Mediterranes®
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Mediterranes Ausgabe 1/2012 e 8,50 ® Das EMA-Magazin Herausgegeben von der Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. » Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien » Investment, Finanzen und R echt » Frauen in Führung für nachhaltiges » L ogistik, Infrastruktur und Handel » Diplomatie, Zivilgesellschaft und Kultur Wachstum Grusswort Grußwort Was uns bewegt, ist der Erfolg unserer Mitglieder. Prinzessin Sumaya bint El Hassan Präsidentin der El Hassan Science City und der Royal Scientfic Society Prinzessin Sumaya bint El Hassan Informieren Sie sich auf www.ema-germany.org Im Dienst der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Die Rolle der Frau kann in der EMA-Region nicht überbewertet werden – erst recht nicht in dieser ereignisreichen Zeit: Frauen sind festes Bindeglied innerhalb der Familie und können so dazu beitragen, auseinanderdriftende Gesellschaften zusammenzuhalten. Frauen sind in der Lage, einen großen Beitrag zu Stabilität, Wohlstand und Hoffnung im Nahen Osten zu leisten – und tun dies bereits. Auf beiden Seiten des Mittelmeers arbeiten unsere Freunde und Mitstreiter gemeinsam daran, Frauen in der „Schönen neuen Welt“ der Moderne eine wichtige Rolle zu geben. Frauen in allen Gesellschaften besitzen Eigenschaften, die den männerfokussierten Strukturen fehlen, um das soziale und finanzielle Ungleichgewicht zu korrigieren. Sie tragen zu Mäßigung und zu Konzentration in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bei. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Frauen stellen ein kreatives Humankapital dar, dessen Wert bisher nicht erkannt wurde. Sie bieten die Möglichkeit, das Wachstum für die Gesellschaften anzukurbeln und Mediterranes 1/2011 stellen ein Sprungbrett für neuartiges und konstruktives Netzwerken dar. Ich bin froh, sagen zu können, dass die arabischen Gesellschaften, die in Bezug auf Partizipation und Repräsentation von Frauen meist als konservativ betrachtet werden, sich mittlerweile bereitwillig und gewinnbringend verändern. Die Frauen in unserer Region stehen in Wirtschaft und Gesellschaft den gleichen Herausforderungen gegenüber wie die Frauen im Westen: Auch sie haben Schwierigkeiten, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Und sie sind nicht bereit, ihr Familienleben für ihre Karriere aufzugeben – und das sollten sie auch nicht müssen. In diesem essentiellen Bereich sind wir auf die Hilfe, die Zusammenarbeit und das Verständnis unseres männlichen Gegenparts in Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen. Das gemeinsame Tragen der Verantwortung für die Familie ist eine unabdingbare Voraussetzung, um eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen! Es war mir eine Ehre, die Schirmherrschaft für das thematisch hochaktuelle 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum - Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum auf Einladung der EMA zu übernehmen. Die EMA ermutigte bereits zahlrechen zivilgesellschaftliche Akteuren in der gesamten EMARegion und hat soziale, kulturelle und wirtschaftliche Kooperationen zwischen verschiedenen Organisationen und Individuen initiiert und ermöglicht. Ihr kreativer und interdisziplinärer Ansatz inspiriert diejenigen, die mit ihr zusammenarbeiten. Heute ändert sich die Lage in der EMARegion sehr schnell und scheinbar fest verankerte Strukturen werden einfach hinweggefegt. Ich hoffe, dass wir unsere gemeinsame Arbeit fortsetzen können, um die Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, in die Tat umzusetzen. Prinzessin Sumaya bint El Hassan Präsidentin der El Hassan Science City und der Royal Scientfic Society Seite 3 editorial make yourself at home Sydney Bondi Berlin Hauptbahnhof Hamburg Michel Discover your Adina destination Frankfurt Neue Oper Editorial in Berlin Hamburg Frankfurt am Main Budapest Copenhagen and Sydney p Adina Sydney Bondi opening soon www.adina.eu Frauen in Führung für Nachhaltigkeit und Wachstum Liebe Leserin, lieber Leser, woran haben Sie gedacht, als Sie das Titelbild dieser Ausgabe von Mediterranes betrachteten? Gingen Ihnen auch so zahlreiche Gedanken durch den Kopf wie mir? In der Tat fasst es sämtliche Aspekte des neu gestalteten Magazins und der EMA-Philosophie zusammen. Darüber hinaus bietet es Einblick in die frühen Tage meiner eigenen Kindheit: Das Foto habe ich kürzlich in der Schule meines Heimatdorfes aufgenommen, in die ich selbst als Kind gegangen bin und erwartungsvoll an die Zukunft tagtäglich durch die Gitterstäbe in den Himmel blickte. Die EMA-Cluster Mediterranes erhält eine neue Kapitelstruktur, analog zu der Fokussierung der EMA auf folgende Schwerpunkte: » Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien; » Logistik, Infrastruktur und Handel; » Finanzen, Investment und Recht; » Zivilgesellschaft, Politik und Kultur. » Titelthema: innovative, neue Themen Zugleich achtet die EMA stets auf einen ausgewogenen, interkulturellen Dialog, die Zusammenkunft von Wirtschaft und Wissenschaft, die Förderung von innovativen Ideen, die Achtung von Nachhaltigkeit und den steten Einbezug von Frauen. Mediterranes 1/2011 Dr. Abdelmajid Layadi „Frauen in Führung für Nachhaltigkeit und Wachstum“ Dem letzten Aspekt hat die EMA neben sämtlichen Kapiteln in Mediterranes (auch die Clusterkapitel befassen sich ausnahmsweise zusätzlich mit dem Titelthema) nun endlich auch ein eigenes Forum gewidmet. Das erste Ehrenmitglied der EMA, Frau Haifa Fahoum al Kaylani, die als Vorsitzende des Arab International Women’s Forum als eine der einflussreichsten Frauen des arabischen Raums gilt, spricht der EMA aus der Seele, wenn sie weniger von einer Frauen- sondern vielmehr einer Entwicklungsorganisation spricht, die Frauen als „drivers of change“ versteht. (S. 26) sämtlichen Aspekten der EMA treibende Kraft und ihr Einsatz ist exemplarisch für den (über)menschlichen Einsatz der EMA für Frieden und nachhaltige Entwicklung. Ouissal – eine Brücke zwischen den Menschen der EMA-Region Das EMA-Team erreicht die Menschen hier wie dort und wird fortan noch stärker projektorientiert mit lokalen Partnern arbeiten. Hierüber können Sie künftig mehr erfahren, wenn Sie unseren neuen englischsprachigen EMA-Newsletter in den Händen halten: Ouissal bedeutet sinngemäß „Bindung zweier Seelen“. In ebendieser Verbundenheit Persönliche Danksagung In der Tat hat die EMA sich schon lange ein solches Forum gewünscht, dessen Ergebnisse maßgeblich in ihre alltägliche Arbeit einfließen. Kein anderer als der EMA-Präsident, Prof. Dr. Horst H. Siedentopf, hat die Idee für das Forum geliefert, das allerdings lange ruhte, ehe sich nicht eine Person fand, die es idealer nicht hätte initiieren und gleichzeitig auch verkörpern können: Meine ganz persönliche Schirmherrin des Forums ist Clara Gruitrooy. Die EMA-Geschäftsführerin ist in Ihr Dr. Abdelmajid Layadi Hamburg, im Juni 2012 Seite 5 21 56 38 14 60 32 44 Inhalt 1/2012 Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien 8 11 14 Gender-Sensitive Wasserversorgung Spezifische Frauenförderung im Aktionsplan des BMZ Gudrun Kopp Der maghrebinische Forstsektor im Wandel Regionalprojekte für mehr Gleichstellung Heidrun Ströbert-Beloud, Mounia Achbah, Zaina Haddad, Wassila Yacoubi Die Wasserkrise Die EMA-Region vor den Herausforderungen einer beispiellosen Wasserknappheit Madelein MacHarg Titelthema: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum 42 26 28 “Die arabische Region im Zentrum der Weltwirtschaft und der internationalen Gemeinschaft“ Interview mit Haifa Fahoum Al Kaylani, Gründerin und Vorsitzende des Arab International Women’s Forum (AIWF) „Der arabische Frühling bringt eine revolutionäre Brise mit sich“ Interview mit Eva-Maria Welskop-Deffaa, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Leiterin der Abteilung Gleichstellung 30 Stimmen zum Forum: Prof. Dr. Horst H. Siedentopf, Corinna Nienstedt, Reem Barghouty Damen und Monika Schulz-Strelow 32 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Deutschland und der EMA-Region Clara Gruitrooy und Anna Wischniewski Investment, Finanzen und Recht 16 38 19 Wegbereiterinnen der Demokratie Juristische Impulse aus Marokko Frank Tetzel 40 22 Wertvoll gestalten – nachhaltig handeln Risikobewusstes Investment von Frauen Susanne Kazemieh Stimmen zum Forum: Prof. Dr. Dina Shokry, Angelika Pohlenz, Adelheid Sailer-Schuster, Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath „Saudi Arabien hat eine Geschichte zu erzählen“ Interview mit Samar Fatany, Chefredakteurin bei Jeddah Broadcasting, Saudi Arabien 54 Armut als größte Unterdrückung Jordanische Beduininnen im Kurzportrait Ruth Vischherr Strebel 57 Frauenbewegungen in Ägypten Der „Arabische Frühling“ und säkular orientierte Frauenorganisationen Johanna Block 60 Künstlerinnenportrait Die ägyptische Fotokünstlerin Marwa Adel Petra Bogenschneider 62 Medien und die Revolution Die Förderung von Geschäftsfrauen als Legitimierung des Regimes Prof. Dr. Anja Zorob, Amr Hussein, Eva Schmidt 61 Impressum Logistik, Infrastruktur und Handel 44 47 49 Wie viel Ethik braucht der Markt? ISO 26000 für ein verantwortliches Handeln im globalen Maßstab Dr. Annette Kleinfeld „In Deutschland muss ein Umdenken stattfinden“ Interview mit Maria Freifrau von Welser, TVJournalistin und Publizistin sowie Vice Chair von UNICEF Deutschland Hamburg I nvestitionen für Tourismus und Infrastruktur Das Haschemitische Königreich Jordanien Iyad Shraim Standards beim Im- und Export von Konsumgütern Einblick in ein global agierendes Prüf-, Inspektionsund Zertifizierungsunternehmen Irina Baerenwald Hamburg als Logistikstandort Die Ladies Logistics Lounge Hamburg als Initiative für mehr Frauen in der Logistik Ute Sachau-Böhmert Zivilgesellschaft, Politik und Kultur 52 Die nächste Phase der Entwicklungspolitik? Entscheidende Impulse aus dem Arabischen Frühling Gabriele Köhler Extrabeilage nicht dabei? Einfach nachbestellen! „Ouissal“ – die EMA-Beilage für Mediterranes. Kostenlos nachbestellen unter: [email protected] Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien I Gender-Sensitive Wasserversorgung Spezifische Frauenförderung im Aktionsplan des BMZ von Gudrun Kopp m weltweiten Vergleich leidet die EMA-Region (Nordafrika und Nahost) unter einer beispiellosen Wasserknappheit. Die Verfügbarkeit von Wasser kann nicht gesteigert werden. Im Gegenteil: wegen des Klimawandels droht sie, weiter zu sinken. Laut Arab Human Development Report 2009 wird die Sicherheit der Menschen in der arabischen Region durch Umweltbelastungen zunehmend bedroht. Wasserknappheit, belastete Grundwassersysteme, Wüstenbildung, Bevölkerungsdruck und Klimawandel sind wachsende Herausforderungen bei der Bewältigung der Probleme. Hinzu kommen Konkurrenzkämpfe um abnehmende Wasserressourcen, die ein hohes Potenzial bergen, die Staaten und ihre Bevölkerung schwer zu belasten, insbesondere im Nachgang der politischen Umbrüche in der Region. Frauen in der Wasserversorgung In vielen ländlichen Gebieten sind Frauen für die Ernährung der Familien sowie Haushalt und Kinderpflege zuständig und erzeugen einen Großteil der Lebensmittel. Dadurch sind sie verstärkt abhängig von Wasser. Sie haben meist jedoch keine Entscheidungsmacht und einen, aufgrund der diskriminierenden Gesetzeslage, eingeschränkten Zugang zu Land, Eigentum und somit auch zu sauberem Wasser. Sind Frauen beispielsweise von Bodenrechten ausgeschlossen, können sie in der Landwirtschaft die Bewässerungssysteme nicht nutzen. Die zunehmende Wasserknappheit erhöht sowohl die Arbeitsbelastung als auch die Zeitarmut der ohnehin durch mehrere Rollen belasteten Frauen. Diese Zeit steht ihnen damit nicht für Einkommen generierende Tätigkeiten, Bildung oder die Beteiligung an Entscheidungsprozessen in der Gemeinschaft zur Verfügung. Die Einbeziehung von Frauen in Planung, Betrieb und Wasserressourcenmanagement ermöglicht einerseits eine Stärkung ihrer Rolle (Empowerment). Werden Frauen eingebunden, kann andererseits die Nachhaltigkeit der Investitionen im Wassersektor er- © Frank Ossenbrink Seite 8 Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 höht werden. Insbesondere durch ihre Verantwortlichkeit für die Haushaltsführung und die Gesundheit der Familie, ist ihre Beteiligung für die Identifikation angepasster Projektansätze und deren Umsetzung entscheidend. So können Fehler in der Planung vermieden und deutlich gemacht werden, woran es ihnen fehlt. Traditionen im Wassermanagement In Jordanien sind Frauen beispielsweise traditionell für das Wassermanagement zuständig, insbesondere im Haushalt sowie auf Gemeindeebene. Wenn eine Frau jedoch Probleme mit Wasserpumpen oder -leitungen hat, kann sie keinem Klempner Einlass ins Haus gewähren. Denn in vielen Ländern der meist islamisch geprägten EMA-Region darf ein fremder Mann das Haus nicht betreten. Deshalb hat sich die Water Wise Women Initiative (WWW) gegründet. Vom jordanischen Ministerium für Wasser und Bewässerung ins Leben gerufen und unterstützt von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, lernen die Frauen der WWW, wie sie solche Reparaturen selbstständig erledigen können. Viel Wasser geht verloren, weil es aus le- „Somit können Frauen nicht nur als change agents eine tragende Rolle spielen, sondern auch eine Multiplikatorenfunktion einnehmen“ cken Rohren tropft oder fließt. Jordanien gilt als eines der wasserärmsten Länder weltweit. Dementsprechend werden die Frauen auch darin geschult, wie mit der knappen Ressource Wasser sparsam umgegangen werden kann. Beispielsweise im Bereich Grauwassernutzung, wo das Abwasser von Handwasch- und Spülbecken aufgefangen, auf bereitet und dann zur Bewässerung von Gärten und Nutzpflanzen verwendet wird. Das wirkt sich auch ökonomisch positiv auf die Haushalte aus, da die Wasserkosten so gesenkt werden. Die erworbenen Kenntnisse geben die Frauen an Familie, Freunde, Bekannte und Nachbarn weiter. Einige Frauen üben nun selbst den Klempnerberuf aus. Die WWW Initiative erreicht ca. 2000 Haushalte in sieben Gemeinden Jordaniens und führte dazu, dass in ganzen Ortsteilen das Bewusstsein in Bezug auf den Umgang mit der Ressource Wasser angestiegen ist. Somit können die Frauen hier nicht nur als change agents eine tragende Rolle spielen, sondern auch eine Multiplikatorenfunktion einnehmen. Die Teilnehmerinnen der Initiative gewinnen ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und mehr Achtung in der Familie. Deutsches Engagement: Der Gender-Aktionsplan 2009-2012 Internationale Verpflichtungen verdeutlichen die Notwendigkeit des entwicklungspolitischen Engagements in der gender-sensitiven Wasserversorgung. In der Frauenrechtskonvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW 1979) wird gefordert, angemessene Lebensbedingungen für Frauen auf dem Land, insbesondere im Hinblick auf Wohnverhältnisse, sanitäre Einrichtungen und Wasserversorgung, zu gewährleisten (Artikel 14, Absatz 2h). Im Juli 2010 hat die UN-Vollversammlung den Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung zum Menschenrecht deklariert. Mit dem entwicklungspolitischen Gender-Aktionsplan hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen Rahmen geschaffen, um den internationalen politischen Verpflichtungen zur Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Entwicklungspolitik gezielter nachzukommen. Durch den Gender-Aktionsplan werden drei Ebenen miteinander verzahnt: die Ebene der internationalen politischen Verpflichtungen mit der Ebene Seite 9 Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien der deutschen Entwicklungspolitik und der Umsetzungsebene in den Partnerländern. Darüber hinaus betont der Aktionsplan die Bedeutung eines zweigleisigen Ansatzes zur Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter. Zum einen durch eine kohärente Integration der Geschlechterperspektive in alle Politik- und Handlungsfelder der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (Gender Mainstreaming). Zum anderen durch Maßnahmen zugunsten von Frauen, die darauf ausgerichtet sind, gender-spezifische Benachteiligungen und Diskriminierungen abzubauen und Frauen als Akteurinnen und Rechtsträgerinnen zu befähigen und zu stärken (Empowerment). Nur wenn frauenspezifische Fördermaßnahmen und Gender-Mainstreaming noch stärker als bisher auf allen Ebenen der Entwicklungspolitik verfolgt werden, können wir erreichen, dass die Gleich- Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien berechtigung der Geschlechter in unseren Partnerländern immer mehr zur Realität wird. Thematisch fokussiert der entwicklungspolitische Gender-Aktionsplan vier aktuelle sektorale Herausforderungen: die geschlechtsspezifische Dimension des Klimawandels, die Stärkung von Frauen in bewaffneten Konflikten und bei der Konfliktbearbeitung, das wirtschaftliche Empowerment sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, u.a. bei der Familienplanung. Diesen inhaltlichen Schwerpunkten widmet sich die deutsche Entwicklungspolitik verstärkt bis Ende 2012. Unter dem Aspekt der geschlechtsspezifischen Herausforderungen und Antworten auf den Klimawandel wird der Thematik der Wasserversorgung und des Wasserressourcen-Managements verstärkte Bedeutung beigemessen. Besonderer Förderbedarf kommt den Frauen zu, die als Ernährerinnen ihrer Familien, von Ertragsverlusten, Missernten und Wasserknappheit besonders betroffen sind. Gudrun Kopp ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Sie ist deutsche Gouverneurin bei den regionalen Entwicklungsbanken. Daneben konzentriert sie sich auf Energie- und Rohstofffragen und legt einen Fokus auf die Themen Kinder- und Frauenrechte sowie die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit. – Anzeige – Interactions of Water with Energy and Materials in Urban Areas and Agriculture International Conference with accompanying Exhibition Patronage Seite 10 Supported by Der maghrebinische Forstsektor im Wandel Regionalprojekte für mehr Gleichstellung von Heidrun Ströbert-Beloud, Mounia Achbah, Zaina Haddad und Wassila Yacoubi „W ir haben zu wenig Frauen“. Das ist die Feststellung des marokkanischen Hochkommissariats für Wasser, Wald und Wüstenbekämpfung. Gemeint ist der geringe Anteil an Frauen, die in der marokkanischen Forstadministration arbeiten. Vor allem auf den oberen Ebenen wird das ungleiche Zahlenverhältnis zwischen den Geschlechtern deutlich: in 2011 waren in hohen Führungspositionen des Hochkommissariats gerade mal 12 Frauen vertreten, gegenüber 260 männlichen Kollegen. 21 – 22 November 2012 Karlsruhe Convention Center | Stadthalle More information and registration: w w w.iwrm-karlsruhe.com Organiser Co-Organiser Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum © EMA e.V. 1/2012 Mediterranes Seite 11 Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien Das Selbstbild der Forstverwaltung Die marokkanische Forstverwaltung ist sich bewusst, wie wichtig es ist, Frauen als Mitarbeiterinnen für den Forstsektor zu gewinnen und in die Entscheidungsprozesse einzubinden, damit nachhaltige Waldwirtschaft noch effektiver und sozialer gestaltet werden kann. In zahlreichen Veröffentlichungen wird vornehmlich Frauen Nachhaltigkeit im Verhalten gegenüber der Umwelt zugeschrieben, was gerade bei Wäldern eine wichtige Rolle spielt. Hier geht es um langfristige Planung und um schonende Bewirtschaftung: der Wald wächst schließlich über Jahrzehnte. Und es geht um eine gute Einbindung der Bevölkerung und einer gendersensiblen Berücksichtigung ihrer Interessen. Der Hauptgrund für die weibliche Unterbesetzung ist sicherlich, dass der Forstsektor von jeher in alter Militärtradition steht, also einen rein männlich zu besetzenden Apparat darstellte. Heute dagegen hat sich das (Selbst-)Bild der Forstverwaltungen gewandelt, ebenso wie ihre Aufgaben für die Bevölkerung und die Herausforderungen, z.B. Klimawandel, Globalisierung, Armutsbekämpfung. Heute geht es verstärkt um den Erhalt von Biodiversität, um die Anpassung an den Klimawandel, um die Green Economy (beispielsweise die Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen in den Wertschöpfungsketten von Waldprodukten (Medi- Wasser, Umwelt und Erneuerbare Energien zinal- und Gewürzpflanzen, natürliche Kosmetika…), um den Erhalt forstlicher Ökosysteme gegenüber konkurrierenden Landnutzungsformen, um nachhaltigen (Öko-)Tourismus und um die Verankerung des hohen Wertes des Waldes und seiner zahlreichen Umweltdienstleistungen im kollektivem Bewusstsein (Kommunikationsauftrag)). Entwicklungszusammenarbeit für mehr „Gender-balance“ Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Auftrag gegebene Regionalprojekt „Anpassung forstpolitischer Rahmenbedingungen an den Klimawandel in der MENA-Region“, das von der GIZ zusammen mit Partnerfachkräften aus sechs Mittelmeerländern derzeit umgesetzt wird, trägt u.a. zum gendermainstreaming bei und unterstützt die Bemühungen der Forstverwaltungen der sechs Partnerländer, den Frauenanteil auf den Entscheidungsebenen zu erhöhen. Das gelingt vor allem dann, wenn sich der Forstsektor zu einem interessanten Arbeitgeber für Studentinnen entwickelt, also gute Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Mitwirkung auf allen Entscheidungsebenen bietet. Eine erstklassige Hochschulausbildung der Studentinnen ist in diesem Zusammenhang natürlich eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Kar- riere. Mit Blick auf diese beiden Aspekte arbeitet das Regionalprojekt gegenwärtig an verschiedenen Maßnahmen: junge Frauen haben die Möglichkeit, sich um projektfinanzierte Stipendien für Masterstudiengänge an ausgewählten Universitäten zu bewerben, die Programme zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Mittelmeerraum anbieten. Der geplante Einsatz von Mentoren/innen aus den Forstverwaltungen wird dazu beitragen, Studentinnen bei ihren Hochschulabschlussarbeiten zu unterstützen und ihnen gleichzeitig einen Einblick in die reale Arbeitswelt zu geben. Damit ist auch die Möglichkeit verbunden, Themen in Verbindung mit angrenzenden Ressorts zu behandeln, beispielsweise Abschlussarbeiten zu Wald und Tourismus oder Wald und Wasser; Wald und Internationale Umweltpolitik; Wald und Klimawandel; Wald und Green Economy, etc. Auch an Abiturjahrgänge gerichtete Informationskampagnen werden helfen, in Gymnasien vermehrt weibliche Studenten für einen Forststudiengang zu gewinnen. Begleitend können die Personalabteilungen der zuständigen Ministerien, die bei Neueinstellungen oder Nachbesetzungen freier Positionen mitwirken, durch Schulungen zum Thema „women at work“ auf die speziellen Bedarfe von Frauen in verantwortlichen Positionen vorbereitet werden (Vereinbarkeit von Beruf und Familie im kulturspezifischen Kontext). Mehrwert durch weibliche Attribute Bei allen technischen Schulungen, zu denen das GIZ-Regionalprojekt Mitarbeiter der nationalen Forstsektoren einlädt, wird systematisch auf ein ausgewogenes Verhältnis männlicher und weiblicher Teilnehmer geachtet. Im kommenden Juni wird in Tunis eine Konferenz für Forscherinnen zum Thema „Women making a difference“ stattfinden. Bei dieser vom European Forest Institut for the Mediterranean (EFIMED) und der GIZ gemeinsam organisierten Veranstaltung soll der Mehrwert herausgearbeitet werden, den Frauen durch ihre weibliche Sicht- und Herangehensweise für die Forstwissenschaft haben können. Auch die Teilnahme von Mitarbeiterinnen des Forst- und Tourismussektors aus den Projektpartnerländern Marokko, Tunesien und dem Libanon an dem ersten Forum des Netzwerkes arabischer und deutscher Frauen, organisiert von EMA und der Handelskammer im April in Hamburg, ist ein Baustein im Prozess: es bestehen gute Chancen, dass die erwarteten Anre- gungen, Ideen, Erfahrungen und Vernetzungen mit dazu beitragen werden, dass im öffentlichen Sektor Mechanismen neu oder weiter entwickelt werden, die zu einem höheren Frauenteil in Entscheidungs- positionen führen und somit die Forstverwaltungen und verwandte Sektoren sowie Forschungseinrichtungen um ein bislang nicht ausgeschöpftes Potenzial bereichern. Mounia Achbah ist Regionalleiterin des Hohen Kommissariats für Wasser und Wälder und Kampf gegen Versteppung in Fes-Boulemane/Marokko. Zaina Haddad ist Abteilungsleiterin im Tourismusministerium Libanon. Heindrun Ströbert-Beloud ist für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Marokko für das Regionalprojekt Silva Mediterranea-PCFM tätig. Wassila Yacoubi ist Leiterin für Aufforstung in der Forstdirektion von Tunesien. – Anzeige – N A C H H A LT I G E D E S I G N P R O J E K T E Ich unterstüt ze Sie bei der Gestaltung Ihrer nachhaltigen Werbemit tel von Beratung über Konzeption und Design bis hin zur Produktionsbetreuung. 