laub, MD, Associate Clinical Professor of Psychiatry der Yale University Medical School, Psychoanalytiker in New Haven, ist Mitbegründer des Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies an der Yale University. Bilderkrieg: Foltern vor der Kamera Franziska Lamott Ausgangpunkt sind die im Netz veröffentlichten Fotos von Folterungen in einem irakischen Gefängnis, die, performativ in Szene gesetzt, zu erschreckenden „Ikonen“ des Irakkrieges wurden. Die spezifische Inszenierung, die an Sex und Gewalt im Pornofilm denken lässt, war dabei ein wichtiges Element. Wie kommt es, dass die Akteure in Abu Ghraib die Demütigung und Beschämung irakischer Gefangener in pornografischen Schnappschüssen festgehalten und sich selbst in überlegenen Posen schamlos lachend, ja stolz präsentierten? Was mag sie bewogen haben, ihre eigene Lust so ungeniert auf die Fotos zu bannen? Und welche Anleihen machen sie aus dem Vorrat kollektiver Phantasien? Was zeigen diese Bilder jenseits des manifesten Inhalts? Welche Rolle spielen sie für die agierenden Subjekte und welche Funktion kommt ihnen als mediale Botschaft im Krieg gegen den Terrorismus zu? Franziska Lamott, Prof. Dr. rer. soc., Gruppenanalytikerin, Seit 1999 tätig an der Sektion Forensische Psychotherapie der Universität Ulm. Petra Löffler Sensory Deprivation und der Terror des Films Dr. phil, Kulturwissenschaftlerin, Medienwissenschaftlerin, Universitätsassistentin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Mirjam Schaub PD Dr. phil., Gastprofessorin am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin, davor Visiting Research Fellow am Institute for Advanced Studies in the Humanities (IASH) der University of Edinburgh. Christian Schneider PD, Dr. phil., Soziologe und Forschungsanalytiker in Frankfurt, lehrt an der Universität Kassel. Sexualisierte Folter und ihre Folge – Scham begünstigt chronische posttraumatische Beschwerden und behindert die Kommunikation Mechthild Wenk-Ansohn Sexualisierte Gewalt ist häufig Bestandteil von Folter oder Gewalt in Kriegen und Bürgerkriegen. Sie hinterlässt besonders schwere und anhaltende psychische Spuren. Scham bewirkt Schweigen und behindert die Überlebenden, sich durch Mitteilen zu entlasten und therapeutische Hilfe zu suchen. In traditionellen Gesellschaften bedeutet Vergewaltigung Ehrverlust nicht nur der betroffenen Person sondern der gesamten (Groß-)Familie. Betroffenen Frauen droht auch heute noch Ausschluss aus der Gemeinschaft oder gar der Tod. Das Schweigen bedeutet dann Überlebensschutz – und schützt zugleich die Täter vor Anklage. Anhand von Fallbeispielen werden die psychischen Folgen beschrieben und aufgezeigt, dass das zunächst Unsagbare im therapeutischen Raum ausgedrückt werden kann und wie eine sensible öffentliche Diskussion die Betroffenen stärken kann. Mechthild Wenk-Ansohn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin (Psychotherapie), Spezielle Psychotraumatherapie (DeGPT), ist Leiterin der ambulanten Abteilung im Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin (bzfo). Folter als erotisches Faszinosum – Über sadomasochistische Inszenierungen von Folterfantasien Volker Woltersdorff Die einvernehmlich praktizierte Sexualität von SadomasochistInnen ist keine Folter, und dennoch spielen in vielen, wenn auch bei Weitem nicht in allen SM-Inszenierungen und -Fiktionen Vorstellungen von Folter eine wich- tige Rolle - sowohl als erotisches Stimulans als auch als Abgrenzungsfolie. Worin besteht der Unterschied zwischen Folter und „Folter“? Was verändert sich, wenn Folter gespielt wird, und woher rührt der erotische Reiz daran? Umgekehrt hat die