Welche Bedürfnisse entstehen bei PalliativpatientInnen während
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Welche Bedürfnisse entstehen bei PalliativpatientInnen während
Welche Bedürfnisse entstehen bei PalliativpatientInnen während des Sterbeprozesses im häuslichen Umfeld und welche Rolle nimmt die Pflegeperson in Bezug auf die Erfüllung dieser Bedürfnisse ein? Bachelorarbeit 2 zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science in Health Studies (B.Sc.) eingereicht von Elena Anna Herbst Matrikelnummer: 1210654107 Betreuer: Prof. Dr. Wilfried Schnepp Wien und Wiener Neustadt, am 29.05.2015 Kurzfassung Ein Großteil der Menschen in Österreich wünscht sich, zu Hause sterben zu können. Die Begründung hierfür liegt unter Anderem in der Geborgenheit, die wir in unserem gewohnten Umfeld, unserem zu Hause verspüren. Mit der Wahl des Sterbeortes und dem bevorstehenden Tod entstehen bei PalliativpatientInnen unterschiedlichste Bedürfnisse. Diese gehen weit über die Kontrolle von auftretenden Symptomen hinaus und liegen zu einem wesentlichen Teil auch in psychischen, emotionalen und sozialen Bereichen. Um diese Bedürfnisse wahrnehmen und erfassen zu können, ist es für die Pflegeperson wichtig, Zeit zu haben, empathisch zu sein und mit allen Betroffenen ehrliche Gespräche zu führen. Die Bedürfnisse von zu Pflegenden sind so individuell wie die Menschen selbst. Es liegt also an den Pflegepersonen sowie allen Beteiligten, sich auf die jeweilige Situation mit allen Ressourcen und Limitationen einzulassen, um den Betroffenen ein möglichst würdevolles, selbstbestimmtes Sterben ermöglichen zu können. Abstract The majority of terminally ill patients in Austria wish to die at home. One justification for such a desire is the feeling of safety encountered in our usual environment - our home. Home patients facing impending death have numerous needs that go far beyond checking and treating occurring symptoms. These include mental, emotional and social requirements. Hence it is essential for professional caregivers to show true compassion for their patients as well as to establish an open and honest style of communication with them. Doing so will allow for identifying and choosing a treatment specifically tailored to the individual needs of palliative patients. The requirements of dying patients are as different as people themselves. It is up to the caregivers and the sick person to engage with the particular situation and all the included ressources and limitations to enable a dignified and self-determined death for the patient. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Problembeschreibung 1 1.2 Themenstellung 4 2 Methodik 1 2.1 Verwendete Suchbegriffe 1 2.2 Ein- und Ausschlusskriterien 2 2.3 Verwendete Datenbanken 2 2.4 Übersichtstabelle 4 2.5 Zusammenfassung des Prozesses der Literaturrecherche 11 2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse der Literaturrecherche 12 3 Sterben zu Hause – Bedürfnisse von PalliativpatientInnen 14 3.1 Palliativpflege „zu Hause“ 14 3.2 Bedürfnisse wahrnehmen 18 3.3 Bedürfnisse erfüllen 19 3.3.1 Unterstützung durch das soziale Umfeld 19 3.3.2 Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Autonomie 21 3.3.3 Lebensqualität 24 3.3.4 Kommunikation 26 3.3.5 Würde 32 3.4 Die Rolle der Pflegeperson 33 4 Resümee 36 5 Literatur 39 6 Anhang 45 6.1 Lebenslauf 45 6.2 Expertinnengespräch 47 6.2.1 Einleitung 47 6.2.2 Inhalte des Expertinnengesprächs 48 6.2.3 Resümee 50 „Es macht schutzbedürftige Menschen so verletzlich, dass sie glauben, sie wären eine Last für die anderen. Die Antwort ist eine bessere Betreuung der Sterbenden, um sie zu überzeugen, dass sie immer noch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind.“1 Cicely Saunders. Krankenpflegerin, Sozialarbeiterin und Ärztin. 1 Zitiert nach: Näf-Hofmann/Näf, 2011, S. 6. 1 Einleitung Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Studiums „Gesundheits- und Krankenpflege“ am Campus Rudolfinerhaus in Kooperation mit der Fachhochschule Wiener Neustadt erstellt. Sie wurde während des 6. Semesters geschrieben und baut auf die Bachelorarbeit 1 aus dem 5. Semester auf, im Rahmen derer, eine umfassende Literaturrecherche und ein ExpertInnengespräch durchgeführt und die Fragestellung, sowie das Konzept für diese Arbeit, entwickelt wurden. Thema der Bachelorarbeit 1 ist die Pflege und Betreuung von PalliativpatientInnen, die im häuslichen Umfeld sterben möchten. Ziel der Arbeit war, anhand einer systematischen Literaturrecherche einen Überblick über die vorhandene Literatur zu geben, Schwerpunkte der Forschung herauszuarbeiten und eine Fragestellung für die Bachelorarbeit 2 zu entwickeln. Im Zuge der Literaturrecherche konnte festgestellt werden, dass Themen, die sich auf konkrete Handlungen und Interventionen beziehen, für diesen bislang tabuisierten und wenig studierten Bereich, doch sehr gut erforscht sind. Dies sind Themen, wie beispielsweise die Symptomkontrolle in der Sterbephase. Themen, die weniger stark auf eine spezifische Intervention abzielen, sind dagegen nur wenig umfassend bearbeitet. Es gibt aktuell wenig Literatur zum individuellen Empfinden von PalliativpatientInnen. Durch die besondere Vulnerabilität dieser PatientInnengruppe und des eher niedrigen Forschungsstandes zum Thema, ergab sich für die Autorin die Forschungsfrage zur Bachelorarbeit 2. 1.1 Problembeschreibung Im folgenden Kapitel soll beschrieben werden, warum Menschen zu Hause sterben möchten und welche Bedürfnisse hinter diesem Wunsch stehen. Weiters werden kurz die Entwicklung der modernen Palliativversorgung und ihre zwei Hauptbegründerinnen erläutert, sowie die Hauptaufgabe in der Betreuung sterbender Menschen dargestellt. Ein Großteil der Bevölkerung wünscht sich zu Hause, im gewohnten Umfeld sterben zu können, doch es sterben rund 90% der Menschen in Institutionen (in 1 Krankenhäusern (60%), Pflegeeinrichtungen (30%) und in Hospizen).2 Etwa 80% der Menschen, die tatsächlich zu Hause versterben, werden von Angehörigen gepflegt. 3 Weiters wird es, aufgrund der demographischen Entwicklung in Österreich, zunehmend mehr ältere und alte Menschen und damit auch PalliativpatientInnen geben.4 „Langfristig niedrige Fertilität sowie die stetig steigende Lebenserwartung führen dazu, dass ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung in den hohen Altersgruppen zu finden ist. In den letzten Jahren wird dieser Prozess von einem Rückgang der Gesamtbevölkerung begleitet, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Da die Bevölkerung vor allem in den jungen Altersgruppen schrumpft, wird sich langfristig und unausweichlich das zahlenmäßige Verhältnis junger zu alter Menschen ändern, was wiederum zu gravierenden Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme Allgemeinen und auf das Gesundheitswesen im Speziellen führen wird.“ im 5 Daraus ist zu schließen, dass es in Zukunft mehr Menschen geben wird, die professionelle Palliativversorgung benötigen und somit auch zunehmend mehr PatientInnen einer palliativen Versorgung zu Hause bedürfen. Hinzu kommt, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Trend zu einer privaten und persönlichen Pflege im häuslichen Umfeld hin abzeichnet. „Während der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Betreuung von Patienten[Innen] in der Terminalphase zunehmend vernachlässigt. Gründe für diese Entwicklung waren sowohl Veränderungen von Haltungen in der Gesellschaft als auch die Überbetonung der technisierten Medizin als Ausdruck eines Glaubens an die Segnungen rein naturwissenschaftlich begründeten Denkens und Handelns.“6 Anfang der 1960er Jahre entstand eine durch Elisabeth Kübler-Ross und Cicely Saunders begründete Gegenbewegung, die Mitmenschlichkeit, Kommunikation und Ethik wieder mehr ins Zentrum der pflegerischen Tätigkeiten rückte und auch die 2 Vgl.: Kulbe, 2010, S. 3. Vgl.: Schneider et al., 2006, S. 12. 4 Vgl.: Statistik Austria, 2012. 5 Günster et al., 2012, S. 3. 6 Husebø/Klaschik, 2009, S. 1 f. 3 2 Angehörigen der Betroffenen stärker implizierte. Priorisiert wurden auch Themen wie Autonomie und Würde der PalliativpatientInnen und die Haltung, dass palliative Versorgung an allen Orten stattfinden könne, auch an dem Ort, den PalliativpatientInnen „zu Hause“ nennen.7 „Die Begleitung, Betreuung und Versorgung schwer kranker und sterbender Menschen gehört zu den Kernaufgaben der Pflege.“8 Doch nicht nur die Erfüllung des Wunsches bezüglich des Sterbeortes, sondern auch darüber hinausführende Bedürfnisse, sollten im Sinne der zu Pflegenden beachtet und bestmöglich erfüllt werden, denn die Erfüllung der Bedürfnisse bedingt laut Aulbert et al. die Lebensqualität der Betroffenen. Husebø und Klaschik bezeichnen die Linderung von Leid und die Schaffung von Lebensqualität sogar als Hauptaufgaben in der Versorgung von PalliativpatientInnen.9 „The intention with the PHT10 is to minimize patient and family suffering by delivering effective, individualized palliative care, to support the patient’s wish to stay at home as long as possible and to maintain an acceptable level of QoL11.“12 Doch wie ist es möglich, Lebensqualität zu erhalten oder zu steigern, wenn das Lebensende kurz bevorsteht? Laut Aulbert et al. ist Lebensqualität die Fähigkeit zur optimalen Bedürfnisbefriedigung13. Doch die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ist im Sterbeprozess oft durch schwere Krankheiten beeinträchtigt, weshalb es Aufgabe der Pflegenden wird, die Bedürfnisse der PatientInnen bestmöglich zu erfüllen. 14 Meuret beschreibt im Vergleich dazu vier Grundbedingungen für eine hohe Lebensqualität. Diese sind: optimale Therapie der 7 Vgl.: Husebø/Klaschik, 2009, S. 2. Pleschberger et al., 2005, S. 15. 9 Vgl.: Husebø/Klaschik, 2009, S. 3. 10 PHT: palliative homecare teams. 11 QoL: quality of life. 12 Melin-Jahansson et al, 2009, S 244. 13 Aulbert et al., 2012, S. 13. 14 Vgl. dazu auch: Selbstfürsorgetheorie nach Orem; „[...] Orem [geht] von der Selbstfürsorgekompetenz des Menschen aus und stellt sein Streben und die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen, in den Mittelpunkt ihres Denkens.“ Erst, wenn der Betroffene seine Bedürfnisse nicht mehr selbst erfüllen kann – also ein Selbstfürsorgedefizit entsteht, wird professionelle Pflege ihres Erachtens nach notwendig. (Schaeffer et al., 2008, S. 85) 8 3 somatischen Beschwerden, empathische und praktisch helfende Begleitung, Aufrechterhaltung der Hoffnung und Leben am Ort, den der Kranke wünscht.15 Um die Lebensqualität der PalliativpatientInnen erhalten oder steigern zu können, ist das Wissen um deren individuelle Bedürfnisse Voraussetzung. 1.2 Themenstellung In diesem Abschnitt sollen zentrale Begriffe und die Begründung der Fragestellung erläutert werden. Aus den genannten Punkten des Kapitels Problembeschreibung, ergibt sich die Relevanz für Pflegepersonen, sich mit den Bedürfnissen von PalliativpatientInnen auseinanderzusetzen, um eine umfangreiche palliative Betreuung möglich zu machen. Die Begriffe Palliativpflege oder palliative Betreuung werden in dieser Arbeit synonym und im Sinne der aktuellen Definition von „Palliative Care“ der WHO verwendet. „Palliative care is an approach that improves the quality of life of patients and their families facing the problem associated with life-threatening illness, through the prevention and relief of suffering by means of early identification and impeccable assessment and treatment of pain and other problems, physical, psychosocial and spiritual. […] will enhance quality of life, and may also positively influence the course of illness [...].“16 Während eine kurative Behandlung auf Heilung ausgerichtet ist, wird in der Palliativversorgung versucht, Beschwerden zu lindern und Geborgenheit und Wärme zu vermitteln.17 Das Wort „palliativ“ leitet sich von dem spätlateinischen Wort „palliare“ ab, was „mit einem Mantel bedecken“ bedeutet.18 Rein aus der Abstammung des Wortes, ergeben sich einige Handlungskonsequenzen und eine Grundhaltung für professionell Pflegende. Palliativpflege ist die ... 15 Meuret, 2008, S. 31. WHO, 2002. 17 Vgl.: Pschyrembel, 2012, S. 1550. 18 Vgl.: Duden, 2015. 