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Ohne eine angemessene Wasserversorgung können Armut, Hunger und Krankheiten nicht effektiv bekämpft werden. Dennoch besitzt weltweit eine von acht Personen keinen Zugang zu sauberem und somit sicherem Wasser; zwei von fünf Personen haben keinen Zugang zu Abwassersystemen. Dieser Mangel an sauberem Wasser und Abwasserentsorgung führt in den Entwicklungsländern zu Krank- heiten – manchmal sogar zum Tode. Es wird geschätzt, dass weltweit 80 Prozent aller Krankheiten durch verunreinigtes Wasser und mangelhafte Abwassersysteme verursacht werden. 3.5 Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch die- se Krankheiten. Die höchste Sterberate ist dabei bei Kindern zu verzeichnen: an vermeidbaren Krankheiten, wie etwa Diarrhö, die von verseuchtem Wasser hervorgerufen werden, sterben pro Tag 240.000 Kinder unter fünf Jahren in Entwicklungsländern. Viele mehr haben ihre gesamte Kindheit mit Unterernährung und Krankheiten zu kämpfen. In der Vergangenheit waren Projekte mit Wasserbezug in internationalen Hilfsorganisationen und traditionellen Stiftungen stark unterrepräsentiert. Allerdings muss Wasser ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, wenn man bestrebt ist, Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Ohne frisches Wasser sind alle andere Formen der Hilfe, inklusive Nahrungsmittel, Medizin und Impfungen, nur von wenig Nutzen. Viele Mediziner stimmen überein, dass es geimpften Kindern, die weiterhin kontaminiertes Wasser trinken, nicht besser geht als ohne Impfung. Der Bedarf an sauberem Wasser und an funktionierenden Abwassersystemen steigt exponentiell mit dem Bevölkerungswachstum. Während sich die Weltbevölkerung in den letzten Jahren verdreifacht hat, ist der Bedarf an sauberem Wasser um ein sechsfaches gestiegen. Der Wasserverbrauch in der EMA-Region ist besonders stark gewachsen: die EMA-Region ist bereits jetzt die weltweit wasserärmste Region. Dabei sind 75 Prozent der Wasserressourcen in der EMARegion im Iran, Irak, Syrien und der Türkei konzentriert und somit stehen den verbleibenden Ländern der Region noch viel weniger Ressourcen zur Verfügung. In den nächsten 50 Jahren wird sich die Bevölkerung der Region verdoppeln. Dadurch wird sich der Durchschnitt der verfügbaren Wassermenge um 1.100 Kubikmeter pro Jahr verringern. Frauen und Wasser Der Zugang zu Trinkwasser ist gerade in den ländlichen Regionen ein Problem und besonders Frauen und Mädchen leiden unter den Folgen dieses Missstands, da sie innerhalb der Familien für die Wasserversorgung zuständig sind. So verbringen Frauen in der syriSeite 14 © Global Water Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 schen Stadt Jebal al Hoss zwischen drei bis fünf Stunden damit, Trinkwasser zu beschaffen und in der sudanischen Stadt El Nahud benötigen einige Familien 50 Prozent ihres Gesamteinkommens, um Trinkwasser zu erwerben. Sobald Mädchen stark und alt genug sind, werden sie häufig aus der Schule genommen, um ihre Mütter bei der Beschaffung von Wasser zu unterstützen. Damit wird ihnen die Chance auf Bildung und auf ein besseres Leben außerhalb der Armut genommen. Viele von ihnen müssen weite Wege von vier oder fünf Stunden mit bis zu 20 kg schweren Kanistern zurücklegen, während sie gleichzeitig noch Babys auf dem Rücken tragen. Dieses verlangt den Frauen Unglaubliches ab und kann zu Rückenproblemen und Unterernährung führen. In manchen Regionen Afrikas verbrauchen Frauen 37 Prozent ihrer Energiezufuhr für die Wasserbeschaffung. Ein Nebeneffekt des Tragens der Wasserkanister, die zum Tragen an einem Stirngurt befestigt sind, ist z.B. die Verformung der Schädeldecke. Fehlende Abwassersysteme bergen weitere Schwierigkeiten und Erniedrigungen für Frauen und Mädchen. Ohne nahegelegene Toiletten ist es für sie oftmals schwierig, einen sicheren Platz für Intim- und Menstruationshygiene zu finden – insbesondere nachts, wenn die Gefahr eines Wildtierangriffs oder einer Vergewaltigung höher sein kann. Sobald Mädchen die Pubertät erreichen, stellen fehlende Sanitäranlagen auch häufig einen Hinderungsgrund für den Schulbesuch dar. Dies nährt wiederum den Teufelskreis aus Analphabetismus, Armut und schlechter Gesundheit. Water initiiert werden, können vor allem als leicht zu erhaltende Wassersysteme beschrieben werden, welche nachhaltige Vorteile für die Bewohner der ländlichen Gegenden mit sich bringen: nach dem Aufbau eines funktionierenden Wassersystems wird die ganze Gesellschaft gesünder. Kinder sind in der Lage besser zu lernen und junge Frauen und Männer können härter arbeiten und so ein größeres Einkommen generieren. © Global Water Global Water Global Water wurde 1982 gegründet und ist eine internationale, gemeinnützige Organisation, welche die Wasserversorgung und – Entsorgung in den ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern unterstützt. Die Organisation ist davon überzeugt, dass mangelndes Trinkwasser und fehlende Sanitäranlagen die Hauptursachen für Hunger, Krankheit und Armut in Entwicklungsländern sind. Die Projekte, welche von Global Madeleine MacHarg ist Direktorin für Marketing bei Global Water und hat zuvor an der Universität von Kalifornien ihren Abschluss als MBA absolviert. Sie lebt in Ventura, Kalifornien. Seite 15 Investment, Finanzen und Recht Investment, Finanzen und Recht D Wie viel Ethik braucht der Markt? ISO 26000 für ein verantwortliches Handeln im globalen Maßstab von Dr. Annette Kleinfeld Seite 16 © Flickr_without author recognition Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum ie Vorstellung des „homo oeconomicus“ ist weit entfernt von der Realität - darüber sind sich Wissenschaftler und Praktiker weithin einig. Wer an der Idee vom rationalen, stets seinen Nutzen maximierenden Modellmenschen zweifelt, muss nicht lange suchen, um Bestätigung zu finden. Ob platzende „Internetblasen“, für den guten Zweck freiwillig und kostenlos arbeitende Menschen, sich erst auf lange Sicht rechnende nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten oder Geschäfte, bei denen korrupte Machenschaften gang und gäbe sind – all diese Ereignisse sind in der Welt eines homo oeconomicus nicht vorstellbar. Über Rationalität und Eigennützigkeit hinweg erfolgen Marktentscheidungen im wahren Leben unter Abwägung persönlicher Werthaltungen und Moralvorstellungen. Diese wiederum sind stark beeinflusst von der Landeskultur, der Religion und nicht zuletzt von Bildung und Erfahrungen der Gesellschaft in den jeweiligen Regionen und Märkten. Gerade für globale und interkulturell besetzte Märkte ergeben sich daraus neben den ökonomischen auch soziale und kulturelle Herausforderungen für die Wirtschaft. Nicht nur Streben nach Gewinn und Wohlfahrt bestimmen hier das Verhalten am Markt, sondern in hohem Maße auch unterschiedliche religiöse, kulturelle und allgemein gesellschaftliche Prägungen. Dies eröffnet die Frage nach global anerkannten ethischen Maßstäben: dürfen Kinder in Schwellen- oder Entwicklungsländern arbeiten? Dürfen Frauen oder Minderheiten bestimmte Funktionen bekleiden und Aufgaben wahrnehmen? Welcher Wert eines Geschenkes oder einer Einladung ist noch als Gastfreundschaft zu interpretieren – welcher ist Zeichen eines Bestechungsversuchs? Diese und weitere Fragen zeigen die Bedeutung von Ethik für den Markt auf: gibt es einen global anerkannten ethischen Maßstab für den globalen Markt – bzw. wie viel Ethik braucht der Markt? Eine Hilfe, um Antworten auf diese Frage zu finden, liefert die DIN ISO 26000: die international entwickelte und anerkannte Norm zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen. Als Mediterranes 1/2012 Leitfaden gibt die erstmals 2010 veröffentlichte Norm Empfehlungen für ein verantwortliches Verhalten für alle Arten von Organisationen – unabhängig von deren Standort, Größe und Rechtsform. Das Verhalten jeder einzelnen Organisation bestimmt wiederum, ob und wenn ja, welche ethischen Prinzipien sich im jeweiligen Markt durchsetzen. Die internationale Norm, die auch in das deutsche DIN-Normenwerk aufgenommen wurde, unterscheidet sich von in der Praxis bekannten, vorwiegend technischen Normen vor allem dahingehend, dass sie nicht zertifizierbar ist. Die ISO 26000 stellt auf Freiwilligkeit ab und ist weder Managementsystemnorm noch für eine Zertifizierung, gesetzliche oder vertragliche Anwendung vorgesehen. An der sechsjährigen Entwicklung waren in nationalen Gremien und internationalen Arbeitsgruppen Vertreter und Experten aus sechs sog. interessierten Kreisen beteiligt, welche die verschiedenen Interessen der Gesellschaft und Umwelt repräsentativ vertreten konnten. Darunter waren Vertreter der großen internationalen Organisationen, wie etwa der Vereinten Nationen, Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden sowie Vertreter verschiedener Nichtregierungsorganisationen (NRO). Ein ausgewogenes Verhältnis von Teilnehmern aus Industrie- sowie Schwellen- und Entwicklungsländern wurde gewährleistet und aktiv gefördert. Im Resultat bietet die DIN ISO 26000 einen umfassenden Leitfaden und konkrete Handlungsempfehlungen für die Anerkennung, Bestimmung, Umsetzung und Kommunikation der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung. Sie beschreibt Grundprinzipien, Kernthemen und Handlungsfelder gesellschaftlicher Verantwortung, die jede Organisation für ihre Entscheidungen und Handlungen erfassen und umsetzen sollte. Aufgrund des dahinter stehenden Ziels, allgemeingültige Normen und Werte für verantwortliches Entscheiden und Handeln von Organisationen zu finden, befasst sich die Norm über den Begriff der Verantwortung im Kern mit ethischen Fragestellungen. Zentrale Elemente des Leitfadens sind sieben Grundsätze und sieben Kernthe- men gesellschaftlicher Verantwortung mit ihren entsprechenden Handlungsfeldern. Grundsätze Gesellschaftlicher Verantwortung (ISO 26000) 1. Rechenschaftspflicht 2. Transparenz 3. Ethisches Verhalten 4. Achtung der Interessen der Anspruchsgruppen 5. Achtung der Rechtsstaatlichkeit 6. Achtung internationaler Verhaltensstandards 7. Achtung der Menschenrechte (DIN ISO 26000:2011) Kernthemen Gesellschaftlicher Verantwortung (ISO 26000) 1. Organisationsführung (Corporate Governance) 2. Menschenrechte 3. Arbeitspraktiken 4. Umwelt 5. Faire Betriebs- und Geschäftspraktiken 6. Konsumentenanliegen 7. Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft Neben einer erstmals weithin anerkannten Definition von gesellschaftlicher Verantwortung enthält die Norm konkrete Empfehlungen, wie Interessen von Anspruchsgruppen (Stakeholder) identifiziert und bewertet werden und schlägt dabei eine Einbindung dieser Gruppen vor. Sie verweist ferner auf Methoden und Vorgehensweisen für die Umsetzung und Kommunikation von CSR. Darüber hinaus weist sie in ihrem Anhang auf freiwillige CSR-Initaitiven und CSRHilfsmittel hin. Ob eine Organisation ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt, wird künftig von Organisationen zunehmend unter dem Aspekt unternehmerischer Risiken betrachtet werden müssen. Im Ernst & Young Business Risk Report 2010 taucht zum ersten Mal der Entzug gesellschaftlicher Akzeptanz und das Verfehlen gesellschaftlicher Verantwortung als eines der künftigen Top-10 Risiken für Unternehmen auf. Seite 17 Investment, Finanzen und Recht Nachhaltigkeit und die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung gehören unumstritten zu den großen Handlungsfeldern der primär ökonomisch zusammengewachsenen Weltgesellschaft unserer Zeit. Im Zuge dessen sind Organisationen mit einer wachsenden Vielfalt von Erwartungen und Anforderungen unterschiedlichster Interessens- und Anspruchsgruppen (Stakeholder) konfrontiert, aus deren Nichterfüllung sich neuartige, nämlich gesellschaftliche Risiken für sie ergeben können. Die DIN ISO 26000 enthält Empfehlungen, die sich auf die Zusammenarbeit von deutschen Organisationen mit Organisationen in den arabischen Staaten bzw. der EMA-Region anwenden lassen. Das vorgeschlagene systematische Vorgehen hilft, die legalen und legitimen Erwartungen und Ansprüche von Personen und Gruppen in den jeweiligen Regionen bzw. auf deren Märkten zu identifizieren und zu bewerten. Darunter werden Themen wie Gleichstellung der Geschlech- Investment, Finanzen und Recht ter, Diversity und Anti-Korruption vor dem Hintergrund des Kerngeschäfts und der daraus resultierenden Aktivitäten eine hohe Beachtung und Berücksichtigung finden. Der empfohlene Dialog mit den Anspruchsgruppen hilft, die Voraussetzungen und Anliegen der anderen Seite zu verstehen. So kann und soll der Norm zufolge der Weg eingeschlagen werden, zunächst den kulturellen und religiösen Kontext der Geschäftspartner und -länder zu erfassen anstatt von vornherein die eigene Moral und die eigenen Wertmaßstäbe anzulegen. Die Auseinandersetzung mit Ethik und Verantwortung in Bezug auf die eigene unternehmerische Tätigkeit und die verschiedenen Marktaktivitäten unterstützt eine wertschätzende und respektvolle Form der Zusammenarbeit unter Anerkennung kultureller und religiöser Unterschiede, soweit diese mit den internationalen Standards, insbesondere der Achtung von Menschenrechten und der Schaffung sozialverträglicher Arbeitsbe- dingungen, übereinstimmen. Unternehmen üben ihren Zweck verantwortlich aus und steigern die Qualität ihrer Arbeit nachhaltig. Letztlich leisten sie damit einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft – was der übergeordneten Zielsetzung der DIN ISO 26000 entspricht. Dr. Annette Kleinfeld ist geschäftsführende Gesellschafterin des Hamburger Beratungsunternehmens Dr. Kleinfeld CEC GmbH & Co. KG. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften und promovierte über die Grundlagen einer ethisch orientierten Unternehmens- und Personalführung. Als Expertin war sie auf nationaler und internationaler Ebene umfassend an der Entwicklung der ISO 26000 beteiligt. – Anzeige – Wegbereiterinnen der Demokratie Juristische Impulse aus Marokko von Frank Tetzel S eit der Thronbesteigung König Mohammeds VI. vor zwölf Jahren gibt es immer wieder Reformvorstöße des Königs. Dies wird auch von führenden Intellektuellen, wie beispielsweise Tahar Ben Jelloun, in seinem Buch „Der arabisch Frühling“ bestätigt: „Der König tut sein Bestes. Er ist beliebt und viele politische Parteien sollten sich an ihm ein Beispiel nehmen. Der Islamismus wiederum wird von einer im Parlament präsenten Partei vertreten, die sich für Gewaltfreiheit und Demokratie einsetzt.“ Die Demokratie, so Ben Jelloun weiter, sei keine technische Spielerei, sondern eine Kultur, die sich Marokko gerade aneigne. Vor allem bei den Frauenrechten nimmt das nordafrikanische Land eine führende Position unter den arabischen Ländern ein. Mehr als dreißig Frauenorganisationen sind in dem nordafrikanischen Land aktiv, die durch die Liberalisierung der Frauenrechte in Marokko entstanden sind. Zu Besuch bei Frauenprojekten in Marrakesch Eine schmale Treppe führt in den ersten Stock eines kleinen Eckhauses in der Derb El Guebesse Syba in Marrakesch. Ein karg ausgestatteter Raum, ein Tisch, ein paar Stühle, an den Wänden Plakate, die auf französisch, Seite 18 Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Frauenrechtlerin Aicha Chenna im Dialog mit EMA-Gründungsmitglied Dounia Elkorchi-Buchert © Dounia Elkorchi-Buchert arabisch, in Berbersprache und vor allem in Bildern über Häusliche Gewalt gegen Frauen auf klären. Hier, weitab der Touristenströme, die wie jeden Tag die Schönheit und die Sehenswürdigkeiten der marokkanischen Stadt am Fuße des Atlasgebirges bewundern, hier im Stadtviertel Sidi Youssef Ben Ali hat die „Association El Amanepour le Développment de la Femme“ ihren Sitz, eine Anhörungs- und Bera- tungsstelle für misshandelte Frauen. Sie ist eine von mehreren Nichtregierungsorganisationen, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, um die Rechte der Frauen in Marokko zu stärken. Neues Familienrecht Dabei hat Marokko schon jetzt im Vergleich zu allen anderen arabischen Staaten eine der liberalsten FrauenrechtsSeite 19 – Anzeige – Investment, Finanzen und Recht gesetzgebungen. Kern der Mudawana al usra, so der Name des seit 2006 eingeführten marokkanischen Familienrechts, sind die gesetzliche Bestimmungen, die Familie, Erbschaft, Heirat, Ehe, Scheidung und vor allem das Thema Kinder regeln. Seitdem ist die Ehefähigkeit von Frauen von 15 auf 18 Jahre angehoben worden, Familiengerichte wurden etabliert, die Gehorsamspflicht der Frau gegenüber ihrem Mann wurde abgeschafft. Zudem können Scheidungen nur vor Gericht und im gegenseitigen Einvernehmen ausgesprochen werden. „Wir sind eine Anlaufstelle für misshandelte Frauen, und zwar der Frauen, die physische und psychische Gewalt erlitten haben“, erläutert Halima Oulami, die Präsidentin des Vereins El Amane. Die Frauenrechtlerin kämpft zurzeit für zwei Ziele: zum einen für staatliche Sanktionen bei häuslicher Gewalt und zum anderen für die Einrichtung eines Frauenhauses in Marrakesch. Zwar hat das marokkanische Parlament im Jahre 2007 anlässlich des Tages der Menschenrechte die Misshandlung von Frauen als gesetzes- und fortschrittswidrig auf die politische Agenda gehoben, doch zwischen den fortschrittlichen Kräften und den Traditionalisten in Marokko klaffen Welten, die ähnlich groß sind, wie der Unterschied zwischen den modernen Großstädten Casablanca, Marrakesch, Rabat und den ländlichen – Anzeige – » Projektentwicklung » Begleitung von Joint Venture-Prozessen » Vertriebsunterstützung Beatrix Klingel Tel: + 49 - 6359 - 919 860 [email protected] www.klingelconsult.com Seite 20 Gebieten des nordafrikanischen Königreichs. Zudem ist die Analphabetenrate, gerade in den ländlichen Räumen Marokkos sehr hoch. Planung eines Frauenhauses Der Bedarf an Plätzen in einem Frauenhaus sei groß – nicht zuletzt durch die Informationsarbeit der Organisation. Zunehmend mehr Frauen würden sich melden, die häusliche Gewalt erlebt hätten, erläutert Halima Oulami. Zurzeit würden Opfer in angemieteten Zimmern untergebracht. „Das marokkanische Strafrecht kennt nicht den Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe“, so die Aktivistin. Dies zu ändern ist ein Ziel, für das sich die Organisation derzeit einsetzt. „El Amane“ betreut jedoch nicht nur die betroffenen Frauen mit juristischen und praktischen Ratschlägen, ein Großteil der Arbeit besteht aus der Aufklärung in Schulen, um jugendliche Jungen und Mädchen nicht nur für Frauenrechte, sondern auch für das Thema Menschenrechte zu sensibilisieren. Reformprozess durch König angestoßen Ob nun die Vereinigung um Halima Oulami oder die Organisation „Solidarité Feminine“ um die Aktivistin Aicha Chenna in Casablanca, sie wären heute nicht denkbar, ohne die Modernisierung und Liberalisierung der marokkanischen Gesetzgebung und der Gesellschaft, die König Mohammed VI. nach der Thronbesteigung vor elf Jahren eingeleitet hat. Die sogenannte „bleierne Zeit“ unter Mohammeds Vater Hassan II. wurde damit endgültig beendet. Der jetzige Monarch, vom Volk auch kurz M 6 genannt, gilt als zukunftsorientiert und modern, handelt aber auch heute noch stets unter den kritischen Augen der fundamentalen islamischen Geistlichkeit im Land, denen die eingeleiteten Reformen – vor allem im Familienrecht – viel zu weit gehen. Der Spannungsbogen in Marokko ist weit gefasst. Denn andererseits fordern die gut ausgebildeten Akademiker in den großen Städten umfassende Demokratisierungen und einigen gehen die Verfas- sungsreformen noch nicht weit genug. Auch die Frauenaktivistinnen sprechen von Veränderungen, die sie anstreben, jedoch lehnen alle Gewalt strikt ab. Zudem wird die Legitimität des Königs dieser Tage von keinem Gesprächspartner in Frage gestellt. Marokko scheint hier nicht unerfolgreich einen dritten Weg zu gehen, der demokratische Reformen von oben vorsieht. „Ihr Europäer seid immer so ungeduldig“, sagt dann auch Kamal, ein 38-jähriger Taxifahrer. „Der König ist ein guter Mann, er weiß was er tut“. Übrigens verurteilt er, wie die überwältigende Mehrheit der Marokkaner, den Bombenanschlag auf das Café Argana auf der guten Stube Marrakeschs, dem Djemaael Fna, bei dem Ende April vergangenen Jahres 14 Menschen starben, aufs Schärfste. Damals fanden zahlreiche spontane Demonstrationen von unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen statt, die allesamt ausdrückten, dass Terrorismus keine Form der politischen Auseinandersetzung ist. Anfang März vergangenen Jahres hatte nun der marokkanische König in einer aufsehenerregenden Rede ankündigt, den eingeschlagenen Weg der Reformen weiter zu gehen und voranzutreiben. Eine 18-köpfige Kommission unter Leitung von Abdelatif Mennouni soll nun die Verfassung unter den Gesichtspunkten Stärkung des Rechtstaates, der Gewaltenteilung und der Justiz sowie die Verankerung des Prinzips, dass der Premierminister aus den Reihen der stärksten Partei kommt und auf der Basis des Wahlergebnisses ernannt wird, einer Revision unterziehen. Am Ende dieses Prozesses haben nun die Marokkaner in einem Referendum über die neue Verfassung abgestimmt. Aus den Wahlen, die am 25. November letzten Jahres stattfanden, ist die moderat