Transatlantik von Ost nach West
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Transatlantik von Ost nach West
TRANSATLANTIK - AUF COLUMBUS SPUREN Atlantikquerung 2004 / 2007 Jonathan und Karl Heinz segeln in unregelmäßigen Abständen über den Atlantik. Abenteuerlust, der Durst nach Abwechslung, die Schönheiten in anderen Ländern zu entdecken und die seglerische Herausforderung sind die Hauptmotive. Die beschriebene Atlantikquerung ist von der längsten möglichen Atlantikquerung, die man segeln kann. Es war der Versuch die Leistungen des Columbus zu erahnen. DAS ABENTEUER MISST 5700 MEILEN Es war eine lange Reise, die nicht nur über den Atlantik führte, sondern auch jeden Beteiligten ein Stück näher zu sich selbst. Diese Atlantiküberquerung West-Ost ist eines der letzten Abenteuer in unserer organisierten Welt. Eine menschliche Gratwanderung, und seglerische Herausforderung, besonders deshalb, weil wir mit Jonathan der Route der alten Eroberer und Seeräuber über den Nordatlantik folgten: Panama – Kuba – Spanien. Unser Abenteuer Transatlantik begann in Kuna Yala/Panama, dem schönsten Segelrevier der Erde. Von hier aus nach Europa zu segeln bedeutet die längste mögliche Strecke segeln, die es von der Karibik aus gibt, nämlich 5.700 NM. Die erste Teilstrecke führte uns von Colon, dem Atlatniktor des Panamkanales, nach Kuba. Sie war zum „Aufwärmen“ knapp 900 NM lang und zeigte uns die natürliche Inselwelt der Kuna Indianer. KUBA In Kuba wählten wir zum Anlanden Santiago de Cuba. Diese „Stadt der Revolutionäre“ liegt im Südostteil der Zuckerinsel in der Nähe des US Stützpunktes Guantanamo. Hier begann der eigentliche Sprung über die „Pfütze“. Kuba, das ist herrliches Segeln und Tauchen, ist Musik, Tanz, Rum, Tabak, und schöne Mädchen. Kuba ist aber auch Kommunismus und Bürokratie. Über erstes erfreuten sich meine Mitsegler. Über letzteres ärgerten sich alle besonders Gerhard der in Cuba zu uns stieß. Er schlug meine Warnungen in den Wind und wollte eigene elektronische Geräte mitbringen. In Havanna beschlagnahmte der Zoll seinen GPS und sein SSB Radio. Es gelang uns in der folge nicht die Geräte aus dem Zoll zu bekommen, obwohl wir 4 Tage Zeit investierten. Verärgert verließen wir Santiago in Richtung Bahamas. Auf der Höhe von Guantanamo, wollte ein US Kriegsschiff dass wir der Einfahrt des US Stützpunktes ca 4 NM weiter nach Süden ausweichen. Der Funkoffizier gab keinen Grund an warum wir das machen sollten und wir fragten auch nicht nach. In so einer Situation fragt man nicht nach einem Grund, die Shiluette des Kriegsschiffes hatte etwas nachdrückliches an sich. BAHAMAS Das Segeln in die BAHAMAS war von schönem Wetter begleitet. Die Inselgruppe der Bahamas ist bekannt als wunderschönes aber auch anspruchsvolles Segelrevier für Individualisten. Ebenso berühmt sind die Bahamas für ihre einmaligen Wasserfarben und die herrlichen Tauchmöglichkeiten. Von Kuba kommend streiften wir den östlichen Teil der Inselgruppe. Anfänglich war der Wind ja schwach nahm allmählich zu und irgendwann hatten wir 7 Windstärken. Das war nicht so schlimm, doch die Kreuzsee, die uns erwartete war unangenehm hoch. Offensichtlich ausgelöst durch die großen Tiefenunterschiede standen Strömung und Wind gegeneinander. In jedem Falle waren die Wellen so konfus und hoch, dass das Vorschiff viel Wasser schaufelte, welches von unten oder von oben in das Netz einstieg. Erster Schaden am Schiff: der Catwalk zwischen den beiden Netzen im Vorschiffsbereich wurde aus seiner Verankerung gerissen. Es müssen Tonnen an Wasser gewesen sein, welche diese starke Befestigung pulverisierten. Nach einem Tag und einer Nacht war der Spuk vorbei, Wind und Welle schwächten sich ab. Den Catwalk montierten wir an der Heckreling und setzten unsere Reise, zunächst nach Norden, fort. GESTOHLENES GOLD Die alten Seefahrer machten es ähnlich. Sie