VG München: FlNr, Ast, Rückschnitt, Gemarkung
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VG München: FlNr, Ast, Rückschnitt, Gemarkung
VG München, Urteil v. 12.03.2015 – M 11 K 14.1766 Titel: Rückschnitt, Baum, Ausnahmegenehmigung Normenkette: VwGO § 113 Schlagworte: Rückschnitt, Baum, Ausnahmegenehmigung Entscheidungsgründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 11 K 14.1766 Im Namen des Volkes Urteil vom 12. März 2015 11. Kammer Sachgebiets-Nr. 1023 Hauptpunkte: Ausnahmegenehmigung zum Kürzen von Ästen, die über das Dach der Klägerin hängen; keine nicht beabsichtigte Härte Rechtsquellen: In der Verwaltungsstreitsache ... - Klägerin bevollmächtigt: Rechtsanwalt ... gegen ... - Beklagte bevollmächtigt: Rechtsanwälte ... wegen Rückschnitt eines Baumes FlNr. ... und ... Gemarkung ... erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 11. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2015 am 12. März 2015 folgendes Urteil: I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand: Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung für eine Einkürzung des Überhangs der Eiche auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ..., soweit dieser über die nördliche Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Klägerin ragt. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ... Auf dem Nachbargrundstück auf FlNr. ... befindet sich in etwa 3,40 m Abstand zur Grundstücksgrenze der Klägerin eine Eiche. Die Eiche steht gegenüber dem Hauseingang der Klägerin. Am 24. Februar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Genehmigung des Rückschnitts des Überhangs der Eiche über dem Haus und dem Grundstück der Klägerin. Am 19. Februar 2013 sei ein Rückschnitt durch die Nachbarn durchgeführt worden. Der Überhang sei aber nicht entfernt worden. Aufgrund der überhängenden Äste der Eiche werde die Dachrinne verstopft. Es befänden sich Moos und Eicheln auf dem Dach. Sie müsse das Laub entsorgen. Der Gehweg zum Haus werde durch das Laub rutschig. Außerdem würden die Äste herabfallen. Dies stelle eine Gefahr für sie dar. Am 26. April 2013 besichtigte ein Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde die Situation. Nach einem Vermerk könnte der Rückschnitt der Schleppen um ca. 2 m zugelassen werden mit dem Ziel, die nach unten hängenden Schleppen zu entlasten. Ein Rückschnitt in der Höhe könne nicht zugelassen werden. Mit Bescheid vom ... Juni 2013 erteilte die Beklagte den Eigentümern des Baumes die Genehmigung, an der Eiche die nach unten hängenden Äste, die sich über dem Grundstück der Klägerin befänden, fachgerecht um ca. 2 m einzukürzen. Schnittmaßnahmen an den nördlichen lebenden Kronenteilen der Eiche blieben verboten. Mit Schreiben vom 7. August 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass den Nachbarn genehmigt worden sei, nach unten hängende Äste des Baumes um 2 m einzukürzen. Weitere Maßnahmen seien aufgrund der bereits erfolgten Schnittmaßnahmen im Februar nicht möglich. Mit Schriftsatz vom 3. März 2014 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass bei Wind und bei Schneefall Bruchgefahr der Äste bzw. durch herabfallendes Totholz bestehe und dass deswegen eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben der Klägerin beim Betreten des Hauses und eine Sachgefahr für das Hausdach der Klägerin bestehe. Der genehmigte Rückschnitt um 2 m reiche nicht aus, um die Gefahr zu beseitigen. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom ... März 2014 lehnte die Beklagte die beantragte Befreiung von der Baumschutzverordnung ab. Laub und Fruchtfall seien natürliche Lebensäußerungen von Bäumen. Im gesamten Wohngebiet gebe es große Altbäume in der direkten Nachbarschaft von Häusern. Die Eiche sei durch Rückschnitte im Februar 2013 erheblich beeinträchtigt worden. Kronenpflegerische Maßnahmen seien deshalb auf ein Mindestmaß zu beschränken, bis die Eiche sich von dieser Beeinträchtigung erholt habe. Es sei davon auszugehen, dass dies mehrere Jahre dauern werde. Abgestorbene Äste (Totholz) dürften laut Baumschutzverordnung auch ohne Genehmigung fachgerecht entfernt werden. Das Totholz sei nach Aussage eines Zeugen entfernt worden. Die im Bescheid vom ... Juni 2013 genehmigten Maßnahmen seien bisher noch nicht durchgeführt worden. Sie seien genehmigt worden, um die Belichtungs- und Belüftungssituation auf dem Grundstück zu verbessern und Eichel- und Laubfall im baumverträglichen Maß zu vermindern. Die Beklagte könne für die Durchführung weiterer Einkürzungen von den Verboten der Baumschutzverordnung derzeit nicht befreien. Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob am 25. April 2014 Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom ... März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Befreiung von den Verboten der Baumschutzverordnung zu erteilen und eine Einkürzung des Überhangs der Eiche auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ..., soweit dieser über die nördliche Grundstücksgrenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. ... rage, zuzulassen. Im Herbst knallten Eicheln auf das Hausdach des Anwesens und rollten geräuschvoll herab, was die Klägerin in ihrer Nachtruhe störe. Zudem bestehe eine Sachgefahr für das Dach der Klägerin durch herabfallende Äste. Da der Hauszugang und die Haustüre sich direkt unter dem Überhang der Eiche befänden, bestehe durch abbrechende und herunterfallende Äste Gefahr für Leib und Leben der Klägerin. Am 28. März 2014 hätten die Baumeigentümer die Eiche, wie von der Beklagten genehmigt, einkürzen lassen. Dieser Rückschnitt beseitige jedoch in keiner Weise die geschilderte Gefährdung der Klägerin und die Sachgefahr. Durch die Einkürzung hätte sich die Statik des Baumes in der Weise geändert, dass er auf Seiten des Grundstücks der Baumeigentümer leichter und auf der Seite des Grundstücks der Klägerin schwerer geworden sei. Mit weiteren Schriftsätzen vom 26. August 2014 und 23. Februar 2015 führte der Bevollmächtigte der Klägerin aus, dass es der Klägerin um einen sicheren Zugang zum Haus gehe. Er legte außerdem ein Gutachten von 1983 vor, wonach der Rückschnitt empfohlen wurde. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2014, die Klage abzuweisen. Mit weiteren Schriftsätzen vom 2. Juni 2014 und 23. Februar 2015 führte die Bevollmächtigte der Beklagten aus, Gefährdungen für Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum der Klägerin durch herabfallende Äste bestünden nicht. Eine solche Gefährdung ginge allenfalls von abgestorbenen Ästen (Totholz) aus, deren fachgerechtes Ausschneiden ohnehin von den Verboten der Baumschutzverordnung ausgenommen sei. Die Beklagte habe im Februar und April 2013 den Baum vor Ort besichtigt und festgestellt, dass die Eiche in ihren Kronenteilen vital sei. Dies habe auch der Fachberater der Unteren Naturschutzbehörde bestätigt. Auch habe sich die Statik des Baumes durch den rechtswidrigen Rückschnitt des Baumes an seiner Nordseite nicht wesentlich geändert. Die Eiche sei bruch- und standfest. Es stelle sich so dar, dass die Eiche genauso viel oder genauso wenig gefährdet sei, bei einem Sturm oder Unwetter umzustürzen wie ein sonstiger Baum dieser Gattung mittlerer Art und Güte. Die allgemeine Gefahr des Umstürzens eines Baumes oder des Abbruchs einzelner Äste bei Sturm reiche indes nicht aus, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Baumschutzverordnung zu bejahen. Diese Gefahr bestehe als allgemeines Lebensrisiko nämlich für jeden Baum, unabhängig davon, ob er krank oder gesund sei. Wolle man dagegen der Ansicht der Klägerin folgen, lägen die Voraussetzungen für die Fällung eines Baumes in nahezu jedem Einzelfall vor, weil immer die Gefahr bestehe, dass ein Baum bei extremen Witterungsbedingungen Personen- oder Sachschäden mit sich bringen könne. Die Kammer hat am 12. März 2015 durch Einnahme eines Augenscheins Beweis über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Klägerin sowie in dessen Umgebung erhoben. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Augenschein verwiesen. In der an den Augenschein sich anschließenden mündlichen Verhandlung wiederholten die Beteiligten die schriftsätzlich gestellten Anträge. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom ... März 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Einkürzung des Überhangs der Eiche, soweit dieser über die nördliche Grundstücksgrenze des Grundstücks der Klägerin ragt (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen eine Genehmigung erteilt werden kann, liegen nicht vor. Ein Anspruch nach § 6 Abs. 1 Nr. 8 der Baumschutzverordnung der Gemeinde ... vom 11. Januar 2005 besteht nicht, da der Fachberater der Unteren Naturschutzbehörde mitgeteilt hat, dass der Baum nicht krank ist. Auch die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Baumschutzverordnung liegen nicht vor, da das Verbot nicht zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führt. Das Herabfallen des Laubes, der Äste und der Eicheln bedeutet zwar einen nicht unerheblichen Entsorgungsaufwand. Er führt aber nicht zu unzumutbaren Belastungen der Klägerin. Durch das rechtzeitige Entsorgen des Laubes usw. kann auch einer Rutschgefahr und dem Verstopfen der Dachrinne begegnet werden. Der Fachberater der Unteren Naturschutzbehörde hat im Augenschein mitgeteilt, dass der Baum vital ist und von ihm nicht mehr Gefahren z. B. bei einem Sturm ausgehen als bei ähnlichen Bäumen diesen Alters. Totholz darf laut § 4 Abs. 3 Satz 2 Baumschutzverordnung entfernt werden. Die Eigentümer sind für die fachgerechte Pflege des Baumes verantwortlich. Die Klägerin müsste gegebenenfalls zivilrechtlich gegenüber den Eigentümern des Baumes vorgehen. Die Gefahr des Abbruchs von Ästen ist hier nicht größer als bei anderen Bäumen und unterliegt daher dem allgemeinen Lebensrisiko. Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte liegt demnach nicht vor. Hier führt nach den Aussagen des Fachberaters für Naturschutz wegen der Vorschädigung des Baumes der beantragte Rückschnitt zu einer so großen Schädigung des Baumes, dass eine Erlaubnis quasi einer Fällgenehmigung entspräche, da mit einem Absterben des Baumes zu rechnen ist. Daher kommt eine Befreiung auch unter Abwägung der öffentlichen Belange, nämlich des Schutzes der Natur, nicht in Betracht. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO. Rechtsmittelbelehrung: Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist. Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen. Beschluss: Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 29.1 des Streitwertkatalogs). Bei einer Klage auf Erteilung einer Fällgenehmigung wäre der Auffangwert, nämlich Euro 5.000,-, anzusetzen. Da hier nur das Einkürzen von Ästen beantragt wurde, wurde nur die Hälfte des Auffangwertes angesetzt. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.