islamistische Partei PJD als stärkste Kraft hervorgegangen, die auch den Ministerpräsidenten stellt. Demokratischer Seismograph Wenn Frauenrechte, speziell in der arabischen Welt, heute ein Gradmesser für die Demokratisierung sind, dann scheint es um Marokko im Vergleich zu anderen arabischen Ländern gut zu stehen. Die Frauenorganisationen arbeiten politisch professionell, organisieren Demonstrationen, besuchen Parlamentsabgeordnete und Minister, machen Vorschläge für Gesetzgebungsverfahren, veranstalten Pressekonferenzen und Medienkampagnen. Die Lobbyarbeit ist durchaus vergleichbar mit denen westeuropäischer demokratischer Gesellschaften. Grundsätzlich ist von vielen Aktivistinnen der Grundtenor zu hören, die Gesetze und die Texte sind gut, es mangelt an der Ausführung und es gelte, die traditionellen Mentalitäten zu ändern. Aicha Chenna: Aktivistin der ersten Stunde Wenn man sich den Lebensweg von Aicha Ech-Channa anschaut, sieht man wie weit die marokkanische Gesellschaft sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Frau, die mit dreieinhalb Jahren ihren Vater verlor, erlebte am eigenen Leib, was Diskriminierung bedeutete. Seitdem setzt sich die resolute Frau für die Rechte unverheirateter Frauen und ihrer Kinder ein. Ein uneheliches Kind gilt nach wie vor in Marokko in vielen Kreisen als h’chouma, als Schande. Schon Mitte der achtziger Jahre gründete die Krankenschwester den Verein Solidarité Féminine als Resultat aus der Erfahrung, die Chenna mit Frauen sammelte, die unverheiratet schwanger wurden und ihre Kinder zur Adoption freigeben wollten. “Es war und ist falsch zu glauben, dass diese Frauen selbst Schuld haben“, empört sich Aicha Chenna auch heute noch, denn es handelte sich Mitte der achtziger Jahre vor allem um ein soziales Problem. Die Frauen mussten aus dem Teufelskreis der Armut und der Schande, ein uneheliches Kinde zu haben, herausgeholt werden. So gründete sie 1986 ihren Verein, der in einem Armenviertel der Metropole Casablanca errichtet wurde. Ziel: den ledigen Müttern ein Einkommen und eine Unterkunft zu schaffen. Die Garküche, die Aicha Chenna einrichtete, war die erste überhaupt in der islamischen Welt, die von unverheirateten Müttern betrieben wurde. Für ihre Arbeit erhielt die Aktivistin, deren Organisation heute nicht nur die Garküche, sondern Kioske, Werkstätten und Kinderkrippen betreibt, den mit einer Million Dollar dotierten amerikanischen Opus-Prize verliehen, eine internationale Auszeichnung für glaubensbasierte humanitäre Hilfe, für Menschen, die Lösungen schaffen für die großen sozialen Probleme wie Armut, Analphabetismus, Hunger, Krankheiten und Ungerechtigkeit. Heute hat die streitbare Frau mit dem beachtenswerten Lebenslauf einen festen Platz in TV- und Radiosendungen Marokkos, obwohl sie von radikal-islamischen Kräften der Förderung der Prostitution bezichtigt wird. „Dabei wollen wir den Frauen ihre Würde zurückgeben. Sie sollen lernen, ihr Kind wieder annehmen zu können,“ so die engagierte Frauenrechtlerin. ...Gut gelagert ! Regale · Behälter · Zubehör Frauen auf dem Vormarsch Doch Frauen bewegen mehr in Marokko, sie sind längst nicht nur Aktivistinnen, die sich ausschließlich mit Frauenrechten befassen. Frauen sind Abgeordnete im Parlament oder wie Fatima Mernissi, Soziologie-Professorin in Rabat, Beraterin der UNESCO und Mitglied im Beraterstab der Weltbank für den Nahen Osten und Nordafrika, oder wie die 35-jährige Fatima Zahra Mansouri von der Partei für Authentizität und Modernität, die seit zwei Jahren Bürgermeisterin von Marrakesch ist, oder Yasmina Benkhadra, die das Amt der marokkanischen Energieministerin bis vor kurzem bekleidete, oder wie die Rechtsprofessorin Aicha El Hajjami oder wie die Verlegerin Layla Chaouni, der Einfluss der Marokkanerinnen auf Wirtschaft und Politik wächst ständig. Frank Tetzel geboren 1963, ist freier Journalist und Autor in Berlin. Neben Themen aus Wirtschaft und Politik beschäftigt er sich darüber hinaus mit Erneuerbaren Energien und Nachhaltigem Tourismus. Seit einigen Jahren beobachtet er die politische Entwicklung in Nordafrika. Vom Behälter bis zum Hochregal – Planung bis Inbetriebnahme direkt vom Hersteller! BITO-Lagertechnik Bittmann GmbH D-55590 Meisenheim Tel.: +49(0)6753–122-0 innovative LAGERLÖSUNGEN Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum www.bito.de Investment, Finanzen und Recht Investment, Finanzen und Recht Wertvoll gestalten – nachhaltig handeln Risikobewusstes Investment von Frauen von Susanne Kazemieh „Hiding“ © Marwa Adel I m Vergleich zu arabischen Ländern geht es uns Frauen in diesem Land verdammt gut. Von Gleichstellung können wir in Deutschland dennoch nicht reden. Im europäischen Seite 22 Vergleich gehören wir zu den Schlusslichtern – zumindest was die Angleichung der Gehälter anbetrifft. Glaubenssätze wie „Geld ist mir nicht so wichtig“ sind zwar heiligenscheinver- dächtig, führen jedoch zielstrebig in die Altersarmut. Als ich vor 25 Jahren meine ersten Fachtagungen für Investmentfonds und Altersvorsorge besuchte, wurde ich als – häufig noch einzige – Frau milde belächelt. Frauen und Geld – das passte so gar nicht ins Bild. Frauen in der Finanz- und Versicherungsbranche sind zwar auch heute noch deutlich unterrepräsentiert, genießen jedoch mittlerweile Respekt von Seiten der männlichen Kollegen. Vorurteile wie „Frauen verstehen nichts von Geld“ geistern immer noch in einigen Köpfen herum, weichen jedoch mit jeder weiteren Finanzkrise einer sich geradezu aufdrängenden Frage: Wäre das alles auch unter weiblicher Führung passiert? Ist der weibliche Umgang mit Geld nicht von deutlich höherem Verantwortungsbewusstsein geprägt? Die immer wieder gern kolportierte Behauptung, dass Frauen risikoscheuer seien als Männer, gehört in den Bereich der Märchen. Denn Frauen sind nicht risikoscheuer, sie sind risikobewusster! Ein kleiner Unterschied, den Frau Professor Renate Schubert (Schweiz) vor einigen Jahren auch wissenschaftlich untermauern konnte. Was genau heißt das? Frauen sind umso risikobereiter, je mehr Informationen sie bekommen. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt. Bei Investments handeln Männer häufig nur Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum deshalb spekulativer, weil sie sich des Risikos gar nicht bewusst sind! Frauen gehen mit Geld umsichtiger und weitsichtiger um. Auch Männer suchen Rat bei Frauen Was bedeutet Risiko eigentlich? Und wie definiere ich „Sicherheit“? Ist meine Altersvorsorge dann sicher, wenn alle meine Anlagen festverzinslich sind oder aus Beton bestehen? Haben Aktien ein höheres Risiko als Staatsanleihen? Frauen haben ein gutes Gespür für Balance. Das zeigen auch ihre Depots. Sie haben eine nachhaltig höhere Rendite – nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht so hektisch umschichten. Der Versuch, den Markt durch schnelles Handeln „out zu performen“, erweist sich meistens als Schuss in den Ofen. Unsere Besonnenheit zahlt sich nicht nur in der Performance der Depots, sondern auch in der Weiterempfehlungsquote aus. So suchen auch immer mehr Männer die Beratung und langfristige Betreuung von Frauen in Finanzfragen auf. Hin und Her macht Taschen leer – eine Gleichung, die Banken und andere Vertriebe zwar kennen, mangels Eigeninteresse aber selten leben! Wertschätzung ist das Zauberwort, das zwischen Ratsuchenden und Vermittlern eine zentrale Rolle spielt. Wertschätzung heißt Anerkennung sowie Vertrauen und sollte auf beiden Seiten vorhanden sein. Wertschätzung heißt aber auch „den Marktwert eines Investments einschätzen“ – und darüber, dass es sich um eine Einschätzung – nicht um gesichertes Wissen – handelt, sollten sich beide Seiten im Klaren sein! Transparenz und Nachhaltigkeit Viele Anlegerinnen und Anleger wünschen sich Transparenz, wenn es darum geht, welche Geschäfte mit ihrem Kapital finanziert werden. Mit ihren Investments wollen sie sich an Unternehmen beteiligen, die ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen, und nicht etwa an solchen, die mit Atomkraft und Rüstung verdienen. Neben grundsätzlich nachhaltigen und ethischen Aspekten, ist es möglich, sich auf spezielle Themen wie Neue Mediterranes 1/2012 Energien, Wasser und CO2-Reduzierung zu fokussieren. Vor allem in diesem Segment ist es wichtig, genau zu schauen, dass nicht nur der Titel "grün" ist. Nachhaltigkeit umfasst aber nicht nur die Vermittlung ökologischer und sozialverträglicher Investments, sondern auch die langfristige und stabile Begleitung der Kunden. Es gibt einige Investmentgesellschaften, die ökologische und soziale Aspekte nicht nur berücksichtigen, sondern klare Ausschlusskriterien entwickelt haben. Zudem besteht die Möglichkeit, Kleinstunternehmer mit Mikrofinanzierungen zu unterstützen und somit dafür zu sorgen, dass Menschen sich mit vergleichsweise kleinen Beträgen eine Existenz aufbauen können. Über den Tellerrand gucken Die meisten deutschen Privatanleger sind leider sehr einseitig investiert. Viele haben ausschließlich deutsche oder europäische Papiere. Die FrauenFinanz- Langsam aber sicher kommt auch die arabische Region in den Fokus deutscher Anleger Gruppe hat die sog. „Schwellenländer“ schon Anfang der Neunzigerjahre als Beimischung empfohlen – zu Recht, wie sich gezeigt hat, denn die Renditen können sich sehen lassen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man den aufstrebenden Ländern ein erhöhtes Risiko nachsagte. Während die Industrieländer unter (hoch)verschuldeten Regierungen und Konsumenten sowie einem relativ schwachen Wirtschaftswachstum leiden, bieten die Schwellenländer attraktives Wachstumspotential und vielfach solide Finanzen. Die demografische, gesellschaftliche und technologische Entwicklung vor allem in Asien lässt einen langjährigen Aufschwung erwarten. Die Türkei, lange als „kranker Mann vom Bosporus“ belächelt, übertraf 2011 sogar das Wirtschaftswachstum Chinas. Langsam aber sicher kommt auch die arabische Region in den Fokus deutscher Anleger. Sie hat ihr Gesicht verändert – und geht mit neuem Mut und einer starken demokratischen Initiative voran. Politisch bedingte Kursrutsche an den Aktienmärkten – das haben auch die Entwicklungen nach Ausbruch der Unruhen in Tunesien, Ägypten und Nachbarn gezeigt – haben immer „kurze Beine“. Wer hier antizyklisch investiert, dürfte reich belohnt werden. Interessant ist z.B. auch Marokko. Casablanca sollte sich nach Meinung vieler Experten in den kommenden Jahren zur Drehscheibe internationaler Wirtschaftsbeziehungen im nordafrikanischen Raum entwickeln. Grund hierfür ist nicht nur die geografisch günstige Lage, sondern auch die – im Vergleich zu anderen Ländern dieser Region – hohe politische und soziale Stabilität Marokkos. Kuwait, Dubai, Ägypten, Katar und die Vereinigten Emirate stellen in einigen Emerging-Market-Fonds bereits ein Drittel der Einzelinvestments. Die Titelauswahl sollte hier erfahrenen Fondsmanagern überlassen werden. Empfehlenswert erscheinen vor allem solche Investmentfonds, die sowohl in Aktien als auch in Anleihen anlegen dürfen. Auf einen Fonds, der seinen Fokus auf nachhaltig arbeitende Firmen in diesen Regionen setzt, werden wir aber vermutlich noch etwas warten müssen. Leider. Susanne Kazemieh ist Finanzberaterin und hat bereits im Jahr 1989 in Hamburg die FrauenFinanzGruppe gegründet. Außerdem ist sie die Autorin des ersten in Deutschland erschienen Finanzratgebers für Frauen und hat auch weitere Bücher, etwa „Frauen Sorgen vor“ (dtv-Verlag) publiziert. Seite 23 Ein EMA-Land im Fokus: Die Republik Tunesien NEU! Ein EMA-Land im Fokus: Die Republik Tunesien Raum für Ihr Projekt: Raum für Innovation: Mein Mediterranes-Abonnement Ich möchte ein Jahresabonnement Mediterranes für Euro 17,00 (inkl. Versand) Hirschhof Bio-Traubensaft (solange der Vorrat reicht) Ausgabe 2/2009 Mediterranes Das EMA-Magazin Herausgegeben von der Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. Die Union für das Mittelmeer Deutschland und die südliche Nachbarschaftspolitik Hamburg: Metropole im euro-mediterranen Raum? Nahostkonflikt: Die brennende Frage der euro-mediterranen Zusammenarbeit Migration: Prüfstein der europäischen Mittelmeerpolitik Mediterranes Ausgabe 1/2010 Das EMA-Magazin Herausgegeben von der Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. Foto: Bernd Boscolo/aboutpixel.de Medaillon Cabernet Rouge Marrokanischer Spitzenwein im deutschen Alleinvertrieb Mediterranes Das EMA-Magazin Elbphilharmonie Hamburg (© Herzog & de Meuron) Meine Abo-Prämie ausgabe1/2009 Mediterranes Herausgegeben von der Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. „Wir machten aus Wasser alles Lebendige“ Wissensgesellschaft und nachhaltiger Know-How-Transfer in der EMA-Region (Koran: Sure 21, Vers 30) Wasser im Islam: Kulturelle Bedeutung und Regeln zur gerechten Verteilung Jemen: Effektives Wassermanagement durch partizipative Lösungsansätze Regionale Wasserkooperation in Nahost: Eine Quelle für den Frieden? Integriertes Wasserressourcenmanagement: Ein Konzept mit Problemen und Fallstricken Eine strategisch-akademische Partnerschaft zwischen Deutschland und dem Irak Eine erfolgreiche Auftaktveranstaltung für nachhaltige Kooperation und Know-How-Transfer in der EMA-Region Ein EMA-Land wird vorgestellt „…zu wenig als Wissenschaftsstandort vermarktet“ beep-projekt hamburger wasserforum das sultanat oman hamburg 1/2 Seite Anschnitt 102,5 x 280 mm EUR 1.500 Ausgabe 2/2010 e 5,90 © Das EMA-Magazin Herausgegeben von der Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. Mit freundlicher Unterstützung von weinmarkt21.de Titel/Vorname/Nachname 1/2 Seite Satzspiegel 92,5 x 240 mm EUR 1.500 1/3 Seite hoch Anschnitt 70 x 280 mm EUR 1.000 1/2 Seite hoch Satzspiegel 60 x 240 mm EUR 1.000 Stadt- und Regionalplanung in einem rasant wachsenden Raum Die weiße Stadt am Mittelmeer macht sich zurecht Stadtverwaltung kämpft für die Rettung der Altstadt Ihre Ära ist vorbei – wie geht es nun weiter? Ein EMA-Land wird vorgestellt tripolis im aufbruch masterpläne für jeddah arabische medinas die arabische republik syrien Strasse Mediterranes ® PLZ/Ort Das EMA-Magaz in Herausgegeben von der Euro-Med iterranean Associati on for Cooperati on and Developm Ausgabe 1/2012 e 8,50 ent e.V. Land 2x1/3 Seite quer Anschnitt 420 x 90 mm EUR 1.650 Kleinanzeige 60 x 75 mm EUR 300 Email (optional) Datum, Unterschrift Bitte ausfüllen und per Post oder Fax an EMA e.V. Lederstr. 15 22525 Hamburg Fax: +49 (0) 40 - 52 01 49 11 Email: [email protected] Die Zahlungsbedingungen finden Sie unter www.ema-germany.org Seite 24 Ω Wasser, u mWeLt und erneuerbare e Ω investmen nergien t, finanZen und r ecHt Ω frauen in füHrung für nacHHa Ω L ogistik, i Ltiges nfrastruktur und H ande Ω dipLomatie L , ZiviLgeseLLscHa ft und kuLtu r WacHstum Jetzt abonnieren! Ouissal – Die neue englischsprachige Extrabeilage Werden Sie Werbepartner! Dieselben Anzeigenformate und Preise gelten auch für Ouissal www.ema-germany.org www.ema-germany.org Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Seite 25 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum “Die arabische Region im Zentrum der Weltwirtschaft und der internationalen Gemeinschaft“ Ein Gespräch mit Haifa Fahoum Al Kaylani, Gründerin und Vorsitzende des Arab International Women’s Forum (AIWF) und EMA-Ehrenmitglied bin fest davon überzeugt, dass wir – woher wir auch kommen – viel mehr gemein haben als uns unterschiedet. Vorurteile erwachsen oft aus Unwissenheit. Mehr Wissen führt zu mehr Verständnis. Deshalb glaube ich Bildung. Zweitens glaube ich an Taten: wir müssen das, was wir gelernt haben, mit unserer Arbeit verbinden. Wir müssen unser Wissen und unsere Fähigkeiten für gute Zwecke einsetzen. Drittens glaube ich daran, zu geben. Ich bin mit Eltern aufgewachsen, die sehr gebildet und sehr liebevoll waren und die mir sehr viel gegeben haben. Sie gingen mit gutem Beispiel voran, und ich habe von ihnen gelernt. Mein verstorbener Ehemann, mit dem ich das Glück hatte 41 gemeinsame Jahre zu verbringen, hatte die gleiche Einstellung. Er hat mich unterstützt und inspiriert. Mein Rat an junge Frauen ist also: verfolgt eure Ausbildung, hört nie auf zu lernen, verbindet das Gelernte mit eurer Arbeit und versucht in eurer Gemeinschaft etwas zu bewegen. um ihre Bedürfnisse zu decken. Daher begannen Väter, Brüder und Ehemänner zu akzeptieren, dass ihre Töchter, Schwestern und Frauen einer Arbeit nachgehen müssen. Vom ersten Tag an verfolgte das AIWF das Ziel, mehr Frauen aktiv in Unternehmen einzubringen und am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Deshalb haben wir arabische Frauen aus 22 Ländern zusammengebracht, um zu sehen, was sie voneinander lernen und wie sie miteinander Geschäfte machen können. Das AIWF wurde aus der Überzeugung heraus aufgebaut, dass wir in einer Welt ohne Grenzen leben und dass die arabische Region im Zentrum der Weltwirtschaft und der internationalen Gemeinschaft liegt. Deshalb ist es wichtig, Frauen aus Großbritannien, Europa, den USA und Afrika zusammenzubringen, damit sie Erfahrungen austauschen, Brücken und Geschäftsbeziehungen aufbauen können, um etwas in der Gemeinschaft zu bewegen. EMA: Wie haben Männer auf die Gründung des AIWF reagiert und welche Rolle haben Männer im AIWF seit dessen Errichtung gespielt? Haifa Al Kaylani im Gespräch mit Maria von Welser © Arne List EMA: Was war der Hauptgrund für Sie das AIWF zu gründen und inwiefern haben sich seit Gründung des AIWFs die Chancen von Mädchen und Frauen in der arabischen Welt verändert? Neues Ehrenmitglied der EMA – eine der 100 einflussreichsten Frauen des arabischen Raums © Arne List EMA: Viele Frauen in der arabischen Welt sehen Sie als weibliche Vorbildfigur. Sie wurden zu einer der 100 einflussreichsten arabischen Frauen 2011 gewählt und haben zahlreiche Preise für die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen erhalten. Was ist Ihr Erfolgsrezept und welchen Ratschlag haben Sie für junge Frauen, um mehr Autonomie zu erreichen? Seite 26 Haifa Al Kaylani: Ich habe drei Ratschläge für junge Frauen: Erstens glaube ich, dass mehr Wissen zu mehr Verständnis führt. Mit meinem Mann, einem Botschafter, habe ich die Welt bereist und schnell festgestellt, dass ein Bedarf für interkulturellen Austausch besteht. Es gibt Vieles, was wir übereinander lernen müssen, um über uns selbst Bescheid zu wissen. Ich Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Al Kaylani: Das AIWF hat von Beginn an international mit Entscheidungsträgern in Regierungen, NGOs, Unternehmen und der Wissenschaft zusammengearbeitet, um Frauen in die Lage zu versetzen vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In den letzten 15 Jahren haben wir große Fortschritte bei den Frauen in der arabischen Region gesehen. In der Politik, in Unternehmen, der Zivilgesellschaft, in Ingenieursberufen, im Rechtswesen und in der Medizin haben sich neue Möglichkeiten für Frauen eröffnet. Frauen sind jetzt in allen Bereichen und Berufen vertreten. Eine Reihe von Faktoren hat zu diesem Wandel geführt: zum einen waren da die gestiegenen Investitionen ins Bildungswesen. Zum anderen hat auch ein top-down Ansatz der Regierungen die Agenda von Frauen vorangetrieben. Außerdem hat ein schwieriges wirtschaftliches Klima in den arabischen Ländern dazu geführt, dass Familien ein höheres Einkommen brauchten Mediterranes 1/2012 Al Kaylani: Diese Frage beantworte ich gerne. Das AIWF war von Anfang an keine feministische Organisation; es war eine Entwicklungsorganisation. Wir wollten Frauen in der arabischen Welt helfen, ihr volles Potential in Unternehmen, Zivilgesellschaft, Wohltätigkeitsorganisationen und im öffentlichen Leben zu entfalten. Unsere Botschaft an die arabischen Männer und die Männer im Allgemeinen war, dass wir mit ihnen und als ihre Partner wirtschaftliche Entwicklung erreichen wollen. Wir brauchen eine Partnerschaft um Erfolg zu haben; Frauen und Männer müssen zusammenarbeiten, damit die internationale Gemeinschaft die arabische Welt verstehen kann. Nachdem wir diese Botschaft rübergebracht hatten, haben die arabischen Männer uns ausschließlich Unterstützung entgegen gebracht – im Wirtschaftsleben wie auch in der Gesellschaft allgemein. EMA: In Ihrem Beitrag auf dem Frauennetzwerkforum haben Sie erwähnt, dass es nicht darum geht Traditionen aufzugeben. Al Kaylani: Ich bin stolz darauf, eine arabische Frau zu sein, ich bin stolz auf meine Wurzeln. Mit meinem Hintergrund – ich bin in Palästina geboren, im Libanon aufgewachsen und war mit einem Jordanier verheiratet – trage ich die gesamte Region in meinem Herzen. Ich habe jedoch auch 36 Jahre in Großbritannien gelebt und bin europäische Staatsbürgerin. Ein hoher Beamter der Arabischen Liga hat einmal zu mir gesagt, dass ich dazu erzogen wurde, das Beste aus moderner Bildung und modernem Wissen mit dem Besten aus Tradition und kulturellem Erbe zu verbinden und zu schätzen. Ich glaube, dass es wichtig ist, offen dafür zu sein, Neues zu lernen, ohne dabei unsere Wurzeln und unser kulturelles Erbe zu vergessen. © www.mediaserver.hamburg.de/C. Spahrbier Seite 27 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „Der arabische Frühling bringt eine revolutionäre Brise mit sich“ Ein Gespräch mit Eva-Maria Welskop-Deffaa, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Leiterin der Abteilung Gleichstellung EMA: Und nun, nach dem Forum, welches sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede und welches die größten Gemeinsamkeiten zwischen den anwesenden Frauen in Deutschland und der EMA-Region? Welskop-Deffaa: Das 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum ist eine wunderbare Initiative zum richtigen Zeitpunkt. Es macht deutlich: die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der EMA-Region können sich nur nachhaltig erfolgreich entwickeln, wenn sie die Kompetenz und die Bedürfnisse von Frauen umfassend berücksichtigen. Das Forum hat aber auch deutlich gemacht: Frauen in Deutschland und in der EMA-Region sind heute exzellent ausgebildet. Sie wollen Entscheidungsverantwortung übernehmen, in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Aber sowohl bei uns, als auch in den EMA-Staaten sind die gläsernen Decken unterhalb des TOP-Managements aus Panzerglas. Vielleicht ist der größte Unterschied zwischen der EMA-Region und Deutschland, dass der arabische Frühling eine revolutionäre Brise mit sich bringt - auch in Bezug auf Geschlechterrollenveränderungen. Der Rückenwind, der durch den Fachkräftemangel in Deutschland für Karrierechancen von Frauen entstanden ist, ist im Vergleich dazu ein eher laues Lüftchen. EMA: Sie haben Ihre Ministerin zuletzt auf eine Tunesienreise begleitet: Können Sie uns ein paar besonders prägende Erfahrungen mit den tunesischen Frauen schildern? Welskop-Deffaa: Die Tunesienreise am 7. März hat sich mir vor allem mit zwei Bildern eingeprägt: da war zuerst das Treffen mit weiblichen Abgeordneten der verfassunggebenden Versammlung. Schon äußerlich war erkennbar, wie unterschiedlich die Werthaltungen dieser Frauen sind, welch verschiedene Milieus sie repräsentieren. Aber parteiübergreifend wurde der unverrückbare Wille deutlich, Frauenrechte in der Verfassung ausdrücklich abzusichern und eine Relativierung der Gleichberechtigung durch kulturelle oder religiöse Normen nicht zulassen zu wollen. Die Tunesierinnen erinnerten mich darin an die vier Mütter unseres deutschen Grundgesetzes, die – allen voran Elisabeth Selbert von der SPD und Helene Weber von der CDU – die Männer ihrer Parteien in zähem Ringen davon überzeugten, dass Artikel 3 so und nicht anders lauten und die Grundrechte für Frauen und Männer uneingeschränkt gewährleisten muss. Das zweite Bild: das Gespräch mit jungen Bloggerinnen. Sie haben zu einer Zeit, als die Diktatur ihre freie Beweglichkeit im öffentlichen Raum massiv einschränkte, die neuen Medien als Zugangsweg in die Öffentlichkeit entdeckt und genutzt. Jetzt ist der Schritt vom persönlichen systemkritischen Blog zu einer solidarischen Frauenbewegung zu tun und er scheint mir nicht für alle automatisch leicht zu fallen. Es ist gut, wenn Frauengruppen und –initiativen, die zum Teil von UN Women gefördert werden, auf die Bloggerinnen zugehen und neue Wege der virtuellen und tatsächlichen Vernetzung generationenübergreifend gelingen. EMA: Inwiefern kann Ihr Ministerium die Stärkung von Frauen in Führungspositionen auch in der EMA-Region unterstützen? Welskop-Deffaa: Im Nachgang zur Tunesienreise der Ministerin sind wir gerade dabei, über diese Frage präziser nachzudenken. Wir wissen einerseits, dass es im Auswärtigen Amt Förderinitiativen für die Transformationsländer gibt, die bislang für Frauenprojekte noch ganz ungenügend genutzt werden. Hier wollen wir Türöffner spielen. Wir denken andererseits darüber nach, unser Helene Weber Kolleg, mit dem wir seit dem letzten Jahr Frauen in der Kommunalpolitik in Deutschland parteiübergreifend eine Plattform des Austauschs und der Vernetzung bieten, für Frauen aus der EMA-Region zu öffnen. Frauen in Entscheidungspositionen in Wirtschaft und Politik zu stärken, bleibt eines der Schwerpunktthemen der Gleichstellungspolitik 2012ff. Ich freue mich daher schon jetzt auf das 2. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum in Hamburg. – Anzeige – Mediterranes 1/2012 50.– We l t w e it a f Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Die gebana ist Pionierin des Fairen Handels. Wir beziehen unsere Produkte von Kleinbauern im Süden und verkaufen sie direkt an Endkundinnen in der Schweiz. Die Produzenten erhalten gerechte Preise und Vorfinanzierungen. Langfristige und partnerschaftliche Handelsbeziehungen bilden die EUR Grundlage unserer Arbeit. a. n Seite 28 Erntefrisch zu Weihnachten! ba Eva-Maria Welskop-Deffaa: 2012 ist für mich ein Aufbruchjahr der internationalen Gleichstellungspolitik. Wir spüren in Deutschland – stärker als vielleicht vor 5 oder 6 Jahren – wie sehr die nationale Gleichstellungspolitik geprägt ist von internationalen Entwicklungen und wie groß die Erwartungen sind, die international an frauen- und gleichstellungspolitische Signale aus Deutschland gerichtet werden. Einige Beispiele: Der Weltentwicklungsbericht der Weltbank 2012 ist exklusiv der Ge- schlechtergerechtigkeit gewidmet – Geschlechtergerechtigkeit, so sein Fazit, ist wesentlicher Motor der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit. Weiterhin hat der UN-Generalsekretär am Internationalen Frauentag 2012 angekündigt, 2015 solle es eine nächste Weltfrauenkonferenz geben, die erste seit Peking 1995. Und last but not least: die Chefin von UN-Women, der „kleinen Schwester von UNICEF“, Michelle Bachelet hat angekündigt, 2012 Bundeskanzlerin Merkel und Bundesministerin Schröder in Berlin einen Besuch abstatten zu wollen, um über die drängenden Fragen der Gleichstellung zu sprechen. Oben auf ihrer Agenda steht die Frage nach gleichberechtigter Teilhabe von Frauen in Entscheidungspositionen. w w w. g e EMA: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund, am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum teilzunehmen und welche Erwartungen hatten Sie an das Forum? 5 kg BIO & FAIR Ho TUNESIEN b RISPENDATTELN Begeisterung über die kürzlich gesammelten Eindrücke in Tunesien © Arne List co m Seite 29 ONLINE BESTELLEN: www.gebanashop.com Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „Bei einer Vernetzung können alle gewinnen“ Prof. Dr. Horst H. Siedentopf, Präsident der EMA und Honorarkonsul für Marokko EMA: Welches waren für Sie die ausschlaggebenden Gründe zur Initiierung des Frauennetzwerkforums und wie fühlen Sie sich nach der erstmaligen Umsetzung? Prof. Dr. Siedentopf: Ich bin sehr froh, dass wir nach einer langen, intensiven Vorbereitung das Forum realisieren und dabei einen so großen Zuspruch erreichen konnten. Da ich in meinem Leben viele starke, erfolgreiche Frauen getroffen habe, war es mir ein großes Anliegen, das Thema auch für unseren Länderverein herauszustellen. Schon vor der Arabellion, aber dann durch diese noch wesentlich verstärkt, war offensichtlich, dass die Frauen in der arabischen Welt eine immer bedeutendere Rolle spielen. Auch in Deutschland wird die Diskussion über die Rolle der Frauen in den letzten Jahren intensiver geführt. Bei einer Vernetzung der Protagonistinnen in der EMA-Region mit denen in Deutschland können alle gewinnen. EMA: Der EMA-Vorstand hat Frau Al Kaylani kürzlich zum ersten Ehrenmitglied ernannt. Welche Bedeutung hat diese Ehrenmitgliedschaft für die EMA? Prof. Dr. Siedentopf: Frau Al Kaylani ist eine außerordentlich beeindruckende, dynamische Frau. Sie verfügt über ein weit gespanntes Netzwerk und großen Einfluss, deshalb sind wir sicher, dass unsere Arbeit in den arabischen Ländern mit ihrer Kooperation noch erfolgreicher sein wird. Interessant ist auch, dass ihre Organisation in vielen europäischen Ländern bereits vernetzt ist. Davon kann auch die EMA profitieren. EMA: Wie geht es weiter? Prof. Dr. Siedentopf: Für die Mitarbeiter der EMA war der Erfolg dieses Forums eine große Motivation. Dabei hat sich auch die Zusammenarbeit mit der Handelskammer Hamburg erneut sehr bewährt. Mit gestärkter Tatkraft werden jetzt die Vorbereitungen für die Foren zu anderen Themen angegangen: als nächstes steht das 2. Wasser-Forum im September auf dem Programm. Das soll noch bedeutender werden als das schon sehr gelungene Wasser-Forum vor zwei Jahren. Und dann im nächsten Jahr sicherlich wieder ein Frauennetzwerkforum! Seite 30 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „Das 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum konnte also nur ein Erfolg werden.“ „Es war das erste Mal, dass ich von einem Mitglied der Königsfamilie als Vertreterin ausgewählt wurde“ „Ich war begeistert von der Kraft, dem Mut, der Zuversicht und dem Selbstverständnis der anwesenden Frauen“ Corinna Nienstedt, Geschäftsführerin und Leiterin des Geschäfts- Interview mit Reem Barghouty Damen, Vorsitzende des Jordan Monika Schulz-Strelow, Präsident Fidar Frauen in die bereichs International der Handelskammer Hamburg Forum for Businesss and Professional Women Aufsichtsräte e.V. EMA: Welches war für Sie der ausschlaggebende Grund, die EMAInitiative als Mitveranstalterin so wohlwollend zu unterstützen? Nienstedt: Ich war mir absolut sicher, dass die Idee bei deutschen Unternehmerinnen- und Frauenverbänden auf ein sehr starkes Interesse stoßen würde. Und natürlich hatte ich Vertrauen in die EMA, dass es dieser gelingen würde, interessante Frauen aus der arabischen Region für unsere Veranstaltung zu gewinnen. Das 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum konnte also nur ein Erfolg werden. EMA: Welche Erwartungen hatten Sie an das Forum und was hat Sie überrascht? Nienstedt: Ich hatte mir erhofft, dass die arabischen Teilnehmerinnen etwas über die Themen erfahren, welche die deutschen Frauen in Führungspositionen derzeit bewegen. Und wir deutschen Teilnehmerinnen wollten natürlich mit den arabischen Frauen darüber diskutieren, ob sich im Zuge des Arabischen Frühlings für die Situation der Frauen etwas verbessert hat. Ich denke, wir alle haben da unglaublich viel voneinander gelernt. Überrascht hat mich, dass es eine ganze Reihe von Problemen gibt, die sowohl Frauen in Arabien als auch uns in Deutschland betreffen. Überrascht hat mich auch die Offenheit, mit der die arabischen Teilnehmerinnen über ihre zum Teil sehr schwierige Lage gesprochen haben. Das hat ganz schnell das Eis zu den deutschen Frauen gebrochen. EMA: Wie steht Ihre Handelskammer einer verbindlichen Quotenregelung in der Wirtschaft gegenüber? Nienstedt: Unsere Handelskammer ist der Ansicht, dass Frauen in den Chefetagen der deutschen Unternehmen – gerade der Großunternehmen – viel zu wenig präsent sind. Hier muss sich, schon wegen der demographischen Entwicklung, unbedingt etwas ändern. Unserer Ansicht nach ist es nachhaltiger, wenn die Unternehmen aus eigener Überzeugung mehr Frauen in Führungspositionen bringen, als wenn sie durch eine starre Quote dazu gezwungen werden. Letztlich geht es um eine Kulturveränderung in den Firmen. Die schaffen wir, wenn wir die Unternehmen „mitnehmen“, nicht aber durch eine starre Quote. EMA: Warum haben Sie am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum teilgenommen? Barghouty Damen: Der Hautgrund für meine Unterstützung war die Notwendigkeit, weltweit ein gemeinsames Forum für Frauen aufzubauen. Ohne ein solches Netzwerk ist es unmöglich zu wissen, was Frauen in anderen Teilen der Welt leisten und wofür sie arbeiten. Das Netzwerkforum der EMA bietet eine sehr gute Plattform, um unsere Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Viele Themen, mit denen wir uns beschäftigen, sind ähnlich und – auch wenn die Probleme unterschiedlich groß sein mögen- betreffen sie doch dieselben Thematiken. Das Forum hilft dabei herauszufinden, wo diese Gemeinsamkeiten liegen. EMA: Fördert Ihre Organisation die Einführung einer Frauenquote? Barghouty Damen: Das übergeordnete Ziel unsere Organisation ist die Besetzung von Führungspositionen durch Frauen. Wir haben uns bereits für die Erhöhung der Zahl der Frauen im Parlament stark gemacht und hier lässt sich bereits ein gradueller Fortschritt erkennen. Durch unsere Verbindungen zu allen möglichen Institutionen können wir zumindest dafür sorgen, dass unsere Stimme gehört wird. EMA: Im Rahmen des Netzwerkforums traten Sie als Vertreterin der Schirmherrin auf. Wie haben Sie sich dabei gefühlt, an Stelle ihrer königlichen Hoheit Prinzessin Sumaya bint el Hassan zu sprechen? Barghouty Damen: Es war das erste Mal, dass ich von einem Mitglied der Königsfamilie als Vertreterin ausgewählt wurde und ich war sehr geehrt die Rede ihrer königlichen Hoheit halten zu dürfen. Seitdem habe ich sehr viele Glückwunschschreiben der Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Forums erhalten, in dem sie ihre Wertschätzung gegenüber ihrer königlichen Hoheit und auch mir gegenüber ausdrücken. Auch erhielt ich ein Dankschreiben der Prinzessin, in dem sie mir ihre Wertschätzung für ihre Vertretung auf dem Forum, aber auch für meine Arbeit als Vorsitzende von Jordan Forum for Business & Professional Women, aussprach. EMA: Was waren Ihre Erwartungen hinsichtlich einer Teilnahme am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum? Schulz-Strelow: Bisher hatte ich sehr wenige Berührungspunkte mit Frauennetzwerken aus dem arabischen Raum. Ich war begeistert von der Kraft, dem Mut, der Zuversicht und dem Selbstverständnis der anwesenden Frauen und habe viele, mich auch teilweise sehr nachdenklich stimmende, Eindrücke mit nach Hause genommen. EMA: Von Ihnen wird gesagt, dass Sie wissen wie man mit männlichen Entscheidern zu reden hat. Was sind hierbei Ihrer Meinung nach die wichtigsten Unterschiede zwischen Deutschland und dem arabischen Raum? Schulz-Strelow: Ich bin nach den unterschiedlichen Ausführungen in der Konferenz gar nicht so sicher, ob die Unterschiede zwischen den männlichen Entscheidern in Deutschland und Arabien so groß sind. Die klassischen Denk- und Handlungsmuster finden Sie in Abstufungen wahrscheinlich in beiden Kulturen, wobei wir hier ein Land und einen ganzen Kulturraum – bestehend aus vielen unterschiedlichen Kulturen - vergleichen. Die deutschen Entscheider sind insgesamt beunruhigt durch die Diskussionen über eine mögliche Frauenquote in Aufsichtsräten. Die Themen „Demographischer Wandel“ und „Fachkräftemangel“ erfordern allerdings ein Umdenken in den Köpfen der handelnden Akteure hier in Deutschland. Ich glaube, hier liegt einer der großen Unterschiede zwischen Deutschland und dem arabischen Raum: Unsere Gesellschaft ist relativ alt und der Fachkräftemangel zeichnet sich immer stärker ab. Daher ist es wirtschaftlich nicht mehr zu verantworten, die vielen hochqualifizierten Frauen bei der Besetzung der entsprechenden Positionen nicht zu berücksichtigen. EMA: Fördern Frauen Frauen? Schulz-Strelow: Frauen fördern Frauen noch nicht ausreichend. Doch die Anzahl und das Bewusstsein hierfür wächst: Viele Frauen nehmen allerdings ihre Vorbildfunktion nicht genug wahr. Hier wünsche ich mir mehr Unterstützung von Frauen in Führungspositionen in der Öffentlichkeit. Doch häufig möchten erfolgreiche Frauen nicht mit dem „Frauenthema“ in Verbindung gebracht werden. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Seite 31 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „E Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Deutschland und der EMA-Region von Clara Gruitrooy & Anna Wischniewski s ist leichter ein Atom zu zertrümmern, als Vorurteile abzubauen.“ Mit diesem Zitat von Albert Einstein eröffnete Frau Dr. Stapelfeldt, die Zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Senatorin für Wissenschaft und Forschung, das 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum, welches auf die Initiative der EMA zurückgeht. In der Tat gibt es heute keine Nationalität und keine Religion zu der keine bestimmten Stereotype existieren. Insbesondere die häufig islamisch-geprägten Staaten der EMA-Region (Nordafrika und Nahost) werden, trotz der geografischen, historischen sowie kulturellen Nähe zu Europa und obgleich die europäisch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen stetig ausgebaut werden, in Deutschland häufig mit Skepsis betrachtet. So wird die EMARegion häufig als homogener Raum angesehen und insbesondere das Bild, welches hierzulande über die Frauen in der EMA-Region kursiert, ist recht einseitig: Die arabische Welt, so der in Deutschland vorherrschende Konsens, sei stark männerdominiert und die Teilhabe von Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft werde durch traditionelle Werte und den Islam verhindert. Arabische Frauen seien somit auf häusliche Tätigkeiten beschränkt. Frauen in Führung gäbe es dort nicht. Viele Unterschiede und noch mehr Gemeinsamkeiten Das 1. deutsch-arabische Frauennetzwerkforum lieferte jedoch den eindeutigen Gegenbeweis: Es gibt sie, die arabischen Frauen in Führungspositionen! Dennoch entsprechen auch viele Aspekte des in Deutschland vorherrschenden Grundtenors der Wahrheit und somit scheinen die Unterschiede zwischen deutschen und arabischen Frauen in Führungspositionen auf den ersten Blick unüberbrückbar groß. So groß, dass zunächst sogar die Frage aufkam, ob es überhaupt Gemeinsamkeiten gibt und ob die Frauen der EMA-Region überhaupt Verständnis haben für die „nickeligen, kleinen Gleichstellungsprobleme“ der Deutschen (Angelika Pohlenz, General- Begeisterung über die kürzlich gesammelten Eindrücke in Tunesien © Arne List Seite 32 Arne List Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges© Wachstum Mediterranes 1/2012 sekretär Internationale Handelskammer Deutschland e.V., Deutschland).1 Im Laufe des Frauennetzwerkforums konnte schließlich jedoch ein deutlich differenzierteres Bild der arabischen Frau gezeichnet und die mannigfaltigen Facetten der Region hervorgehoben werden. Gleichzeitig wurde aber auch die Situation von deutschen Frauen ausgiebig erörtert und die arabischen Teilnehmerinnen waren von vielen erwähnten Aspekten der deutschen Sprecherinnen erstaunt: Deutschland mit seiner weiblichen Kanzlerin würde in den arabischen Ländern häufig als Vorreiter für Gleichberechtigung und Frauen in Führungspositionen betrachtet. Dass es auch hierzulande weiterhin große Herausforderungen und hitzige Debatten, wie um Während die Diskussion rund um die Quote in Deutschland noch schwelt, zeigen sich Frauen in der arabischen Welt dieser gegenüber weitaus weniger distanziert die Quote, gibt, ist unbekannt. Am Ende der Veranstaltung hoben somit alle hervor, dass sowohl die deutschen als auch die arabischen Teilnehmerinnen viel voneinander gelernt haben und dass es sowohl prägnante Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede gibt. Eine interessante Weichenstellung Die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Gleichstellung von Männern und Frauen und für eine weibliche Erwerbstätigkeit bildet zugleich auch einen markanten Unterschied zwischen Deutschland und den arabischen Ländern: die gesetzliche Grundlage für die Gleichstellung der Frau. In Deutschland ist diese bereits seit 63 Jahren fest in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert, während es in vielen arabischen Ländern weiterhin einer soliden gesetzlichen Grundlage bedarf: Alle arabischen Staaten – bis auf den Libanon – erklären die shari’a zur primären Quelle der Gesetzgebung und in einigen Ländern konnten Reformen bereits zur Verbesserung der Frauenrolle beitragen. Marokko verabschiedete etwa im Februar 2004 ein reformiertes Familienrecht, die sogenannte Moudawana, welches unter anderem ein progressiveres Ehe- und Scheidungsrecht einführte (siehe Seite 19). Gleichzeitig herrschen aber auch in vielen als modern geltenden arabischen Staaten, wie etwa Jordanien, noch immer Missstände vor und verbieten geschiedenen Müttern auch heute noch die Wahl eines neuen Ehepartners bis zum 18. Lebensjahr des gemeinsamen Kindes, wenn sie das Sorgerecht für ihre Kinder behalten wollen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Entstehung des Grundgesetzes und somit auch die Entstehung des Artikels zur Gleichstellung der Frau auch in Deutschland noch nicht allzu lange zurück liegt und sich in der EMA-Region – vor allem im Nachgang an den sogenannten „arabischen Frühling“ – eine Weichenstellung erkennen lässt, die sehr an die Entstehung eben dieses Artikels erinnert: So hob Eva-Maria Welskop-Deffaa, Leiterin der Abteilung Gleichstellung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hervor, dass Frauen – insbesondere Elisabeth Selbert von der SPD und Helene Weber von der CDU – damals parteiübergreifend für die Formulierung des dritten Artikels gekämpft haben. Auch im Zuge des arabischen Frühlings haben sich Frauen wie auch Männer für ihre Rechte eingesetzt und gegen die alten Regime demonstriert, obgleich die Revolutionen nicht gleichstellungspolitisch begründet wurden. In diesem Zusammenhang heben auch die Frauen auf der arabischen Seite hervor, dass die deutschen Erfahrungen sie durch ihren fortwährenden Kampf für mehr Gleichberechtigung inspiriert hätten und es zwischen deutschen und drabischen Frauen eine besondere VerSeite 33 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum bindung gäbe (Samar Fatany, Chefredakteurin bei Jeddah Broadcasting, Saudi Arabien). Familiäre und gesellschaftliche Hindernisse auf dem Weg zur Erwerbstätigkeit Auch der häufig zitierte und in Deutschland oftmals skeptisch beäugte Islam ändert nichts an dieser Verbindung, da dieser der Gleichstellung und der weiblichen Erwerbstätigkeit nicht per se entgegen stehe. Vielmehr müsse immer auch der Zusammenhang zu der familiären Situation hergestellt werden, da die weibliche Erwerbstätigkeit insbesondere durch gesellschaftliche Strukturen eingeschränkt werde, wie etwa durch mangelnde Möglichkeiten der Kinderbetreuung, und sich auch innerhalb der Region stark unterscheide. (Dina Shokry, Mediterranean Academy of Forensic Sciences, Ägypten). In Tunesien, Libyen, Jemen und Marokko werden Frauen bereits jetzt immer stärker repräsentiert und auch Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum die Jordanierin Reem Barghouty Damen, Vorsitzende des Jordan Business and Professional Women, verweist auf Frauen als „Motor der Gesellschaft“ (Barghouty Damen). In Saudi Arabien hingegen werden Frauen, Samar Fatany zufolge, nach wie vor als „minderwertig“ betrachtet: Vielfach käme es vor, dass Frauen ohne die Zustimmung des Mannes nicht arbeiten und sich nicht frei fortbewegen dürften, was auch gesetzlich verankert worden sei. Aber auch dies liege nicht in der Religion begründet, sondern finde seinen Ursprung viel mehr in Gesellschaftsstrukturen, die sich nur langsam und nicht ohne Proteste von Extremisten abändern ließen. Dennoch werden Befürchtungen, dass neue islamisch geprägte Regierungen wie in Tunesien wieder zu einem „Rückfall“ des als sehr fortschrittlich geltenden Landes führen würden, mit der Begründung abgewunken, dass Frauen sich keinerlei Rückschritt gefallen lassen würden (Shokry). Dennoch zeichnet der Gender-Gap Index, welcher die Länder weltweit nach der Schließung der Geschlechterkluft bewertet, ein durchgängig pessimistisches Bild der EMA-Region: Insgesamt belegen die Staaten im Nahen und Mittleren Osten den letzten Platz im weltweiten Vergleich und tauchen ab Platz 100 (von 135) überhaupt erst in den Rankings auf. Haifa Al Kaylani, Gründerin und Vorsitzende des AIWF, hebt allerdings hervor, dass in den letzten 15 Jahren große Fortschritte in der Region erzielt wurden, insbesondere im Bereich der Bildung: In Kuwait, Katar und Saudi Arabien sind inzwischen jeweils 67, 63 und 57 Prozent aller Universitätsabsolventen weiblich. Auch sind Frauen verstärkt – in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), im Oman und in Saudi Arabien mit jeweils 28, 25 und 17 Prozent – in der Arbeitswelt vertreten und immer mehr Frauen, alleine 20.000 in den VAE, entscheiden sich für das Unternehmertum (Al Kaylani). Die Betrachtung dieser Zahlen sagt allerdings noch nichts über den Frauenanteil auf erster und zweiter Führungsebene aus und gebietet gleichermaßen die Differenzierung der regionalen Gegebenheiten: Insbesondere die Situation von Frauen auf dem Land und jener, die in der Stadt leben, unterscheidet sich drastisch. „Auf dem Land“, so Zaina Haddad, welche im libanesischen Tourismusministerium arbeitet, „ist die Karriere einfach weiter weg, […] die Situation ist eine andere als in den Städten“ (Haddad). In der Tat sind viele Aspekte der Globalisierung auf dem Land noch nicht so stark ausgeprägt und auch der Bildungsgrad speziell von Frauen ist häufig prekär. So liegt die Analphabetismusrate, welche in den arabischen Ländern mit 30 Prozent sowieso recht hoch ist, bei Frauen im Jahr 2000 bei 66.7 Prozent