transportierten das gestohlen Gold von Lateinamerika (Porto Belo, Colon, Cartagena) nach Kuba oder Jamaica. Dort verproviantierten sie sich und segelten so lange nach Norden, bis sie in die Bereiche der schnell ziehenden Tiefdruckgebiete kamen, die ihre Schiffe nach Europa trieben. Diese Taktik wählten wir auch. Die Alternative wäre mit viel Treibstoffvorrat unter Motor einfach nach Nordosten zu fahren. Aber wir wollten ja das Gefühl erleben, das auch die alten Seefahrer und Entdecker hatten. Wind und Wetter Nässe und Kälte wollten wir eben so trotzen wie den Flauten der Kalmenzone, durch die wir mussten. Eigentlich unverschämt. Alle erzählen von Stürmen und welche Probleme sie mit Schwerwetter hatten. Von Wasser, Salz und haushohen Wellen wurde uns geschildert. So stellt man sich halt dann auch den Nordatlantik vor... Aber was machen wir? Wir setzen den Spinnacker – unser Leichtwindsegel. Die nächsten Tage gibt es stressfreies Segeln auf Vorwindkurs. Ein Traum, die Temperaturen, die Wellen, die Luft, ...fast könnte man den Nordatlantik mit einer Badewanne verwechseln. Aber es sollte noch anders kommen. REPARATURTAG. Nach dem der Wind wieder eingeschlafen war motorten wir erneut. Gegen Mittag drückte die Hitze stark und wir legten einen Badestopp ein. Es war ein herrliches Gefühl auf knapp 3000 Metern Wassertiefe zu schwimmen. Jede Brille, jede Uhr, die hier ins Wasser fällt ist auf ewig verloren. Als niemand mehr stinkt will ich den Motor anwerfen... der Starter macht keinen Mukser... Also zerlegen. Der Solenoid ist kaputt, bis wir da drauf kommen vergehen 5 Stunden. Normaler Weise geht man in den nächsten Laden und kauft den Teil für 20 Euro. Bei den geschätzten 400 Kilo Ersatzteilen findet sich alles, auch ein Reservepropeller. Aber kein Solenoid. Also wird ein Loch gebohrt um den Kontakt von Hand zu schließen und starte den Motor. Dann macht der Autopilot noch Mätzchen, und die Kartentischbeleuchtung fällt aus. Das Gas für den Herd ist zu Ende und der Kühler fällt aus. Als wieder alles funktioniert ist es 8 Uhr abends. DIE JAGD NACH ETMALEN Ein ETMAL ist die Strecke, die man in 24 Stunden versegelt. Die kann bei Jonathan 240 NM betragen. Vorausgesetzt der Wind bläst entsprechend! Das ist deutlich mehr als bei Halbschiffen (auch Einrumpfboote genannt) gleicher Länge. Die Etmale bisher liegen aber, in Ermangelung an Wind, im Schnitt bei niedrigen 125 NM. Das nagt am Nervenkleid, besonders, wenn man zu einer bestimmten Zeit in Horta, also auf den Azoren sein will. Doch das ist Segeln. Das ist das Leben mit der Natur und den Gewalten, die jedoch im Augenblick auf Urlaub zu sein scheinen. BÄCKEREI JONATHAN So vergeht Tag um Tag und unser Etappenziel, die Azoren rücken näher und näher. Essen wird eintöniger, weil uns die frischen Dinge ausgehen. Es bleiben noch viele Kilo Reis, Tomatenmark, Käse, Mischgemüse eine Anzahl undefinierter Fleischdosen und 12 Stück Eier. Frisches Brot backen wir beinahe täglich, wobei Rosas Schwarzbrot auf Jonathan eine Sensation ist und jeder Bäckerei den Rang ablaufen würde. DIE CREW So nahe wie beim Segeln ist man dem Leben sonst kaum. Segeln ist wie das Leben. Flauten, Stürme, technische Probleme, menschliche Abgründe, Freude, Glück, Freundschaft, Liebe, ... Alles liegt so nahe beisammen. Bei so einer Fahrt über den Nordatlantik liegen die Dinge scheinbar noch näher beisammen. Die Crew besteht aus 6 zusammengewürfelten Charakteren die individueller nicht sein könnten. Diese Mischung ergibt Höhepunkte, aber auch menschliche Schattenseiten werden transparent. Die Belastung ist für manchen größer als erwartet. Einer der Mitsegler begann in seiner Nachtwache zu schreien, auszuflippen aus und brach die Wache ab. Fortan wurde er vom Wachplan ausgespart. Eben dieser Mitsegler hatte sich als erfahrener Segler vorgestellt. Fortan unterhielt er uns mit seinen