16 4 „Versorgung von Pat. mit inkurablen, weit fortgeschrittenen u. progredienten Krankheiten mit dem Ziel, deren Lebensqualität u. die Selbstbestimmung so weit wie möglich zu erhalten, zu fördern u. zu verbessern u. ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer gewohnten Umgebung, in Hospizen od. auf Allgemeinstationen in Krankenhäusern zu ermöglichen.“19 Das Wort Hospiz stammt von dem lateinischen Wort „hospitium“ ab und bedeutet Herberge.20 Mit diesem Begriff werden Eigenschaften wie Gastfreundschaft, Freundlichkeit und Großzügigkeit assoziiert.21 In diesen Einrichtungen wurden (und werden bis heute) kranke und sterbende Menschen gepflegt und auf ihrem Leidensweg begleitet. Der Sterbeprozess selbst gliedert sich in mehrere Phasen, wobei ein Rückschritt in die vorangehende Phase, sowie das rasche Durchleben oder auch Überspringen einer Phase möglich ist. Palliativpflege befasst sich mit der Pflege von Menschen ab dem Einsetzen von ersten Zeichen des nahenden Todes, bis hin zum Eintritt des Todes und mit der Vorsorgung und Pflege der verstorbenen PatientInnen. „Es gilt zu lernen, Palliative Care [...] für Sterbende am Ende des Lebens ebenso als Inhalt und Aufgabe des eigenen Berufs zu begreifen, wie beispielsweise die spezielle Pflege Neugeborener oder Wöchnerinnen zu Anfang des Lebens. Ganzheitliche Pflege beinhaltet geboren werden und sterben als natürliche Aspekte im menschlichen Leben.“22 Die Begriffe „sterbender Mensch“ und „PaliativpatientIn“ werden im Hinblick auf ein psychologisches Verständnis des Sterbeprozesses verwendet. Diese Begriffe werden im Sinne der folgenden Definition eingesetzt: „Psychologisch ist ein Mensch dann als Sterbender zu bezeichnen, wenn er objektiv vom Tod bedroht ist und er sich dieser Todesbedrohung soweit bewusst ist, dass sie sein Erleben und Verhalten bestimmt.“23 19 Vgl.: Pschyrembel, 2012, S. 1551. Vgl.: Duden, 2015. 21 Vgl.: Kränzle et al., 2014, S. 4. 22 Kulbe, 2010, S. 4. 23 Seel/ Hurlig, 2001, o.S.; zitiert nach Nagele/ Feichtner, 2009, S. 43. 20 5 Selbst, wenn eine lebensverkürzende Diagnose gestellt wird oder das Ende des Lebens aufgrund hohen Alters nahe bevorsteht, haben PatientInnen noch das Recht, kompetent versorgt zu werden. Um den Buchtitel von Heller et al. zu zitieren: „Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun.“24 Die WHO definiert Gesundheit als Fehlen von Krankheit, als Zustand körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.25 Demnach geht es in der Palliativpflege nicht rein um die Kontrolle von Symptomen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch um eine psychosoziale und emotionale Betreuung des sterbenden Menschen, um eine allumfassende Versorgung sicherzustellen. Im Rahmen der Literaturrecherche zur Bachelorarbeit 1 zeigte sich, dass es viel Literatur zum Thema Symptomkontrolle, aber kaum zum Thema Bedürfnisse von sterbenden Menschen, zu deren individuellem Erleben gibt. Daher stellte sich der Autorin die Frage, welche Bedürfnisse PalliativpatientInnen, abgesehen von der Linderung von körperlichen Symptomen, haben und welche Fähigkeiten eine Pflegeperson haben muss, um diese Bedürfnisse wahrnehmen und erfüllen zu können. Daraus ergab sich für diese Arbeit das Thema: Welche Bedürfnisse Sterbeprozesses im entstehen häuslichen bei PalliativpatientInnen Umfeld und welche während Rolle des nimmt die Pflegeperson in Bezug auf die Erfüllung dieser Bedürfnisse ein? 24 25 Heller et al., 2007. Vgl.: WHO, 2003. 6 2 Als Methodik Grundlage dieser Arbeit wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Um möglichst aktuelle und qualitätsvolle wissenschaftliche Literatur heranziehen zu können, wurde in den wichtigsten pflegerelevanten Datenbanken recherchiert. Um die Nachvollziehbarkeit der Recherche zu gewährleisten, werden die verwendeten Suchbegriffe, Ein- bzw. Ausschlusskriterien und Datenbanken angeführt. Die getroffene Literaturauswahl wird in einer Übersichtstabelle dargestellt und der Prozess, sowie die Ergebnisse der Literaturrecherche werden beschrieben. 2.1 Verwendete Suchbegriffe Für die Suche nach wissenschaftlicher Literatur, in den unter 2.3 genannten Datenbanken und Katalogen, wurden folgende Suchbegriffe verwendet: „Sterben“: Textworte: dy*, terminal*, die*, death, Tod, Lebensende Schlagworte: End of life, terminally ill „Palliativ“: Textworte: palliativ* Schlagworte: Palliative Care, terminal care, end of life care „Zu Hause“: Textworte: home*, outpatient, extramural Schlagworte: Home care services „Bedürfnisse“: Textworte: need*, want*, requirement, satisfaction Schlagworte: satisfaction, needs assessment, psychosocial factors, emotional needs, decision making, information needs, patient attitudes, communication 1 „Patient“: Textworte: patient Schlagworte: terminally ill patients, attitude to death, patient attitudes 2.2 Ein- und Ausschlusskriterien Um die Suche zu präzisieren und auf relevante Ergebnisse einzugrenzen, wurden folgende Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt: Einschlusskriterien Inhaltliche Variablen Palliativpflege, und Phänomene: Bedürfnisse von PalliativpatientInnen Ausschlusskriterien: - Bevölkerungsgruppe: PatientInnen mit einem terminalen Krankheitsverlauf und deren Angehörige. Kinder, psychiatrisch und demenziell Erkrankte, Ehrenamtliche26 Setting (Umgebung): häusliches Umfeld Krankenhaus, medizinisch/pflegerische Einrichtungen Publikationsarten: Systematische Reviews, Metaanalysen, qualitative und quantitative Studien. Zeitraum: 2004 - 2014 - Sprache: deutsch, englisch - Kulturraum: Westl. Industriestaaten 2.3 - - Verwendete Datenbanken Für die systematische Literaturrecherche wurden die Datenbanken bibnet.org, Cinahl und Medline (über die Suchoberfläche Pubmed) genutzt. Des Weiteren wurde in den Katalogen der Universitätsbibliothek Wien, der Bibliothek der Medizinischen 26 Ehrenamtliche: In der Versorgung von sterbenden Menschen nehmen ehrenamtliche Helfer eine zentrale Rolle ein. Da sich die vorliegende Arbeit aber auf professionelle Pflege bezieht, wurden Ehrenamtliche aus den Kriterien für die Recherche ausgeschlossen. 2 Universität Wien und der Pflegefachbibliothek des Campus Rudolfinerhaus nach wissenschaftlicher und pflegerelevanter Literatur gesucht. 3 2.4 Übersichtstabelle In der folgenden Tabelle wird ein Überblick über die getroffene Auswahl an wissenschaftlicher Literatur und relevanter Aspekte des Themengebietes gegeben: AutorInnen, bibliografische Angaben Jah Personengrup r pe, Setting (Umfeld) Inhalt bzw. Ziel Methode, Land Studiendes ign ALLGEMEINES Ventura, A.D. / Burney, S. / 201 PalliativpatientI Brooker, J./ Fletcher, J. / 4 nnen und deren Ricciardelli, L.:Home-based Angehörige, palliative care: a systematic extramuraler literature review of the selfBereich reported unmet needs of patients and carers. In: Palliative Medicine 28 (5), S. 391-402. Beschreibung der Systematisc USA, unerfüllten Bedürfnisse von her Review Kanada, PalliativpatientInnen und Großbrit deren Angehörigen. annien, Niederla nde, Dänem ark, Australi en Törnquist, A./ Andersson, M./ 201 Pflegepersonen Edberg, A.-K.: In search of 3 , legitimacy – registered städtischer nurses’ experience of Raum, providing palliative care in extramuraler a municipal context. und In:Scandinavian Journal of intramuraler Caring Sciences 27 (3), S. Bereich 651-658. Erfahrungen von 20 Qualitative registrierten Studie Pflegepersonen in Bezug auf Legitimität und unklare Verantwortungsbereiche, bei der Palliativbetreuung von älteren Menschen im städtischen Bereich. Schwed en Wallerstedt, B./ Andershed, 200 Pflegepersonen B.: Caring for dying 7 , patients outside special extramuraler palliative care settings: Bereich experiences from a nursing perspective. In: Scandinavian Journal of Caring Sciences, 21 (1), S. 32-40. Erfahrungen von 9 Qualitative Pflegepersonen zur Studie Betreuung sterbender PatientInnen außerhalb palliativer Versorgungseinrichtungen. Schwed en Appelin, G./ Brobäck, G./ 200 6 Analyse der Erfahrungen Qualitative Berterö, C.: A 5 KrebspatientInn bei der palliativen Studie comprehensive picture of en, 6 Betreuung von palliative care at home from Angehörige, 6 Krebskranken, deren the people involved. In: Pflegepersonen Angehörigen und European Journal of , Pflegepersonen zu Hause. Oncology Nursing, 9 (4) ,S. extramuraler Vor- und Nachteile der 315-324. Bereich palliativen Betreuung im häuslichen Umfeld. Schwed en Gomes, B./ Higginson, I.J.: Factors influencing death at home in terminally ill 200 KrebspatientInn Begünstigende und 6 en in der hinderliche Faktoren für terminalen Systematisc 13 her Review untersc hiedlich 4 patients with cancer: systematic review. British Medical Journal, 2006:323, doi:10.1136/bmj.38740.61495 4.55. Phase, das Sterben zu Hause. e Länder, vor allem USA, Kanada, Großbrit annien, Australi en extramuraler Bereich Ahearn, D.J./ Nidh, N./ Kallat, 201 PalliativpatientI A./ Adenwala, J./ Varman, S.: 3 nnen, Offering older hospitalised extramuraler patients the choice to die in und their preferred place. In: intramuraler Postgraduate Medical Bereich Journal, 89 (1047), S. 20-24. Ermitteln der Anzahl an Quantitative England PatientInnen, die in Studie Krankenhäusern sterben, obwohl andere Alternativen vorliegen, und von Faktoren, die das Krankenhauspersonal unterstützen könnten, den Wünschen der PatientInnen in Bezug auf den Sterbeort zu erfüllen. Ellingsen, S.; Roxberg, A.; 201 PalliativpatientI Kristoffersen, K.; Rosland, J. 2 nnen H.; Alvsvag, H.: Entering a World with No Future. A phenomenological study describing the embodied experience of thime when living with severe incurable disease. In: Scandinavian Journal of Caring Scinces, 27, S. 165-174, doi: 10.1111/j.14716712.2012.01019.x. Die Studie beschreibt das Qualitative Verhältnis und das Studie Empfinden von PalliativpatientInnen zur Zeit. Es wird erläutert, dass nicht mehr die Uhr, sondern der Körper die Zeit vorgibt und wie sich PalliativpatientInnen dabei fühlen, die Zeit von Anderen (z.B. Pflegepersonen) in Anspruch zu nehmen. Norweg en Palliativversorgung zu Hause versus Krankenhaus bzw. Hospiz Luijkx, K.G./ Schols, 201 8 Wahrnehmung der J.M.G.A.: Perceptions of 1 KrebspatientInn Palliativversorgung im terminally ill patients and en und jeweils häuslichen Umfeld und in family members regarding 1 stationären Hospizen. home and hospice as Familienmitglie places of care at the end of d, life. In: European Journal of extramuraler Cancer Care 20 (5), S.577und 584. intramuraler Bereich. Qualitative Studie Gomes, B./ Calanzani, N./ 201 PalliativpatientI Gysels, M./ Hall, S./ 3 nnen in der Higginson, I.J.: terminalen Heterogeneity and changes Phase, in preferences for dying at extramuraler home: a systematic review. und Bio Medical Central Palliative intramuraler Care,12 (7),doi: Bereich. 