„Gottesdienst“ aus biblisch

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„Gottesdienst“ aus biblisch
Gott feiern - mitten im Leben
„Gottesdienst“ aus biblisch-theologischer Sicht
Die übliche Bezeichnung: „Gottesdienst“ vermittelt nicht gerade Glücksgefühle. Und
auch das durchschnittliche Erleben eines typischen Sabbatgottesdienstes mag nicht
immer zu gefühltem Glück verhelfen. Bleibt also nur Frust statt Freude oder gar
Verzweiflung statt Fröhlichkeit? Hängen wir an einem vorgegebenen Formalismus
statt dass uns verholfen wird zu bewegender Feier?
Offen gesagt: Ich habe keine theologische Einmal-Medizin für erkrankte oder
erschlaffte Gottesdienste. Und ich kenne keine biblische Einheits-Methodik, welche
die zunehmend gefühlte Krise des Gottesdienstes zum Verschwinden bringt.
Biblisch-theologisch scheint eindeutig: eine vorgegebene, eindeutige Antwort auf die
Frage nach dem ‚richtigen’ adventistischen bzw. christlichen Gottesdienst gibt es
nicht. Vielmehr bietet die Bibel unterschiedliche Modelle und Möglichkeiten für das,
was wir „Gottesdienst“ nennen, und schon das biblische Zeugnis beinhaltet
verschiedene Normen und Formen für dessen Gestaltung.
Schauen wir uns die biblischen Beispiele im Überblick an:
1. Der alttestamentliche Tempelgottesdienst mit seinen Riten und Zeremonien als
Veranschaulichung des Heils, dessen der Mensch bedarf und das Gott gnädig
schenkt; hier sind Priester und andere Kult’beamte’, einschließlich der Musiker, im
Vollzug aktiv - die Gemeinde nimmt ‚nur’ teil. Als inhaltlichen Grund-Text kann man
1.Kön.8,1-30.52-66 lesen.
2. Der Synagogengottesdienst des Judentums in biblischer Zeit (ca. 300vChr 100nChr) mit Lesung der Tora als Weisung Gottes für das Leben, sowie mit Lehre
und Lehrern; die Gemeinde wird einbezogen in das Erleben: Buße und Fasten, aber
auch Fest und Feier gehören dazu; inhaltlich näher beschrieben finden wir das in
Neh. 8,1-12.
3. Der Gottesdienst der Christusgemeinden der Frühzeit: a) als Zusammenkunft
zur gemeinschaftlichen Mahlfeier mit deutendem Wort (1.Kor.11,17-34); b) als
geschwisterliche Versammlung: geleitet vom Geist Gottes – aktuell, persönlich,
vielfältig - und vom Wort Gottes, bekenntnishaft-traditionell, gemeinschaftlich,
vielgestaltig in den Formen (1.Kor. 14,23-32).
Aus den biblischen Beispielen kann man Gutes entnehmen; trotzdem muss ich
theologisch einsehen und eingestehen: es gibt keinen ‚Norm’- oder
‚Normal’gottesdienst, weder in der Christentums-Geschichte noch in der Bibel.
Dennoch macht es Sinn und bringt es geistlichen Gewinn, sich diesbezüglich mit der
Bibel zu beschäftigen. In der Frage nach der Grundlage von „Gottesdienst“ geht es
um sein Wesen, seine Wirklichkeit und Wahrheit von seinem Kern her; so wird das
Gesamtverständnis von Gottesdienst in biblisch-theologischer Perspektive erarbeitet.
Wichtig ist die Erkenntnis: Gottesdienst ist nicht eine bloße ‚Sachfrage’; vielmehr geht
es um unser Erleben in einem ganzheitlichen und tiefgründig verstandenen Sinn:
Gottesdienst ist Ausdruck des Lebens in der Gemeinschaft von Mitmenschen
mit Ausrichtung auf Gott bzw. in Zugehörigkeit zu ihm;
er vollzieht sich unter Bezugnahme bzw. in Bezogenheit auf die Gesellschaft,
in der wir leben und von der wir ein Teil sind.