und auch 2004 sind noch rund 2/3 aller Analphabeten weiblich (UNESCO International Literacy Statistics, 2008:58; UNESCO Education for All in the Arab World). Die Quote als Allheilmittel!? Viel zutun – wenn auch in anderen Bereichen – gibt es auch in Deutschland. Betrachtet man die Zahl von Frauen in Führungspositionen in der Bundesrepublik, kann man an der Implementierung der Forderung des Grundgesetzes seine Zweifel haben: So hebt die Führungskräftestudie des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) hervor, dass in rund 1,9 Mio. analysierten Betrieben der Privatwirtschaft in Deutschland 45 Prozent der Arbeitnehmer weiblich sind, wohingegen nur 24 Prozent der Frauen auf erster Führungsebene vertreten sind. Die Zahl nimmt jedoch mit Größe der Betriebe stetig ab, sodass Firmen ab 500 Mitarbeitern auf erster Führungsebene nur noch einen Frauenanteil von 4 Prozent haben (IAB-Führungskräftestudie, 2004:6:7). So stoßen Frauen noch häufig an die auf dem Forum vielfach metaphorisch beschriebene „gläserne Decke“ (Schulz-Strelow, Präsidentin von Frauen in die Aufsichtsräte, FidAR). Durch diese unsichtbare, aber für Frauen auf dem Karriereweg deutlich spürbare Barriere bedingt, schafften es führende Frauen nur selten in die Vorstände und Auf- sichtsräte hinein: von 490 Vorständen der 30 größten DAX-Unternehmen sind gerade einmal elf Frauen und in den Aufsichtsräten sind von 500 Posten lediglich 78 durch eine Frau bestückt, was drei bzw. vier Prozent entspricht. Deutschland liegt in internationalen Rankings somit auf Augenhöhe mit Indien, allerdings hinter Brasilien, China und Russland (von Welser, TV-Journalistin und Vize-Chefin von UNICEF Deutschland). Zudem erhalten Frauen im Schnitt noch immer rund 25 Prozent weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Somit ist es kaum verwunderlich, dass in Deutschland die Rufe nach einer Quote in der Wirtschaft immer deutlicher zu vernehmen sind – sei es nach der „Flexi-Quote“, die von Familienministerin Schröder propagiert wird oder der von unter anderem der SPD und den Grünen bevorzugten „starren Quote“. Vielfach heißt es, das Einführen der Quote sei nicht nur gleichstellungspolitisch wünschenswert und von der demographischen Entwicklung her unabänderlich, sondern wirke sich Begeisterung über die kürzlich gesammelten Eindrücke in Tunesien © Arne List Seite 34 Arne List Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges© Wachstum © Arne List 1/2012 Mediterranes Seite 35 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum auch für Unternehmen gewinnbringend aus. Außerdem sei die Quote mittlerweile eine Grundvoraussetzung für die Erteilung von Aufträgen innerhalb der EU, da andere europäische Nachbarländer die Quote bereits eingeführt und dies fest als Grundvoraussetzung zur Auftragserteilung etabliert hätten. Außerdem hätten verschiedene wissenschaftliche Studien unlängst gezeigt, dass gemischte Teams und eine gemischte Führung gewinnbringender arbeiten als ihre gleichgeschlechtlichen Pendants. Dennoch steht, neben den oftmals männlichen Entscheidungsträgern, auch manch eine Frau der Quote negativ oder doch zumindest skeptisch gegenüber: Sowohl die Handelskammer Hamburg als auch eine Vertreterin der Internationalen Handelskammer Deutschland hoben hervor, dass die Quote Zweifel an den Qualifikationen der Frau auslöse und auch die Legitimität von Frauen un- Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum tergrabe. Niemand wolle schließlich als „die Quotenfrau“ abgestempelt werden (Nienstedt, Geschäftsführerin und Leiterin des Geschäftsbereichs International der Handelskammer Hamburg; Pohlenz, Generalsekretär Internationale Handelskammer Deutschland e.V.) Während die Diskussion rund um die Quote in Deutschland noch schwelt, zeigen sich Frauen in der arabischen Welt dieser gegenüber weitaus weniger distanziert: Die Ägypterin Dina Shokry hob etwa hervor, dass der Begriff Quote zunächst zwar negative Assoziationen geweckt habe, es sich aber dennoch um einen wichtigen und notwendigen Schritt handele und auch Reem Barghouty Damen, Vorsitzende des Jordan Forum for Business and Professional Women, unterstützt mit ihrer Organisation die Einführung einer Quote – sowohl in der Politik als auch in der der Wirtschaft. Dieses Engagement habe bereits einige Erfolge erzielt. Und in diesem Zusammenhang hob auch Ghlana Mint Cheikh, welche im mauretanischen Ministerium für Energie, Petroleum und Minen arbeitet, hervor, dass bereits wesentliche Fortschritte für die Beteiligung der Frauen an der Politik gemacht wurden: In dem Matriarchat wurde eine Quote eingeführt und so konnten Frauen 18 Prozent der Sitze im Parlament und 30 Prozent der Sitze in den Stadträten erlangen (Cheikh). Auch Prof. Dr. Siedentopf, Honorarkonsul Marokkos und EMAPräsident, betonte, dass das Königreich Marokko sich in der Vergangenheit besonders durch seine Fortschritte in den Frauenrechten, der „Moudawana“, und der Quote in politischen Ämtern hervorgetan habe. Er zeigte sich enttäuscht über die geringe Positionierung von Frauen in der kürzlich neu gebildeten Regierung und signalisierte gleichzeitig Zuversicht, dass Frauen aus dem politischen und – Anzeige – Your Science Partner in Jordan and the Region gesellschaftlichen Leben im Königreich nicht mehr wegzudenken seien. Nachhaltige politische Veränderung macht ein Umdenken erforderlich Aller verschiedenen Ansichten zum Trotz herrscht allerdings sowohl in Deutschland als auch in der EMA-Region weitläufig Einigkeit darüber, dass eine nachhaltige politische Veränderung nicht allein durch die Einführung einer Quote herbeigeführt werden kann. Schließlich liegen die Gründe für die Benachteiligung der Frau in Deutschland und den arabischen Staaten vor allem in den vorherrschenden Arbeits- und Familienkulturen: Frauen sehen sich häufig mit der Hauptverantwortung für Familie und Kinder konfrontiert. Da inflexible Arbeitsmodelle und unzureichende Betreuungsangebote noch immer Karriere und Familie nur schwer in Einklang bringen lassen, schlagen Frauen vielfach Führungspositionen entweder aus falscher Bescheidenheit oder aber aus familiärer Rücksichtnahme aus. Um dies zu ändern, bedarf es vielmehr einem Umdenken in den Köpfen aller. Besonders wichtig hierfür sind neben der Unterstützung der männlichen Kollegen und Vorgesetzten insbesondere auch die Initiativen und Netzwerke –wie etwa der Vereinigung für Frauen im Management e.V. (FIM), Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU) und dem European Women’s Management De- velopment International Network e.V. (EWMD). Den bereits genannten Ausnahmen zum Trotz, ist es in Deutschland bislang allerdings noch häufig schlecht um die Vernetzung von Frauen bestellt. Während die Forderung nach mehr Frauennetzwerken in Deutschland erst langsam aufkommt, sind die arabischen Länder hier bereits einen Schritt voraus: Nicht zuletzt die EMA-Veranstaltung hat – zur Überraschung der deutschen Teilnehmerinnen – gezeigt, dass in der EMA-Region viele diverse Frauenvereinigungen bestehen, die essentielle Arbeit zur Stärkung der Frau leisten und sich international austauschen. Das Frauennetzwerkforum der EMA setzt genau an diesem Punkt an und unterstützt somit, neben dem Abbau von Stereotypen, den Austausch von führenden Frauen in Deutschland und den arabischen Ländern. Dieser Austausch hilft allen teilnehmenden Personen, Meinungen, Erfahrungen und nicht zuletzt auch Visitenkarten auszutauschen. Hier möchte das nächste Forum auch ansetzen: Nach einem ersten Kennenlernen der jeweiligen Gegebenheiten soll der Austausch bis hin zu Kooperationen und Zusammenarbeit auf politischer, wissenschaftlicher und unternehmerischer Ebene voran getrieben werden. Der Ruf nach einem regelmäßigen Netzwerk – in Deutschland und der EMA-Region – war jedenfalls sehr groß und die Schirmherrin des Forums, die jordanische Prinzessin Sumaya bint el Hassan, hob hervor, dass die EMA mit der Ausrichtung des Forums eine Fackel entzündet und die Weichen für eine weiterführende Kooperation gestellt habe. 1 Alle Zitate stammen von Aussagen des 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforums oder aus Interviews, die im Zuge der Veranstaltung am 12. und 13. April geführt wurden. Clara Gruitrooy ist Geschäftsführerin der EMA. Anna Wischniewski absolvierte einen Master in Internationale Beziehungen und ist Assistentin der EMAGeschäftsführung. We aim to build and strengthen science, technology and innovation through the integrated activities of our secotrs and clusters Vision To be the local and regional reference point and knowledge leader for science and technology using scientific and engineering research to power economic development and social progress. – Anzeige – Mission Research, Consulting & Projects Scientific Analysis, Public Health & Safety Calibration, Conformity, & Engineering Maintenance Public Awareness, Training, Enterprise Creation, & Social Development Energy, Water, and Environment (EWE) Industrial and Economic Consultations (IEC) To build and strengthen scientific and engineering research in the areas of greatest strategic value to Jordan’s long-term competitiveness and development. HAW Student Consulting Das HAW Hamburg Student Consulting trägt durch umfassende Beratung und effizientes Projektmanagement zum Erfolg von Unternehmen und Geschäftsmodellen bei. 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Vorsitzende Landesfrauenrat Hamburg Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein EMA: Warum haben Sie am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum teilgenommen? Prof. Dr. Shokry: Meine Gedanken und Ziele sind denen der EMA sehr ähnlich. Ich habe mich gefreut am Forum teilzunehmen, um so mehr Kontakte mit Frauen in Deutschland knüpfen zu können und Erfahrungen zwischen Europa und der Region Nahost/Nordafrika auszutauschen. Ich denke, es ist sowohl für meine Karriere als auch mein Land wichtig, dass ich teilgenommen habe. Überraschenderweise fand ich heraus, dass überall auf der Welt Leiden zu finden ist – es handelt sich hierbei nicht um ein Problem, dass allein Entwicklungsländer betrifft, sondern auch in den Industrieländern zu finden ist. Diese Veranstaltung lässt mich auf eine bessere Zukunft hoffen, die viele Gelegenheiten für die Kooperation zwischen Deutschland und den anderen EMA-Ländern, aber auch zwischen mir persönlich und deutschen Partnern, bieten wird. EMA: Worin unterscheidet sich die Lage der Frauen in Deutschland und in Ägypten am meisten? Prof. Dr. Shokry: Ich glaube nicht, dass die Unterschiede sehr groß sind. Natürlich gibt es Unterschiede in der Art wie die Regierungen mit dem Problem umgehen. In Deutschland sind vielleicht einige Maßnahmen vorhanden, die als „fortschrittlicher“ beurteilt werden können. Aber auch in meinem Land sind viele Fortschritte zu beobachten – auch wenn wir noch viele weitere benötigen. Was mich erstaunte, war, dass einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer kein tiefergehendes Wissen über die arabische Welt besitzen, sondern ihre Vorstellungen von den Medien übernehmen. Diese Vorstellungen entsprechen manchmal nicht der Realität. Ich denke der persönliche Austausch wird dazu beitragen, die deutsche Gesellschaft näher an uns heranzurücken. Aber auch die ägyptische Seite kann so mehr über Deutschland erfahren. Seite 38 EMA: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum teilzunehmen und was sind Ihre Erwartungen? EMA: Was war der ausschlaggebende Grund für Sie, am Frauennetzwerkforum teilzunehmen, und welche Erwartungen haben Sie an das Forum? EMA: Was war der ausschlaggebende Grund für Sie am Frauennetzwerkforum teilzunehmen und welche Erwartungen haben Sie an das Forum? Pohlenz: Ich fand es interessant zu hören, wie Ihr Länderverein und die Kammer Hamburg ein Deutsch-Arabisches Netzwerk etablieren könnten. Auch interessiert es mich zu sehen, wo Frauen in Deutschland und den arabischen Ländern vor gleichen und unterschiedlichen Situationen stehen und ob man für das eine oder andere gemeinsame Lösungen finden kann. Sailer-Schuster: Das Thema Frauen in Führungspositionen interessiert mich persönlich schon seit langem. Aus diesem Grunde habe ich für den Großraum Hamburg auch das Frauen Finanzforum ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein Netzwerk für Frauen in Führungspositionen in Finanzinstituten aufzubauen. Prof. Dr. Randzio-Plath: Ich habe in meiner Zeit als Abgeordnete in Brüssel schon derartige Frauennetzwerkforen mitgemacht. Dies waren immer sehr bewegende Diskussionen, weil die Frage der Gleichstellung und der Diskriminierung alle Frauen gleichermaßen betrifft – wenn auch manchmal durchaus auf anderem Niveau. Die heutigen Antworten, dass man außer Recht und Regeln auch organisierte Frauenpower braucht, um das Recht in die soziale Wirklichkeit umzusetzen, sind die Ansätze, weswegen ich an vielen internationalen Konferenzen teilnehme. Für mich ist heute deutlich geworden, dass die Frauen im arabischen Raum ganz klar sagen, sie wollen die Veränderung ihrer Gesellschaft aus eigener Kraft schaffen. Ich finde, das ist eine Aufforderung zur Solidarität. Ich hoffe, dass dieses über das 1. Deutsch-Arabische Frauennetzwerkforum als Botschaft hinausgeht und dann auch für die nächsten Foren eine Vorlage ist. EMA: Stichwort Lösungen: Im Moment ist in Deutschland das Thema Frauenquote sehr aktuell. Inwiefern unterstützt Ihre Initiative eine Quote zur Gleichstellung von Frauen und Männern? Pohlenz: Ich bin kein Freund der Quote. Ich will sie gar nicht haben. Zunächst einmal finde ich, dass die Politik sich erst einmal selbst quotieren sollte – sowohl in den Parlamenten, als auch durchaus auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Wenn man von der Wirtschaft verlangt eine wirtschaftliche Entscheidung so zu treffen, wie es die Politiker wollen, geht es meistens in die Hose: Politiker haben von der Wirtschaft in der Regel keinerlei Ahnung. Das ist leider die Erfahrung, die ich über die letzten 30 Jahre gemacht habe. Außerdem glaube ich, dass Frauen noch an ihrer Einstellung arbeiten müssen, bevor sie fordern können mit 30%, 40% oder 50% an der Führungsspitze vertreten zu sein. Die Frauen, die dies fordern, sind in der Regel sowieso nicht diejenigen, die von der Quote profitieren würden: Sie bringen vielleicht die nötige Emanzipation mit, nicht aber die nötige Qualifikation. Deswegen halte ich gar nichts von der Quote. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Im Laufe meines beruflichen Lebens, und nicht zuletzt auch in der Bundesbank, habe ich festgestellt, dass Deutschland sehr rückständig ist, was Frauen in Führungspositionen anbetrifft, und dies gilt in besonderem Maße im Finanzsektor. Um hier Abhilfe zu schaffen, lohnt es sich immer, über den Tellerrand zu blicken. Ich glaube, insbesondere in Bezug auf die Rolle der Frau in arabischen Ländern ist unser Bild vielfach verzerrt, denn dieses ist weitgehend geprägt von den hier lebenden Zuwanderern. Dabei sind die Unterschiede innerhalb der arabischen Welt ungeheuer groß. In einigen Ländern nehmen Frauen bereits hervorragende Führungspositionen ein - das konnten wir ja auch im Zuge des Frauennetzwerkforums erleben. EMA: Was sind da Ihrer Meinung nach die größten Gemeinsamkeiten und was die größten Unterschiede zwischen Frauen in Deutschland und Frauen im arabischen Raum? Sailer-Schuster: Ich kenne die arabische Welt leider noch nicht ausreichend, aber der Konferenz nach zu urteilen, spielen religiöse, kulturelle und familiäre Aspekte in den arabischen Staaten eine wesentlich größere Rolle als bei uns, insbesondere auch bei der ländlichen Bevölkerung. Mediterranes 1/2012 EMA: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Gemeinsamkeiten und was die größten Unterschiede zwischen Frauen in Deutschland und Frauen im arabischen Raum? Prof. Dr. Randzio-Plath: Bei den Frauen, die aus gebildeten Schichten stammen, sehe ich keinen großen Unterschied. Natürlich sind sie an andere Regeln gebunden, aber auch wir haben eine Religion und Gesetze, die viele Frauen prägen. Die geringe Frauenerwerbsquote in den arabischen Ländern zeigt jedoch, wie wenig Frauen dort in die Gesellschaft integriert sind und dies ist, glaube ich, der größte Unterschied zwischen Frauen in Deutschland und den arabischen Ländern. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sind wichtige Hebel, um die Integration von Frauen in die Gesellschaft voranzubringen. Dies ist in Europa anders gelungen, als in den arabischen Staaten. Seite 39 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „Saudi Arabien hat eine Geschichte zu erzählen“ Samar Fatany, Chefredakteurin bei Jeddah Broadcasting, Saudi Arabien EMA: Was hat Sie zu der Entscheidung bewogen, am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum teilzunehmen? weibliche Mitglieder des Shura-Rates geben und Frauen werden eine Stimme in der Regierung erhalten. Und innerhalb der nächsten zwei Jahre werden Frauen bei Kommunalwahlen antreten. Die Präsenz von Frauen im Shura-Rat kann mit Sicherheit einen Wandel herbeiführen! EMA: In Deutschland wird die Beziehung zwischen Menschenrechten, speziell der Gleichheit der Geschlechter, und dem Islam oft als kritisch betrachtet. Wie wird diese Beziehung in Saudi-Arabien wahrgenommen? Fatany: Dem Thema Menschenrechte und Frauenrechte im Islam wird in Saudi-Arabien und im Ausland hohe Beachtung geschenkt. Saudische berufstätige Frauen spielen eine große Rolle im Abbau von Stereotypen der unterdrückten und ungebildeten arabischen Frau. Diese Frauen haben begonnen, ein neues Frauenbild zu prägen und ihre progressiven muslimischen Identitäten durchzusetzen. Ihre Teilhabe in öffentlichen Delegationen bietet ihnen die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit internationalen Institutionen und zum Auf bau von Partnerschaften, die dazu dienen, an globalen Zielen und der Bewältigung von globalen Herausforderungen mitzuarbeiten. Samar Fatany: Die Einladung zur Teilnahme am 1. Deutsch-Arabischen Frauennetzwerkforum war für mich eine große Ehre. Saudi-Arabien hat eine Geschichte zu erzählen und die Teilnahme am Forum war wichtig, um ein richtiges Bild der saudischen Gesellschaft und der Rolle der saudischen Frau zu zeichnen. – Anzeige – Ihr Erfolg ist unser Anliegen. EMA: Was beinhaltet das „richtige Bild der saudischen Gesellschaft und der saudischen Frau“? Auf Anhieb sympathisch: Hamburgs Senatorin für Gleichstellung und Justiz empfing das Deutsch-Arabische Frauennetzwerk im Rathaus © Arne List Seite 40 Fatany: Frauen machen in Saudi-Arabien 54 Prozent der Hochschulabsolventen aus. Es gibt viele hochqualifizierte und talentierte Frauen, die in großen Unternehmen und bei staatlichen Stellen sehr gefragt sind. Ihr Enthusiasmus und ihr Einsatz haben zu ihrem Erfolg und ihrer Integration in die Arbeitswelt beigetragen. Somit besteht heute weniger Widerstand in konservativen Familien gegenüber Frauen, die arbeiten gehen wollen und ein großer Anteil der Bevölkerung begrüßt die Teilhabe von Frauen in vielen Bereichen, die in der Vergangenheit für sie tabu waren. Auch die Führung Saudi-Arabiens lässt die Inklusion von Frauen in den Entscheidungsfindungsprozess schrittweise zu: In den kommenden vier Jahren wird es Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Saudische Unternehmerinnen besitzen ein großes Potential globale Partner zu werden, die zum interkulturellen Verständnis und zum globalen Wohlstand beitragen. Um einen besserem Beitrag zur Gesellschaft und zur globalen Wirtschaftsentwicklung leisten zu können, verdienen sie mehr Aufmerksamkeit und die Chance, neue Ideen, Lösungen und Perspektiven voranzubringen. Die internationale Gemeinschaft kann die Partizipation saudischer Frauen unterstützen, indem sie Beiträge von ihnen in gemeinsamen Projekten der verschiedenen Religionen oder in humanitären Organisationen möglich macht. Ihre Mitarbeit in Initiativen, die auf die Bewältigung globaler Herausforderungen abzielen, kann einen Beitrag zum internationalen Verständnis muslimischer Ansichten beitragen. Wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, können Frauen eine effektivere Rolle in der Vertrauensbildung spielen und den Abbau von Angst und Misstrauen mit vorantreiben. Der neue EMA-Stellenmarkt: http://jobmarket.ema-germany.org Im Dienst der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Mediterranes 1/2012 Seite 41 Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum „In Deutschland muss ein Umdenken stattfinden“ Interview mit Maria von Welser, TV-Journalistin und Publizistin sowie Vice Chair von UNICEF Deutschland unseren sicherlich ganz unterschiedlich gearteten Problemen erzählen. Wie ich in meinem Vortrag erwähnt habe, gibt es eine Weichenstellung, die mich sehr an die Entstehung des Paragrafen zur Gleichberechtigung im Grundgesetz erinnert: Dieser Paragraf wurde unter großem, überparteilichem Druck der Frauen durchgesetzt. Die Frauen in den arabischen Ländern haben jetzt eine gleiche Situation: Sie müssen sich jetzt in die Gesetzgebung einbringen und haben diesen ganzen Weg, den wir schon hinter uns, aber noch nicht vollkommen bewältigt haben, noch vor sich. EMA: Sie haben im Zuge des Forums häufiger gefordert, dass ein Umdenken stattfinden müsse. von Welser: Ich denke, dass in Deutschland ein Umdenken stattfinden muss. Wir brauchen einen Kulturwandel in den Köpfen – auch in den Köpfen der Männer. Es muss aus den Köpfen raus, dass Frauen, nur weil sie weniger bekommen – ich sage bewusst nicht verdienen – eher zu Hause bleiben und 15 oder 20 Jahre lang auf die Kinder aufpassen. Wir brauchen einen Kulturwandel in Deutschland, sonst kommen uns die gut ausgebildeten Frauen abhanden und gehen ins Ausland, wo sie leichter Karriere machen können. EMA: Wie stehen Sie der Quote gegenüber? von Welser: In den börsennotierten Unternehmen in Deutschland sitzen gerade einmal drei Prozent Frauen in den Vorständen und vier Prozent in den Aufsichtsräten. In realen Zahlen wird dieses Verhältnis noch klarer: von 490 Vorständen in den 30 größten DAX-Unternehmen sind sage und schreibe 11 Frauen vertreten. Von 500 Aufsichtsräten sind 78 weiblich. Damit liegt Deutschland im internationalen Ranking schlechter als Brasilien, China und Russland – immerhin aber auf Augenhöhe mit Indien. Gleichzeitig mangelt es aber nicht an Frauen mit Qualifikationen: Im ganzen Land schließen mehr Frauen als Männer ihr Studium ab. Darum brauchen wir eine Quote! Eine zeitlich begrenzte, qualitative Quote, quer durch alle Bereiche. – Anzeige – EMA-Forum für den Mashrek und den Golf am 30. & 31. Oktober 2012 im Europasaal des Auswärtiges Amts, Werderscher Markt 1 10117 Berlin Bedeutsames Fazit von Deutschlands prominentester Publizistin © Arne List EMA: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund am Frauennetzwerkforum teilzunehmen? folgt haben, gerne wissen: Was passiert mit denen? Schaffen sie es wirklich in die Regierungen, in