10.1186/1472-684X-12-7. Systematisc 33 her Review untersc hiedlich e Länder, vor allem USA, und Europa Präferenz bezüglich des Sterbeortes und deren Veränderungen mit dem Fortschreiten der Erkrankung. Niederla nde 5 Peters L./ Sellick, K.: Quality 200 KrebspatientInn of life of cancer patients 6 en in der receiving inpatient and terminalen home-based palliative care. Phase, In: Journal of Advanced extramuraler Nursing 53 (5), S. 524-533. und intramuraler Bereich Unterschied in der Lebensqualität zwischen stationärer und häuslicher Palliative Care. Quantitative Australi Studie en Jocham, H.R./ Dassen, T./ 200 KrebspatientInn Widdershoven, F.G./ Middel, 9 en im B./ Halfens, R. : The effect of Endstadium, palliative care in home care extramuraler and hospital on quality of und life. In: Journal of Hospice & intramuraler Palliative Nursing 11 (2), S. Bereich 119-126. Einschätzung der Quantitative Deutsch Lebensqualität und deren Studie land Unterschied zu Hause und im Krankenhaus. Bell, C.L./ Somogyi-Zalud, E.: 201 PalliativpatientI Masaki, K.H.: Factors 0 nnen, Associated with extramuraler Congruence Between und Preferred and Actual Place intramuraler of Death. In: Journal of Pain Bereich and Symptom Manage 39 (3), S. 591–604. Die Studie beschreibt Faktoren die das Sterben am gewünschten Ort begünstigen. Gomes, B; Higginson, I. J.: 200 PalliativpatientI Home or Hospital? Choices 4 nnen at the end of life. In: Journal of the Royal Society of Medicine, Vol. 97, Nr. 9. Die Studie befasst sich mit Systematisc Großbrit der Frage nach dem her Review annien, Sterbeort von Wales PalliativpatientInnen und der Begründung für die Wahl des Ortes. Systematisc 18 her Review Studien: 7 USA, 3 Großbrit annien, 4 Kanada, jeweils eine Studie aus Schwed en, Australi en, Taiwan und Italien Effekt/ Kosteneffizienz Shepperd, S./ Wee, B./ 201 PalliativpatientI Strauß, S. E.: Hospital at 1 nnen, home: home-based end of Angehörige, life care. In: Cochrane extramuraler Database of Systematic Bereich Reviews, 7:CD009231, doi: 10.1002/14651858.CD00923 1. Einfluss von palliativer Versorgung zu Hause auf den Sterbeort, PatientInnenzufriedenheit, Zufriedenheit von Angehörigen, Symptomkontrolle und Kosten. Metaanalys 4 e Studien: 2 USA, 1 Norweg en, 1 Großbrit annien Angehörige 6 Hunstad, I./ Svindseth, M. F.: 201 PartnerInnen Challenges in home-based 2 von palliative care in Norway: a PalliativpatientI qualitative study of nnen, spouses' experiences. In: extramuraler International Journal of Bereich Palliative Nursing 17 (8), S. 398-404. Sichtweise von pflegenden Qualitative Angehörigen auf die Studie Faktoren, die die Versorgungsqualität am Lebensende beeinflussen. Norweg en Clemmer, S.J./ Ward-Griffin, 200 Angehörige, C./ Forbes, D.: Family 8 Familie, members providing homeextramuraler based palliative care to Bereich older adults: the enactment of multiple roles. In: Canadian Journal on Aging 27 (3), S. 267-283. Die Studie untersucht die Qualitative verschiedenen Rollen, die Studie pflegende Familienmitglieder bei der palliativen Versorgung ihrer Angehörigen übernehmen. Kanada Stajduhar, K.I./ Davies, B.: 200 Angehörige, Variations in and factors 5 Familie, influencing family extramuraler members' decisions for Bereich palliative home care. In: Palliative Medicine 19 (1), S. 21-32. Beschreibung der Qualitative Veränderungen und Studie beeinflussenden Faktoren in der Entscheidung über die palliative Versorgung zu Hause. Kanada Carlander, I./ Sahlberg-Blom, 201 Angehörige, E./ Hellström, I./ Ternestedt, 1 Familie, B.M.: The modified self: extramuraler family caregivers' Bereich experiences of caring for a dying family member at home. In: Journal of Clinical Nursing 20 (7/8), S. 10971105. Erfahrungen von Angehörigen über die Pflege eines sterbenden Familienmitgliedes zu Hause. Schwed en Qualitative Studie Weber, M./ Claus, M./ Zepf, 201 Angehörige von Bedürfnisse und Quantitative Deutsch K. I./ Fischbeck, S./ Escobar 2 PalliativpatientI Erfahrungen von Studie land Pinzon, L. C.: Dying in nnen, Angehörigen in Germany - unfulfilled needs verschiedenen Settings, extramuraler of relatives in different care und Unterschiede innerhalb der settings. In: Journal of Pain intramuraler Settings. and Symptom Management Bereich 44 (4) , S. 542-551. Fisker, T./ Strandmark, M.: 200 PartnerInnen Experiences of surviving 7 von spouse of terminally ill PalliativpatientI spouse: a nnen, phenomenological study of extramuraler an altruistic perspective. In: Bereich Scandinavian Journal of Caring Sciences, 21, S. 274281. Erfahrungen von 8 Qualitative überlebenden Studie Angehörigen, die gegenüber ihren PartnerInnen das Versprechen einhielten, während Krankheit und Tod zu Hause sein zu können. Schwed en Kreyer, C./ Pleschberger, S.: 201 Familie, Um Normalität in einer 4 extramuraler instabilen Situation ringen: Bereich Selbstmanagement von Familien in der Palliative In der Studie werden das Qualitative Erleben in der Familie in Studie der Palliative Care zu Hause und deren Selbstmanagementstrategi Schwed en, Kanada, Australi en, 7 Care zu Hause – eine Metasynthese. In: Pflege; 27 (5), S. 307-324, doi: 10.1024/1012-5302/a000378. Stajduhar, C.I./ Funk, L./ Toye, C./ Grande, G.E./ Aoun, S./ Todd, C.J.: Part 1: Home-based family caregiving at the end of life: a comprehensive review of published quantitative research. In: Palliative Medicine, 24 (6), S. 573–593, doi: 10.1177/0269216310371412. Funk, L./ Stajduhar, C.I./ Toye, C./ Aoun, S./ Grande, G.E./ Todd, C.J.: Part 2: Home-based family caregiving at the end of life: a comprehensive review of published qualitative research. In: Palliative Medicine 24(6), S. 594–607, doi: 10.1177/0269216310371411. Grande, G. E.; Farquhar, M. C.; Barclay, S. I. G.; Todd, C. J.: Caregiver Bereavement Outcome: Relationship With Hospice at Home, Satisfaction With Care, and Home Death. In: Journale of Palliative Care 20:2, 2004, S. 69-77. en beschrieben. 201 Pflegende 0 Angehörige, extramuraler Bereich 201 Pflegende 0 Angehörige, extramuraler Bereich Lettland , Schottla nd, USA Die Studie befasst sich mit Quantitative Kanada, dem wechselnden Kontext Studie Australi der Palliativpflege innerhalb en, eines Jahrzehnts (1998Großbrit 2008) und berücksichtigt annien dabei besonders die Wichtigkeit der Forschung im Bereich Pflege von Angehörigen im häuslichen Umfeld. Die Studie befasst sich mit Quantitative Kanada, der Rolle von pflegenden Studie Australi Angehörigen am en, Lebensende der Großbrit PatientInnen, sowie mit den annien Forschungsergebnissen in Bereichen wie Entscheidungsfindung, Sinn und Bewältigung. 200 Angehörige von Die Studie geht der Frage Quantitative Großbrit 4 PalliativpatientI nach, was alles für Studie annien nnen, PalliativpatientInnen getan und welche Bedürfnisse extramuraler ihnen erfüllt werden Bereich können, um den Verlust für deren Angehörige erträglicher machen zu können. Less, C.; Mayland, C.; West, 201 Angehörige und Die Studie beschreibt Qualitative A.; Germaine, A.: Quality of 4 Pflegepersonen Ergebnisse zu Erfahrungen Studie end-of-life care for those von von Angehörigen und who die at home: views and PalliativpatientI Pflegepersonen unter experiences of bereaved nnen, Verwendung der „Care of relatives and carers. In: the Dying Evaluation“. extramuraler International Journal of Bereich Palliative Nursing, Vol. 20, No 2. Großbrit annien Bedürfnisse Cotterell, P.: Striving for 200 PalliativpatientI independence: experiences 8 nnen. and needs of service users extramuraler with life limiting conditions. und In: Journal of Advanced intramuraler Nusring 62(6), S. 665-673, Bereich doi: 10.1111/j.13652648.2008.04638.x. Die Studie beschäftigt sich Qualitative mit unterschiedlichen Studie Bedürfnissen von Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen; Unabhängigkeit wird als allumfassendes Thema beschrieben. Unabhängigkeit und der Einfluss von Serviceleistungen auf das Erleben von PatientenInnen mit Großbrit annien 8 lebensbegrenzenden Erkrankungen stehen im Fokus der Studie. McIlfatrick, S.: Assessing 200 PalliativpatientI Die Studie befasst sich mit Qualitative palliative care needs: views 6 nnen,Pflegende der Einschätzung von Studie of patients, informal carers Angehörige, Bedürfnissen von and healthcare Pflegepersonen PalliativpatientInnen. Die professionals. In: Journal of Hauptthemen sind: soziale extramuraler Advanced Nursing 57(1), S. und psychologische und 77-86, doi: 10.1111/j.1365Unterstützung, finanzielle intramuraler 2648.2006.04062.x. Sorgen und das Bedürfnis Bereich nach Information und Wahlmöglichkeit. Irland Law, R.: ‚Bridging worlds’: 200 PalliativpatientI meeting the emotional 9 nnen und deren needs of dying patients. In: Angehörige, Journal of Advanced Nursing extramuraler 65(12), S. 2630-2641, doi: Bereich 10.1111/j.13652648.2009.05126.x. Großbrit annien „District nurses“ agieren als Qualitative Überbrücker der 2 Studie Lebenswelten von PalliativpatientInnen – der „dying world“ und der „outside world“. Um eine Isolation in der „Sterbewelt“ zu vermeiden, wird versucht, emotionale Bedürfnisse zu erfüllen. PatientInnenenzufriedenheit / Lebensqualität Melin-Johansson, C./ 201 KrebspatientInn Axelsson, B./ Gaston0 en, Johannson, F./ Danielson, E.: extramuraler Significant improvement in Bereich quality of life of patients with incurable cancer after designation to a palliative homecare team. In: European Journal of Cancer Care 19 (2), S. 243-250. Ziel dieser Studie ist es, die Quantitative Schwed Lebensqualität von Studie en KrebspatientInnen vor und nach Palliative Care zu Hause zu beschreiben. Brumley, R./ Enguidanos, S./ 200 PalliativpatientI Jamison, P.; Seitz, R./ 7 nnen, Morgenstern, N./ Saito, S./ extramuraler McIlwane, J./ Hillary, K./ Bereich Gonzalez, J.: Increased satisfaction with care and lower costs: results of a randomized trial of in-home palliative care. In: Journal of the American Geriatrics Society 55 (7), S. 993-1000, doi: 10.1111/j.15325415.2007.01234.x Vergleich zwischen Quantitative USA palliativer Studie Hauskrankenpflege und herkömmlicher Hauskrankenpflege hinsichtlich Kosten, PatientInnenenzufriedenhei t und Wahrscheinlichkeit zu Hause zu sterben. PatientInnenerfahrung McWilliam, C.L./ WardGriffin, C./ Oudshorn, A./ Krestick, E.: Living while dying/dying while living: older clients' 20 08 KrebspatientI nnen über 65 Jahren, extramuraler Die Studie befasst sich mit dem Erleben der PatientInnen bezüglich der (Sozio-) Kultur ihrer Palliativversorgung zu Qualitati ve Studie Kanad a 9 sociocultural experience of home-based palliative care. In: Journal of Hospice & Palliative Nursing 10 (6), S. 338-349. McPherson, C.J./ Wilson, K.G./ Murray, M.A.: Feeling like a burden: exploring the perspectives of patients at the end of life. In: Social Science & Medicine, 64 (2), S. 417427. 20 07 Bereich Hause und der besonderen Komplexität der Versorgungssituation. Palliativpatien tInnen, extramuraler und intramuraler Bereich Ziel der Studie ist ein besseres Verständnis über die Belastungen am Lebensende aus Sicht der PatientInnen. Qualitati ve Studie Kanad a 10 2.5 Zusammenfassung des Prozesses der Literaturrecherche In diesem Kapitel soll der Verlauf des Suchprozesses zusammengefasst werden, um die in 2.4 angeführte Literaturauswahl nachvollziehbar zu machen und transparent darzustellen. Die systematische Literaturrecherche, nach den bereits erwähnten Suchbegriffen und Ein- bzw. Ausschlusskriterien, ergab eine große Menge an wissenschaftlicher Literatur, die Teilaspekte dieser Arbeit behandeln. Aktuell gibt es aber nur sehr wenige Studien, die sich mit dem Empfinden, den Bedürfnissen oder Wünschen von PalliativpatientInnen befassen. Ein Großteil der vorhandenen Literatur hat unterschiedliche Assessmentinstrumente zum Thema, mit denen Bedürfnisse oder Wünsche erhoben werden. In diesen Studien werden auch unterschiedliche Bedürfnisse aufgezählt, aber nicht näher bearbeitet. Es liegt nur sehr wenig Literatur vor, die verschiedene Bedürfnisse von sterbenden Menschen bearbeitet und darstellt, warum Menschen gewisse Bedürfnisse haben, welche Wünsche oder Ängste dahinter stecken und wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können. Aufgrund der Besonderheit von Bedürfnissen von Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen, wurden jene, die sich mit nur einer spezifischen Erkrankung befassen, wie beispielsweise COPD, Herzinsuffizienz oder Nierenversagen ausgeschlossen. Ziel der Arbeit war es, möglichst allgemein Bedürfnisse von PalliativpatientInnen zu beschrieben und nicht Bedürfnisse hinsichtlich spezieller pflegerischer oder medizinischer Interventionen. Studien, die sich explizit mit KrebspatientInnen befassen, wurden in die Auswahl miteinbezogen. „[...] there is growing evidence that those with non-cancer life-limiting conditions have similar palliative care needs.“27 Des Weiteren wurden Publikationen, die sich mit Personen mit einer demenziellen Erkrankung beschäftigen, ausgeschlossen. Nach diesem Vorgehen blieben noch über 50 Studien in der engeren Auswahl. Von diesen wurden nach der Begutachtung der Abstracts 33 in die Literaturauswahl 27 Cotterell, 2008, S. 665. 