Christlicher Gottesdienst auf biblischer Grundlage zeigt eine vierfache Bezogenheit
und verbindet diese zu einer erlebten und gelebten Einheit. Er ist …
1. bezogen auf Christus: ausgedrückt in der Kern-Botschaft der Bibel, im
Evangelium Gottes (1.Kor 2,2; 3,11; Eph. 2,4-9); - die geistliche Dimension im
engeren Sinne; der Glaube als vertrauensvolle ‚Hingabe’ des Lebens an Gott (Röm
12,1f), Geist-bewegt (Röm 8,14-17).
2. bezogen auf die Gemeinde: ausgedrückt als Gemeinschaft der Glaubenden und darum prinzipiell einladend, für ‚jede(n)’ verständlich und also offen gestaltet;
das geschwisterliche Element; diakonisch-seelsorgerliches Wirken; Liebe als Haltung
und Verhalten der Mitmenschlichkeit (Röm. 13,8-10).
3. bezogen auf die Welt: ausgedrückt im Dienst an der Mitwelt und Umwelt,
ausgelebt im Alltag des Christseins; die gesellschaftliche Dimension im eigentlichen
Sinne; Liebe als karitatives Verhalten: verbindliches, werte-orientiertes und
verantwortliches Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung des
menschlichen Lebensraums (Mt. 5; 2.Petr. 1,5-7).
4. bezogen auf die Ewigkeit: ausgedrückt als Vollendungserwartung des Glaubens;
das Zukunfts-Element für Mensch und Welt; die Hoffnung auf Vollendung durch und
bei Gott (Röm. 5,1-5; 8,17.18ff).
Alle vier Aspekte sollen im Gottesdienst in mehrfacher Weise ‚Raum’ greifen:
zur Begegnung: vielfach, vielgestaltig, viel-dimensional;
zum Erleben von ‚Innen’ und ‚Außen’: im eigenen Ich, ausgerichtet auf das Du
des anderen und erlebt als Wir-Erfahrung.
zur Gestaltwerdung: Gottes Geist bzw. das Geistliche gewinnt Gestalt in uns;
das Menschliche/Mitmenschliche gewinnt Gestalt bei uns; das Leben, unsere
eigene Geschichte und Gegenwart mit Richtung Zukunft, gewinnt Gestalt in
unserer Mitte.
Unsere besondere Aufgabe besteht darin, den Gottesdienst so zu gestalten, dass
darin Gottes Heilsgabe an uns Menschen erlebt werden kann: Glaube
(Vertrauen/Treue), Liebe und Hoffnung (1.Kor. 13,13) wollen wirksam und wahr
werden.
Sie sind uns von Gott
geschenkt und anvertraut: im Zuspruch des
Evangeliums und des Segens (Eph.1,3-14), erlebbar zusammengefasst in der
geistlichen Feier des Christus-Mahls (1.Kor.11,23-26).
Sie werden von uns als „dankend empfangen“ quittiert: im Bekenntnis, im
Lobpreis und Zeugnis, in Wort und Gesang, in Gebet und Gespräch (Kol.
3,16f), zutiefst erlebbar in der geschwisterlichen Gemeinschaft am Tisch des
Herrn (Apg. 2,46f).
Sie werden von uns angewandt, ‚erprobt’ und (aus)‚geübt’ in Gemeinschaft,
Zeugnis und Dienst (Apg. 2,42; Gal. 5,6; 6,2.9f).
So wird unser Gottesdienst Ausdruck des (Glaubens-)Lebens, zum Heil und zum
Wohl der Menschen und in und über allem: zur Ehre Gottes (Eph. 3,14-21); und so
dient er dem Leben: er feiert Gott - mitten im Leben.
Klaus Schmitz