die Parlamente? Maria von Welser: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns vernetzen müssen! Außerdem möchten wir, mit Blick auf den arabischen Frühling, wo wir die Frauen alle gesehen und begeistert in den Blogs, im Internet und im Fernsehen ver- EMA: …und welche Erwartungen haben Sie an das Forum? Seite 42 www.ema-germany.org Im Dienst der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit von Welser: Meine Erwartungen an das Forum sind vor allem, dass wir einander kennen lernen und dass wir einander von Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Seite 43 Logistik, Infrastruktur und Handel Logistik, Infrastruktur und Handel Investitionen für Tourismus und Infrastruktur Das Haschemitische Königreich Jordanien von Iyad Shraim J ordanien ist ein Land, das bemüht ist, sich einen Platz auf der Karte der globalisierten Tourismuslandschaft zu reservieren und einen Ruf als beliebtes Reiseziel zu erlangen. Für Jordanien © Iyam Seite 44Shraim spielt der Tourismus eine wichtige Rolle, denn er machte im Jahr 2010 gut 12,4 Prozent des BIP aus und gehört damit zu den bedeutendsten Wirtschaftssektoren des Landes. Auf kleiner Fläche vereint Jordanien eine Vielzahl an einzigartigen Sehenswürdigkeiten, die auf eine lange Kulturgeschichte zurückblicken lassen. Der Bogen spannt sich von Jahrtausende alten Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Siedlungen, über Städte der griechischrömischen Antike bis zur altarabischen, byzantinischen und islamischen Kultur. Bestens erhaltene römische Ruinen liegen in der Nachbarschaft zu den beeindruckenden Wüstenschlössern der Umayyden und mächtigen Kreuzritterburgen. In diesem Jahr feiert Jordanien die Wiederentdeckung der „rosaroten“ Felsenstadt Petra, welche zu den Neuen Sieben Weltwundern und zum UNESCOWeltkulturerbe zählt. Durchquert man das Land von Norden nach Süden, zeigen sich dem Besucher die unterschiedlichsten Landschaften: vom grünen und fruchtbaren Bergland im Norden bis zur atemberaubenden Wüste von Wadi Rum im Süden. Im Osten stellt das äußerst salzhaltige Tote Meer den tiefsten Punkt der Erde mit einer landschaftlichen Einmaligkeit dar. Auch das bei Aqaba beginnende Rote Meer ist mit seinen Korallen- © EMA e.V. 1/2012 Mediterranes riffen ein beliebter Ferienort. Der Besucher hat allen Grund, sich in diesem Land wohl zu fühlen. Überall begegnet ihm die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Jordanier. Dazu ist ihm ein angenehmes und warmes Wetter in den meisten Monaten des Jahres sicher, da Jordanien in der Übergangszone vom Mittelmeerklima, bis hin zum kontinentalen Wüstenklima liegt. Ein weiterer Vorteil für die europäischen Touristen ist die relativ kurze Anreise. Unterschiedliche strukturelle Gegebenheiten erschweren jedoch die Arbeit im Tourismussektor und mindern dessen Beteiligung an der gesamten Entwicklung des Landes. So konzentrieren sich die Investitionen im Tourismusbereich im Wesentlichen auf drei Standorte, nämlich Amman (Zentrum), Aqaba (Süden) und Wadi Musa in der Nähe der historischen Stadt Petra (Süden). Diese Tatsache führt zwangsläufig dazu, dass breite Schichten der Bevölkerung nicht direkt vom Tourismus profitieren und dass eine einheitliche Entwicklung der Infrastruktur in weiten Teilen des Landes nicht sichtbar wird. Die Lage des Haschemitischen Königreichs von Jordanien ist zugleich ein Segen und ein Fluch. Das Land zählt zwar zu den sichersten Ländern der Welt, liegt jedoch in einer von Unruhen geplagten Region: dem Nahen Osten. Sobald eine Instabilität am Horizont auftaucht, sinkt die Zahl der Touristen, die sich für Jordanien als Reiseziel entscheiden und somit auch die Einnahmen der Devisen durch den Tourismus. Nach dem sogenannten „arabischen Frühling“ sind die Besucherzahlen im zweiten Quartal des Jahres 2011 um ca. 26 Prozent und im dritten Quartal um ca. 30 Prozent zurück gegangen. Die Zahl der Beschäftigten im Seite 45 Logistik, Infrastruktur und Handel Tourismussektor ist zwar seit mehreren Jahren permanent gestiegen und betrug im Jahr 2010 knapp 42.000 Personen; sie ist allerdings seit Herbst des Jahres 2011 ebenfalls rückläufig. Der jordanische Minister für Tourismus sprach vor wenigen Wochen von Verlusten des Tourismussektors im vergangenen Jahr in Höhe von einer Milliarde US Dollar. So ermöglichen die geschilderten Probleme keine nachhaltige Entwicklung des Tourismus in Jordanien. Tourismus der Zukunft: Kooperation und Nachhaltigkeit durch vier Pfeiler Mit Blick auf die Zukunft arbeitet die jordanische Regierung in Kooperation mit internationalen Partnern daran, den Nutzen des Tourismus zu vermehren und seine negative Wirkung auf die Umwelt und auf die archäologischen Stätten zu mindern. Der zweite Anlauf der „Nationalen Strategie für Tourismus 2011-2015“ begann 2011. Diese fünfjährige Strategie knüpft an vorangegangene Pläne an und stützt sich auf vier Pfeiler: Der erste Pfeiler fokussiert eine verbesserte Vermarktung von Jordanien, um mehr Menschen auf das Land aufmerksam zu machen. Das erstrebte Ziel für das Jahr 2015 ist es, die Zahl der Touristen auf 9,4 Millionen zu erhöhen, die Einnahmen von 4,2 Milliarden jordanische Dinar (Dinar ≈Euro) und damit ein BIP von 15 Prozent zu erreichen sowie die die Einnahmen des einheimischen Tourismussektors auf 30 Prozent zu erhöhen. Der zweite Pfeiler sieht die Verbesserung der Infrastruktur vor: Erweiterung des Queen Alia International Airport, mehr Firmen für Reisebusse, mehr Hotels und Restaurants. Das bedeutet auch die Konzentration auf die kulturellen und natürlichen Besonderheiten, um vielfältige qualitative Reiseangebote machen zu können. Lange Zeit galten Kultur- und Studienreisen sowie biblische Reisen als die wichtigsten Reisearten in Jordanien. Jetzt wird geplant, den Tourismus auf ein breiteres Fundament zu stellen. So spielt der medizinische Tourismus eine wachsende Rolle. In diesem Zusammenhang wird das Tote Meer mit seinem heilenden Salzwasser und Mineralien vom Seite 46 Logistik, Infrastruktur und Handel Grund des Meeres und wohltuenden klimatischen Bedingungen beworben. Für einen Kururlaub eignen sich weiterhin Mineralquellen wie z. B. Hammamat Main nahe des Toten Meeres. Da das Gesundheitswesen generell einen guten Ruf genießt, werden darüber hinaus Patienten aus dem arabischen Raum in jordanischen medizinischen Einrichtungen behandelt. Zurzeit liegen z.B. viele Patienten aus Libyen, dem Jemen und Syrien in den privaten Krankenhäusern. Ökotourismus, Sport- und Abenteuertourismus, Wellness-Tourismus, Meetings und Event-Tourismus werden allmählich neben den klassischen Reisen angeboten. Der dritte Pfeiler legt das Augenmerk auf eine gute Ausbildung für die Beschäftigten im Tourismus. Die Zahl der Beschäftigten soll erhöht werden, um die Nachfrage des Sektors nach Personal zu stillen und gleichzeitig 25.000 neue Arbeitsplätze und entsprechende Ausbildungsinstitute für Tourismusberufe über die Laufzeit des Plans zu schaffen. Zuletzt sorgt der vierte Pfeiler für eine Anpassung und Erneuerung der Gesetze und Vorschriften, um den gesamten Prozess bezüglich folgender Punkte zu erleichtern: Formalitäten des Ein- und Ausreisens, Investitionen und Berufe in der Tourismusbranche. Tourismus als Chance für Arbeitnehmerinnen Zweifelsohne bildet der Tourismus auch ein neues Terrain für jordanische Frauen und bietet ihnen zugleich eine weitere Möglichkeit, sich produktiv an diesem wichtigen Sektor zu beteiligen. Frauen waren im Jahr 2011 mit 4338 – ein kleiner Teil sind ausländische Frauen – von insgesamt 41.749 Beschäftigten vertreten. Sie sind in erster Linie in der Verwaltung von Reiseagenturen und Hotels, aber auch als Reiseleiterinnen tätig. Ebenfalls wurden in einigen weniger entwickelten Regionen des Landes Projekte gestartet, mit deren Hilfe Frauen für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Diese Projekte zielen darauf, neue Arbeitsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen, aber auch traditionelle kunsthandwerkliche Berufe, wie Teppich- und Textilproduktion und Silber- verarbeitung, aufrechtzuerhalten. Als Beispiel kann die im Jahre 1985 gegründete Mit diesen Strategien wird Jordanien noch wettbewerbsfähiger und die Zahl der Touristen voraussichtlich erhöht, die Erhaltung der Umwelt und der archäologischen Stätten gleichzeitig geachtet Bani Hamida Frauen Weberei dienen. Die nach Mustern der Wüstenstämme handgearbeiteten Produkte werden direkt an die Touristen verkauft und in zahlreichen Tourismusmessen weltweit ausgestellt. Von diesem Projekt profitieren mehrere Hundert Beduinenfamilien und es wird zurzeit von Jordan River Foundation unter der Schirmherrschaft von Königin Rania betreut. Mit diesen Strategien wird Jordanien noch wettbewerbsfähiger und die Zahl der Touristen voraussichtlich erhöht, die Erhaltung der Umwelt und der archäologischen Stätten gleichzeitig geachtet. Durch die Öffnung der Tür für den privaten Sektor bieten sich für jordanische und ausländische Unternehmen sehr gute Chancen, in diesem Bereich zu investieren. Iyad Shraim promoviert zurzeit an der Universität Münster zum Thema „Klon-Mensch in der Literatur im Spannungsfeld zweier Kulturen“. Außerdem arbeitet er als Fremdenführer für deutschund französischsprachige Reisegruppen im Königreich Jordanien. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Standards beim Im- und Export von Konsumgütern Einblick in ein global agierendes Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen von Irina Baerenwald W er für sich und seine Familie auf dem stark umkämpften Fashion-Markt nach Kleidungsstücken sucht, blickt längst nicht mehr nur auf den Preis. Zunehmend achten die Kunden darauf, dass sie ihr Geld in qualitativ hochwertige Artikel investieren, die auch längerfristig nutzbar bleiben, die nachhaltig sind und hohen Tragekomfort bieten: so müssen Schuhe nicht nur hohen Ansprüchen ans Design genügen. Soll der Kunde eine langfristige Markenpräferenz aufbauen, müssen sie auch fachlich einwandfrei fabriziert und frei von Schadstoffen sein. Konsumenten, die Lederwaren kaufen, sind zunehmend gewillt, einen Aufpreis für hohe Qualität und langfristige Nutzbarkeit zu zahlen. Tests von Ledergürteln, Schuhen, Handschuhen und Oberbekleidung werden unerlässlich, um dem Kundenklientel glaubhaft zu vermitteln, dass die Waren authentisch und frei von gesundheitsschädigenden Chemikalien sind und langfristig den Belastungen des Alltagsgebrauchs standhalten. Importregulierungen in Ägypten In diesem Zusammenhang hat ÄgypMediterranes 1/2012 © Intertek ten, ein wachsender Markt für die Textilbranche, kürzlich ein Programm zur Importregulierung von Textilien, Kleidungsstücken, Teppichen, Schuhen und Taschen eingeführt. Damit soll sichergestellt werden, dass ägyptische Konsumenten hochqualitative Waren kaufen, die den vorgegebenen Sicherheits- und Qualitätsstandards genügen. Die Einhaltung dieser Regulierung erfordert den Erwerb eines Inspektionszertifikates (Certificate of Inspection = CoI) für jede Warensendung, die diese regulierten Produkte beinhaltet. Das CoI können nur ISO 17020-zertifizierte Inspektionsgesellschaften ausstellen, die bei der ägyptischen General Organization for Export and Import Control (GOIEC) anerkannt und registriert sind. Warensendungen mit regulierten Produkten müssen auf die Einhaltung ägyptischer Standards und auf die grundlegenden Anforderungen hin überprüft und verifiziert werden. Der Überprüfungsprozess umfasst die physische Wareninspektion und gegebenenfalls die Probenahme zu Testungszwecken beziehungsweise die Vorlage aktueller Testberichte. Intertek ist von GOIEC anerkannt und registriert, das CoI auszustellen. Strikte Anforderungen auch in Saudi Arabien Ägypten ist jedoch nicht das einzige Land, das derartige Regulierungsprogramme einführt. Eine Vielzahl von Regierungen hat entsprechend strikte Anforderungen Seite 47 Logistik, Infrastruktur und Handel erlassen: So führte das Königreich Saudi Arabien vor 16 Jahren als erstes Land ein Conformity Assessment Programme ein. Es bediente sich dabei einer klaren Vorstellung der anzuwendenden Schutzmaßnahmen für die öffentliche Gesundheit und den saudischen Konsumenten. Intertek entwickelte seinerzeit das erste Programm. Seither arbeitet Intertek mit dem saudischen Ministerium für Handel und Industrie (MoCI) an der Gewährleistung eines breiten Angebots qualitativ hochwertiger Produkte für saudische Konsumenten. Das ist vor dem Hintergrund besonders erwähnenswert, dass in Saudi Arabien ein beträchtlicher Markt für alle Arten von Konsumgütern inklusive Kleidung, Pflegeprodukte und Kosmetika besteht. Exporteure müssen ein Konformitätszertifikat (Certificate of Conformity = CoC) erwerben, um ihre Waren am saudischen Zoll abwickeln zu können. Das betrifft alle Produkte mit Ausnahme von medizinischen Geräten und Artikeln, Nahrungsmitteln sowie Waren für den militärischen Gebrauch. Logistik, Infrastruktur und Handel Die Anforderungen für das CoC umfassen qualitative und sicherheitsbezogene Aspekte. Es gibt strikte Regulierungen für die bei der Herstellung verwendeten Substanzen. So hat zum Beispiel die Saudi Food & Drug Authority (SFDA) kürzlich veröffentlicht, dass Mundwasser und ähnliche Produkte, die Alkohol beinhalten, von der Einfuhr nach und dem Verkauf in Saudi Arabien ausgeschlossen sind! Darüber hinaus gibt es Vorschriften bezüglich der Markierung der Waren. Das betrifft beispielsweise die Angabe des Herkunftslandes und sprachliche Anforderungen an die Bedienungsanleitungen. Die Einhaltung der saudischen Anforderungen ist ein zwingendes Erfordernis. Weitere Länder der EMA-Region ziehen nach Auch das Handelsministerium von Algerien hat im März 2011 alle Importeure erinnert, dass sie für jede Warensendung, die auf algerisches Territorium einge- führt werden soll, einen Konformitätsnachweis beim Zoll vorzulegen haben. Damit wird sichergestellt, dass sie die betreffenden regulatorischen und gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Diese Anforderungen bestehen für alle Produkte inklusive aller Konsumgüter. Ähnliche Programme gibt es auch für weitere arabische Länder, wie beispielsweise Katar und Kuwait. Dieses soll sicherstellen, dass die jeweils lokalen Konsumenten vor Ausschussware, die den gängigen Qualitätsanforderungen nicht entspricht, geschützt werden. Unternehmen, die in Länder mit bestehenden Regulierungsprogrammen exportieren, müssen sich der jeweiligen Anforderungen bewusst sein. Die Nichteinhaltung kann zu Kosten und Verspätungen bei der Zollabwicklung, zu Strafzahlungen und Retouren von Warensendungen ins Exportland führen. Intertek hilft den Exporteuren dabei, die Qualitätsanforderungen einzuhalten und mithilfe der Inspektionsdienstleistungen das notwendige Konformitätszertifikat zu erwerben. Mit bislang 1,5 Millionen ausgestellten Zertifikaten und Testberichten ist Intertek ein fachkundiger Partner für Exporteure und Importeure, um die an ihre globalen Warenflüsse gestellten strengen Export- und Importregulierungen einzuhalten. Hamburg als Logistikstandort Die Ladies Logistics Lounge Hamburg als Initiative für mehr Frauen in der Logistik von Ute Sachau-Böhmert N ach einer Umfrage von SCI Verkehr, die kürzlich von der Logistik-Initiative Hamburg vorgestellt wurde, hat Hamburg seine Position als Logistikstandort weiter ausgebaut. Zwei Drittel der Unternehmen der Branche verbuchten 2011 ein ver- bessertes Geschäftsjahr und ein Drittel der Firmen will in diesem Jahr Personal einstellen. Es wird für die Unternehmen aber zunehmend schwieriger, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und diese auch zu halten. Die Logistik-Initiative Hamburg will mit ihrem Arbeitsschwerpunkt und Jahresthema „Menschen machen Logistik“ verstärkt Bevölkerungsgruppen ansprechen, die bisher noch nicht so stark in der Logistikbranche vertreten sind – wie beispielsweise Frauen. Gemäß dem Ar- Irina Baerenwald ist die Managerin von Intertek Commodities, Government and Trade Services in Deutschland. Intertek ist ein führender Anbieter von Qualitätsund Sicherheitslösungen für eine Vielzahl an Branchen weltweit, der über langjährige Erfahrung und ein weltweites Netzwerk aus mehr als 1.000 Laboren und Büros sowie 33.000 Mitarbeitern in über 100 Ländern verfügt. Die Intertek-Gruppe (LSE: ITRK) ist an der Londoner Börse im FTSE 100 Index gelistet. Qualität hat ihren Preis – wenn man sie nicht ausreichend prüft © Intertek Seite 48 Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum © Flickr_naturalbornstupid Mediterranes 1/2012 Seite 49 Logistik, Infrastruktur und Handel beitskräftemonitoring der Süderelbe AG (w w w.hamburg-logistik.net/logistikarbeitsmarktmonitoring.html) sind nur rund 17 Prozent der Beschäftigten in der Logistikbranche der Metropolregion Hamburg weiblich – dort besteht also noch viel Potential. Aus der Studie „Qualifizierung in der Logistik – Anforderungen am Standort Hamburg“, die 2012 von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kersten und Dr. Meike Schröder vom Institut für Logistik und Unternehmensführung der TU Hamburg-Harburg erstellte wurde, ergibt sich, dass die Mehrzahl der Unternehmen Interesse daran hat, ihren Frauenanteil auszubauen. Die Besetzung der Stelle hängt jedoch einerseits stark von der zu tätigenden Aufgabe ab. Für viele potentielle Bewerberinnen sind andererseits familiengerechte Angebote von zentraler Bedeutung. Ein gutes Beispiel gibt es in Hamburg-Allermöhe: die dort ansässigen Unternehmen finanzieren gemeinsam eine Kita am grünen Rand Logistik, Infrastruktur und Handel eines Gewerbegebiets. Die Einrichtung, die im Herbst 2012 eröffnet werden soll, hat von vier Uhr morgens bis 22 Uhr geöffnet, so dass die Kinderbetreuung auch im Schichtbetrieb sichergestellt werden kann. Ein Leitfaden mit Praxisbeispielen aus Logistik-Unternehmen in der Metropolregion und Vorträge im Rahmen der für den 21. Juni geplanten Jahreskonferenz „Menschen machen Logistik“ geben weitere Anregungen für eine familiengerechte Personalpolitik (www.hamburglogistik.net). Die Logistics Ladies Lounge Hamburg Darüber hinaus werden Frauen zunehmend auch selbst aktiv und vernetzen sich untereinander: im Juni 2010 fand in den Räumen der Hamburger Hafen und Logistik AG die Auftaktveranstaltung für die „Ladies Logistics Lounge Hamburg“ (LLL) statt. Britta Kahlfuss, Geschäftsführerin der Beracom GmbH & Co KG und Sprecherin der Regionalgruppe Hamburg des Bundesverbandes Logistik (BVL) hatte die Idee für die LLL und konnte dafür weitere Mitstreiterinnen gewinnen. Die BVL-Vertreterin plant Es geht nur selten um frauenspezifische Fragestellungen seitdem gemeinsam mit Christine Beine (Handelskammer Hamburg), Ute Sachau-Böhmert (Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation) und Carmen Schmidt (Logistik-Initiative Hamburg) die in der Regel einmal im Quartal stattfindenden Netzwerkveranstaltungen für weibliche Fach- und Führungskräfte aus der Logistikbranche. Im Rahmen der inhaltlichen Diskussionen geht es nur selten um frauenspezifische Fragestellungen; im Vordergrund stehen Diskussionen zu Fachthemen wie beispielsweise Marketingkonzepte und Logistikketten. Ziel der Treffen ist es, über fachliche Themen Ideen für den beruflichen Alltag zu entwickeln, Kontakte herzustellen und bisher unbekannte Kompetenzen der Fachfrauen zu entdecken, die dann beispielsweise im Rahmen größerer Konferenzen auch einem breiten Publikum zu Gute kommen können. Die Veranstaltungen der Ladies Logistics Lounge werden auf der Seite der BVL (www.bvl.de/hamburg/regionalgruppehamburg) angekündigt; die Teilnahme ist allerdings nicht auf Mitglieder beschränkt. Wer in den speziellen Einladungsverteiler aufgenommen werden möchte, kann eine formlose E-Mail mit der Bitte um Aufnahme in den LLL-Verteiler an die Organisatorinnen (z.B. an [email protected]. de) schreiben und erhält dann zu jeder Veranstaltung eine gesonderte Mail. Da die Teilnahme in der Regel auf 50 Personen beschränkt ist, empfiehlt sich eine frühzeitige Anmeldung. Die LLL soll aus dem Kreis der Teilnehmerinnen weiterentwickelt werden, daher sind die Initiatorinnen für Angebote als Gastgeberinnen und für fachspezifische Themen sehr offen. Logistics Ladies: Auch überregional tätig Nach der positiven Resonanz in Hamburg gab es in den letzten beiden Jahren bereits am Rande des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin überregionale Treffen der Logistics Ladies. Auf dem 29. Deutschen Logistik-Kongress, der vom 17.