11 übernommen. Ausgewählt wurden aufgrund der derzeitigen Datenlage nicht nur Studien, die sich explizit mit den Bedürfnissen von sterbenden Menschen befassen, sondern auch jene, die dieses Thema implizit behandeln. Den qualitativ hochwertigsten und aussagekräftigsten Studien wurde der Vorzug gegeben. Es wurde darauf Wert gelegt, eine repräsentative Auswahl zu treffen, die das breite Spektrum des Themas abbildet. Prinzipiell wurde die Auswahl auf Publikationen der letzten 10 Jahre begrenzt. In einzelnen Fällen (bei sehr aussagekräftigen Studien) wurde aber auch ältere Literatur in die Übersicht aufgenommen. Bei den 33 Studien, die zu einer vertiefenden inhaltlichen Analyse herangezogen wurden, handelt es sich sowohl um qualitative, als auch quantitative Studien, systematische Reviews und Meta-Analysen. Für das weitere Vorgehen wurden die Studien in die Themengebiete „Allgemeines“, „Palliativversorgung zu Hause versus Krankenhaus bzw. Hospiz“, „Angehörige“, „Effekt/Kosteneffizienz“, „Bedürfnisse“, „PatientInnenzufriedenheit/Lebensqualität“ und „PatientInnenerfahrung“ gegliedert. Der Großteil der übernommenen Literatur ist englischsprachig, nur eine deutschsprachige Studie fand den Weg in die Endauswahl. Jedoch wurden auch englischsprachige Publikationen aufgenommen, die sich auf den deutschsprachigen Raum beziehen. Bei der sonst gefundenen deutschsprachigen Literatur handelt es sich um Fachartikel oder kleinere Studien, welche die qualitativen Anforderungen für die Aufnahme in die Literaturauswahl nicht erfüllten. Dennoch war die deutschsprachige Literatur äußerst wertvoll, um einen Überblick über die Thematik zu bekommen und sich mit der Problemstellung auseinanderzusetzen. 2.6 Zusammenfassung der Ergebnisse der Literaturrecherche In diesem Abschnitt der Arbeit soll die getroffene Literaturauswahl näher beschrieben werden. Es wird vor allem Personengruppen, sowie auf auf inhaltliche Aspekte und verschiedene geographische Aspekte der angeführten Studien eingegangen. Ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Literatur zu Palliativpflege im Allgemeinen geht der Frage nach, an welchem Ort PatientInnen sterben wollen und welche Faktoren den Sterbeort beeinflussen. Dabei wird zu einem Großteil der Wunsch der PalliativpatientInnen, zu Hause sterben zu können, genannt. Aus der 12 Sicht sterbender Menschen wird vor allem auf die Fragen eingegangen, welche Auswirkungen Palliative Care im häuslichen Umfeld auf deren Lebensqualität hat und zu welchem Grad ihre Bedürfnisse erfüllt werden können. Ein wichtiger Teilaspekt dabei sind die Erfahrungen und das Erleben der Betroffenen. Wünsche und Bedürfnisse werden anhand von Assessmentinstrumenten aufgezählt, aber selten tiefergehend bearbeitet. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Literaturrecherche kann festgestellt werden, dass neben den sterbenden Menschen selbst, vor allem deren Angehörige im Fokus der Forschung stehen. Der Großteil der Literatur zum Thema „Angehörige“, befasst sich mit den Erfahrungen und/oder den Bedürfnissen von EhepartnerInnen, Verwandten oder Familien von sterbenden Menschen. Was daraus zu resultieren scheint, dass die Zeit des Sterbens eine sehr labile Phase für die PatientInnen ist und die Angehörigen über den Tod hinaus zu Befragungen zur Verfügung stehen. Sieben Studien befassen sich mit dem Vergleich von palliativer Versorgung zu Hause und der Versorgung in stationären Einrichtungen. Sie beschreiben die Auswirkungen hinsichtlich Lebensqualität, Symptomkontrolle, und der Wahrscheinlichkeit am gewünschten Ort zu sterben. Ein großer Teil der Studien bezieht sich auf den englischsprachigen Raum, besonders auf die USA, gefolgt von Kanada, Großbritannien und Australien. Innerhalb Europas stammen die wissenschaftlichen Publikationen, neben Großbritannien, zu einem großen Teil aus skandinavischen Ländern, wobei hier Schweden an erster Stelle liegt. Aus dem deutschsprachigen Raum erfüllen nur drei Studien aus Deutschland die Kriterien für die Aufnahme in die Literaturauswahl. Allgemein kann festgestellt werden, dass die Thematik für KrebspatientInnen wesentlich besser erforscht ist, als für Nicht-KrebspatientInnen oder alte Menschen. 13 3 Sterben zu Hause – Bedürfnisse von PalliativpatientInnen In diesem Kapitel sollen die Gründe für Menschen, zu Hause sterben zu wollen, erläutert und die daraus resultierenden psychischen, sozialen und emotionalen Bedürfnisse beschrieben werden. Weiters wird die Rolle der Pflegeperson in diesem Zusammenhang dargestellt und zusammengefasst, welche Aufgaben professionell Pflegende über die rein technischen Fertigkeiten hinaus besitzen müssen, um PalliativpatientInnen kompetent und umfassend pflegen zu können. 3.1 Palliativpflege „zu Hause“ Im folgenden Abschnitt soll erläutert werden, warum Menschen die Entscheidung treffen, zu Hause zu sterben und welche Bedürfnisse hinter diesem Wunsch stehen. „Die Realität zeigt [jedoch], dass die Menschen vorwiegend in Institutionen (90%) sterben: Krankenhäusern (60%), Pflegeeinrichtungen (30%) und neuerdings in Hospizen.“28 „Dabei wünschen sich die meisten Menschen früher wie heute, zu Hause in vertrauter Umgebung mit bekannten Menschen zu sterben.“29 „Die wenigsten sterben so, wie es sich alle wünschen: schnell und ohne viel Leiden. Idealerweise zu Hause bei vertrauten Menschen. Keiner möchte Schmerzen haben, keiner lieblos im Mehrbettzimmer eines Krankenhauses oder einsam, abgeschoben im Pflegeheim sterben.“30 Daraus lässt sich schließen, dass hinter dem Wunsch, zu Hause zu sterben, das Bedürfnis nach Geborgenheit, Vertrautheit und Liebe steht. 28 Kulbe, 2010, S. 3. Ebenda S. 3. 30 Ebenda, S. 2. 29 14 „Zu unserer Umwelt gehört auch unser Eigentum, das gewissermaßen Bestandteil unserer selbst ist. Das Haus, das Zimmer und die eingefahrenen Lebensgewohnheiten werden vom Menschen als eine Art Schutz verstanden und kommen dem Bedürfnis nach Geborgenheit entgegen. Gerade dieses Bedürfnis ist für Menschen in gesundheitlichen Krisen oder in der letzten Lebensphase ein wichtiger Punkt, der den Wunsch im eigenen Heim zu bleiben prägen kann.“31 Diesbezüglich schreiben Gomes und Higginson: „For many people, home is more than a physical space; it represents familiarity, the presence of loved ones, and the possibility of enjoying “normal” life— reasons why well over half of people with a progressive illness want to die at home.“32 Doch alleine der Wunsch, ist laut der vorhandenen Literatur, nicht der einzige Einflussfaktor für eine Entscheidungsfindung. Gomes und Higginson haben weiters 17 Faktoren, die die Wahl des Sterbeortes beeinflussen, beschrieben: „The most important factors linked to dying at home are patientsʼ low functional status, patientsʼ preferences, use and intensity of home care, living arrangements, and extended family support.“ 33 Hinsichtlich der familiären Unterstützung bezüglich des Sterbens zu Hause, schreiben Kreyer und Pleschberger: „ [...] dass dieser Wunsch dann realisiert werden kann, wenn ein familiäres Netzwerk zur Verfügung steht.“34 Es wird somit deutlich, dass tatsächlich zu Hause sterben zu können, weit über diesen Wunsch hinausgeht und viele unterschiedliche Faktoren und Personen 31 Lauf, 2012, S. 77. Gomes/Higginson, 2006, S. 1. 33 Vgl.: Gomes/Higginson, 2006, S. 2 ff. 34 Kreyer/Pleschberger, 2014, S. 307. 32 15 miteinschließt. Als ein wichtiger Beweggrund zur Entscheidung zu Hause zu sterben, kann auch die Angst vor dem Alleinsein und sozialer Isolation genannt werden. In der letzten Lebensphase in einem gewohnten Umfeld zu sein, gibt Menschen das Gefühl von Verbundenheit. „Eine der größten Sorgen der Patienten aber ist die Furcht, in der letzten Zeit des Lebens allein zu sein, sozial isoliert zu sein. Seneca, der römische Philosoph, hat es auf den Punkt gebracht: „Das größte aller Übel ist, aus der Zahl der Lebenden zu scheiden, ehe man stirbt.“.“35 Als übergreifendes Thema in Bezug auf die Bedürfnisse von sterbenden Menschen, bezeichnet Cotterell in seiner Arbeit 2008 wiederum die Unabhängigkeit der palliativen PatientInnen. Er beschreibt ein Spannungsfeld von PalliativpatientInnen zwischen dem Akzeptieren von Pflege und Unterstützung und dem Bedürfnis nach Kontrolle und Entscheidungskraft.36 „You become sort of dependent and they take over a bit (social service carers) because youʼre not really well enough to be in control and fight for what you want. I like to be independent. [...] (P05.MS).37 Unabhängigkeit – wie auch immer sie individuell definiert wird, verbinden viele Menschen stark mit Lebensqualität. „One of the most important goals in palliative care is to provide the best possible quality of life (QoL) to patients until the time of death according to the World Health Organization (2002).“38 Alleine subjektiv empfundene Unabhängigkeit macht aber noch nicht hohe Lebensqualität aus. Es stellt sich nunmehr die Frage, was ist Lebensqualität? Welche 35 Maisel; zitiert nach: Begemann, 2010, S. 48. Cotterell, 2008, S. 668. 37 Ebenda, S. 668. 38 Melin-Johansson, et al., 2009, S. 243. 36 16 Variablen führen dazu, dass Menschen Lebensqualität empfinden? Und wie kann die Pflegeperson Lebensqualität für PatientInnen schaffen oder erhalten? „Die WHO hat auch hier versucht, Ziele zu definieren für die Betreuung von Menschen mit zum Tode führenden Erkrankungen: Verbesserung der Lebensqualität des Patienten und seiner Familie durch Verhütung oder frühzeitige Behandlung von Schmerzen und anderen körperlichen, psychosozialen und spirituellen Problemen. Dabei sollte der Patient unterstützt werden, Sterben als normalen Prozess zu akzeptieren aber auch so aktiv wie möglich seinen letzten Lebensabschnitt gestalten zu können. Nicht Lebensverlängerung um jeden Preis, sondern Verbesserung der Lebensqualität des Patienten ist bei dieser Verschiebung von kurativer zu symptomlindernder Medizin zentrale Aufgabe.“39 Aktiv an Entscheidungen beteiligt zu sein und entscheiden zu können, wird in der Literatur mehrfach als Faktor für Lebensqualität und Bedürfnis von PalliativpatientInnen definiert. Auch McIlfatrick (2006) beschreibt die Notwendigkeit davon, eine Wahl zu haben und Informationen zu erhalten.40 Aulbert (2012) schreibt in Bezug auf Lebensqualität Folgendes: „Für den Versuch einer Begriffsbestimmung gibt es gute Gründe, der Lebensqualität eine Definition zugrunde zu legen, die Leistungsfähigkeit und Lebenszufriedenheit, d.h. eine dem eigenen Lebensplan entsprechende Daseinsgestaltung, beinhaltet. Medizinische Voraussetzungen für beides ist ein möglichst beschwerdefreies Leben, ökonomische Voraussetzung ein möglichst von finanziellen Sorgen freier Lebensstandard. Je mehr die Erwartungen an das Leben von der tatsächlichen Realsituation abweichen, desto schlechter ist die empfundene Lebensqualität.“41 Aulbert spricht damit einen weiteren relevanten Punkt in der Planung palliativer 39 Maisel; zitiert nach: Begemann, 2010, S. 48. Vgl.: WHO, 2002. McIlfatrick, 2006, S. 77. 41 Aulbert, 2012, S. 13. 40 17 Pflege an: die finanziellen Ressourcen.42 Die Finanzierung von häuslicher Pflege stellt für PatientInnen mitunter ein wesentliches Problem dar. – 3.2 Bedürfnisse wahrnehmen Um die Bedürfnisse von sterbenden Menschen erfüllen zu können, müssen diese von der Pflegeperson zu allererst wahrgenommen und erkannt werden. In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie professionell Pflegende die Bedürfnisse ihrer KlientInnen erfassen können. „Die Gesellschaft gibt die Rahmenbedingungen vor, die sich in einem allgemein gültigen Konzept von Sterben und Tod widerspiegeln. Zum hedonistischen gesellschaftlichen Leitbild für Lebensglück gehören Perfektion, Erfolg, Besitz, Wohlergehen und Genuss. Diese Haltung ist verbunden mit der Tendenz , die Kontinuität des Lebens in verschiedene Abschnitte mit unterschiedlicher Wertung zu zergliedern: Diejenigen Lebensabschnitte, welche die gesellschaftlichen Vorgaben erfüllen, werden, die Szene beherrschend, in den Vordergrund gerückt. Sterben und Tod, Ereignisse, in denen die moderne Lebensauffassung scheitert, werden hinter den Kulissen des modernen Lebens versteckt und ‚tabuisiert’.“43 Doch mit der ‚Tabuisierung’ des Themas Sterben, wird dem Betroffenen nicht geholfen, sondern er wird mit seinen Gefühlen alleine gelassen. Aber selbst wenn die Themen Tod und Sterben unangenehm und schwierig sind, ist es wichtig, offen und ehrlich mit den PatientInnen darüber zu sprechen.44 „Die eigene emotionale Beteiligung ist jedoch die wesentliche Grundlage der Beziehung, die wir dem Patienten anbieten können.