wortgewandten Erzählungen. So Tat jeder das, was er am besten konnte. Ein anderer unserer Crew war ein guter Elektroniker und ein einfallsreicher Koch. So buk er den besten Apfelstrudel auf Jonathan. Als er seine Wache zum dritten male verschlief forschte ich nach und fand ihn total betrunken in seiner Koje. Sein Alkoholismus machte ihn nicht eben zu einem verlässlichen Wachgänger und fortan besetzte ich wurde seine Wache mit einem weiteren Mitsegler besetzt. So hatte er Spaß am Schapps und Jonathan segelte dennoch sicher. Für original karibisches Flair auf unserem Katamaran sorgte Rosaura. Sie fertigte die original Empanadas (gefüllte Teigtaschen) auf der Atlantikquerung an. Sie eröffnete auch den Frisiersalon auf Jonathan. Beim ruhigen Spinnacker segeln konnte jeder, der wollte seine Haare gepflegt oder geschnitten bekommen. Aus Bundesdeutschen Landen war Klaus angereist. Er ist Weinkenner und verkostete die Weinspezialitäten auf Jonathan. Als diplomierter Ozeanologe gab er reichlich Aufschluss über die Zusammenhänge von Meeresströmungen und die besten Anbaugebiete von rotem und weißem Wein. Franz seines Zeichens Big Band Trompeter übernahm am Schiff die Aufgabe Knoten zu konstruieren und erhellte unsere Gemüter durch seine fröhliche Art die Dinge zu sehen. Der Skipper und Autor hat auch seine Talente. Auf der Reise feierte er heimlich seine einhundertdreißigtausendste (130.000) Seemeile auf Mehrrumpfbooten. 130.000 Seemeilen Nach 130.000 Meilen auf Hochseegängigen Schiffen erlebte ich alle Höhen und Tiefen die ein Seemann erleben kann: Manche gute und herzliche Freundschaft wurde mir zu teil zweifelsohne die wertvollste Erfahrung. Einige geschwätzigen Hochstapler und Gauner lernte ich kennen. Auch die sind nötig um Freundschaften richtig schätzen zu lernen. Mit manchen scheinbar „grauen Mäusen“ aber auch imposanten Persönlichkeiten verbrachte ich meine Zeit auf See. Mit sehr reichen Menschen und solchen, die sich ihren Urlaub richtig ersparen müssen hatte ich ebenfalls zu tun. Mit fast allen verbindet mich die Liebe zum Wasser und der Traum, dass das Leben auf dem Meer freier macht als das Leben in der Mühle Europa oder USA. Zu mindest aber lebe ich das, wovon viele träumen. 130.000 Seeneilen in Biskaya, Ägäis, Mittelmeer, Nordatlantik und Karibik machen mich vielleicht zum erfahrensten Katamaransegler im deutschsprachigen Raum (nach den Ikonen Hausner oder Pieske). Dennoch weis ich, dass nichts im Leben ohne Glück möglich ist. Davon erhielt ich auch etwas in meinem bisherigen Leben. Zum Beispiel diesen Fisch. FLAUTE Kein Wind, die Windrichtungsanzeige pendelt unschlüssig herum. Wir sind deutlich im Rückstand mit unserer versegelten Distanz zu den Azoren, die Dieseltanks sind geleert und er Wetterbericht verheißt nichts gutes. Wir rationieren das Wasser und die Getränke, da wir nicht wissen, wie lange wir noch in der Windstille hängen werden. Im Gegenzug dafür werden wir mit herrlichen Sonnenauf- und -untergängen belohnt. Tage später kommt leichte Dünung von achtern auf und verspricht Wind. Tatsächlich, beginnt die Windfahne sich in einer Richtung einzupendeln, steht dann immer konsequenter auf einer Position, Zeit zum Segel setzen. DIE BRIESE KEHRT ZURÜCK (TAGEBUCH: Montag 24.4.04) Die Nacht war recht unruhig. Hohe Wellen rollen von Steuerbord achtern auf das Schiff zu, brechen teilweise vor dem Heck, teilweise schäumt die Gischt noch auf die Schwimmer. Wir segeln auf Vorwindkurs und Jonathan gleitet mit teilweise 14 Knoten durch die Wellen. Kracht manchmal eine Welle ans Mitteldeck, wird der Kat jäh abgebremst, schüttelt sich um gleich wieder zu beschleunigen. Lohn der schlaflosen Nacht: 105 Meilen in 12 Stunden, die wir heraussegeln konnten. Es ist schaurig schön in feuchter Kälte und Nacht das Schiff zu überwachen, nach zu trimmen und dabei zu sehen, wie mit jeder Veränderung