-19. Oktober 2012 unter dem Thema „Exzellent vernetzt“ stattfindet, wird auf Anregung der Ladies Logistics Lounge das Thema „Mixed Leadership“ erstmals in einem Workshop aufgegriffen. Ganz sicher wird dabei das Thema „Frauen in der Logistik“ eine zentrale Rolle spielen – gemeinsam mit nationalen und internationalen Logistics Ladies und Logistics Gentlemen. Aber auch Frauen aus aller (Logistik-) Welt sind dazu herzlich willkommen. Ute SachauBöhmert ist Referatsleiterin für Standortpolitik und Qualifizierungsinitiativen Sonderprojekte in der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg. Ihre besonderen Schwerpunkte liegen im Bereich der Qualifizierungsinitiativen Logistik und Maritimes sowie dem Querschnitts-Thema Frauen als Fach- und Führungskräfte. – Anzeige – – Anzeige – Reifenrunderneuerung für Lkw und Bus in höchster Qualität Export ab 200 Stück Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik • umweltfreundlich • sicher • 50% Kostenersparnis gegenüber Neureifen • haltbar wie ein Neureifen Logistische Systeme Reifen-Runderneuerungsanlage Maritime Wirtschaft und Verkehr • Beratung • Projektierung • Lieferung • Montage • Betreuung Informationslogistik [email protected] Seite 50 www.isl.org Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum www.reifen-muelot.de www.retread-muelot.com [email protected] Mediterranes 1/2012 Marienstraße 34 19386 Lübz GERMANY Tel. +49.38731.51512 Fax +49.38731.51555 Seite 51 Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Die nächste Phase der Entwicklungspolitik? Entscheidende Impulse aus dem arabischen Frühling von Gabriele Köhler Ägyptische Expertin Hoda Salah setzt sich für die UN Frauenrechtskonvention CEDAW ein © Flickr_USAID_Images, EMA e.V. D ie Welt ist gespalten: in arm und reich; in politisch Mächtige und sozial Ausgegrenzte; in Highflyer, die mit Rohstoffen oder in der Kreativwirtschaft agieren, und in Tagelöhner, die trotz härtester Arbeit ein Leben unter dem Existenzminimum verbringen. Das ist, salopp ausgedrückt, der Hintergrund für die Millenniumsentwicklungsziele, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 verabschiedet. Es handelt sich bekanntlich um ein Programm zur sozialen Gerechtigkeit, mit kontrollierbaren Zielvorgaben zu Hunger, Armut, Mütter- und Kindersterblichkeit, Bildungs- Seite 52 niveau, HIV-AIDS, Umweltschutz, und Geschlechtergleichbehandlung, die bis spätestens 2015 einzulösen wären. Die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen Je nach sozialpolitischem Standort scheiden sich die Einschätzungen zu den Millenniumsentwicklungszielen – zu zaghaft und zahm, finden die einen; unrealistisch und überspannt, oder nicht finanzierbar, kontern die anderen. Einig sind sich aber alle – Politiker, Wissenschaftler, UN-Diplomaten, NGOs – dass die meisten Millenniumsentwicklungsziele auf der globa- len Ebene bis 2015 nicht erreicht werden können. Zwar ist in manchen Ländern die absolute Armut gesunken und in den meisten haben sich die Einschulungsraten verbessert. Trotzdem: chronische Unterernährung, Mütter- und Kindersterblichkeit liegen im Durchschnitt in den armen Ländern immer noch bei einem vielfachen der Raten, die man in den Industriestaaten erreicht. So ist in Teilen Südasiens oder Afrikas die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutter bei der Entbindung stirbt, immer noch 1 zu 7; in Europa liegt sie bei 1 zu 7300 (UNICEF). In der Kritik am schwachen Ergebnis der Millenniumsentwicklungsziele Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum kristallisiert sich die Meinung heraus, dass diese zu eindimensional konzipiert waren: zentrale Politikbereiche wie systematische Beschäftigungspolitik und grundlegende Prinzipien wie die Wahrung der Menschenrechte oder transparente Regierungsführung fehlen im Programm. Auch Diskussionen um konkrete Politikmaßnahmen, wie zur Mütter- oder Kindersterblichkeit, fehlen. Arabische Impulse für neu gestaltete Entwicklungsziele Deswegen beginnen nun breit angelegte Konsultationen, wie die jetzigen Millenniumsziele doch noch erreicht werden könnten oder wie sie radikal neu zu konzipieren wären. In den nächsten Monaten werden in rund 50 Entwicklungs- und Schwellenländern Regierungsvertreter, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und Wissenschaftler zusammenkommen, um über die Entwicklungsziele des Jahres 2000 zu debattieren und progressivere und ehrgeizigere Ziele zu formulieren, die dann von der Staatengemeinschaft für 2015 und danach verabschiedet werden könnten. Es wird darum gehen, die vielfältigen Herausforderungen klar in einen Zusammenhang zu stellen – Armut und Hunger zu bekämpfen, Einkommen umzuverteilen, soziale Inklusion voran zutreiben, Menschenrechte realiter zu liefern, der Klimaherausforderung zu begegnen und für die vielen fragilen, sich in Konflikt befindlichen Staaten Friedenslösungen zu ermöglichen. Die Diskussionen könnten also, wenn gut und partizipativ und mit einem Blick auf soziale Gerechtigkeit geführt, das ganze Konzept der Entwicklungszusammenarbeit, und den Entwicklungsbegriff an sich, umwälzen und neugestalten. Was hat dieses mit dem mediterranen Raum und den arabischen Ländern zu tun? Vieles! Erstens innenpolitisch: In mindestens sechs arabischen Ländern organisiert die UN in den nächsten Monaten Konsultationen zum Design der zukünftigen internationalen Entwicklungspolitik, so dass diese Debatte direkt vor Ort stattfinden wird. Damit kann die Debatte aber auch Einfluss auf Perspektiven und Visionen Mediterranes 1/2012 für die politische und sozioökonomische Zukunft dieser Länder nehmen. Zweitens international: Die mediterrane Welt ist im vergangenen Jahr durch den arabischen Frühling „avanciert“ zu einer neuen Hoffnung auf Demokratie und Gleichberechtigung, und vielleicht auch größere soziale Gerechtigkeit. Die Region am Golf und auch die nordafrikanischen Länder sind, gemessen in Bruttosozialprodukt und Prokopfeinkommen reich; zugleich sind sie gekennzeichnet von enormer sozialer Ungleichheit und politischer Unfreiheit. Gerade diese soziale Spannung hatte den „arabischen Frühling“ ausgelöst. Man hat in der Region begonnen aufzuzeigen, dass man Was hat dieses mit dem mediterranen Raum und den arabischen Ländern zu tun? Vieles! in Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik umdenken kann und muss. Von daher könnten internationale Debatten zu einer neuen Entwicklungspolitik entscheidende Impulse aus dem arabischen Frühling beziehen. Die neuen Mitgestaltungsforderungen und –ideen, die sich herauskristallisieren, können den Weg weisen für andere Regionen – und manche Beobachter denken, dass zum Beispiel die politischen Lockerungen in Burma oder die Proteste in China vom arabischen Frühling inspiriert sind. Drittens jugendpolitisch: der Blickwinkel der Jugend ist in dieser Region besonders signifikant. In den Golfstaaten und den nordafrikanischen Ländern macht die Jugend – definiert als 15-24 Jährige – ein Fünftel bis zu einem Drittel der gesamten Bevölkerung aus. Vor allem die Jugend setzte die politische Flut in Bewegung. Diese Stimmen könnten neue Akzente in der internationalen Entwicklungsdebatte setzen. Und viertens auch von den entwicklungspolitischen Konzepten her: Um ein wirklich umfassendes, sozialpolitisch progressives Konzept der Entwicklungspolitik zu entfalten, braucht man eine Begrifflichkeit, die die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Belange zusammenführt. Solch eine Neuorientierung könnte vom Begriff der menschlichen Sicherheit herrühren, der neun und mehr Bereiche umfasst, in denen Frauen, Männer und Kinder Bedrohungen ausgesetzt sind, die entwicklungspolitisch in den Griff zu bekommen sind. Hierzu schrieben vor zwei Jahren namhafte arabische Wissenschaftler den Arab Human Security Report1, in dem sie den Begriff menschliche Sicherheit umreißen und die Defizite für ihre Region herausarbeiten. Der Bericht, 2009 veröffentlicht, war fast hellseherisch im Bezug auf die schwelenden Probleme, die dann 2011 sich gewaltsam Gehör verschafften. Dank seiner analytischen Kraft kann das Konzept wichtige Hinweise dafür geben, wie eine sensibilisierte Entwicklungspolitik alle Bereiche menschlicher Entfaltung und Gleichberechtigung mit einbeziehen muss in eine Vision für eine sozial gerechte, menschenrechtsachtende Zukunft. Auch das könnte ein Beitrag aus der mediterranen Welt sein. 1 UNDP 2009. Arab Human Development Report 2009. Challenges to Human Security in the Arab Countries. New York. http://www.arab-hdr.org/ publications/contents/2009/intro-en.pdf. Autoren: Madawi Al-Rasheed, Sabah Benjelloun, Mustapha El-Sayyid, Walid Khadduri, Bahgat Korany, Khadija Moalla, Marlene Nasr, Boshra Salem, Yezid Sayigh. Gabriele Köhler ist Entwicklungsökonomin, lebt in München und ist Visiting Fellow am Institute for Development Studies, Sussex, England, wo sie zur Sozialpolitik Südasien forscht. Sie war von 1983-2010 in verschiedenen Funktionen bei den Vereinten Nationen tätig und gehört der Initiativgruppe MDGs post 2015-Human security an. Seite 53 Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Lana: Der Weg einer führenden Frau Armut als größte Unterdrückung Jordanische Beduininnen im Kurzportrait von Ruth Vischherr Strebel 1996. Ich hatte eben zwei Wochen lang in jordanischen Krankenhäusern beobachtet, was das Besondere an der Pflege muslimischer Patienten ist und fuhr nun mit einem Seite 54 Taxi in die einsame Gegend des Berges der Bani Hamida, hoch über dem Toten Meer. Es war schon spät, als wir Lana und ihre Familie endlich fanden, in einem kleinen Betonhaus umgeben von jungen Olivenbäumchen und roten Geranien. Dort sollte ich eine Woche lang Gast sein, um die arabische Welt von innen kennen zu lernen. EMA e.V. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges© Wachstum Seit 16 Jahren kenne ich nun Lana und ihre Familie und habe ihren Weg mit verfolgt, der sie zu einer „führenden Frau“ werden ließ. Einige Glücksfälle förderten ihre Entwicklung: Die Beduinen des Stammes der Bani Hamida wurden in den 80er Jahren sesshaft. Lanas Mutter gebar ihre Kinder noch alle im Zelt. Sie lehrte ihre Tochter das Weben, ein uraltes beduinisches Handwerk, mit dem die Frauen die Zelte, die Teppiche, die Kameltaschen herstellten, und das durch die Sesshaftigkeit verloren zu gehen drohte. Rebecca Salti, die Leiterin des Hilfswerkes „Save the Children Fund“ fing an, das Weben der Frauen zu fördern und ihnen bei der Vermarktung zu helfen. In diesem Projekt machte Lana mit. Die Weberinnen wohnten in weit verstreuten Weilern. Es war daher nötig, dass jemand Autofahren konnte. Lanas Vater unterstützte sie und so war Lana die erste Frau des Berges, die mit einem Auto herumfuhr und die Weberinnen anleitete. Lana kann anpacken, Verantwortung übernehmen, sich Gehör verschaffen. So wurde sie die Leiterin des Teppichwerkes in Mukawir. Die Teppiche werden in der ganzen Welt verkauft und beschäftigen auf dem Berg der Bani Hamida oft über 100 Frauen, die in Heimarbeit weben und spinnen. Das Werk ist jetzt der „Jordan River Foundation“ angegliedert. Es wird von Touristen und auch Staatsmännern besucht als gelungenes Beispiel der Frauenförderung im ländlichen Gebiet. So kommt Lana ganz selbstverständlich in Kontakt mit führenden Persönlichkeiten. Der Teppichmarkt ist von der Weltlage abhängig, ein Krieg im Nahen Osten kann den Zusammenbruch bewirken. Lanas Ehemann befürwortet ihre Tätigkeiten. Er arbeitet in einer entfernten Stadt und kommt ein Mal pro Woche nach Hause. Mit ihren vier Kindern kann sie auf die Hilfe ihrer vielköpfigen Familie zählen, die sie bei der Kinderbetreuung unterstützt. Jedoch, die Arbeitslosigkeit ist gross in den entlegenen Landgebieten Jordaniens und so leben von einem oder zwei Löhnen viele Menschen. Vor einigen Jahren ist Lana Mediterranes 1/2012 Bezirksrätin geworden, auch da als erste Frau. Anfangs waren die Männer etwas erstaunt, aber da sie sich zuverlässig für die Anliegen der Bevölkerung einsetzt, wurde sie bald akzeptiert und geschätzt. Vor ein paar Jahren hat sie sich gegen die Abwanderung engagiert und in langen, sehr mühseligen Initiativen beim Anfangs waren die Männer etwas erstaunt, aber da sie sich zuverlässig für die Anliegen der Bevölkerung einsetzt, wurde sie bald akzeptiert und geschätzt Transportministerium erreicht, dass ein kleines Buszentrum mit einigen Läden und einer öffentlichen Bibliothek gebaut wurde. Dank Lana habe ich viele Facetten der arabischen Welt kennengelernt. Ich habe Arabisch gelernt. Dadurch kann ich mich jetzt mit der Landbevölkerung verständigen, die kaum Fremdsprachen kennt. Die älteren Frauen sind nicht alle in die Schule gegangen. Infrastruktur wie Straßen, Elektrizität, Wasserleitungen, Schulen, Telefonverbindungen und Ambulatorien sind erst in den letzten 20 Jahren ausgebaut worden. Die Frauen leben von einer kargen Viehzucht, ergreifen Berufe wie Lehrerin, Polizistin, Soldatin, Pflegefachfrau oder Weberin. Lanas Werdegang ist nur wenigen Frauen auf dem Lande möglich. Die Armut ist der größte Unterdrücker. Um ihnen doch eine Stimme zu geben und Ihnen als Leserinnen und Lesern eine Ahnung ihrer Lebensbedingungen zu geben, beschreibe ich in kurzen Portraits einige Frauen. Aja wohnt allein mit zwei kleinen Kindern. Sie ist eine schöne, fröhliche Frau. Sie hat die Schulzeit mit einer sehr guten Abiturnote abgeschlossen, aber es war der Familie nicht möglich einen Ausbildungsplatz zu finanzieren. Sie hat früh geheiratet. Ihr Mann kommt an Wochenenden nach Hause, da er beim Mili- tär arbeitet. Ihr Haus ist die Urform der Beduinenbehausung: Zwei Räume, die für Gäste, zum Schlafen oder zum Kochen benutzt werden. Eine kleine Ecke ist als „Hamam“ ausgeschieden. Viele dünne Matratzen sind an der Wand gestapelt und werden zum Schlafen oder Sitzen gebraucht. An einer Wand steht der Fernseher. Da er aber nicht mit einer Satellitenschüssel verbunden ist, kann Aja nur wenige Stationen sehen, ganz besonders nicht die beliebten Sender Al Jazeera und CNN. Weit entfernt steht das nächste bewohnte Haus. Viele Familien sind schon weggezogen in grössere Orte. Aja hat einen kleinen Gemüsegarten, und einmal pro Woche fliesst das Wasser durch die Leitung und füllt den Tank auf dem Dach. Ihre Schwester, die auf dem Hügel wohnt, muss das Wasser aus dem Ziehbrunnen heraufziehen. Kein Buch, keine Zeitung, kaum Menschen, kein Laden weit und breit, kein Staubsauger, vielleicht ein kleiner Eisschrank. Putzen mit dem Handbesen, keine Waschmaschine, keine Dusche. Der Kochherd wird mit Butangas gespeist. Kein Kino, kein Theater, kein Bahnhof, kein Zug, kein Flugplatz, nicht mal eine Moschee gibt es in der Nähe. Rundum Steine, Olivenbäume, eine holperige Straße zum nächsten Dorf und im Sommer brennen gegen 45 Grad Hitze auf die Erde. Und wenn im Winter kein Regen fällt, wird der Frühling staubig und dürr sein. Zweimal im Monat fährt sie mit dem Bus nach Madaba, der zwei Busstunden entfernten Bezirksstadt, macht einige Einkäufe, besucht ihre Verwandten. Noch nie war sie in einem anderen Land oder in einer grösseren Stadt. Sie hat keine Ahnung von Paris, von Rom, von einem Eis in einem Straßenkaffee. Aber ihre sechsjährige Tochter kann schon fliessend Arabisch lesen und kennt die englischen Buchstaben (unser lateinisches Alphabet). Ich staune. Umm Bessam ist etwa 60 Jahre alt. So genau kennt sie ihr Geburtsdatum nicht. Früher verband man die Geburt mit einem wichtigen Ereignis wie im Jahr als der König starb. Sie Seite 55 Zivilgesellschaft, Politik und Kultur hat ihre 12 Kinder im Zelt geboren. Eine Tochter ist gestorben und sie ist Witwe seit wohl 15 Jahren. Sie wohnt im Hause eines Sohnes zusammen mit ihren drei Jüngsten. Drei Söhne sorgen für ihren Schutz und die finanzielle Sicherheit, die Töchter und Schwiegertöchter führen den Haushalt und helfen bei medizinischen oder sozialen Problemen. Abends sitzt sie im Sommer unter dem Feigenbaum und hält Hof. Kommt Besuch, springt eine der Töchter in die Küche und bereitet den Tee zu. Umm Bessam hält ihre Jugendlichen im Zaum und sie hat mit dem noch ledigen Sohn abgemacht, dass er das Studium der beiden Schwestern finanziert. Er verzichtet auf vieles. Er raucht nicht und darf vorläufig nicht heiraten, denn eine Heirat kostet den Bräutigam viel Geld (Möbel, das Haus, den Goldschmuck als Mitgift für die Frau). Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Nadda und Naäma die jüngsten Töchter von Umm Bessam haben ihre Studien an den Hochschulen begonnen. Sie sind schöne, junge Frauen geworden, beide schminken sich. Wenn sie „auf Ausgang“ zu Recht gemacht sind, erkenne ich sie kaum. „Ausgang“ heißt fortgehen für kleine Einkäufe, Verwandte besuchen, an die Uni fahren. Disco-, Kino- oder Kaffeehausbesuche sind unvorstellbar. Beide studieren Informatik. Sie haben das Glück, dass ihr Bruder mit seinem kleinen Lehrerlohn diese Studien unterstützt. Nach dem Studium werden sie sich für eine Lehrerinnenstelle an einer Dorfschule bewerben und Informatik unterrichten, falls sie bei der hohen Arbeitslosigkeit eine Stelle erhalten. Die Schulen haben oft nur einen einzigen Computer, der im Büro der Schuldirektorin steht. Die Schülerinnen können kaum etwas anwenden. So lernen sie vor allem Geschichte des Computers und den Aufbau, das Funktionieren der Geräte. Ruth Vischherr Strebel ist diplomierte Supervisorin und ausgebildete Fachfrau in Transkultureller Kompetenz. Sie war Dozentin in der Ausbildung von Lehrkräften im Gesundheitsbereich. Seit siebzehn Jahren bereist sie den Nahen Osten und ist mit Menschen eines jordanischen Beduinenstammes befreundet. Sie hat über diese Erfahrungen das Buch "Halima" geschrieben. – Anzeige – Seite 56 Frauenbewegungen in Ägypten i Alle Namen geändert. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Der „Arabische Frühling“ und säkular orientierte Frauenorganisationen von Johanna Block D ie beeindruckenden Bilder der ägyptischen Revolution im Zuge des ‚arabischen Frühlings’ im Frühjahr des vergangenen Jahres ließen lange begrabene Hoffnungen auferstehen, auch die innergesellschaftliche Stellung ägyptischer Frauen werde sich nun Mediterranes 1/2012 endlich nachhaltig verbessern. Nicht wenige Frauen mischten sich unter die Protestierenden auf dem historischen TahrirPlatz und brachten ihre Belange auf die Tagesordnung der Revolution. Im Auge westlicher BeobachterInnen handelte es sich allem Anschein nach um eine breite Mobilisierung ägyptischer Frauen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten: Das Spektrum reichte von vollverschleierten bis hin zu westlichmodern gekleideten, jungen wie alten, in ihrer revolutionären Begeisterung vereinten Ägypterinnen. Der erfolgreiche Sturz © Flickr_without author recognition Seite 57 – Anzeige – Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Hosni Mubaraks war demnach auch ein Sieg mutiger, politisch aktiver Frauen und weckte große Hoffnungen auf eine mögliche Gleichberechtigung der Geschlechter in einem neuen Ägypten. Die ersten freien und demokratischen Parlamentswahlen im Januar dieses Jahres haben das Bild von der ägyptischen Frauenbewegung als Teil der Revolution weitge- Die Parlamentswahlen haben des Bild der ägyptischen Frauenbewegung zunichte gemacht hend zunichte gemacht. Die islamistischen Parteien, deren Spektrum von salafistisch bis moderat islamisch reicht, gingen mit ca. 70 Prozent Stimmenanteil als klare Sieger hervor. Höchstens ein Dutzend weibliche Abgeordnete hat es in das neue Parlament geschafft. Während die Parteien unter Mubarak immerhin noch eine Frauenquote von 12 Prozent einzuhalten hatten, reduzierte sich die nun auf eine Alibi-Frau pro Liste. Dagegen prägen schockierende Pressebilder und -berichte von hilflosen, auf offener Straße von Militärs geprügelten, gefolterten und misshandelten Frauen die öffentliche Berichterstattung. Die Frauenbewegung der ägyptischen Revolution scheint sich ebenso spontan und unvorhergesehen formiert zu haben, wie sie im Nachklang der Aufstände an Wirkung und Einflusspotenzial verlor. Gerade westliche BeobachterInnen versahen den ägyptischen Frauenaktivismus des ‚Arabischen Frühlings’ allzu unbedarft mit dem Etikett einer ‚Frauenbewegung’, deren führende Kräfte in den vielen, meist in der Hauptstadt Kairo ansässigen, frauenpolitisch engagierten und säkular orientierten Nichtregierungsorganisationen verortet werden. Dabei dürfte es eigentlich nicht verwundern, dass es diesen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen letztlich nicht gelang, die breite Masse der ägyptischen Frauen im Vorfeld der Wahl für gemeinsame Ziele zu mobilisieren. Der vorrevolutionäre DisSeite 58 kurs über die Chancen und Hindernisse einer ägyptischen Frauenbewegung verwies stets auf die mangelnde Fähigkeit der Aktivistinnen, kollektive Identitäten hervorzubringen und für eine gemeinsame Agenda Lobbyarbeit zu betreiben. Ihre aus den Parlamentswahlen ersichtliche politische Ohnmacht ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich. Säkulare Aktivistinnen im Kreuzfeuer der Kritik Ägyptische Frauenorganisationen kämpfen seit Jahren gegen den Vorwurf der Komplizenschaft mit ‚dem Westen’ an. Ihre Arbeitsweise orientiert sich stark an den Vorgaben internationaler Entwicklungshilfeagenturen. In ihren Projekten bieten sie sozial schwachen Frauen finanzielle Unterstützung und Aufklärungsseminare. Ihre Klientinnen erhalten gesundheitliche Hilfestellungen und werden zu Themen wie politische Partizipation, Scheidungs- oder Staatsbürgerschaftsrechte aufgeklärt. Um ihre Projekte umsetzen zu können, begeben sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen in Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern. Der weit verbreitete Vorwurf lautet, auf diese Weise würden Projekte initiiert, die sich allein an den Vorgaben der jeweils finanzierenden ausländischen Organisation, wie z.B. den Vereinten Nationen, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder der United States Agency for International Development (USAID), orientieren. Die Zielgruppen selbst würden in die Prozesse der Themenfindung nicht einbezogen, sodass die Projekte nicht selten an deren wirklich drängenden Bedürfnissen vorbeigingen. Der ständige Wettbewerb um die Gelder internationaler Hilfsorganisationen verhindert außerdem eine intensivere Zusammenarbeit verschiedener Frauenorganisationen untereinander und schafft Konkurrenz, wo Kooperation im Sinne der Zielgruppen gefragt wäre. Soziale Hierarchien statt kollektiver Identität Die berufsmäßig notwendige Kommu- nikation mit ausländischen Agenturen erfordert einen hohen Bildungsgrad und weitreichende Kompetenzen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Die große Mehrzahl ägyptischer Frauenaktivistinnen entstammt der gehobenen Mittelschicht und tritt in ihrem täglichen Leben mit ihren Klientinnen in keinerlei Kontakt. Ausgeprägte soziale Ungleichheiten und ein starkes Bewusstsein für die eigene soziale Stellung haben in Ägypten nahezu getrennte Lebenswelten je nach Schichtzugehörigkeit etabliert. Besonders Programme zur Steigerung des Bewusstseins gegenüber den eigenen politischen und gesellschaftlichen Beschränkungen (sog. ‚awareness-raising’-Programme), die über die Wahrnehmung bürgerlicher Rechte weibliches ‚empowerment’ fördern sollen, offenbaren diese gravierende soziale Kluft zwischen politisch engagierten Aktivistinnen und ihren Zielgruppen. Hierarchische, nahezu unüberwindbare Schülerinnen-Lehrerinnen-Beziehungen stehen einer aktiven Einbeziehung sozial schwacher, bildungsferner Frauen in die Projektauswahl und -arbeit im Weg. Die Chancen einer – wie auch immer gearteten – kollektiven Identitätsstiftung mit dem Ziel einer gesellschaftsübergreifenden Frauenbewegung waren und sind aufgrund dieser elitären Positionierung zivilgesellschaftlicher Frauenorganisationen nicht absehbar. Im Kampf um kulturelle Authentizität In einem stark islamisch geprägten Land wie Ägypten sind Aktivistinnen, die sich zum Zwecke ihrer Selbstlegitimation nicht auf islamische Argumentationsmuster berufen, vielfältigen Angriffen ausgesetzt. In zunehmendem Maße erfährt ihre Distanzierung von religiösen Handlungsmotiven in der öffentlichen Diskussion scharfe Kritik. Derartige Vorwürfe werden sowohl von nationalistischen als auch von islamistischen Stimmen geäußert. Die Betroffenen begegnen diesen Anschuldigungen ambivalent. Viele Aktivistinnen grenzen sich dezidiert von einem ‚westlichen’ Feminismus, den der gesellschaftliche Mainstream in Ägypten mit absoluter Freizügigkeit, Homosexua- Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum lität und Gottlosigkeit gleichsetzt, ab. Im Vergleich zu religiös argumentierenden ‚islamischen Feministinnen’ fällt es ihnen deshalb jedoch umso schwerer, ihre Arbeit als kulturell authentisch zu präsentieren. Angesichts dieses Dilemmas versucht jede Frauenorganisation für sich, den Drahtseilakt zwischen kultureller Authentizität und Anpassung an die Forderungen internationaler Geldgeber zu bewerkstelligen. Konsequentes gemeinsames Handeln, geschweige denn eine Koalition mit islamisch argumentierenden Frauenaktivistinnen, ist deshalb, mit Ausnahme einzelner, themenspezifischer Aktionen, wie z.B. bei der Kampagne für ein neues Scheidungsrecht, kaum zu erwarten. Rekurs auf islamische Grundwerte? Noch ein Jahr vor dem Ausbruch des ‚Arabischen Frühlings’ waren sich WissenschaftlerInnen und Aktivistinnen darin einig, dass die Chancen einer Frauenbewegung in Ägypten nahezu