Sexualisierung einiger der Folterungen von Abu Ghraib und ihre Anähnelung an Praktiken der sadomasochistischen Szene der Frage nach dem Zusammenhang realer Kriegsfolterungen und sadomasochistischer Folterfantasien eine aktuelle Dringlichkeit verliehen. Inwiefern und warum sind gegenwärtige Folterpraktiken von sadomasochistischen Praktiken beeinflusst und wie beeinflusst die Folter durch VertreterInnen westlicher Staaten das kollektive Imaginäre dieser Gesellschaften? Ein Blick auf sadomasochistisches Ausagieren und Bearbeiten von Folterfantasien kann nicht nur darüber Aufschluss geben, welche kollektiven Ängste und Wünsche in Bezug auf Folter im gesellschaftlichen Imaginären verankert sind, sondern auch Perspektiven eröffnen, welche Umgangsweisen möglich sind, diese Fantasien kritisch durchzuarbeiten. Diese Fragen sollen mithilfe eines ethnografischen Blicks auf die SM-Szenen und unter Hinzunahme literarischen und empirischen Materials erörtert werden. Volker Woltersdorff, Dr. phil., Kulturwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin und Mitglied des Sonderforschungsbereiches „Kulturen des Performativen“, dort im Teilprojekt „Grenzen von Geschlecht? Räume, Praktiken, symbolische Formen“ mit dem Unterprojekt „Sadomasochistische Aufführungen gesellschaftlicher Widersprüche in Kunst, Subkultur und Internet“. Trauma und Wiederholung in filmischen Medien Michaela Wünsch Der Beitrag wird sich mit dem Zusammenhang von Trauma, dem Wiederholungszwang und Serialität im Film beschäftigen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie sich nichtrepräsentierbare traumatische Eindrücke im Film ab“bild“en oder übersetzen, wenn das Trauma nicht unmittelbar gezeigt werden kann. Eine Form wäre die Wiederholung oder die Serialität, die sich in Figuren wie dem Serienkiller oder Zombie niederschlägt. Obwohl das ursächliche Trauma in der filmischen Narration nicht genannt wird, lassen sich Spuren der Ersetzung oder Entstellung finden oder die ‚reine’ Wiederholung als solche weist auf ein zurückliegendes Trauma. Michaela Wünsch, Dr. phil., KulturwissenschaftlerIn, MedienwissenschaftlerIn, Gastprofessorin am Institut für Theater, Film und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Arbeit mit dem Unaussprechlichen – Therapie mit Überlebenden von Folter Dima Zito Bei der Folter werden dem Opfer neben körperlichen auch gezielt seelische Schäden zugefügt. Viele Menschen reagieren auf die Erfahrung absoluter Ohnmacht und Ausweglosigkeit, Schmerz und Todesangst mit „traumatypischen Symptomen“, die weit über die sogenannte „Posttraumatische Belastungsstörung“ hinausgehen können. TherapeutInnen können Überlebende von Folter dabei unterstützen, wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen, Vertrauen aufzubauen. Anhand von Beispielen aus der Forschung und der praktischen Arbeit mit politischen Flüchtlingen und ehemaligen Kindersoldaten wird dargestellt, welchen Herausforderungen sie dabei begegnen und welche Herangehensweisen sich als hilfreich erwiesen haben. Dima Zito, Diplom-Sozialpädagogin, Systemische Traumatherapeutin, Mitarbeiterin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf. www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/folter Die Tagung ist Teil des Forschungsprojektes „Wiederkehr der Folter? Eine interdisziplinäre Studie über eine extreme Form von Gewalt, ihre mediale Darstellung und iher Ächtung“, gefördert von der Volkswagen Stiftung im Rahmen des Förderprogramms „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ Bilder: Gregor Schneider: Weisse Folter, K20/K21 Düsseldorf, 17.03-15.07.2007, wir danken dem Künstler für die Genehmigung