an der Einstellung von Wind zu Segel, sich das Verhalten und die Geschwindigkeit Jonathans ändern. Die Etmale steigern sich nun Tag für Tag. Zunächst 185 Meilen, Tags darauf 194 Meilen, dann setzt Jonathan wie eine Raubkatze zum Sprung an und die 200 NM Marke fällt. Noch mutiger und erfahrener im Trimm der Segel erreichen wir 238 NM in 24 Stunden. Sicher wäre es noch schneller gegangen. Doch wir sind auf einer Atlantikquerung und nicht bei einer Ragatta. Alles – und darauf können wir als Crew mit recht stolz sein – lief bisher völlig sicher und ohne Bruch an Material ab. Alle wachhabenden Crewmitglieder wuchsen mit der Erfahrung zu einem seglerischen Team zusammen. ETAPPENZIEL AZOREN Alle Ängste, dass wir verhungern oder verdursten müssten waren umsonst. Herrlich, wir jagen nun täglich schneller den Azoren entgegen. Wir pflügen an der Nordwestlichen Insel Flores mit teilweise 16 Knoten vorbei. Die Gischt spritzt, die Heckwelle baut sich manchmal auf wie bei einem Motorboot, in 5 Tagen versegelten wir knapp 1000 Meilen. Eigentlich geht es so gut, dass wir gleich nach Spanien weiter fahren sollten. Das Denken ist zu langsam, weil schon Fayal – unser Etappenziel - näher kommt. Weitersegeln wäre toll, doch alle freuen sich schon auf ein offenes Bier, und da war ja noch ein Mitsegler, der zusteigen wollte.... Die AZOREN, bekannt vom Wetterbericht durch „das Azorenhoch“ gehören zu Portugal. Horta ist die Hauptstadt auf der Insel Fayal gelegen und der Seglertreff für Transatlantikfreaks. Fast alle Atlantiküberquerer bleiben einige Tage in Horta. Auch wir. Reparaturen durchführen, Lebensmittel bunkern, duschen, offenes Bier bei Peter im Cafe Sport trinken..... Dennoch wirken wir recht fit und entspannter als so manch andere Crew. Crews von Halbschiffen - also jene Yachten, denen ein Rumpf fehlt -, benötigen manchmal einige Tage Erholung von der Wackelei und der ewigen Krängung. Transat 2007 Den Zeitpuffer von einer Woche nutzen wir nicht aus. Die neue Crew ist bereits eingetroffen und wir machen uns auf nach Lissabon. WAL AUF BACKBORD Am zweiten Tage unserer Reise nach Lissabon so gegen Mittag gefiert uns der Atem. Wir segeln gemütlich in der sengenden Hitze bei wenig Wind, als keine 10 Meter Backbord achteraus ein riesiger Leib auftaucht. Ein Wal bläst aus und fast können wir seinen Atem spüren. Wir sind so gebannt und erschrocken, dass niemand daran denkt ein Foto zu machen. Der „Blas“ stinkt erbärmlich und hätten wir nicht das Schauspiel vor Augen würden wir die Ursache beim gestrigen Chilli con Carne vermuten. LISSABON Gegen den leuchtenden Abendhimmel zeichnet sich Lissabon ab, wird größer und langsam erkennbar. Und mit diesem Blick, der immer genauer, weiter und tiefer wird, bestätigt sich, dass sich die Stadt vor allem als großes Schauspiel darbietet. Denn spektakulär zu sein ist das Privileg ganz weniger Häfen auf der Welt. (Frei nach Alejio Carpentier) Wir segeln entlang der Algarve und entdecken herrliche Kleinode der Geschichte. Ein Gebiet um den Gaumenfreuden zu frönen, eine Reise für Kultur- und Geschichtsliebhaber. Portugal ist optisch und menschlich eines der reizvollsten Ziele in Europa. Portugal steht nicht für maritimen Massentourismus a la Mallorca. Vielmehr steht es für ungewöhnliche landschaftliche kulinarische und seglerische Höhepunkte. Für alle, die mehr wollen als „nur“ segeln ist Portugal eine Leidenschaft. Transatlantik ist ein Erlebnis und ein echtes Abenteuer. Das es in Europa im Winter kalt und unwirtlich wird. Darum werden wir im Oktober auf die Kapverden segeln und im Jänner in die Karibik. Wieder auf der Route der Entdecker und weit abseits des Massenverkehrs der ARC. Die Ziele werden sein Grenadinen, Panama, Nicaragua, Belice Bay Islands... und natürlich das große Barriere Riff mit dem „Blue Whole“. Fotos: K.H. Edler, Rosaura Gonzalez, Text: K.H. Edler