“45 42 In der Ausschusssitzung des Nationalrats am 16.12.2014 wurden unter anderem die unzureichende finanzielle Absicherung, sowie der Rechtsanspruch auf Palliativversorgung diskutiert. ExpertInnen forderten die Erweiterung finanzieller Mittel, die Sozialversicherung sei diesbezüglich gesprächs- und verhandlungsbereit. Grundlage dafür sei der Schutz der Menschenrechte. Vgl.: Parlament, Republik Österreich, 2014, http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2014/PK1230/index.shtml. Fraglich ist die konkrete Art der Finanzierung und die Auswirkung auf öffentliche Gelder, was Thema einer weiteren Arbeit sein könnte. 43 Meuret, 2008, S. 62. 44 Vgl.: Aulbert, 2012, S. 1037, ff. 45 Ebenda, S. 1039. 18 „Der eigene Umgang mit der Wahrheit und die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten und dem eigenen Tod sind entscheidende Faktoren in der Bewältigung dieser Herausforderung der supportiven Kommunikation. Wenn im Gespräch mit Todkranken vieles unausgesprochen bleibt, müssen wir uns immer die Frage stellen, ob der Patient wirklich nicht darüber sprechen will oder ob wir durch unser Verhalten das Gespärch blockieren. Nur wenn wir selbst Leiden und Sterben einbeziehen können, sind wir in der Lage, für den Patienten bei seiner Bewältigung des Sterbens hilfreich zu sein [2].“46 Nur durch eine einfühlsame und patientInnenorientierte Kommunikation kann die Pflegeperson die Bedürfnisse der PatientInnen wahrnehmen. Um eine vertrauensvolle Pflegebeziehung aufbauen zu können, ist die Kongruenz47 der Pflegeperson von besonderer Bedeutung.48 3.3 Bedürfnisse erfüllen Die bereits beschriebenen Bedürfnisse von PalliativpatientInnen sollen im folgenden Kapitel näher beschrieben werden. Es soll nunmehr auf die einzelnen Bedürfnisse eingegangen und die Erfüllung dieser erläutert werden. 3.3.1 Unterstützung durch das soziale Umfeld „Die Betreuung und Pflege von Menschen mit [Krebs-] Erkrankung am Lebensende zu Hause wird zu einem großen Teil in der Familie geleistet.“49 46 Ebenda, S. 1049. Kongruenz der Pflegeperson: Aufgrund des ausgeprägten Gespürs von sterbenden Menschen für Echtheit, schreibt Feichtner, sei es für Pflegepersonen von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung einer vertrauensvollen Pflegebeziehung, PatientInnen gegenüber kongruent, also „deckungsgleich“ in Bezug auf Sachinhalte und Verhalten zu sein. Es sei für die zu Pflegenden ein bedeutender Unterschied, ob sie von einem Menschen oder einer „menschlichen Fassade“ betreut würden. (Vgl.: Feichtner, 2014, S. 89.) 48 Feichtner, 2014, S. 89. 49 Kreyer/Pleschberger, 2014, S. 307. 47 19 Aufgrund dieser Tatsache ist es für die Pflege wichtig, nicht alleine die PatientInnen zu betreuen, sondern auch deren Angehörige. Der Begriff „Angehörige“ kann sehr eng nur auf Familienmitglieder beschränkt oder weiter definiert werden: „Als Angehörige im Sinne von ,zum Patienten gehörend’ gelten all jene, die in irgendeiner Form eine bedeutende oder entscheidende Rolle oder Funktion im Leben des Patienten ausübten, sei dies in verwandtschaftlicher, kollegialer, helfender, begleitender oder verursachender Form.“50 Auch die Definition nach der Bedeutung eines Menschen für KlientInnen ist möglich: „Entscheidend ist nicht die Art der Beziehung (Ehe, Freundschaft, Geschwister), sondern die Nähe und Intensität der Gefühle, die der Sterbende mit dem anderen teilt. Angehörige können daher als Vertraute verstanden werden.“51 PatientInnen sind mit ihren Angehörigen innerhalb eines individuellen sozialen Netzwerks verbunden, das ihnen während ihrer Erkrankung und im Sterben Sicherheit und emotionale Stabilität geben kann. Strittmatter beschreibt die Krankheit als destabilisierend und gefährdend für die Integrität des funktionierenden (Familien-) Systems. Daher sei es von großer Bedeutung, die Angehörigen in die Krankenbetreuung miteinzubeziehen und mitzubetreuen. Er schreibt: „Der familienzentrierte Interventionsansatz ist die logische Konsequenz auf die Überforderung des Kranken und der Angehörigen sowie der Belastung der Gesamtfamilie. Ziel ist es, den Sterbenden und seine Angehörigen bedarfsgerecht zu unterstützen, die Ressourcen des Familiensystems zu stärken und die Familie zu befähigen, zu einer konstruktiven Bewältigung finden zu können.“52 Strittmatter erklärt weiters die große Bedeutung einer engen Beziehung in Bezug auf das Wohlempfinden einer Person. Angesichts der Ressourcenknappheit sei das Einbeziehen von Angehörigen von hohem Wert. Pflegepersonen haben pro KlientIn 50 Fässler-Weibel; zitiert nach: Feichtner, 2014, S. 181. Kulbe; zitiert nach: Feichtner, 2014, S. 182. 52 Strittmatter; ziteirt nach: Aulbert et al., 2012, S. 1106. 51 20 nur eine gewisse, oft sehr begrenzte Zeitspanne zur Verfügung. PalliativpatientInnen brauchen allerdings über dieses Angebot hinaus Betreuung. Hier sollen die Angehörigen als Unterstützung für die zu Pflegenden miteinbezogen werden.53 „Patienten mit adäquater sozialer Unterstützung zeigen ein besseres Bewältigungsverhalten als Patienten mit Defiziten in sozialer Unterstützung [23]. Das Vorhandensein einer vertrauensvollen Beziehung ist mit besserer Lebensqualität assoziiert [84].“54 „Der Anteil der Menschen, die zu Hause sterben wollen, ist wie jüngste Umfragen zeigen ungebrochen hoch: in einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes waren es 66% der Befragten (Deutscher Hospiz- und Palliativverband, 2012.). [...] Die Sterbeortforschung zeigt aber deutlich, dass dieser Wunsch dann realisiert werden kann, wenn ein familiäres Netzwerk zur Verfügung steht [...].“55 3.3.2 Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Autonomie Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Autonomie werden in der Literatur mehrfach als zentrale Themen für PalliativpatientInnen beschrieben. Zur Erhaltung einer möglichst hohen Lebensqualität sei es unumgänglich, dass KlientInnen bestmöglich informiert werden und Entscheidungsfreiheit erfahren. „Palliative care and practitioners should focus on maximizing independence at both the individual an structural level. How services for those with life-limiting conditions are provided and relationships with health and social care staff can directly impact on an individual’s experience of independence, choice and control.“56 53 Ebenda, S. 1107. Ebenda, S. 1109. 55 Kreyer/Pleschberger, 2014, S. 307. 56 Cotterell, 2008, S. 665. 54 21 Doch wie ist es möglich, PatientInnen Entscheidungsfreiheit und Autonomie zu ermöglichen? Hierzu beschreiben Heimerl und Seidl die Notwendigkeit der Autonomie der Pflegeperson. Wenn die Pflegeperson autonom ist, sei es möglich, dies an PflegeempfängerInnen weiterzugeben. („Autonomie der Pflegenden soll Autonomie der Gepflegten zum Ziel haben.“57) „Um die Autonomie der PatientInnen zu fördern, geht es zunächst darum, ein autonomes Betreuungssystem herzustellen. Ein System ist dann als Ganzes autonom, wenn auch alle seine „Subeinheiten“ autonom sind. Am System Hauskrankenpflege sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – PatientInnen, Angehörige, Pflegepersonen, soziale Dienste und HausärztInnen beteiligt. Wenn die Betreuungspersonen selbst abhängig und unselbstständig sind, können sie die Selbstbestimmtheit der PatientInnen nicht fördern. Für die Förderung von Autonomie bei den PatientInnen sind also sowohl professionelle als auch organisationale Autonomie der Pflege in weitem Ausmaß bestimmend. Professionelle Autonomie in der Pflege bedeutet, dass die einzelnen Pflegepersonen in ihrem professionellen Handeln autonom sind. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Gesetzeslage, die selbstständige Entscheidungen der Pflegepersonen ermöglicht. Andererseits geht es auch darum, Organisationsstrukturen so zu gestalten, dass Entscheidungsfreiheit möglichst weit in die operative Ebene hinein gewährleistet ist (organisationale Autonomie, Kappler 1992).“58 Hieraus wird deutlich, dass nicht nur die persönliche Haltung der Pflegeperson eine entscheidende Rolle spielt, sondern auch die Strukturierung der Organisation einen großen Stellenwert einnimmt. In einem bestimmten Umfang kann eine Organisation mitbestimmen, welche Tätigkeiten eine Pflegeperson ausüben darf und welche nicht. Generell sind Art und Umfang von Handlungen allerdings im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz festgelegt. Um die Autonomie der PatientInnen optimal zu gewährleisten und zu fördern, wäre es im Sinne Heimerl und Seidls, dass die eigenund mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiche so definiert wären, dass es Pflegepersonen möglich ist, selbstständige Entscheidungen zu treffen. Nur dann könne diese Autonomie auch an die KlientInnen weitergegeben werden. 57 58 Heimerl/Seidl; zitiert nach Heller et al., 2007, S. 508. Ebenda, S. 508. 22 Die Fortschritte der modernen Medizin haben dazu geführt, dass Menschen trotz ihrer Erkrankungen oft noch lange am Leben erhalten werden können. Aus dieser Tatsache erwachsen zweierlei Gefühlswelten: einerseits Hoffnung und Zuversicht, dass es möglich ist, mit einer Erkrankung noch viele Jahre zu leben, andererseits Angst und Ungewissheit darüber, ob das Leben nicht (möglicherweise ungewollt) verlängert wird und sich ein Leidensweg dadurch mitunter sehr lang hinziehen kann.59 Hier stellt sich wieder die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der PatientInnen, nach deren Autonomie und Entscheidungsfähigkeit. Was darf jeder Mensch für sich selbst entscheiden? Betreuung, Behandlungen, medizinische und pflegerische Interventionen? Um ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen zu können, ist es für KlientInnen möglich, ihren persönlichen Willen im Voraus auf eine bestimmte Situation mittels einer PatientInnenverfügung festzulegen. In solch einer Verfügung können verschiedene Behandlungsoptionen ausgeschlossen und damit ein verlängertes Leiden und Sterben vermieden werden.60 Ein weiteres Thema, das mit der Angst vor Leid in Verbindung steht, ist Euthanasie. Der Wunsch nach Euthanasie, nach aktiver Sterbehilfe, beinhaltet den Wunsch nach einem leichten, schnellen und friedvollen Tod.61 Auch wenn die Erfahrung vieler Pflegepersonen zeigt, dass Menschen diesen Wunsch äußern und aktive Sterbehilfe für Betroffene ein Thema ist62, muss festgehalten werden, dass aktive Sterbehilfe in Österreich rechtswidrig ist. Dies bezieht sich auf „Tötung auf Verlangen“ (§77 StGB) und „Mitwirkung am Selbstmord“ (§78 StGB).63 Befürworter und Gegner der Euthanasie haben laut Frieß drei gemeinsame Anliegen: „Menschen sollen in Würde sterben können, unnötiges Leiden soll verhindert und der Wille des Sterbenden respektiert werden.“64 59 Vgl.: Kemper; zitiert nach: Begemann, 2010, S. 153. Vgl.: Feichtner, 2014, S. 238. 61 Vgl.: Husebø/Klaschik, 2009, S. 88. 62 Vgl.: Pichler, 2014, siehe Anhang: Expertinnengespräch. 63 Vgl.: www.ris.bka.gv.at 64 Frieß, 2008, S. 45. 60 23 3.3.3 Lebensqualität Wie in Kapitel 3.1. (Palliativpflege „zu Hause“) bereits beschrieben, ist die empfundene Lebensqualität von PalliativpatientInnen abhängig davon, wie sehr die aktuelle Lebenssituation von den persönlichen Erwartungen abweicht. Aulbert beschreibt weiters, dass es Ziel der Gesundheitspolitik ist, die Fähigkeit zur optimalen Bedürfnisbefriedigung zu erhalten (Prävention), beziehungsweise Einschränkungen in Bezug auf die Erfüllung von Bedürfnissen zu minimieren oder eliminieren (Rehabilitation) und somit die Erhaltung von Lebensqualität zu gewährleisten. Er setzt Lebensqualität mit der optimalen Bedürfnisbefriedigung gleich und nennt dies „Glück“.65 Doch an diesem Punkt stellt sich der Autorin die Frage, inwieweit an sterbende Menschen der Anspruch von „Glück“ gestellt werden darf. Kann „Glück“ in der Erwartung des Todes erreicht werden? Oder anders gefragt, dürfen wir von Sterbenden erwarten, das Gefühl von Glück zu empfinden und dies auszudrücken? „Unheilbare und lebensbedrohliche Erkrankungen mit ihren Behinderungen und Bedrohungen können sehr weite Kreise ziehen und physische, psychische, soziale und spirituelle Gleichgewichte (zer-)stören. Das Leiden kann für einige Kranke so unerträglich sein, dass sie den Tod suchen. Dennoch zeigt sich, dass man sich mit chronischen Beschwerden und Behinderungen einrichten kann, und früher oder später neue Gleichgewichte eingerichtet werden [...]. Hier liegen wesentliche Ansatzpunkte für therapeutische Hilfen. Viele Betroffene äußern, dass sie sich „eigentlich ganz gesund fühlen“ und man sich „an Schmerzen gewöhnen kann“. Man könnte dies als „bedingtes“ Gesundsein bezeichnen [...]. Es muss also konstatiert werden, dass zwar einerseits somatische Krankheitsmanifestationen zu Störungen seelischer und sozialer Gleichgewichte führen können, dass jedoch nicht jede körperliche Störung zwangsläufig mit Unzufriedenheit oder negativen Bewertungen verbunden ist.“66 Auch wenn nicht alle PatientInnen ihrer Krankheit positive Seiten abgewinnen können, so ist es doch möglich, den Aspekt der Lebensqualität in der Planung der 65 66 Vgl.: Aulbert, 2012, S. 13. Vgl.: Aulbert, 2012, S. 14. 24 Versorgung miteinzubeziehen. Beispielsweise in der Entscheidung, welche Maßnahmen durchgeführt und welche unterlassen werden sollen.67 Darin, zu begreifen, wie die Betroffenen sich selbst wahrnehmen, wie sie selbst Lebensqualität definieren, liegt allerdings die Schwierigkeit. Die Pflegeperson kann den PatientInnen zuhören und empathisch sein, doch nie allumfassend verstehen, was die PflegeempfängerInnen fühlen, wie ihr Erleben ist. „So sprechen wir über „Lebensqualität“, über Erträglichkeit und Unerträglichkeit mit Aussagen, die feststellen und Festlegungen treffen. Alle Festlegungen können zwar wohl begründet, aber niemals zureichend begründet sein, denn das, was widerfährt, ist immer mehr als das, was darauf zur Antwort gegeben wird. Somit öffnet sich eine Begründungslücke. Eine würdevolle Behandlung versucht, dieses Defizit überbrücken zu können.“68 Somit muss den Betroffenen zugestanden werden, dass ihre Situationen individuell und für alle Beteiligten trotz aller Bemühungen nicht nachvollziehbar sind. Alle in die Betreuung involvierten Personen können versuchen, die Lage, in der sich die zu Pflegenden befinden, begreifen zu können, doch da die betreuenden Personen nur beteiligt und nicht selbst betroffen sind, wird es immer bei dem Versuch der Nachvollziehbarkeit bleiben. Im Sinne Oldenkotts ist eine würdevolle Behandlung eine Möglichkeit, diese „Lücke“ zwischen der tatsächlichen Wirklichkeit der PatientInnen und der Perspektive der betreuenden Personen zu überbrücken. „Die Würdigung der individuellen Persönlichkeit“ wiederum ist laut Cohen et al. (1996) ein wichtiges Kriterium für Lebensqualität: „Lebensqualität ist das subjektive Erleben des persönlichen Gesamtbefindens. Beim terminal Krebskranken basiert sie auf der persönlichen Anpassungsfähigkeit an die gegebene Situation, auf der Qualität der Symptomkontrolle, der Begleitung, Eignung des Ambientes, Würdigung der individuellen Persönlichkeit samt der von Kranken geschätzten Gewohnheiten, seinen Wertvorstellungen, Wünschen und Hoffnungen. Eine gute Lebensqualität äußert sich in Wohlbefinden und Zufriedenheit.“69 67 Ebenda, S. 14. Oldenkott; zitiert nach: Gröschner et al., 2013, S. 262. 69 Cohen et al., zitiert nach: Meuret, 2008, S.31. 68 25 Es wird nunmehr deutlich, dass die empfundene Lebensqualität eine höchst individuelle Situation ist und nur vom betroffenen Menschen selbst definiert werden kann. „Quality of life is whatever the patient says it is.“70 In einer palliativen Situation ist es allerdings durchaus möglich, dass PatientInnen nicht mehr oder nicht ausreichend dazu in der Lage sind, persönliche Kriterien für Lebensqualität zu benennen. In Erachtung dessen, aber auch um bedürfnisorientiert pflegen zu können, muss die Frage nach den speziellen Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Person gestellt werden. „Wenn nicht Lebensverlängerung, sondern Verbesserung der Lebensqualität die Kernaufgabe der Palliativmedizin ist, dann bleibt die Frage: Was macht das Leben lebenswert in palliativer Situation?“71 „Es gilt daher, in einfühlsamen Gesprächen mit dem Patienten herauszufinden, was seine Wünsche und Ziele für die letzte Lebensphase sind.“72 3.3.4 Kommunikation In Anlehnung an das abschließende Zitat des vorangehenden Kapitels kann gesagt werden, dass die Kommunikation mit den PatientInnen die Voraussetzung dafür ist, Wünsche und Bedürfnisse in Bezug auf die aktuelle Situation und speziell auf die Gewährleistung einer möglichst hohen Lebensqualität zu definieren. „Die Kommunikation ist das Hauptwerkzeug unserer beruflichen Tätigkeit. Die Qualität des Betreuungsprozesses und der Pflegebeziehung sowie die Lebensqualität der PatientInnen und ihrer Angehörigen hängen zum 70 O’Boyle, zitiert nach: Begemann, 2010, S. 51. Maisel; zitiert nach: Begemann, 2010, S. 51. 72 Ebenda, S. 51. 71 26 überwiegenden Teil vom Gelingen einer guten Kommunikation ab, sie ist die Grundvoraussetzung dafür.“73 „Die Art und Weise, wie Kommunikation in der letzten Lebensphase verläuft, kann als entscheidende Größe für die Lebensqualität bezeichnet werden. Das gilt sowohl für die Betroffenen selbst als auch für deren Angehörige und Betreuenden. In Palliative Care geht es im wesentlichen darum, Bedarf, Bedürfnisse, Erleben, Entwicklung und Störungen zu erfassen, und soweit es möglich ist, gemeinsam Ziele und Handlungen zu entwickeln. Um geeignete Angebote machen zu können, benötigen alle Mitglieder des betreuenden Teams eine hohe kommunikative Kompetenz. Sie besteht darin, dass sich die Helfenden verständlich machen und der Mensch, der palliative Pflege braucht, trotz möglicher Störungen der Äußerungs- und Wahrnehmungsfähigkeit verstanden wird.“74 Während Gesprächen mit PalliativpatientInnen wird es immer wieder auch um deren Krankheit gehen. Doch aufgrund eigener Ängste oder dem Bestreben, die zu Pflegenden vor einer unangenehmen Wahrheit zu schützen, sind die Informationen die KlientInnen erhalten, nicht immer umfassend und ausreichend.75 „Aufklärung ist nicht nur eine Frage von Medizin und Ethik. Es ist auch eine Frage von Kultur, Tradition und Altersgeneration der Ärzte und Patienten. Wir beobachten in unserer Gesellschaft eine unaufhaltsame Entwicklung zu mehr Offenheit und Aufklärung. Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung und Autonomie stellen bei uns grundlegende Wertbegriffe dar. Diese Werte werden heute ganz anders verstanden als in früheren Generationen. Auch in der heutigen Zeit sind zwischen Großeltern, ihren Kindern und Enkelkindern erhebliche Unterschiede in der Auffassung und im Verständnis dieser Begriffe vorhanden.“76 Laut Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta), haben alle PatientInnen das Recht auf Selbstbestimmung und Information (Abschnitt 4). 77 73 Feichtner, 2014, S. 88. Pleschberger et al., 2005, S. 101. 75 Vgl.: Husebø/Klaschik, 2009, S. 147 ff. 76 Ebenda: S. 151. 77 http://www.ris.bka.gv.at, Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta), Abschnitt 4 74 27 „Sowohl die Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948) als auch Beschlüsse des Europarats unterstreichen das Selbstbestimmungsrecht eines jeden. Der Europarat geht in einem Dokument über das Recht des Sterbenden hinaus (Condrau 1991). In dem Dokument wird rechtsverbindlich für alle 12 Staaten des Europarates das Recht des Patienten auf Autonomie und Information festgehalten. Inzwischen sind [ist] das Recht des Patienten auf ausführliche und offene Information [...] in vielen Ländern gesetzlich verankert (Buckman 1996).“78 „Die Meinung, dass unheilbar Kranke die Wahrheit aus verschiedenen Gründen gar nicht wissen wollen, gilt heute als überholt und widerlegt. So vertrat Jaspers (1954) die Ansicht, dass die Kranken ihre [Krebs-] Diagnose nicht wirklich erfahren wollen. Falls sie das Gegenteil behaupteten, begehrten sie lediglich Beruhigung, nicht aber Wahrheit. Aus einer Vielzahl von Befragungen geht inzwischen jedoch eindeutig hervor, dass sich die allermeisten PatientInnen Offenheit hinsichtlich Diagnose, Therapie und Prognose ihrer Erkrankung wünschen (vgl. Husebö 2003, S. 128; Bucka-Lassen 2005, S. 217; Gestrich 2006, S. 97). Andeutungen und Fragen im Hinblick auf die Diagnose müssen ernst genommen werden. Leider werden trotzdem bis heute noch nicht alle PatientInnen über ihre Diagnose und über die Prognose ausreichend informiert.“79 PatientInnen haben somit das Recht darauf, dass wahrheitsgetreu mit ihnen gesprochen wird. Daher sollte eine kompetente Pflegeperson das Wissen bezüglich Wahrheit und Wahrhaftigkeit im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen in die Interaktion mit KlientInnen einbeziehen. Das österreichische Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz beinhaltet PatientInnenrechte in Bezug auf Informationen und beschreibt, dass... „ [...] Pfleglinge ihr Recht auf Aufklärung und Information über die Behandlungsmöglichkeiten samt Risiken ausüben und sich aktiv an den 78 79 Husebø/Klaschik, 2009, S. 151. Feichtner, 2014, S. 99. 28 Entscheidungsprozessen ihren Gesundheitszustand betreffend beteiligen können.“80 „Letzten Endes bleibt die Tatsache, dass der oder die Btroffene die Wahrheit ohnehin erfahren wird. Niemand kann einen anderen Menschen vor dem Wissen um den nahestehenden Tod „schonen“.“81 „Die Interaktion mit PatientInnen, den Angehörigen und Freunden stellt eine der zentralen Aufgaben der Pflegeperson in der Palliativpflege dar. Die Lebensqualität der PatientInnen ist am Lebensende vielfach gekennzeichnet durch physische Indikatoren der Befindlichkeit, wie Schmerzen, Übelkeit, wachsende körperliche Schwäche, zunehmender Verlust an Selbstständigkeit und Freiheit, sich die Lebensbedürfnisse individuell zu erfüllen. Psychische Zustände begleiten auf mannigfaltige Weise das mehr oder weniger lange Abschiednehmen vom Leben. Während der Zeit der Begleitung der PatientInnen entwickelt sich ein Interaktionsprozess, der ein gezieltes, reflektiertes Vorgehen der Pflegeperson erfordert. In Abhängigkeit vom Umfeld der PatientInnen sind die Angehörigen und Freunde sowie MitarbeiterInnen anderer Gesundheitsberufe, am Interaktionsprozess beteiligt. Gemeinsam bilden alle Beteiligten das Interaktionsnetz. Die Interaktion zwischen PatientIn und Pflegeperson kann nicht unabhängig von allen am Interaktionsnetz Beteiligten erfolgen. Die Qualität der Interaktion steht in deutlichem Bezug zur Bedeutung von Wahrheit und Wahrhaftigkeit, für alle am Interaktionsnetz beteiligten Individuen und deren Möglichkeiten zur Umsetzung.“82 Mit diesem Zitat wird deutlich, dass die Kommunikation mit PatientInnen nicht nur eine einseitig gerichtete Handlung, sondern wechselseitige Aktionen zwischen mehreren beteiligten Personen sind. Es kommt auch auf die Haltung und Gesprächsbereitschaft der zu Pflegenden an, damit gute Interaktionsprozesse und wertvolle Gespräche stattfinden können. Doch die Pflegeperson kann maßgeblich zur jeweiligen Haltung der Betroffenen beitragen und zwar mit dem eigenen Verhalten, mit dem Schaffen von Gesprächssituationen, dem Zeit nehmen für die 80 Vgl.: www.ris.bka.gv.at, 2015. Feichtner, 2014, S. 100. 82 Pleschberger et al., 2005, S. 112. 81 29 KlientInnen, dem aktiven Ansprechen von Ängsten und dem Aufbau einer vertrauensvollen Pflegebeziehung. „Some [district] nurses were unable to enter a patient’s inne, emotional daying world because there was insufficent time to develop a relationship. Patients were unable to disclose their emotional world: We had a patient who died, not long ago, and she was absolutely terrified of dying...She was such a very...quick prognosis and she went downhill very quickly. But...with us going in very frequently...and trying to get her to open up a bit so that she actually didn’d die frightened and...didn’t die in pain. But she wouldn’t talk, and that’s not really a good palliative situation.“83 Und auch McIlfatrick schreibt 2006 in ihrer Arbeit über „palliative care needs“: „The main areas of need identified by all participants were social and psychological support; financial concerns; and the need for choice and information.“84 Für eine offene, ehrliche und achtsame Gesprächsführung sind auch die bereits erwähnten Themen Wahrheit und Wahrhaftigkeit von Bedeutung. „Wahrheit ist die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird, in Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein. (...) Wahrhaftigkeit ist das Streben nach Wahrheit, die Übereinstimmung des Verhaltens und der Aussage eines Menschen mit seiner Überzeugung.