gegen Null gingen. Als Gründe wurden defizitäre zivilgesellschaftliche Strukturen und die äußerst stabile semi-autoritaristische Staatsführung angeführt. Der Ausnahmezustand in den Monaten der Revolution schien all diese pessimistischen Einschätzungen zur politischen Wandlungsfähigkeit arabischer Staaten ‚von unten’ zunächst auf den Kopf zu stellen. Im Nachklang der ersten parlamentarischen Wahlen treten die Schwächen säkularer Frauenaktivistinnen jedoch wieder hervor. Die Mobilisierungskraft ihrer eigenen Leute ist durchaus vorhanden, wie die Bilder von meist jungen Frauen beweisen, die auf dem Tahrir-Platz ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit der Militärpolizei trotzen. Eine Verbindung zur großen Mehrheit ägyptischer Frauen, die um das tägliche Überleben ihrer Familien kämpfen, besteht jedoch nicht. Die Lebenswelten dieser Frauen stehen sich diametral gegenüber. Der säkulare Diskurs um Menschenrechte und Gleichberechtigung findet in den gehobenen sozialen Schichten statt. Der überwiegende Teil der ägyptischen Wählerschaft identifiziert sich eher mit islamisch fundierten Forderungen und fordert konkrete, materielle Verbesserungen. Mediterranes 1/2012 Koalitionen sind unumgänglich Von einer schichtübergreifenden Frauenbewegung kann im ägyptischen Kontext folglich nicht die Rede sein. Momentan bleibt höchstens abzuwarten, inwieweit der sog. ‚islamische Feminismus’ unter ägyptischen Frauen an Einfluss gewinnt. Eine Argumentation mittels religiöser Schriften zugunsten der innergesellschaftlichen Stellung der Frau birgt ein nicht zu unterschätzendes Mobilisierungspotenzial. Erste Koalitionsbildungen zwischen säkularen und islamisch orientierten Frauenorganisationen konnten z.B. während der erfolgreichen Kampagne für ein neues Scheidungsrecht der Frau (‚khul’-Scheidung) im Jahr 2000 beobachtet werden. Die Beteiligten bezogen sich damals auf eine Sure im Koran, nach der eine Scheidung durchaus auch von der Ehefrau eingeleitet werden kann. Eine solche Vorgehensweise mag zwar aus säkularer Sicht rein strategisch motiviert sein, erfährt jedoch eine breite Akzeptanz, sowohl von gesellschaftlicher Seite als auch von islamischen Institutionen, wie der einflussreichen Al-AzharUniversität in Kairo. Um alle sozialen Schichten zu mobilisieren, ist der Dialog mit religiös motivierten Aktivistinnen unausweichlich. · Exklusive marokkanische Weine im Online-Versand · Erlesener Bio-Traubensaft · Individuelle Weinproben für Freunde und Kollegen · Aboprämie und Rabatte für Mediterranes-Leser und EMA-Mitglieder Literaturhinweise: Nadje Al-Ali, Secularism, Gender and the State in the Middle East. The Egyptian Women’s Movement, Cambridge 2000. Haideh Moghissi (Hg.), Women and Islam, Bd. 3: ñ wir lieben wein ó Women’s Movements in Muslim Societies, London et al. 2003. Johanna Block (M.A.) studierte Wissenschaftliche Politik, Geschichte und Soziologie in Freiburg und Salamanca. Momentan arbeitet sie als wissenschaftliche Referentin am Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg und promoviert zu muslimischen Frauenorganisationen in Deutschland und Großbritannien. weine aus marokko www.weinmarkt21.de Zivilgesellschaft, Politik und Kultur impressum Die ägyptische Fotokünstlerin Marwa Adel Herausgeberin Euro–Mediterranean Association for Cooperation and Development e.V. (EMA) Lederstraße 15 22525 Hamburg Tel.: +49 (0) 40 – 52 01 48 89 Fax: +49 (0) 40 – 52 01 49 11 Email: [email protected] Homepage: www.ema-germany.org Vertretungsberechtigter Vorstand Dr. rer. pol. Abdelmajid Layadi Registrierung Vereinsregister Amtsgericht Hamburg Die 1984 in Kairo geborene Künstlerin besitzt einen Master in Advertising (Spezialisierung auf Visual Identity) und ist Dozentin an der Fakultät für Angewandte Künste an der Helwan Universität in Kairo. Sie ist Teil der jungen ägyptischen Kunstszene, die nach den Ereignissen des arabischen Frühlings vermehrt Aufmerksamkeit genießt. Trotz, oder gerade wegen, des großen Interesses an der Revolution und ihrer Verarbeitung in der Kunstszene, will sie den Blick auch auf andere Gesellschaftsbereiche lenken. Bis zum 24. Juni 2012 sind Bilder Marwa Adels und Werke fünf weiterer ägyptischer Künstler, die von der renommierten Safarkhan-Galerie in Kairo zusammengestellt wurden, in Frankfurt in der Ausstellung "Ägyptische Kunst heute" zu sehen (Begleitprogramm zu "Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze"). Marwa Adel hat ihre digital bearbeiteten Fotografien schon in zahlreichen Ausstellungen in Ägypten, dem arabischen Ausland und darüber hinaus auch in Deutschland und andern europäischen Ländern ausgestellt. Sie gewann für ihre Fotografien, in die sie oft Grafik- oder Textelemente integriert, zahlreiche Preise. Einige ihrer Werke wurden schon im Auktionshaus Christie‘s verkauft. © Marwa Seite 60 Adel Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Bankverbindung EMA e.V., Bank: Commerzbank BLZ: 200 400 00 Kto. Nr.: 1710755 00 IBAN: DE58 2004 0000 0171 0755 00, BIC: COBADEFFXXX ChefRedaktion Dr. Abdelmajid Layadi, Clara Gruitrooy Redaktion Petra Bogenschneider, Nele Feldmann, Nina Lantzerath, Menno Preuschaft, Pauline Raux-Defossez, Irina Saal, Gefion Wildermuth, Anna Wischniewski In ihren Kunstwerken geht es ihr vor allem darum, Emotionen – etwa ferne Wünsche und den Drang nach Freiheit– darzustellen. Sie verarbeitet darin ihre persönlichen Erfahrungen wie die einer frühen Ehe, der Mutterschaft oder der Scheidung. Aber es ist ihr auch besonders wichtig, das konfliktreiche Verhältnis von Frauen und Männern in der ägyptischen Gesellschaft darzustellen. Sie will die vorhandenen Rollenbilder der beiden Geschlechter und die inneren Konflikte beleuchten, die durch das Einnehmen, aber auch dem Nicht-Entsprechen dieser Rollen für das Individuum entstehen. In ihren Bildern zeigt sie, wie sich die Erfahrungen eines Menschen mithilfe der Abbildung seines Körpers verdeutlichen lassen. Mit ihrer Art der Darstellung eckt sie auch im neuen, post-revolutionären Ägypten nach dem Sturz Husni Mubaraks noch immer an: Denn sie wählt als Medium, das ihre Botschaft transportieren soll, oftmals den nackten Körper. Und gerade die Darstellung des Körpers der Frau ist in der ägyptischen Gesellschaft noch immer ein Tabu. VR20138 gestaltung Pamela Petersen ABONNEMENT [email protected] MArketing UND VERTRIEB [email protected] Erscheinungsweise Halbjährlich Copyright Mediterranes. Das EMA-Magazin Zitate nur mit Quellenangabe. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung der Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion. Selbstbildnis von Marwa Adel © Marwa Adel Bildnachweis Cover © EMA Bildnachweis Inhaltsverzeichnis © EMA, Marwa Adel, Arne List Ausgabe 1 / 2012 ISSN 1869-263X Druck OURDAS druckt! Die EMA bedankt sich herzlich bei Herrn Fathi Abu Toboul von der Arab Union of Photographers EU (AUOP) für die Kontaktaufnahme zu der Künstlerin Marwa Adel und die Bereitstellung ihrer Bilder. Weitere Infos zur AUOP unter www.auop.de Papier gedruckt auf umweltfreundlichem Circle Silk Premium White mit FSC-Zertifizierung Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Zivilgesellschaft, Politik und Kultur Situation von Unternehmerinnen in der EMA-Region Medien und die Revolution Die Förderung von Geschäftsfrauen als Legitimierung des Regimes von Prof. Dr. Anja Zorob, Heba Amr und Eva Schmidt F rauen standen in Ägypten und Tunesien bei den Protesten, die zum Sturz der Regime Mubarak und Ben Ali führten, in der vordersten Reihe. Allerdings machten sich nach den Umbrüchen schnell Befürchtungen breit, dass der politische Wandel eine Erosion der unter dem „Staatsfeminis- Seite 62 mus“ der früheren Autokraten institutionalisierten Frauenrechte auslösen könnte. Zu diesen Maßnahmen zählten auch Programme für die Förderung von Unternehmerinnen. Internationale Geber unterstützten diese Initiativen tatkräftig. Durch die Entfaltung ihres unternehmerischen Potentials sollten Frauen einen Beitrag leisten für die Schaffung dringend benötigter Arbeitsplätze im privaten Sektor und die Diversifizierung der Ökonomien der Region. Daneben entstanden nationale und regionale Unternehmerinnenverbände, die sich zunehmend untereinander und auf internationaler Ebene vernetzten.1 Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges © Flickr_without authorWachstum recgnition Bislang allerdings, und daran haben auch ehrgeizige Ziele zur „Gleichstellung der Geschlechter“ im Rahmen der Millennium Development Goals (MDGs) noch nicht viel ändern können, zeichnen sich die arabischen Länder vor allem dadurch aus, dass der Anteil von Frauen an den Erwerbstätigen zu den niedrigsten der Welt zählt.2 Ähnliches gilt für den Anteil der von Frauen geführten Unternehmen, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren stetig angestiegen zu sein scheint.3 Forschungsberichte bestätigen indes einhellig, dass das unternehmerische Potenzial von Frauen in den arabischen Staaten vor allem durch die allgemein-rechtliche Differenzierung zwischen Frauen und Männern sowie soziale Normen und eine weit verbreitete ablehnende Einstellung gegenüber arbeitenden Frauen, insbesondere selbständigen Unternehmerinnen, negativ beeinflusst wird. Dies gilt offenbar selbst für Länder wie Tunesien, die als „Vorzeigemodell“ in dem Bemühen um rechtliche Gleichstellung in der Region gelten und ebenso wie Marokko oder Ägypten auf eine lange Tradition nationaler Frauenbewegungen zurückblicken. Vor diesem Hintergrund merkten einige Autoren kritisch an, dass es für eine nachhaltige Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht nur staatlicher Fördermaßnahmen für zum Beispiel einen besseren Zugang zu Kapital und Krediten bedarf. Darüber hinaus müssten Frauenverbände und insbesondere die Medien in den arabischen Staaten Überzeugungsarbeit leisten, indem sie auf Unternehmerinnen und ihre Belange aufmerksam machen und die Bevölkerung für einen Wandel in Einstellungen und Gesetzgebung sensibilisieren. 4 Einen Blick auf die Rolle der Medien setzt sich dieser Beitrag zur Aufgabe. Zu ergründen gilt, wie sich die Darstellung von Unternehmerinnen als Teil des öffentlichen Diskurses in den Gesellschaften der beiden Länder in den letzten Jahren entwickelte und ob die Unternehmerinnen und ihre Verbände im Diskurs selbst eine eigeMediterranes 1/2012 ne Position neben den staatlichen Förderern einnahmen. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, ob sich dieser Diskurs veränderte, nachdem die autokratischen Förderer aus ihren Ämtern gezwungen wurden. Mittels einer computergestützten qualitativen Inhaltsanalyse analysiert dieser Artikel die Darstellung von arabischen Unternehmerinnen in der ägyptischen und tunesischen Presse und deren Funktion im nationalen politischen Kontext. Unternehmerinnen unter der Schirmherrschaft der Regierung Um ein möglichst breit gefächertes Bild zu erfassen, stützten wir unsere Analyse für Ägypten auf eine ‚staatlichkontrollierte‘ Tageszeitung (al-Ahram) und eine private Zeitung (al-Masry alYoum) neben der englischsprachigen Zeitschrift Daily News. Für Tunesien wählten wir die arabisch-sprachige alSabah und die französischsprachige ‚La Presse‘. Alle diese Zeitungen weisen eine hohe Auflagenstärke auf. Im Zeitraum In Tunesien wird Gleichberechtigung häufig als persönliches Projekt des Präsidenten dargestellt 2004-2010 wurde über das Thema ‚Unternehmerinnen‘ regelmäßig berichtet, zumeist vor, während oder infolge einer Konferenz oder einer anderen großen Veranstaltung. Die grundlegende Forderung in den Artikeln ist, dass Unternehmerinnen als ein Motor nationaler Entwicklung gefördert und dass jegliche Hemmnisse, die ihrer Tätigkeit im Wege stehen, abgebaut werden sollen. 2011 gibt es einen ‚Knick‘: Mit der Revolution wird das Thema Unternehmerinnen insbesondere in den staatlichen Medien fast vollständig ausgeblendet. In Ägypten stehen Suzanne Mubarak und der im Jahr 2000 aus der Taufe gehobene National Council for Women (NCW) im Zentrum des nationalen Projekts zur Frauenförderung. Suzanne Mubarak erscheint als Schirmherrin von nationalen, regionalen und internationalen Konferenzen zu Unternehmerinnen. Im Unterschied zur staatlichen werden in der privaten Zeitung die Präsidentengattin und der NCW so weit wie möglich ignoriert. In Tunesien wird Gleichberechtigung häufig als persönliches Projekt des Präsidenten dargestellt. Zwischen privaten und staatlichen Zeitungen lassen sich kaum Unterschiede feststellen. Die „Emanzipation“ der Frau wird nach einer paternalistischen Logik verkündet. Frauen qualifizieren sich nicht selbst, sie werden mit Qualifikationen „ausgestattet“ und auf die Geschäftswelt „vorbereitet“. Entsprechend wird von Geschäftsfrauen eingefordert, dass sie ihrerseits der Verantwortung für die Entwicklung des Landes gerecht werden. Leila Ben Ali wird als Identifikationsfigur der emanzipierten modernen Frau und auf Grund ihres Vorsitzes in der Organisation de la Femme Arabe als Frauenrechtlerin porträtiert. Lob kommt auch von regionalen und internationalen Partnern. O-Töne von NGOs und Organisationen wie der tunesischen Chambre Nationale des Femmes Chef’s d'Entreprise (CNFCE), Vertreterinnen des NCW, Unternehmerinnen und regionalen oder internationalen Führungskräften dienen hauptsächlich der Bestätigung der staatlichen Politik. Andere, vor allem kritische Stimmen kommen in Tunesien kaum zu Wort. In Ägypten tragen jedoch Unternehmerinnen und Akteure der Entwicklungszusammenarbeit selbst inhaltlich zum Diskurs bei. Von der Notwendigkeit Unternehmerinnen zu fördern In den untersuchten Artikeln wird als Hauptgrund für die Förderung von Unternehmerinnen die sozio-ökonomische Entwicklung des Landes benannt. In Tunesien liegt der Fokus auf ihrem Beitrag zur „Modernisierung des Landes“. Dies wird jedoch kaum ausgeführt. Der Groß-teil der Artikel begnügt sich daSeite 63 – Anzeige – Zivilgesellschaft, Politik und Kultur mit, einen positiven Gesamteindruck zu beschwören, in dem sie möglichst viele positiv-besetzte Begriffe – Frauen als Impulsgeber, innovativ, kompetent, effektiv und verantwortlich – verwenden. In Ägypten wird der Beitrag von Unternehmerinnen zur sozio-ökonomischen Entwicklung des Landes mit „verbesserten Wettbewerbschancen“, einem „verbesserten Entwicklungsindex“ und dem „Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit“ begründet. An zweiter Stelle erscheinen Argumente, die durch die Förderung von Unternehmerinnen ihre Gleichberechtigung anstreben und hierbei 'Frauenrechte als Menschenrechte' darstellen. In Tunesien wird häufiger als in Ägypten beiläufig auf Frauenrechte „als Bestandteil der Menschen- und Bürgerrechte“ verwiesen, um Tunesien als demokratisches Land, das die Menschenrechte achtet, darzustellen. In mehreren Artikeln, besonders in Ägypten, wird auch ein Bezug zur Religion hergestellt, wobei die Frauenförderung als ‚im Einklang mit dem Islam‘ verstanden wird. In der englisch-sprachigen Zeitung ist dieses Argument wesentlich seltener zu finden. Tunesien und Ägypten: Unterschiedliche Darstellungen Während in Tunesien Emanzipation eher als gesellschaftlicher Konsens dargestellt wird, scheint in Ägypten das größte Hindernis für die Unternehmerinnen 'die hemmenden gesellschaftlichen Konventionen' zu sein. Unternehmerinnen müssten ‚sich selbst in der Männerwelt beweisen und ihren Respekt hart erkämpfen'. Daneben werden die mangelnde Vertretung von Unternehmerinnen in Führungspositionen und der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten kritisiert. Inwieweit die Rechtslage verändert werden soll, bleibt unklar. In einigen Artikeln ist der Unterton, dass Frauen in Ägypten ihre Rechte schon erlangt haben, aber diese noch in der Gesellschaft ‚aktiviert‘ werden müssten. Das Bild der arbeitenden Frau und besonders der Unternehmerin in der Gesellschaft wird von den interviewten Unternehmerinnen selbst als eher negativ eingeschätzt. So heben Unternehmerinnen hervor: „Selbst die Medien verbreiten in Fernsehserien sehr negative Bilder von Unternehmerinnen in der Gesellschaft. Die Medien müssten vielmehr Erfolgsmodelle zeigen, um dieses Bild in der Gesellschaft zu verbessern“.5 Tatsächlich dominieren in den untersuchten Zeitungen positive Bilder und Erfolgsgeschichten von Unternehmerinnen. Oft verwendete Umschreibungen sind: ambitioniert, kämpferisch, stark, tapfer, eiserne Frau, Vorreiterin, aber auch vorsichtig. Entgegen dieser Darstellung von Erfolgsnarrativen werden auch negative Bilder von Unternehmerinnen portraitiert, wobei Unternehmerinnen als ein Teil der korrupten Elite dargestellt werden. Jedoch treten diese Narrative viel seltener auf als positive Darstellungen. Oben: „An Attempt“ © Marwa Adel Rechts: „Dream“© Marwa Adel Mehr über Marwa Adel finden Sie auf S. 60 Seite 64 Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Seite 65 Zivilgesellschaft, Politik und Kultur – Anzeige – In Tunesien handeln die Zeitungsbeiträge meist von Frauen im Allgemeinen, Geschäftsfrauen dienen nur als ein Beispiel für „die erfolgreiche tunesische Frau“. Porträts einzelner Unternehmerinnen finden sich nicht. Gesellschaftliche Konventionen werden in den Artikeln selten, aber dann weitgehend als bereits „überwunden“ thematisiert: Probleme finden in Tunesien nur in der französischsprachigen Presse Erwähnung und werden lediglich in technischen Hemmnissen oder der Mentalität der Unternehmerinnen selbst gesehen. So wird gefordert, Unternehmerinnen dazu zu „ermutigen“, sich der internationalen Konkurrenz zu stellen oder neue Technologien zu nutzen. Auch in Ägypten liegt die Lösung offenbar im persönlichen Weg. Frauen müssten sich nur entsprechend anstrengen und an sich glauben, um erfolgreich zu sein. Private Herausforderungen der Unternehmerinnen werden selten betrachtet. Nur die negativen gesellschaftlichen Vorstellungen gegenüber der Arbeit der Frau müssten bekämpft werden. Die ägyptische und tunesische Unternehmerin hat offenbar kein Problem, Beruf und Familie zu vereinbaren. den staatlichen Medien stark verringerte. Dies mag mit der übertriebenen Präsenz und ideologisch aufgeladenen Berichterstattung um Frauen in den Jahren zuvor zusammenhängen. Es ist nunmehr nicht mehr nötig, die alten Regime mit solchen Diskursen zu legitimieren. Inzwischen werden die bisherige Frauenpolitik und die Rolle der Unternehmerinnen in beiden Ländern, vor allem in Ägypten, kontrovers diskutiert. Unternehmerinnen und ihre Verbände müssen sich umstrukturieren und neu positionieren. Sie stehen vor einer zweifachen Herausforderung: In den vergangenen Jahrzehnten institutionalisierte Frauenrechte verteidigen und gleichzeitig dafür kämpfen, dass das empowerment von Frauen auch von den neuen Regierungen weiter voran getrieben wird. Für eine prosperierende Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung indes sind Tunesien und Ägypten tatsächlich und mehr denn je auf ein breites Engagement ihrer Frauen angewiesen. 1 Siehe United Nations Development Programme (2006): The Arab Human Development Report 2005: Towards the Rise of Women in the Arab Chancen und Risiken der Revolution Die Förderung von Geschäftsfrauen in beiden Ländern erfüllte vor den Revolutionen an erster Stelle die Funktion, die Regime nach innen wie nach außen zu legitimieren. In Tunesien trat der Staatsfeminismus dabei noch ausgeprägter zu Tage als in Ägypten. Der wesentliche Unterschied lag darin, dass in Ägypten die Presse selbst eine aktive Rolle in der Frauenförderung einnahm, während in Tunesien die Legitimation des Regimes und nicht die Akzeptanz oder die Verbesserung der Situation von Unternehmerinnen vorherrschendes Ziel der Berichterstattung war. Vertreterinnen von Unternehmerinnenverbänden kamen im öffentlichen Diskurs zu Wort, sie bestätigten allerdings zumeist die Regimepolitik und äußerten kaum eine Kritik daran. Mit dem Sturz der Staatschefs vollzog sich ein ‚Knick‘, weil sich mit der Revolution die Berichterstattung besonders in Seite 66 World, New York: UNDP, S. 110-111. 2 Der Grad der Erwerbsbeteiligung von Frauen beläuft sich laut aktueller Daten der Weltbank auf 24% in Ägypten und 28% in Tunesien, siehe World Bank (2011): Women, Business and the Law: Removing Barriers to Economic Inclusion, Washington, D.C.: IFC/The World Bank. 3 In Ägypten liegt der Anteil von Unternehmen im Prof. Dr. Anja Zorob ist Juniorprofessorin an der Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients des OttoSuhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Zuvor hat Anja Zorob am Lehrstuhl für Gegenwartsbezogene Orientforschung des Instituts für Wirtschaftswissenschaft der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg promoviert und zahlreiche Studienreisen in die EMA-Region absolviert. Heba Amr Hussein wurde in Ägypten geboren und studiert zurzeit Umweltpolitik (Master) an der Freien Universität Berlin. Zuvor hat sie bereits ein Studium der Politikwissenschaft mit den Schwerpunkten Politische Theorie und politische Transformation in der Region des Vorderen Orients abgeschlossen. Seit August 2011 ist sie studentische Hilfskraft an der Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients des Otto-SuhrInstitut für Politikwissenschaft. Besitz und/oder Führung von Frauen bei 20%, in arabischen Staaten im Durchschnitt bei 13%, siehe World Bank (2007): The Environment for Women’s Entrepreneurship in the Middle East and North Africa Region, Washington, D.C.: The World Bank. 4 Chamlou, Nadereh and Reem Kettaneh Yared (2005): Women Entrepreneurs in the Middle East and North Africa: Building on Solid Beginnings, in: Handoussa, Heba (ed.): Arab Women and Economic Development, Cairo/New York: The American University in Cairo Press. 5 Alqi‘i, Tahani: Unternehmerinnen nehmen teil an der nationalen Entwicklung. Sayidat al-a’mal yuscharikna fi masirat al-tanmiya. Al-Ahram, 20.11.2008. (eigene Übersetzung). Eva Schmidt ist seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients des OttoSuhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Zuvor hat sie an der Freien Universität Berlin und am Institut d’Etudes Politiques in Aix-enProvence Politikwissenschaften studiert. Schwerpunkt: Frauen in Führung für nachhaltiges Wachstum Mediterranes 1/2012 Seite 67 Das 2. Hamburger Wasserforum für die EMA-Region „Wir machen aus Wasser alles Lebendige“ Themenbereiche: Arabisch-Deutsche Wasserkooperation für Frieden und Wohlstand Wassermanagement in urbanen und ruralen Gebieten Wasser als Quelle für zukunftsweisende Energieerzeugung Abwasserentsorgung Wasseraufbereitung Integriertes Wasserressourcenmanagement (IWRM) Wasser für die Landwirtschaft – virtuelles Wasser Maritime Industrie und die Reinhaltung der Meere © Hamburg Wasser unter der Schirmherrschaft von SKH Prinz Hassan bin Talal 10.-12. September 2012 in der Handelskammer Hamburg Konferenz, Messe, Galadinner, Rathausempfang (tbc), Besichtigungen Weitere Informationen unter: www.ema-germany.org/go/wasserforum2012 Telefon: +49 (0) 40 5201 48 89