GEGEN DIE ETHNOKULTURELLE IDENTITÄT UND FÜR EIN
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GEGEN DIE ETHNOKULTURELLE IDENTITÄT UND FÜR EIN
GEGEN DIE ETHNOKULTURELLE IDENTITÄT UND FÜR EIN GEMEINSAMES UND GUTES LEBEN DEN IDENTITÄREN DAS LEBEN SCHWER MACHEN Am letzten Donnerstag störte eine Gruppe von sogenannten Identitären eine Lehrveranstaltung an der Alpen-Adria-Universität und löste damit einen großen Medienrummel aus. Inzwischen weiß man, dass genau das ihr Ziel ist: Aufmerksamkeit erzielen. Deshalb ist diese Versammlung etwas Paradoxes: Geben wir ihnen damit nicht genau die Plattform, die sie sich wünschen? Wir sagen: Im Gegenteil. Wir müssen verstehen wie diese Bagage funktioniert, und dazu kommt diese Versammlung gerade recht. Schauen wir uns das genauer an: Eine eigentlich recht kleine Gruppierung völkisch verblendeter und rechtsextremer Aktivisten, die meinen, „Volk und Vaterland“ gegen Multikulturalismus, gegen MigrantInnen und Geflüchtete schützen zu müssen, will mediale Ausrufezeichen setzen. Dazu bedient sie sich der Aktionsformen sozialer Bewegungen, versucht mit Happenings, Symbolen und Bildern eindeutig rechtsextremistische Inhalte zu verbreiten. Es geht ihnen nicht darum zu überzeugen, sondern darum, den öffentlichen Raum zu besetzen und symbolische Markierungen zu setzen. Sie wissen genau, dass solche Aktionen Verunsicherung hervorrufen und sie wollen sich unter ihresgleichen als handlungsfähig darstellen. Gleichzeitig versuchen sie Gefühle der Ohnmacht zu erzeugen. Nämlich bei all denen, die das Geplärre von Volk, Volkstum und Identität zurückweisen. Dies auch mittels durchaus gewalttätiger Eingriffe in den Lehrbetrieb, mit denen sie die Anwesenden zwingen wollen, sich ihre aggressive Propaganda anzuhören. In dieser Versammlung setzen wir ein öffentliches Zeichen, das uns ermächtigt, den rechtsextremen Propagandisten in die Suppe zu spucken. Es macht keinen Sinn mit solchen Organisationen zu diskutieren. Es geht nicht um einen Austausch der Argumente. Es geht jetzt vielmehr darum, uns selbst und anderen klarzumachen, dass sich das Gerede von der „ethnokulturellen Identität“ gegen das Leben ganz allgemein und gegen ein gutes Leben für alle im Besonderen richtet. Deshalb sagen wir nicht nur laut und deutlich „Nein, danke“. Ebenso deutlich sagen wir JA! zu einer Tradition der Vielfalt gerade hier im Alpen-Adria Raum. Zu dem Wissen, dass Vielfalt auch Konflikt bedeutet, und dass es Lösungen gibt. JA zu einem besseren Leben ohne ausgrenzende Volkstümelei, ohne Verharren in einer bereinigten „ethnokulturellen Identität“, die es sowieso nie gegeben hat. Es geht um eine Universität in einer ganz besonderen Grenzregion, die offen ist. Nämlich um eine Universität, in der wir uns alle frei und ohne Angst bewegen und austauschen können, egal ob wir aus Österreich, Slowenien, Bosnien oder Syrien bzw. Irak oder Afghanistan kommen (etwa die geflüchteten More-Studierenden an der Alpen-Adria-Universität) eine Universität, die diese lebensfeindlichen Ausschluss-Ideologien zurückweist. Letztendlich geht es um ein besseres Leben für alle und mit allen. Was wollen die Identitären? In einem Text über Strategien der Rechten von Kevin Fuchs heisst es: „Startpunkt der Identitären Bewegung Deutschland war der 10. Oktober 2012. An diesem Tag wurde die Kriegserklärung veröffentlicht, ein in Schwarz-Weiß gehaltenes französisches Youtube-Video, das mit deutschen Untertiteln versehen ist. Rassismus pur: ,Unser Land, unser Blut, unsere Identitätʻ stehe gegen eine ,erzwungene Rassenmischungʻ. Feindbilder sind die moderne Gesellschaft und ,die 68erʻ. Als Symbol dient der griechische Buchstabe Lambda, der für den Kampf der Spartaner gegen ,die Fremdenʻ stehen soll. ,Glaubt nicht, dies ist nur ein Manifestʻ, heißt es im Video: ,Es ist eine Kriegserklärungʻ.“ (Kevin Fuchs: Die „Identitäre Bewegung“ erklärt den Krieg. Neue Strategie und Erscheinungsform der extremen Rechten, 15.1. 