“85 Wer aber die Entscheidung über den Wahrheitsgehalt von Aussagen trifft, ist laut Pleschberger et al. noch nicht definiert. In diesem Zusammenhang werden von den Autoren zwei wissenschaftliche Positionen erläutert: 83 Law, 2009, S. 2635. McIlfatrick, 2006, S. 77. 85 Bausewein et al.; zitiert nach: Pleschberger et al., 2005, S. 112. 84 30 Konstruktivismus: Hier wird davon ausgegangen, dass das Individuum selbst darüber entscheidet, welchen Wahrheitsgehalt Aussagen und Phänomene haben und die Wahrheit somit anhand eigener innerer Instanzen selbst konstruiert wird. Positivismus: Es wird äußeren Instanzen überlassen, eine Aussage als Wahrheit zu definieren. Wahr ist nur, was naturwissenschaftlich belegt werden konnte.86 In Bezug auf die konkrete Gesprächsführung mit PatientInnen bedeutet dies somit, dass es für die Pflegeperson wichtig ist, den zu Pflegenden wahrheitsgetreu Informationen weiterzugeben, aber auf eine Art und Weise, wie sie die Betroffenen in der aktuellen Situation annehmen können. Ebenso unter Berücksichtigung dessen, dass Menschen unterschiedliche Wahrnehmungen und individuelle Auffassungen von Dingen und Sachverhalten haben und dies entscheidend dafür ist, wie sie mit Informationen umgehen und sie annehmen können. Um mit Betroffenen und Angehörigen hilfreiche Gespräche führen zu können, ist es für die Betreuenden unumgänglich, sich auch mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Denn nur, wenn sich die betreuende Person auch die eigenen Ängste bezüglich des Lebensendes bewusst macht, sei es ihr möglich, Themen anzusprechen, welche die Betroffenen eventuell nicht selbst zur Sprache bringen.87 „Der Tod ist seit jeher eine Herausforderung für den Menschen. Wer täglich mit dem Tod in Berührung kommt, gewinnt eine bewusstere Haltung zum Leben und zu religiösen, ethischen und moralischen Fragen.“88 Kompetente Gesprächsführung ist demnach das Resultat eines Entwicklungsprozesses, den eine Pflegeperson aufgrund der Konfrontation mit unterschiedlichen Menschen und Situationen absolviert. „Kommunikation lernen wir im Leben; in der Kindheit, im Umgang mit Menschen, durch Erfahrungen und Begegnungen mit guten und schlechten Vorbildern. Nicht zuletzt wird Kommunikationsfähigkeit entwickelt durch unsere 86 Ebenda, S. 113. Pichler, 2014, siehe Anhang: Expertinnengespräch. 88 Husebø/Klaschik, 2009, S. 48. 87 31 Fähigkeit zu eigener Reflexion, dadurch, dass wir in der Lage sind, über eigene Unzulänglichkeiten und sichtbare und unsichtbare Probleme nachzudenken.“89 Doch selbst ungeachtet der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Tod, ist es unumgänglich, PatientInnen (gegebenenfalls mehrmals) Informationen weiterzugeben. „[...] needs have been identified in a literature review on patient and informal carer needs für palliative care (Hughes et al. 2004). These included: information needs [...].“90 Das Problem der Aufklärung und Informationsweitergabe ist laut Husebø und Klaschik vor allem eine Frage der menschlichen Würde. Sie benutzen in diesem Zusammenhang ein Zitat von Max Frisch:91 „Die Würde des Menschen besteht in der Wahl.“92 3.3.5 Würde Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den Fragen: Was ist Würde für einen sterbenden Menschen? Was bedeutet es, in Würde zu sterben? Ist dies überhaupt möglich? Obwohl der Begriff Würde in einer Vielzahl der Publikationen erwähnt und die Wichtigkeit der Wahrung der Würde der PatientInnen betont wird, gibt es nur sehr wenig Literatur die sich auch inhaltlich mit Würde beschäftigt.93 „Die Frage nach dem eigenen Tod und der Wunsch nach einem sanften, ruhigen, friedlichen Hinscheiden bewegt viele Menschen. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben ist oft geprägt durch 89 Husebø/Klaschik, 2009, S. 147. McIlfatrick, 2006, S. 84. 91 Husebø/Klaschik, 2009, S. 157. 92 Ebenda, S. 157. 93 Würde ist ein „Achtung gebietender Wert, der einem Menschen innewohnt, und die ihm deswegen zukommende Bedeutung“ beziehungsweise das „Bewusstsein des eigenen Wertes [und dadurch bestimmte Haltung]“ (Duden, 2015). 90 32 Befürchtungen und Ängste, die mit der Vorstellung eines würdelosen und leidvollen Sterbenmüssens in Verbindung gebracht werden.“94 Würdevolles Sterben wird laut der aktuellen Literatur mit der Dauer (schnell), der Art (sanft) und den Umständen (friedlich) assoziiert. Doch zwischen dem Wunsch eines würdevollen Sterbens und der Realität besteht eine hohe Diskrepanz: „Obwohl sich viele Menschen einen schnellen Tod wünschen, betreffen dies nur etwa 10% aller Todesfälle, bei etwa 20% zieht sich die Krankheits- und Pflegephase über einen kurzen bis mittellangen Zeitraum (z.B. bei Krebserkrankungen), bei weiteren 20% über eine längere Pflegeabhängigkeit hin (z.B. bei Herz- und Kreislauferkrankungen), und ca. 50% sterben meist hochbetagt und an mehreren Krankheiten leidend nach einer über Jahre andauernden Pflegebedürftigkeit.“95 Menschen ein würdevolles Sterben zu ermögllichen, scheint somit von vielen unterschiedlichen Faktoren abzuhängen und mitunter nicht beeinflussbar zu sein. Doch abgesehen von den Komponenten, die nicht beeinflusst werden können, welchen Beitrag können Betreuungspersonen in Bezug auf Sterben in Würde leisten? 3.4 Die Rolle der Pflegeperson In diesem Kapitel soll erläutert werden, welche Aufgaben Pflegepersonen in Bezug auf die Erfüllung der Bedürfnisse von sterbenden Menschen im häuslichen Umfeld haben und welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie zur Erfassung derer benötigen. In der Betreuung von sterbenden Menschen ergibt sich für die Pflegeperson ein besonderes Problem: „Wie kann über etwas geschrieben, gehandelt, verbindlich gesprochen werden, das sich dem Betrachter entzieht? Entweder ist Sterben etwas derart 94 95 Vgl.: Klie/Student; zitiert nach: Näf-Hofmann/Näf, 2011, S.38. Vgl.: Porchet-Munro et al.; zitiert nach: Näf-Hofmann/Näf, 2011, S.39. 33 Persönliches, dass unsere Neugier auf den Schutz der Intimität zurückverwiesen wird, oder Sterben ist ein Untersuchungsobjekt, das seinen Kern verfehlt, weil der Tod uns eben des Gegenstandes unserer Betrachtung beraubt.“96 Der Tod ist also für die betreuende Person nicht erfassbar. Die einzig schlüssige Folgerung ist somit, Gespräche zu führen, um die Erlebenswelt der Betroffenen begreifen zu können, sowie empathisch zu sein. Husebø und Klaschik beschreiben Neugier als eine wichtige Voraussetzung für Empathie. Weiters schreiben sie, dass traumatische Erlebnisse Wunden sind, die durch Konflikte, Verluste oder Krisen entstehen und die als Niederlage aufgefasst werden. Solche Wunden können laut der Autoren zu persönlicher Reife und Wachstum beitragen.97 „Denn wenn unser Beistand für Sterbende zur Aufgabe wird, müssen wir uns dem eigenen Sterben stellen, den vielen kleinen Toden ebenso, wie dem einen großen Tod. Sterbebeistand ist nicht allein Lebenshilfe für den Empfänger dieser Hilfe, sondern auch für den Helfer selbst; ja das letztere ist sogar in gewisser Weise Bedingung des ersten. Wenn wir uns selbst als sterbliche Wesen erkannt und bejaht haben, wenn uns kein Neid auf irgendwelche Unsterbliche mehr daran hindert, unsere eigene Endlichkeit zu erfassen, werden wir alle Hemmungen gegen das Leben überwinden können, Hemmungen auch gegen die möglicherweise sehr grausamen Seiten des Lebens.“98 Um ein würdevolles Sterben für Menschen zu ermöglichen, stellt Rest mehrere Gebote für Pflegende dar: Aus dem Recht des Menschen, auch im Sterben ein Mensch bleiben zu dürfen, resultieren für ihn die Gebote für Pflegepersonen, sich den Menschen immer ohne seine Krankheit vorzustellen, den Menschen nicht mit seiner Krankheit gleichzusetzen und ihn so zu respektieren, wie er ist. Die Pflegeperson darf die Integrität und Freiheit der PatientInnen niemals angreifen, soll in allem mit dem 96 Rest, 2006, S. 53. Vgl.: Husebø/Klaschik, 2009, S. 545-551. 98 Rest, 2006, S. 101. 97 34 kranken Menschen zusammenarbeiten und ihn über alles reden lassen, was ihn betrifft. Durch das Recht auf kontinuierliche und angemessene Versorgung resultiert das Gebot, den Menschen im Sterben nicht alleine zu lassen und ihn wissen zu lassen, dass kompetent handelnde Personen um ihn sind. Daher solle die Pflegeperson die grundsätzliche Gleichheit mit den Betroffenen beachten, für sie wichtige Personen einbeziehen und möglichst immer verfügbar sein (so lange es die eigene Freiheit nicht beeinträchtigt). Aus dem Recht auf Hoffnung und Träume ergeben sich für Pflegepersonen die Gebote, den Betroffenen so viele Entscheidungen als möglich selbst treffen zu lassen, dem Menschen zu helfen, sein Leben und seinen Tod zu akzeptieren und ihm zu helfen, so zu leben und zu sterben, wie er es sich vorgestellt hat.99 Kulbe bezeichnet die Sterbebegleitung für Pflegepersonen als Teil des Berufes. Sie beschreibt unter anderem, dass Pflegepersonen Sterbenden und Angehörigen mit Empathie, Akzeptanz und Kongruenz offen begegnen können. Weiters werden die Fähigkeit dazu, Zuwendung zu schenken, Lebensqualität zu erhalten und wiederherzustellen, sowie das Vorhandensein von Fachkenntnissen, Lebensreife und Erfahrungshintergrund als Kompetenzen der Pflegeperson dargestellt.100 Wallerstedt und Andershed schreiben: „[...] nurses need the resources such as time, improved methods of communication and cooperation as well as more support in order to give quality palliative care and achieve satisfaction with the outcome.“101 99 Rest, 2006, S. 57-58. Kulbe, 2008, S. 40-41. 101 Wallerstedt/Andershed, 2007, S. 32. 100 35 4 Resümee Das nachstehende Kapitel soll einen Überblick darüber geben, welche Aspekte der Forschungsfrage beantwortet werden konnten und welche offen bleiben mussten. Es sollen zentrale Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und prägnant dargestellt werden. In der aktuellen Literatur werden sehr umfassend Instrumente zur Evaluierung von Bedürfnissen sterbender Menschen, Bedürfnisse von Angehörigen, Präferenzen hinsichtlich des gewünschten Sterbeortes oder Maßnahmen bezüglich spezifischer Symptome bearbeitet. Studien, die sich mit dem emotionalen Erleben von PalliativpatientInnen befassen, sind in wesentlich geringerer Anzahl vorhanden. Es zeigt sich auch, dass die Situation von palliativ zu Pflegenden mit einer bestimmten Erkrankung (beispielsweise Krebs oder COPD) bislang ausführlicher behandelt wurde, als die Palliativsituation im Allgemeinen, wenn sie nicht primär mit einer speziellen Krankheit assoziiert wird. Die Literatur, die sich dezidiert mit den Bedürfnissen von sterbenden PatientInnen befasst, konzentriert sich zu einem großen Prozentsatz auf die Behandlung von Symptomen. Viele Publikationen greifen konkrete mit dem Sterbeprozess verbundene Symptome, wie Schmerz, Übelkeit, Appetitlosigkeit oder Obstipation auf. Doch nur ein sehr kleiner Anteil der Literatur setzt sich mit dem emotionalen Empfinden, den psychischen oder sozialen Bedürfnissen von sterbenden Menschen auseinander. Dies ist in der wissenschaftlichen Literatur ein in geringem Maße bearbeitetes Thema. Eine mögliche Begründung dafür ist die Schwierigkeit des Generierens diesbezüglicher Daten, da PatientInnen in der Sterbephase unter Umständen nicht befragt werden können, nicht konsultiert werden wollen oder es aus ethischer Sicht nicht in Frage kommt, bestimmte Personen in die Stichprobe aufzunehmen. Angehörige hingegen stehen länger zur Erfassung von Daten zur Verfügung, weshalb es eine hohe Anzahl an Studien gibt, die sich mit deren Erleben und Umständen befassen, beziehungsweise die Situation der KlientInnen aus der Sicht der Angehörigen beschreiben. 36 Studien, die psychische, emotionale, soziale oder spirituelle Bedüfnisse von PalliativpatientInnen thematisieren, nennen sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse. Dazu zählen beispielsweise Beziehungen, Unabhängigkeit, finanzielle Belange, Information, Entscheidungsfreiheit, soziale und psychologische Unterstützung, Zeit, Kontrolle oder Würde. Die am häufigsten genannten Themen sind soziale Unterstützung, Unabhängigkeit, Lebensqualität, Kommunikation und Würde und sind daher Inhalt der vorliegenden Arbeit. Wenn ein Bedürfnis von Menschen erkannt wird, liegt oft bereits das Fehlen des „Sollzustandes“ vor. „Ein Grundbedürfnis ist dann vorhanden, wenn z.B. das Fehlen dessen, was der Mensch hier erstrebt, bei ihm einen körperlichen oder seelischen Schaden hervorruft.“102 Demnach wäre es auch Aufgabe der Pflegepersonen, Bedürfnisse vor dem Entstehen von Schäden oder Verlusten zu erkennen. In seiner Arbeit zitiert Rest weiters J. Korczak, der seinerseits drei Grundrechte des Menschen formuliert: • Das Recht des Menschen auf Tod. • Das Recht auf den heutigen Tag. • Das Recht, so zu sein, wie der Mensch gerade ist.103 Auch aus dieser Aufzählung ergeben sich für Pflegende wertvolle Ansätze für das eigene Handeln. Zentrales Ergebnis dieser Arbeit ist unter anderem die Vielfältigkeit der Bedürfnisse von palliativen PatientInnen und die Schwierigkeit der Erhebung dieser. Da die Definition von einzelnen Bedürfnissen so individuell wie auch vielschichtig ist, fällt es schwer, Assessmentinstrumente zu entwickeln. Spezifische Einstellungen und Befindlichkeiten können nur schwer durch ein standartisiertes Schema erfragt werden. 102 103 Rest, 2006, S. 184. Ebenda, S. 183. 37 „Wir haben also gesehen, dass man die Bedürfnisse sterbender Menschen nicht einfach aufzählen kann, sondern genau hinterfragen muss. Und trotzdem gibt es Orientierungen, die uns helfen, in die Vielzahl ein wenig Ordnung zu bringen.“104 Die Frage, nach den Bedürfnissen von sterbenden Menschen, konnte nicht allumfassend beantwortet werden. Ebenso stellt die Aufzählung der angegebenen Bedürfnisse keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aufgrund der Individualität der PatientInnen, ihrer Lebens- und Erlebenswelt, ihrer sozialen, psychischen und emotionalen Situation, könnte die Auflistung nur um ein Vielfaches länger sein! Die angeführten Punkte sind ein Auszug aus den in der Literatur angeführten Bedürfnissen von sterbenden Menschen. 104 Ebenda, S. 186. 38 5 Literatur Aulbert, Eberhard / Nauck, Friedemann / Radbruch, Lukas (2012): Lehrbuch der Palliativmedizin. 3. Auflage, Schattauer GmbH, Stuttgart. Begemann, Verena (Hrsg.) (2010): Der Tod gibt zu Denken. Interdisziplinäre Reflexion zu (einzigen) Gewissheit des Lebens. Waxmann Verlag GmbH, Münster/ New York/ München/ Berlin. 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World Health Organization (2003): WHO Definition of Health. http://www.who.int/about/definition/en/print.html, Stand vom 26.05.2015. Wüller, Johannes / Krumm, Norbert / Hack, Karin / Reinecke-Bracke, Heike (2014): Palliativpflege. Elsevier GmbH, München. 44 6 6.1 Anhang Lebenslauf Persönliche Daten: Name: Elena Anna Herbst Geburtsdatum: 23.09.1989 Geburtsort: Wien Staatsbürgerschaft: Österreich Wohnort: Wien Adresse: Wasnergasse 9/11, 1200 Wien Telefonnummer: 0699 17023090 Schulbildung: 1995-1999: offentliche Volksschule, Börsegasse 5, 1010 Wien. 1999-2003: Bundesrealgymnasium, Glasergasse 25, 1090 Wien. 2003-2008: Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (Bakip), Langegasse 47, 1080 Wien. 11.09.2007: Vorprüfung zur Reife- und Diplomprüfung in Biologie und Umweltkunde an der Bakip 8 in Wien. 09.06.2008: Reife- und Diplomprüfung an der Bakip 8 in Wien. Klassensprecherin in den Schuljahren 2006/2007 und 2007/2008. 2012-2015: Studium der Gesundheits- und Krankenpflege am Rudolfinerhaus Wien. 45 Jahrgangssprecherin in den Studienjahren 2012/13, 2013/14 und 2014/15. Jahrgangsvertreterin im Studienjahr 2013/2014. Derzeitige Beschäftigungen: • Vortragende, Trainerin (Lehrsanitäterin) und Erste-Hilfe-Kurslehrerin bei der Johanniter Unfallhilfe • Geringfügige Beschäftigung am Rabenhof Theater • Ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Johanniter Unfallhilfe als Rettungssanitäterin • Schwimmlehrerin und ehrenamtliche Mitarbeit bei der Österreichischen Wasserrettung • Ausbildung zur Cranio-Sacral-Praktikerin Vorangegangene Beschäftigungsverhältnisse: • Kamera- und Videoschnittassistentin bei der Firma Info.Motion.Movies. • Ordninationsassistentin einer praktischen Ärztin • Assistentin in einem Naturkosmetikinstitut Zusätzliche Qualifikationen: • Österreichische Gebärdensprache (C2) • Kineasthetics Grundkurs • Basale Stimulation (Basiskurs) Abgeschlossene Ausbildungen: • Rettungssanitäterin (seit Juli 2012) • Rettungsschwimmerin (seit April 2011) • Begleitschilehrerin (seit Nov. 2010) Wien, am 29.05.2015 46 6.2 Expertinnengespräch In diesem Abschnitt wird das ExpertInnengespräch mit Frau Paula Pichler, MSc beschrieben, inhaltlich zusammengefasst, sowie ein Resümee, den aus Sicht der Autorin wichtigsten Punkten des Gesprächs gezogen. 6.2.1 Einleitung Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen des ExpertInnengesprächs erläutert, sowie die Auswahl der Expertin begründet und die Qualifikationen der Gesprächspartnerin beschrieben. Um eine passende Person für ein ExpertInnengespräch zu ermitteln, wurde im Internet nach Hospiz- und Palliativeinrichtungen gesucht. Im Wesentlichen konnten in diesem Bereich drei größere Organisationen in Wien festgestellt werden: das Hospiz der Caritas Erzdiözese Wien, das Hospiz der Caritas Socialis im Pflege- und Sozialzentrum Rennweg und das mobile Hospiz des Wiener Hilfswerks. Mit allen drei Organisationen wurde per E-Mail Kontakt aufgenommen und um ein Gespräch gebeten. Augrund der langjährigen Erfahrung und der hohen wissenschaftlichen und praktischen Kompetenzen wurde Frau Pichler für das ExpertInnengespräch ausgewählt. Das Gespräch fand im Kaffeehaus des Pflege- und Sozialzentrums am Rennweg, Oberzellergasse 1, statt. Aufgezeichnet wurde es mit einem Mobiltelefon und einem MP3-Player. Die Gesprächspartnerin stimmte zur Aufzeichnung des Gesprächs zu. Augrund der Aufzeichnungsqualität, der starken Umgebungsgeräusche und der zeitweise niedrigen Gesprächslautstärke der Gesprächspartnerin sind einige Teile der Aufzeichnung unverständlich. Diese sind mit (unv., ...) [unverständlich] gekennzeichnet und mit „Befragte spricht zu leise“ oder „laute Hintergrundgeräusche“ begründet. Das Gespräch mit Frau Pichler fand am 10.12.2014, um 10 Uhr statt und dauerte knapp 80 Minuten. Das Expertinnengespräch wurde mit Frau Paula Pichler geführt. Die Expertin ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson und hat über 20 Jahre in der medizinischen Hauskrankenpflege gearbeitet. 1989 nahm sie am ersten Hospizkongress in Wien Teil, wo sie entschied, sich im Bereich der Palliativpflege 47 fortzubilden. Sie absolvierte eine onkologische Ausbildung am AKH in Wien im Rahmen derer sie insgesamt 500 Praktikumsstunden im intra- und extramuralen Bereich geleistet hat. Weiters hat die Expertin eine Palliativbasisausbildung am Kardinal-König-Haus absolviert und ein Masterstudium an der Paracelsus medizinischen Privatuniversität in Salzburg abgeschlossen. Nach einer beruflichen Auszeit hat sie mit ihren KollegInnen eine Beratungsstelle für sterbende Menschen und deren Angehörigen aufgebaut. Die Beratungsstelle befindet sich im Pflege- und Sozialzentrum der Caritas Socialis am Rennweg, Oberzellergasse 1, 1030 Wien. In der Beratungsstelle werden telefonische und persönliche Beratungsgespräche angeboten und weitere Unterstützungsmöglichkeiten des multiprofessionellen Teams das CS Hospiz Rennweg mit den Betroffenen vereinbart. Die Expertin wurde aufgrund ihrer langen Erfahrung um das Gespräch gebeten. Sie kann sowohl auf eine fundierte wissenschaftliche Kompetenz, als auch auf hohe praktische Fertigkeiten zurückgreifen. Aufgrund dieser Kombination aus Wissenschaft und Praxis, in welcher sie nach wie vor beruflich tätig ist, wurde das ExpertInnenengespräch mit ihr geführt. Das Gespräch wurde aufgezeichnet und nach den Regeln von Kuckartz, et al. transkripiert.105 6.2.2 Inhalte des Expertinnengesprächs In diesem Abschnitt wird das Gespräch inhaltlich zusammengefasst und die von der Expertin erwähnten Themenbereiche erläutert. Gleich zu Beginn, während der Erläuterung ihres beruflichen Werdegangs, betonte die Expertin ihr Anliegen dahingehend, dem Wunsch von sterbenden Menschen, zu Hause in größtmöglicher Würde und ohne maximalen medizinischen Interventionen sterben zu dürfen, nachzukommen. Sie berichtete anhand einiger exemplarischer Situationen aus ihrer jahrelangen Erfahrung. Weiters beschrieb sie, dass der Wunsch der PatientInnen aufgrund der entgegengesetzten Wünsche der Angehörigen oft nicht umgesetzt werden könne. In dieser Hinsicht und auch in Bezug auf andere Schwierigkeiten erläuterte sie, wie wichtig ihrer Ansicht nach das offene Gespräch mit 105 den Betroffenen und deren Angehörigen ist. Sie beschrieb die Vgl.: Dresing/Pehl, 2013. 48 Auseinandersetzung mit den Angehörigen als eine der größten Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Arbeit mit sterbenden Menschen. Als Grund für die Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen von Sterbenden und deren Angehörigen nannte sie die „intrapsychische Auseinandersetzung“ mit dem bevorstehenden Tod und die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit und die damit zusammenhängenden Gefühle wie Ohnmacht, Wut und Zorn. Die Expertin beschrieb die ihrer Erfahrung nach größten Ängste der Sterbenden und nannte die Ängste vor starken Schmerzen und davor, zu ersticken. Den PatientInnen Schmerzfreiheit zu ermöglichen, bezeichnete sie als Illusion, aber mit einer adäquaten Schmerzeinstellung seien die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Vor allem KrebspatientInnen mit einem Tumor im HNO-Bereich haben laut der Expertin besondere Angst davor zu verbluten. Auf diese Angst reagiert sie mit einem ehrlichen Gespräch über die körperliche Reaktion der PatientInnen und erklärt ihnen, dass sie bei einer starken Blutung rasch das Bewusstsein verlieren und dann nichts mehr „mitbekommen“ würden. Von Seiten der Angehörigen kommt noch die Angst davor, zum ersten Mal einen toten Menschen zu sehen, hinzu. In Bezug auf die Angehörigen ist es, laut der Expertin, eine wichtige Aufgabe der Pflegeperson sie in ihrem Tun zu bestätigen und den Angehörigen Rückmeldung darüber zu geben, was sie gut machen und dass sie die Betroffenen gut betreuen. Ihrer Meinung nach sind die wichtigsten Eigenschaften der Pflegeperson in diesem Bereich Empathie, Offenheit, Ehrlichkeit und Gesprächsbereitschaft. „Und es braucht selbstverständlich die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit.“106 Für die Pflegeperson selbst sind Supervision und Rituale laut der Expertin von großer Bedeutung für die eigene Psychohygiene. Die Möglichkeit zur Supervision haben ihre MitarbeiterInnen monatlich. Rituale werden im CS Hospiz Rennweg sowohl für die einzelnen Mitarbeiter als auch für das gesamte Team angeboten. Beispielsweise werden bei den Teamsitzungen für alle kürzlich verstorbenen PatientInnen Kerzen angezündet. In regelmäßigen Abständen gibt es für das gesamte Team eine 106 Transkription des Expertinnengesprächs, Zeile 603 f. 49 Verabschiedungszeremonie, bei der jede/r PatientIn einzeln verabschiedet wird und als Abschluss auf das Leben angestoßen und dieses gefeiert wird. Obwohl aktive Sterbehilfe in Österreich gesetzlich verboten ist, wurde die Expertin laut eigener Aussage schon vielfach darauf angesprochen. Allerdings betonte sie, dass sie sich ganz klar davon abgrenze und den PatientInnen auch erklärt, dass das nicht die Aufgabe einer Palliativversorgung sei. Im Gespräch mit den Betroffenen stelle sich sehr häufig heraus, dass es sich bei dem Wunsch zu sterben oft darum handelt, den Angehörigen nicht zur Last fallen zu wollen. Um dies aufzuklären empfiehlt die Expertin, wie in Bezug auf andere Themen, mit den Betroffenen und deren Angehörigen ein offenes und ehrliches Gespräch zu führen. 6.2.3 Resümee Die Expertin kann auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen und hat aus ihrem großen Erfahrungsschatz viele wichtige Punkte in der Betreuung von sterbenden Menschen zu Hause angesprochen, die weit über die Leitfragen hinausgingen. Zusammenfassend können in der Palliativpflege aus Sicht der Autorin folgende besonders wichtige Punkte genannt werden: • offene und ehrliche Gespräche führen • auf Ängste eingehen (von Betroffenen und deren Angehörigen) • Angehörige miteinbeziehen • alle Möglichkeiten für eine bestimmte Situation (z.B. eine Komplikation) im Voraus besprechen • Supervision in Anspruch nehmen und Rituale zur eigenen Psychohygiene durchführen • sich mit der eigenen Endlichkeit befassen • die Palliativpflege klar von aktiver Sterbehilfe abgrenzen 50