2013. Online: https://www.lottamagazin.de/ausgabe/50/die-identit-re-bewegung-erkl-rt-den-krieg) Was ist das Problem mit der „ethnokulturellen Identität“? Das Gerede von Heimat und Volkstum, neuerdings verbrämt als Kultur und Identität, dient der Errichtung eines Gefängnisses: einem Gefängnis von Zuschreibungen und Festlegungen, Stereotypen, Vorurteilen und erfundenen Wurzeln. Die „ethnokulturelle Identität“, von der die Identitären sprechen, reduziert Menschen auf einen Teilaspekt ihres Lebens. Die Menschen sind aber eben nicht nur Katholiken oder Protestanten, Männer oder Frauen, schwarz oder weiss, heterosexuell oder homosexuell. Menschen sind vielfältig und verschieden. Sie lassen sich nicht auf eine einzige ihrer vielen Facetten – nationale Identität, Hautfarbe oder was immer reduzieren. Wir sind nicht nur ÖsterreicherInnen, sondern auch Hip-Hop-Fans. Wir sind nicht nur Frauen, sondern auch Atomkraftgegner. Wir sind nicht nur Muslimas, sondern auch Ärztinnen oder Fussballfans. Identität gibt es heutzutage also nur im Plural, sie ist weder festgelegt noch natürlich oder dauerhaft. Der britische Kulturwissenschaftler Stuart Hall hat Identität als „moveable feast“ – bewegliches Fest bezeichnet. Als postkoloniales Subjekt wusste er, wovon er sprach: Er war zugleich schwarzer Jamaikaner und Absolvent der englischen Elite-Universität Oxford, Miles-Davis-Fan, Journalist und Mitbegründer der Cultural Studies in Großbritannien. Wer solch vielschichtige Identitäten in die Zwangsjacke einer homogenen und scheinbar naturgegebenen „ethnokulturellen“ Essenz presst, schafft die ideologischen Voraussetzungen für so genannte „ethnische Säuberungen“. Eine einheitliche „ethnokulturelle kollektive Identität“ ist eine Erfindung, sie ist ein Produkt von Geschichtsfälschungen, willkürlichen Setzungen und Fremdzuschreibungen. Wer mit diesem Konstrukt „denkt“ und solche Fiktionen durchsetzen will beteiligt sich an der Vorbereitung von Bürgerkriegen und anderen Formen von Mord- und Totschlag. Die Vorstellung einer „ethnokulturellen Identität“ ist keine analytische Kategorie, sondern ein völkisches Mordwerkzeug. Wir stehen für Vielfalt und gegen die Einfältigkeit der Identitätshuber, die die Welt mit ihren menschenverachtenden Hasstiraden unsicher und gefährlich machen. Es gibt gute Gründe, ihre Kriegserklärung ernst zu nehmen und sich vor ihnen in Acht zu nehmen. Noch viel bessere Gründe gibt es aber, ihre aggressiven Verlautbarungen auszulachen, zu verspotten, ob ihrer Dummheit und Dreistigkeit zu verhöhnen und sie auf den Misthaufen der Geschichte zu werfen, von dem herkommen. Wir wissen sehr wohl, dass alles Reden über die Identitären ihnen auch nützt. Dennoch können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es wird für sie an der Alpen-Adria-Universität künftig noch ungemütlicher werden. ¡No Pasarán! Joachim Allgaier, Ruth Ayaß, Cristina Beretta, Wilhelm Berger, Karoline Boehm, Dieter Bögenhold, Jonas Claußen, Christian Daye, Christoph Görg, Helmut Guggenberger, Thomas Hainscho, Marion Hamm, Hermann Hellwagner, Ute Holfelder, Andreas Hudelist, Sandra Hölbling-Inzko, Andrea Hoffmann, Claudia Isep, Reinhard Kacianka, Gerhard Katschnig, Wilhelm Kuehs, Robert Lauritsch, Ute Liepold, Bernd Liepold-Mosser, Mathias Lux, Ina Paul-Horn, Nils Matzner, Kirstin Mertlitsch, Martina Merz, Judith Michael, Elisabeth Millonig, Maria Mucke, Volker A. Munz, Viktorija Ratković, Sebastian Rauter-Nestler, Alice Pechriggl, Tina Perisutti, Hans-Peter Premur, Karin Schneider, Klaus Schönberger, Valentin Sima, Johanna Stadlbauer, Jutta Steininger, Johann Verhovsek, Martin Weiß, Angelika Wiegele, Matthias Wieser, Rainer Winter, Daniel Wutti, Lydia Zellacher (Lehrende und Lehrbeauftragte der der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt,, 16.6.2016) Für den Inhalt verantwortlich: Klaus Schönberger, Institut für Kulturanalyse, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt